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Kritische Bemerkungen über die Lehre vom Hypnotismus [4/4]
2) gegen die Ausdehnung des Begriffs der Suggestion und die darauf beruhende Beobachtungsmethode VOGTs; endlich 3) gegen seine Meinung über das Wesen des hypnotischen Schlafes und speziell der partiellen Wachzustände als hypnotischer Zustände. Bevor wir das zweite Bedenken erläutern, das wir gegen die Anschauungen VOGTs aufstellen zu müssen glauben, referieren wir zunächst die Arbeiten, die zur Theorie der Hysterie Beiträge geliefert haben. In erster Linie ist hier eine psychologische Studie LANDMANNs (138) zu nennen, der die von PIERRE JANET (139) aufgestellte Theorie der Hysterie bekämpft. JANET und LASÉGUE hatten den Geisteszustand der Hysterischen durch Zerstreutheit und Gleichgültigkeit gekennzeichnet und die Wurzel der Hysterie in der "Ich-Wahrnehmung" gesucht. Nach ihnen wird das Ich-Bewußtsein aus den Bewußtseinselementen gebildet, die gleichzeitig in der Seele vorhanden sind. Je beschränkter das Bewußtseinsfeld, desto mehr gewöhnen sich die Kranken, gewisse Empfindungen unter der Schwelle des Bewußtseins liegen zu lassen, weil sie sich nicht in das Ich-Bewußtsein aufnehmen können. Die hysterischen Anästhesien enstehen also nach JANET dadurch, daß die psychologisch vorhandenen Elementarempfindungen zwar erfaßt, aber nicht mehr in das Ich-Bewußtsein aufgenommen werden; ferner durch Schwäche und Gleichgültigkeit, wodurch die Patienten das Interesse und die Aufmerksamkeit für ihre Empfindungen einbüßen. Gegen diese Auffassung wendet sich LANDMANN, indem er darauf aufmerksam macht, daß die Analyse der seelischen Vorgänge 3 Bestandteile aufzeige, nämlich den Inhalt einer Vorstellung, das Bewußtsein dieses Inhaltes und das Bewußtsein der dabei stattfindenden Tätigkeit. Die Lokalisation des Inhaltes der Vorstellungen verlegt LANDMANN in die subkortikalen Gehirnganglien, das Bewußtsein der Vorstellungsinhalte dagegen ebenso wie das Bewußtsein der Vorstellungstätigkeit in die Großhirnrindenzellen. Der Vorstellungsakt entsteht also nach ihm normalerweise dadurch, daß diejenigen Hirnrindenzellen, von denen der Inhalt der Vorstellungen bewußt gemacht wird, mit denen verbunden sind, von denen die Vorstellungstätigkeit bewußt gemacht wird. Eine hysterische Anästhesie [Bewußtseinstrübung - wp] kann demnach durch dreierlei Störungen zustande kommen:
2) die Empfindungstätigkeit wird nicht bewußt; dann weiß man nicht, daß man fühlt; 3) beide werden nicht bewußt; dann fehlt jedes Zeichen einer Empfindung. Während LANDMANN die von JANET inaugurierte [eingeführte - wp] Auffassung der Hysterie bekämpft, haben RANSCHBURG und HAJÓS (140) Veranlassung genommen, die JANETsche Theorie zu bestätigen. Nach ihren Ausführungen sind die hysterischen Anästhesien und Amnesien Folgezustände der Einengung des Ich-Bewußtseins, welche sich aufgrund einer absoluten oder relativen Verminderung der assoziativen Energie einstellt. Im Gegensatz dazu bemerkt DÖLLKEN (141), daß für das Zustandekommen, der Amnesie der Hypnotisierten nicht die Assoziationsstörung, sondern vielmehr die Perzeptionsverminderung als wesentlich angesehen werden müsse, da ja sonst auch die Paranoiker amnestisch sein müßten. Zugleich bezeichnet er als einen Fortschritt in der Theorie der Hysterie die Erkenntnis, daß dieser Erkrankung nicht eine allgemeine reizbare Schwäche des Nervensystems, wie früher angenommen, zugrunde liege, sondern vielmehr nur eine Schwäche gewisser Teile, verbunden mit einer kompensatorischen Übererregbarkeit anderer Teile des Nervensystems, eine Tatsache, auf die auch die Erscheinung der elektiven Suggestibilität zurückzuführen ist. Auch nach der von VOGT gegebenen, oben ausführlicher dargestellten Theorie entstehen die hysterischen Anästhesien durch Herabsetzung der Erregbarkeit der betreffenden Zentren in Folge von Anämie [Blutarmut - wp] sind also als partielle Schlafzustände des Gehirns aufzufassen; während bei der Katalepsie [Bewegungsstarre - wp] eine Stauung der Neurokyme [Nervenwellen - wp] durch Verminderung der kortikalen Ableitung postuliert wird. Wir treten nunmehr in die Besprechung des wichtigsten Punktes der Lehre vom Hypnotismus ein, von dem die zukünftige Bedeutung dieser wissenschaftlichen Disziplin fast ganz und gar abhängig ist: wir meinen die Definition des Begriffs der Suggestion und die Auffassung ihres eigentlichen Wesens. Der Bedeutung des Gegenstandes entsprechend wollen wir auf diesen Punkt ein wenig ausführlicher eingehen. Eine der wesentlichsten Sünden der Vertreter der hypnotistischen Wissenschaft besteht darin, daß sie den Begriff der Suggestion zu weit fassen. So definiert, um einige Beispiele herauszugreifen, BÉRILLON (142): "La suggestion est l'art d'utiliser l'aptidude que présente un sujet à transformer l'idée recue en acte"; und er gründet darauf die Prinzipien einer neuen Suggestiv-Pädagogik, die wir an anderer Stelle (143) bereits ausführlicher abgelehnt haben. STOLL (144) geht von der Auffassung aus, daß die Suggestion nichts weiter sei, "als eine Idee, eine Vorstellung, die in uns durch verschiedene Mittel seitens der organischen und unorganischen Außenwelt wachgerufen wird und die nun den Ausgangspunkt für weitere Denkprozesse für uns bildet, ohne daß uns dieser ursächliche Zusammenhang stets klar zu Bewußtsein kommt." Von diesem Standpunkt aus fällt es dem Autor natürlich leicht, die ganze Entwicklung und Geschichte der Menschheit, die Wundertaten Christi ebenso wie die Gewohnheit des Tabakgenusses, auf Suggestion zurückzuführen. Auch TYKO BRUNNBERG (145), der den Hypnotismus als pädagogisches Hilfsmittel empfiehlt, erklärt, "das ganze psychische Geschehen als eine zusammenhängende Reihe natürlicher Suggestionen". Jedoch sind die Autoren, die den Begriff der Suggestion in der Definition bereits so weit fassen, daß sie die Erzeugung jeder Wahrnehmung oder Vorstellung durch äußeren Anlaß darunter verstehen, immerhin in der Minderzahl. Für sie ist, wie LIPPS mit Recht bemerkt, das Wort Suggestion zu einem schädlichen Modewort geworden. Wir werden freilich unten nachweisen können, daß auch die große Mehrzahl derer, die den Begriff er Suggestion enger definieren, in Wahrheit doch ihren theoretischen Ausführungen sowohl wie ihrem praktischen Vorgehen einen entschieden zu weit gefaßten Begriff der Suggestion zugrunde legen. Das spezifische Merkmal, das nach BERGMANN (146) die Suggestion von den gewöhnlichen Vorstellungen unterscheidet, ist der graduelle Intensitätsunterschied, der zwischen beiden stattfindet: die suggerierte Vorstellung wird mit halluzinatorischer Deutlichkeit erblickt. Zum Beweis dafür, daß die Realisation der Suggestionen lediglich eine Folge ihrer außergewöhnlichen Intensität sei, erinner BERGMANN an die vorzeitigen Reaktionen im Wachzustand, die auch nichts anderes seien, als Halluzinationen oder intensive Vorstellungen, die sich infolge ihrer Intensität von selbst realisieren. Dabei besteht zwischen der physiologischen Halluzination, wie sie in der Hypnose hervorgerufen werden kann und der pathologischen Halluzination ein bemerkenswerter Unterschied. Die physiologische Halluzination kommt zustande durch Hervorrufung einer anderen Vorstellung von großer Intensität und Deutlichkeit, so daß der richtige Eindruck dadurch zurückgedrängt wird; die pathologische Halluzination dagegen resultiert aus der mangelhaften Funktion der peripheren Apparate oder aus Störungen der *Apperzeption. Ein ähnlicher Gedanke scheint auch LIÉBEAULT (147) vorzuschweben, wenn er von einer Verstärkung der Vorstellungen durch Gefühle spricht, gerade wie die Aureole [Lichtkranz - wp] den Kopf, den sie umgibt, stärker hervortreten ließe. Ein anderes Merkmal, das die Suggestion gegenüber anderen seelischen Vorgängen zu charakterisieren geeignet ist, wird von LICHTENSTERN (148) folgendermaßen ausgedrückt: "Suggestion ist die tatsächliche Hervorrufung eines seelischen oder körperlichen Zustandes nur durch Hervorbringungen der Überzeugung, daß er bestehe." Wollte man der von FRIEDMANN (149) entwickelten Theorie folgen, so wäre allerdings diese Überzeugung die unausbleibliche Folgeerscheinung der abnormen Intensität der erweckten Vorstellung. Der Definition von LICHTENSTERNs entspricht ziemlich genau die Definition, die FOREL (150) vom Begriff der Suggestion gegeben hat, wenn er sagt: "Also Suggestion bezeichnet man die Erzeugung einer dynamischen Veränderung im Nervensystem eines Menschen oder in solchen Funktionen, die vom Nervensystem abhängen, durch einen anderen Menschen mittels Hervorrufung der bewußten oder unbewußten Vorstellung, daß jene Veränderung stattfindet oder bereits stattgefunden hat oder stattfinden wird." Eine ausführliche Untersuchung über den Begriff der Suggestion verdanken wir VOGT und LIPPS. VOGT (151) definiert die Suggestion als "eine affektlose Zielvorstellung mit abnorm intensiver Folgewirkung". Als Zielvorstellung bezeichnet er "die Vorstellung vom Auftreten eines ihrem Inhalt nach in der Zielvorstellung enthaltenen psychologischen Vorganges." Die abnorm intensive Folgewirkung beruth nicht auf einer starken Gefühlsbetonung, sondern auf dem Objektinhalt der Zielvorstellung als solcher. Das physiologische Korrelat der Zielvorstellung kann infolge von Einübung wirken, ohne selbst den Intensitätsgrad des Bewußtwerdens zu erreichen. Die Zielvorstellung enthält stets das physiologische Korrelat, den Objektinhalt, auf den sich die Folgewirkung bezieht. Da, wo die Zielvorstellungen eine Hemmung enthalten, ist der Objektinhalt jenes positive Moment, das entweder durch Absorption oder nach dem Modus der Schlafhemmung die Negation erzielt. An einer anderen Stelle gibt VOGT zu, daß es auch affektstarke Zielvorstellungen und Suggestionen gäbe; doch seien die affektiven Suggestionen von den einfachen Gefühlswirkungen zu unterscheiden. Bevor wir diese Auffassung kritisieren, referieren wir zunächst zwei vortreffliche Arbeiten von LIPPS, die dem gleichen Gegenstand gewidmet sind. In einem Vortrag in der Münchner Psychologischen Gesellschaft (152) wendet sich LIPPS gegen WUNDT (153), der die Suggestion auf eine Einengung des Bewußtseins auf die durch Assoziation erregten Vorstellungen zurückführt. Diese Auffassung verwirft LIPPS aufgrund folgender Argumente:
2) alle Vorstellungen werden durch Assoziationen erregt; 3) zwischen passiver und aktiver Aufmerksamkeit (die letztere soll bei der Suggestion lahmgelegt sein) besteht kein Unterschied, da beide Ausfluß unserer Aktivität sind.
- zur Erzeugung von Willensakten: das Bewußtsein vom *Wert eines Objektes oder Gewohnheit. Zur Kritik der von VOGT und LIPPS aufgestellten Definitionen des Suggestionsbegriffes haben wir Folgendes zu bemerken: Wenn VOGT neben der abnormen Intensität der psychophysischen Vorgänge, die wir bereits oben als ein Charakteristikum der Suggestionen erkannt haben, das Auftreten einer Zielvorstellung zum Zustandekommen der Erscheinungen für erforderlich hält, so müssen wir das aus psychologischen Gründen bestreiten. Es mag wohl vorkommen, daß eine solche Zielvorstellung ausnahmsweise im Bewußtsein der Hypnotisierten auftritt und zur Realisation der Suggestionen beiträgt; z. B. wenn sich die Suggestion der Katalepsie verwirklicht, weil der Hypnotisierte infolge der Worte des Hypnotiseurs in Aufregung gerät und fürchtet, der Hypnotiseur könne so große Gewalt über ihn haben, daß er in der Tat diese für ihn unangenehmen und befremdliche Erscheinung hervorrufen könne. Aber solche affektstarken Suggestionen sind, wie VOGT selbst bemerkt, selten. Von diesen Ausnahmen abgesehen, gibt es aber im Bewußtsein der Hypnotisierten keine Zielvorstellungen, ebenso wie wir keine Zielvorstellung in unserem Bewußtsein entdecken könnnen, wenn wir willkürlich den Arm heben. Die Annahme, daß die Zielvorstellungen unbewußt vorhanden sein könnten, müssen wir ebenfalls ablehnen, da unbewußte Vorstellungen für uns eine contradictio in adjecto [Widerspruch insich - wp] sind. Auf dem gleichen Standpunkt scheint übrigens auch VOGT zu stehen, wenn er erklärt, "daß die Supposition [Annahme - wp] von unbewußten oder unterbewußten psychischen Erscheinungen zum Zwecke der Aufüllung der psychischen Kausalreihe unzulässig sei, wenigstens vom psychologischen Standpunkt aus." Die Zielvorstellungen, mit denen vielfach auch die moderne Psychologie arbeitet, indem man sie bei den Willkürbewegungen als einen notwendigen Bestandteil hinstellt, mögen vielleicht logische Postulate sein: psychologischen Beobachtungen entspringen sie nicht. Das Wesentliche der von LIPPS aufgestellten Begriffsbestimmung der Suggestion scheint uns in den "inadäquaten Bedingungen" gelegen zu sein, die nach ihm das charakteristische Merkmal der Suggestionen sind. Auch von SCHRENCK-NOTZING scheint auf das Gleiche hinauszukommen, wenn er von der Abschwächung oder Aufhebung des Einflusses entgegenwirkender Vorstellungsverbindungen spricht. Hiermit ist in der Tat ein neuer Faktor gegeben, der geeignet sein dürfte, die Suggestionen von allen anderen Seelenvorgängen scharf und präzise abzugrenzen. Wenn ich einem Wachen sage, er sei ein Hund und werde auf allen Vieren im Zimmer umherspringen und bellen, so lacht er mich aus, weil seine Urteilskraft ihm die betreffenden Gegenvorstellungen zur Verfügung stellt und ihm beweist, daß er kein Hund ist. Sage ich dagegen das Gleiche einer Somnambulhypnotischen, so wird sich meine Behauptung realisieren. Was ist bei diesem Vorgang wesentlich? Auf Seiten des Hypnotiseurs die Tatsache, daß die aufgestellte Behauptung unmotiviert und unsinnig, der Wirklichkeit widersprechend ist; auf Seiten der Hypnotisierten, daß sie trotzdem in die Wirklichkeit übersetzt wird. Diese beiden Bestandteile sind für das Zustandekommen einer Suggestion im engeren Sinne erforderlich: eine unmotivierte und der gegenwärtigen Wirklichkeit widersprechende Behauptung auf der einen und die Annahme und Ausführung derselben auf der anderen Seite, deren psychische Ursache wir unten erläutern werden. Nur wenn wir an diesem strengen Begriff der Suggestion festhalten, ist dieselbe ein von den sonstigen seelischen Vorgängen abgrenzbares Phänomen. Demnach sind fast alle "Suggestionen", die wir in therapeutischer Beziehung anwenden, überhaupt keine Suggestionen im strengeren Wortsinn. Wenn wir einem Patienten sagen, er solle oder werde sich von jetzt an bemühen, eine vernünftige Lebensweise zu führen, er werde guten Appetit, Schlaf, Stuhlgang haben und sich nach dem Erwachen wohl fühlen, so sind das keine eigentlichen Suggestionen, sondern vielmehr Ratschläge, Ermahnungen, Hoffnungen und Wünsche, die sich auch im wachen Zustand mehr oder weniger realisieren würden, da sie ja durchaus richtig und motiviert sind. Nur die experimentellen Suggestionen, vor deren Anwendung wir am Anfang unserer Arbeit gewarnt haben, sind wirkliche Suggestionen sensu strictori [im weitesten Sinne - wp]. Da wir gesehen haben, daß die Kunst des Hypnotiseurs darin bestehen muß, seine Heil-"suggestionen" möglichst wahrheitsgemäß zu motivieren, so können wir die Behauptung rechtfertigen, daß ein geschickter Hypnotiseur weniger Gebrauch macht von den Suggestionen als vielmehr von psychotherapeutischen Vorstellungen, Ratschlägen und Ermahnungen. Fügen wir hinzu, daß die Realisation der eigentlichen Suggestionen fast ausschließlich auf die tiefen Somnambulhypnosen beschränkt ist und daß diese tiefen Hypnosen, wie oben nachgewiesen, aus ethischen Gründen verwerflich sind, so haben wir unseren Standpunkt in dieser Frage dahin zu präzisieren, daß der therapeutische Hypnotismus weder von einer eigentlichen Hypnose, noch von wirklichen Suggestionen Gebrauch machen dürfe. Eine eingehendere Begründung dieses Standpunktes kann erst weiter unten erfolgen. In guter Übereinstimmung über die soeben von uns entwickelte Ansicht über das Wesen der Suggestion stehen die Definitionen, die WILLIAM HIRSCH (154) und AGATHON de POTTER (155) diesem Begriff gegeben haben. WILLIAM HIRSCH definiert: "Suggestion ist die Erzeugung von Empfindungen, Stimmungen und Vorstellungen, welche sich zu ihren physiologischen Erregern in einem inadäquaten Verhältnis befinden. Unter physiologischen Erregern ist nicht nur der eigentliche, auslösende Reiz, sondern die gesamten Komponenten verstanden, die das physiologische Korrelat einer psychischen Erscheinung in eindeutiger Weise bestimmen. Eine suggerierte Vorstellung ist daher eine induzierte Wahnvorstellung, unterschieden nur durch eine geringere Stabilität." In ähnlichem Sinne definiert AGATHON de POTTER: "Die Suggestion ist nicht ein Akt, durch den eine Idee dem Gehirn eingeführt und von ihm akzeptiert wird, wie *BERNHEIM behauptet hat, sondern das ist Belehrung und Beweis. Man suggeriert vielmehr falsche oder zweifelhafte Ideen, deren Wahrheit möglich, dem Subjekt aber noch nicht bewiesen ist." Wir fügen noch einmal hinzu, daßdas wesentlich für die experimentellen und nur für einen kleineren Teil der therapeutischen Suggestionen Geltung hat, wie oben nachgewiesen wurde. Bevor wir das Kapitel der *Definition der Suggestion verlassen, müssen wir noch an einen Faktor erinnern, der nach unserer Auffassung für das Wesen derselben charakteristisch ist und den wir schon früher erwähnt haben. Man hat behauptet - und nicht ganz mit Unrecht - daß für das Wesen der Suggestiv-Phänomene der psychische Zwang kennzeichnend sei, unter dem sich die Suggestionen dem Gehirn des Hypnotisierten aufdrängen und sich realisieren. Besonders die Nancy'er Schule hat diesen passiven Zwang urgiert [darauf gedrungen - wp] und darin einen charakteristischen Unterschied vom Wachleben gefunden. Indessen müssen wir daran festhalten, daß hierin nicht eine durchgängige Eigentümlichkeit der Suggestionen gegeben sein könne. Wir haben oben den Nachweis erbringen können, daß eine ganze Zahl von Suggestionen therapeutischer und experimenteller Natur sich im Gegenteil dadurch charakterisiert, daß die Aktivität der Hypnotisierten, freilich ohne daß diese sich über diesen Zustand klar zu sein brauchen, zur Realisierung der Suggestionen mit herangezogen wird. Wir hatten gesehen, daß die Suggestion der Vesikation [Blasenbildung - wp] sich nicht in der Weise realisieren kann, daß das psychophysische Korrelat der erweckten Vorstellung eine direkte Wirkung auf die Haut der Hypnotisierten entfaltet, sondern vielmehr nur unter der Bedingung, daß die aktive Mithilfe der betreffenden Versuchsperson nicht unterbunden wird. Wir hatte es wahrscheinlich gemacht, daß auch bei der Realisierung anderer Suggestionen das Gleiche stattfände, so bei der Suggestion des Stuhlganges, der Heilung von Warzen, der Verwandlung der Persönlichkeit etc. Ja, wir können sogar behaupten, daß diese aktive Mithilfe der Patienten in den meisten Fällen unerläßlich und für den Erfolg der Suggestivbehandlung ausschlaggebend ist. Zwar gibt es eine Reihe von Fällen, hauptsächlich bei Somnambulhypnotischen, bei denen es zur Entfernung eines bestehenden Kopfschmerzes, einer Anästhesie [Bewußtseinstrübung - wp] oder irgendeines anderen krankhaften Symptoms genügt, die völlig unmotivierte Suggestion zu geben, das betreffende Symptom sei bereits verschwunden oder werde sofort verschwinden. In den meisten Fällen ist jedoch der Hergang der, daß wir in der Hypnose die Versicherung geben, es werde allmählich eine Besserung der bestimmten Krankheitserscheinungen eintreten. Tritt diese Besserung dann nach relativ kurzer Zeit ein, so glauben wir, daß nicht die Suggestion allein daran schuld sei, sondern daß dieselbe in das gesamte assoziative Milieu des Seelenlebens Eingang gefunden und alle dort verfügbaren Kräfte in den Dienst der gegebenen Suggestivvorstellung gebracht habe. Die Überzeugung, die Hoffnung, der *Glaube, daß die Besserung eintreten werde, wirken dabei zweifellos mit; aber sie wirken nicht so unmittelbar und ausschließlich, wie im erst erwähnten Fall, den wir als den Typus einer echten hypnotischen Suggestion im engeren Sinne bezeichneten. Im Gegensatz dazu möchten wir in der zweiten Art der Realisation der gegebenen Heilvorstellung mehr einen psychotherapeutischen Vorgang erblicken, da es sich um Faktoren handelt, deren Wirksamkeit nicht an den hypnotischen Zustand als solchen gebunden ist. Wir erachten es jedenfalls für geboten, diese beiden Möglichkeiten sowohl in psychologischer, wie in therapeutischer Hinsicht zu unterscheiden. Es schließt sich an diese Erörterung die Auffassung des Begriffes der Suggestibilität, über die eine Einigung unter den Autoren noch nicht erzielt ist. BERGMANN (156) behauptet, die Suggestibilität sei ein Zustand von gesteigerter Intensität der Vorstellungen, ein Überschreiten der psychischen Reizschwelle, jenseits deren die Vorstellung ihren rein psychischen Charakter verliert und sich rein automatisch realisiert. Dabei sei es nicht nötig, wie er behauptet, eine Lähmung von Urteil und Willkür anzunehmen, denn es sei eine Fundamentaleigenschaft des menschlichen *Geistes, Vorstellungen von genügender Intensität unwillkürlich zu *objektivieren. Die Suggestibilität sei also kein spezifischer Bewußtseinszustand. VOGT unterscheidet, was psychologisch von Interesse ist, die Suggestibilität, das heißt die Fähigkeit, Suggestionen zu realisieren, vom Festhalten der suggestiv erzeugten Konstellationsverhältnisse. DÖLLKEN (157) erklärt die Suggestibilität mit JENDRASSIK als eine Zustandsänderung in den assoziativen Bahnen und Zentren. Denn mit der Reizempfänglichkeit nehme auch die Möglichkeit einer quantitativ normalen Verbindung der einzelnen Wahrnehmungen und Vorstellungen, ähnlich wie bei der Ermüdung und dem Genuß von Narkotika, z. B. Alkohol: die Sinne funktionieren normal, während die Assoziationen spärlicher geworden sind. Der Zustand verminderter Empfänglichkeit der Zentren in der Hypnose hat nach DÖLLKEN nicht den Charakter einer Lähmung infolge von Vergiftung oder Ermüdung, sondern es handelt sich, wie JENDRASSIK nachgewiesen hat, nur um eine Aufhebung der Erregbarkeit der verbindenden Elemente, so daß eine Restitution der Nervenelemente nicht stattzufinden brauche. DÖLLKEN fügt hinzu, daß nicht nur die Bahnen in ihrer Erregbarkeit verändert sind, sondern daß auch der Zelltonus [Zellspannung - wp] herabgesetzt oder erhöht sei. LIÉBEAULT (158) setzt die Suggestibilität in Parallele zur Willensschwäche; BÉRILLON behauptet, die Suggestibilität stehe im direkten Verhältnis zur intellektuellen Entwicklung des Subjekts, während WILLIAM HIRSCH den entgegengesetzten Standpunkt vertritt. Diese Gegensätzlichkeit ist leicht verständlich, wenn man, analog der oben gegebenen Auseinandersetzung über das Wesen der Suggestion, auch zwei Arten der Suggestibilität unterscheidet. Im einen Fall, der zumeist in den oberflächlichen und mitteltiefen Hypnosen verwirklicht ist, ist weder die Perzeptionsfähigkeit der Sinnesorgane, noch die höheren seelischen Funktionen des *Urteilens und *Wollens erheblich verändert; häufig tritt sogar geradezu eine Verschärfung dieser Funktionen ein, wie sie ja auch zur Verwirklichung der Heilvorstellungen meist wünschenswert und erforderlich ist. In der tiefen Hypnose dagegen, in der sich unmotivierte Suggestionen verwirklichen, können sämtliche angegebenen Funktionen vermindert bis aufgehoben sein. Am meisten charakteristisch und als spezifisches Merkmal der hypnotischen Suggestibilität im engeren Sinne anzusehen, ist dabei nach unserer Auffassung die Verminderung der Urteilsfähigkeit, die Kritiklosigkeit, die sich im Nichtauftreten der Gegenvorstellungen zeigt. Während wir mit BÉRILLON (159) in der erst erwähnten Art der Suggestibilität im weiteren Sinne einen normalen und psychologisch leicht verständlichen Vorgang erblicken, dessen therapeutische Verwertung wir uns nicht entgehen lassen sollten, obwohl wir ihn freilich nicht als Suggestibilität im engeren Sinne aus hygienischen und ethischen Gründen für schädlich, in Übereinstimmung mit WILLIAM HIRSCH und GROSSMANN. Wir kommen zur Begriffsbestimmung und Einteilung der hypnotischen Zustände. In dieser Beziehung hat MAX HIRSCH (160) versucht, die früher üblichen Einteilungen der Hypnose, die schon MOLL mit zwingenden Gründen abgelehnt hat, durch eine Modifikation zu ersetzen. Er unterscheidet 4 Arten und Grade hypnotischer Zustände:
2. die Somnolenz, [Vorstufe zur Hypotaxie, leichte Benommenheit - wp] ein passiver Ruhezustand des Gehirns; 3) die Schlafillusion 4) die Somnambulhypnose.
b) den somnambulen Zustand mit Verlust des Bewußtseins und der Sensibilität, mit Automatismus und Amnesie.
2. das narkotische Stadium, in dem ein Verschwinden aller peripheren Reflexe eintritt, weil das Rückenmark und die Basalganglien [Hirnkern unterhalb der Großhirnrinde - wp] affiziert sind; 3. das lethargische Stadium, bei dem auch die vitalen Reflexe, Zirkulation und Respiration, erlöschen und infolgedessen Koma und Tod eintritt.
2) im Schlaf 3) in der Hypnose 4) im natürlichen Somnambulismus; 5) bei hysterischen Zuständen; 6) bei Intoxikationszuständen; 7) bei Psychosen
2. die geistige Konzentration, wenn wir so sagen dürfen, die es ermöglicht, daß die Heilvorstellungen und Ermahnungen, die wir geben, schärfer aufgefaßt und fester gehalten werden, als es im schnellen Fluß des Wachlebens möglich wäre; 3. der Glaube, die Überzeugung, daß die Therapie helfen werden, eine Hoffnung, die durch das Neuartige der Sache wesentlich unterstützt wird usf. Der oberflächlichen Hypnose gegenüber steht die tiefe oder nach unserer Auffassung die eigentliche Hypnose sensu strictori. Sie kennzeichnet sich durch eine tiefe Alteration des *Seelenlebens. Während *Bewußtsein und *Wille, die beiden Funktionen, deren Veränderung durch die Hypnose gewöhnlich behauptet werden, in Wahrheit intakt bleiben oder sogar eine Steigerung erfahren können, wird vielmehr das Gedächtnis und die Freiheit des Willens, die als eine Wirkung des Urteilsvermögens aufzufassen ist, mehr oder weniger abgeschwächt oder aufgehoben. Denn nur die Unterdrückung der im Wachzustand vorhandenen Kritik ermöglicht die Realisierung der unmotivierten, hypnotischen Suggestionen. Eben aus diesem Grund aber folgern wir, daß die tiefe Hypnose zu therapeutischen Zwecken nicht oder nur ausnahmsweise angewendet werde, zumal die wahrhaft therapeutischen Faktoren derselben auch in der oberflächlichen Hypnose vorhanden sind. Wir kommen somit zu der paradox erscheinenden, aber im Vorhergehenden gerechtfertigten Behauptung: der therapeutische Hypnotismus hat weder von einer eigentlichen Hypnose noch von wirklichen Suggestionen Gebrauch zu machen; nur der Experimentator hat es mit den im strengeren Sinne hypnotischen Phänomenen zu tun. Es wäre daher nicht unangebracht, wenn man den Namen, den man heute diesem therapeutischen Verfahren gibt, in einer dem Sinne entsprechenden Weise abänderte. Da in der oberflächlichen Hypnose von einem Schlaf gar keine Rede sein kan, da die eventuelle vorhandene Müdigkeit und Schläfrigkeit nur ein völlig akzidentielles Begleitsymptom ist, während der therapeutische Wert des Zustandes vielmehr in der Konzentration der Aufmerksamkeit zu suchen ist, so wäre es, schon um der irrtümlich Auffassung vorzubeugen, denen die Patienten fast stets unterliegen, entschieden zweckmäßiger, von einem Zustand der "Epistasie" (epistasis = Aufmerksamkeit) und von einem "epistatischen" Heilverfahren zu sprechen. Da sich diese Namen jedoch schwerlich einbürgern werden, so ziehen wir es vor, statt der Hypnose von einem suggestivtherapeutischen und psychotherapeutischen Verfahren zu sprechen. Es wäre zu wünschen, daß die Herren Kollegen, die der Sache des Hypnotismus zwar nicht feindlich, aber doch immerhin fremd gegenüberstehen, von dieser Kenntnis Notiz nehmen wollten; es würden dann viele unzweckmäßige Kontra-Suggestionen, die sie den Patienten mit auf den Weg geben, vermieden werden. Bevor wir aufgrund der gegebenen Auffassung die Indikationen der Suggestiv-Therapie ableiten, möchten wir nicht unterlassen, einige hypnose-ähnliche Zustände zu erwähnen, die in der Literatur berichtet werden. So spricht LIÉBEAULT (164) von einem "physiologischen Passivzustand", der unter Umständen im Wachleben eintritt. Er erinnert zu diesem Zweck an ein Experiment von DUPOTET, dem es gelang, bei wachen Bauern Wasser suggestiv in Rotwein zu verwandeln und der konstatierte, daß diese angebliche Verwandlung trotz völligen Wachseins der Betreffenden 2 Tage lang anhielt. Auch die Faszinationsmethode BRAIDs soll nach LIÉBEAULT auf einem ähnlichen Zustand beruhen. Daß wir dieser Auffassung nicht beipflichten können, geht aus dem vorher Gesagten zur Genüge hervor. Auf eine abnorme Abart der Hypnose, wie es deren, nebenbei bemerkt, mehrere gibt, macht DÖLLKEN (165) aufmerksam. Er hat hysterische Hypnosen durch bloßes Auflegen der Hände bei Verschluß der Sinnesorgane eintreten sehen; dabei bestand geringere Suggestibilität und allerhand hysterische Symptome. Auch von anderer Seite, wir nennen nur *FREUD und BREUER, sowie LÖWENFELD, BRÜGELMANN u. a., ist gezeigt worden, daß durch die üblichen hypnosigenen Mittel statt einer normalen Hypnose in einzelnen Fällen ein hysterischer Zustand erzeugt werden kann. Es wäre hier am Platz, auch der partiellen Wach- und Schlafzustände zu gedenken, die VOGT aufgestellt und zum Zweck von experimentalpsychologischer Studien benutzt und empfohlen hat; doch sparen wir uns deren Darlegung für den Schluß unserer Arbeit auf. Die Indikationen des Hypnotismus, der Suggestivbehandlung und der Psychotherapie sind von drei Gesichtspunkten abhängig:
2. von der Natur der Krankheiten; 3. von der Art der anzuwendenden Heilfaktoren Die zweite der angegebenen Indikationen basiert auf der Natur der Krankheiten. Hier sind es, von den soeben erwähnten Ausnahmefällen abgesehen, vorzugsweise die funktionellen Neurosen und Psychosen, die der Suggestivtherapie mit Vorteil unterworfen werden. Dazu gehören, um einiges aufzuführen, in erster Reihe die Neurasthenie [Nervenschwäche - wp], Hysterie und Hypochondrie in allen ihren Variationen und Modifikationen, sodann die Melancholie und die Zwangsvorstellungen, die psychosexuellen Erkrankungen, der Alkoholismus, der Morphinismus, die funktionellen Sprachstörungen, die Enuresis nocturna [Bettnässen - wp], die Neuralgien [Nervenschmerzen - wp], , einzelne Formen der Chorea und Epilepsie, der Myoclonien [unwillkürliche Muskelzuckungen - wp], usf. Schon aus dieser Zusammenstellung, die leicht erweitert werden könnte, folgt, daß die Suggestivtherapie keineswegs, wie behauptet wird, auf die Hysterie und die hysterischen Erkrankungen beschränkt ist; vielmehr bieten geradde diese Erkrankungen den Bemühungen der Suggestiv-Therapeuten nicht selten den größten Widerstand. Die letzte der aufgeführten Indikationen leitet sich aus der Natur der Heilfaktoren ab, die wir bei der Suggestivtherapie zur Anwendung bringen. Es ist genügend betont worden, daß diese Natur eine rein funktionelle ist und daß das suggestive Zustandekommen der in der Literatur berichteten organischen Phänomene im Gegensatz zu den bisherigen Anschauungen als ein indirekte Wirkung aufzufassen ist. Obwohl wir an dieser Tatsache festhalten, ist es doch, wie oben auseinandergesetzt wurde, möglich, auf suggestiv-therapeutischem Weg auch organischen Erkrankungen näher zu treten. Je mehr wir in die Struktur der menschlichen Seele Einblick gewinnen werden, um so mehr wird uns diese Tatsache verständlich erscheinen; sie ist von einem weit ausschauenden Denker, FRIEDRICH EDUARD BENEKE (166), bereits vor 60 Jahren vorausgeahnt worden, als er den Versuch machte, alle Geistes- und Seelenkrankheiten nicht somatisch, sondern psychisch zu gruppieren und abzuleiten. Zum Schluß unserer Ausführungen möge uns die von VOGT inaugurierte "hypnotische Experimentalpsychologie" beschäftigen. VOGT (167) schlägt vor, den Zustand des eingeengten Bewußtseins zu experimental-psychologischen Selbstbeobachtungen zu benutzen. Nach seiner Auffassung ist die Suggestion imstande, das psychologische Experimentieren durch Hervorrufung von Beobachtungsobjekten, durch gleichmäßige Gestaltung der psychophysischen Konstellation und durch Hebung der Selbstbeobachtung zu fördern. Er zeigt, daß Beobachtungsobjekte, die sonst nicht experimentell oder nur schwer erzielbare Bewußtseinserscheinungen darstellen, sowie Ausfallserscheinungen auf suggestivem Weg leicht hervorgerufen werden können und zwar mit einer derartigen Feinheit der Graduierung, daß z. B. 22 verschieden intensive Schmerzabstufungen erzielt werden können. Die psycho-physiologische Konstellation könne ferner durch suggestive Beeinflußung ihrer Bedingungen gleichmäßiger gestaltet werden: einmal durch spezielle Suggestionen und dann durch Schaffung einer auf alle sich nicht am Experiment beteiligten Bewußtseinselemente beziehende Schlafhemmung. Die Selbstbeobachtung endlich könne gehoben werden:
2. durch Einengung des Wachsein auf die am Experiment beteiligten Bewußtseinselemente. Wir glauben icht, daß der verdiente Forscher mit diesen Vorschlägen auf dem richtigen Weg ist. Die Einwendungen, die wir gegen die "hypnotische Experimentalpsychologie" im Sinn VOGTs zu machen haben, können kurz dahin präzisiert werden:
2. Der Begriff der Suggestion wird von VOGT zu weit gefaßt und die mögliche Wirkung derselben überschätzt. Wenn wir einem oberflächlich Hypnotisierten sagen, er solle sich jetzt eine Tonempfindung von bestimmter Höhe vorstellen, so ist das noch lange keine Suggestion: das Gleiche kann jederzeit auch im Wachzustand geschehen. Und wenn VOGT glaubt, daß er durch Suggestion Kopfschmerz und andere störende Empfindungen, sowie die nicht zum Experiment gehörigen Bewußtseinselemente unterdrücken könne, so überschätzt er die Wirkung seiner Suggestionen. Denn selbst wenn die von ihm gewünschte Wirkung eintreten sollte, so tritt sie nicht als eine direkte Folge der gegebenen Suggestion ein, sondern das Versuchsobjekt bemüht sich, wozu eine Hypnose wiederum nicht erforderlich ist, seine Aufmerksamkeit von den zu beseitigenden Empfindungen abzulenken und auf die zu beobachtenden Bewußtseinselemente zu konzentrieren, wobei ein affektives Moment, das Interesse an den Beobachtungsobjekten, gleichfalls eine Rolle spielt. Von selbst, auf passivem, zwangsmäßigem, psychophysiologischem Weg, ohne aktive Zutun der Versuchsperson realisiert sich diese Suggestion in der oberflächlichen Hypnose zweifellos nicht. Zudem ist eine gleichmäßige Gestaltung der psychophysischen Konstellation auch durch Realisierung derartiger Vorstellungen noch nicht gegeben. Selbst wenn man annimmt, daß die gegebene Suggestion sich - direkt oder indirekt - verwirklicht, so kann das doch nur auf psychischer Seite geschehen, während die physiologische Grundlage und infolge dessen auch die physiologische Wirkung dieser Erscheinungen auf die psycho-physische Konstellation unbeeinflußt bleiben muß. Wenn wir einem oberflächlich Hypnotisierten, der stark übermüdet ist, sagen, die Müdigkeit verschwinde und mache einem Gefühl des Wohlbehagens und der Frische Platz, so kann dieser Wunsch im günstigsten Fall auf psychischem Gebiet in Erfüllung gehen, insofern das Gefühl der Müdigkeit verschwindet und einem anderen Gefühl weicht; die Müdigkeit selbst aber und damit ihre physiologischen Folgen auf die Konstellation, bleiben bestehen. 3. VOGT verkennt das Wesen der Selbstbeobachtung. Während es wohl möglich ist, die Tatsachen des Bewußtseins durch Selbstbeobachtung direkt zu ergründen, läßt diese Methode, ebenso wie jede andere Methode, im Stick, sobald es sich darum handelt, die Kausalzusammenhänge zwischen diesen Tatsachen zu ermitteln. Wie wir an anderer Stelle (168) nachgewiesen haben, ist die psychologische Selbstbeobachtung der Natur der Sache nach niemals imstande, Kausalzusammenhänge festzustellen; dazu gehören Urteils- und Schlußprozesse, denen die eigentümlich Evidenz der Selbstbeobachtung abgeht. Wenn deshalb VOGT behauptet, die Analyse der Bewußtseinserscheinungen im Zustand des eingeengten Wachbewußtseins auf dem Wege der unmittelbaren Selbstbeobachtung vornehmen zu können, so verkennt er das Wesen der Selbstbeobachtung, die zu einer derartigen Analyse als solche überhaupt nicht fähig ist. Ja sogar, die logische Reflexion, die zu dieser Aufgabe unerläßlich ist, könnte im Zustand des eingeengten Bewußtseins nicht einmal ausgeführt werden, wenn es sich wirklich um einen hypnotischen Zustand im engeren Wortsinn handelte, da ja, wie wir gesehen haben, gerade das Urteilsvermögen in diesem Zustand gestört ist. Wenn daher VOGT eine ganze Zahl von Beobachtungen über Kausalzusammenhänge veröffentlicht, die er im Zustand des eingeengten Wachseins durch direkte psychologische Analyse gewonnen haben will, so ist er in Wahrheit einer Fehlerquelle unterlegen, vor der man sich bei psychologischen Beobachtungen, zumal auf diesem Gebiet, nicht genug in Acht nehmen kann; statt der wirklichen Kausalzusammenhänge hat er eine Reihe von Autosuggestionen erhalten, die er durch die Art seines Vorgehens bei den Versuchspersonen künstlich gezüchtet hat. Wir sind am Ende unserer kritischen Wanderung. Wir haben viel Wertvolles hervorgehoben, viel Nichtiges abgelehnt. Wir erheben keinen Anspruch darauf, irgendeine der hierher gehörigen Fragen gelöst zu haben. Wir haben uns darauf beschränken wollen, den Weg zu weisen, auf dem diese Fragen einer wissenschaftlichen Vertiefung in therapeutischer und psychologischer Beziehung fähig und bedürftig sind.
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