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Theorie des Sparens und der Kapitalbildung [1/3]
Es wird nötig sein, die Grundgedanken meines theoretischen Systems in möglichster Kürze zunächst vorauszuschicken. Sein Zweck ist, ein vereinfachtes Abbild des tauschwirtschaftlichen Prozesses zu geben, d. h. zu erklären, wie sich heute im Zustand eines entwickelten Tauschverkehrs die Bedarfsversorgung der Menschen vollzieht. Ich betone scharf den systematischen Charakter aller meiner Theorien, weil es bisher in der ökonomischen Wisschenschaft leider üblich war, daß Leute über diese und jene wirtschaftliche Erscheinung, z. B. über Wert, Grundrente, Unternehmergewinn, Kapital eine Theorie aufstellten, ohne bei den Fundamenten allen wirtschaftlichen Geschehens anzufangen. Mir aber zeigten sich gerade die Fundamente aller bisherigen Theorien als wacklig, und was ich biete, ist daher eine neue Grundlegung der ganzen ökonomischen Theorie. Hier soll aber nur gezeigt werden, daß dieses theoretische System auch zu Klarstellung ökonomischer Probleme verwandt werden kann, an die die bisherige Theorie der ökonomischen Grundlagen, die in der Hauptsache in der Wertlehre gipfelte, überhaupt nicht heranzutreten wagte. Was ich in der ganzen bisherigen Nationalökonomie vor allem vorwerfe und was den durchaus unbefriedigenden Zustand ihrer Lehren vor allem verursacht, ist ihr materialistischer Standpunkt. Er erklärt sich aus ihrer historischen Entwicklung, indem nämlich der "Volksreichtum", d. h. eine möglichste große Produktmenge als das Ziel allen Wirtschaftens erblickt wurde. Noch heute tritt dieser Ausgangspunkt namentlich in der englischen und amerikanischen Literatur, z. B. schon im Titel zahlreicher Lehrbücher: The distribution of wealth, deutlich zutage. Aber wenn auch die neuere deutsche und österreichische Nationalökonomie wenigstens prinzipiell erkennt, daß Bedürfnisse der Menschen die Veranlassung zum wirtschaftlichen Handeln sind, so betrachtet doch auch sie so gut wie ausschließlich die Sachgüter und die "Produktion" und kommt so zu einer allgemeinen Verwechselung technischer und wirtschaftlicher Gesichtpsunkt. Dem entspricht es, daß man allgemeini den "Wert" zum Grundbegriff der ökonomischen Theorie macht, der, wenn man ihn auch noch so subjektivt auffaßt, doch immter etwas an Sachgüter Anknüpfendes darstellt (6). Der heutigen materialistisch-quantitativen Lehre gegenüber liegt für mich das Wesen des Wirtschaftlichen in der Gegenüberstellung von Genuß (Nutzen) und Kosten, und der Grundbegriff der ökonomischen Theorie, der sich daraus mit Notwendigkeit ergibt, ist die Differenz beider, die ich Ertrag oder Gewinn nenne (7). Er ist der notwendige Grundbegriff, weil er das Ziel jeder wirtschaftlichen Tätigkeit ist. Jeder Wirtschafter strebt nach größtem Ertrag: in der Hauswirtschaft nach größtem Nutz-(Konsum-)Ertrag, in der Erwerbswirtschaft nach dem größten Erwerbs-, Preis- oder Geldertrag. Ersterer ist die Differenz von Nutzen (Genuß) und Kosten, letzterer die Differenz von Verkaufspreis und Kosten (in Geld). Der Wertbegriff, der in der bisherigen Theorie soviel Unheit angerichtet hat, ist ganz überflüssig. Nicht irgendein Wert der Güter, sondern der Ertrag, der beim Konsumenten etwas ganz Individuelles, nur für ihn selbst Feststellbares ist, in der Erwerbswirtschaft aber als eine Geldsumme erscheint, bestimmt alles wirtschaftliche Handeln. In welcher Weise aber muß der Wirtschafter seine Tätigkeit einrichten, um eine möglichst vollkommene Bedarfsversorgung, möglichsten Überschuß von Nutzen über die Kosten, zu erzielen? Dafür gelten zwei Gesetze, die, allerdings ohne die wesentliche Beziehung auf den Ertragsbegriff, schon von H. H. GOSSEN aufgestellt sind:
2. Größte Bedarfsbefriedigung erzielt jeder Wirtschafter, wenn er jedes Bedürfnis nur soweit befriedigt, daß die Erträge der letzten Teilquantitäten (die Grenzerträge) bei allen gleich hoch sind (Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge). Wie aber kommen die in jedem Erwerbszweig erforderlichen Kapitalien zusammen? Das führt zur Frage nach der Entstehung des Kapitals, nach der Art und Weise der Kapitalbildung. Und hier wollen wir anknüpfen. 1. Die bisherigen Anschauungen über das Sparen Die nationalökonomische Wissenschaft ist bei der Erörterung der Probleme der Kapitalbildung ausgegangen von der Erscheinung des Sparens, und auch wir wollen diesen Weg einschlagen. Wie der Vorgang des Sparens auf die Volkswirtschaft wirkt, darüber hat seit zwei Jahrhunderten zwischen den nationalökonomischen Schriftstellern heftiger Streit geherrscht. Auch heute noch ist darüber keineswegs eine Einigung erzielt, und jene Streitfrage ist mehr aus Altersschwäche eingeschlagen und durch das heutige geringere Interesse an solchen theoretischen Problemen zurückgedrängt worden, als daß man sagen könnte, daß sie entschieden sei. Auch der Begriff des Sparens, der für die Volkswirtschaftslehre in Betracht kommt, steht keineswegs fest und wir müssen daher zunächst auf diesen Punkt etwas näher eingehen. Die älteren Schriftsteller dachten bei ihrem Begriff des Sparens fast ausschließlich an das, was wir besser Thesaurieren [Horten - wp] nennen, eine Konsumbeschränkung und -verschiebung über den gegenwärtigen Wirtschaftsplan hinaus (siehe weiter unten), sie denken vor allem an den Geizigen, der Geld sammelt, und bekämpfen in diesem Sinne die "accumulation". Hauptvertreter dieser Richtung ist BERNARD des MANDEVILLE mit seinem 1714 posthum erschienenen Buch: "The fable of bees, or private vices public benefits" (8) und alle späteren Merkantilisten sind hierher zu rechnen. Sie rechtfertigen nicht nur, sondern preisen den Luxus (9). Eine weitere Gruppe von Schriftstellern, die mit von JUSTI und TURGOT beginnt und deren einflußreichster Vertreter ADAM SMITH ist, hebt dagegen die Vorzüge des Sparens hervor, aber auch wieder mit der besonderen Begründung, daß durch "richtiges" Sparen, im Gegensatz zum Thesaurieren, das Geld nicht dem Konsum entzogen, sondern nur von anderen Leuten als den Sparern gebraucht wird. Diese Anschauung hat bei SMITH den klassischen Ausdruck gefunden, daß der Sparer ebensoviel Hände beschäftigt wie der Verschwender. Ob das wirklich allgemein gilt, ob das Sparen nicht zu weit gehen kann, ob nicht, anders ausgedrückt, ein Mißverhältnis zwischen Kapitalbildung und Konsum eintreten kann, wird von diesen Autoren noch nicht untersucht. Ihre Anschauung ist nur eine Reaktion gegen die der Merkantilisten, sie zeigen, daß das gesparte Geld nicht müßig zu liegen braucht, daß Sparen und Thesaurieren nicht identisch ist. Immerhin erkennen sie, daß das Sparen, diese an und für sich nur negative Tätigkeit, seine positive Seite in der Kapitalbildung hat, daß darin die Bedeutung dieses wirtschaftlichen Aktes besteht. Aber sie untersuchen den Prozeß der Kapitalbildung nicht weiter und kommen daher auch nicht zum eigentlichen Hauptproblem dieser ganzen Lehre, zu der Frage, ob nicht zuviel gespart, zuviel Kapital gebildet und zu wenig konsumiert werden kann. Diese Frage scheint zuerst von den ältesten Kritikern des ADAM SMITH in diesem Punkt, vom EARL of LAUDERDALE, "Inquiry into the nature and origin of public wealth", 1804) und von MALTHUS, "Principles of Political Economy", seit 1819, aufgeworfen zu sein. Aber beide kommen nicht über den Satz hinaus, daß es für den einzelnen Wirtschafter keinen Sinn hat, "mehr Reichtum in die Form von Kapital zu bringen", als der Ausdehnung seiner Bedürfnisse entspricht. Immerhin ist das schon ein sehr großer Fortschritt gegenüber den früheren Anschauungen, und darüber ist, wie wir gleich bei der Besprechung der neuesten Schriftsteller sehen werden, die Lehre eigentlich bis heute nicht hinausgekommen. Die folgenden Nationalökonomen, die sich mit diesen Fragen befaßt haben, sind teils mehr Anhänger der Sparsamkeit, teils des Luxus und unterscheiden sich, abgesehen davon, nur in der Art, wie sie die verschiedenen in Betracht kommenden Begriffe definieren und ihre Ansicht zu begründen suchen. Irgendwelche neue Gedanken zu diesem Problem bringen sie nicht. Es würde hier zu weit führen, die ganze Literatur über diese Frage Revue passieren zu lassen, ich verweise dafür auf die Schrift von JOHN MACKINNON ROBERTSON, The fallacy of saving, London 1892. Im Laufe des 19. Jahrhundert tritt die Frage des Sparens, also nach den Vorteilen des Luxus einerseits, der Sparsamkeit andererseits, die die älteren Schriftsteller vor allem beschäftigt hatte, immer mehr zurück gegen die Probleme der Überproduktion und Unterkonsumtion, wobei aber, wie das Wort Überproduktion schon anzeigt, der materialistische Charakter der ganzen bisherigen Nationalökonomie, die Verwechslung technischer und wirtschaftlicher Gesichtspunkte, deutlich hervortritt. Im übrigen sind bis in die neueste Zeit in der nationalökonomischen Literatur über das Sparen einerseit, den Luxus andererseits die verschiedensten Ansichten vertreten worden, die natürlich sämtlich beeinflußt sind durch von außen hergenommene Werturteile ethischer, religiöser und anderer Art. Es ist wohl auch heute noch, ebenso wie gegenüber dem Produktivitätsproblem, die Ansicht allgemein, daß derartige Fragen nie anders als unter einer Zugrundelegung von Werturteilen behandelt werden könnten. Demgegenüber möchte ich betonen, daß die folgende Behandlung des Sparproblems, indem wir eben darin das Problem der Kapitalbildung erblicken, ebenso eine rein wissenschaftliche ist und von Werturteilen irgendwelcher Art völlig abstrahiert, wie das bei unseren früheren Erörterungen über die Produktivität der Fall war. Hatte man das bei unserer Lösung des Produktivitätsproblems aus Unkenntnis ihres wirklichen Inhalts zunächst bestritten, so wird darüber jetzt nach einem oben erwähnten Aufsatz und ebenso beim vorliegenden Gegenstand kein Zweifel mehr möglich sein. Bevor wir unsere eigene Theorie entwickeln, seien zunächst die in der neuesten Literatur noch vertretenen verschiedenen Auffassungen über das Sparen systematisch einander gegenübergestellt. bisherigen Definitionen Den weitesten Begriff des Sparens verwenden jedenfalls diejenigen Schriftsteller, die das bloße Verschieben von Konsumakten schon als Sparen bezeichnen, z. B. wenn jemand einen Apfel, den er heute essen könnte, für morgen oder übermorgen aufbewahrt. So definiert von PHILIPPOVICH ("Grundriß", 9. Auflage, 1911, Seite 193):
Das erkennen die meisten neueren englischen Nationalökonomen, die den Begriff des Sparens behandeln. Nur fassen sie, wie das in der neueren englischen und amerikanischen Literatur sehr verbreitet ist (10), den Begriff Kapital so weit, daß für das volkswirtschaftliche Problem, um das es sich handelt, die Frage: Ausdehnung des Konsums oder Kapitalbildung? gar nichts gewonnen ist. Sie dehnen im Sinne von WALRAS, JEVONS u. a. den Kapitalbegriff auch auf die dauerbaren Genußgüter aus. Sie ist nach EDWIN CANNAN, Artikel "Saving" in Palgrave's Dictionary of Political Economy, Seite 356: Sparen jede Herstellung von dauerbaren Genußgütern: "So sparte Robinson über die Bereitstellung seines täglichen Bedarfs hinaus, so daß er es schaffte, sich ein Boot zu bauen. Das Boot war das Resultat seines Kapitals, das er gespart hatte." Wenn auch dieser weite Begriff von Kapital natürlich nicht falsch ist, so ist er doch für die Erkenntnis des Sparproblems bedeutungslos. Dieses ist naturgemäß vor allem ein geldwirtschaftliches, weil in der Geldwirtschaft in größtem Umfang die Möglichkeit gegeben ist, eine Geldsumme entweder zum Konsum oder zur Kapitalbildung zu verwenden. Nach jenem weiten Kapitalbegriff gibt es auch gar keine scharfe Grenze gegenüber den Konsumgütern, er ist faktisch nur eine Verwechslung mit dem Vermögensbegriff. Wenn wir beim Sparproblem von Kapital reden, denken wir an Kapitalanlagen, an Geldkapital. Es ist, wie wir eben schon hervorhoben, bemerkenswert, daß selbst die neuesten deutschen Schriftsteller, die sich mit dem Sparbegriff beschäftigt haben, das Hauptmoment, um das es sich dabei im volkswirtschaftlichen Sinn handelt, die Kapitalbildung, gar nicht in der Definition hervortreten lassen. Die meisten dieser Definitionen sind daher nichts weiter als Umschreibungen des Wortes. So sagt z. B. LEXIS, "daß man unter Sparen eine mit einer gewissen Selbstüberwindung oder sogar einem Entbehrungsgefühl verbundene Beschränkung persönlicher Bedürfnisse versteht." (11) Er legt also nur auf das Moment des Entbehrens, der Abstinenz ein besonderes Gewicht, wie das ja schon früher von SENIOR und schon vor diesem von PETTY geschehen ist. Wenn man sich schon mit dem gewöhnlichen Sprachgebrauch einlassen will, der in der Regel den Sinn der Worte übermäßig erweitert, kann man zugeben, daß ein derartiger Gesichtspunkt zwar oft darin enthalten ist, aber längst nicht immer (Beweis: man spricht auch von einer Ersparung an Produktionskosten [siehe weiter unten]). Für die Wissenschaft ist jedoch die Berücksichtigung dieses Sprachgebrauchs unmöglich. Denn es ist klar, daß damit in die Frage, wann Sparen vorliegt und wann nicht, Werturteile hineingetragen werden und daß es allgemeine Gesichtspunkte dafür nicht gibt. Hat danach jemand, der bei 100 000 Mark Einkommen nur 90 000 Mark gebraucht, 10 000 Mark gespart? Und bei welchem Verhältnis von Einkommen und Verbrauch beginnt das Sparen, beginnt die mit einem Entbehrungsgefühl verbundene Beschränkung? Übrigens hat LEXIS an anderer Stelle (Schönbergs Handbuch, Tübingen 1896, Bd. I, Seite 18) sich ausdrücklich auf den entgegengesetzten Standpunkt gestellt. Er sagt dort:
SCHUMPETER (12) - um nur die allerneuesten Schriftsteller zu erwähnen - macht dieselben Fehler. Er "definiert" sogar Sparen durch "Absparen":
Die Definitionen von LEXIS und SCHUMPETER haben mit der von PHILIPPOVICH das gemeinsam, daß sie den volkswirtschaftlichen Zweck des Sparens gar nicht oder nur mit einer nichtssagenden Umschreibung: übrtragen, erübrigen, zurücklegen angeben. Sie unterscheiden sich aber von dieser dadurch, daß sie statt von Konsum verschiebung von Konsum beschränkung reden. Die bloße Beschränkung des Konsums als solche nennt nun niemand Sparen, und es ist daher klar, daß eine deutliche Zweckbestimmung hinzutreten muß, die bei diesen Autoren fehlt. Sie gibt von MANTEUFFEL, indem er definiert (14): "Sparen heißt, durch Konsumbeschränkung einen Vermögenszuwachs schaffen." Das ist nun aus verschiedenen Gründen eine unklare und unzweckmäßige Begriffsbestimmung. Zunächst wird damit die Frage, wie das Vermögen und ein Vermögenszuwachs festgestellt werden soll, für die Definition von Bedeutung. Denn um eine Vermögens feststellung handelt es sich natürlich, wenn man, wie MANTEUFFEL, den Vermögens zuwachs als entscheidend für den Sparbegriff hinstellt. Der Fehler, der hier gemacht wird, liegt ganz einfach darin, daß Vermögenszuwachs und Konsum keine gegensätzlichen Begriffe sind. Mna kann sein Vermögen vermehren und doch seinen Konsum ausdehnen, ganz einfach deswegen, weil der Begriff des Vermögens mindestens auch die dauerbaren Genußgüter umfaßt. Eine Grenze hier zu ziehen ist aber unmöglich. Der Begriff des Vermögens umfaßt tatsächlich alle n einem bestimmten Moment im Eigentum einer Person befindlichen Güter einschließlich aller Konsumgüter. Ich möchte aber hier betonen, daß der Begriff Vermögen ein rein privatwirtschaftlicher ist, volkswirtschaftlich gibt es nur Kapital und Konsumgüter. Entweder also: man kann den Begriff des Konsums so einschränken, daß er nur für solche Güter gilt, die direkt beim Konsum verzehrt werden. Dann hat derjenige, der einen Stuhl, ein Wäschestück, eine Schreibfeder kauft, gespart. Das entspricht nicht dem Wortsinn, und auch hier ist wieder, wie diese Beispiele zeigen, keine Grenze zu ziehen. Oder aber man schränkt den Begriff Vermögen so ein, daß alle Genußgüter im Besitz des Konsumenten nicht darunterfallen. Dann ist er gleichbedeutend mit Produktions- und Ertragsmittel, Kapital. Es ist aber sinnlos, beide Ausdrücke als gleichbedeutend zu verwenden. Es handelt sich also beim Sparen nicht um eine Vermögensvermehrung - das ist ein unklarer Ausdruck -, sondern um eine Kapitalbildung. Das erkennen dann auch alle Schriftsteller an, auch wenn sie diesen Gedanken nicht in die Definition aufnehmen, und auch von MANTEUFFEL sagt, daß "eine Frage nach der Nützlichkeit des Sparens zusammenfällt mit der Frage nach der Nützlichkeit der Kapitalbildung" (Seite 54). Es ist aber unbedingt notwendig, den Zweck des Sparens in die Definition aufzunehmen. Indem wir statt von Vermögensvermehrung von Kapitalbildung als Zweck des Sparens sprechen, scheiden wir den Begriff des Thesaurierens von dem des Sparens aus. Thesaurieren, Schatzbildung ist jede Konsum verschiebung, soweit sie über den gegenwärtigen Wirtschaftsplan hinausgeht, also mit einer Konsum beschränkung verbunden ist. Wer also innerhalb seines Wirtschaftsplanes seinen Konsum verschiebt, z. B. den Konsum der gekauften Äpfel oder Kartoffeln verteilt, eine Ausgabe von 100 Mark in seiner Bettlade aufbewahrt für spätere Zeiten des Alters oder der Not, die aber sonst noch nicht innerhalb seines Wirtschaftsplanes fallen. Doch gehen im praktischen Leben beide Begriffe vielfach ineinander über, weil die Motive zusammentreffen. Der Arbeiter, der 100 Mark auf die Sparkasse bringt, tut dies vielleicht nicht so sehr des geringfügigen Zinses wegen, als aus dem eben erwähnten Grund, in Zukunft eine Summe verfügbar zu haben. Es kommt ihm also nicht sowohl darauf an, das Geld Kapital als vielmehr, es Vermögen werden zu lassen und zwar in seiner fungibelsten Form (15). Umgekehrt, wenn jemand ein wertvolles Gemälde kauft oder zu seinem Garten ein Stück hinzuerwirbt, tut er es vielleicht in der Hauptsache, um diese Gegenstände als Kapital zu benutzen, sie später mit Gewinn zu verkaufen. Derlei Grenzfälle kann die ökonomische Theorie natürlich nicht berücksichtigen. Für sie ist die vollkommen klare Unterscheidung von Thesaurieren und Sparen deswegen von größter Bedeutung, weil auch hier wieder nur Sparen ein volkswirtschaftlicher Begriff ist. Die thesaurierten Gegenstände sind wohl privatwirtschaftlich ein Vermögen, aber sie sind volkswirtschaftlich kein Kapital. Sie greifen in die Volkswirtschaft gar nicht ein. Da es aber natürlich gerade darauf ankommt, wie die gesparten Kapitalmengen in der Volkswirtschaft wirken, sind bloße Thesaurierungshandlungen, die ja heute nicht zahlreich sind, hier auszuschließen (16). von MANTEUFFELs Definition enthält noch einen weiteren Fehler und unterscheidet sich dadurch von den drei früher erwähnten. Sie gibt zwar den ZWeck aber nicht die Quelle an, aus der gespart wird. Er spricht nur negativ von Konsumbeschränkung, während die übrigen Definitionen positiv, wenn auch unbestimmt von einem Zurücklegen von Einkommensteilen reden. Man kann sagen, daß der Konsum ja immer aus dem Einkommen erfolgt, aber beim weiteren Umfang dieses Begriffs, der eben ein sehr schwankender ist, wird auch der Verbrauch von Produktionsmitteln als Konsum bezeichnet. Indem wir also nicht jedes "Erübrigen" von Gütern, sondern nur das von Einkommensteilen Sparen nennen, schließen wir den Vorgang vom Begriff des Sparens aus, daß Produktionskosten "erübrigt" werden. Wenn ein Unternehmer statt für 100 000 Mark Rohstoffe nur für 75 000 Mark gebraucht, um die gleiche Produktmenge herzustellen, so hat er nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch 25 000 Mark "gespart". Der feinere Sprachgebrauch unterscheidet allerdings zwischen "sparen" und "ersparen". Man wird nur sagen, er habe (eine Ausgabe von) 25 000 Mark "erspart", nicht aber er habe gespart. Es liegt hierbei in der Tat keine Spartätigkeit vor, und zwar deswegen nicht, weil es sich nicht um die Verwendung von Einkommensteilen handelt. Zwar kann man auch hier, im weitesten Sinne, von einer "Konsumbeschränkung" reden. Güter, Roh- und Hilfsstoffe, die sonst verbraucht worden wären, sind nicht "konsumiert" worden. Aber wenn die üblichen Definitionen des Sparens von Konsumbeschränkung sprechen, denken sie offenbar an etwas ganz anderes, was auch überall zum Ausdruck kommt. Sie denken an eine Beschränkung des Genusses, des Konsums von Gebrauchsgütern. Das erkennt dann auch von MANTEUFFEL ausdrücklich an und erklärt es für nötig, den Fall, daß Produktionsmittel erübrigt werden, vom Begriff des Sparens auszuschließen (a. a. O., Seite 11f). Er spricht in diesem Fall von "technischem Sparen", das überall da vorliegen soll, "wo ich durch die praktische Leitung des Produktionsprozesses, durch größere Arbeitsteilung oder durch die Erfindung einer neuen Maschine Arbeitskräfte und Betriebsmaterialien spare", wo also, wie wir kürzer sagen können, eine Verbilligung der Produktionskosten vorliegt. von MANTEUFFEL setzt eingehend auseinander, warum dieses technische Sparen nicht "als eigentliches Sparen" aufgefaßt werden kann.
Wir erkennen übrigens aus dem Gesagten ohne weiteres, daß dieser Begriff des sogenannten technischen Sparens nichts anderes ist als der eine der beiden Fälle quantitativer Produktivität, die ich im Aufsatz über das Produktivitätsproblem unterschieden habe: Vergleich verschiedener Kosten an einem tertium comparationis [Drittem zum Vergleich - wp] der gleichen Produktmenge. Wir werden sofort sehen, daß dieser Begriff des Sparens aus denselben Gründen wie jener für die Wirtschaftstheorie unbrauchbar ist. - Aus diesen kritischen Erörterungen der bisherigen Definitionen ergibt sich jetzt leicht die unsrige. Quelle des Sparens ist das Einkommen und den Zweck des Sparens fassen wir nicht negativ, wie die bisherigen Definitionen, die von Konsumbeschränkung und dergleichen reden, sondern geben ihn positiv an: die Kapitalbildung. So kommen wir zur Definition: Sparen liegt dann vor, wenn man Einkommen, d. h. den Reinertrag wirtschaftlicher Tätigkeit, statt zum Konsum zur Kapitalbildung verwendet, es Produktions- oder Erwerbsmittel werden läßt. Die Worte: statt zum Konsum, kann man weglassen. Denn daß Einkommen zum Konsum verwendet wird, ist sozusagen das Normale. Wir definieren also Sparen kurz: Einkommen Kapital werden lassen. (18) Was ist mit dieser Definition gegenüber den früheren geändert? Zunächst: meine Definition ist eine volkswirtschaftliche. Sie schiebt die volkswirtschaftliche Bedeutung des Sparens, eben die Kapitalbildung in den Vordergrund, während jene, die nur von Konsumbeschränkung und dergleichen sprechen, rein privatwirtschaftliche Gesichtspunkte im Auge haben. Wir haben es hier aber mit Problemen der volkswirtschaftlichen Organisation zu tun. Es handelt sich hier nicht um die Frage, wann und in welchem Grad und zu welchem Zweck man seinen Konsum beschränkt, sondern darum, was mit dem nicht zum Konsum verwendeten Einkommen geschieht. Für die Volkswirtschaft ist also die Erscheinung der Kapitalbildung das Problem. Dies ist der positive volkswirtschaftliche, Sparen nur ein negativer privatwirtschaftlicher Begriff. Um nun alle Mißverständnisse auszuschließen, die aus der verschiedenen Bedeutung des Begriffs Sparen und daraus, daß der populäre Begriff allein die privatwirtschaftliche Seite desselben im Auge hat, entstehen können, wollen wir in Zukunft auch von Kapitalbildung sprechen und von Sparen nur dann, wenn Mißverständnisse ausgeschlossen sind und die Kürze diesen Ausdruck empfiehlt. ![]() Es ist nun zweifellos eine der wichtigsten Fragen der Volkswirtschaft und Volkswirtschaftslehre: "Wann wird Einkommen zum Konsum verwendet, wann zur Kapitalbildung? Diese Frage ist natürlich vor allem eine solche der Geldwirtschaft und auch unser Begriff des Sparens daher ein geldwirtschaftlicher. Denn erst in der Geldwirtschaft, wo es sich um Einkommen in Geld handelt, besteht die größte Möglichkeit, Einkommen entweder zum Konsum zu verwenden oder Kapital werden zu lassen. Aber natürlich lassen sich die folgenden Erörterungen ebenso auf den analogen Vorgang in der Naturalwirtschaft anwenden, soweit auch hier Güter, die konsumiert werden könnten, benutzt werden, um weitere Produktionsmittel zu schaffen. Noch eins ist mit unserer Definition gegenüber den früheren geändert, genau das gleiche, was wir bei unserem Produktivitätsbegriff gegen die früheren geändert haben. Der bisherige Begriff des Sparens war, wie jener, ein Relationsbegriff. Der Ausdruck Konsumbeschränkung, sowie vor allem auch die von vielen Schriftstellern unbewußt vorgenommene Identifizierung mit dem "technischen Sparen", also einem Produktivitätsbegriff, enthält einen Vergleich, bezieht sich auf ein Mehr oder Weniger von Konsum oder Ertrag gegen früher. Vor solchen Relationsbegriffen, namentlich wenn sie zur Verwechslung mit technischen oder quantitativen Gesichtspunkten führen oder weil sie leicht Werturteile enthalten, haben wir uns bekanntlich in der Wirtschaftstheorie zu hüten. Dieser Relationsgedanke wird nun hier auf die einfachste Weise beseitigt. Unser Begriff des Sparens konstatiert nichts weiter als die Tatsache, daß ein Wirtschaftssubjekt Einkommen, also Güter, die es zum Konsum verwenden könnte, Kapital werden läßt. In welcher Weise man Einkommen Kapital werden läßt, das beeinflußt den Begriff des Sparens nicht, ist aber, wie wir noch sehen werden, für die Frage nach den Wirkungen des Sparens von der größten Bedeutung. Immerhin sei hier schon auf den Unterschied aufmerksam gemacht, den ich weiter unten eingehend behandeln werde, daß das ersparte Einkommen für neues Kapital verwandt werden kann, das zum alten hinzutritt, und daß es zweitens das alte Kapital ersetzen kann. Ersteres in der Weise, daß entsprechend der Ausdehnung des Konsums Fabrikanlagen vergrößert, neue Wohnhäuser gebaut werden und dgl.; letzteres vor allem in der Weise, daß neue billigere Produktionsmethoden zur Einführung gelangen und die alten verdrängen, rohstoff- und arbeitsparende Maschinen an die Stelle alter weniger "produktiver" treten, oder daß alte Häuser niedergerissen und neue gebaut werden (19). Hier liegt also im Gegensatz zum ersten Fall eine Vernichtung älterer Kapitalanlagen vor, und die ersparten Geldsummen schaffen hier nicht absolut neues Kapital, sondern ersetzen altes, müssen also, wie man leicht erkennen wird, produktiver sein als jene. Die Frage, wann eine solche Kapitalvernichtung und das Sparen zum Ersatz dafür wohlstandsfördernd ist, ist für die Theorie des Sparens und der Krisen von größter Bedeutung und wird uns später noch besonders beschäftigen. Sie beantworten zu können, ist, wie wir hier schon betonen müssen, eines der Hauptergebnisse unserer Theorie, das nur mit ihr zu gewinnen war. Noch ein Punkt sei kurz erwähnt! Die nationalökonomische Theorie hat, wie bei ähnlichen wirtschaftlichen Begriffen, versucht, psychologisch die verschiedenen Motive zusammenzustellen, die zum Sparen führen. von MANTEUFFEL widmet ein besonderes Kapitel von 25 Seiten dieser Frage. Er unterscheidet, abgesehen vom "unfreiwilligen Sparen" (z. b. bei Unmündigen, bei Leuten, die plötzlich reich geworden sind und nichts mit ihrem Geld anzufangen wissen) drei Sparmotive: Sparen aus Mäßigkeit, Sparen aus angeborenem Sparsinn, "welcher sich in der Freude am Geld selbst, am Ansammeln desselben, in der Absicht mehr zu haben als andere, in der Scheu, dasselbe wegzugeben ausspricht"; und drittens "Sparen aus Berechnung: das aus der Aussicht auf späteren Gewinn, aus dem Bestreben, seine Lage in der Zukunft zu verbessern hervorgehende Sparmotiv". Alle derartigen psychologischen Erörterungen sind ja in einer Monographie über das Sparen ganz hübsch, aber mit Wirtschaftstheorie, die die wirtschaftlichen Erscheinungen, die Organisation des volkswirtschaftlichen Zusammenlebens zu erklären hat, haben sie nichts zu tun. Für sie ist es gleichgültig, aus welchen Motiven z. B. ROCKEFELLER jährlich so und so viele Millionen seines Einkommens Kapital werden läßt, sie untersucht keine Motive, sondern nimmt ein einziges als typisch und wesentlich an, das wirtschaftliche Motiv, das Streben nach dem größten Vorteil, das, mag es auch im einzelnen Fall mit allen möglichen Motiven, die zu untersuchen Sache der Psychologie ist, verbunden sein, doch für das wirtschaftliche Leben und so auch für die Tendenz zum Sparen ausschlaggebend ist. in der Privatwirtschaft 1. Das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge und das Sparen Nachdem wir mit den bisherigen Erörterungen sozusagen den Schutt unklarer Begriffsbestimmungen aus unserem Weg fortgeräumt haben, können wir zum eigentlichen Problem, das uns beschäftigt, übergehen, zu der Frage: Wann und unter welchen Bedingungen wird gespart? Wann wird Einkommen nicht zum Konsum, sondern zur Kapitalbildung verwandt? Es ist das eine Frage, die sich die Theorie bisher noch nie gestellt hat. Beginnen wir mit der Untersuchung dieser Frage in der Privatwirtschaft. Der einzelne Wirtschafter - das ergibt sich aus dem wirtschaftlichen Prinzip - wird dann sparen, wenn er den Ertrag, den er zu erzielen erwartet, indem er einen Teil seines Einkommens Kapital werden läßt, höher schätzt, als den Ertrag, den er mit seiner Verwenung zum Konsum erzielt. Es handelt sich also beim Sparen privatwirtschaftlich um die Frage: Welcher Ertrag ist größer, der mit Konsumgütern oder der mit Kapitalgütern zu erzielende? Konsumertrag und Kapitalertrag werden hier in ihrer Bedeutung für den einzelnen Wirtschaft von ihm verglichen und er wird dann sparen, wenn der letztere ihm größer erscheint (20). In der Naturalwirtschaft wird auch dieser Ertrag, der Kapitalertrag, natürlich auf Genußgüter zurückgeführt werden. Kapitalgüter gewähren hier ja nur insofern einen Ertrag, als damit wirklich vom Wirtschafter geschätzte Genußgüter hergestellt werden. Wenn Robinson sich z. B. entschließt, Früchte, die er geerntet hat, statt zum eigenen Konsum, zur Aufzucht von Tieren zu verwenden, tut er das, weil er den mit den Tieren zu erzielenden Ertrag z. B. den Genuß von Hühnern oder von Eiern höher schätzt als den beim Genuß der Früchte erwarteten. In der Geldwirtschaft aber, wo alle Erträge in Geld geschätzt werden, wird natürlich der Kapitalertrag in Geld ohne weiteres mit dem in Geld veranschlagten Konsumertrag verglichen. Ersterer ist in der Regel eine Geldsumme, wird jedenfalls angegeben durch den Zins, den man von Leihkapital, oder den Gwinn, den man mit Produktions- und Erwerbsmitteln erzielt; letzterer ist die Differenz zwischen dem tatsächlichen Preis der Genußgüter und der Geldsumme, die man äußerstenfalls, d. h. bei Verzicht auf jeden Ertrag dafür geben würde. Solange dieser Ertrag noch größer erscheint als jener, wird konsumiert, sonst wird gespart. Es mag die Entscheidung darüber für das einzelne Wirtschaftssubjekt ungeheuer schwierig erscheinen. Tatsächlich aber helfen ihm seine genauen Erfahrungen über den in der Naturalwirtschaft verhältnismäßig kleinen Kreis seiner Bedürfnisse und die hier ebenfalls sehr beschränkte Möglichkeit der Verwendung von Kapitalgütern. In der Geldwirtschaft aber hilft ihm die ungefähre Kenntnis der Preise, die ja ebenfalls nichts sind als der Niederschlag millionenfacher Erfahrungen über die Intensität verschiedener Bedürfnisse. Aber ist das alles? Mit dem Gesagten haben wir doch nur den fundamentalen, aus dem wirtschaftlichen Prinzip sich ergebenden Satz auf das Sparen angewendet, daß jedes Wirtschaftssubjekt nach dem größten wirtschaftlichen Vorteil strebt. Können wir nun über die einzelne Handlung hinaus nicht zu einem allgemeinen Satz darüber gelangen, wo die Grenze ist, an der zunächst beim einzelnen Wirtschaftssubjekt der Konsum aufhört und das Sparen anfängt? Allerdings. Diese Möglichkeit ist, wie sich aus unserer Produktivitätstheorie leicht ergibt, gegeben durch das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge. Dieses Gesetz, auf die Verwendung des Einkommens angewendet, lautet dahin, daß Sparen oder, wie wir besser sagen - Kapitalbildung dann für das betreffende Wirtschaftssubjekt vorteilhafter ist als konsumieren, sobald die beim Konsum erzielten Grenzerträge anfangen, geringer zu werden als die bei einer Kapitalisierung erzielten. Und die höchste Wohlstandsförderung wird ein Wirtschafter offenbar dann erzielen, das wirtschaftliche Prinzip wird dann am besten gewahrt werden, wenn die Grenzerträge beim Konsum und die bei der Kapitalbildung ungefähr gleich sind. Das ist das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge, angewendet auf die Spartätigkeit des einzelnen Wirtschaftssubjekts. Sobald ein Wirtschafter von einem Produkt soviel konsumiert, daß hier der Grenzertrag unter denjenigen sinkt, die beim Konsum anderer Güter noch erzielt werden, vermindert er seinen Gesamtertrag. Das ist der allgemeine Inhalt des von mir modifizierten sogenannten zweiten Gossenschen Gesetzes, aus dem ich das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge gemacht habe. Jetzt sind neben den Konsumgütern also auch noch die Kapitalgüter heranzuziehen. Auch deren Erträge müssen berücksichtigt werden. Es ist für einen Wirtschafter vorteilhafter, mit einem größeren Ertrag zu sparen, statt mit einem geringeren Ertrag, als er im Durchschnitt bei seinem Konsum erzielt, noch weiter zu konsumieren. Bei der Naturalwirtschaft kommt das, wie wir schon sahen, auf dasselbe hinaus, ob man die Kapitalerträg oder die Konsumerträge berücksichtigt, weil es ja hier einen besonderen Ertrag der Kapitalgüter nicht gibt, derselbe vielmehr direkt mit dem der Genußgüter identifiziert wird. Wenn Robinson Früchte statt zum Konsum zur Viehfütterung verwendet, erzielt er von diesen keinen besonderen Ertrag, sondern er vergleicht den Ertrag des Fleischkonsums mit dem des weiteren Konsums von Früchten. Er wird eben soviele Früchte Kapital werden lassen, daß der Ertrag, den er vom Fleisch erzielt, mit dem vom Genuß der Früchte und überhaupt mit allen seinen Grenzerträgen fast gleich ist. In der Geldwirtschaft kommt aber für das Streben nach größter Wohlstandsförderung auch die Anlage von Einkommensteilen als Kapital für fremde Wirtschaften in Betracht, z. B. das Aufzinsengeben. Auch dieser Erträge müssen mit denen der Konsumgüter verglichen werden. Sobald ein Wirtschafter diese Kapitalerträge höher schätzt als die Grenzerträge seines Konsums, wird er zu sparen anfangen. Umgekehrt wird er sein Einkommen weiter zum Konsum verwenden, solange der Ertrag, den er dabei erzielt, größer ist, als den er mit Kapital erzielen könnte. Aus dem Gesagten erklärt es sich, warum Leute mit geringem Einkommen gar nicht sparen. Der Ertrag, den sie bei der Kapitalbildung erzielen können, ist für sie von viel geringerer Bedeutung als der Ertrag aus der Verwendung ihres Einkommens zum Konsum, da sie damit ja nur ihre allerdringendsten Bedürfnisse befriedigen können. Daß aber die Spartenendez nicht unbedingt mit der Größe des Einkommens zunimmt, hat seinen Grund darin, daß einerseits sowohl die Sparinteressen wie auch die Konsumbedürfnisse der einzelnen Menschen sehr verschieden sind (Familienväter gegenüber Junggesellen, standesgemäße Lebenshaltung und dgl.), andererseits auch die Art des Einkommens in Betracht gezogen wird, die in verschiedener Weise zum Sparen anreizt (Arbeitseinkommen - fundiertes Einkomen). Darüber kann die Wirtschaftstheorie nichts Einheitliches aussagen: es genügt ihr, die Tatsache hervorzuheben, daß das Sparen nicht immer proportional der Einkommensgröße zunimmt, und die Gründe dafür anzugeben. in der Privatwirtschaft Man wird mir nun vielleicht entgegenhalten, diese Ausführungen seien reine Theorie, und im praktischen Leben werde oft aus ganz anderen Gründen gespart und die Höhe der dabei zu erzielenden Erträge gar nicht berücksichtigt. Ich habe das vorhin schon zugegeben. Es wird vielfach darauf verzichtet, Einkommensteile zum Konsum zu verwenden, nicht zum Zweck der Kapitalbildung, sondern zu dem der Vermögens bildung. Jedes Wirtschaftssubjekt wird unendlich oft vor die Frage gestellt, ob es einen Einkommensteil konsumieren oder nicht konsumieren soll. Entschließt es sich zu letzterem, so kann es
Andererseits gebe ich allerdings zu, daß, wenn im praktischen Wirtschaftsleben gespart wird, beide Zwecke: die Vermögens- und die Kapitalbildung, sehr häufig ineinander übergehen. Man spart teils, um sich später im Alter ein Vermögen, das man eventuell verzehren wird, teils um sich ein fundiertes Einkommen zu sichern. Man tut dasselbe für seine Kinder, teils um ihnen ein Vermögen, z. B. zur Errichtung eines Geschäfts, teils um ihnen ein fundiertes Einkommen aus Kapitalbesitz zu sichern. Vermögen und Kapital sind ja überhaupt keine Gegensätze, sondern das Vermögen begreift das Kapital in sich. Will man den Vermögensteil, der kein Kapital ist, besonders bezeichnen, so muß man von Genußvermögen sprechen. Sehr häufig aber ist ein großer Teil ersparter Einkommen, der anscheinend nur zur Vermögensbildung dient, in Wirklichkeit Kapitalbildung. Ein Bodenspekulant, der Grundstücke kauft, eine Terrain-Gesellschaft, ein reicher Mann, der einen Teil seines Vermögens in Grundstücken anlegt, ja auch viele Käufer von Gemälden und anderen Kunstgegenständen denken in erster Linie oder ausschließlich an eine Kapitalanlage. Hier geht eben der Begriff des Vermögens in den des Kapitals über. Sie sehen ihre Spekulation nicht als geglückt an, wenn nicht der Verkaufserlös den ursprünglichen Kapitalaufwand nebst Zinsen dermaßen übersteigt, daß, auf das einzelne Jahr gerechnet, der Ertrag mindestens den landesüblichen Zinsfuß erreicht. Ein Kapitalist, der z. B. nach zehn Jahren seine Grundstücke verkauft, berechnet sich den Reinertrag, den er erzielt hat, pro Jahr, und vergleicht die Rentabilität dieser Kapitalanlage mit derjenigen einer anderen Kapitalanlage, die er sonst hätte machen können, z. B. dem landesüblichen Zinsfuß: alles ein Beweis, daß es ihm auf Kapitalbildung ankam. Nichtsdestoweniger betone ich selbst ausdrücklich, daß unsere Erörterungen über Kapitalbildung und Konsum für die Privatwirtschaft geringere Bedeutung haben. Sie sollen uns auch nur die Grundlage liefern für die Untersuchung dieser Frage in der Volkswirtschaft. Uns interessiert ja das Problem in einem speziel volkswirtschaftlichen Sinn, die volkswirtschaftlich eminent wichtige Frage, ob nicht zuviel gespart oder zuviel konsumiert werden könnte. Für die Untersuchung der volkswirtschaftlichen Organisation aber gibt es, wie wir schon betonten, kein Vermögen. Für sie sind, da das hoarding [horten - wp], das Aufspeichern von Geld in Strümpfen und Bettladen heute keine nennenswerte Rolle mehr spielt, nur Einkommensteile, die Kapital werden, von Bedeutung. Denn es ist klar, daß auch der weitaus größte Teil dessen, was privatwirtschaftlich, nur zwecks Vermögensbildung gespart wird, doch volkswirtschaftlich noch Kapital wird: in den Händen einer anderen Wirtschaft. Die Groschen, die der Arbeiter auf die Sparkasse trägt, die Beiträge zur Invaliden-, die Prämie einer Lebensversicherung, die zunächst nur zum Zweck privatwirtschaftlicher Vermögensbildung eingezahlt werden, sie werden von der Sparkasse, der Versicherungsanstalt "angelegt", sind bei ihm schon Kapital (Geldkapital), und werden es nochmals bei demjenigen, der es sich leiht, umd davon seine Produktionsmittel zu kaufen (Sachkapital). Auch derjenige, der eine Wiese nur als Bauplatz zu Spekulationszwecken kauft, läßt sie, wenn er sie an einen Landwirt verpachtet, in dessen Hand Kapital werden. Also mindestens alles Geldeinkommen, das nicht konsumiert wird, aber auch ein Teil des Sachvermögens wird, wenn auch nicht in der Privatwirtschaft des Besitzers, so doch irgendwo in der Volkswirtschaft, Kapital. Zu der Frage, wie eine solche Kapitalbildung statt Konsum in der Volkswirtschaft wirkt, haben wir jetzt überzugehen. ![]() ![]()
1) Jena 1903 2) Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, III. Folge, Band 40. 3) Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 34, Heft 1 und 2. 4) Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, III. Folge, Bd. 43, 1912 5) Eine Zusammenfassung all dieser Arbeiten soll in einer Schrift "Die Theorie des Volkswohlstandes" erfolgen, mit der ich beschäftigt bin. Da ich jedoch zur Zeit mit anderen Aufgaben, insbesondere der Vorbereitung der zweiten Auflage meines Buches "Beteiligungs- und Finanzierungsgesellschaften", in Anspruch genommen bin, wird die Fertigstellung jener Schrift noch nicht so bald erfolgen können. Von dem Gedanken ausgehend, daß meine theoretischen Grundgedanken umso eher Zustimmung und Verbreitung finden werden, je mehr ich zeige, was sich mit ihnen zur Klarstellung der verschiedensten Probleme der ökonomischen Theorie anfangen läßt, habe ich mich entschlossen, die vorliegenden Untersuchungen über Sparen und Kapitalbildung, die schon vor 1½ Jahren in der Hauptsache abgeschlossen waren, hier zu veröffentlichen. 6) Nur auf einem einzigen Gebiet hat man bisher die materialistisch-quantitative Auffassung der wirtschaftlichen Erscheinungen zu bekämpfen versucht: Knapp mit seiner Bekämpfung des "Metallismus" in der Geldlehre. Knapp könnte durch die Annahme meiner theoretischen Grundgedanken, insbesondere meiner Preistheorie, seiner Geldlehre leicht den ihn noch fehlenden ökonomischen Unterbau liefern. 7) Möglichst geringe Kosten allein, worin man bisher manchmal das Wesen des "wirtschaftlichen Prinzips" erkennen wollte, genügt. Eine möglichst große Produktmenge mit möglichst geringen Kosten kann man als das allerdings nicht klar postulierte Ziel der Wirtschaft nach den bisherigen quantitativ-materialistischen Theorien bezeichnen. Davon ist ein möglichst großer Nutzen mit möglichst geringen Kosten, d. h. möglichst großer Ertrag, scharf zu unterscheiden. Die bisherige Theorie kennt nur den quantitativen Ertrag - Produkt menge. Davon muß man sich ganz emanzipieren, was offenbar den Anhängern der bisherigen Theorien außerordentlich schwer fällt. Insbesondere kann den herrschenden Theorien gegenüber nicht scharf genug betont werden, daß auch Kosten ein Schätzungsbegriff ist: Unlustempfindungen. 8) erste Auflage 1714 (siehe besonders Vers 177-203 und die Anmerkungen dazu) 9) Vgl. dazu Carl von Manteuffel, Das Sparen, Sammlung nationalökonomischer und statistischer Abhandlungen, hg. von J. Conrad, Bd. 26, Jena 1900 und von Bergmann, Geschichte der nationalökonomischen Krisentheorien, Stuttgart 1895. 10) Im Gegensatz zur deutschen Literatur, wo man an einem rein technischen Begriff des Kapitals in der Hauptsache festhält. Vgl. meine Kritik in "Ertrag und Einkommen" und Walther Jacoby, Der Streit um den Kapitalbegriff, Jena 1908. 11) Wilhelm Lexis, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, Seite 64. 12) Joseph Schumpeter, Wesen und Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie, Seite 307f. 13) Die ganze Form der Behandlung in Kapitel V: "Die Theorie des Sparens" enthält viel des Störenden. Man vergleiche die Seite 298-302, in denen sich immer wieder Sätze finden wie die folgenden: "das allererste, worauf wir die Aufmerksamkeit des Lesers lenken wollen, ist wiederum unsere Art vorzugehen, ... das soll uns dazu helfen, ein Urteil darüber zu gewinnen, ... Wir wollen sehen, was die statische Ökonomie für dieses Problem und wie sie es tun kann ... Nur die Arbeit an konkreten Problemen kann uns dazu führen, wirklich etwas von der Sache zu verstehen ... Zuerst aber wollen wir die neue Theorie des Sparens entwickeln. Beachte man, wie wir dabei zu Werke gehen" usw. Das sind immer Auftakte, die die Erwartung spannen. Aber die Resultate entsprechen diesen Erwartungen nicht. 14) von Manteuffel, a. a. O., Seite 4 15) Daher kann in solchen Fällen der Ertrag auch unter dem durchschnittlichen liegen (siehe weiter unten). 16) Vgl. über das Thesaurieren auch von Manteuffel, an verschiedenen Stellen, besonders auch Seite 66-68. Die dort behandelten Wirkungen desselben können hier als bekannt vorausgesetzt werden. 17) Bei dieser Gelegenheit möchte ich erwähnen, daß Anfang 1908 auf der Tagung der American Economic Association in Madison, Wisconsin, der ich beiwohnte, als theoretisches Thema die Frage: Are Savings Income? [Sind Ersparnisse Einkommen? - wp] behandelt wurde. Es ist vielleicht nicht uninteressant, darauf hinzuweisen, ein wie spezielles Thema hier zur Erörterung gestellt wurde, während wir im Verein für Sozialpolitik ein so allgemein gefaßtes Problem wie den Produktivitätsbegriff erörterten. Es ist das vielleicht charakteristisch für das verschiedene Interesse an der Theorie in beiden Ländern. Jenes ist aber in der Tat nur eine "Doktorfrage", deren Behandlung man eher uns Deutschen als den Amerikanern zugetraut hätte. Und man kann auch nicht behaupten, daß bei ihren Erörterungen mehr herausgekommen wäre als bei unserer Produktivitätsdebatte. Das Referat von Professor Irving Fisher stützte sich auf sein Buch "The nature of capital and income", in dem als Einkommen nur die "Dienste", die die Güter uns leisten, als Kapital aber, im einen schon von Walras vertretenen Sinne, alle Güter aufgefaßt werden, die mehrmals gebucht werden können. Darin, daß Ersparnisse zwar aus dem Einkommen stammen, aber nicht mehr Einkommen, sondern Kapital sind, stimmen wir natürlich mit Professor Fisher überein. Das kommt auch in unserer Definition deutlich zum Ausdruck. Ebenso stimme ich ihm bei, daß Wertanhäufungen des Kapitals kein Einkommen aber auch keine Ersparnisse sind. Dagegen kann ich mich seiner Unterscheidung von income und earnings und besonders seinen Schlußfolgerungen für die Einkommensbesteuerung nicht anschließen. Die letzteren wurden auf von Professor Daniels zurückgewiesen. Allerdings hat Professor Fisher mit manchen starken Irrtümern über das Sparen und den Einkommensbegriff, die in der englischen Literatur zu finden waren, aufgeräumt, so z. B. mit der von Edwin Cannan in seinem Buch "Production and Distribution" vertretenen Auffassung, daß auch alles, was zum Kapital hinzugefügt wird (additions to capital), unter den Einkommensbegriff fällt. 18) Thesaurieren heißt: Einkommen über die gegenwärtige Einkommensperiode hinaus Vermögen werden lassen. Privat wirtschaftlich decken sich beide Begriffe, volks wirtschaftlich nicht. 19) Hier handelt es sich natürlich nur um Häuser als Kapitalanlage. 20) Um Klarheit zu haben, muß man freilich zuerst überhaupt erkennen, daß man auch beim Konsum - sei es in der Natural-, sei es in der Geldwirtschaft - einen Ertrag, möglichst großen Überschuß von Genuß über die Kosten erzielen will. Das nicht erkannt zu haben, ist einer der Hauptfehler aller bisherigen Theorien, die, mögen sie nun von den Kosten oder vom Wertbegriff ausgehen, darin übereinstimmen, daß, wenn ich mir einen Winterrock für 40 Gulden kaufe, er mir 40 Gulden wert ist. Man braucht aber nur sein eigenes wirtschaftliches Handeln ein wenig zu beobachten, um zu erkennen, daß es überall auf den Etrag ankommt. Wer auf jenem Standpunkt steht - und tatsächlich ist er bisher noch nie bestritten worden -, hat überhaupt den ganzen Mechanismus der Tauschwirtschaft nicht verstanden. Vgl. jetzt dazu die ausdrücklich Ertrag und Einkommen als Grundlage angebende Schrift von Otto Conrad, "Die Lehre vom subjektiven Wert als Grundlage der Preistheorie, Wien 1912. Leider bleibt der Verfasser auf halbem Weg stehen, indem er wohl von dem Grundgedanken ausgeht, das "Bestreben aller Wirtschaftssubjekte ist es, möglichst teuer zu verkaufen und möglichst billig zu kaufen" (Seite 3), aber nicht zum allgemeinen Ertragsbegriff gelangt. Daß man nur damit weiter kommt, wird er jetzt auf Grundlage meiner neuen Arbeiten erkannt haben. Für ein weiteres Eingehen auf die Grundfragen muß ich hier auf dieselben verweisen. 21) Übereinstimmend Lexis, a. a. O., Seite 64/65. |