L. Steinde LaveleyeF. VorländerC. H. WeißeJ. G. Fichte | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Proudhons Eigentumslehre
Vorbemerkung Die folgende Darlegung der Eigentumslehre PROUDHONs stützt sich fast ausschließlich auf dessen Werk: "Qu'-est-ce que la propriété?" Dies ist PROUDHONs erstes Werk, wenn wir von den zwei früheren kleinen Schriften, eine über eine grammatische Frage und eine über die Sonntagsfeier, absehen. Es erschien 1840, als PROUDHON 31 Jahre alt war, und ist die Beantwortung einer Preisfrage, die die Akademie seiner Vaterstadt Besancon stellte. Wie die meisten sozialistischen Systeme im Grund auf einen Angriff gegen das bestehende Eigentum hinauslaufen, so hat auch unser Sozialist geglaubt, nicht besser die volkswirtschaftlichen Zustände kritisieren zu können, als durch eine Kritik des Privateigentums. In dieser Schrift: "Qu'-est-ce que la propriété" hat PROUDHON das Eigentum einer vernichtenden Kritik unterzogen. PROUDHON hat sich in seinen späteren Schriften noch des öfteren über das Eigentum ausgesprochen, doch nirgends so vollständig und zusammenhängend, wie in der ersten Schrift, die auch sofort bei ihrem Erscheinen das größte Aufsehen erregte. Ich glaubte deshalb meiner Darlegung der PROUDHON'schen Eigentumslehre am besten diese erste Schrift zugrunde zu legen und dann anhangsweise eine Übersicht über die späteren zum Teil abweichenden Ansichten unseres Sozialisten über das Eigentum zu geben. - Die ganze soziale Frage - so sagt PROUDHON einmal (1) - löst sich für uns in der Eigentumsfrage auf. Die Eigentumslehre, zusammen mit der Wertlehre, bildet recht eigentlich die theoretische Grundlage, auf der dann alle übrigen Theorien und Reformpläne PROUDHONs aufgebaut sind. Darlegung der Proudhon'schen Eigentumslehre § 1. Einleitung Begriff und Definition des Eigentums Hätte ich die Frage zu beantworten: Was ist Sklaverei? und antwortete mit einem Wort: Sie ist der Mord! so würde man meinen Gedanken sogleich verstehen. Ich hätte nicht viele Worte nötig, um zu zeigen, daß die Gewalt, einem Menschen das Denken, den Willen, die Persönlichkeit zu rauben, eine Gewalt auf Leben und Tod ist, und daß es nichts anderes heißt, einen Menschen zum Sklaven zu machen, als ihn zu morden. Warum kann ich nun auf die Frage: Was ist das Eigentum? nicht ebenso antworten: Eigentum ist Diebstahl! ohne die Gewißheit zu haben, verstanden zu werden, obgleich dieser zweite Satz nichts ist, als der erste in einer anderen Form? Definitionen: Das römische Recht definiert das Eigentum: jus utendi et abutendi re sua, quatenus juris ratio patitur, = das Recht, seine Sache zu gebrauchen und zu mißbrauchen, soweit es die Idee des Rechts zuläßt. - Man hat das Wort "mißbrauchen" rechtfertigen wollen, indem man es als den Ausdruck nicht des unsinnigen und unmoralischen Mißbrauchs, sondern nur der absoluten Herrschaft erklärte. Dies ist eine leere Distinktion, zur Rechtfertigung des Eigentums ersonnen; der Eigentümer kann die Früchte auf dem Halm faulen lassen; Salz in seinen Boden säen; seine Kühe auf den Sand melken; einen Weinberg in eine Mühle; einen Gemüsegarten in einen Park verwandeln, wie es ihm beliebt: Ist dies ein Mißbrauch? Ja! oder Nein! beim Eigentum ist Gebrauch und Mißbrauch ganz dasselbe. - Nach der Erklärung der Rechte, die obenan der Konstitution von 1793 steht, ist das Eigentum "das Recht, seine Güter, seine Einkünfte, die Früchte seiner Arbeit und seines Fleißes zu genießen und beliebig darüber zu verfügen." Code Napoléon art. 544: "Das Eigentum ist das Recht, Sachen auf die unumschränkteste Weise zu genießen und darüber zu verfügen, vorausgesetzt, daß man keinen Gebrauch davon macht, den die Gesetze und die Verordnungen verbieten." Diese beiden Definitionen kommen auf die des römischen Rechts zurück; alle erkennen das unbeschränkte Recht des Eigentümers über die Sache an, und was die Einschränkung durch den Code betrifft, "vorausgesetzt, daß man keinen Gebrauch davon mache, den die Gesetze und Verordnungen verbieten,"' so will sie nicht das Eigentum eingrenzen, sondern nur verhindern, daß jemandes Eigentum kein Hindernis für das des Nachbarn werde, es ist also eine Bestätigung, nicht eine Beschränkung des Prinzips. Man hat zu unterscheiden:
2. Das Besitzrecht. "Der Besitz," sagt DURANTON, "ist eine Tatsache, kein Recht." TOULLIER: "Das Eigentum ist ein Recht, eine gesetzliche Befugnis; der Besitz ist eine Tatsache." Der Pächter, der Mieter, der Nutznießer sind Besitzer; - der Ausleiher, der Herr, der vermietet, der Erbe, der nur den Tod eines Nutznießers erwartet, um zu genießen, sind Eigentümer. Wenn ich den Vergleich wagen darf, so ist ein Liebhaber Besitzer, ein Ehemann Eigentümer. Die Begründung des Eigentums PROUDHON sucht nun nachzuweisen, daß alle Versuche, die bisher gemacht sind, um das "Eigentum" zu begründen, verfehlt sind, und zeigt dies besonders an vier Arten von Eigentumstheorien, nämlich an denen, die das Eigentum begründen wollen:
2. auf die Arbeit 3. auf ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung 4. auf das positive Gesetz. Jeder Okkupant ist daher notwendigerweise Besitzer oder Nutznießer, und diese Eigenschaften schließen den Begriff des Eigentümers aus. Folgendes ist nur das Recht des Nutznießers: Er ist verantwortlich für die ihm anvertraute Sache; er darf sie nur dem gemeinen Nutzen gemäß gebrauchen; er darf sie nicht verändern, nicht verschlechtern, noch ihrer Natur berauben; er kann sein Recht nicht in der Art teilen, daß ein anderer die Sache bearbeitet, während er die Frucht davon erhält; mit einem Wort, der Nutznießer ist unter die Aufsicht der Gesellschaft gestellt; er ist der Bedingung der Arbeit und dem Gesetz der Gleichheit unterworfen. Hierdurch wird dann die römische Definition des Eigentums, als das Recht des Gebrauchs und Mißbrauchs, als eine aus der Gewalt entsprungene Immoralität, als das schauderhafteste Unrecht, das die positiven Gesetze sanktionieren konnten, vernichtet. Der Mensch empfängt seine Nutznießung aus den Händen der Gesellschaft, die allein auf dauernde Weise besitzt: das Individuem geht im Strom der Zeiten vorüber, das menschliche Geschlecht stirbt nie aus. - PROUDHON stellt nun den Satz auf: Die Erde kann aber überhaupt nicht Privateigentum werden. Er greift namentlich zwei Erklärungen des Eigentums an Grund und Boden an, die eine von SAY, die andere von COMTE. SAY sagt: "Die anbaufähige Erde scheint unter die väterlichen Reichtümer zu gehören, da sie nicht von Menschenhänden erschaffen ist, und die Natur sie dem Menschen als freiwilliges Geschenk darbietet; da aber dieser Reichtum nicht flüchtig ist, wie Luft und Wasser; da ein Feld ein fester und begrenzter Raum ist, den sich gewisse Menschen mit Ausschluß der der übrigen, die ihre Einwilligung dazu geben, zueignen können, so ist die Erde, die ursprünglich ein freies Geschenk der Natur war, ein Reichtum der Gesellschaft geworden, dessen Gebrauch bezahlt werden muß." - Warum also ist die Erde appropriiert? fragt PROUDHON. - SAY versichert, weil sie nicht flüchtig ist, COMTE (Traité de la Propr. Kap. V), weil sie nich unendlich ist. Die Erde ist begrenzt, nach COMTE muß sie daher appropriiert werden. Wenn man sich irgendeine Quantität an Licht und Luft aneignet, so kann daraus kein Schaden für irgendjemanden erwachsen, weil immer noch genug davon übrig bleibt. Mit dem Boden aber verhält es sich ganz anders. Mag sich die Strahlen der Sonne, den Wind und die Meereswogen aneignen, wer da will: aber wenn ein Mensch zu seinen Lebzeiten seinen Grundbesitz in Eigentumsrecht verwandeln will, so erkläre ich ihm den Kampf auf Leben und Tod. Die Argumentation COMTEs beweist gegen seinen eigenen Satz: "Unter den zu unserer Erhaltung notwendigen Sachen gibt es eine gewisse Anzahl, die in solcher Menge vorhanden sind, daß man sie nicht erschöpfen kann; andere existieren in beträchtlich geringerer Anzahl und können nur die Bedürfnisse einer beschränkten Anzahl von Personen befriedigen, - die einen nennt man gemeinschaftliche, die andern Privatsachen." Das nenne ich schlecht räsonnieren: Wasser, Luft und Licht sind gemeinschaftlich, nicht, weil sie unerschöpflich, sondern weil sie unerläßlich sind, deshalb scheint sie die Natur in so unbegrenzter Menge geschaffen zu haben, damit sie vor aller Aneignung sicher wären. Ebenso unerläßlich zu unserer Erhaltung ist aber die Erde, und deshalb auch gemeinschaftlich, folglich auch nicht appropriationsfähig; aber die Erde hat viel weniger Ausdehnung, als die übrigen Elemente, und deshalb muß ihr Gebrauch geordnet werden, und zwar nicht zum Vorteil einiger weniger, sondern im Interesse und zur Sicherheit aller. In zwei Worten: die Gleichheit der Rechte ist durch die Gleichheit der Bedürfnisse bewiesen; die Gleichheit des Rechts kann nun, wenn die Sache begrenzt ist, auf keine andere Weise realisiert werden als durch die Gleichheit des Besitzes. - 2. auf Arbeit. - Ebensowenig wie auf Okkupation, kann das Eigentum auf Arbeit begründet werden. - CH. COMTE versuchte diese Begründung. "Ein bestimmter Flächenraum," sagt COMTE, "kann nur die Nahrungsmittel eines Menschen während eines Tages hervorbringen; findet der Besitzer durch seine Arbeit Mittel, ihm einen doppelten Ertrag zu geben, so verdoppelt er auch den Wert desselben. Dieser neue Wert ist sein Werk, seine Schöpfung; er hat ihn niemandem entrissen, er ist sein Eigentum." - "Ich gebe zu," sagt PROUDHON, "daß der Besitzer für seine Mühe und Arbeit durch seine doppelte Ernte bezahlt wird, aber er erwirbt kein Recht auf das Grundstück selbst. Der Arbeiter mag die Früchte behalten, zugestanden; aber ich begreife nicht, daß das Eigentum der Produkte zugleich das Eigentum des Gegenstandes mit sich bringt. Wird der Fischer, der an demselben Ufer mehr Fische zu fangen versteht, als seine Kameraden, durch diese Geschicklichkeit zum Eigentümer des Strandes, an dem er fischt? Wurde die Geschicklichkeit eines Jägers je als Eigentumstitel auf das Wild eines Distrikts angesehen?" Ironisch ruft PROUDHON aus: "Du hast gearbeitet! Aber wo ist denn die Ähnlickeit der Arbeit, zu der die Pflicht dich ruft, mit der Aneignung gemeinschaftlicher Sachen? Wußtest du nicht, daß die Herrschaft über den Boden so unverjährbar ist, wie die über Luft und Licht? Du hast gearbeitet! Hättest du nie die übrigen können arbeiten lassen? Wie konnten sie verlieren, da sie für dich arbeiteten, und du erwerben, da du nicht für sie gearbeitet hast? Du hast gearbeitet! Wohlan, laß deine Arbeit sehen! Wir wollen zählen, wiegen, messen; das wird das Urteil sein: Wenn du dir die Arbeit eines anderen angeeignet hast, so mußt du bis auf den letzten Heller alles herausgeben!" 3. Allgemeine Einwilligung. - Die allgemeine Einwilligung rechtfertigt das Eigentum auch nicht, denn sollte diese Einwilligung ausdrücklich oders stillschweigend existiert haben, so wäre die damit gegebene Verzichtsleistung doch wechselseitig gewesen, den man gibt kein Recht auf, ohne eine Äquivalent dafür im Tausch zu erhalten. Der Mensch kann aber so wenig auf die Arbeit wie auf die Freiheit Verzicht leisten; die Anerkennung des Grundeigentums schließt aber einen Verzicht auf die Arbeit in sich, denn man gibt dieses Mittel auf, und dies ist also ein Vergleich über ein natürliches Recht, eine Selbstberaubung der menschlichen Würde. - 4. Auf das positive Gesetz. - Ebensowenig kann das positive Gesetz als Grund und Sanktion des Eigentums gelten; wie kann z. B. durch die Verjährung das Eigentum begründet werden? Macht den Besitz so lange als möglich, gibt ihm Jahre und Jahrhunderte, ihr könnt nie bewirken, daß die Dauer, die durch sich selbst nichts schafft, nichts verändert. - Mag das positive Gesetz immerhin einem Besitzer in gutem Glauben, der seit einer Reihe von Jahren seinen Besitz genießt, das Recht beilegen, von einem Späterkommenden seines Besitzes nicht enthoben werden zu können. Dadurch bestätigt es bloß ein bereits anerkanntes Recht, und die Verjährung bezeichnet, auf die Weise angewendet, einfach nur, daß der Besitz, welcher vor 20, 30 oder 100 Jahren angefangen hat, den Okkupanten erhalten werden soll. Erklärt aber das Gesetz, daß der Zeitablauf den Besitzer in einen Eigentümer umwandelt, so setzt es voraus, daß ein Recht bestehen könnte ohne wirkende Ursache; es verändert ohne Grund die Eigenschaft des Subjekts, es gibt ein Urteil über ein unbestrittenes Verhältnis und übertritt dadurch den Kreis seiner Befugnisse. Die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Staatsbürger verlangten nur eine Garantie des Besitzes: warum aber erschuf das Gesetz das Eigentum? Das Eigentum in seinen ökonomischen und sozialen Wirkungen Nach Proudhon muß gerade die Arbeit vielmehr zur Gleichheit des Eigentums führen. Proudhon stellt jetzt den Satz auf: Der Arbeiter hat nach Empfang seines Lohns noch ein natürliches Eigentumsrecht auf die von ihm produzierte Sache. Der Kapitalist, sagt man, hat den Arbeitern ihren Tageslohn bezahlt; genauer ausgedrückt, heißt das: der Kapitalist hat ebenso oft einen Tageslohn bezahlt, wie er täglich Arbeiter verwendet hat, denn das ist ja nicht dasselbe; nämlich jene ungeheure Kraft, die aus der Vereinigung und Harmonie der Arbeiter, aus der Gleichzeitigkeit und gleichen Richtung ihrer Anstrengungen entsteht, diese hat er nicht bezahlt. Wer einen Menschen beschäftigt, ist ihm Unterhalt und Nahrung, oder einen äquivalenten Teil Lohn zu geben schuldig; das ist der erste Teil jeder Produktion. Für den Augenblick will ich auch zugeben, daß in dieser Beziehung der Kapitalist seine Schuldigkeit getan hat. Der Arbeiter muß aber außer seiner gegenwärtigen Subsistenz noch für seine zukünftige in seiner Arbeit eine Garantie finden, denn die Arbeitsquelle kann sich verstopfen, oder er selbst unfähig werden; mit anderen Worten: eine künftige Beschäftigung muß immer aus der gegenwärtigen entstehen, das ist das allgemeine Gesetz der Reproduktion. - Der Lohn des Arbeiters übersteigt seine laufende Verzehrung nicht mehr und sichert ihm für den kommenden Tag kein Einkommen, während der Kapitalist in dem vom Arbeiter hervorgebrachten Produkt ein Pfand seiner Unabhängigkeit und Sicherheit für die Zukunft besitzt. Dieses Reproduktionsferment, diese ewige Lebensquelle, diesen Vorrat an produktivem Kapital ist der Kapitalist dem Produzenten schuldig, leistet ihm denselben aber nie, und durch diese betrügerische Weigerung bewirkt er die Not des Arbeiters, den Luxus des Müßiggängers, kurz, die Ungleichheit der Bedingungen. Darin besteht gerade, was man die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen nennt. Durch die Arbeit kommen wir direkt zur Gleichheit; jeder Schritt, den wir vorwärts machen, nähert ihr uns mehr; und wenn Kraft, Fleiß und Tätigkei der Arbeiter gleich wären, so ist es klar, daß es das Vermögen auch sein müßte. Ist in der tat, - wie man vorgibt und wie wir zugestanden haben, - der Arbeiter Eigentümer des von ihm hervorgebrachten Wertes, so folgt daraus:
2. Daß der Arbeiter, da jede Produktion notwendigerweise durch eine Gesellschaft vor sich geht, einen Anspruch auf einen Teil der Produkte und Gewinne nach Maßgabe seiner Arbeit hat; - 3. daß, da jedes angehäufte Kapital ein gesellschaftliches Eigentum ist, niemand dessen ausschließliches Privateigentum haben kann. -
und der Satz von FOURIER: "Jedem nach seinem Kapital, nach seiner Arbeit und seinem Talent" Zuerst muß das Kapital aus der Reihe der Gegenstände der Wiedererstattung gestrichen werden. Die Fourieristen leugnen das Recht der Okkupation und erkennen nur die Arbeit als Prinzip des Eigentums an; bei einer solchen Voraussetzung hätten sie wohl einsehen müssen, daß ein Kapital seinem Eigentümer nur vermöge eines Okkupationsrechts etwas produziert, daß also diese Produktion ungesetzlich ist. Das Kapital kann also keine Einkommensquelle sein. Es blieben also nur Arbeit und Talent, oder nach SAINT SIMONs Ausdruck die Werke und Fähigkeiten übrig. Müssen nun die Löhne der Arbeit angemessen sein? Mit anderen Worten: Muß der, welcher mehr arbeitet, auch mehr verdienen? Diese Frage ist zu verneinen. Denn, solange die Arbeiter in Gemeinschaft arbeiten, sind sie gleich, und es wäre ein Widerspruch, daß der eine besser bezahlt würde als der andere. Denn da das Produkt des einen nur mit dem des andern bezahlt werden kann, so wird, wenn zwei Produkte ungleich sind, der Rest oder die Differenz zwischen dem kleineren und größren nicht von der Gesellschaft erworben und greift daher, da er nicht ausgetauscht wird, die Gleichheit der Arbeitslöhne nicht an. Daraus entsteht, wenn man will, für den stärkeren Arbeiter eine natürliche, aber keine gesellschaftliche Ungleichheit, denn niemand verliert dadurch an Kraft oder produktiver Energie - mit einem Wort, die Gesellschaft vertauscht nur gleiche Produkte, d. h. sie bezahlt die Arbeiten, welche für sie gemacht werden, folglich bezahlt sie alle Arbeiten gleichmäßig; was diese außerhalb ihres Schoßes produzieren könnten, geht sie so wenig an, als die Ungleichheit ihrer Stimmen und Haare. Nehmen wir an, jedes tägliche Arbeitspensum betrüge, in Bodenarbeit, Pflügen, Ernten usw. angeschlagen, zwei Quadratruten und die mittlere Zeit zu seiner Vollendung betrüge 7 Stunden und der eine Arbeiter brauchte nur 6, der andere 8, die größere Durchschnittszahl aber 7 Stunden dazu, so hat jeder, vorausgesetzt, daß er die verlangte Quantität von Arbeit liefert, sei auch die Zeit, die er dazu braucht, noch so verschieden, ein Recht auf gleichen Arbeitslohn. Hat der Arbeiter, der seine Aufgabe in sechs Stunden vollendet, etwa unter dem Vorwand seiner größeren Geschicklichkeit und Kraft das Recht, die Aufgabe des ungeschickteren Arbeiters zu usurpieren und ihm dadurch Arbeit und Brot zu rauben? Wer vor den andern fertig ist, mag ruhen, wenn es ihm beliebt, oder zur Übung seiner Körper- und Geisteskräfte sich nützlichen Arbeiten und Studien widmen, er kann dies ohne Schaden für einen anderen, aber seine egoistischen Dienste soll er bleiben lassen. Lebhaftigkeit, Talent, Emsigkeit und alle Vorteile, die aus ihnen entspringen, sind auch Werke der Natur und bis auf einen gewissen Grad nicht vom Individuum abhängig. Also, erster Artikel der Universalverordnung: Die beschränkte Quantität zu verarbeitender Stoffe beweist die Notwendigkeit, die Arbeit nach der Anzahl der Arbeiter zu teilen; die Fähigkeit, welche alle haben, eine gesellschaftliche, d. h. eine gleiche Aufgabe zu vollenden, und die Unmöglichkeit, einen Arbeiters zu bezahlen, rechtfertigen die Gleichheit der Arbeitslöhne. Wie steht es aber mit den Talenten? Die Fourieristen und Saint Simonisten wenden nämlich ein: Alle Arbeiten, welche vorgenommen werden müssen, sind nicht gleich leicht; manche verlangen eine große Überlegenheit des Talents und der Einsicht, und diese Überlegenheit selbst bedingt ihren höheren Preis. Der Künstler, der Gelehrte, der Dichter, der Staatsmann werden nur aus Rücksicht auf ihre höheren Eigenschaften geachtet und diese machen eine gleiche Stellung derselben unter den übrigen Menschen unmöglich, vor diesen Gipfeln der Wissenschaft und des Genius verschwindet das Gesetz der Gleichheit. Merkwürdig! Was diese Geister so sehr abschreckt, ist kein Einwurf, - es ist die Bedingung zur Gleichheit selbst. Das Talent darf kein Grund zu höherer Belohnung werden. Die Ungleichheit der Fähigkeiten ist gerade eine unerläßliche Bedingung der Gleichheit des Vermögens. - In einer Gesellschaft von Menschen gleichen die Beschäftigungen einander nicht; es müssen daher auch verschiedene Geschicklichkeiten existieren; dazu erfordern noch gewisse Beschäftigungen größere Einsicht und Fähigkeit; es existieren daher auch Leute von höherem Talent und Geist, denn ein Geschäft, das vollbracht werden muß, bringt auch den tauglichen Mann dazu mit sich; das Bedürfnis gibt die Idee, und die Idee macht den Produzenten. Bewundern wir nun den Haushalt der Natur: in jener Menge von verschiedenen Bedürfnissen, die sie in uns gelegt und denen der Mensch durch seine isolierte Kraft nicht Genüge leisten könnte, gewährt sie der Gattung die Kraft, die sie dem Individuum versagt hat: daher auch das Prinzip der Teilung der Arbeit, das sich auf die Verschiedenheit der Beschäftigungen gründet. - Wie die Schöpfung jedes Produktionsinstruments das Resultat einer Gesamtanstrengung ist, so sind auch Talent und Wissen eines Menschen das Produkt der allgemeinen Intelligenz und einer Wissenschaft, die durch eine Menge von Meistern langsam herangebildet und zusammengetragen ist unter Beihilfe einer Menge von Meistern langsam herangebildet und zusammengetragen ist unter Beihilfe einer Menge weiterer Industrien. Der Künstler, der Gelehrte, der Dichter, sie alle empfangen ihre gerechte Belohnung schon dadurch, daß ihnen die Gesellschaft erlaubt, sich ausschließlich der Kunst und Wissenschaft zu widmen. Die ganze Nation, und zwar sie allein, bezalt ihre Schriftsteller, ihre Gelehrten, ihre Künstler, ihre Beamten. Nach welchem Maßstab aber muß sie dieselben bezahlen? Nur nach dem der Gleichheit. - Die Ungleichheit der Talente ist wie PROUDHON später einmal sagt, nur die Spezialität der Talente. Bis jetzt habe ich das Eigentum als Fähigkeit der Ausschließung betrachtet, ich will es nun als Fähigkeit des Raubes näher prüfen. Der letzte Grund der Eigentümer, das Argument, dessen unbesiegbare Macht sie noch aufrecht erhält, ist ihre Meinung, daß die Gleichheit der Bedingungen unmöglich sei. Sie ist eine Chimäre, schreien sie mit einer Art von Wichtigtuereien; teilt heute die Güter in gleiche Teile, so ist die Gleichheit morgen wieder verschwunden. Diesem gewöhnlichen Einwurf, den sie überall mit unglaublicher Sicherheit wiederholen, fügen sie stets noch folgende Glosse in Form eines Gloria Patri [Ehre sei dem Vater! - wp] zu: wenn alle Menschen gleich wären, so würde niemand arbeiten wollen. Wenn ich dagegen beweise, daß das Eigentum selbst unmöglich, ein Widerspruch, eine Chimäre, eine Utopie ist, wenn ich dies nicht bloß mit metaphysischem und rechtlichen Gründen, sondern durch Zahlen, Berechnungen, Gleichungen nachweise, wie wird dann der Eigentümer staunen und erschrecken? Wir werden begreifen, daß die Gleichheit der Bedingungen nicht nur möglich, sondern sogar allein möglich ist, daß der Anschein von Unmöglichkeit, die man ihr stets vorwirft, nur daher kommt, daß wir sie immer entweder in der politischen Form des Eigentums oder der Gemeinschaft begreifen, welche beide der Natur des Menschen zuwiderlaufen; wir werden zuletzt sehen, daß alle Tage trotz unseres Widerstrebens in der Zeit selbst, wo wir sie für uneinführbar halten, diese Gleichheit mehr und mehr sich einführt, daß der Moment herannaht, wo wiri sie überall errichtet haben, ohne sie nur gesucht und gewollt zu haben; daß die politische Ordnung nach der Natur und Wahrheit, nur mit ihr, in ihr und durch sie sich manifestieren kann. Ich werde durch den Beweis der Unmöglichkeit des Eigentums zugleich den seiner Ungerechtigkeit liefern; denn in der Tat:
das, was nützlich ist, ist in viel höherem Grad wahr, das, was wahr ist, ist in viel höherem Grad möglich. Beweis: Axiom: Das Eigentum ist das Herrschaftsrecht, (2) das sich der Eigentümer über eine Sache beimißt, die er mit seiner Unterschrift bezeichnet hat. Diese Herrschaft (aubaine) wird mit verschiedenen Namen bezeichnet, je nachdem, was sie hervorbringt; so Pachtgeld für Grundstücke, Mietzins für Gebäude und Mobilien, Rente für auf alle Zeiten angelegte Kapitalien (Leibrente), Interesse für das Geld, Gewinn, Profit, Unternehmergewinn (drei Dinge, die nicht mit dem Arbeitslohn, d. h. dem legitimen Preis der Arbeit zu verwechseln sind) beim Tausch. Die Erkenntlichkeit, welche der Eigentümer für die Hingabe seines Rechts verlangt, drückt sich in Geldzeichen oder in einem Anteil am natürlichen Produkt aus, so daß der Eigentümer infolge seines Herrschaftsrechts erntet und doch nicht sät, verzehrt und doch nicht produziert, genießt und doch nicht arbeitet. Erster Satz: Das Eigentum ist unmöglich, weil es für nichts etwas verlangt.' Die Prüfung dieses Satzes ist dieselbe, wie die der Grundrente, worüber die Nationalökonomen soviel gestritten haben. Nach RICARDO, McCULLOCH und MILL ist die sogenannte Grundrente nichts anderes, als der Überschuß des Produkts des fruchtbarsten Grundstücks über das Produkt von minderguten Grundstücken, so daß die Grundrente vom ersteren erst dann bezahlt wird, wenn die Vermehrung der Bevölkerung den Anbau der letzteren nötig macht. Es ist schwer, irgendeinen Sinn hierin zu finden. Wie kann aus der verschiedenen Qualität des Erdbodens ein Recht auf denselben erwachsen? Wie sollte die Verschiedenheit des Humus ein Prinzip der Gesetzgebung und Politik gebären? - Diese Metaphysik ist für mich so fein oder so dick, daß ich mich darin verliere, je mehr ich an sie denke. In der Tat handelt die Nationalökonomie von Entstehung, Verteilung und Verzehrung der Reichtümer oder Werte, aber welcher Werte? Werte, die durch menschliche Arbeit entstanden sind, d. h. Umformungen, die der Mensch mit dem rohen Stoff vorgenommen hat, um ihn tauglich für seine Zwecke zu machen, aber keineswegs freiwillige Erzeugnisse der Natur. - Zwischen dem Eigentümer und dem Pächter findet demnach gar kein Austausch von Werten oder Dienstleistungen statt; der Pachtzins ist demnach ein wahres Sklavengeld, eine Erpressung, die einzig auf Betrug und Gewalt einerseits, auf Schwäche und Unwissenheit andererseits beruth. Die Produkte, sagen die Nationalökonomen, lassen sich nur durch Produkte kaufen. Dieser Satz spricht dem Eigentum das Urteil. Der Eigentümer ist entweder ein Schmarotzer oder ein Dieb, weil er weder durch sich, noch durch sein Instrument etwas produziert, unf für nichts durch den Tausch Produkte erhält. Kann demnach das Eigentum nur als Recht bestehen, so ist es unmöglich. Die republikanische Konstitution von 1793 hat sich in ihrer Definition des Eigentumsrechts als des "Rechts, die Frucht seiner Arbeit zu genießen," grob verstoßen; sie hätte sagen müssen: Das Eigentum ist das Recht, nach Belieben fremdes Gut zu genießen, über die Frucht der Arbeit und Industrie von dritten Personen zu disponieren. Zweiter Satz: Das Eigentum ist unmöglich, weil da, wo es zugelassen wird, die Produktion mehr kostet, als sie wert ist.' Ich nehme nun an, daß ein Stamm von 1000 Familien in einem Flächenraum eingeschlossen und alles auswärtigen Handelns beraubt sei. Dieser Stamm gibt uns ein Bild von der ganzen Menschheit, die über den ganzen Erdball verbreitet, wahrhaft isoliert ist. Ich nehme nun ferner an, daß sich diese Familien ausschließlich dem Getreidebau widmen und jährlich in natura eine Rente von 10 % ihrer sämtlichen Produkte an 100 Privatpersonen unter ihnen zahlen müssen. Man sieht hier, daß das Herrschaftsrecht einem Vorabzug von der gesellschaftlichen Produktion gleicht. Wozu wird dieser Vorabzug dienen? Nicht zur Verproviantierung des Stammes, denn eine solche hat nichts mit der Grundrente gemein; ebensowenig zur Bezahlung von Diensten und Produkten, denn die Eigentümer haben nur für sich gearbeitet, wenn sie auch sie die anderen arbeiteten. Dann ist dieser Vorabzug ohne Nutzen für die Rentiers, denn da sie Getreide genug für ihre Konsumtion gesammelt haben, und sich in einer Gesellschaft ohne Handel und Gewerke nichts anderes anschaffen können, so verlieren sie dadurch den Vorteil ihrer Revenuen [Erträge - wp]. In einer solchen Gesellschaft kann ein Zehntel der Produkte nicht konsumiert werden; es wird deshalb auch ein Zehntel der Arbeit nicht bezahlt, die Produktion kostet mehr, als sie wert ist. Verwandeln wir nun 300 unserer Produzenten in Gewerksleute aller Art: 100 Gärtner und Weinbauern, 60 Schuster und Schneider, 50 Schreiner und Schmiede, 80 mit sonstigen Professionen, und damit nichts fehlt, 2 Schulmeister, 1 Bürgermeister, 1 Richter, 1 Pfarrer. Jedes dieser Gewerbe produziert für den ganzen Stamm; da nun die ganze Produktion = 1000 beträgt, so beträgt die Konsumtion für jeden Arbeiter = 1, nämlich
Aber die Gesellschaft schuldet eine Rente von 10%, und wir werden bemerken, daß es gleichgültig ist, ob die Landarbeiter allein, oder alle Arbeiter solidarisch sie bezahlen; das Resultat ist dasselbe. Der Pächter erhöht den Preis seines Getreides um so viel, als er schuldig ist, die Gewerksleute folgen in dieser Erhöhung ebenfalls, und nach einigen Schwankungen stellt sich das Gleichgewicht wieder ein und jeder hat ungefähr die gleiche Quantität bezahlt. Man irrt sich bedeutend, wenn man glaubt, die Landarbeiter allein zahlten die Grundrente, nein, die ganze Nation ist es. Ich sage also, daß unter der Voraussetzung eines Vorabzugs von 10% die Konsumtion jedes Arbeiters auf folgende Weise reduziert wird:
Der Arbeiter hat produziert = 1, er konsumiert 0,9, er verliert demnach ein Zehntel auf den Preis seiner Arbeit; seine Produktion kostet mehr, als sie wert ist. Bisher habe ich den Eigentümer als Teilnehmer an der Produktion nicht bloß, wie SAY sagt, durch den Dienst seines Instrumentes, sondern durch eigenhändige Arbeit betrachtet; es ist nun leicht einzusehen, daß unter solchen Bedingungen das Eigentum nie existieren wird. Wie kommt das? Der Eigentümer, dieses wesentlich geile Tier, ohne Tugend und Scham, unterwirft sich keinem Leben, wo Ordnung und Aufsicht herrscht; wenn er das Eigentum liebt, so geschieht es nur, um dadurch nach seinem Behagen, wann und wie er will, leben zu können. Seines Lebensunterhaltes sicher, gibt er sich dem Nichtstun hin und der Weichlichkeit; er spielt, treibt Possen, sucht Stoff für seine Neugierde und Langeweile. Um sich selbst genießen zu können, muß das Eigentum dem gewöhnlichen Leben entsagen und in luxuriösen Vergnügungen, übertriebenen Lustbarkeiten seine Befriedigung suchen. Anstatt einer Grundrente zu entsagen, die in ihren Händen zugrunde ging, und in ihrem Betrag die Gesellschaftsarbeit zu vermindern, setzen sich unsere 100 Eigentümer zur Ruhe; da nun diese Zurückziehung die absolute Produktion um 100 vermindert wird, so scheinen nun Produktion und Konsumtion der Eigentümer nach den Grundsätzen der Nationalökonomie eine unproduktive, da sie nicht mehr arbeiten, folglich gibt es in der Gesellschaft nicht mehr wie früher 100 durch das Produkt nicht bezahlte Dienste, sondern 100 ohne Dienst konsumierte Produkte, das Defizit bleibt immer dasselbe. Entweder sind nun die Aphorismen der Nationalökonomie falsch, oder das Eigentum, das ihnen zuwiderläuft, ist unmöglich. - Die Nationalökonomen betrachten aber jede unproduktive Konsumtion als ein Übel, als einen Raum am Menschengeschlecht. Und nun folgen eine Reihe von Sätzen, warum das Eigentum unmöglich sein soll: das Eigentum ist unmöglich, weil die Produktion bei einem gegebenen Kapital sich nach der Arbeit, nicht nach dem Eigentum richtet -, weil es mörderisch ist, weil es die Gesellschaft zugrunde richtet, weil es die Mutter der Tyrannei ist, weil es durch die Konsumtion dessen, was es empfängt, dasselbe verdirbt, es durch Aufsparung vernichtet, es durch Kapitalisierung gegen die Produktion wendet, weil seine Akkumulationskraft unendlich ist und es sich im unendlichen Raum bewegt, weil es gegen das Eigentum machtlos ist und weil es die Verneinung der Gleichheit ist. - PROUDHON vergleicht den Eigentümer mit dem Löwen in der bekannten PHÄDRUS'schen Fabel. Ich kenne nichts Anmutigeres, als diese Fabel:
Als Arbeiter den zweiten, Als Kapitalist den dritten, Als Eigentümer nehme ich alles. Das Eigentum ist unmöglich, die Gleichheit existiert nicht; das erste ist uns verhaßt, und doch wollen wir es, die zweite beherrscht alle unsere Gedanken und wir wissen nicht, wie wir sie realisieren können. Wer erklärt uns diesen Antagonismus unseres Bewußtseins und unsers Willens? Wer zeigt die Ursachen dieses furchtbaren Irrtums, dieses geheiligten Prinzips der Gerechtigkeit in der Gesellschaft? Ich wage es zu unternehmen und hoffe ans Ziel zu kommen. Aber ehe ich entwickeln kann, wie der Mensch die Gerechtigkeit verletzt hat, muß ich ihren Begriff bestimmen. Setzt sich ein Mensch in den Besitz eines Feldes und sagt: dieses Feld gehört mir, so begeht er keine Ungerechtigkeit, solange die anderen Menschen dieselbe Fähigkeit, Besitz zu erlangen, haben, als er selbst; er begeht keine Ungerechtigkeit, wenn er dieses Feld gegen ein Äquivalent austauscht und sich anderswo ein Unterkommen sucht. Setzt er aber einen anderen an seine Stelle und sagt ihm: arbeite für mich, während ich ruhe: dann wird er ungerecht, ungesellschaftlich, ungleich; dann ist er Eigentümer. Der Taugenichts, der, ohne irgendeine soziale Aufgabe zu erfüllen, wie ein anderer ein Produkt der Gesellschaft verzehrt und manchmal noch mehr, muß wie ein Dieb und Parasit verfolgt werden. So läuft dann alles darauf hinaus, das Gesetz der Gleichheit einzuführen: Jurisprudenz, Nationalökonomie, Psychologie haben sie alle zur Voraussetzung. Recht und Pflicht, die einem Talent schuldige Belohnung, die Äußerung der Liebe und des Enthusiasmus, alles ist im Voraus nach einem sicheren Maß bestimmt, alles richtet sich nach der Zahl und dem Gleichgewicht. Die Gleichheit der Bedingungen ist das Prinzip der Gesellschaften; die universelle Solidarität ist die Sanktion dieses Gesetzes. Die Gleichheit der Bedingungen ist nie realisiert worden, dank unseren Leidenschaften und unserer Unwissenheit; aber unsere Opposition gegen dieses Gesetz legt seine Notwendigkeit mehr und mehr an den Tag. - Die Geschichte legt ein ewiges Zeugnis davon ab, ein Zeugnis, welches uns die ganze Reihe der Begebenheiten enthüllt, daß die Gesellschaft immer mehr zur Gleichheit fortschreitet. - Ohne Zweifel enthält der Fortschritt des Menschengeschlechts andere Elemente: aber unter der Masse geheimer Ursachen, welche die Völker in Bewegung setzen, ist kaum eine so wichtige, so regelmäßige, weniger zu verkennende, als die periodischen Erhebungen des Proletariats gegen das Eigentum. Das Eigentum ist durch die doppelte Wirkung, welche es zu gleicher Zeit ausübt, wo die Bevölkerung sich vermehrt, durch Ausschließung und Hinwegnahme der Keim und entscheidende Grund aller Revolutionen gewesen. Das ist die Akkumulativkraft des Eigentums, das Gesetz der Erniedrigung und des Todes der Gesellschaft. Der Kommunismus in seinen ökonomischen und sozialen Wirkungen Wie wird sich aber die Gesellschaft nach der Vernichtung des Eigentums gestalten? In der Form der Gütergemeinschaft? Um in einer HEGELschen Form zu antworten, sage ich: Die Gemeinschaft, die erste Art, die erste Bestimmtheit der Geselligkeit, ist das erste Glied der sozialen Entwicklung, die These; das Eigentum, der Gegensatz desselben, die Antithese; so haben wir noch das dritte Moment, die Synthese, zu entdecken, dann ist die Frage gelöst. Diese Synthese entspringt aus der Aufhebung der These durch die Antithese; man muß daher ihre Merkmale prüfen, davon ausscheiden, was der Gesellschaft entgegen ist, und in der Vereinigung der beiden Rechte zeigt sich dann die wahre Art der menschlichen Gesellschaft. Außerhalb des Eigentums oder der Gemeinschaft hat niemand eine Gesellschaft für möglich gehalten; das ist ein Irrtum, der bisher dem Eigentum das Leben gefristet hat. Die Nachteile des Kommunismus sind so evident, daß die Kritiker nie viel Beredsamkeit nötig hatten, um ihn den Menschen zu verleiden. Die Unwiderruflichkeit ihrer Ungerechtigkeiten, der Zwang, welchen sie den Sympathien und Antipathien auferlegt, das eiserne Joch, womit sie den Willen eingeschnürt, die moralische Tortur, worin sie das Gewissen gebannt, die Atonie [Erschlaffung - wp], worin sie die Gesellschaft versenkt, kurz, um alles zu sagen, die glückliche und stupide Einförmigkeit, in welche sie die freie, tatkräftige, unabhängige Persönlichkeit des Menschen verstrickt, hat die Gemeinschaft für immer verdammt, ohne die Gründe dafür zu hören. Die Autoritäten und Beispiele, welche man zu ihren Gunsten anführt, sind gegen sie: die kommunistische Republik PLATOs setzt die Sklaverei voraus, die lykurgische ließ sich durch Heloten bedienen, deren Herren nur gymnasiastischen und militärischen Übungen oblagen. Auch JEAN-JAQUES ROUSSEAU hat irgendwo gesagt, indem er die Gemeinschaft und Gleichheit verwechselt, daß er ohne Sklaverei die Gleichheit der Bedingungen nicht für möglich hält. Die Kirchengesellschaften der ersten Zeit hielten sich nur bis ans Ende des ersten Jahrhunderts und arteten bald in Mönchsgesellschaften aus; in der jesuitischen Gemeinschaft in Paraguay werden die Schwarzen wie Sklaven behandelt und die guten Väter müssen sich bekanntlich mit Gräben und Mauern umgürten, um die Flucht ihrer Neophyten [Frischlinge - wp] zu verhindern. Die Babouvisten, mehr durch einen schauderhaften Haß gegen das Eigentum, als durch eine bestimmte positive Tendenz geleitet, sind ihrer ausschweifenden Grundsätze wegen gefallen. Die Saint-Simonisten, welche Gemeinschaft und Ungleichheit zugleich aufstellten, sind wie eine Maskerade vorübergegangen. Die Gesellschaft ist heute keiner größeren Gefahr ausgesetzt, als einem abermaligen Schiffbruch an dieser Klippe. Die Gemeinschaft ist Ungleichheit, jedoch in einem entgegengesetzten Sinn wie das Eigentum. Das Eigentum ist die Benachteilung des Schwachen durch den Starken; in der Gemeinschaft wird der Starke durch den Schwachen beraubt.' Die Gemeinschaft ist Unterdrückung und Sklaverei; der Mensch will sich wohl dem Gesetz, der Pflicht unterwerfen, seinem Vaterland dienen, seine Freunde verpflichten; aber er will arbeiten, was, wann und wieviel ihm beliebt; er will über seine Mußestunden verfügen, nur der Notwendigkeit gehorchen, seine Freunde selbst wählen, wie seine Vergnügungen, nicht dem äußeren Zwang, sondern der inneren Stimme der Vernunft will er gehorchen, nicht aus Knechtschaft, sondern aus Egoismus will er sich opfern. Die Gemeinschaft ist der freien Ausübung unserer Fähigkeiten durchaus zuwider, wie unseren edelsten Neigungen, unseren innersten Gefühlen. Das Eigentum verletzt seinerseits die Gleichheit durch das Recht der Ausschließung und die Wahlfreiheit durch den Despotismus. Die erste Wirkung des Eigentums habe ich genügend in den drei ersten Kapiteln entwickelt: ich brauche hier nur noch zum letzten Mal seine völlige Identität mit dem Diebstahl zu erweisen. Man raubt oder stiehlt
2. allein oder in Banden; 3. durch Einbruch oder Einsteigen; 4. durch Unterschlagung; 5. durch betrügerischen Bankrott; 6. durch Fälschung von öffentlichen oder Privaturkunden; 7. durch Falschmünzerei; 8. durch Beutelschneiderei; 9. durch Prellerei; 10. Durch Mißbrauch des Zutrauens; 11. durch Spiel und Lotterie; 12. durch Wucher
14. durch den Handel, wenn der Gewinn des Handelnden den legitimen Lohn seines Geschäfts übersteigt. Die Definition des Handels ist bekannt: die Kunst, etwas um 3 Francs zu kaufen, was 6 wert ist und um 6 Francs zu verkaufen, was 3 wert ist. Man stiehlt 15. durch die Erhebung eines Gewinns von seinem Produkt, durch die Annahme einer Sinekure [Amt mit Einkünften - wp], durch Ausbedingung eines Gehalts. Die zweite Wirkung dieses Eigentums ist der Despotismus. Welche Regierungsform sollen wir vorziehen? Kann man nur so fragen, antwortet ohne Zweifel einer meiner jungen Leser, du bist Republikaner. Republikaner, ja - aber in diesem Wort liegt nichts Bestimmtes; Res publica, das öffentliche Wohl, wer dieses will, gleichgültig, unter welcher Regierungsform, kann sich Republikaner nennen; die Könige sind auch Republikaner. Nun denn, bist du Demokrat? Nein! Was? vielleicht Monarchist? Nein! Konstitutioneller? Gott bewahre! - Also Aristokrat? Keineswegs. - Dann willst du eine gemischte Regierung? Noch weniger. Was bist da dann? Ich bin Anarchist! - Das Eigentum und das Königtum gehen seit dem Beginn der Welt ihrem Untergang entgegen: wie der Mensch die Gerechtigkeit in der Klugheit sucht, so sucht die bürgerliche Gesellschaft die Ordnung in der Anarchie. - Anarchie, Entferntsein jedes Herrn, jedes Souveräns, ist die Regierungsform, welcher wir uns täglich immer mehr nähern und welche uns die eingewurzelte Gewohnheit, den Menschen zur Regel und seinen Willen zum Gesetz zu machen, als die größte Unordnung und den Ausdruck von Chaos betrachten läßt. Bestimmung der dritten Gesellschaftsform Schluß. Der Zweck der Gemeinschaft wie des Eigentums ist gut, ihre Folge ist schlecht. Und warum? Weil beide exklusiv sind und jedes von seiner Seite zwei Elemente der Gesellschaft unberücksichtigt läßt. Die Gemeinschaft vernichtet die Unabhängigkeit und die Verhältnismäßigkeit, das Eigentum die Gleichheit und das Gesetz. Errichten wir nun eine Gesellschaft auf jene vier Prinzipien: Gleichheit, Gesetz, Unabhängigkeit, Verhältnismäßigkeit, so ergibt sich:
2. daß das Gesetz, das aus der Wissenschaft der Tatsachen hervorgeht, folglich auf die Notwendigkeit selbst sich stützt, niemals die Unabhängigkeit beeinträchtigt; 3. die individuelle Unabhängigkeit oder die Autonomie der subjektiven Vernunft, welche aus der Verschiedenheit der Talente und Fähigkeiten entspringt, kann ohne Gefahr innerhalb der Grenzen des Gesetzes bestehen, 4. die Verhältnismäßigkeit, welche nur innerhalb der Sphären der Intelligenz und des Gefühls, aber nicht in der der physischen Dinge vorkommt, kann ohne Verletzung der Gerechtigkeit oder der sozialen Gleichheit beobachtet werden. Die Freiheit ist Gleichheit, weil diese nur im Gesellschaftszustand existiert und ohne Gleichheit keine Gesellschaft existiert. Die Freiheit ist Anarchie, weil sie die Herrschaft der Willkür nicht zuläßt, sondern bloße die Autorität des Gesetzes, d. h. die Notwendigkeit. Die Freiheit wird durch Erbrecht und testamentarische Sukzession nicht verletzt; sie beschränkt sich darauf, zu wachen, daß die Gleichheit nicht gefährdet wird; die Gesetze über Erbfolge, Substituten, Adoption sind von Grund auf zu reformieren. Die Freiheit ist wesentlich organisierend: um die Gleichheit unter den Menschen, das Gleichgewicht der Nationen zu gründen, müssen Ackerbau und Industrien, die Mittelpunkte der Bildung und des Handels, nach den geographischen und klimatishen Verhältnissen jedes Landes, nach der Art der Produkte, nach dem Charakter und den natürlichen Fähigkeiten der Bewohner jedes Landes usw. verteilt werden, und zwar in so gerechten, weisen und angemessenen Verhältnissen, daß nirgends ein Mangel oder Überfluß an Bevölkerung, Konsumtion und Produktion stattfindet. Hier beginnt die Wissenschaft des öffentlichen und Privatrechts, die wahre Nationalökonmie: dann können die Juristen, vom falschen Prinzip des Eigentums befreit, die neuen Gesetze auslegen und der Welt den Frieden schenken; dann werden sie durch Wissen und Talent auf keine falsche Bahn gelenkt werden, der Punkt ist ihnen gegeben, auf welchen sie sich stützen müssen. Ich habe das Werk vollendet, das ich mir vorgenommen habe, das Eigentum ist besiegt und wird nie wieder auferstehen. Überall, wo das Buch gelesen wird, wird ein Todeskeim für das Eigentum gepflanzt werden, früher oder später werden dort die Privilegien der Knechtschaft verschwinden und dem Despotismus der Willkür wird das Reich der Vernunft folgen. - Welche Sophismen, welche Vorurteile könnten noch vor der Einfachheit der folgenden Sätze standhalten?
II. Da das Okkupationsrecht für jedermann gleich ist, so ändert sich der Besitz nach der Zahl der Besitzer, das Eigentum kann sich nicht bilden. (Nun folgen einige Sätze über die Gleichheit der Arbeitslöhne usw.), dann IX. Die freie Assoziation, die Freiheit, welche sich darauf beschränkt, die Gleichheit in den Mitteln der Produktion und beim Tausch der Produkte aufrecht zu erhalten, ist die einzig mögliche, gerechte und wahre Gesellschaftsform. X. Die Politik ist die Wissenschaft der Freiheit: die Beherrschung des Menschen durch den Menschen, mag sie sich unter einer Form verbergen, unter welcher sie will, ist Unterdrückung: die höchste Vollendung findet sich in der Vereinigung von Ordnung und Anarchie. O Gott der Freiheit! Gott der Gleichheit! Gott, der du in mein Herz das Gefühl der Gerechtigkeit gelegt hast, ehem meine Vernunft sie begriffen hat, erhöre mein heißes Gebet: du bist es, der mir alles, was ich geschrieben habe, eingegeben hat; du hast meine Gedanken gebildet, meine Studien geleitet; du hast meine Seele der Neugierde, mein Herz der Zuneigung entwöhnt, daß ich deine Wahrheit vor Herren und Knechten bekenne. Ich habe gesprochen, wie du mir Stärke und Wissen dazu gegeben hast; vollende nun auch du dein Werk! Du weißt, ob ich meiner Begierde, oder deinem Preis nachstrebe, o Gott der Freiheit! Ach! wie gerne ginge ich zugrunde, wenn die Menschheit frei würde, wenn das Volk endlich von edlen Lehrern erleuchtet, von großherzigen Führern geleitet würde! - Kürze, so du kannst, die Zeit unserer Prüfung; ersticke den Hochmut und den Geiz in der Gleichheit, vernichte jene niedrige Ruhmsucht, welche uns in der Verworfenheit festhielt; lehre diese armen Kinder, daß im Busen der Freiheit weder Helden, noch große Männer wohnen. Zeige dem Mächtigen, dem Reichen den Abscheu seines Raubes, auf daß er zuerst verlangt, zurückzuerstatten, und die Schnelligkeit seiner Reue ihm allein vergibt. Dann werden sich Große und Kleine, Weise und Thoren, Reiche und Arme zu einem Bruderbund einigen - und alle werden mit neuen Hymnen deinen Altar errichten, Gott der Freiheit und der Gleichheit!
1) PROUDHON, Oeuvres compl. Bd. VI, Solution du probléme social, Seite 170 2) PROUDHON gebraucht den Ausdruck: droit d'aubaine -, also eigentlich Heimfallsrecht, d. h. das Recht des Fürsten auf die Hinterlassenschaft der verstorbenen Ausländer hier und öfters im Sinne eines Herrschafts- oder Hoheitsrechts des Eigentümers. |