ra-2von JheringE. Laskvon Kirchmannvon RümelinOtto Gierke    
 
GUSTAV von HUGO
(1744-1844)
Lehrbuch des Naturrechts
[2/2]

Nutzen der Philosophie des positiven Rechts

§ 29.
Angeblicher Nutzen des Naturrechts

Von einer Aufsuchung der Vernunftgründe des positiven Rechts, die ihrer Natur nach über gar Vieles weder entscheiden, es müsse notwendig so sein, noch es könne durchaus nicht sein, von einem solchen, wie man es genannt hat "indifferenistischen" Naturrecht, man hätte es doch eher ein kritisches nennen sollen, ist natürlich der Nutzen nicht zu erwarten, den die Bearbeiter eines dogmatischen Naturrechts sich und anderen von dieser ihrer Lehre versprachen (1) und zwar von einem THOMASischen Zwangsrecht, wie es die Alten, auf deren Stellen man sich dabei beruft, gar nicht gekannt hatten und welcher hauptsächlich in zweierlei zerfiel, in das Aufstellen und in das Aufheben von Rechtswahrheiten.

§ 30.
Angebliche Ergänzung des positiven Rechts

Das Naturrecht sollte juristische Verhältnisse angeben, die deswegen kein positives Recht angeben kann, weil keine Obrigkeit da ist und ohne Obrigkeit doch alles nur auf Treu und Glauben, auf Moral, beruth. Das war der Fall mit dem Zwang eines Volkes gegen das andere und mit dem eines Volkes gegen seine Obrigkeit (§ 6). Das Naturrecht sollte aber auch jedes positive Recht in den Fragen ergänzen, die dieses zwar alle einzeln beantworten könnte, die es aber nie alle beantworten wird. Das Naturrecht sah man als ein allgemeines positives Recht an, welches vom weniger allgemeinen zwar abgeändert werden könne, aber nicht immer abgeändert sei. (2) Dies ist aber eine Verwechslung des Geistes von unserem positiven Recht, der bei uns herrschenden Ansicht, der Natur der Sache, wie wir sie nun einmal haben, mit dem Naturrecht.

§ 31.
Angebliche Prüfung,
was vom positiven Recht anwendbar sei.

Daß ein einzelnes Gesetz wegen seiner Unvernünftigkeit auch bei einem Rechtsstreit angefochten werden könne, hatten schon die Sophisten gelehrt (§ 9) und so leugnete auch CICERO, daß ein Volksschluß, welcher der Denkart der Römer ganz entgegen sei, verbindende Kraft habe. (3) Bei den römischen Rechtsgelehrten hingegen war es ausgemacht, daß Recht eines bestimmten Volkes könne dem Vernunftrecht ab- und zugeben. Vom Naturrecht als einer eigenen Wissenschaft der Zwangsrechte hat man gar lange diesen Nutzen behauptet (4), bis in der kantischen Zeit, teils in Büchern (§ 26), teils in Geschäften (5), aber auch dieses gegen KANTs eigene Behauptung, die höchste Gewalt müsse untadelig sein (6), gegen FICHTE, FRIES und alle Sittenlehrer. In der Tat kann man sich kine gefährlichere Wissenschaft denken, als eine, nach deren Lehren der Richter das ihm von seinen Obern vorgeschriebene, von seinem Volk angenommene Recht hintansetzen müßte. Diesen Schaden mildert dann nur entweder der Mangel an folgerechter Beobachtung dessen, wovon man sich überzeugt hat oder aber der Eigennutz, wegen dessen gar mancher lieber gegen seine, vollends nur aus Büchern geschöpfte, Überzeugung handelt, als seine Stelle verlieren. Ganz etwas anderes ist es aber, daß eine einzelne Verordnung der Denkart eines Volkes zuwider sein kann und deswegen nie positives Recht wird oder aber doch aufhört es zu sein, wozu allerdings der Richter auch das Seinige beitragen kann. (7)

§ 32.
Wahrer Nutzen

Der wahre Nutzen der Philosophie des positiven Rechts zeigt sich wohl am meisten in einem Zeitalter, wo man ohnehin so vieles an diesem tadeln hört. Er ist teils der für den Gelehrten, teils der für den Geschäftsmann.

§ 33.
Nutzen für den Gelehrten

Von der wissenschaftlichen und gelehrten Beschäftigung mit dem Rechnen, im Gegensatz der bloß handwerksmäßigen, ist Philosophie für sich die eine Hälfte und dann ist sie bei der anderen Hälfte, der Geschichte unentbehrlich. (8) Die Gefahr des bloß handwerksmäßigen für die Bildung überhaupt wird durch nichts besser abgewendet. (9)

§ 34.
Nutzen für den Geschäftsmann

Eine Art, und gewiß eine sehr wichtige, von juristischen Geschäften ist die Verbesserung des bisherigen Rechts und dazu bekommt man nirgends Anleitung als in der Philosophie des Rechts, nicht bloß insofern man darin eine Menge Beispiele mit ihren Folgen kennen lernt, sondern hauptsächlich auch durch den höheren Blick auf das positive Recht überhaupt, den sie uns verschafft. Aber auch bei der bloßen Anwendung des Rechts ist es viel wert, vor falschen Bedenklichkeiten gesichert zu sein und durch die Behauptungen, etwas sei gegen die Vernunft, sich nicht irre machen zu lassen.

§ 35.
Quellen für Tatsachen

1. Juristische

Alle Gesetze und alle Rechtsbücher können hier als Quellen benutzt werden und je mehr sie von dem abweichen, was wir jetzt gewohnt sind, desto lehrreicher sind sie, also ist es namentlich die Geschichte des römischen Rechts mehr, als bloß das heutige römische Recht, aber auch je entfernter ein Recht dem Orte nach ist, desto mehr verdient es, besonders bemerkt zu werden. Auch dies ist erheblich, wenn man vom Rechtssatz auch die Folgen erfährt oder die Gründe, weswegen er so oder anders aufgestellt worden ist. Letzteres ist bei der russischen Gesetzgebung (10) weit weniger der Fall, als bei der preussischen (11) und bei dieser weit weniger, als bei der französischen. (12)

§ 36.
2. Nichtjuristische Quellen

Außer der eigenen Beobachtung des täglichen Lebens können dann auch noch unzählige Bücher, die man in anderer Rücksicht liest, hier benutzt werden. So z. B. alle Geschichtsbücher und alle Reisebeschreibungen. Unter Ersteren steht in mehr als einer Beziehung die Sammlung von Sagen und von Lehren aus den älteren zeiten des vorderen Morgenlandes oben an. (13) Von Letzteren hat schon ARISTOTELES den Nutzen für dieses Fach bemerkt. (14) Die Geschichte der Menschheit von MEINERS 1793 (46 Jahre alt) kann als ein Verzeichnis sehr vieler, mit einem nach Gegenständen gestellten Auszug daraus, angesehen werden (15)

Vorsichtsmaßregeln
§ 37.

Bei der Vergleichung dessen, was wir gewohnt sind, mit den wirklichen oder auch nur möglichen Abweichungen davon und bei der Aufsuchung der Gründe für das eine oder das andere, sind zwei Abwege gleich gefährlich, der eine führt auf Irrtum, der andere auf Unsittlichkeit und das Bestreben, den einen zu vermeiden, verleitet leicht zum entgegengesetzten. Für die Erkenntnis wäre es zu wünschen, daß wir für unser Zeitalter und unser Volk durchaus keine Vorliebe hätten; für die Sittlichkeit aber, daß wir es gar nicht für möglich hielten, anders zu handeln, als unser Zeitalter und unser Volk es von uns fordern. Was Millionen Menschen und gewiß auch gute und verständige Menschen, nicht etwa bloß getan, sondern geradezu für recht gehalten haben, das muß der Vernunft nicht so ganz widerstreiten, wie es vielleicht unsere neuesten Schriftsteller - in Deutschland und im neunzehnten Jahrhundert - glauben (16). Auf der anderen Seite ist es aber auch abscheulich, das, was bei uns Unrecht ist, deswegen zu tun, oder auch nur deswegen davon als von etwas auch bei uns Unbedenklichem zu sprechen, weil es bei anderen Völkern und zu anderen Zeiten es gewesen ist. (17)


Juristische Anthropologie

§ 38.
Einteilung

Die Lehren, welche ansich nicht juristisch sind, auch welchen aber das Juristische beruth, und welche die  divinarum atque humanarum rerum notitia  [göttlichen und menschlichen Dinge - wp] bei der Rechtswissenschaft ausmachen, zerfallen ganz natürlich in drei Abschnitte, wovon der erste den Menschen als Tier, der zweite als vernünftiges Wesen, der dritte als Mitglied eines Volkes betrachtet, ganz nach dem dreifachen Gesichtspunkt, nach die Römer das Naturrecht, das Völkerrecht und das Zivilrecht von einander absonderten. Es ist der Mühe wert, namentlich die Äußerungen der römischen Rechtsgelehrten über etwas hierher Gehöriges auszuheben.

§ 39.
Verhältnis zur Glückseligkeit

Ebenso mannigfaltig sind die Bestandteile der menschlichen Glückseligkeit und es verdient schon hier bemerkt zu werden, daß der Begriff von dieser so wichtig und doch auch so schwer ist, da wir dieses bei jedem einzelnen der drei folgenden Abschnitte brauchen werden. Ob das Leben in dieser Hinsicht irgendeinen Wert hat, darüber sind die Stimmen unter den Denkern und unter gewöhnlichen Menschen geteilt. (18) Dann gibt es freilich unzählige Dinge, deren jedem man nachgerühmt hat, daß es glücklich mache oder aber deren jedem man Schuld gegeben hat, es mache uns glücklich. Schon der Umstand aber, daß ihrer so viele sind, macht es wahrscheinlich, eines wird leicht dem andern entgegen wirken. Nichts hat sich dann auch dem vernünftigen Nachdenken schon so oft aufgedrängt, als die Bemerkung, daß die Natur auch hierin nach Gleichgewicht strebt, daß alles sich mildert und wohl gar hebt. (19)

Erster Abschnitt
Der Mensch als Tier

§ 40.
Wichtigkeit dieses Abschnitts

Die Tierheit ist nicht nur der Zeitfolge nach das Erste, das Menschengeschlecht läßt sich vorstellen, als sei es einmal erst tierisch gewesen (20) und jeder einzelne Mensch ist es noch, ehe die Vernunft sich äußert (21); sondern die Tierheit ist auch die Grundlage der Vernunft, insofern diese nichts vorschreiben darf, was nach jener ganz unmöglich ist; sie ist allgemein bei allen Menschen, statt daß die Vernunft bei sehr vielen Einzelnen eine Zeitlang oder auf immer fehlt; und endlich ist die Tierheit allein das juristische Kennzeichen der Gattung (22) und des Einzelnen (23).

§ 41.
Einteilung

Da der Mensch als Tier eine Art von organischen Körpern ist, so fragt sich: 1. was ist ein Körper? (24), 2. was ist ein organischer Körper? und 3. was ist der menschliche Körper?

I.

§ 42.
Körper

Ein Körper (in der physischen Bedeutung) ist Materie in bestimmten Grenzen, also 1. etwas Bewegliches im Raum, 2. was eubeb Raum erfüllt (durch Zurückstoßung und Anziehung), und 3. Bewegung mitteilt. (25) In der Zeit braucht ein Körper nicht notwendig Grenzen zu haben, die Erfahrung wenigstens lehrt bei weitem nicht von allen weder den Anfang noch das Ende in der Zeit. Aber zwischen zwei Zeitpunkten, in welchen ein Körper sein Dasein hat, muß es in allen möglichen Zwischenzeiten auch vorhanden gewesen sein, sonst ist er nicht derselbe. Grenzen im Raum muß er haben, allein diese können sich verändern, nur muß der Übergang stetig geschehen. In Rücksicht auf die Begrenzung im Raum sind die Körper entweder flüssig, die gar keine eigene Gestalt haben oder fest (wie KANT sagt: starr) oder nach Umständen das eine oder das andere.

§ 43.
Gattung und Species

Auch die Körper werden durch den Verstand in Gattungen gebracht, allein dieselbe Species (dasselbe Individuum nach dem scholastischen Ausdruck) kann von der einen zur anderen übergehen; ohne immer für vernichtet (extincta) zu gelten. Die körperlichen Teile wechseln ohnehin gar mannigfaltig und der Körper heißt doch noch derselbe.

§ 44.
Gegenwärtiger Zustand und Gewöhnung

Bei allen Körpern bleibt der gegenwärtige Zustand so lange, bis ein Grund zur Veränderung da ist und selbst der Zustand, welcher bisher eine Zeitlang gedauert hat, ist ihnen schon eben deswegen mehr angemessen.

§ 45.
Erde und Himmel

Da alle Materie massenweise verbunden ist, so unterscheiden wir natürlich die Masse, zu welcher wir selbst und was uns umgibt zunächst mit gehören, die Erdkugel, von allen übrigen, unendlich zahlreicheren und größeren (26), den Himmelskörpern. Auf die Erdkugel können wir nur da wirken, wo der feste Teil und der schwerere (tropfbare) flüssige, der Erdboden und das Wasser, sich vom leichteren (elastischen), dem Dunstkreis (27), scheiden, auf dieser Oberfläche des Schwereren bewegen wir uns sehr langsam (28), aber doch auch schnell genug, daß ein Mensch mehr als einmal die ganze Erde umschiffen kann. In das Innere dringen wir nur sehr wenig und auf den Dunstkreis, der doch so sehr viel Einfluß auf uns hat, können wir nicht nur nicht wirken, sondern auch seine Veränderungen fast gar nicht vorher sehen. Auf der Oberfläche der Erde sich Meere, Seen, Flüsse, Berge, Flußgebiete, Sandwüsten, was man schon alles für natürliche Grenzen angesehen hat.

§ 46.
Himmelskörper in Beziehung auf Licht und Wärme

Mit den Himmelskörpern stehen wir nur insofern in Wechselwirkung, daß die Erde im Ganzen von ihnen angezogen wird und sie anzieht, von ihnen Licht und von der Sonne auch Wärme empfängt und ihnen Licht mitteilt, aber ohne daß dabei irgendeine willkürliche Einwirkung möglich wäre. Vom Rollen der Erde um ihre Achse und ihrem Umlauf um die Sonne, verbunden mit der Schiefe der Ekliptik, hängt die Länge des Tags und die Abwechslung der Jahreszeiten, so weit sie dadurch bestimmt wird (das Stundenklima), ab, und bei weitem nicht allein, (29) aber doch großen Teils, davon die natürliche Wärme und Kälte irgendeines Punktes auf der Erde.

§ 47.
Himmelskörper in Beziehung auf Zeitmaße

Die Himmelskörper kommen juristisch bloß zu Zeitbestimmungen vor. (30) Das Rollen der Erde um ihre Achse und ihr Umlauf um die Sonne passen aber nicht genau zueinander und der Umlauf des nur auf einer Seite erleuchteten Mondes umd die Erde paßt zu keinem dieser beiden Zeiträume. Daher ist es nicht nur willkürlich, von wo Tag und Nacht, der Monat und das Jahr anfangen und wie sie weiter eingeteilt werden sollen (31), sondern man muß auch dem Jahr durch Einschaltung zu Hilfe kommen, nicht nur wenn man es nach wahren, das heißt, nach Mondmonaten, sondern auch, wenn man es nach in künstliche Monate verteilten Tagen rechnet. Damit nun diesem Eingeschalteten in den gemeinen Jahren etwas entspreche, muß man es als eine Zugabe des Nächstvorhergehenden ansehen. (32) Auf die Verschiedenheit des Mittags unter verschiedener Länge wird juristisch nicht gesehen (33) und die übrigen Himmelskörper kommen bei Rechtsgeschäften beinahe gar nicht vor (34).

II.

§ 48.
Organische Körper

Ein organischer Körper ist ein solcher, der von Natur ein Ganzes ausmacht, dessen Teile sich als Mittel und als Zweck zu ihm verhalten (35) und der mit unzähligen anderen zu einer Gattung (genus) nicht bloß im allgemeinen Sinne (§ 43.), sondern auch in einem ganz eigenen, daß er seine Organisation von anderen annimmt und daß es in jeder Gattung Einzelne gibt, welche zur Erhaltung derselben dienen (36), gehört. Diese Gattung hat, der Erfahrung nach, keine Grenzen in der Zeit, aber jeder einzelne organische Körper hat sie, jeder muß einmal anfangen und jeder muß aufhören, sterben, es sei vermöge seiner Organisation oder vermöge eines früheren Ereignisses. (37) Das Aufnehmen und Absetzen materieller Teile ist hier noch viel wichtiger, als bei Körpern überhaupt (38).

§ 49.
Männliches und weibliches Geschlecht

Bei den vollkommenen Organisationen sind die Einzelnen nach dem Geschlecht verschiede und es gehören alsdann zwei von verschiedenem Geschlecht dazu, um andere hervorzubringen. Vom weiblichen Körper macht das neu entstehende organische WEsen bis zu einem gewissen Grade von Ausbildung einen Teil aus, vom männlichen trenne es sich schon weniger gebildet. Über den Grund, warum das eine oder das andere Geschlecht entsteht, läßt sich keine allgemeine Regel auch nur als Vermutung aufstellen, als da mehr Kraft den männlichen, weniger Kraft den weiblichen Körper bilde. Alle anderen passen nur auf Tiere oder gar nur auf Menschen.

§ 50.
Verwandtschaft

Überall, wo zwei organische Wesen zur Hervorbringung eines dritten erfordert werden, hat jedes eine Menge anderer, die sich zu ihm als Ursache verhalten (in superiori linea), wenngleich die meisten davon nicht mehr mit ihm zugleich vorhanden sind. In der zwanzigsten Generation würde dieses für jedes Einzelne eine Million sein und in der dreißigsten tausend Millionen, wenn nicht auch dasselbe organische Wesen mehrmals, als Ursache einer anderen Ursache, vorkäme. Unter allen diesen ist in derselben Generation zwar eines, aber auch nur ein einziges männliches, von welchem es durch lauter männliche abstamme. Nimmt man auf der anderen Seite von jedem organischen Körper einen männlichen und einen weiblichen als Wirkung (in inferiori linea) an, deren freilich auch viel mehr und viel weniger sein können, so wird die Zahl der Nachkommen dieselbe und danach richtet sich auch die Zahl der Seitenverwandten (in transvera linea), welche dann aber nicht immer zunächst von demselben ganzen Paar (als vollbürtige), sondern auch oft nur von demselben einzelnen organischen Wesen in zwei verschiedenen Paaren (als halbbürtige) da sind. Eine ganze Gattung, welche zugleich aus tausend Millionen besteht, könnte also in der dreißigsten Generation von einem einzigen mit abstammen. Es ist aber leicht einzusehen, wie oft, wenn eine Gattung sich nicht gar so vermehren soll, der Mannesstamm ausgehen muß, was dann auch in jeder Geschichte eines der allergewöhnlichsten Ereignisse ist. (39) Die mehrfache Verwandtschaft vermindert die Zahl der Verwandten, aber nur gewisser, die halbbürtige vermehrt sie.

§ 51.
Anarten

Ein organischer Körper hat immer Ähnlichkeit mit demjenigen, dessen Wirkung er ist. Dabei unterscheidet sich aber, was man Rasse und was man Spielart nennt, indem sich jene notwendig von beiden organisierenden Körpern zugleich fortpflanzt, also in der Mischung halbschlächtige Zeugung, Blendlinge, gibt, wovon noch in der vierten Generatoin Spuren bleiben sollen; die Letztere aber nicht notwendig und dagegen oft Sprungweise anartet, jedoch ohne daß von jeder Eigenheit ein Mittleres entsteht, sondern vielmehr eine Mischung, wobei Einiges ganz vom Vater und anderes bloß von der Mutter herrührt. (40) Das Anarten ist der einzige, schon in der organischen Natur liegene, Grund von dem was man Stimme des Bluts nennt und was auch unabhängig von aller Gewöhnung wirkt.

§ 52.
Gewohnheit

Bei organischen Körpern hängt also vieles vom bisherigen Zustand, also auch von der Gewohnheit nicht nur des Einzelnen, sondern auch der Hervorbringenden ab.

III.

§ 53.
Menschlicher Körper

Das Eigene des menschlichen Körpers, so weit es hierher gehört, sind die Sprachwerkzeuge und die aufrechte Stellung mit freien Armen und Händen. Mit letzterer steht das Verhältnis der Kinder und des weibichen Geschlechts zu anderen Menschen, denn sie trägt dazu bei, daß ein sehr großer Teil der ganzen Gattung viel schwächer ist, als der andere kleinere Teil, also von diesem leicht gezwungen werden kann.

§ 54.
Kindheit

In der Kindheit kann der Mensch lange nicht gehen, er hat lange keine Zähne und ein großer Teil aller Geborenen stirbt vor dem Alter, wo gewöhnlich das Wachstums vollendet ist. (41) Ein Alter von hundert Jahren und selbst eines von siebzig (42), gehört schon unter die Seltenheiten. Auch das hohe Alter ist wieder sehr hilfsbedürftig.

§ 55.
Weibliches Geschlecht

Auch die Schwäche des weiblichen Geschlechts beruth zum Teil auf der aufrechten Stellung, welche besonders während der langen und oft wiederkehrenden Schwangerschaft und dann auch während des Stillens die Beschwerden vermehrt. Außerdem ist das weibliche Geschlecht, gerade in den Jahren seiner Reife, bis zum Absterben der Gebärmutter, also dem Aufhören der Fähigkeit zur Fortpflanzung, einer mit der Umlaufzeit des Mondes (43) zusammentreffenden Krankheit unterworfen. (44)

§ 56.
Geschlechtstrieb

Das bloß Tierische des Geschlechtstriebs beruth teils auf einem Bedürfnis, welches aber weder bei allen Menschen stattfindet (45), noch bei irgendeinem leicht dem Leben gefährlich werden kann, wenn es nicht befriedigt wird, teils auf dem damit in einiger Verbindung stehenden Genuß (46). Dieser bezieht sich bei den mancherlei widernatürlichen (47) Reizungen des Geschlechtstriebes nicht auf die Fortpflanzung. Zu der natürlichen Befriedigung desselben werden zwei Menschen verschiedenen Geschlechts erfordert. Sie bewirkt im weiblichen Körper das erste Mal eine bei jeder folgenden Befriedigung des Geschlechtstriebes sich zeigende Veränderung (48) und seit der Entdeckung von Amerika haben wir auch in der alten Welt eine schreckliche Krankheit, welche sich hauptsächlich durch den Beischlaf fortpflanzt. (49) Auch diese natürliche Befriedigung des Geschlechtstriebs ist oft wesentlich unfruchtbar. (50)

§ 57.
Fruchtbarer Beischlaf

Im weiblichen Körper bewirkt ein fruchtbarer Beischlaf mancherlei Veränderungen, ob er sich gleich bei keiner der beiden Personen von Anfang an ausgezeichnet. (51) Die Schwangerschaft kann unbestimmbar früh aufhören (52) und unbestimmbar lange dauern. Mit der Geburt eines lebendigen und seiner Reife nach lebensfähigen Kindes aber kann man nur etwa zwischem Anfang des siebten und dem Ende des zehnten Monats aufhören, wobei jedoch der Grad der Reife auch noch zwischen den einzelnen Teilen dieses langen Zeitraums einen Unterschied macht, wenigstens, was aber freilich auch bei der ganzen Bestimmung desselben in Betracht kommt, nach den gewöhnlichen Erfahrungen (53) Aus einer Schwangerschaft entsteht, der Regel nach, ein einziges Kind. (54) Die Geburt ist nicht selten schwieriger, als bei Tieren und hat auf den Körper der Mutter oft einen sehr nachteiligen Einfluß, besonders wenn die erste Niederkunft erst in ziemlich späten Jahren erfolgt. Die erste Nahrung des Kindes ist gewöhnlich, aber nicht notwendig, im Körper der Mutter.

§ 58.
Menschenrassen

Die Menschenrassen werden zwar sehr verschieden angegeben und namentlich wird die dem Ansehen nach so natürliche und leichte Einteilung nach der Farbe der Haut (als des Werkzeugs der Ausdünstung), welche KANT vorgetragen hat (55), vom besten Schriftsteller über diese Lehre verworfen, gegen eine andere, die nicht wohl eine juristische Anwendung leidet. (56) Indessen ist es doch wohl kaum zu entschuldigen, wenn die neueren positiven Rechte selbst in den handgreiflichen Fällen, z. B. bei der Frage, ob ein Kind von einem Europäer oder einem Neger, auch wohl einer Europäerin oder Negerin herrühre, von der Rassenverschiedenheit so wenig Gebrauch machen, als das römische Recht bei seiner viel eingeschränkteren Bekanntschaft mit anderen Rassen getan hat.

§ 59.
Nahrung und Aufenthalt

Der Mensch kann sehr mannigfaltige Nahrungsmittel genießen, mehr als die meisten Tiere. (57) Viele Tiere genießen aber dasselbe, was er genießen könnte und unter bestimmten Umständen bedarf er oft gerade gewisser Speisen. Hauptsächlich als Getränk, doch aber auch in anderer Gestalt, genießt er berauschende Dinge. (58) Wohnen kann er zwar überall, wo nur der Dunstkreis Zugang hat, aber in die Länge meistens nicht ohne Obdach oder Kleidung.

§ 60.
Freiheit

Der Mensch ist, seiner tierischen Natur nach, wesentlich frei; solange er leben soll, muß er die Eigenschaften eines Körpers, eines organischen Körpers und eines Menschen haben und darunter gehört auch der Wechsel angenehmer und unangenehmer Empfindungen. Er ist aber auch abhängig; unzählige Angaben hängen nicht von seiner Wahr ab; die Zeit der Geburt, das Vaterland, die Rasse, die Spielart, das Geschlecht, die Eltern, die Verwandten. Er hat eine Menge Bedürfnisse, ohne deren Befriedigung er nicht leben kann oder doch Schmerz empfindet, er braucht Raum, Zeit, Materie außer sich (59) und endlich auch gar oft die Hilfe anderer Menschen. Auch die Gewohnheit kann etwas zum Bedürfnis machen. Eine Menge Zufälle treffen ihn, besonders nach Zeit und Ort. Dem Tod kann er nicht entgehen, nicht überhaupt, und sehr oft auch dem Tod zu einer bestimmten Zeit nicht. Auf der anderen Seite kann er diesen auch nicht ganz nach Willkür beschleunigen.

§ 61.
Gleichheit

Die Menschen sind sich untereinander gleich, insofern die wesentliche Freiheit und die wesentliche Abhängigkeit bei allen dieselbe ist und keiner jene dem andern rauben oder diese ihm aufbürden kann. Aber die Menschen sind sich auch untereinander ungleich, jeder hat seine eigenen Schicksale; die Grade der Bedürfnisse wie die Mittel, sie zu befriedigen, sind nicht dieselben. Ja sogar jeder Mensch ist in verschiedenen Zeitpunkten seines Daseins anders.
LITERATUR Gustav von Hugo, Lehrbuch des Naturrechts als einer Philosophie des positiven Rechts, besonders des Privatrechts, Berlin 1819
    Anmerkungen
    1) Ein Schriftsteller, der umso mehr hier angeführt werden kann, als man seinen Namen schon beim Gegenteil mißbraucht hat, Herr SCHMALZ sagt in seinem Handbuch der Rechtsphilosophie (1807), Seite 168: "Das Recht der Natur könne und solle in den Gerichtshöfen so wenig angeführt werden, als die metaphysische Körperlehre in den Fabriken", ganz so wie es in den Göttingische Anzeigen von 1789, Seite 1515, hieß, man könne ebenso leicht ein Rezept aus den metaphysischen Lehren von den allgemeinsten Eigenschaften der Körper verbessern und ergänzen, als einen Satz des positiven Rechts durch die abstrakten Spekulationen über die letzten Gründe aller Zwangsrechte.
    2) Hierhin gehört die Art eines in seinem Kreis berühmten juristischen Geschäftsmannes, der bei seinen Aktenarbeiten das Corpus Juris auf der einen und WOLFs Naturrecht auf der anderen Seite liegen hatte, auch die Verordnung in Rußland, deren Geschichte ich nicht näher kenne, daß NETTELBLADTs Naturrecht in Ermangelung anderer Entscheidungsquellen eine sein soll. - WEBER, Von der natürlichen Verbindlichkeit, § 41.
    3) CICERO, de legibus.
    4) Man sehe nur ACHENWALL, § 2 und § 4; HÖPFNER § 1 und alle älteren Schriftsteller da, wo sie vom Nutzen ihres Faches sprechen.
    5) Ein merkwürdiges Beispiel dieser Art enthalten KIND (1802), wo das Oberappellationsgericht zu Dresden bereit war, gegen die Russische Leibeigenschaft zu sprechen, weil sie dem Naturrecht zuwider sei, was mit Stellen aus KANT und SCHMALZ belegt wurde. Freilich berief man sich darauf, es sei hier von der Gültigkeit einer Lehre außerhalb des Landes die Rede, allem, um folgerecht zu sein, hätte man auch im Lande selbst so erkennen sollen.
    6) KANT, Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, § 48
    7) In einem neuen Lehrbuch des Naturrechts heißt es, das Naturrecht sei nicht der einzige Prüfstein des positiven Rechts. Die Frage ist aber, ob es für den Richter oder für den Einzelnen irgendein Prüfstein sei und das sollte wohl bestimmt geleugnet werden, wenn der Verfasser es nicht für wahr hält, da man es bestimmt behauptet hat.
    8) Wie soll man namentlich das römische Recht für musterhaft halten, was doch soviele dessenungeachtet tun, wenn man mit unseren neuesten Schriftstellern lehrt, die Freiheit aller Einzelnen in einem Lande sei so ganz wesentlich?
    9) Was KANT (Zum ewigen Frieden, Seite 75) am Juristen von der Gesetzgebung rühmt, das trifft beim philosophierenden gewiß auch ein. Und wenn BURKE sagt, nur bei besonders glücklich geborenen Menschen werde die Rechtsgelehrsamkeit auch zuer Erweiterung des Gesichtskreises beitragen, so hängt dies wohl noch mehr von der wissenschaftlichen Behandlung ab.
    10) Die Instruktion der Kaiserin KATHARINA II. und der 1804 in mehreren Sprachen bekannt gemachte Bericht des Justizministers enthalten nur das Allgemeine. Für die Schriftsteller, welche zu Korrespondenzen der Gesetz-Kommission ernannt und mit dem Versprechen eines jährlichen Gehalts überrascht worden sind, verdient die Nachricht bekannt gemacht zu werden, die Absicht sei nicht, die Korrespondenten zu benutzen und das Geld für diese Gehälter sei zu anderen Ausgaben verwendet.
    11) Nur vom Gesetzbuch, oder, wie es nachher hieß, dem allgemeinen Landrecht, nicht auch von den vier großen Ordnungen, die sich darauf beziehen, besonders der allgemeinen Gerichtsordnung, ist ein Entwurf bekannt gemacht worden mit Aufforderungen, sich durch Erinnerungen dagegen um Preise zu bewerben und mehrere Schriftsteller haben ihre Arbeiten darüber herausgegeben.
    12) Man war es in Frankreich schon von älteren Zeiten her gewohnt, daß Verhandlungen über neue Gesetze gedruckt wurden und so geschah dies dann auch während der Revolution ganz besonders.
    13) Außer dem, was derselbe BRANDES hierüber in den Göttingische Anzeigen 1806 im Allgemeinen gesagt hat, verdient noch bemerkt zu werden, einmal der Gebrauch, der davon bisher im positiven Recht gemacht worden ist und zweitens der Vorteil, daraus gerade das anzuführen, was sich auf den Geschlechtstrieb bezieht, wobei es also sehr wünschenswert ist, allen Leichtsinn zu entfernen.
    14) ARISTOTELES, Rhetorik 1, 4 am Ende
    15) Von den neunzehn Kapiteln führe ich hier diejenigen, welche zunächst hierher gehören, umso mehr und mit der Seitenzahl an, da das im Buch selbst nicht geschehen ist, welches auch keine Kolumnentitel hat, um das Nachschlagen zu erleichtern. VII. Weibliches Geschlecht und Erziehung, Seite 183, 187; XI. Gesetze, Seite 220, 223; XIII. Sklaverei, Seite 228, 235; XIV. Eigentum, Seite 235, 242; XVI. Ehe und väterliche Gewalt, Seite 254, 280.
    16) KANT, Kritik der reinen Vernunft, Seite 859: "Verlangt ihr denn, daß ein Erkenntnis, welches alle Menschen angeht, den gemeinen Verstand übersteigen und euch nur von den Philosophen entdeckt werden solle?" - KANT, Kritik der reinen Vernunft, 2. Auflage, Vorrede, Seite 14: "Wer wollte aber auch einen neuen Grundsatz aller Sittlichkeit einführen und diese gleichsam zuerst erfinden, gleich als ob vor ihm die Welt in dem, was Pflicht sei, unwissend oder in durchgängigem Irrtum gewesen wäre?"
    17) Eine merkwürdige Stelle dieser Art findet sich bei JOHANNES von MÜLLER in seiner allgemeinen Geschichte, wo er bei Gelegenheit von NEROs Ausschweifungen sagt, die natürliche Befriedigung des Geschlechtstriebes sei uns durch Sitten zur Natur geworden.
    18) KANT, Kritik der Urteilskraft, Seite 395, Anmerkung: "Was das Leben für uns für einen Wert habe, wenn dieser bloß nach dem geschätzt wird, was man genießt ... ist leicht zu entscheiden. Er sinkt unter Null, denn wer wollte wohl das Leben unter denselben Bedingungen oder auch nach einem neuen, selbst entworfenen (doch dem Naturlauf gemäßen) Plan, der aber auch bloß auf Genuß gestellt wäre, aufs Neue antreten?" FRANKLIN hat diese Frage für sich zum Voraus mit Ja beantwortet. MICHAELIS hingegen bemerkt auch den Umstand, daß das Schlimme zuletzt komme, als dies auch umkehren, denn die wenigsten Menschen erleben also den schlimmsten Abschnitt.
    19) Auch hier ist ein recht buntes Gemisch von Zeugnissen gar leicht zusammenzutragen. Von dem: es ist alles ganz eitel beim Prediger SALOMO, bis auf ROBINET, der es a priori beweisen will oder AZAIS, den ich aber nur dem Titel nach kenne, herab, findet man diese Lehre bei den entgegengesetzten Schriftstellern, auch wo man sie, unter so vielen ihr ganz entgegenstehenden Übertreibungen, am wenigsten erwartet hätte. Schon daß jeder Genuß durch vorhergegangene Entbehrungen an Wert gewinnt, trägt zum Gleichgewicht sehr viel bei.
    20) KANTs Kleine Schriften, Bd. III, Seite 247, Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte
    21) "Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war" ist eine alte Regel, zu welcher LEIBNIZ nur noch hinzufügt: "außer der Verstand selbst."
    22) Daß nun aber ein Mensch juristisch nichts anderes sei, als ein Tier, sollte doch hoffentlich niemand, dem man eine Stimme über dieses Buch einräumt, hieraus schließen und der Verfasser zur Last legen.
    23) Daß ein Mensch derselbe sei, wird bei der Anwendung irgendeiner Metaphysik über Rechtsverhältnisse vorausgesetzt und doch ist es nichts Metaphysisches. (NECKER, De la revolution III, Seite 249). Es kommt dabei auf den Körper und nicht auf die Geisteskräfte an, wenngleich beim Zweifel, ob der Körper derselbe sei, auch das Geistige, z. B. das Wissen von Dingen, die dieser Mensch gerade wissen konnte, in Betracht gezogen wird. Ist aber der Körper gewiß derselbe, so macht die auffallendste Veränderung im Geistigen nichts aus. - Der verstorbene Schriftsteller LENZ (der Verfasser des "Hofmeister") ward verrückt, man gab ihn zu einem Schuster in Verwahrung und bei diesem genaß er insoweit wieder, daß er nun gerade wie ein Schuhknecht dachte und schrieb. (Berliner Archiv der Zeit, 1796) Es ist aber keine Frage, daß, ob er gleich gewissermaßen ein anderer Mensch geworden war, doch seine juristischen Rechte und Pflichten alle noch fortdauerten, weil dieselbe Tierheit noch ununterbrochen wirkte.
    24) Natürlich kommt hier manches vor, was auch bei solchen Körpern, die nur Gegenstände von menschlichen Rechtsverhältnissen sind, wichtig ist.
    25) KANTs Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft, 1786
    26) Das bekannte Bild eines Tropfens am Eimer ist, sogar von der ganzen Erde gebracht, für den, der von diesen Verhältnissen einen Begriff hat von Ansehen kennen, so sind es Uhren, welche sich nicht nach den Absichten der Menschen rücken lassen. Solem quis dicere falsum Audeat? [Wer hätte je gehört, daß die Sonne etwas Falsches sagt? - wp] kann man auch in diesem Sinne sagen.
    27) Von diesem wird auch das Wort Himmel selbst gebraucht.
    28) Diese Bewegung ist unendlich langsamer, nicht nur als die der Himmelskörper gegeneinander, sondern auch als die des Schalls oder des Lichts. Darauf beruhen die Telegraphen.
    29) Die Höhe, die Abdachung, der Schutz, die Nachbarschaft und die Lage des Meers (nach GATTERER), die Wälder, die Sümpfe kommen dabei gar sehr in Betracht.
    30) Gerade weil wir sie bloß von Ansehen kennen, so sind es Uhren, welche sich nicht nach den Absichten der Menschen rücken lassen. Solem quis dicere falsum Audeat? [Hat jemand jemals gehört, daß die Sonne etwas Falsches sagt? - wp] kann man auch in diesem Sinne sagen.
    31) Besonders ob die Tage und die Nächte mit oder ohne Rücksicht auf ihre nach den Jahreszeiten verschiedene Länge, eingeteilt werden, wodurch sich der italienische Zeiger von dem in Italien sogenannten französischen unterscheidet. Die Tage eines Monats werden entweder mit zunehmender Zahl in einem fort gerechnet oder aber mit abnehmender in Beziehung auf einen folgenden Zeitpunt, den Anfang des künftigen Monats oder die Mitte des gegenwärtigen oder auch wohl einem früher ausgezeichneten Tag. Die Griechen und die Römer lebten, ihrer Benennung der Tage nach, mehr in der Zukunft, als wir.
    32) Nimmt man den Begriff vom Schalttag, so ist es der Tag, der im gemeinen Jahr seines gleichen nicht hat, so wird man wohl nicht daran zweifeln, der 29. Februar sei unser Schalttag, wenn die Kalendermacher noch so sorgfältig beim 24. bemerken, daß dieser es (nämlich nach dem römischen Kalender) sei.
    33) Wer irgendwo um Mittag geboren ist, wird überall, wo es auf sein Alter ankommt, dafür angesehen, als sei er gerade da um Mittag geboren.
    34) Außer der Sterndeuterei kann man hierher den Fall rechnen, wo es nach dem Stand der Gestirne bestimmt werden mußte, ob ein Geistlicher vor oder nach Mitternacht, d. h. im vorhergehenden oder im folgenden Monat, gestorben sei.
    35) Dies heißt aber nicht, daß ein organischer Körper keinen einzelnen Teil von Anfang an entbehren oder in der Folge verlieren könnte.
    36) Die Sterblichkeit der einzelnen Tiere und die Unsterblichkeit der Gattung ist das, was THEOPHILUS als jus naturale anführt. "Da die Natur sah, daß jedes einzelne der Tiere durch den Tod verzehrt werde, hat sie durch die Begattung und das Hervorbringen von Jungen daher und die Liebe zu den Erzeugten und die Erziehung und Folge ihnen eine Unsterblichkeit eingerichtet."
    37) Die Behauptung von CONDORCET, der menschliche Geist könne wohl solche Fortschritte machen, daß der Körper unsterblich werde, ist so gegen die Natur, daß die Zusammenstellung derselben mit der Lehre von andern nicht unmöglichen besseren Zustände nur dazu dienen kann, auch auf diese ein nachteiliges Licht zu werfen. Die Notwendigkeit des Todes und die Möglichkeit, daß er jeden Augenblick erfolge, vermindert den Unterschied zwischen dem Lebenslänglichen und dem auf eine gewisse Zeit Bestimmten gar sehr. Was bei einem organischen Körper auch nur einn Tag dauern soll, dauert vielleicht so lange er lebt; man weiß es nur nicht Gewißheit im Voraus.
    38) Ein organischer Körper besteht in verschiedenen Zeiten nie ganz aus denselben Teilen. Daß er derselbe ist, beruth nur auf der Einheit des Lebens.
    39) Fünfte Enzyklopädie Seite 200 und 302, Sechste Geschichte des Römischen Rechts, Seite 228. C. L. WIELANDT, Beiträge zur ältesten Geschichte des Landstrichs von Basel nach Bruchsal, 1811, Seite 21f
    40) Es ist unbegreiflich, wie KANT in der Anthropologie, Seite 313, die tägliche Erfahrung, daß dasselbe Kind vieles vom Vater und dessen Verwandten, vieles aber von der Mutter und den ihrigen hat, für bloßes Ammengeschwätz erklären kann.
    41) Die Zeit der Reife ist nach dem Geschlecht, aber auch nach der Rasse und der Lage des Landes verschieden und noch mehr Umstände tragen dazu bei, zu bestimmen, in welchem Alter die Hälfe der Geborenen nicht mehr vorhanden ist. Nach BUFFON ist es in Paris das achte Jahr, nach LODER vor dem zehnten Jahr, statt daß bei MALTHUS in einigen Gegenden der Schweiz erst das sechsundvierzigste Jahr anzunehmen ist. Merkwürdig ist es, wie genau die Rechnung doch mit den gewöhnlichen neueren Beobachtungen übereinstimmt.
    42) Psalm 90, Vers 10: "Unser Leben währet siebenzig Jahr und wenns hoch kommt, so sinds achtzig Jahr". Bekanntlich hat man hierauf im Gerichtsgebrauch die Lehre, daß ein Verschollener mit siebzig Jahren für tot zu halten sei, gebaut.
    43) Aber nicht gerade mit dem Vollmond, wie einmal in einem Frankfurter Fakultätsurteil vorausgesetzt worden ist, auch nicht mit irgendeinem anderen Zeitpunkt des Mondumlaufs, der beim ganzen Geschlecht derselbe wäre.
    44) 1. Buch MOSE, 31, 35: "Da sprach sie zu ihrem Vater: Mein Herr, zürne nicht, denn ich kann nicht aufstehen vor dir, denn es geht mir nach der Frauen Weise. Daher fand er den Hausgott nicht, wie sehr er auch suchte.
    45) Es hängt nicht nur von einer gewissen Reife und davon, daß ein hohes Alter noch nicht eingetreten ist, ab, sondern auch hierbei kann ein Fehler des Baus oder eine Verstümmelung stattfinden, am meisten, aber nicht allein, beim männlichen Geschlecht.
    46) Gegen die gewöhnliche, besonders in der Jugend herrschende Ansicht, nach welcher es immer der höchste sinnliche Genuß sein soll, siehe DIDEROTs Bemerkungen in Correspondance de Grimm. Das weibliche Geschlecht kann einigermaßen zur Befriedigung des Geschlechtstriebs gebraucht werden, ohne daß es am Genuß den mindesten Anteil nehme. Auch hierin kann ein körperlicher Grund zur Eifersucht liegen.
    47) Der Ausdruck "widernatürlich" heißt hier weder so viel, daß sie sehr selten wäre, noch daß sie bei Tieren nicht vorkäme, denn sie ist allerdings auch etwas  quod natura omnia animalie docuit  [Das Recht der Geburt ist, was die Natur allen Lebewesen lehrt. - wp]. Siehe BLUMENBACHs Naturgeschichte § 92, aber auch nicht, daß nur unsere Sitten dagen sind, sondern wenn diese die einzige wäre, so würde die Gattung sich nicht erhalten. Wie verbreitet einzelne Arten davon in den verschiedenen Ländern und verschiedenen Zeitaltern waren.
    48) Über das physische Kennzeichen der Jungfrauenschaft (Hymen) siehe MICHAELIS, § 92 und öfter. Nicht bloß in sittlicher Rücksicht sind die Meinungen darüber bei Einzelnen und bei ganzen Völkern sehr verschieden.
    49) Dies ist ein neuer körperlicher Grund zur Efersucht bei beiden Teilen.
    50) Bei der Unfähigkeit eines von beiden Teilen zur Fortpflanzung, bei der Schwangerschaft, die ja auch den Beischlaf nicht wie bei Tieren notwendig hindert (LODER § 409), vielleicht kurz vor und während der monatlichen Krankheit, aber sonst in Büchern, etwa die über Verbrechen und Strafen ausgenommen, so selten die Rede ist, in so vielen Gegenden von Deutschland es auch geschieht und so viel darauf bei manchen Verordnungen, z. B. der Freiheit des einzigen Sohnes vom Kriegsdienst, Rücksicht genommen werden sollte. BUTTE, Blicke ins Hessen-Darmstädtische Land.
    51) LODER, § 407 am Ende und § 412 sagt von der Frau das Gegenteil. Dadurch würde ein Grund der Eifersucht des Mannes wegfallen, freilich nur insofern sich dieser auf die Wahrhaftigkeit der Frau, in diesem Stück, verließe.
    52) Eine zu frühe Niederkunft (abortus) kann auch die Folge von zu oft wiederholtem Beischlaf sein, wie denn öffentliche Weibspersonen selten Kinder gebären. Das absichtliche Abtreiben der Frucht, welches ARISTOTELES (Politik 7, 16) vorschlägt, ist zwar für die Mutter leicht gefährlich, doch nach LODER nicht immer.
    53) So gut es Beispiele von außerordentlich, schnellen und außerordentlich langsamen Entwicklungen nach der Geburt gibt, so gut ist dies ja auch bei der Leibesfrucht möglich.
    54) In den Pandekten kommt dreimal ein Fall von fünf Kindern aus einer Schwangerschaft vor und ein neueres Beispiel dieser Art stand 1798 in MILLIN, Magazin encyclop. Die erste angeführte Stelle hält es aber schon für hinreichend, wenn man im Voraus nur auf den Fall von drei Kindern rechnet. Welcher von mehreren aus derselben Schwangerschaft Geborenen den Vorzug habe, ist wohl nicht zu bestimmen, aber noch weniger läßt sich allgemein sagen, die erste Schwangerschaft gebe stärkere oder schwächere Kindert, als eine der folgenden.
    55) Über die Menschenrassen, in der ersten Ausgabe von ENGELs "Philosoph für die Welt II, Seite 125, wohin diese Untersuchung nicht gehörte und wo sie nachher auch weggelassen worden ist, jetzt in KANTs Vermischten Schriften, Bd. III, Seite 81. Er unterscheidet 1. Europäer, 2. Neger, 3. Inder und 4. Amerikaner und verbindet dies mit den vier Hauptarten von Klima, in Rücksicht auf Kälte und Wärme, verbunden mit Trockenheit und Feuchtigkeit.
    56) BLUMENBACH, De varietate humani generis nativa. Hier sind, nach den Schädeln, die Neger als das Äußerste (mit hervorstehenden Kiefern) und die Mongolen als das andere (mit breiten Backenknochen) aufgestellt. Die Europäer stehen in der Mitte, zum Neger neigen sich die Malayen, zum Mongolen die Amerikaner. Diese Rassen sind zwar auch im Ganzen nach der Farbe verschieden, schwarz, hellgelb, weiß, Zimtfarben und Kupferfarben, aber es fließt ineinander, z. B. Seite 314.
    57) MEINERs Geschichte der Menschheit, Kapitel 4, Seite 140, 161. Daß sich Menschen aus Hunger untereinander (ihre Weiber und Kinder) verzehren, ist noch zuletzt durch KRUSENSTERNs Reise bestätigt worden, 1810, Seite 669
    58) BURKE, der Lobredner der Rechtswissenschaft (Fünfte Enzyklopädie, Seite 52), hat auch den Branntwein für einen wahren Segen beim menschlichen Elend, für eine wohltätigere Erfindung der Scheidekünstler, als der Stein der Weisen je sein würde, erklärt. Auf der anderen Seite ist es dem Tabakrauchen nachgerühmt worden, daß es im Krieg zur besseren Mannszucht der Engländer beigetragen habe, weil es den Genuß des Branntweins seltener mache.
    59) Da die Entstehung von dieser nach Zeit und Raum eingeschränkt ist und das menschliche Bedürfnis nicht auf sie warten kann, so darf sich das Menschengeschlecht nicht ins Unendliche vermehren.