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Das Komische
Was uns entschuldigt, wenn wir unsererseits an dieses Problem herantreten, daß es uns fern liegt, das Wesen des Komischen in eine Definition zu zwängen. Wir sehen in ihm vor allem etwas Lebendiges. Wir werden es, sei es auch noch so unwichtig, stets mit der Achtung behandeln, die man etwas Lebendigem schuldet. Es soll uns genug sein zu sehen, wie es wächst und sich entfaltet. Es wird vor unseren Augen aus einer Gestalt in die andere durchmachen. Nichts von dem, was wir sehen, soll uns zu unbedeutend sein. Möglich, daß wir bei so einem ständigen Kontakt sogar etwas Geschmeidigeres, Fruchtbareres gewinnen als eine abstrakte Definition, eine Kenntnis praktischer und intimer Natur, wie diejenige zu sein pflegt, die aus einem langen und vertrauten Umgang entspringt. Und vielleicht finden wir gar, daß wir, ohne es zu wollen, auch eine nützliche Erkenntnis gewonnen haben. Denn in seiner Weise vernünftig selbst unter den närrischsten Formen, methodisch in seiner Regelwidrigkeit (einem Traum gleichend, aber einem Traum, der Gesichte [Visionen - wp] hat, die sofort von einer ganzen Reihe Menschen erfaßt und begriffen werden): wie sollte das Komische uns nicht über die Arbeitsweise der menschlichen Phantasie, vor allem der sozialen, kollektiven, der Phantasie des Volkes reiche Aufschlüsse geben? Wie sollte es, Kind des wirklichen Lebens und der Kunst nahe verwandt, nicht auch sein Wort zu sagen haben über Kunst und Leben? Wir geben zunächst drei Beobachtungen, die wir für grundlegend halten, sie beziehen sich weniger auf das Komische ansich als auf die Umgebung, in der es auftritt. Der erste Punkt, auf den ich die Aufmerksamkeit lenken möchte, ist: Es gibt eine Komik in der menschlichen Sphäre. Eine Landschaft kann schön, lieblich, erhaben, langweilig oder häßlich sein; nie wird sie lächerlich erscheinen. Man lacht wohl über ein Tier, aber nur, weil man eine menschliche Gebärde oder einen menschlichen Ausdruck an ihm entdeckt hat. Man lacht über einen Hut; allein worüber man lacht, ist nicht das Stück Filz oder Stroh, sondern die Form, die diesem die Menschen gegeben haben, der schnurrige Einfall, den wir in dieser Form verkörpert sehen. Ich frage mich, warum denn eine so wichtige Form verkörpert sehen. Ich frage mich, warum denn eine so wichtige und dabei so einfache Sache die Aufmerksamkeit der Philosophen nicht mehr auf sich gezogen hat. Manche haben den Menschen als Tier definiert, das lacht. Sie hätten ihn aber auch ein Tier nennen können, das lachen macht, denn wenn das ein anderes lebendes Wesen oder ein toter Gegenstand tut, so geschieht das nur aufgrund irgendeiner Ähnlichkeit mit dem Menschen, aufgrund irgendeines Zuges an ihm, der vom Menschen herrührt oder aufgrund des Gebrauchs, den der Mensch von ihm macht. Als eine nicht weniger merkwürdige Eigenschaft des Komischen möchte ich zweitens die Gefühllosigkeit betonen, die gewöhnlich dem Lachen zur Seite geht. Das Komische scheint seine durchschlagende Wirkung nur äußern zu können, wenn es eine völlig unbewegte, ausgeglichene Seelenoberfläche vorfindet. Seelische Kälte ist sein wahres Element. Das Lachen hat keinen größeren Fein als jede Art von Erregung. Ich will nicht sagen, wir könnten über einen Menschen, der uns etwa Mitleid oder gar Liebe einflößt, nicht trotzdem lachen: allein dann muß man für einen Augenblick diese Liebe vergessen, dieses Mitleid unterdrücken. In einer Welt von reinen Verstandesmenschen würde man wahrscheinlich nicht mehr weinen, wohl aber noch lachen; wohingegen ewig sensible, auf Harmonie mit dem Leben abgestimmte Seelen, in deren Herzen jeder Ton, jedes Ereignis in gefühlvoller Resonanz nachklingt, das Lachen sowenig kennen wie begreifen würden. Man versuche nur einmal, an allem, was man hört und sieht, innerlichst Anteil zu nehmen, man denke sich mit den Tätigen tätig, mit den Fühlenden fühlend, man gebe seiner Sympathie die weiteste Ausdehnung: wie unter einem Zauberstab werden die leichtesten Gegenstände schwer werden, und ein Schatten wird über die Dinge gleiten. Und dann löse man sich innerlich los und stehe dem Leben als unbeteiligter Zuschauer gegenüber, und die meisten Trauerspiele werden zur Komödie. So brauchen wir einen Salon, wo man tanzt, nur die Ohren gegen die Musik zu verschließen, und die Tänzer erscheinen und lächerlich. Wieviele menschliche Handlungen möchten wohl eine solche Prüfung bestehen? Und würden nicht viele, sowie wir nur die Gefühlsmusik, die sie begleitet, zum Schweigen bringen, ihr ernsthaftes Gesicht ablegen und zum Scherz übergehen? Kurz, das Komische setzt, soll es voll wirken, etwas wie eine zeitweilige Anästhesie des Herzens voraus, es wendet sich an den reinen Intellekt. Aber dieser Intellekt muß immer mit fremden Intellekten kommunizieren. Das ist das dritte, worauf ich die Aufmerksamkeit lenken möchte. Man würde für das Komische kein Organ haben, wenn man allein stünde. Das Lachen bedarf offenbar des Echos. Man höre nur genau hin: es ist kein artikulierter, scharfer, deutlich begrenzter Laut; sondern etwas, was, indem es überall widerhallt, immer weiter gehen möchte, etwas, was wie mit einer Explosion einsetzt, um dann, dem Donner in den Bergen gleich, langsam weiter zu rollen. Jedoch braucht dieser Widerhall nicht ins Unendliche zu gehen. Der Kreis, in dem er herumgeht, kann groß oder klein sein; immer ist er geschlossen. Unser Lachen ist stets das Lahen einer Gruppe. Jeder hat wohl schon, wenn er im Zug oder an der Table d'hôte [Speisekarte - wp] saß, die andern einander Geschichten erzählen hören, die entschieden komisch sein mußten, da jene von ganzem Herzen über sie lachten. Man hätte mitgelacht, hätte man zu ihrer Gesellschaft gehört. So aber verspürte man dazu nicht den geringsten Anreiz. Einer, den man fragte, warum er bei einer Predigt, wo alles Tränen vergoß, nicht auch weinte, erklärte: Ich bin nicht aus dem Kirchspiel. Was dieser Mann vom Weinen hielt, trifft noch mehr vom Lachen zu. Das freieste Lachen setzt immer ein Gefühl der Gemeinsamkeit, fast möchte ich sagen, der Hehlerschaft mit anderen Lachern, wirklichen oder nur vorgestellten, voraus. Wie oft hat man nicht darauf hingewiesen, daß man im Theater umso lauter lacht, je voller der Saal ist. Wie oft hat man nicht auch bemerkt, daß viele Witze in andere Sprachen unübertragbar sind, weil sie sich eng auf Sitten und Ideen einer ganz bestimmten Gesellschaft beziehen. Weil man die Wichtigkeit dieser Tatsache nicht genug gewürdigt hat, hat man das Komische als eine bloße Kuriosität, als eine amüsante, aber müßige, wissenschaftlicher Behandlung unwürdige Frage abtun und im Lachen selbst nichts als ein unerklärliches Phänomen sehen wollen, das außer allem Zusammenhang mit unseren übrigen Lebensäußerungen steht. Daher jene Definitionen, die aus dem Komischen eine vom Subjekt vollzogene Relation einzelner Vorstellungen machen und logischer Kontrast, intuitive Absurdität oder ähnlich lauten, Definitionen, die gesetzt sie paßten wirklich auf alle Arten des Komischen, nicht das Mindeste darüber aussagen würden, warum das Komische uns zum Lachen bringt. Woher käme es denn, daß nur gerade diese bestimmte logische Relation, so oft sie wahrgenommen wird, unseren Körper packt, krümmt, schüttelt und daß sonst alle ihn in Ruhe lassen? Von dieser Seite kommen wir also dem Problem nicht näher. Das Lachen wird nur verständlich, wenn man es in seinem eigentlichen Element, d. h. in der menschlichen Gesellschaft, beläßt und vor allem seine praktische Funktion, seine soziale Funktion, zu bestimmen sucht. Diese also wird, können wir jetzt sagen, die leitende Idee unserer Untersuchung sein. Das Lachen wir eine gewisse Aufgabe im Leben der Gemeinschaft haben, wird eine soziale Note tragen müssen. Sagen wir kurz, worauf demnach unsere drei vorläufigen Beobachtungen hinauslaufen. Das Komische entsteht, scheint es, wenn eine Anzahl als Gruppe zusammengehöriger Menschen ihre Aufmerksamkeit alle auf einen lenken, ihr Gefühl beiseite schieben und lediglich ihren Intellekt spielen lassen. Worauf aber haben sie ihre Aufmerksamkeit zu lenken? Worauf hat sich der Intellekt zu richten? Diese Fragen beantworten heißt dem Problem schon näher kommen. Da werden aber ein paar Beispiele unerläßlich. Ein mann, der über die Straße gelaufen kommt, stolpert und fällt hin: die Vorübergehenden lachen. Sie würden nicht lachen, denke ich mir, wenn sie sich vorstellen könnten, er sei plötzlich auf den Gedanken gekommen, sich auf den Boden zu setzen. Sie lachen darüber, daß er sich unfreiwillig gesetzt hat. Also nicht sein jäher Stellungswechsel bringt uns zum Lachen, sondern das Unfreiwillige dieses Stellungswechsels, seine Ungeschicklichkeit. Vielleicht lag ein Stein im Weg. Dann hätte er seinen Lauf ändern und das Hindernis vermeiden müssen. Aber aus mangelnder Gelenkigkeit, Zerstreutheit oder Widerspenstigkeit des Körpers haben nach dem Gesetz der Trägheit die Muskeln ihre frühere Bewegungstätigkeit fortgesetzt, während die veränderten Umstände es anders geboten haben. Darum ist er gefallen, und darüber lachen die andern. Ein anderer erledigt seine kleinen Geschäfte mit mathematischer Pünktlichkeit. Allein eines Tages hat sich ein Witzbold einen schlechten Spaß mit ihm erlaubt, so daß alles um ihn herum wie verhext ist. Er taucht seine Feder ins Tintenfaß und zieht Schlamm heraus, er glaubt sich auf einen festen Stuhl zu setzen und fällt rücklings zu Boden, kurz, er handelt sinnlos, wie eine Maschine, die leer läuft, immer gemäßt dem Prinzip der Trägheit. Die Gewohnheit gab ihm den Anstoß zu seiner Bewegung. Er hätte sie abbrechen oder doch irgendwie umbiegen müssen. Aber nichts davon geschah, mechanisch ist sie in gerader Linie fortgesetzt worden. Das Opfer eines Budenzaubers ist also in einer ähnlichen Lage wie der, der läuft und hinfällt. Beide sind in ganz demselben Sinn komisch. Was am einen wie am andern lächerlich ist, ist eine gewisse mechanische Starrheit, da wo wir geistige Rührigkeit und Gelenkigkeit fordern. Zwischen beiden Fällen ist nur der Unterschied, daß der erste von selber kommt, während der zweite künstlich in die Wege geleitet wird. Die Vorübergehenden sahen lediglich zu; der Witzbold im zweiten Fall experimentierte. In beiden Fällen aber war es etwas rein Äußerliches, was komisch wirkte. Das Komische war also akzessorischer [hinzutretender - wp] Natur. Es blieb sozusagen auf der Oberfläche. Soll es tiefer sitzen, so muß die mechanische Starrheit, um aktuell zu werden, nicht erst eines äußeren Widerstandes bedürfen, den der Zufall der Sachlage oder die Böswilligkeit der Menschen ihr in den Weg stellten. Sie muß aus sich selbst heraus auf rein natürliche Weise die ununterbrochen fortwirkende Möglichkeit haben, sich nach außen zu manifestiern. Also denken wir uns einen Menschen, der mit seinen Gedanken nie bei dem ist, was er tut, weil er stets an das denkt, was er getan hat, wie eine Begleitung, die immer hinter der Melodie zurückbleibt. Denken wir uns eine gewisse angeborene Ungelenkigkeit der Sinne und des Geistes, derzufolge man noch sieht, was nicht mehr zu sehen ist, hört, was nicht mehr klingt, sagt, was nicht mehr paßt, kurz sich nach einer vergangenen, bloß noch eingebildeten Situation richtet, wo man sich dem, was augenblicklich wirklich ist, anzupassen hätte. Jetzt wird das Komische in der Person selbst liegen: sie ist es, die alles beibringt: Inhalt und Form, Ursache und Gelegenheit. Ist es da noch erstaunlich, daß die Figur des Zerstreuten (denn von keiner anderen ist die Rede) immer wieder die Lustspieldichter gereizt hat? Als La BRUYÉRE auf diesen Charakter stieß, fand er bei näherem Zusehen, daß er da ein Rezept in der Hand hielt, mit dem eine ganze Reihe komischer Wirkungen auf einmal hervorzubringen waren. Er trieb Mißbrauch damit. Es ist keine längere und detailliertere Schilderung möglich als die des MÉNALQUE, auf den er immer wieder zurückkommt und auf den er unverhältnismäßig viel Gewicht legt. Das Bequeme des Gegenstandes ließ ihn nicht los. Denn mag man auch mit der Zerstreutheit gewiß noch nicht an der Quelle des Komischen selbst sein, so befindet man sich doch mit solchen Geschehnissen und Bildern recht in einem Strom, der direkt aus der Quelle des Komischen fließt; sieht sich auf einem der größeren natürlichen Abhänge des Lachens. Die Zerstreutheit als solche wieder kann auf uns verschieden stark wirken. Es gibt ein allgemeines Gesetz, von dem wir eben eine erste Anwendung gemacht haben und das wir so formulieren werden: ein beliebiger komischer Effekt, der aus einer beliebigen Ursache herrührt, ist für uns umso komischer, je natürlicher uns dieser sein Ursprung erscheint. Wir lachen schon über einen Fall von Zerstreutheit, den man uns als bloße Tatsache erzählt. Weit lächerlicher erscheint er uns, wenn wir ihn mit eigenen Augen haben entstehen und um sich greifen sehen, seinen Ursprung kennen und uns seine Geschichte rekonstruieren können. Denken wir uns, um einen bestimmten Fall zu nehmen, jemand liest mit Passion Liebes- und Ritterromane. Ganz eingenommen von seinen Helden, verliert er nach und nach all sein Denken und Wollen an sie. Wie ein Nachtwandler geht er durch die Welt: seine Handlungen sind Zerstreutheiten. Aber alle seine Zerstreutheiten führen auf eine nachweisbare Ursache zurück. Sein Geist ist nicht bloß abwesend, sondern zugleich anwesend in einem sehr bestimmten, wenn auch imaginären Reich. Hinfallen bleibt Hinfallen; aber es ist ein anderes, in einen Teich fallen, weil man nicht aufgepaßt, ein anderes, hineinfallen, weil man nach einem Stern geguckt hat, - wie Don Quichotte. Wie tief liegt die Komik eines solchen romantisch-grotesken Gemüts! Und doch, führt man den Oberbegriff der Zerstreutheit wieder als Bindeglied ein, so wird man gewahr, wie verwandt diese Fälle wirklich innerer Komik jenen früheren einer mehr oberflächlichen, äußeren sind. Diese verträumten, überspannten Geister, diese in ihrer Weise klugen Narren, wir lachen über sie, weil sie dieselben Saiten in uns berühren, dasselbe innere Triebwerk in Gang setzen wie jenes Opfer eines Schabernacks oder der Mann, der mitten auf der Straße hinfällt. Auch sie sind Läufer, die hinfallen, große Kinder, die man zum Narren hält, Sterngucker, die über Realitäten stolpern, sorglose Träumer, denen das Leben schadenfroh ein Bein stellt. Aber in erster Linie sind sie große Zerstreute, die vor den gewöhnlichen Zerstreuten voraus haben, daß ihre Zerstreutheit Methode hat, um eine Zentralidee schwingt - auch, daß ihre Torheiten samt und sonders an jener unerbittlichen Logik scheitern, nach der das Leben verfährt, wenn es Träume zerstört, und daß sie so durch Wirkungen, die sich unbegrenzt steigern, in ihrer Umgebung ein ständiges Lachen hervorrufen. Gehen wir jetzt einen Schritt weiter. Was auf intellektuellem Gebiet fixe Ideen sind, entsprechen dem nicht gewisse Mängel auf einem moralischen? Sei das Laster nun ein Charakterfehler oder Willensschwäche, jedenfalls ist es sehr oft eine Art Seelenlähmung. Ohne Frage gibt es welche, in die die Seele mit allen Kräften, die sie in sich birgt, restlos eingeht und die, von ihrem Odem belebt, immer neue Formen finden und von Frevel zu Frevel fortgewirbelt werden. Das sind die tragischen Laster. Die aber, die uns, wenn sie uns anhaften, lächerlich machen, gehören im Gegenteil nur äußerlich zu unserem Wesen, sind wie ein fertiger Rahmen, in den wir uns einfügen. Sie übertragen ihre Starrheit auf uns, statt daß auf sie unsere Lebendigkeit übergeht. Wir vervielseitigen sie nicht, im Gegenteil, sie vereinseitigen uns. Hier scheint mir recht eigentlich der eigentliche Unterschied von Komödie und Tragödie zu liegen. Wenn im Trauerspiel Leidenschaften und Laster, die eigene Namen haben, auf der Bühne erscheinen, so werden sie doch so durchaus im Träger der Handlung verkörpert, daß ihre eigenen Namen fast verschwinden, der allgemeine Begriff verblaßt und wir überhaupt nicht mehr an sie denken, sondern nur noch an die Person, in der sie wirken; darum kann der Titel eines Trauerspiels kein anderer sein als ein Eigenname. Umgekehrt tragen viele Komödien einen Gattungsnamen: der Geizhals, der Spieler usw. Wenn ich jemanden auffordere, sich ein Stück vorzustellen, das, sagen wir, der Eifersüchtige heißen könnte, so wird ihm sofort Sganarelle einfallen oder George Dandin, nicht aber Othello; der Eifersüchtige kann nur Titel einer Komödie sein. Das komische Gebrechen mag so innig wie nur denkbar mit den Personen verbinden; es behält trotzdem seine unabhängige und ungeteilte Existenz; es bleibt die unsichtbare, aber immer gegenwärtige Hauptfigur, von der die Personen von Fleisch und Blut auf der Bühne abhängen. Bisweilen beliebt es ihm, sie vom festen Boden zu heben und mit ihnen einen Abhang hinunterzurollen, öfter aber wird es auf ihnen spielen wie auf einem Instrument, oder es wird sie laufen lassen wie Marionetten. Man sehe genau hin, und man wird sehen, daß die Kunst des Komödiendichters die ist, uns so genau mit einem bestimmten Laster bekannt zu machen, uns bis zu einem solchen Grad an Vertrautheit mit ihm zu führen, daß wir Zuschauer schließlich die Hauptdrähte überschauen, auf denen es spielt, und das Spiel selbst in die Hand zu nehmen. Ein großer Teil unseres Vergnügens schreibt sich daher. Also auch hier ist das lachenerregende Moment eine Art Automatismus. Und zwar ein Automatismus, der der einfachen Zerstreutheit sehr verwandt ist. Um sich davon zu überzeugen, wird es genügen, daran zu denken, daß eine komische Person im allgemeinen im selben Verhältnis komisch ist, als sie nichts von ihrer Eigenschaft weiß. Das Komische ist unbewußt. Als ob es ein Gegenstück zum Ring des Gyges [einfacher Hirte steigt mit magischem Ring zum lydischen König auf - wp] wäre, sichtbar allen andern, sich selber unsichtbar. Eine Person im Trauerspiel würde ihr Betragen nicht ändern, wenn sie erführe, wie wir urteilen; sie bleibt, wie sie ist, auch bei klarem Bewußtsein davon, wie sie ist, ja, im vollen Gefühl des Schreckens, den sie uns einjagt. Einen lächerlichen Fehler aber sucht sie, sobald sie ihn merkt, abzulegen, zumindest äußerlich. Wenn Harpagon uns über seinen Geiz lachen sähe, so würde er ihn, wenn nicht ablegen, so doch weniger offen oder auf andere Weise zeigen. In diesem besonderen Sinn kann man also jetzt sagen, daß das Lachen die Sitten geißelt. Es bewirkt, daß wir sofort suchen zu scheinen, was wir sein sollen und was wir ohne Zweifel eines Tages wirklich sein werden. Ich will diese Untersuchung für jetzt nicht weiter treiben. Von dem, der läuft und hinfällt, zum Harmlosen, den man zum Narren hält, vom Schabernack der Zerstreutheit, von der Zerstreutheit zur Überspanntheit, von der Überspanntheit zu den verschiedenen Auswüchsen des Willens und Charakters haben wir verfolgt, wie das Komische immer mehr mit der Person selbst verschmilzt, ohne doch selbst in seinen sublimiertesten Erscheinungsformen aufzuhören, uns immer wieder an das zu gemahnen, was uns bei jenen massiveren Beispielen auffiel: daß es eine Folge des ihm zugrunde liegenden Automatischen oder Starren ist. Wir können jetzt aus genügender Ferne eine erste, gewiß noch vage und unbestimmte Übersicht über die lächerliche Seite der menschlichen Natur und die formale Funktion des Lachens halten. Was Leben und Gesellschaft von jedem von uns verlangen, ist einmal eine beständig gespannte Aufmerksamkeit, die die Umrisse einer jeden Situation augenblicklich erfaßt, und dann eine gewisse Geschmeidigkeit des Körpers und des Geistes, die uns instand setzt, uns ihr anzupassen. Spannung und Geschmeidigkeit, das sind zwei einander ergänzende Kräfte, die das Leben spielen läßt. Fehlen sie dem Körper, so stellen sich Zufälle jeder Art ein, Schwächen, Krankheit. Fehlen sie dem Verstand, dann gibt es alle Grade geistiger Armut, alle Arten der Torheit. Und fehlen sie dem Charakter, so haben wir die schweren Fälle mangelnder Anpassung an das Leben der Gemeinschaft, Quellen des Elends, oft des Verbrechens. Diejenigen Unvollkommenheiten, die den Ernst des Lebens tangieren, ein für allemal ausgeschieden (und sie haben von selbst die Tendenz, sich im Kampf ums Dasein zu eliminieren), so kann der Mensch leben und kann mit anderen Menschen in Gemeinschaft leben. Aber die Gesellschaft verlangt mehr. Es genügt ihr nicht zu leben, sie will gut leben. Und muß doch fürchten, daß jeder von uns sich begnügt, auf die allgemeinen Grundzüge des Lebens zu achten, und sich im Übrigen ganz dem gemächlichen Automatismus angenommener Gewohnheiten überläßt. Und muß ferner fürchten, daß die Glieder, aus denen sie besteht, anstatt ihre gegenseitigen Willensrichtungen immer feiner auszubalanzieren, bis sie immer genauer eine in die andere passen, genug zu tun glauben, wenn sie die unumgänglichsten Bedingungen dieses Gleichgewichts in Ehren halten: ihr aber genügt ein fertiges, festes System ihrer Glieder nicht, sie verlangt eine ununterbrochene gegenseitige Anpassung. Und so muß ihr jede Erstarrung des Charakters, des Verstandes und selbst des Körpers verdächtig sein, weil sie Zeichen einer nachlassenden Lebenskraft sein kann, die sich am Ende isolieren, loslösen will vom gemeinsamen Mittelpunkt, um den das Ganze der Gesellschaft schwingt, Exzentrizität [von der soziale Norm abweichend - wp] werden will. Und doch kann die Gesellschaft hier nicht mit einem materiellen Zwang einschreiten, da es sich nicht um materielle Dinge handelt. Sie befindet sich einer Erscheinung gegenüber, die sie beunruhigt, aber nur soweit sie Symptom ist, kaum daß sie als Drohung gelten kann, höchstens als Geste. Also antwortet sie auch durch eine bloße Geste. Das Lachen muß etwas der Art sein, etwas wie eine soziale Geste. Durch die Furcht, die es einflößt, steuert es den Exzentrizitäten, hält bestimmte Kräfte höherer Ordnung gespannt und in wechselseitiger Durchdringung, die sich sonst leicht absondern und einschlafen würden, kurz: es macht alles geschmeidig, was an mechanischer Starrheit auf der Oberfläche des sozialen Körpers noch vorhanden ist. Das Lachen gehört also nicht in das Gebiet der reinen Ästhetik, da es (unbewußt in vielen Einzelfällen und bisweilen selbst gänzlich amoralisch) das Nützlichkeitsziel allgemeiner Vervollkommnung verfolgt. Immerhin ist es insofern ästhetischer Natur, als Komik immer in Momenten auftritt, wo die Gesellschaft und die einzelnen frei von jeder Sorge um ihre Existenz sich selber wie einem Kunstwerk gegenüberstehen. Mit einem Wort, wenn man um Vorkommnisse und Lagen, die das Leben des einzelnen oder der Gemeinschaft bedrohen, und die sich selbst durch ihre natürlichen Folgen bestrafen, einen Kreis zieht, so bleibt außerhalb dieses Gebietes der Leidenschaft und des Kampfes, in einer neutralen Zone, wo der Mensch dem Menschen einfach ein Schauspiel ist, eine gewisse Trägheit des Körpers, des Geistes und des Charakters, die die Gesellschaft auch noch beseitigen möchte, um die größtmögliche Elastizität und Vergesellschaftung ihrer Glieder zu erzielen. Diese Trägheit ist das Komische, und das Lachen ist ihre Strafe. Hüten wir uns jedoch, diese Formel für eine Definition des Komischen zu nehmen. Sie trifft nur in den allgemeinsten, den theoretischen, den vollkommenen Fällen zu, wo das Komische rein von jedem fremden Zusatz erscheint. Ja, nicht einmal eine Erklärung können wir sie nennen. Nehmen wir sie lieber als eine Art Leitmotiv, das in allen unseren Ausführungen durchklingen wird. Man wird immer daran denken müssen, ohne doch allzuviel Gewicht darauf zu legen, ungefähr wir ein guter Fechter an die einzelnen Bewegungen, die er im Unterricht gelernt hat, denken soll, während sein Körper einen wohlzusammenhängenden Gang ficht. Hier ist es der Zusammenhang der komischen Erscheinungen, den wir festlegen, wenn wir den Faden wieder aufnehmen, der von den Grimassen des Clowns bis zum feinsten Komödienspiel läuft, ihm in seinen oft unvorherzusehenden Wendungen folgen, von Zeit zu Zeit haltmachen, um Umschau zu halten, schließlich aber, wenn dergleichen möglich ist, bis zu dem Punkt gelangen, wo der Faden angeknüpft ist und von wo aus wir vielleicht - so wahr das Komische zwischen Leben und Kunst die Mitte hält - den allgemeinen Zusammenhang zwischen Kunst und Leben gewahr werden. Beginnen wir mit dem Einfachsten. Was ist eine komische Physiognomie? Woher kommt ein lächerlicher Gesichtsausdruck? Und was unterscheidet denn das Komische vom Häßlichen? So gestellt, hat die Frage freilich nur willkürlich entschieden werden können. So leicht sie scheint, ist sie schon zu subtil, um so ohne weiteres angefaßt werden zu können. Da müßte man erst das Häßliche definieren und sich dann fragen, was durch das Komische hinzukommt, und das Häßliche ist nicht gerade viel leichter zu analysieren als das Schöne. Aber wir wollen einen Kunstgriff anwenden, der uns noch oft gute Dienste leisten wird. Wir machen das Problem sozusagen gröber und handlicher, indem wir die Wirkung umso viel stärker annehmen, als nötig ist, damit die Ursache sichtbar wird. Betonen wir also die Häßlichkeit, übertreiben wir sie bis zur Verunstaltung und sehen wir zu, wie wir vom Verunstalteten zum Lächerlichen kommen können. Es ist unbestreitbar, daß gewisse Verunstaltungen vor andern den traurigen Vorzug haben, manche Menschen zum Lachen zu bringen. Das kann man zum Beispiel von gewissen Buckligen sagen. Ich will hier nicht in nutzlose Details eingehen. Ich fordere nur den Leser auf, die verschiedenen Mißbildungen an sich vorüberziehen zu lassen, dann sie in zwei Gruppen zu scheiden, einerseits jene, die die Natur zur Lächerlichkeit bestimmt zu haben scheint, andererseits die, denen dies ganz fern liegt. Ich glaube, daß man mir zuletzt ohne weiteres folgenden Satz zugeben wird: Jede Abnormität kann komisch werden, die von einem Menschen mit normalen Gliedern allenfalls nachgeahmt werden könnte. Scheint da nicht der Bucklige so auszusehen, wie ein Mensch, der sich schlecht hält? Scheint nicht sein Rücken krumm geblieben zu sein? Wie infolge einer Tücke der Materie, wie aus Trägheit scheint sich eine üble Gewohnheit festgesetzt zu haben. Man sehe einmal nur mit dem Auge und lasse alle Reflexion und vor allem alles Räsonnement beiseite. Wenn wir alles vergessen, was wir wissen, und auf den unmittelbaren, den ursprünglichen, naiven Eindruck zurückgehen, dann kommen wir sicher zu einer Vorstellung dieser Art. Wir sehen dann vor uns einen Menschen, der in einer bestimmten Stellung verharrt und, wenn man so sagen will, mit seinem Körper Grimassen schneidet. Kommen wir jetzt wieder auf den Punkt, den wir untersuchen wollen. Wenn wir die lächerliche Veranstaltung abschwächen, erhalten wir die komische Häßlichkeit. Ein Gesichtsausdruck wird also lächerlich sein, wenn er uns an etwas Starres, sozusagen Geronnenes in der allgemeinen Flüssigkeit und Beweglichkeit der Gesichtszüge erinnert. Was wir sehen, erscheint uns dann als eine erstarrte Grimasse, als ein Tick, der steif und chronisch geworden ist. Wird man sagen können, daß jeder gewohnheitsmäßige Gesichtsausdruck, auch ein angenehmer und schöner, uns denselben Eindruck einer stehend gewordenen Verzerrung macht? Natürlich nicht, hier ist ein wichtiger Unterschied zu machen. Wenn wir von einer charakteristischen Schönheit oder Häßlichkeit sprechen, wenn wir sagen, daß ein Gesicht Charakter hat, so handelt es sich zwar um einen immer vorhandenen, aber ansich beweglichen Ausdruck. Er zeigt bei aller Ständigkeit eine gewisse Unbestimmtheit, in der all die möglichen Nuancen des jeweiligen Seelenzuzstandes verworren angedeutet sind, so wie man an einem dampfenden Frühlingsmorgen die Wärme des Mittags vorempfindet. Aber ein komischer Gesichtsausdruck verspricht nicht mehr, als er unmittelbar gibt. Er ist eine einzige eindeutige Grimasse. Man möchte sagen, das ganze seelische Leben des Menschen ist in diesen Linien versteinert. Und ein Gesicht erscheint umso komischer, je mehr es uns die Vorstellung einer rein mechanischen Handlung gibt, in die unmöglich die ganze Persönlichkeit aufgehen kann. Es gibt Gesichter, die fortwährend zu weinen scheinen, andere, die zu lachen oder zu pfeifen scheinen, wieder andere scheinen ewig in eine unsichtbare Trompete zu blasen. Die Letzteren sind die komischsten, wobei sich das Gesetz bewährt, nach dem die Wirkung umso komischer ist, je natürlicher uns ihre Ursache erscheint. So sind Automatismus, Starrheit, angewöhnter und beibehaltener Tick die letzten Ursachen, die eine Gesichtsbildung lächerlich erscheinen lassen. Aber dieser Effekt gewinnt an Intensität, wenn wir diese Züge auf eine tiefere Ursache, auf Geistesabwesenheit, Zerstreutheit ansich zurückführen, wie wenn die Seele durch eine rein mechanische, völlig geistlose Tätigkeit gänzlich in Anspruch genommen wäre. Nun wird man das Komische der Karikatur verstehen. So regelmäßig diese Physiognomie auch ist, so harmonisch ihre Züge, so sanft ihre Bewegungen sind, niemals ist das Gleichgewicht völlig erreicht. Man wird immer einen Tick angelegt finden, die Skizze einer möglichen Grimasse, eine Mißbildung, die von der Natur vor anderen begünstigt scheint. Die Kunst des Karikaturisten besteht darin, diese oft kaum wahrnehmbare Bewegung zu erfassen und sie durch Übertreibung den Augen aller sichtbar zu machen. Er läßt seine Menschen Grimassen schneiden, wie sie es selbst tun würden, wenn sie die angelegten Grimassen ganz ausführten. Er sieht hinter der oberflächlichen Harmonie der Bildung die widerspenstige Materie. Er realisiert Disproportionen und Deformationen, die in der Natur als Möglichkeiten dagewesen sein müssen, aber, unterdrückt durch eine edlere Kraft, sich nicht ausprägen konnten. Seine Kunst, die etwas Teuflisches hat, befreit den Dämon, den der Engel in Fesseln warf. Zweifelsohne ist es eine Kunst, die übertreibt, und doch definiert man sie sehr ungenügend, wenn man ihren Endzweck Übertreibung nennt, denn es gibt Karikaturen, die es mit jedem Porträt an Ähnlichkeit aufnehmen, Karikaturen, wo die Übertreibung kaum zu sehen ist, und umgekehrt kann man maßlos übertreiben, ohne die Wirkung einer rechten Karikatur zu erreichen. Soll die Übertreibung komisch wirken, so darf sie nicht als das Ziel erscheinen, sondern nur als Mittel, dessen sich der Zeichner bedient, um uns die Verzerrungen sinnenfällig zu machen, die er in der Natur angelegt sieht. Die Verzerrung ist das Wichtige, sie interessiert uns. Und sie sucht man in den unbeweglichen Teilen des Gesichts, in der Krümmung der Nase, ja in der Form des Ohrs. Die Form ist für uns immer eine latente Bewegung. Der Karikaturist, der die Größe der Nase ändert, aber ihr Schema wahrt, sie etwa in dem Sinne verlängert, in dem schon vorher die natürliche etwas zu lang war, läßt diese Nase in der Tat eine Grimasse schneiden: von nun an scheint sich das Original selbst verlängert zu haben und Grimassen zu schneiden. In diesem Sinne wird man sagen können, daß die Natur selbst nicht selten mit Erfolg den Karikaturisten macht. Mit der Bewegung, durch die sie an diesem Mund die Mundwinkel aufgerissen, diesen Unterkiefer eingedrückt, diese Backe aufgeblasen hat, scheint es ihr geglückt zu sein, ihre Grimasse ganz durchgesetzt zu haben und der mildernden Aufsicht einer verständigen Macht entgangen zu sein. Wir lachen dann über ein Gesicht, das sozusagen seine eigene Karikatur ist. Um zusammenzufassen: wie auch immer die Theorie lautet, auf die unsere Vernunft schwört, unsere Einbildungskraft hat ihre ganz bestimmte Philosophie: in jeder menschlichen Form wittert sie das Streben einer Seele, die Materie zu formen, einer unendlich zarten, ewig beweglichen Seele, der Schwerkraft entrückt, weil die Erde sie nicht anzieht. Von ihrer Leichtbeschwingtheit teilt sie etwas dem von ihr beseelten Körper mit. Das Unkörperliche, das so in den Körper eingeht, nennen wir Grazie. Aber die Materie leistet Widerstand. Sie ruht in sich, möchte jenes immer unruhig tätige höhere Prinzip zu ihrer eigenen Tätigkeit bekehren und machen, daß es in einem Automatismus verkümmert. Sie möchte die sinnvollen Bewegungen des Körpers zu toten, sinnlosen, gewohnheitsmäßigen Gesten werden lassen, in stehende Grimassen die veränderlichen Züge des Gesichts verwandeln, kurz: dem ganzen Menschen ein solches Aussehen aufdrücken, daß er in der Stofflichkeit mechanischen Tuns versunken und verbraucht scheint, statt sich immer wieder im Umgang mit einem lebendigen Ideal zu erholen. Da, wo es so der Materie gelingt, die lebendige Außenseite der Seele abzutöten, sie zu verdichten, alle Bewegung festzulegen, aller Grazie zu widerstehen, da gewinnt sie dem Körper eine komische Wirkung ab. Wenn man jetzt also das Komische aus seinem Gegenteil wollte, müßte man es nicht sowohl der Schönheit, sondern auch der Grazie entgegensetzen. Es ist mehr der Steifheit als der Häßlichkeit verwandt. Wir gehen jetzt vom Komischen der Form zum Komischen der Bewegung und der Gebärde über. Ich erwähne gleich das Gesetz, das mir alle hierher gehörigen Erscheinungen zu beherrschen scheint. Es ist übrigens ohne weiteres aus den vorhergehenden Betrachtungen abzuleiten. Stellungen, Gebärden und Bewegungen des menschlichen Körpers sind in dem Maße komisch, als uns dieser Körper dabei an einen bloßen Mechanismus erinnert. Ich will dieses Gesetz nicht in die Fülle aller Fälle, in denen es unmittelbar gilt, verfolgen. Es würde, will man sich von seiner Richtigkeit überzeugen, genügen, die Sachen eines humoristischen Zeichners daraufhin zu studieren, alles Karikaturmäßige, das wir ja für sich untersucht haben, auszuschalten und auch diejenige Komik, die nicht eigentlich in der Zeichnung liegt, beiseite zu lassen. Denn man darf sich darüber nicht täuschen, in vielen Fällen ist das Komische einer Zeichnung entlehnt und wird in seinem ganzen Umfang von der Literatur bestritten. Ich meine, der Zeichner kann zugleich die Rolle des satirischen Schriftstellers übernehmen, mit den Augen des Lustspieldichters sehen, und wir lachen dann nicht so sehr über die Zeichnung selbst als über die Satire oder Lustspielszene, die wir in ihr wiedergegeben sehen. Wenn man sich aber mit dem festen Entschluß, nur auf das Zeichnerische zu achten, heranmacht, wird man, glaube ich, finden, daß eine Zeichnung immer umso komischer wirkt, je bestimmter und auch je diskreter sie uns im Menschen eine Gliederpuppe sehen läßt. Bestimmt muß dieser Eindruck sein, d. h. man muß im Innern des Menschen deutlich - gleichsam transparent - einer zerlegbaren Mechanismus erkennen. Er muß aber auch diskret sein, d. h. das Ganze des Menschen, bei dem jedes Glied ein Stück Mechanismus geworden ist, muß noch den Eindruck eines lebendigen Wesens machen. Der komische Effekt ist umso greifbarer, die Kunst des Zeichners steht umso höher, je mehr diese beiden Vorstellungen, die eines Menschen und die einer Maschine, gleich stark hervorgerufen werden. Und die Eigenart eines komischen Zeichners hinge dann davon ab, welche besondere Art von Leben er einer bloßen Gliederpuppe verleiht. Doch ich lassen jetzt die unmittelbaren Anwendungen dieser Regel beiseite und befasse mich lieber mit den Fällen, die nicht so ohne weiteres einleuchten. Die Vorstellung eines im Innern des Menschen funktionierenden Mechanismus liegt einer Menge spaßiger Erscheinungen zugrunde; meistens ist aber diese Vorstellung von sehr kurzer Dauer, sie wird sofort von einem Lachen, das sie auslöst, verschlungen. Sie festzuhalten, braucht es der Analyse und Reflexion. Das sind zum Beispiel die Gebärden gewisser Redner, die mit dem Wort im Wettstreit liegen. Eifersüchtig auf dieses, laufen sie fortwährend hinter dem Gedanken her und möchten auch als Interpret gelten. Das mögen sie, nur müssen sie auch dem Gedanken bis in seine letzten Schattierungen folgen. Die Grundidee einer Rede ist etwas, was entsteht, Knospen treibt, blüht und reift. Nie bricht sie jäh ab, nie wiederholt sie sich im Verlauf der Rede. Sie ändert sich in jedem Augenblick, denn sich nicht mehr ändern hieße nicht mehr leben. So soll auch die Gebärde so lebendig sein wie sie! Sie folge dem vornehmsten Gesetz des Lebens, das da ist, nie sich zu wiederholen! Da aber kehrt ein und dieselbe stehende Bewegung der Hand oder des Kopfes in periodischen Abständen immer wieder. Wenn ich sie bemerke, wenn sie so ist, daß sie mich ablenkt, wenn ich sie im weiteren Verlauf erwarte, und wenn sie sich da einstellt, wo ich sie erwarte, werde ich ganz von selber lachen. Warum? Weil ich jetzt vor mir einen automatisch funktionierenden Mechanismus habe. Da ist kein Leben mehr, das ist Automatismus, der im Leben sitzt und seine Stelle einnimmt. Automatismus aber ist immer etwas Komisches. Das ist es auch, warum Gebärden, die ansich nichts Lächerliches haben, sofort lächerlich werden, wenn sie von einem anderen nachgeahmt werden. Man hat sehr schwerfällige Erklärungen für diese einfache Tatsache gesucht. Man braucht nur wenig darüber nachzudenken, um zu wissen, daß unsere Seelenzustände von Moment zu Moment wechseln und daß, wenn unsere Gebärden unseren inneren seelischen Bewegungen getreulich folgen würden, und lebten, wie wir leben, sie sich nie wiederholen würden. Daß sie es tun, dadurch fordern sie die Nachahmung heraus. Wir werden erst in dem Moment nachahmbar, wo wir nicht mehr wir selber sind. Ich meine, man kann an unseren Gebärden nur nachahmen, was sie eintönig Mechanisches sind und, was dasselbe ist, unserer lebendigen Persönlichkeit Fremdes an sich haben. Jemanden nachahmen, heißt den Teil Automatismus herausstellen, den er in seiner Person sich hat einnisten lassen. Und dadurch muß er nach unserer Definition komisch werden. Daß uns die Nachahmung zum Lachen bringt, ist also gar nichts Sonderbares. Aber wenn die Nachahmung von Gebärden schon ansich komisch wirkt, wird sie noch komischer wirken, wenn sie sich darauf verlegt, die Gebärden, ohne sie doch unkenntlich zu machen, im Sinne irgendeiner mechanischen Handlung zu modifizieren, als da ist Holzsägen oder auf einen Amboß schlagen oder unermüdlich am Strang einer nicht vorhandenen Glocke ziehen. Keineswegs ist das Vulgäre dabei der Kern des Komischen (obgleich es ohne Zweifel etwas mit ausmacht), vielmehr ist es der Umstand, daß die erfaßte Gebärde leichter mechanisch erscheint, wenn sie uns an eine bekannte, von Haus aus mechanische Handlung erinnert. Eine solche mechanische Interpretation nahelegen, muß eines der Hauptverfahren der Parodie sein. Ich habe es ben a priori deduziert, aber ich denke, die Clowns wissen längst darum Bescheid. So scheint sich mir jenes Rätsel, das PASCAL an einer Stelle seiner "Gedanken" aufgibt, zu lösen: "Warum werden zwei ähnliche Gesichter, deren jedes für sich nichts Lächerliches hat, nebeneinander durch ihre Ähnlichkeit lächerlich?" Aus demselben Grund, aus dem die Gebärden eines Redners, deren jede für sich nichts Lächerliches hat, durch ihre Wiederholung lächerlich werden. Das wahrhaft lebendige Leben soll sich eben nie wiederholen. Da, wo Wiederholung und völlige Gleichheit ist, argwöhnen wir immer einen hinter dem Lebendigen arbeitenden Mechanismus. Man analysiere seinen Eindruck zwei Gesichtern, die sich täuschend ähnlich sehen, gegenüber: man wird bemerken, man denkt insgeheim an zwei Abgüsse ein und derselben Form oder an zwei Abdrücke eines Siegels oder an zwei Abzüge ein und desselben Klischees, kurz: an ein fabrikmäßiges Herstellungsverfahren. Diese Beeinflussung des Lebens in einem mechanischen sinn ist hier die wahre Ursache des Lachens. Und das Lachen wird noch stärker, wenn man uns nicht nur, wie in PASCALs Beispiel, zwei Personen auf die Bühne stellt, sondern mehrere, ja möglichst viele, die sich alle ähneln, die im Takt gehen, kommen, tanzen, springen, zu gleicher Zeit dieselbe Haltung einnehmen und in ein und derselben Weise gestikulieren. In diesem Fall denken wir ganz bestimmt an Marionetten. Unsichtbare Fäden scheinen von Arm zu Arm, von Bein zu Bein, von jedem Gesichtsmuskel des einen zum entsprechenden des anderen zu gehen: die Starrheit der Verbindung macht, daß die Weichheit der Glieder vor unseren Augen erstarrt und alles in einem Mechanismus verhärtet. Das scheint mir der Kniff dieser etwas plumpen Belustigung zu sein. Ich weiß nicht, ob man dazu PASCAL gelesen haben muß, jedenfalls wird in einem solchen Auftritt die Idee realisiert, die in PASCALs Worten liegt. Und wenn der Grund des Lachens im zweiten Fall die Vorstellung eines auf mechanische Weise erzielten Effekts ist, so muß er es schon, freilich weniger in die Augen springend, in jenem ersten sein. Setzt man jetzt diesen Weg fort, so wird man immer ferner liegende, aber auch immer bedeutsamere Nutzanwendungen des hier aufgestellten Gesetzes gewahr. Man ahnt noch flüchtiger auftretende mechanische Effekte, veranlaßt durch die zusammengesetzteren Handlungen der Menschen und nicht mehr einfach durch ihre Gebärden. Man vermutet, daß die üblichen Kunstgriffe der Bühne, die periodische Wiederkehr eines Wortes oder einer Situation, die symmetrische Rollenvertauschung, die mathematische Anbahnung der Verwechslungen und ein noch viel anderes Spiel seine komische Wirkung aus derselben Quelle herleiten kann. Denn vielleicht besteht die Kunst des Schwankdichters überhaupt darin, daß er den menschlichen Geschehnisse, die er uns zeigt, zwar ihre äußere Wahrscheinlichkeit (das heißt: den Anschein schmiegsamer Lebendigkeit) völlig wahrt, uns aber doch deutlich die dahinterstehende mechanische Gliederung sehen läßt. Aber nehmen wir keine Resultate vorweg, die wir mit fortschreitender Analyse methodisch gewinnen werden. Ruhen wir einen Augenblick, ehe wir weiter gehen, und sehen wir uns um. Wir haben schon am Beginn dieser Arbeit angedeutet: es wäre ein närrisches und eitles Unterfangen, wenn man alle komischen Wirkungen aus einer einzigen einfachen Formel ableiten wollte. In einem gewissen Sinne gibt es diese Formel freilich; aber das konkret Komische rollt sich nicht glatt in einer Richtung aus ihr ab. Will sagen: die begriffliche Ableitung muß von Zeit zu Zeit bei gewissen komischen Haupteffekten innehalten, denn um einen jeden dieser Effekte gruppieren sich kreisförmig, als um ihren Prototypen, neue Effekte, die ihm ähneln. Und diese letzteren sind nun nicht aus der Urformel abzuleiten, sondern sie sind komisch, nur weil sie mit solchen verwandt sind, die aus der Formel ableitbar sind. Um wieder PASCAL zu zitieren: der Weg des Geistes gleich der Kurve, die dieser Mathematiker unter dem Namen der Rolle studierte, der Zykloide, jener Kurve, die ein Punkt der Peripherie eines Rades beschreibt, wenn der Wagen sich in gerader Linie vorwärtsbewegt: dieser Punkt dreht sich wie das Rad und bewegt sich doch vorwärts wie der Wagen. Oder man denke an eine jener endlosen Alleen, wie man sie im Wald von Fontainebleau trifft, die von Zeit zu Zeit durch Kreuzwege unterbrochen werden: jeden dieser Sterne schreitet man ringsherum ab, man tut einen Blick in die Seitenwege und geht in der alten Richtung weiter. Wir sind an einem solchen Kreuzweg. Mechanisches als Kruste über Lebendigem, das ist ein solches Wegezentrum, an dem wir halten müssen, ein zentrales Bild, von dem aus die Phantasie in verschiedene Richtungen ausstrahlt. Welche Richtungen? Ich glaube, in der Hauptsache drei zu sehen. Wir werden eine nach der anderen verfolgen, dann wollen wir unseren Weg in gerader Linie wieder aufnehmen. Zunächst bringt uns diese Einsicht in die Verfalzung des Mechanischen mit dem Lebendigen auf das umfassendere Bild irgendeiner Steifheit, die sich dem Beweglich-Lebendigen anheftet, seinen Linien täppisch zu folgen und seine Geschmeidigkeit unbeholfen nachzuahmen sucht. Man begreift nun, wie leicht es geschehen kann, daß ein Kleidungsstück lächerlich wird. Man könnte fast sagen, daß eine jede Mode von irgendeiner Seite her lächerlich ist. Nur daß wir, wenn es sich umd die augenblickliche Mode handelt, dermaßen an sie gewöhnt sind, daß die Kleidung uns mit ihren Trägern völlig zusammenzugehen scheint. Unsere Einbildungskraft trennt beide nicht. Uns kommt der Gedanke gar nicht mehr, die träge steife Form der Hülle mit der lebendigen Geschmeidigkeit des umhüllten Gegenstandes zu vergleichen. Daher bleibt das Komische in diesem Fall in einem latenten Zustand. Der Durchbruch wird ihm höchstens gelingen, wenn die natürliche Unverträglichkeit von Hülle und Unverhülltem so stark ist, daß nicht einmal ein hundertjähriges Beieinandersein ihre Verbindung hat befestigen können: das ist zum Beispiel der Fall mit unserem Hut. Aber man denke sich ein Original, das sich immer nach der Mode von früher kleidet; unsere Aufmerksamkeit ist dann auf das Kostüm gerichtet, wir unterscheiden es durchaus von der Person, wir sprechen davon, daß sich die Person verkleidet (als ob nicht jede Kleidung eine Verkleidung wäre), und so tritt die lächerliche Seite der Mode hervor. Hier geht uns eine Ahnung der ungemeinen Schwierigkeiten auf, die das Problem des Komischen im Einzelnen birgt. Sehr viele irrige oder ungenügende Theorien über das Komische haben ihren Grund darin, daß viele Dinge von Haus aus komisch sind, ohne es für uns zu sein: fortdauernde Gewohnheit hat ihre komische Kraft eingeschläfert. Ein plötzlicher Bruch mit der Gewohnheit, der Mode ist nötig, wenn diese Kraft geweckt werden soll. Man neigt ein einem solchen Fall dazu, zu glauben, daß sich die komische Wirkung eben aus diesem Bruch herschreibt, der sie uns doch nur sichtbar werden läßt. Man erklärt dann das Lachen aus der Überraschung, aus einem Kontrast usw., Definitionen, die ebensogut auf eine Menge von Fällen anzuwenden wären, wo wir nicht die mindeste Lust zum Lachen haben. Die Wahrheit ist durchaus nicht so einfach. Aber wir stehen jetzt bei der Untersuchung der Verkleidung. Bei ihr stammt, wie wir gesehen haben, die Kraft, Lachen zu erregen, geradewegs aus der Quelle des Komischen. Es wird nicht unnütz sein, zu untersuchen, wie diese Kraft arbeitet. Warum lachen wir über das Haar eines Menschen, das gestern braun war und heute blond ist? Warum ist eine rote Nase komisch? Warum lacht man über einen Schwarzen? Das muß eine schwierige Frage sein, wenn Psychologen wie HECKER, KRAEPELIN, LIPPS sie gleicherweise stellen und verschieden beantworten. Ich weiß aber doch nicht, ob nicht irgendein einfacher Kutscher sie eines schönen Tages vor mir gelöst hat, wenn er dem Schwarzen in seinem Wagen das ungewaschene Gesicht vorwarf. Ungewaschen! ein schwarzes Gesicht erschiene also unserer Phantasie wie mit Tinte oder Ruß geschwärzt. Und ebenso erscheint uns eine rote Nase als geschminkt. Da hätte also die Verkleidung einiges von ihrer komischen Kraft auf gewisse Fälle übertragen, wo man sich in Wahrheit nicht verkleidet, aber wo man sich hätte verkleiden können. Eben noch macht uns der Unterschied zwischen Person und Kleidung nichts aus; beides schien uns völlig zusammenzupassen, weil wir daran gewöhnt waren. Jetzt, wo die schwarze oder die rote Farbe völlig echt ist, halten wir sie für künstlich aufgeklebt, weil sie uns überrascht. Von hier aus tun sich nun freilich eine Reihe neuer Schwierigkeiten für die Theorie des Komischen auf. Ein Satz wie dieser: "meine Kleider sind ein Teil meines Körpers", ist in den Augen der Vernunft absurd. Trotzdem gilt er der Phantasie für wahr. "Eine rote Nase ist eine gemalte Nase", "ein Schwarzer ist ein verkleideter Weißer", das klingt dem logischen Verstand absurd, für die einfache Phantasie aber sind das sehr gewisse Wahrheiten. Es gibt also eine Logik der Phantasie, die nicht die Logik des Verstandes ist, die sich sogar dieser bisweilen entgegengesetzt, mit der die Philosophie aber wird rechnen müssen, nicht allein für das Studium des Komischen, sondern in allen Untersuchungen der gleichen Art. Sie ähnelt der Logik des Traums, bloß daß das ein Traum ist, der nicht von der phantastischen Laune einzelner abhängt, den vielmehr die gesamte Gesellschaft träumt. Um sie herauszustellen, ist eine Arbeit ganz besonderer Art nötig, die die äußere Kruste von aufgehäuften und zäh sitzenden Urteilen und Ideen abzuheben hat, wenn sie tief auf dem Grund des eigenen Ich wie einen unterirdischen Wasserstreifen eine fließende Reihe von miteinander verschmelzenden Bildern sich bewegen sehen will. Die Verschmelzung der Bilder geschieht nicht zufällig. Sie folgt Gesetzen oder vielmehr Gewohnheiten, die für die Phantasie das sind, was die Logik für den Verstand ist. Folgen wir also dieser Logik der Phantasie im besonderen Fall, der uns beschäftigt. Ein Mann, der sich verkleidet, ist komisch. Ein Mann, den man für verkleidet halten könnte, ist auch komisch. So wird durch eine Ausdehung und Übertragung jede Verkleidung komisch, nicht allein die des einzelnen Menschen, gleicherweise auch die der Gesellschaft und selbst die der Natur. Beginnen wir mit der Natur. Man lacht über einen nur halb geschorenen Hund, über ein Gartenbeet mit künstlichen Blumen, über einen Wald, dessen Bäume mit Wahlaufrufen beklebt sind. Man suche den Grund, und man wird finden, daß man dabei immer an eine Maskerade denkt. Aber das Komische erscheint hier sehr geschwächt. Es ist zu weit von der Quelle. Will man es stärker haben, muß man zur Quelle selbst steigen, das abgeleitete Bild, das der Maskerade, dem ursprünglichen Bild wieder annähern, welches, wie man sich erinnert, das eines vom Mechanischen hintergangenen Lebens war. Eine dem Mechanischen verfallene Natur, das ist ein schlechterdings komisches Motiv, zu dem man beliebige Variationen ausführen kann, die sicherlich immer einen derben Lacherfolg auslösen. Man erinnert sich an jene amüsane Stelle in "Tartarin in den Alpen", wo Bombard Tartarin (und infolgedessen ein klein wenig auch dem Leser) den Begriff einer Schweiz beibringt, in der eine Aktiengesellschaft mit Hilfe einer ganzen Versenkungsmaschinerie Wasserfälle, Gletscher und falsche Abgründe betreibt. Und dasselbe Motiv, nur in ganz anderer Tonart, haben wir in den "Novel Notes" des englischen Humoristen JEROME K. JEROME. Eine alte Schloßherrin, die sich ihre guten Werke nicht zu schwer fallen lassen will, läßt in der Nähe ihrer Wohnung eigens hergerichtete Atheisten unterbringen, die sie dann bekehrt, und brave Leute, die man zu Trunkenbolden macht, damit sie sie von ihrem Laster heilen kann, usw. In gewissen Witzworte ertönt dieses Motiv wie eine ferne Resonanz, der sich als Begleitung eine ehrliche oder gemachte Naivität beimischt. Als Beispiel der Ausspruch jener Dame, die der Astronom CASSINI zu einer Mondfinsternis eingeladen hatte und die zu spät kam: "Ach, Herr von Cassini wird schon mir zuliebe noch einmal anfangen." Oder auch der Ausruf jenes Mannes bei GONDINET, der in eine Stadt kommt und erfährt, daß es in der Umgebung einen erloschen Vulkan gibt: "Einen Vulkan haben sie gehabt, und haben ihn ausgehen lassen!" Gehen wir zur Gesellschaft über. Wir leben in ihr, von ihr, und können so nicht umhin, sie wie ein lebendes Wesen zu behandeln. Also wird jedes Bild lächerlich sein, das uns die Idee einer verkleideten Gesellschaft, einer sozialen Maskerade nahelegt. Diese Idee steigt aber in uns auf, wenn uns an der Oberfläche der lebendigen Gesellschaft Unlebendiges, Träges, ganz Fertiges, mit einem Wort: Konfektion aufstößt. Wieder ist das die Starrheit, die mit der inneren Geschmeidigkeit des Lebens disharmoniert. So steckt in feierlichen gesellschaftlichen Formen immer eine latente Komik, die nur auf die Gelegenheit wartet, um auszubrechen. Man könnte sagen, daß die Zeremonien für den sozialen Körper das sind, was die Kleidung für den Körper des einzelnen: sie verdanken ihren Ernst dem Umstand, daß wir sie mit dem ernsten Gegenstand in eins sehen, an den die Sitte sie knüpft, sie verlieren aber diesen Ernst in dem Augenblick, wo unsere Phantasie sie von ihm loslöst. So wird eine Zeremonie schon komisch, wenn unsere Aufmerksamkeit sich auf das Zeremonielle an ihr konzentriert, wenn wir ihren Gehalt vernachlässigen und nur noch an die Form denken. Ich kann über diesen Punkt schnell hinweg gehen. Ein jeder weiß, mit welcher Leichtigkeit der Geist des Komischen sich an sozialen Handlungen von festgelegter Form betätigt, von der einfachen Preisverteilung bis zur Gerichtssitzung. Soviele Formen und Formeln, soviele fertige Rahmen für das Komische. Aber auch hier wird man die Komik verstärken, wenn man sie ihrer Quelle näher bringt. Von der Idee der Verkleidung, die ja abgeleitet ist, man muß auf die Uridee zurückgehen, die Idee des Mechanismus, der das Leben überdeckt. Schon die abgezirkelte Form allen Zeremoniells legt uns ein Bild dieser Art nahe. Sobald wir den ernsten Gegenstand einer Feierlichkeit oder einer Zeremonie vergessen, scheinen sich uns die Teilnehmer ganz wie Marionetten zu bewegen. Ihre Beweglichkeit richtet sich nach einer unbeweglichen Formel. Sie sind Automaten. Vollkommener Automat aber ist zum Beispiel der Beamte, der wie eine einfache Maschine arbeitet, oder die Betriebsordnung, die unerbittlich wie das Schicksal funktioniert und sich als Naturgesetz gibt. Ich entnehme einer Zeitung auf Geratewohl ein Beispiel für diese Art Komik. Vor einer Reihe von Jahren strandete ein großer Postdampfer in der Nähe von Dieppe. Einige Passagiere retteten sich mit großer Mühe in ein Boot. Kaum war die Rettung gelungen, stellte ein Zollbeamter, der sich dabei tapfer beteiligt hatte, die Amtsfrage an sie, "ob sie nichts zu verzollen hätten". Ich finde dasselbe, nur in verfeinerter Form, in den Worten jenes Abgeordneten, der den Minister in seiner Rede über ein Aufsehen erregendes Eisenbahnverbrechen interpellierte [dazwischen reden - wp]: "Der Mörder muß, nachdem er sein Opfer umgebracht hatte, entgegen den Fahrtbestimmungen, nach rückwärts abgesprungen sein." Ein Mechanismus, der sich in die Natur einschiebt, eine automatische Regelung der Gesellschaft, das sind (ziehen wir die Summe) die beiden Typen belustigender Effekte, bei denen wir landen. Verbinden wir beide, so ergibt sich offenbar die Idee einer menschlichen Regelung, die an die Stelle der Naturgesetze tritt. Man erinnert sich, was Sganarelle dem Géronte antwortet, als dieser ihn darauf aufmerksam macht, daß das Herz links und die Leber rechts liegt: "Ja, das war früher so, aber das haben wir alles geändert; wir treiben jetzt die Medizin nach einer ganz neuen Methode." Im "Monsieur de Pourceaugnac" sagt ein Arzt zum andern: "Die Diagnose, die Sie da gestellt haben, ist so gelehrt und so schön, daß der Kranke unmöglich etwas anderes als ein hypochondrischer Melancholikus sein kann; und wenn er es noch nicht wäre, dann müßte er es werden, um der schönen Dinge willen, die Sie geredet, und der Trefflichkeit der Diagnose willen, die Sie gestellt haben." Wir könnten die Beispiele vervielfachen; wir bräuchten nur alle Ärzte bei MOLIÉRE nacheinander an uns vorüberziehen zu lassen. So weit übrigens hier die komische Phantasie zu gehen scheint, die Wirklichkeit bringt es bisweilen fertig sie zu übertreffen. Ein lebender Philosoph, Logiker von reinem Wasser, dem man zu bedenken gab, daß seine tadellos deduzierten Schlüsse die Erfahrung gegen sich haben, machte der Diskussion kurzerhand ein Ende, indem er sagte: "Die Erfahrung hat unrecht." Der Gedanke, daß man das Leben maßregeln kann, ist überhaupt verbreiteter, als man denkt: er ist in seiner Art natürlich, obwohl wir ihn eben durch künstliche Zerlegung gewonnen haben. Er ist vielleicht die Wurzel der Pedanterie, die ja im Grunde nichts anderes ist als Kunst, die klüger sein will als die Natur. So wird also - fassen wir jetzt zusammen - derselbe Effekt immer feiner und feiner, von der Idee einer künstlichen Mechanisierung des menschlichen Körpers bis zur Idee jedweder Verdrängung des Natürlichen durch Künstliches. Eine immer weniger enge Logik, die immer mehr der Logik der Träume ähnelt, trägt dieselbe Beziehung in immer höhere Sphären und zwischen immer geistigere Elemente, so daß schließlich, beispielsweise, eine Betriebsordnung zu einem Natur- oder Sittengesetz in derselben Beziehung steht wie der Konfektionsanzug zum lebendigen Körper. Von den drei Richtungen, die wir verfolgen sollten, sind wir jetzt in der ersten bis ans Ende gegangen. Gehen wir zur zweiten über und sehen wir zu, wohin sie führen wird. Ein Mechanismus als Überzug über Lebendigem, das ist wieder unser Ausgangspunkt. Was war dabei komisch? Daß der menschliche Körper zur Maschine erstarrte. Uns schien also der lebendige Körper eine vollkommene Schmiegsamkeit sein zu müssen, immer wache Aktivität eines immer wirkenden Prinzips. Aber diese Aktivität ist in Wahrheit eher der Seele als dem Körper eigen. Sie ist die Flamme des Lebens selbst, die ein höheres Prinzip in uns entzündet hat und die nun den Körper durchleuchtet. Wenn wir im lebenden Körper nichts als Anmut und Geschmeidigkeit sehen, so liegt das daran, daß wir alles Schwere, Hemmende, kurz alles Materielle an ihm vernachlässigen; wir vergessen seine Materialität und denken nur an seine Vitalität, jene Vitalität, die unsere Phantasie dem lebendigen Prinzip unseres Geistes zuschreibt. Aber nehmen wir an, man lenke unsere Aufmerksamkeit auf diese Materialität des Körpers. Nehmen wir an, er habe nicht mehr teil an der Leichtigkeit des ihn belebenden Prinzips, er sei uns jetzt nur schwere Hülle, lästiger Ballast, der die Seele, die verlangend aufstrebt, am Boden festhält. Dann wird der Körper für die Seele, was das Kleid soeben für den Körper selbst war, träge Materie, die auf einer lebendigen Energie lastet. Und der Eindruck des Komischen tritt in dem Augenblick auf, wo wir das deutliche Gefühl dieses Verhältnisses haben. Dieses Gefühl wird sich besonders dann einstellen, wenn wir die Seele von den Bedürfnissen des Körpers geneckt sehen, - auf der einen Seite die moralische Persönlichkeit mit ihrer intelligent vielseitigen Energie, auf der anderen der stupide gleichförmige Körper, der immer mit seiner maschinenmäßigen Hartnäckigkeit dazwischenklappt. Je armseliger diese körperlichen Notwendigkeiten sind und je gleichmäßiger sie wiederkehren, umso packender ist die Wirkung. Doch das letztere ist nur eine Frage des Grades; das allgemeine Gesetz dieser Erscheinung wäre so zu formulieren: komisch ist jeder Vorfall, der unsere Aufmerksamkeit auf die physische Natur eines Menschen lenkt, wenn es sich um seine geistige handelt. Warum lacht man über einen Redner, der im pathetischsten Augenblick seiner Rede niest? Woher kommt das Komische jener Stelle aus einer Leichenpredigt, die ein deutscher Philosoph zitiert: "Er war tugendhaft und wohlbeleibt"? Immer daher, daß unsere Aufmerksamkeit unvermittelt von der Seele auf den Körper gelenkt wird. Beispiele gibt es im täglichen Leben in Fülle. Will man sich aber nicht die Mühe nehmen, danach zu suchen, so braucht man nur einen Band LABICHE aufs Geratewohl aufzuschlagen. Irgendeinen Affekt dieser Art wird man fast mit Sicherheit finden. Einmal ist es ein Redner, dessen schönste Perioden durch Stiche in seinem hohlen Zahl unterbrochen werden, ein andermal ist es eine Person, die nie das Wort ergreift, ohne sich über ihre zu knappen Schuhe oder ihren zu engen Gürtel zu beschweren, usw. Ein Mensch, den sein Körper belästigt, das ist das Bild, das uns in allen diesen Beispielen nahegelegt wird. Eine übermäßige Beliebtheit ist sicher nur deshalb lächerlich, weil sie ein Bild dieser Art hervorruft. Und ich glaube, hier liegt auch der Grund, daß gelegentlich Schüchternheit ein wenig lächerlich sein kann. Das Schüchterne kann den Eindruck eines Menschen machen, den sein Körper geniert und der sich nach einem Platz umsieht, wo er ihn ablegen könnte. Daher müht sich der tragische Dichter, alles zu vermeiden, was unsere Aufmerksamkeit auf die Materialität seines Helden lenken könnte. Sobald die Sorge um den Körper dazukommt, ist ein Einsickern des Komischen zu befürchten. Deshalb trinken und essen die Helden der Tragödie nicht. Ja, wenn möglich, setzen sie sich auch nicht hin. Sich mitten in einer pathetischen Rede zu setzen, hieße sich daran erinnern, daß man einen Körper hat. NAPOLEON, der gelegentlich auch Psychologe war, wußte, daß allein durch die Tatsache, daß man sich setzt, aus einer Tragödie eine Komödie werden kann. Im "Journal inédit" des Barons GOURGAND läßt er sich darüber folgendermaßen aus (es handelt sich um die Zusammenkunft mit der Königin von Preußen nach der Schlacht bei Jena):
Aber hier zeigt sich die erste Anwendung eines Gesetzes, von dem ich hoffe, daß es im Laufe dieser Arbeit immer deutlicher heraustreten wird. Wenn der Musiker auf seinem Instrument einen Ton anschlägt, ertönen andere von selbst mit, leiser als der angeschlagene Ton, mit ihm durch bestimmte Beziehungen verbunden und ihm durch ihr Hinzutreten seine Klangfarbe gebend: in der Physik nennt man das die Obertöne des Grundtons. Ich glaube, daß die komische Phantasie selbst in ihren schnurrigsten Erfindungen einem Gesetz derselben Art folgt. Man sehe sich zum Beispiel diese komische Note an: die Form, die den Gehalt unterdrückt. Wenn unsere Analysen richtig sind, dann muß sie als Oberton die andere haben: den Körper, der den Geist nachäfft, den Körper, der die Seele nicht aufkommen läßt. Sobald also der komische Dichter die erste Note anschlägt, wird er instinktiv und unwillkürlich auch die zweite hinzufügen. Mit anderen Worten: er wird das Komische des Berufs durch physische Komik verdoppeln. Wenn der Richter Brid'oision stotternd auf die Bühne kommt, bereitet er uns da nicht schon auf das Verständnis der geistigen Versteinerung vor, als die er sich darstellt? Welche geheime Verwandtschaft mag wohl diesen physischen Mangel mit seiner intellektuellen Verkümmerung verbinden? Ich weiß es nicht, aber man fühlt, daß die Beziehung besteht, obwohl sie unaussprechlich ist. Vielleicht sollte uns diese Rechtsprechungsmaschine gleichzeitig als Sprechmaschine erscheinen. Wie dem auch sein mag, kein anderer Oberton könnte den Grundton besser ergänzen. Wenn MOLIÉRE uns die beiden lächerlichen Doktoren in der "Liebe als Arzt", Bahis und Macroton, vorstellt, dann läßt er den einen sehr langsam sprechen, als ob er seine Rede Silbe für Silbe skandiert, während der andere stottert. Den gleichen Kontrast finden wir zwischen den beiden Advokaten im "Monsieur de Pourceaugnac". Fast immer liegt die physische Eigentümlichkeit, die das Komische des Berufes ergänzt, im Rhythmus der Rede. Und da, wo der Autor ein Gebrechen dieser Art nicht angedeutet hat, ist es ziemlich sicher, daß der Schauspieler es instinktiv hinzuerfindet. Es besteht also in der Tat eine natürliche, intuitiv erkannte Verwandtschaft zwischen diesen beiden Bildern, die wir aneinandergerückt haben, zwischen dem Geist, der in gewissen Formen erstarrt, und dem Körper, der infolge gewisser Mängel versagt. Ob unsere Aufmerksamkeit vom Gehalt auf die Form oder vom Geistigen auf das Physische abgelenkt wird, in beiden Fällen wird unserer Phantasie der gleiche Eindruck übermittelt; wir haben in beiden Fällen die gleiche Art der Komik. Auch hier haben wir uns der Führung einer natürlichen Richtung der Phantasie getreu überlassen. Diese Richtung war die zweite, die sich uns von einem zentralen Bild aus aufgetan hatte. Ein dritter und letzter Weg bleibt uns noch offen, und den beschreiten wir jetzt. Greifen wir ein letztes Mal auf unser zentrales Bild zurück: Mechanisches als Überzug, als Kruste über dem Lebendigen. Das Lebendige, um das es sich hier hauptsächlich handelte, war ein menschliches Wesen, eine Person. Der Mechanismus dagegen ist eine Sache. Was das Lachen hervorrief, war also die momentane Verwandlung einer Person in eine Sache, wenn man das Bild einmal von dieser Seite sehen will. Gehen wir also von der deutlicheren Vorstellung eines Mechanismus zur unbestimmteren Sache überhaupt über. Dann stellt sich eine neue Reihe lächerlicher Bilder ein, die sich sozusagen durch ein Verwischen der Umrisse der früheren ergeben und die uns zu einem neuen Gesetz führen: Wir lachen jedesmal, wenn eine Person uns wie eine Sache erscheint. Man lacht über Sancho Pansa, wenn er geprellt wird und über dem Tuch wie ein Sack auf- und niederfliegt. Man lacht über den Baron von Münchhausen, der als Kanonenkugel durch die Luft fährt. Aber vielleicht werden gewisse Clownspossen dasselbe Gesetz noch schärfer sehen lassen. Dabei muß man freilich die Späße abziehen, die der Clown in sein Hauptthema einflicht, und sich allein an dieses Thema halten, das heißt an die verschiedenen Stellungen und Luftsprünge, überhaupt an die Bewegungen, die das eigentlich Clownhafte seiner Kunst sind. Es ist mir zweimal gelungen, diese Art Komik in ganzer Reinheit zu sehen, und in beiden Fällen hatte ich den gleichen Eindruck. Das erstemal kamen und gingen die Clowns, stießen sich, fielen, sprangen wieder auf, nach einem gleichmäßig beschleunigten Rhythmus, in der deutlichen Absicht, ein Crescendo [dynamisches lauter werden - wp] herauszubringen. Und mehr und mehr richtete sich die Aufmerksamkeit des Publikums auf das Wiederaufspringen. Allmählich vergaß man, daß man es mit Menschen aus Fleisch und Blut zu tun hatte. Man dachte an irgendwelche Massen, die sich fallen lassen und aneinanderstoßen. Dann wurde das Bild bestimmter. Die Formen schienen sich zu runden, die Körpter zu Kugeln zusammenzurollen. Endlich erschien das Bild, auf das sich der ganze Auftritt - zweifellos unbewußt - hinentwickelte: die Vorstellung von Gummibällen, die in allen Richtungen durcheinanderfliegen. - Der zweite, noch derbere Auftritt war nicht weniger lehrreicht. Es traten zwei Leute auf mit ungeheuren Köpfen und ganz nackten Schädeln. Sie waren mit schweren Stöcken bewaffnet. Und abwechselnd ließ jeder seinen Stock auf den Kopfe des andern niedersausen. Auch hier war eine Steigerung bemerkbar. Nach jedem Schlag schienen die Körper schwerer zu werden, zu gerinnen, wie von einer wachsenden Starre ergriffen. Der Gegenschlag kam immer langsamer, aber immer schwerer und krachender. Die Schädel hallten fürchterlich in diesem schweigenden Raum. Schließlich neigten sich die beiden Körper ganz langsam, steif und gerade wie ein Paar Pfähle gegeneinander, die Stöcke schlugen ein letztes Mal mit einem furchtbaren Krachen auf die Schädel, das Ganze sank um und lag da. In diesem Augenblick erschien in aller Schärfe die Vorstellung, welche die beiden Artisten der Phantasie der Zuschauer immer deutlicher suggeriert hatten: Menschen, die zu Holzpuppen werden. Ein dunkler Instinkt kann hier ungebildete Köpfe einige der feinsten Resultate der wissenschaftlichen Psychologie ahnen lassen. Es ist bekanntlich möglich, in einem Hypnotisierten durch einfache Suggestion Halluzinationen zu erregen. Man sagt ihm, daß ein Vogel auf der Hand sitzt, er wird den Vogel bemerken und wird ihn dann fortfliegen sehen. Aber durchaus nicht immer wird die Suggestion so folgsam aufgenommen. Oft gelingt es dem Hypnotiseur nur durch ein allmähliches vorsichtiges Vorgehen, sie durchzusetzen. Er geht dann von Gegenständen aus, die sein Objekt wirklich wahrnimmt, und er wird versuchen, diese Wahrnehmungen mehr und mehr zu verwirren: darauf läßt er Schritt für Schritt aus diesr Verwirrung die genaue Form des Gegenstandes erstehen, den er zum Inhalt der Halluzination machen will. Ähnlich geschieht es vielen Menschen beim Einschlafen, daß sie in ihrem Gesichtsfeld ungestalte farbige Massen durcheinander fließen sehen, die sich unmerklich zu bestimmten Gegenständen verdichten. In einem graduellen Übergang vom Verworrenen zum Bestimmten besteht also ganz eigentlich das Verfahren der Suggestion. Sicherlich würde es sich auch als vielen komischen Suggestionen zugrunde liegend nachweisen lassen, besonders in der derben Komik, wenn sich vor unseren Augen die Verwandlung einer Person in eine Sache zu vollziehen scheint. Aber es gibt andere, diskretere Verfahren, in der Dichtung zum Beispiel, wo oft vielleicht unbewußt dasselbe Ziel erstrebt wird. Man kann durch gewisse Rhythmen, Reime und Assonanzen unsere Einbildungskraft einwiegen, durch immer neue Gleichklänge sie in ein regelmäßiges Schaukeln bringen und sie so zu einer willigen Aufnahme des Bildes, das man ihr suggeriert, vorbereiten. Man höre die folgenden Verse von REGNARD und sehe zu, ob nicht das flüchtige Bild einer Puppe vor unserem inneren Auge auftauchen wird:
Zehntausend Louisdor - das langt noch nicht - Damit er ihn ein ganzes Jahr nach Wunsch Genührt, getränkt, in der Portechais' gefahren, Gekämmt, rasiert und wohlgekleidet sieht.
Achten wir bei diesem letzten Beispiel darauf: man braucht diese Identifikation von Person und Ding nicht bis zu Ende zu treiben, um eine komische Wirkung zu erzielen. Es genügt, daß man sich in dieser Richtung bewegt, daß man so tut, als ob man zum Beispiel den Mann und sein Amt verwechselt. Ich führe nur den Satz jenes Dorfbürgermeisters in einem Roman von ABOUT an: "Der Herr Präfekt, der uns immer das gleiche Wohlwollen bewahrt hat, obwohl er seit 1847 mehrmals gewechselt hat ..." Alle diese Aussprüche sind nach demselben Modell gebaut. Jetzt. wo wir die Formel haben, könnten wir beliebig viele erfinden. Aber die Kunst des Erzählers und des Possendichters besteht nicht einfach darin, daß er das betreffende Wort findet. Die Schwierigkeit ist, dem Wort die rechte Suggestionskraft zu geben, d. h. seine Aufnahme vorzubereiten. Und wir nehmen es nur auf, wenn es entweder aus einem bestimmten Seelenzustand hervorzugehen oder sich in gegebene Umstände einzugliedern scheint. So wissen wir, daß Herr Perrichon sehr erregt ist in dem Augenblick, wo er seine erste Reise macht. Der Ausdruck "stattfinden" gehört zu denen, die in den Lektionen der Tochter immer wieder vorkamen, wenn sie sie in der Gegenwart des Vaters aufsagte. Und schließlich könnte die Bewunderung des Verwaltungsapparates gar soweit gehen, daß uns zu glauben zugemutet wird, daß sich nichts am Präfekten ändert, wenn er den Namen wechselt, und daß das Amt unabhängig vom Beamten funktioniert. All das ist vom Urgrund des Lachens ziemlich entfernt. Manche komische Erscheinung, die ansich unerklärlich ist, wird in der Tat nur durch ihre Ähnlichkeit mit einer anderen verstanden, die ihrerseits nur durch ihre Verwandtschaft mit einer dritten komisch wirkt, und so geht das lange weiter, so daß die psychologische Analyse, so hell und eindringlich sie sein mag, notwendig straucheln muß, wenn sie nicht den Faden faßt, längs dem der komische Eindruck von einem Ende der Reihe zum anderen gewandert ist. Woher kommt dieser durchgängige Zusammenhang? Durch welchen Druck, welchen seltsamen Stoß gleitet das Komische so von Bild zu Bild, immer weiter weg von seinem Ursprung, bis es sich in unendlich fernen Analogien bricht und verliert? Aber wir fragen ja auch: welche Kraft teilt die Äste des Baumes in Zweige, die Wurzeln in Würzelchen? Ein strenges Gesetz nötigt jede lebendige Energie, in der kurzen Zeit, die ihr gegeben ist, sich soviel Raum zu erobern, wie sie nur kann. Nun, eine lebendige Energie ist der Geist des komischen gewiß, diese merkwürdige Pflanze, die zuerst auf den felsigen Teilen des sozialen Bodens kräftig gedieht, bis ihr die Kultur erlaubte, mit den feinsten Erzeugnissen der Kunst zu wetteifern. Von der großen Kunst sind wir freilich mit unseren bisherigen Beispielen von Komik noch weit entfernt. Aber im folgenden Kapitel werden wir ihr näher kommen. Unterhalb der Kunst steht das Gemachte, künstlich Gestaltete. In diese mittlere Zone der Künstlichkeiten, die zwischen Natur und Kunst liegt, werden wir jetzt eindringen, wenn wir den Schwankdichter und den Mann von Geist behandeln. |