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ADAM WEISHAUPT
Über die kantischen
Anschauungen und Erscheinungen


"Von den Erscheinungen nimmt  Kant  an, daß sie außerhalb von uns sind, daß sie auf uns wirken: aber damit ist es noch lange nicht getan. Es kommt nicht bloß darauf an, ob etwas außer uns ist, sondern es fragt sich vielmehr, inwiefern das, was außer uns zu sein scheint, selbst eine für sich bestehende Realität hat. Es kommt darauf an, genau zu wissen, wieviel an den Erscheinungen real ist. Denn wenn diese selbst keinen objektiv gültigen Grund haben, so ist es eben so viel, als ob unsere gesamte Erkenntnis keinen Grund hätte."

"Dem kantischen System nach suchen wir bei allen Erscheinungen etwas, das keine Erscheinung ist, wir erkennen wirklich das Dasein solcher Dinge: aber das alles tun wir bloß kraft einer ganz subjektiven Verstandesregel, um in die so mannigfaltigen Erscheinungen Einheit und Zusammenhang zu bringen: wir haben aber kraft dieser Regel keine objektive Gewißheit vom realen Dasein dieser Dinge. Ihre Existenz ist ebenfalls nur eine ideale Existenz. Wir wissen bloß, daß wir sie annehmen müssen. Wir stellen uns zwar vor, daß es solche unbekannte Kräfte unter der Hülle der Erscheinungen gibt, aber darum sind sie nicht wirklich. Wir können zumindest ihr Dasein auf keine Art beweisen: für uns sind sie soviel, als ob sie gar nicht wären, weil sie nicht in Zeit und Raum erscheinen, weil folglich ebensowenig keine einzige Kategorie und Begriff auf sie kann angewendet werden. Dies also, daß wir kraft einer uns gegebenen subjektiven Verstandesregel das Dasein dieser nichtsinnlichen Gründe der Erscheinungen annehmen müssen, beweist auf keine Art ihr reales wirkliches Dasein."

"Wenn es Erscheinungen gibt, so läßt sich mit Grund fragen, haben diese Erscheinungen einen Grund? Sie sind da, das ist es, was wir mit Gewißheit erkennen. Sie sind Gegenstände unserer Anschauungen; auch das wissen wir gewiß. Oder soll auch dies nichts weiter als Erscheinung sein, daß wir Anschauungen und Erscheinungen haben? Haben die Erscheinungen keinen Grund, so hat unsere ganze Erkenntnis keinen Grund. Es gibt weder ein Subjekt, welches erkennt, noch ein Objekt, welches erkannt wird. Welche Ungereimtheit ist mit dieser zu vergleichen? Die Erscheinungen müssen also einen Grund haben."


§ 1. Einleitung

Ich habe in meiner Schrift: über den Grund und die Gewißheit der menschlichen Erkenntnis, das Unmögliche einer totalen Subjektivität, wie ich glaube so ziemlich einleuchtend gemacht. Ich habe gezeigt, daß jedes System, welches auf eine totale Subjektivität führt, eben darum zu verwerfen ist, daß eine total subjektive Erkenntnis nicht besser ist als eine Erkenntnis, welche gar keinen Grund hat. Ich wende mich nun zu einer Untersuchung, welche noch größeren Schwierigkeiten unterworfen ist, weil das Ungereimte in einer solchen weniger auffallend ist. Es fragt sich nämlich: ob nicht wenigstens einige Teile unserer Erkenntnis bloß subjektiv sind? Diese Teile unserer Erkenntnis sind
    1) Anschauungen
    2) Begriffe,
    3) Urteile und Vernunftschlüsse.
Welche dieser Teile unserer Erkenntnis sind ganz subjektiv? Ich fange in der gegenwärtigen Abhandlung meine Untersuchung mit der Grundlage aller möglichen Erkenntnis, mit den Anschauungen an. Hier kann man fragen: sind alle Anschauungen oder nur einige derselben subjektiv?

Daß alle Anschauungen nicht ganz subjektiv sind, leuchtet sehr bald ein. Da die Anschauungen der Grund unserer gesamten Erkenntnis sind; da nach einigen Systemen alle Begriffe und Urteile sich auf diese gründen, oder zumindest um eine Bedeutung zu haben, sich auf diese beziehen müssen: so würde unsere ganze Erkenntnis subjektiv sein, wenn die Grundlage derselben, die Anschauungen, keinen anderen Grund hätten. Nun habe ich aber in der vorhergehenden Abhandlung eine totale Subjektivität aus hinlänglichen Gründen geleugnet; also können höchstens nur einige Anschauungen ganz subjektiver Natur sein. Das letztere ist auch die eigentliche kantische Lehre. Diese gesteht allen Anschauungen eine Art von objektiver Realität zu. Nur die Anschauungen von Zeit und Raum sollen subjektiver Natur sein.

Ich werde in der Folge beweisen, daß die Vorstellungen von Zeit und Raum ebensowenig subjektiver Natur sind. Ehe ich dies unternehme, will ich es versuchen, darzutung, was von allen Bekennern des kantischen Systems geleugnet wird, daß nach diesem auch alle übrigen Anschauungen ohne Ausnahme ganz subjektiver Natur sind. Meine Abhandlung zerfällt zu diesem Ende in drei Teile.
    1) untersuche und beweise ich, daß nach dem kantischen System alle Anschauungen ganz subjektiver Natur sind.

    2) Erkläre ich den Grund und die Natur aller Anschauungen, und beweise, daß bei allen etwas Objektives zugrunde liegt.

    3) Untersuche ich, ob Zeit und Raum ganz subjektiver Natur sind.

I.
Das kantische System führt auf eine
totale Subjektivität aller Anschauungen


§ 2. Was sind Anschauungen nach
dem kantischen System?

Das Wort  Anschauung  ist, soviel ich weiß, der kantischen Schule ganz allein eigen. Es soll die Wirkung anzeigen, welche die Einwirkung äußerer Gegenstände in der Seele hervorbringt, ehe der Verstand anfängt tätig zu werden, ehe er diese neue unserer Seele zugeführte Bilder bearbeitet, und erkennt. In anderen Schulen bedient man sich statt dessen des Wortes  Empfindung.  Anschauungen und Empfindungen werden im kantischen Lehrgebäude voneinander unterschieden, vermutlich aus der Ursache, weil man nach diesem System zur Grundlage unserer Erkenntnis etwas nötig hat, das von aller Erfahrung unabhängig sein soll, das schon in der Seele und  a priori  zugrunde liegt. Dies tut bei Empfindungen nicht so gut; weil eine reine Empfindung, eine Empfindung  a priori  nicht so gut als eine reine Anschauung kann angenommen werden, indem jede Empfindung schon ihrem Wesen und Namen nach eine Einwirkung, eine Art von Erfahrung, etwas erworbenes voraussetzt. Empfindungen lassen sich also nicht so gut in reine und empirische abteilen, als die bei Anschauungen geschehen kann, deren Sinn und Bedeutung weniger durch den Sprachgebrauch bestimmt ist. Eigentlich wäre eine Anschauung nichts weiter, als die Vorstellung eines Individuums oder einzelnen Dings. Denn nur Individua können angeschaut werden: und selbst diese nur so lange, als von ihnen nicht geurteilt wird, daß sie unter diese oder jene Gattung gehören. Soll ein Unterschied zwischen Anschauung und Empfindung sein, wobei weniger Rücksicht auf die Folgen genommen wird, die man zum Vorteil seines Systems erwartet; so möchte sich vielleicht die Empfindung mehr auf das, was in einem Körper vorgeht, beziehen, indessen die Anschauung die Veränderung anzeigen soll, welche in der Seele hervorgebracht wird.

Diese Anschauungen nun sind nach dem kantischen System keine Erkenntnis, so wenig wie das Bild welches ein Spiegel zurückwirft. Eine Anschauung ist ein bloßer Abdruck. Die Seele verhält sich dabei ganz leidend, bis der Verstand wirkt. Aber obgleich eine Anschauung keine Erkenntnis ist, so sind die Anschauungen doch die Grundlage derselben: ohne diese wäre keine Verrichtung des Verstandes, kein Denken, kein Erkennen möglich: denn der Gegenstand, mit welchem sich der Verstand beschäftigt, sind die Begriffe. Aber diese alle sind ansich leer, und ohne Sinn und Bedeutung. Um diese zu erhalten, muß solchen ein Gegenstand gegeben werden, der sich nirgends als in der Anschauung finden kann. Alles Denken und Erkennen muß sich also mittel oder unmittelbar auf Anschauungen beziehen. Denn Denken heißt urteilen, daß diese Anschauung unter diesen oder jenen Begriff subsumiert werden muß. Nun gibt es nach diesem System  reine  und  empirische  Anschauungen. Die empirischen beziehen sich auf den Gegenstand durch Empfindung, und der Gegenstand einer empirischen Anschauung heißt  Erscheinung.  Die Grundlage unserer Erkenntnis sind also Erscheinungen.

Doch laßt uns vielmehr unseren Weltweisen selbst hören. Ich glaube allem Mißverstand umso leichter vorzubeugen, wenn wir seine Lehre mit seinen eigenen Worten vernehmen. Er fängt seine transzendentale Ästhetik mit folgenden Worten an:
    "Auf welche Art und durch welche Mittel sich auch immer eine Erkenntnis auf Gegenstände beziehen mag, so ist doch diejenige, wodurch sie sich auf dieselbe unmittelbar bezieht, und worauf alles Denken als Mittel abzweckt, die Anschauung. Diese findet aber nur statt, insofern uns der Gegenstand gegeben wird; dies aber ist wiederum nur dadurch möglich, daß er das Gemüt auf gewisse Weise affiziert. Die Fähigkeit, (Rezeptivität) Vorstellungen durch die Art, wie wir von Gegenständen affiziert werden, zu bekommen, heißt  Sinnlichkeit.  Mittels der Sinnlichkeit also werden uns Gegenstände gegeben, und sie allein liefert uns Anschauungen; durch den Verstand aber werden sie gedacht, und von ihm entspringen Begriffe. Alles Denken aber muß sich - sei es geradezu (direkt) oder im Umschweif (indirekt) - zuletzt auf Anschauungen, mithin bei uns auf Sinnlichkeit beziehen, weil uns auf andere Weise kein Gegenstand gegeben werden kann."

    "Die Wirkung eines Gegenstandes auf die Vorstellungsfähigkeit, sofern wir von demselben affiziert werden, ist  Empfindung.  Diejenige Anschauung, welche sich auf den Gegenstand durch Empfindung bezieht, heißt  empirisch.  Der unbestimmte Gegenstand einer empirischen Anschauung heißt  Erscheinung."  (Kr. d. r. V., 1781, Seite 19)

§ 3. Bemerkungen über die in § 2.
angeführte kantische Stelle.

Es verdient zum einen eine eigene Bemerkung daß Herr Professor KANT sich in dieser und anderen Stellen, statt sich des Ausdrucks  Seele  zu bedienen, sich wider allen Sprachgebrauch da, wo vom Subjekt unserer Erkenntnis die Rede ist, des Ausdrucks  Gemüt  bedient. Bald darauf (Seite 21) wird sogar der äußere Sinn eine Eigenschaft unseres  Gemüts  genannt. Dies zieht eine große Verwirrung nach sich. Denn nach dem Sprachgebrauch verstehen wir unter Gemüt den Sitz unserer Begierden und Gesinnungen. So rede ich z. B. von einem guten, wohlgesinnten, einem rachgierigen und übelwollenden Gemüt. Nie wird dieses Wort von einer Äußerung unseres Erkenntnisvermögens gebraucht. Ich kann auf keine Art einsehen, warum man hier den Sprachgebrauch, wie es scheint, ohne alle Not so offenbar verlassen will; es müßte denn sein, daß der Ausdruck  Seele  zuviel permanentes und selbständiges anzeigt, wo im Gegenteil das Wort  Gemüt  besser zu den Erscheinungen paßt, welchen kraft dieses Systems nichts Permanentes zugrunde liegen soll.

Und dann bemerke ich zweitens, daß hier ausdrücklich behauptet wird, daß eine Anschauung nur insofern möglich ist, als uns ein Gegenstand gegeben wird: daß aber dies selbst nur dadurch weiterhin möglich ist,daß der gegebene Gegenstand das Gemüt auf eine gewisse Art affiziert: daß die Sinnlichkeit die Fähigkeit darstellt, durch die Art, wie wir von Gegenständen affiziert werden, Vorstellungen zu erhalten. Nach dem kantischen System, kraft sowohl dieser als auch anderer Stellen wird also
    1) das Dasein äußerer Gegenstände behauptet, und
    2) sogar ihre Einwirkung auf uns nicht geleugnet.
Es gibt demnach wirksame Gegenstände außerhalb von uns, und eine solche ausdrückliche Behauptung vom Dasein derselben scheint dem von mir angedichteten System einer totalen Subjektivität durchaus zu widersprechen. Die Verteidiger dieses Systems unterlassen es auch auf keine Art, diejenige, welche ihre Lehre beschuldigen, daß sie das Dasein äußerer Gegenstände samt aller Erfahrung aufhebt, durch diese und ähnliche Stellen zu widerlegen. - Wer hat hier Recht?

Laßt uns nicht durch die Worte täuschen, laßt uns den Sinn dieser Worte, samt dem Zusammenhang mit anderen Grundsätzen erforschen. Wir werden sogleich erfahren, daß von einer anderen Seite alles wieder genommen wird, was man uns von dieser Seite gegeben hat.


§ 4. Inwiefern gibt es nach der
kantischen Lehre Gegenstände außerhalb von uns?

Die Anschauungen sind dem kantischen System zufolge die Grundlage unserer gesamten Erkenntnis. Der Gegenstand einer empirischen Anschauung (denn von reinen Anschauungen will ich hier gar nicht sprechen) ist nach Seite 20 keine andere als  Erscheinung.  Nur Erscheinungen können empirisch angeschaut werden. Die Erscheinungen allein sind die wahre Grundlage unserer Erkenntnis. Was keine Erscheinung ist, kann unmöglich ein Gegenstand einer empirischen Anschauung sein. Die Gegenstände der Anschauungen sind also nur insofern außerhalb von uns wahrhaft, und im objektiven Sinn vorhanden, wie es außerhalb von uns befindliche wirksame Erscheinungen gibt, wie diese Erscheinungen selbst etwas reelles sind, wie diese Erscheinungen etwas mehr als unsere Vorstellungen sind. Von den Erscheinungen nimmt zwar KANT an, daß sie außerhalb von uns sind, daß sie auf uns wirken: aber damit ist es noch lange nicht getan. Es kommt nicht bloß darauf an, ob etwas außer uns ist, sondern es fragt sich vielmehr, inwiefern das, was außer uns zu sein scheint, selbst eine für sich bestehende Realität hat. Es kommt darauf an, genau zu wissen, wieviel an den Erscheinungen real ist. Denn wenn diese selbst keinen objektiv gültigen Grund haben, so ist es eben so viel, als ob unsere gesamte Erkenntnis keinen Grund hätte. Wenn also nun das kantische System keine totale Subjektivität der Anschauungen behaupten soll, so kommt es auf die Beantwortung folgender Fragen an: liegt bei der Erscheinung wirklich etwas zugrunde, das keine Erscheinung, das etwas mehr als unsere Vorstellung ist, das eine von dieser unabhängige abgesonderte Existenz hat? gibt es Dinge, welche, ohne selbst Erscheinungen zu sein, diese Erscheinungen hervorbringen? Wie müssen diese Fragen nach anderen weiteren kantischen Grundsätzen beantwortet werden?


§ 5. Nach dem kantischen System sind die
Erscheinungen etwas ganz subjektives.

Erster Beweis

Die Erscheinungen, auf welche sich alle übrigen beziehen, ohne welche sie gar nicht möglich sind, wovon alle übrigen Erscheinungen nur Modifikationen sein sollen, sind, daß sie außer und nebeneinander sind, daß aufeinander folgen und sich verändern. Folglich bestehen alle Erscheinungen in der Ausdehnung, Figur, Undurchdringlichkeit, Folge, Veränderung und Bewegung. Nach dem kantischen System ist dies alles subjektiv, wir haben keine objektive Gewißheit, daß die Dinge, welche uns erscheinen, wirklich auseinander sind, daß sie sich verändern: dies alles ist nach diesem System nicht objektiv wahr. Es sind bloße Vorstellungen unseres Gemüts. Hier sind die beweisenden Stellen:
    1) "Jener Raum selber aber, samt dieser Zeit und zugleich mit beiden alle Erscheinungen sind doch ansich keine Dinge, sondern nichts als Vorstellungen, und können gar nicht außerhalb unseres Gemüts existieren, und selbst die innere und sinnliche Anschauung unseres Gemüts, (als Gegenstand des Bewußtseins) dessen Bestimmung durch die Sukzession verschiedener Zustände in der Zeit vorgestellt wird, ist auch nicht das eigentliche selbst, so wie es ansich existiert, oder das transzendentale Subjekt, sondern nur eine Erscheinung, die der Sinnlichkeit dieses uns unbekannten Wesens gegeben wurden. Das Dasein dieser inneren Erscheinung, als eines so ansich existierenden Dinges, kann nicht eingeräumt werden, weil ihre Bedingung die Zeit ist, welche keine Bestimmung eines Dings-ansich sein kann." (Kr. d. r. V., Seite 492)

    2) "Es sind demnach die Gegenstände der Erfahrung niemals ansich, sondern nur in der Erfahrung gegeben, und existieren außerhalb derselben gar nicht. - Uns ist wirklich nichts gegeben als die Wahrnehmung, und der empirische Fortschritt von dieser zu anderen ähnlichen Wahrnehmungen. Denn ansich sind die Erscheinungen als bloße Vorstellungen nur in der Wahrnehmung wirklich, die in der Tat nichts anderes ist, als die Wirklichkeit einer rein empirischen Vorstellung, d. h.  Erscheinung.  Vor der Wahrnehmung eine Erscheinung ein wirkliches Ding nennen, bedeutet entweder, daß wir im Fortgang der Erfahrung auf eine solche Wahrnehmung treffen müssen, oder es hat gar keine Bedeutung. Daß sie ansich, ohne Beziehung auf unsere Sinne und mögliche Erfahrung, existiert, könnte allerdings gesagt werden, wenn von einem Ding-ansich selbst die Rede wäre. Es ist aber bloß von einer  Erscheinung,  wie Raum und Zeit, die beides keine Bestimmungen der Dinge-ansich, sondern nur unserer Sinnlichkeit sind, die Rede; daher das was in ihnen ist (Erscheinungen), nicht ansich etwas, sondern bloße Vorstellungen sind, die, wenn sie nicht in uns (in der Wahrnehmung) gegeben sind, überall nirgends angetroffen werden." (Kr. d. r. V., Seite 493)

    3) "Wir haben in der transzendentalen Ästhetik hinreichend bewiesen, daß alles, was im Raum oder der Zeit angeschaut wird, mithin alle Gegenstände einer uns möglichen Erfahrung, nichts als Erscheinungen, d. h. bloße Vorstellungen sind, die, so wie sie vorgestellt werden, als ausgedehnte Wesen, oder Reihen von Veränderungen, außerhalb unserer Gedanken, keine ansich gegründete Existenz haben. Diesen Lehrbegriff nenne ich den transzendentalen Idealismus." (Kr. d. r. V., Seite 490)

    4) "Aber eben darum sind Raum und Zeit auch nicht etwas, was an den Gegenständen selbst haftet, sondern sie sind bloße subjektive Vorstellungen in uns. Das Sein im Raum und in der Zeit, mithin auch die Ausdehnung, Undurchdringlichkeit, Folge, Veränderung und Bewegung, sind also gar nicht Eigenschaften, die den Eigenschaften selbst und ansich zukommen, sondern Vorstellungen in unseren Gedanken, die lediglich an der Natur unserer Sinnlichkeit haften. Daher kennen wir die Dinge bloß so, wie sie uns erscheinen, d. h. wir kennen bloß die Eindrücke, die sie auf unsere sinnliche Vorstellungsfähigkeit machen. Was sie dagegen ansich sind, oder was für Vorstellungen sich etwa andere vernünftige Wesen von ihnen machen, ist uns gänzlich unbekannt." (Schulz, Erläuterungen, Seite 204)
Aus diesen soeben angeführten Stellen ist es unleugbar, daß nach dem kantischen System alle Erscheinngen bloße Vorstellungen sind. Daß sogar die Koexistenz der Dinge, die Sukzession aller Veränderungen, alle möglichen Veränderungen selbst nichts Objektives, sondern bloße Vorstellungen unseres Gemüts sind: daß wir auf keine Art behaupten können, daß es außer den Erscheinungen Dinge-ansich gibt, welche wirklich koexistieren, welche sich wirklich verändern. Selbst unser eigenes Dasein ist kraft des ersten Zitats ein bloßer Gedanke, der keine objektive Realität hat. - Und nun, wenn dies alles ist, so nenne mir doch jemand eine Anschauung oder Erscheinung die nicht bloß subjektiv wäre! Wo ist nun der reale Gegenstand, das verborgene Subjekt dieser Erscheinungen, welches der ausschließende Gegenstand unserer Anschauungen ist?


§ 6. Zweiter Beweis

Wenn die Erscheinungen etwas mehr als bloße Vorstellungen wären, so läge vielleicht der Grund darin, daß wir bei allen Erscheinungen etwas reales und substantielles annehmen und voraussetzen. Dem kantischen System nach suchen wir zwar bei allen Erscheinungen etwas, das keine Erscheinung ist, wir erkennen wirklich das Dasein solcher Dinge: aber das alles tun wir bloß kraft einer ganz subjektiven Verstandesregel, um in die so mannigfaltigen Erscheinungen Einheit und Zusammenhang zu bringen: wir haben aber kraft dieser Regel keine objektive Gewißheit vom realen Dasein dieser Dinge. Ihre Existenz ist ebenfalls nur eine ideale Existenz. Wir wissen bloß, daß wir sie annehmen müssen. Wir stellen uns zwar vor, daß es solche unbekannte Kräfte unter der Hülle der Erscheinungen gibt, aber darum sind sie nicht wirklich. (1) Wir können zumindest ihr Dasein auf keine Art beweisen: für uns sind sie soviel, als ob sie gar nicht wären, weil sie nicht in Zeit und Raum erscheinen, weil folglich ebensowenig keine einzige Kategorie und Begriff auf sie kann angewendet werden. Dies also, daß wir kraft einer uns gegebenen subjektiven Verstandesregel das Dasein dieser nichtsinnlichen Gründe der Erscheinungen annehmen müssen, beweist auf keine Art ihr reales wirkliches Dasein. Dies also, daß wir kraft einer uns gegebenen subjektiven Verstandesregel das Dasein dieser nichtsinnlichen Gründe der Erscheinungen annehmen müssen, beweist auf keine Art ihr reelles wirkliches Dasein. Es ist nicht objektiv wahr, daß es solche Kräfte gibt. Es ist Folge dieser unserer gegenwärtigen Subjektivität; wir haben für dieses Dasein zureichende subjektive, aber gar keinen objektiven Gründe. Wenn wir nun das Dasein dieser nichtsinnlichen Gründe der Erscheinungen bloß subjektiv erkennen, so ist es ein bloßes Wortspiel, wenn in der oben (§ 2.) angeführten kantischen Stelle von einem Dasein äußerer Gegenstände, von ihrer Einwirkung auf unser Gemüt, von Erfahrung gesprochen wird. Denn alle Gegenstände der Anschauungen, welche als wirkend angenommen werden, sind Erscheinungen. Diese Erscheinungen selbst sind Vorstellungen unseres Gemüts, keine Dinge-ansich (§ 5. Nr. 1, 2, 3) ja wir wissen so gar nicht einmal, ob sie außerhalb der Vorstellung eine reale abgesonderte Existenz haben. Es geht also alles in uns selbst vor: selbst die Gründe, welche wir bei den Erscheinungen noch weiter suchen, das transzendentale Objekt, nehmen wir bloß kraft einer subjektive Verstandesregel an, damit wir etwas haben, woran wir uns halten können, welches der Sinnlichkeit als einer Rezeptivität korrespondiert. Kurz: diese äußeren wirksamen Gegenstände sind abermals ganz subjektiv, wir erkennen ihr Dasein auf keine Art objektiv. Folglich sind die Gegenstände unserer Anschauungen, die Anschauungen selbst, und mit diesen die Grundlage unserer ganzen Erkenntnis ganz subjektiv.


§ 7. Dritter Beweis

Vielleich soll der (§ 6.) angeführte Beweis dadurch entkräftet werden, daß die Gegner behaupten, daß sie das Dasein nicht-sinnlicher Gründe der Erscheinungen keineswegs leugnen, daß sie es bloß bezweifeln, weil uns die Beweise mangeln: daß es kraft dieses Zweifels noch immer sehr möglich bleibt, daß es solche übersinnliche Gegenstände gibt. Ich antworte 1) woher fehlen uns denn alle Beweise? Wie kann man dies behaupten? Ist denn das so ausgemacht richtig, daß alles was nicht in Zeit und Raum erscheint, für uns kein erweisliches Dasein hat? und wenn das auch so ausgemacht sein sollte, gibt es denn gar keinen anderen Gründe? Ist dies nicht Beweis genug, daß, wenn es keine übersinnlichen Gründe der Erscheinungen gibt, diese Erscheinungen außerhalb der Seele und unserer Vorstellungen gar keinen Grund haben? daß folglich unsere ganze Erkenntnis subjektiv ist? daß sodann alle ungereimten Folgen eintreten würden, welche ich in meiner Schrift "Über den Grund und die Gewißheit unserer Erkenntnis" einer totalen Subjektivität entgegengestellt habe? Wer kann diese Folgen annehmen? und wenn er dies nicht kann, wie kann er behaupten, daß wir keine Beweise für das objektive Dasein solcher Gegenstände haben? Ist es nicht genug, daß selbst das kantische System die Notwendigkeit erkennt, kraft welcher wir, wenn wir zu einem einigen Grund unserer Erkenntnis gelangen wollen, durch eine illusorische Subreption [Erschleichung - wp], dieses Dasein als objektiv ansehen müssen? Wenn dieser Gedanke so notwendig ist, daß es ohne einen solchen gar nicht möglich ist, Einheit und Zusammenhang in unsere Vorstellungen zu bringen, warum verhält es sich nicht wirklich so? Was nutzt uns diese Jllusion, wenn wir sie als solche erkennen? Wenn es möglich ist, daß sie nichts weiter als Jllusion ist? Welche höhere Gewißheit und Beruhigung haben wir dadurch erhalten? und wenn diese Vorstellung etwas mehr als eine bloße Jllusion ist, warum nennt man sie eine bloß subjektive Verstandesregel? Warum bezweifelt man ihre objektive Realität?

Wir wollen aber auch 2) annehmen, daß wir das objektive Dasein der weiteren Erscheinungsgründe gar nicht beweisen können. Wir wollen sehen, wohin uns diese Behauptung führen wird. Wenn es also so ist, daß uns die Beweise mangeln, so haben wir entweder gar keine Gründe für dieses Dasein, oder wir haben ebensoviele und ebenso starke Gründe das Gegenteil zu behaupten. Das erste ist falsch: denn ich habe soeben kurz vorher einige entscheidende Gründe für dieses Dasein angeführt. Wir sind sodann genötigt, eine totale Subjektivität, und mit dieser eine Heer von den unleugbarsten Ungereimtheiten und Widersprüchen, mit andern von uns selbst als wahr erkannten Grundsätzen anzunehmen. Oder soll dies gar nichts beweisen? Ist das zweite: so ist es dem kantischen System nach zumindest zweifelhaft, daß es Noumena gibt. Es ist ebenso möglich, daß es deren keine gibt: und wenn das so ist, so ist daoch so viel unleugbar, daß es Erscheinungen gibt. Wenn es Erscheinungen gibt, so läßt sich mit Grund fragen, haben diese Erscheinungen einen Grund? Sie sind da, das ist es, was wir mit Gewißheit erkennen. Sie sind Gegenstände unserer Anschauungen; auch das wissen wir gewiß. Oder soll auch dies nichts weiter als Erscheinung sein, daß wir Anschauungen und Erscheinungen haben? wo ist dann der Grund derjenigen Erscheinung, welche den letzten Grund aller übrigen enthalten soll? oder gibt es gar keinen letzten Grund, keine Grunderscheinung? Wollen wir beständig eine weitere und sodann noch eine entferntere annehmen, die sich in einer noch weiteren Erscheinung und so fort bis in das Unendliche gründet? - Hier verzögern wir zwar die Auflösung, wir weichen der Frage bloß aus, aber wir wissen nicht mehr, als das, was wir zu Beginn wußten. Eine solche Antwort ist folglich gar keine Antwort. Haben die Erscheinungen keinen Grund, so hat unsere ganze Erkenntnis keinen Grund. Es gibt weder ein Subjekt, welches erkennt, noch ein Objekt, welches erkannt wird. Welche Ungereimtheit ist mit dieser zu vergleichen? Die Erscheinungen müssen also einen Grund haben.

Haben aber diese Erscheinungen einen Grund, und dieser soll nicht erneut in einer unendlichen Reihe auseinander entstehender grundloser Erscheinungen gesucht werden; so muß dieser Grund entweder ganz allein in der Seele, oder in Gegenständen außerhalb der Seele, die keine Erscheinungen sind oder in beiden zugleich gesucht werden. Außer diesen gibtes keinen möglichen vierten Grund. Ist das erste der Fall, so sind alle Erscheinungen und folglich alle Anschauungen ganz subjektiver Natur und doch werden sie nach Seite 20 der Kr. d. r. V. als außerhalb der Seele befindlich, als äußerliche Gegenstände der Anschauungen angenommen, als Gegenstände, durch welche die Erfahrung möglich wird. Das kantische System, das die Erfahrung nicht ganz leugnet, welches die totale Subjektivität der Anschauungen zu leugnen scheint, würde sich hier widersprechen. Wenn nun aber die totale Subjektivität nicht die kantische Lehre sein soll, so sind nur die beiden anderen Fälle möglich: der Grund aller Erscheinungen liegt dann ganz allein in äußerlichen Dingen, die keine Erscheinungen sind, oder in diesen und in der Seele zugleich. Beide setzen das Dasein solcher äußerlichen übersinnlichen Gegenstände als eine Grundwahrheit voraus. Es ist also in diesem Fall gewiß, daß es solche Gegenstände gibt. Warum also zweifeln, warum leugnen, daß es deren gibt? Wenn man hier zweifelt oder leugnet, was bleibt anderes übrig als eine totale Subjektivität?

Das kantische System, und mit ihm jeder Skeptizismus, hat also keine Wahl. Es muß sich von nun an zu einer von folgenden drei Meinungen bekennen. Es muß entweder annehmen,  daß alle Erscheinungen gar keinen, folglich weder einen objektiven noch subjektiven Grund haben: oder es muß behaupten, daß der Grund aller Erscheinungen ganz allein in der Seele liegt, daß folglich unsere ganze Erkenntnis total subjektiv ist; oder schließlich, wenn es keines von diesen beiden will, so ist das reale Dasein übersinnlicher Gründe der Erscheinungen keine problematische, sondern eine apodiktisch [logisch zwingend, demonstrierbar - wp] erwiesene Sache.  Wir haben streng beweisende Gründe für dieses Dasein; und es muß folglich falsch sein, daß nur dasjenige für uns reales Dasein hat, was wir in Zeit und Raum erkennen. Daraus kann sich der Leser schon im Voraus belehren, worin sich die Notwendigkeit gewisser Vernunftwahrheiten gründet, die nach dem kantischen System ganz subjektiv sein soll. Dieser Zwang ist die Folge des Widerspruchs mit anderen schon angenommenen, als wahr erkannten Sätzen. Wenn diese ersten Sätze willkürlich angenommen sind, so ist die Wahrheit wie auch die Falschheit der späteren Sätze bedingt, und der Zwang sie als solche anzuerkennen ebenfalls bedingt. Wenn aber in der Erkenntnis ein absoluter fixierter Punkt ist, so gibt die Beziehung auf diesen ganz allein, das was ansich wahr oder falsch ist. Diese Beziehung, dieser Widerspruch und die Übereinstimmung mit diesem unumstößlichen Grundsatz wirkt den Zwang und die Notwendigkeit, eine Meinung zu verwerfen, oder ihr seinen unbedingten Beifall zu schenken.

Wenn nun jedes skeptische System durch das vorhergehende so weit gebracht ist, daß er nur unter den drei obigen Fällen zu wählen hat; so liegt uns hier vor allen übrigen Systemen daran, daß wir genauer wissen, auf welche Seite sich die kantische Schule neigen und bestimmen wird. - Daß die Erscheinungen weder in noch außerhalb der Seele, folglich gar keinen Grund haben, ist eine zu ungereimte Behauptung, als daß man sie dem so konsequenten kantischen System zur Last legen sollte, denn, daß der Satz, daß alles seinen Grund hat, bloß eine subjektive Verstandesregel ist, führt noch nicht dahin; man müßte nur annehmen, daß die Verstandesregeln selbst keinen Grund haben. Daß ferner der Grund der Erscheinungen in nicht-sinnlichen Gegenständen, mit oder ohne Zutun der Seele zu suchen ist, ist wider die ausdrückliche Lehre des Systems, in welchem das Dasein solcher Gegenstände als unerweislich angegeben wird. Es bleibt also nichts übrig, als was ich beweisen wollte - eine totale Subjektivität aller Erscheinungen, die noch dazu im Widerspruch mit anderen Behauptungen dieses Systems steht. Es gibt nicht-sinnliche Gegenstände, welche der Grund aller Erscheinungen sind, oder diese Erscheinungen sind ganz subjektiv, und die Unmöglichkeit einer totalen Subjektivität ist der beste Beweis für das objektive Dasein solcher Wesen, welche keine Erscheinungen sind.

Ich sehe vorher ein, was man einwenden wird. Man wird diesen Beweis unzureichend finden, für das Dasein solcher Wesen, die keine Anschauungen sind. Man will den subjektiven Zwang nicht fühlen, der uns nötigt, aus solchen Prämissen auf eine so heterogene Folge zu schließen. Man will nicht einsehen, woher dieser Zwang entstehen soll. - Ich antworte: dieser Zwang entsteht daher, daß wir, wenn wir keine solche nicht-sinnlichen Gründe der Erscheinungen annehmen wollen, zwei offenbare Absurda, die wir selbst als solche erkennen, nun auf einmal als ausgemachte Wahrheiten annehmen müssen: und ich setze voraus, daß wir dies nicht wollen. Wir müssen zugeben, was KANT selbst nicht zugibt, entweder eine totale Subjektivität oder eine gänzliche Grundlosigkeit aller Erscheinungen, und folglich unserer gesamten Erkenntnis. Das Dasein nicht-sinnlicher Wesen ist also bewiesen, der Verstand kann seinen Beifall nicht verweigern, wenn er nicht durch andere Scheingründe oder Trugschlüsse zurückgehalten wird, welche die Wirkung der ersten Gründe aufheben oder schwächen. Er muß dieses Dasein als apodiktisch (unwiderlegbar - wp] erwiesen anerkennen, solange er diese beiden Sätze, welche als Folgen dieses Zweifels dargestellt werden, als falsch und ungereimt verwirft. Freilich, sobald man sich entschließen kann, die eine oder die andere dieser Folgen als eine ausgemachte Wahrheit anzunehmen; so ist dieser Beweis weniger konkludent [schlüssig - wp], denn der Widerspruch, und mit ihm der subjektive Zwang, fallen gänzlich weg. Dann verändert sich auch der Zustand der Frage, und die oben angeführten Gründe gegen eine totale Subjektivität sind das einzige, was man entgegenstellen kann. Aber, solang man eine totale Subjektivität leugnet, solange man vor den Folgen derselben zurückschaudert, so lange ist mein oben geführter Beweis so streng beweisend, wie jede Demonstration des EUKLID. Es führt auf den nämlichen Grundsatz, auf den Satz des Widerspruchs zurück: es gründet sich wie jene, auf der Unvereinbarkeit mit einer schon als wahr erkannten Meinung, und wenn dies so ist, so muß auch der kantische Grundsatz, auf welchen das ganze System gebaut ist, daß alles, was kein Gegenstand der Anschauung ist, kein Gegenstand unserer Erkenntnis sein kann, ebenfalls falsch sein, wie ich solches später noch deutlicher zeigen werde. Denn es gibt kraft meines Beweises, solange die totale Subjektivität geleugnet wird, notwendig Wesen, die keine Erscheinungen sind. Wir erkennen das Dasein solcher Dinge mit der beruhigendsten und vollsten Überzeugung. Es muß also außer der sinnlichen Anschauung noch andere Mittel geben, sich das objektive Dasein diesr Gegenstände zu versichern. Es muß Mittel geben, wodurch wir zu ihrer Erkenntnis gelangen.

Um dies zu bewirken, wende ich mich zu einer genaueren Untersuchung der Anschauungen, und weil die Gegenstände der Anschauungen Erscheinungen sind, so untersuche ich die Natur dieser letzteren. Dadurch sollen wir in den Stand gesetzt werden, die Natur jener zu bestimmen.
LITERATUR - Adam Weishaupt, Über die kantischen Anschauungen und Erscheinungen, Nürnberg 1788
    Anmerkungen
    1) Denn obgleich ich in meiner Idee etwas annehmen müßte, um etwas anderes zu begreifen, so würde doch die Existenz dessen, was ich angenommen habe, noch gar nicht erwiesen sein, weil ich kein einziges Prädikat mit Gewißheit von diesem Ding aussagen und es also gar nicht als ein bestimmtes Objekt angeben kann. Zum Beispiel wenn ich annehmen muß: Eine jede Erscheinung setzt etwas voraus, was der Erscheinung zugrunde liegt; so habe ich doch dadurch von dem zugrunde liegenden Objekt nicht den mindesten Begriff, und muß es eben deshalb "als eine bloße Idee betrachten, die in meinem Verstand existiert, dessen äußere Existenz ich aber durch nichts erweisen kann. Das Prinzip ist bloß regulativ, nicht konstitutiv." (MOSES MENDELSSOHN, Morgenstunden, Seite 170) - - -
    Die nichtsinnliche Ursache dieser Vorstellungen ist uns gänzlich unbekannt, und diese können wir daher nicht als Objekte anschauen. Denn dergleichen Gegenstand, würde weder im Raum noch in der Zeit (als bloßen Bedingngen der sinnlichen Vorstellung) vorgestellt werden müssen, ohne welche Bedingungen wir uns gar keine Vorstellung denken können. "Indessen können wir die bloß intelligible Ursache der Erscheinungen überhaupt das transzendentale Objekt nennen, bloß damit wir etwas haben, was der Sinnlichkeit als eine Rezeptivität korrespondiert." (Kr. d. r. V., Seite 494) ---
    "Allein, auch wenn wir zureichende subjektive Gründe haben, gewisse nicht sinnliche Gegenstände vorauszusetzen, ohne welche ihr Dasein aus objektiven Gründen gar nicht bewiesen werden kann; so können wir gleichwohl keinen von unseren Begriffen, in seinem eigentlichen Sinn genommen, auf dieselben anwenden, und uns also gar nicht rühmen, daß wir die mindeste Erkenntnis davon haben, wie sie ansich beschaffen sein mögen, sondern alles, was hier übrig bleibt, besteht darin, daß wir ihre Verhältnisse gegen die sinnlichen Dinge, analogisch, nach den Verhältnissen, welche sinnliche Dinge gegeneinander haben, zu bestimmen suchen." (Schultz, Erläuterungen, Seite 222)