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Die Logik als Aufgabe [ 3 / 4 ]
3. Die Gedanken a) Der Gedankeninhalt, die Gegenständlichkeit und ihre Stufen Der Erörterung des Daseins von Gedanken muß die Darstellung ihres Soseins folgen und damit die erste der für unsere Sonderzwecke besonders wichtigen Angelegenheiten. Die Lehre von den Gedanken arten wird uns zugleich Gelegenheit geben, das Erlebnis "Gedanke" überhaupt in gleichsam individualisierter Form an Sonderbeispielen kennen zu lernen und so eine gewisse Lücke in der bis hierher geführten Betrachtung auszufüllen. In allen Fällen ist der Gedanke ein bewußt Gehabtes, ein Gegenstand und zwar nennen wir ihn aus später ersichtlichen Gründen einen unmittelbaren Gegenstand. "Ich habe ihn". Nun kann ich, wie wir wissen, auch wieder "mich als einen Gedanken habenden" haben oder, was dasselbe heißt, den Gedanken "Ich als einen Gedanken Erlebender" haben -das ist aber auch ein "Gedanke", ein gehabter unmittelbarer Gegenstand. Was aber nicht-unmittelbare Gegenstände sind, kann erst später verständlich werden; wir sagen hier nur, daß das durch den Gedanken als Gegenstand Gemeinte oder Bedeutete "Gegenstände" höherer Stufe sind. Jeder Gedanke als Gegenstand ist ein solcher, insofern er einen bestimmten Inhalt hat. Was nun läßt sich und läßt sich überhaupt etwas über verschiedene Arten von Gedanken aufgrund ihrer verschiedenen Inhaltlichkeit aussagen? MESSER hat zuerst, in dem wichtigen § 13 seiner Experimentalstudie, der von den "Bewußtseinslagen" handelt, (1) auf dieses Problem ausdrücklich hingewiesen. BÜHLER ist ihm in seiner Lehre von den "Gedankentypen" gefolgt. Gerade hier ist es, wo sich unseres Erachtens die Ergebnisse der "Denkpsychologie", soweit sie Phänomenologie, Selbstbesinnungslehre ist, eng mit gewissen Ergebnissen der neueren Logik als der Vor-Logik, also auch der Phänomenologie angehören. Nur daß bei diesen vor-logischen Untersuchungen - ich denke vor allem an die Werke von HUSSERL und HEINRICH MAIER, aber z. B. auch an gewisse Studien LASKs - die gehabten Gegenstände in ihrer erlebten Unmittelbarkeit im Interessenzentrum stehen, während die Absicht der "denkpsychologischen" Arbeiten sich auf das Haben von Gegenständen richtet. Beidemal aber wird Phänomenologie getrieben und auch die Vor-Logik ist nicht selbst schon Logik. Wird doch in der Vor-Logik gar nichts über die Gegenstände selbst als quasi-Selbständigkeiten ausgesagt; es werden nur die gehabt sein könnenden Gegenstände ihrem Inhalt nach vorläufig klassifiziert. Das aber eben heißt auch Gedanken klassifizieren. Was HUSSERL im zweiten Band seiner "Logischen Untersuchungen" als verschiedene "Akt-Qualitäten" bezeichnet, das sind eben verschiedene Gedankentypen und gerade deshalb sind die "Akt-Qualitäten" etwas am Gegenstand, denn Gedankentypen werden aufgrund der Inhalte der Gedanken, also aufgrund des Gegenständlichen, klassifiziert, können nur aufgrund des Inhaltlichen, des Gegenständlichen klassifiziert werden. Nicht ist - vor dem Forum reiner Selbstbesinnlichkeit - der "Akt" bald von dieser, bald von jener Art als bewußtes Haben oder Erleben des Ich. Ich "habe" immer nur bewußt und nichts anderes. Aber was ich habe, das kann in sich unmittelbare grundsätzliche Verschiedenheiten zeigen, die ganz von vornherein eine rohe Klassifikation nötig machen. Dieser Gedanke ist neuerdings in ganz besonderer Schärfe von NATORP (2) herausgerarbeitet worden. In diesem Sinne kann ich auch nicht mit KÜLPE gehen, wenn er (3) einen und denselben Erlebtheitsgegenstand gleichsam auf fünf verschiedene Weise gehabt werden läßt; wenn er von verschiedenen "Bewußtseinsstufen" in Bezug auf denselben Erlebtheitsgegenstand redet. Der Begriff "Bewußtseinsstufe" und die an ihn geknüpfte Erörterung gehört schon der theoretischen Psychologie an - da sei ihr das Recht gar nicht bestritten. Aber sie ist nicht "phänomenologisch" (4); selbstbesinnlich vielmehr sind da fünf verschiedene erlebte Gegenstände, d. h. unmittelbare Gegenstände und erst die Ordnungslehre macht daraus, nach ihren Sparsamkeitsgrundsätzen, einen "Gegenstand" höherer Stufe, wobei dann aber das Wort Gegenstand etwas ganz anderes meint, als von von "unmittelbaren Gegenständen" geredet wird. Was LASKs "Lehre vom Urteil" angeht, so kann gewiß sein "Reich der Übergegensätzlichkeit" metaphysisch, d. h. mittelbar-gegenständlich gefaßt werden. Die anderen "Reiche", auf das Subjekt hin, sind aber jedenfalls nur unmittelbaren Gegenständen, d. h. Gedankenformen - denn es werden hier ja doch nicht durch Gedanken von ein und derselben Grundform verschiedene mittelbare Gegenstände als quasi Verselbständliches gemeint; das "Reich" der "wahren und falschen Sätze an sich" oder besser gesagt, in diesem "Reich" ein einzelner, sagen wir "falscher Satz an sich" hat doch nicht die "gemeinte" Selbständigkeit, die etwa "dieser mein naturwirklicher Schreibtisch" als durch einen Gedanken gemeinter mittelbarer Gegenstand hat. Wir werden alsbald Gelegenheit haben, auf diese Erwägungen des näheren zurückzukommen. Einstweilen bleiben wir noch im Bereich allgemeiner Erörterungen und rechtfertigen einen schon mehrmals ohne nähere Erklärung verwendeten Ausdruck. Es heißt, die Inhalte der Gedanken "dieser Hund", "diese Insel", "Friedrich der Große", "Frankreich" seien verschieden von den durch diese Gedanken gemeinten Naturwirklichkeiten. Das ist sicherlich richtig. Nennt man die Inhalte und die gemeinten Naturwirklichkeiten beide "Gegenstände", so handelt es sich jedenfalls um zwei ganz verschiedene Gruppen von Gegenständen, die nur das Wortzeichen gemeinsam haben. Es ist daher besser, das Wort "Gegenstand" überhaupt entweder auf das wirklich bewußt Gehabte, die "Gehabtheiten" einzuschränken, also nur die Inhalte Gegenstände zu nennen, oder, wenn man das nicht will, das Wort "Gegenstand" nie ohne Zusatz zu gebrauchen, also von Gedankeninhalten als von unmittelbaren Gegenständen und vom Naturwirklichen oder anderem "Gemeinten", als von mittelbaren Gegenständen, von Gegenständen zweiter Stufe zu reden. Naturgegenstände also sind unabhängig, jedenfalls als unabhängig "gemeint" von ihrem Gedachtwerden. Sie sind gemeint als immer dieselben Einen in ihrer Einzigkeit' - wenigstenst bis sie vergehen; von gewissen Naturgegenständen aber wird gemeint, daß sie überhaupt "nie" vergehen. Das sind die Natur-Urdinge. Und ebenso steht es, um von "Metaphyisischem" zunächst abzusehen, mit seelischen Gegenständen. das sind auch "gemeinte" Gegenstände mittelbarer Art. Sie gehören dem verselbständlichsten Quasi-Reich an, das im Wort "meine Seele" gemeint wird. (5) Auch sie, zum Beispiel eine bestimmte "determinierende Tendenz" oder "latente Einstellung" sind gemeint als immer dieselben Einen in ihrer Einzigkeit,' bis sie vergehen. Sie sind in diesem Sinne gemeint trotz ihres schattenhaften Daseins; da ist diese eine Seele und darin sind sie, in im Näheren unaussprechbarer Form. Nun aber die "mathematischen Gegenstände", die "allgemeinen Begriffe" als Gegenstände, die reinen Ordnungsbegriffe wie Beziehung, verschieden, werden. Wie steht es mit ihnen? (6) Eine heute weit verbreitete Ansicht geht dahin, auch hier von gemeinten mittelbaren Gegenständen im Gegensatz zu den sie meinenden Gedankeninhalten als unmittelbaren Gegenständen zu reden, auch hier ein Dasein unabhängig vom Gedachtwerden zu lehren, kurz einen "Begriffs-Realismus" zu verkünden, der, zumal bei BERTRAND RUSSELL, (7) vom platonisch-scholastischen recht wenig entfernt ist, ohne freilich die metaphysisch-mtythologischen Absichten der Ideenlehre sich zu eigen zu machen. Hat es aber wirklich einen klar angebbaren Sinn zu sagen, mit Rücksicht auf Gebilde wie "rechtwinklig gleichschenkliges Dreieck", "sin α.cosα", √-1 gebe es einen vom Gedachtwerden, also vom Gedankeninhalt unabhängigen mittelbaren Gegenstand? Ein wesentliches Kennzeichen der naturwirklichen und seelischen mittelbaren Gegenstände fehlt doch jedenfalls ihren angeblichen Genossen im Reich des Mathematischen, des Allgemeinen und des rein Ordnungsmäßigen, und mir scheint, daß dieses eine Kennzeichen gerade das Kennzeichen ist, aufgrund dessen naturwirkliche und seelische mittelbare Gegenstände eben als mittelbare Gegenstände "gemeint" werden: Die naturwirklichen und seelischen Gegenstände mittelbarer Art werden gemeint als jeweils diese einzigen Einen, eben wegen dieses Kennzeichens ihrer Einzigkeit in quasi-Selbständigkeit sind sie mittelbare gemeinte Gegenstände. Sie sind in der Tat gemeint als immer da, auch wenn der auf sie zielende Gedanke als unmittelbarer Gegenstand nicht von mir gehabt wird. In ihrer verselbständlichten Einzigkeit hat das Ich gleichsam den Identitätssatz nach außen geworfen und erstarren lassen, ebenso wie es später, wenn es Werden in sich folgeverknüpft sein läßt, den Satz vom zureichenden Grund nach außen wirft und erstarren läßt. Gar keine Rede nun ist von verselbständlichter Einzigkeit, von erstarrter Identität, wenn es sich um "rechtwinkliges Dreieck", um √-1 und dergleichen, ja auch, wenn es sich um Allgemeines, das heißt von Vielem Mitgesetztes, (8) handelt, um "Löwe", "Staat", "Tugend" und was immer. Das Mathematische, das Allgemeine, das rein Ordnungshafte und was sonst noch "ist" immer nur als Gegenstand, wenn es produziert, wenn es als unmittelbarer Gegenstand' gehabt, also wenn es gedacht wird. Es wird immer wieder neu produziert, als gedacht, wenn von ihm ausgesagt werden soll, - freilich versehen mit dem Zeichen der Identität (9); ganz ebenso wie der Gedanke, der unmittelbare Gegenstand, welcher einen verselbständlichten einzigen mittelbaren Gegenstand, etwa aus dem Bereich des Naturwirklichen, meint, als unmittelbarer Gegenstand immer neu produziert wird. Die Möglichkeit bald durch diese bald durch jene "Anschaulichkeit", als durch ein Zeichen, "getragen" zu werden ist es, wie mir scheint, welche vornehmlich zur Lehre vom selbständigen "Sein" der mathematischen und verwandter Gegenstände verführt hat; kann mir doch irgendein gezeichnetes oder vorgestelltes Dreieck oder das Wort "Dreieck" das Dreieck bedeuten. Aber dieser Umstand - auf den wir in dieser Schrift übrigens nicht näher eingehen wollen - ändert gar nichts daran, daß eben doch das durch den anschaulichen Träger Getragene, als der Gedankeninhalt als unmittelbarer Gegenstand, immer nur "ist", insofern er jedesmal ausdrücklich produziert wird. Es hat also, so scheint uns, keinen klaren Sinne von "Gegenständen" der Mathematik, des Allgemeinen, des rein Ordnungshaften zu reden, die etwas anderes wären als unmittelbare Gegenstände, das heißt als Gedankeninhalte. Daher fällt denn für uns bei allen Gedanken, welche nicht Naturwirkliches oder Seelisches oder Metaphysisches "meinen", der Begriff von Inhalt und Gegenstand zusammen. Und eben deshalb besteht dieses Zusammenfallen, weil eine verselbständlichte Einzigkeit hier eben nicht "gemeint" ist. Ja, wenn bei den modernen Begriffsrealisten wie bei PLATON noch metaphysisch-mythologische Absichten bestünden! Dann gewänne die Lehre vom mathematischen oder allgemeinen mittelbaren Gegenständen, die von Gedankeninhalten unabhängig sind, einen klaren Sinn. Aber diese Absichten bestehen ja, besonders deutlich bei HUSSERL, sicherlich nicht. Und gerade deshalb entbehrt die Lehre unseres Erachtens des klar angebbaren Sinnes; und es wird nichts an unserer Ansicht ändern, wenn man uns "philosophische Naivität" vorwirft. Es stimmt nun eben wirklich nicht, wenigstens nicht, wenn man die Platonische Metaphysik ablehnt, daß "logische betrachtet die sieben regelmäßigen Körper sieben Gegenstände, ebenso wie die sieben Weisen" sind. (10) Unmittelbare Gegenstände sind vielmehr die regelmäßigen Körper und die Gedankeninhalte, durch welche die sieben Weisen als naturwirkliche Gegenstände "gemeint" werden. Und wenn man das Wort "transzendent" hier einführen will, so sind die Gedankeninhalte, welche sich auf die sieben Weisen richten, in demselben Sinne transzendent, wie die regulären Körper, aber in ganz anderem Sinne als die sieben Weisen transzendent sind; die erste Art der "Transzendenz" ist nämlich nur ein Ausdruck für das Urphänomen allen Erlebens, für das Ich erlebe Etwas und hat mit Erkenntnis gar nichts zu tun, während die zweite, welche die Schöpfung des quasi-selbständigen Reiches Natur bedeutet, Erkenntnis immerhin anbahnt, der erste Schritt zur Erkenntnis ist. Doch ist für uns dieser ganze Abschnitt einstweilen nur Mittel zum Zweck; unser Zweck aber ist jetzt die Klassifikation der Gedanken aufgrund ihrer Inhalte. Nur aufgrund ihrer Inhalte, so wissen wir jetzt, können Gedanken klassifiziert werden; denn von "Akten" gibt es nur einen: das Ich habe bewußt. Wir beschäftigen uns zunächst kurz mit MESSERs Versuch, eine Klassifikation der Gedanken - seiner Bewußtseinslagen - zu gewinnen. (11) MESSER sieht klar, daß das Gedanken inhaltliche zur Gewinnung einer solchen Klassifikation herangezogen werden muß, daß also bei der Logik gleichsam eine Anleihe zu machen ist, die alsdann in phänomenologische Währung umgewechselt wird. Nachdem er auf die Schwierigkeit seines Unternehmens hingewiesen hat, führt er (Seite 180) fort:
Alsdann erkennt MESSER, daß sich zwanglos die beiden großen Gruppen der intellektuellen und der affektiven Bewußtseinslagen sondern lassen; und diese Einteilung ist ihm deshalb besonders wertvoll, weil hier "nun auch wieder ein psychologischer - [das heißt phänomenologischer] - Einteilungsgrund gewonnen" sei. Er zieht nun noch kurz BENNO ERDMANNs "unformuliertes Denken" heran und diskutiert dann das Problem der "psychischen Kausalität" mit dem für uns, mit Rücksicht auf Späteres, sehr wichtigen Ergebnis (Seite 194f), daß
Als erster Typus von Gedanken gilt ihm das Regelbewußtsein. In ihm komme (Seite 339) "etwas, was wir von logischen Gesichtspunkten aus als eine Regel bezeichnen, zu Bewußtsein" und zwar nicht derart, daß "an" eine Regel, sondern vielmehr derart, daß "in" einer Regel gedacht werde. Hierher gehört das plötzliche "Verstehen" einer mathematischen Figur, einer Maschine; hierher auch - nach den Aussagen der Versuchspersonen - etwa das Bewußtsein, daß man den Sinn eines Begriffs ohne Rücksicht auf einen bestimmten anderen bestimmen könne, ferner das gelegentlich ausgesagte "Wissen, wie man derartige Fragen löst", das Bewußtsein, "daß mathematische Formeln oft recht schlimm aussehen und doch ganz harmlose Dinge ausdrücken", "daß jede Weltanschauung, auch wenn sie die Fehler der vorangehenden gutgemacht hat, selbst wieder innere Fehler hat", "daß manche Philosophen nur durch eine gewisse Begriffsverschiebung zu ihren Sätzen kommen" usw. Mit Recht habe KANT den Verstand "das Vermögen der Regeln" genannt. Gerade an dieser Stelle, im Anschluß an die Mitteilung einiger ausgeführter Beispiele von "Gedanken", scheint mir nun der Ort für eine wichtige Betrachtung allgemeiner Art zu sein, für eine Betrachtung, die zugleich für alles früher Gesagte und noch später zu Sagende Gültigkeit und Bedeutung besitzt: In allen Versuchen zur "Denkpsychologie" geben, wie wir wissen, die Versuchspersonen ihre Erlebnisse nach Beendigung eines Versuches aus der Erinnerung zu Protokoll. Dabei bedienen sie sich naturgemäß der Worte. Dieses In-Worten-ausdrücken-wollen, ja, ausdrücken-müssen trägt aber einen durchaus erlebnisfremden Zug in die Protokolle hinein, einen Zug, der, wenn der Leser der Protokolle ihn nachträglich wieder bewußt ausmerzt, geradezu einen Fehler in das, worauf es vornehmlich ankommt, hineintragen kann. Der Worte, die einen Gedanken darstellen, sind viele, der Gedanke als Erlebnis aber war einer. Die protokollierende Versuchsperson hat also das Eine in eine Vielheit umzusetzen, der Protokollleser hat die Vielheit in eine Einheit zurückzuübertragen. Wer sich dessen nicht in größter Schärfe bewußt bleibt, bekommt vom eigentlich Phänomenologischen ein ganz falsches Bild. Die Regelhaftigkeit als Erlebnis also ist ein, freilich nur mit meist recht vielen Worten weiderzugebender, Erlebnisakt und dasselbe gilt von fast allen anderen Gedanken. Gerade mit Rücksicht auf das oben genannte Erlebnis, "daß jede Weltanschauung, auch wenn sie die Fehler der vorangehenden gutgemacht hat, selbst wieder innere Fehler hat," fügt im BÜHLERschen Protokoll die Versuchsperson ausdrücklich bei: "Was ich so auseinanderlege, war in einem Akt enthalten;" und so ist es in allen Fällen. Der zweite der von BÜHLER aufgestellten Gedankentypen ist das Beziehungsbewußtsein; es ist zugleich der Verknüpfer verschiedener Gedanken und kommt in den von BÜHLER in einer gesonderten Untersuchung (16) behandelten "Zwischengedanken" zu besonders ausgeprägter Bedeutung. Die Gedanken-erinnerung (17) ist ein besonders geeignetes Mittel, reine Beziehungserlebnisse aufzufinden. Es bleiben nämlich von zusammengesetzten Gedanken schließlich nur allgemeine Beziehungsschemen im Gedächtnis; so, z. B.: "es handelt sich um ein entweder - oder", der Gedanke enthielt "eine Konsequenz", "einen Gegensatz", "zwei koordinierte Begriffe" und dergleichen mehr. Im Bereich der Zwischengedanken- erlebnisse insonderheit sind Zwischenerlebnis- beziehungen von Zwischengegenstands- beziehungen zu sondern; bei jenen wird eine Beziehung zur Aufgabe, ein zu ihr Passen, auf sie Gerichtetsein etwa, erlebt, in diesen eine Beziehung zwischen den Inhalten der erlebten, auf eine Aufgabe gemeinsam gerichteten, Gedanken selbst. In besonderer Breite behandelt BÜHLER den dritten seiner Gedankentypen, die Intentionen, die rein signitiven Akte im Sinne HUSSERLs, in denen (18) "das Meinen selbst, nicht das, was gemeint wird, in den Vordergrund tritt". Die Gedanken sind "fertig" und werden eben "bloß noch gemeint". "Das Bewußtsein enthält eben fast nichts als eine Beziehung auf ein sonstwie schon Bestimmtes." Freilich müssen die Gedanken auch hier eine "Wasbestimmung" haben - wir würden sagen: sie müssen diese solchen sein -, aber, ganz abgesehen davon, daß diese Wasbestimmung nicht durch Vorstellungen gegeben zu sein braucht, viel wichtiger ist der Umstand, daß sie (Seite 357f) "Platzbestimmtheiten innerhalb einer bewußten Ordnung sind", der "psychischen Gegenstandsordnung". Ein Protokoll für viele: "Ich dachte an die antike Skepsis (Wort Skepsis innerlich gesprochen), darin war vieles eingeschlossen; ich hatte momentan förmlich die ganze Entwicklung in drei Perioden präsent." Ebenso kann etwa das System des LEIBNIZ, das kritische Werk KANTs gleichsam mit einem geistigen Blick überschaut werden. Wir versagen uns eine eingehende kritische Analyse der BÜHLERschen "Gedankentypen" einer-, weitere Beispiele andererseits; das eine, weil wir nun überhaupt dazu übergehen wollen, unsererseits in eigener Terminologie das Erlebnis Gedanke zu zerlegen und die in es eingehenden Letztheiten zu klassifizieren, das andere, weil unsere Darstellung des Nachdenkens implizit noch viele einzelne Beispiele von Gedanken enthalten wird. Bestandteile des Gedankens Wir werfen jetzt die Frage auf: Welche Erlebnisse letzter, das heißt nicht weiter zerlegbarer Art setzen das Erlebnis "Gedanke" zusammen? Wir gehen dabei nicht in Einzelheiten, sondern beschränken uns auf die Ermittlung dessen, was man die verschiedenen Klassen oder Typen nicht weiter zerlegbarer Erlebtheiten nennen könnte. Sonst nämlich müßten wir hier eine vom Erlebnis-Standpunkt aus gesehene Ordnungslehre schreiben; denn wir wissen ja, daß Erlebnisverschiedenheiten stets auf Verschiedenheiten der Inhalte des Erlebens beruhen, die allerletzten Inhaltsverschiedenheiten oder besser Inhaltsbesonderheiten aber werden durch die Elementarsetzungen der Logik dargestellt. Es bleibt für uns also bei Erlebnisverschiedenheiten, die so recht in ihrem unmittelbaren Erlebt- werden eine sozusagen verschiedene Tönung haben. Genera, so können wir wohl auch sagen, aber nicht Spezies gehen uns an. Ich stelle zunächst das Ergebnis dar, das mir die selbstbesinnliche Zerlegung des Erlebnisses Gedanke geliefert hat, um alsdann jedes einzelne Erlebnisgenuß des näheren zu erläutern und bei dieser Gelegenheit zu zeigen, daß die gewonnenen Resultate mit den Ergebnissen der Experimentaluntersuchungen in Sachen der "Denkpsychologie" in völliger Harmonie stehen. Im Erlebnis Gedanke werden erlebt:
2. Gefühlstöne; 3. Bedeutungen oder Zeichen Wir haben keine Veranlassung, uns mit den Sachheiten des näheren einzulassen. Ebensowenig brauchen wir den Gefühlstönen eine eingehendere Erörterung zu widmen; insonderheit ist es für unsere Zwecke gleichgültig, ob eine ganze Reihe letzter Gefühlstäne unterschieden werden oder ob, wie heutzutage meist, Lust und Unlust die einzigen Gefühlsarten als eigentliche Gefühls arten sind, so daß die verschiedenen Gefühlsformen des täglichen Lebens nur aus dem innigen Vereintsein von Lust oder Unlust mit verschiedenen Sachheiten und Zeichen zustande kommen. Von Bedeutung ist uns nur , in Schärfe daran festzuhalten, daß die Gefühle auch durchaus ein vom Ich Gehabtes, wenn auch in sogenannter "Zuständlichkeit" Gehabtes, aber keine Zustände "des Ich" sind; die Sprache bringt das in Wendungen wie "Ich habe Furcht" , "j'ai peur", "ho paura" gelegentlich gut zum Ausdruck. Übrigens bezeichnet sogar schon im Ausdruck "in Zuständlichkeit Gehabtes" das Wort Zuständlichkeit eigentlich einen theoretischen Füllbegriff, steht also nur als kurze, wohl verständliche, Bezeichnung für einen recht verwickelten phänomenologischen Sachverhalt; denn Erlebnisse sind im Jetzt und sind unbezogen auf Zeitverläufe. Ich also erlebe Gefühltstöne und zwar immer mit etwas anderem verbunden, also in Gedanken. Unsere eigentliche Untersuchung gilt den Bedeutungen oder Zeichen, welche in Gedanken eingehen und zwar wollen wir allem weiteren zunächst das Ergebnis eines weiter ins Einzelne - aber nicht ins Letzte, nicht, wie schon gesagt, bis zu den Spezies - dringenden Einteilungsversuches der Bedeutungs-Erlebnisse vorausschicken. Erlebte Bedeutungen oder Zeichen zerfallen in:
b) Erledigungszeichen; c) Zeitzeichen; d) Erlebtheitskreis-Zeichen. ![]()
1) AUGUST MESSER, Archiv für die gesamte Psychologie VIII, 1906, Seite 175 2) PAUL NATOROP, Allgemeine Psychologie I, Tübingen 1912. Angedeutet war der gleiche Standpunkt bereits in NATORPs "Einleitung in die Psychologie", z. B. Seite 11f. - Über die in dem Ich habe ausgedrückte Beziehung läßt sich, nach NATORP, "gar nichts weiter aussagen", ja, das "Bewußsein" läßt sich sogar im eigentlichen Sinne "so wenig wie dem Begriff Beziehung etwa dem Begriff Tatsache oder Existenz als Spezialfall unterordnen" (Seite 28f). Auch sei das Ich nicht "sich selber Gegenstand", "man hat schon aufgehört es als Ich zu denken, indem man es als Gegenstand denkt" (Seite 31; hierzu DRIESCH, Ordnungslehre Seite 38, wo gesagt ist, daß es als Begriff nur einen Mich- Begriff gebe). - Übrigens gibt auch HUSSERL in einer Polemik gegen ältere Äußerungen NATORPs ausdrücklich zu (Logische Untersuchungen II, Seite 165), man könne "auch sagen, aller Unterschied des Vorstellens liege im Vorgestellten" (hierzu meine Ordnungslehre, Seite 86). - Man vergleiche bei NATORP noch besonders Seite 43, 47, 50, 230; ebenso vergleiche man die auf Seite 296f seines Werkes genannten sinnesverwandten Stellen in MÜNSTERBERGs "Grundzüge der Psychologie I". - Stimme ich hier fast vollkommen mit NATORP überein und ebenso bezüglich der Ablehnung erlebter Tätigkeit (a. a. O. Seite 40f), ja bezüglich des Zeit problems überhaupt (a. a. O. Seite 50, 58, 257f), so kann ich zu meinem Bedauern seine völlige Ablehnung der Psychologie als selbständiger Werdewissenschaft und deren Ersetzung durch Nervenphysiologie ganz und gar nicht zustimmen. Es gibt, meine ich, Phänomenologie, welche aus Inhalten, um mit NATORP zu reden, "rekonstruiert" werden, aber es gibt auch echte Psychologie. Es ist durchaus nicht einzusehen, daß, wie NATORP meint, mit der Zeit zugleich der Raum eingeführt werden müsse und ebensowenig, daß selbständige psychologische Werde- und Vermögensbegriffe unerlaubt seien. NATORP selbst sagt einmal (Seite 232), der Begriff Potenz sei "der eigentlich systembildende Begriff der Psychologie" - aber er wendet diesen Begriff nicht an. 3) OSWALD KÜLPE, Die Realisierung I, 1912, Seite 56f 4) Ähnlich NATORP, Allgemeine Psychologie I, Seite 48 5) Siehe oben und meine Ordnungslehre, Seite 317f 6) KÜLPE redet hier allgemein von "idealen Gegenständen", will aber davon die "Begriffe" als gleichsam praktische Handhaben noch scheiden, freilich eine "enge Verwandtschaft" derselben zu den "idealen Objekten" zugebend; vgl. "Realisierung" I (1912), besonders Seite 17f und 225f. 7) BERTRAND RUSSELL, The problems of philosophy, London 8) DRIESCH, Ordnungslehre, Seite 54 9) Hierzu meine Erörterungen über Klasse und Einzigkeit im allgemeinsten Sinne des Wortes; Ordnungslehre, Seite 55f 10) EDMUND HUSSERL, Logische Untersuchungen II, Seite 101. (Bezüglich der "sieben" regulären Körper liegt wohl ein Schreibfehler vor, was selbstredend nichts zur Sache tut.) 11) AUGUST MESSER, Archiv für die gesamte Psychologie VIII, 1906, Seite 1. MESSERs "Bewußtseinslagen" sind Bewußtheiten im Sinne ACHs; jedenfalls gibt MESSER selbst doch eine "nähere Charakterisierung" von ihnen. 12) Dieser letzte Satz ist weniger Zitat als Interpretation meinerseits; er scheint mir aber das, was MESSER meint, gut zu treffen. 13) Man vergleiche bei LIPPS außer den von MESSER (Seite 193, 195) zitierten Stellen namentlich auch Leitfaden der Psychologie (3. Auflage), Seite 40 - 47. 14) Archiv für die gesamte Psychologie IX, 1907, Seite 297 und XII, 1908, Seite 1 15) Archiv für die usw. IX, 1907, Seite 334f 16) Archiv für die usw. XII, Seite 1 17) Archiv für die usw. XII, Seite 24 18) Archiv für die usw. IX, Seite 346f |