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GIDEON SPICKER
Über das Verhältnis der Naturwissenschaft zur Philosophie
[Mit besonderer Berücksichtigung der kantischen "Kritik der reinen Vernunft" und der "Geschichte des Materialismus" von Albert Lange.]
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"Es ist weniger Überzeugung, als eine Macht des Zeitgeistes zur Mode gewordene blinde Überschätzung, die Naturwissenschaften und die sogenannte exakte Forschung auf Kosten aller übrigen Wissenszweige, die einen idealen Charakter an sich tragen und wobei nicht alles gewogen und statistisch genau berechnet werden kann, zu erheben."
"Erfreulicher müßte das Resultat sein, wenn man die Verbrechen, Prozesse, Selbstmorde, uneheliche Geburten, Verbreitung des Unterrichts, der Erzeugnisse der Literatur etc. nicht bloß aus ihrer Menge, sondern nach ihrer Qualität ... erklären könnte. Solange ich nicht imstande bin, ein einzelnes psychologisches Phänomen aus dem innersten Wesen der menschlichen Natur, aus seinen Verhältnissen, seiner Bildung, aus religiösen oder irreligiösen, sittlichen oder unsittlichen Einflüssen zu erklären, nützen mir hunderte oder tausende von gleichen oder ähnlichen Erscheinungen zur Erklärung desselben gar nichts. Denn wie soll mir der tausendste Fall erklären können, was mir der erste nicht kann, wenn doch alle von gleicher Art sind? Sind sie aber verschiedener Art, so muß man sie abermals trennen und dann wiederholt sich für jede derselben die gleiche Schwierigkeit." |
Ich will nun zeigen, daß auch die übrigen Argumente ÜBERWEGs schon von SCHULZE gegen KANT als das schwerste Geschütz ins Feld geführt wurden und daß LANGE sie dessenungeachtet nicht berücksichtigt, ja nicht einmal erwähnt hat. Ich gebe die triftigsten Einwürfe dieses scharfsinnigen Skeptikers (129) gegen die kantische Kritik im Auszug und teilweise nach der meisterhaften Darstellung KUNO FISCHERs (130). Eine gründlichere Entwicklung und Beurteilung derselben behalte ich mir für die Kritik der kantischen Erkenntnistheorie vor.
1. Es soll das Erkenntnisvermögen oder die Vernunft in ihrem Wesen untersucht werden, um einen richtigen Gebrauch von ihr zu machen. Allein womit soll sie untersucht werden? Wiederum nur mit der Vernunft. Es muß folglich die Richtigkeit ihrer Denkfunktionen schon vorausgesetzt werden, oder die Kritik könnte gar nicht beginnen. Wird diese aber schon vorausgesetzt voll und ganz, wozu dann noch eine Untersuchung? Wird sie nicht ganz vorausgesetzt, wer steht uns dann dafür, daß sich unsere Erkenntnis, statt um eine Wahrheit bereichert zu werden, vielmehr durch neue Irrtümer verwirrt? Jene Voraussetzung ist dogmatisch, und wenn sie das nicht sein soll, so ist sie skeptisch. Im ersten Fall ist der letzte Grund aller Erkenntnis nicht bewiesen - also gerade das Gegenteil, was die Kritik eigentlich will; im andern kann nie etwas bewiesen werden - was dasselbe ist. Denn ich müßte das Erkenntnisvermögen wieder durch ein anderes Vermögen und dieses wieder durch ein anderes untersuchen und so in infinitum [bis ins Unendliche - wp].
2. Was KANT bestreitet, ist der Dogmatismus, welcher behauptet, daß Denken und Sein identisch sind, d. h. aus der subjektiven Notwendigkeit des Denkens folgt die objektive Notwendigkeit des Seins. Allein KANT hat nicht bloß diesen Grundsatz nicht überwunden, sondern geht sogar davon aus. Jede Erkenntnis mit dem Charakter der Allgemeinheit und Notwendigkeit, sagt KANT nämlich, ist ein synthetisches Urteil a priori. Warum? Weil die notwendige und allgemeine Form der Erkenntnis nur in der reinen Vernunft als begründet gedacht werden kann. Also weil Etwas gedacht werden muß, darum ist es auch so. Also ist gedacht werden müssen und Sein identisch. Also sucht er seine Aufgabe zu lösen aufgrund einer von ihm selbst widerlegten Voraussetzung.
3. Vermöge der Apriorität unserer Erkenntnisformen sollen die Dinge-ansich nicht erkennbar sein. Wenn aber Denken und Sein identisch sind, so gibt es keine Apriorität. Also sind die Dinge ansich erkennbar.
4. Daß nur Allgemeinheit und Notwendigkeit aus der Vernunft stammen oder allein a priori gegeben sein sollen, ist nicht einmal wahr. Auch die Empfindungen müssen allgemein und notwendig sein. Denn wenn sie das nicht sind, so fehlt unseren Begriffen aller Inhalt, der ihnen bloß durch die Empfindung oder von Außen zugeführt wird, und wir wüßten so nicht nur nicht, was die Dinge ansich sind, sondern nicht einmal, daß sie sind. Wenn er noch überdies behauptet, daß Begriffe ohne Inhalt leer, Anschauungen aber ohne Begriffe blind sind, so wüßten wir ohne den Inhalt von Außen oder durch die Empfindung nicht einmal etwas um uns selbst, zumal die Begriffe nicht angeboren sind, sondern erst entstehen oder sich bilden bei Gelegenheit der Betätigung des empfangenen Stoffes.
5. Woher weiß KANT, daß allgemeine und notwendige Erkenntnis nur durch reine Vernunft erzeugt wird? Könnte sie nicht auch vom Ding-ansich kommen? Das Ding-ansich ist unbekannt; also weiß man nichts von ihm. Wie kann man nun wissen, daß es nicht die Ursache unserer Erkenntnis ist?
6. Alle unsere apriorische Erkenntnis stammt aus der reinen Vernunft. Aber unsere Vernunft selbst? Wir kennen sie nur, indem sie sich durch die ihr eigentümliche Tätigkeit offenbart, nämlich durch das Denken. Aber offenbart sich so nicht auch das Ding-ansich? Beide erkenne ich nur aus ihren Wirkungen, aber nicht in ihren Ursachen. Also ist die Vernunft auch ein Ding-ansich, auch ein Unbekanntes. Wenn also das Objekt ansich die Ursache unserer Erkenntnis nicht sein kann, wie soll dann das Subjekt ansich diese Ursache sein können?
7. Die Erkennbarkeit der Dinge reicht nur so weit als die Anwendbarkeit der Kategorien. Auf die Dinge ansich sind sie nicht anwendbar; also bleiben sie unerkennbar. Nun sind aber nach KANT Ursache und Wirklichkeit Kategorien. Sind nun die Kategorien nicht anwendbar auf die Dinge-ansich, so darf diesen weder Wirklichkeit noch Wirksamkeit, d. h. Kausalität zugeschrieben werden.
8. Nach Nummer 6 ist die Vernunft selbst auch ein Unerkennbares, d. h. ein Ding-ansich. Dennoch sind aber all unsere Erkenntnisformen subjektiven Ursprungs und stammen aus der reinen Vernunft. Wie könnte nun die Vernunft oder das Subjekt ansich der Grund und die Ursache dieser Formen sein, wenn es nicht real und kausal zugleich wäre? Und wenn dies ein Ding-ansich ist, warum sollten es die anderen nicht aus sein?
9. Aus der Unmöglichkeit, die Kategorien auf die Dinge-ansich anzuwenden, hat KANT die Unerkennbarkeit der Dinge-ansich bewiesen, also auch die Unmöglichkeit einer rationalen Psychologie, Kosmologie und Theologie. Dennoch hat KANT selbst aus der Kausalität eines Dings-ansich, nämlich der reinen Vernunft, die Notwendigkeit und Allgemeinheit der Erkenntnis bewiesen. Folglich gilt die ganze Beweisführung gegen ihn selbst, gegen die Ableitung der Erkenntnis und die Gründe dieser Ableitung. Denn sind die Dinge-ansich erkennbar, so ist das ganze Unternehmen der Kritik umsonst. Sind sie unerkennbar, so dürfen sie nicht als Ursachen aufgestellt werden, so darf auch die Vernunft ansich nicht als Ursache gelten in Bezug auf die Erkenntnisform.
So kommt die Vernunftkritik mit sich beständig in Widerspruch. Sie beweist, daß nur die Erfahrungsobjekte erkennbar sind; nun ist der Ursprung der Erkenntnis aber kein Erfahrungsobjekt, sondern a priori. Also ist dieser Ursprung nicht erkennbar. Soll er es aber dennoch sein, so ist dies nur außerhalb der Erfahrung möglich, folglich nur in der Metaphysik. KANT hat deshalb durch seine Untersuchung die Metaphysik nicht bloß zerstört, sondern vielmehr erst recht bestätigt. Man wird also dieselbe annehmen oder in diesen Widersprüchen hängen bleiben. Denn solange das Dasein der Dinge-ansich bejaht und ihre Erkennbarkeit verneint wird, wie dies von KANT geschieht, gelten all diese Einwürfe in ihrer ganzen Stärke.
Was ich also behauptet habe: LANGE hätte so bedeutende Erscheinungen, wie BERKELEY, SCHULZE, MAIMON, JACOBI, SCHOPENHAUER etc. erst einmal widerlegen oder zumindest berücksichtigen sollen, ehe er von uns verlangen kann, daß "wir uns dieser Anschauung" (nämlich der Lehre vom Ding-ansich)
"so fern sie eine notwendige Folge unseres Verstandesgebrauches ist (!) nur ruhig hingeben" (131)
sollen: so wird man jetzt diese Forderung hoffentlich gerechtfertigt finden. In Bezug auf BERKELEY und SCHOPENHAUER jedoch gilt dieser Vorwurf nicht in demselben Maß. Letzteren hat er wenigstens in der Vorrede mit ein paar Zeilen abgefertigt, weil er "in seiner Philosophie einen entschiedenen Rückschritt hinter Kant" findet. Ich will dies einstweilen dahingestellt sein lassen, hebe dafür aber umso mehr hervor, daß sich SCHOPENHAUER zumindest in zwei Punkten ein entschiedenes Verdienst um die kantische Philosophie erworben hat und zwar:
1. durch seine höchst scharfsinnige und einschneidende Kritik (132), und
2. dadurch, daß er in der Tat mit vollem Recht auf den großen Unterschied zwischen der ersten und zweiten Auflage der Kritik aufmerksam gemacht hat (133).
Ich hebe diesen letzteren Punkt als einen ganz besonderen hervor, weil ohne Berücksichtigung desselben Keiner einen gründlichen Einblick in das wahre Wesen der kantischen Philosophie haben kann. Auf eine nähere Beweisführung kann ich mich jedoch hier nicht einlassen, obwohl es scheint, daß es sehr nötig wäre, da noch der neueste Herausgeber der kantischen Werke, von KIRCHMANN, behauptet:
Eine "unbefangene Prüfung der in der zweiten Ausgabe eingetretenen Abänderungen" ergebe, daß "sie keineswegs so wesentlich sind, als von Schopenhauer behauptet worden sind." (134)
Gegen obige Einwürfe könnte man mir entgegenhalten: LANGE wollte, wie er ja auch selbst sagt, "eben nur anregen, nicht selbst erledigen". (135) Darauf ist zu erwidern: Wenn er auch nur anregen wollte, so mußte er doch, um dies tun zu können, ein gewisses Ziel oder vielmehr einen bestimmten Standpunkt haben. Wenn nun dieser Standpunkt ein schwankender und zweifelhafter ist, so muß es auch dasjenige sein, worauf er von diesem aus hinweist; mit einem Wort: das Resultat muß ebenfalls ein unbestimmtes und zweifelhaftes sein (136). Dann aber kann er nicht "wirken, direkt wirken", wie es seine Absicht ist, noch auch von diesen zweifelhaften Anschauungen "das geistige Fortleben der Nation" abhängig machen wollen. Er kann höchstens indirekt wirken, insofern andere auf die angeregten Fragen tiefer eingehen und dieselben womöglich einer "definitiven Erledigung" näher bringen. Daß aber das Hauptergebnis seiner "philosophischen Kritik" ein durchaus unbefriedigendes ist, hat sich in seinen Widersprüchen, in seiner Ungewißheit über die Stellung und Aufgabe der Philosophie, in seiner Verachtung der Spekulation als Wissenschaft und Überhebung der Empirie zur vollen Evidenz herausgestellt. Hätte er deshalb die Einwürfe und Widersprüche, welche SCHOPENHAUER, SCHULZE, MAIMON, JACOBI, FICHTE etc. gegen KANT vorgebracht und aufgezeigt haben, mehr gewürdigt, er würde sicherlich seinen Standpunkt verändert und sein Urteil bedeutend modifiziert haben.
Auf BERKELEY hat unser Verfasser größere Rücksicht genommen. An etwa sieben Stellen seines Werkes kommt er darauf zu sprechen (137) . Ich hebe die wichtigsten davon heraus.
"Zur Zeit Kants lag die Erkenntnis der Abhängigkeit unserer Welt von unseren Organen in der Luft. Man hatte den Idealismus des Bischof Berkeley nie recht verwinden können."
Statt zu sagen: man habe ihn nie recht verwinden können, muß man mit aller Entschiedenheit behaupten: man habe ihn nie recht überwunden. Wenigstens ist es nach LANGEs eigenem Zugeständnis dem Materialismus nie gelungen, ihn zu widerlegen. (138) LANGE selbst erkennt das, was BERKELEY gegen die Materialisten vorgebracht hat, als die "Fundamentalfrage", welcher auch seine "ganze Betrachtung uns immer näher führen" soll. Er gibt zwar zu, daß BERKELEY als englischer Bischof mehr von Vorurteilen geleitet war, als DESCARTES und LEIBNIZ, aber dessenungeachtet
"auf eine konsequentere und vom Kirchenglauben gewiß weiter entfernte Weltanschauung geraten ist, als diese beiden."
Der Materialist nimmt die Welt des Sinnenscheins für die Welt der wirklichen Dinge. Dies ist nach LANGE ein "naiver Standpunkt", was bei ihm soviel heißt wie unwahr, unwissenschaftlich. Er ist schon deshalb unhaltbar, weil er sich in keiner Weise verteidigen und rechtfertigen kann.
"Dind die Dinge, wie sie erscheinen? Sind sie überhaupt? Das sind Frage, die in der Geschichte der Philosophie ewig wiederkehren und auf die erst die Gegenwart eine halbwegs genügende Antwort geben kann, die sich dann freilich für keines von beiden Extremen entscheidet." (139)
LANGE hält also die Konsequenz für ein Extrem und glaubt demselben durch die Zurückhaltung des Urteils, Unentschiedenheit, skeptische Ataraxie [Unerschütterlichkeit - wp] die Spitze zu brechen. Zugleich aber erhellt auch aus diesen Worten die tiefe Bedeutung, welche LANGE der Philosophie BERKELEYs für das Erkenntnisproblem beilegt. Was BERKELEY gegen die gewöhnliche "naive" Anschauung vorbringt, nennt LANGE die "Fundamentalfrage", welche "in der Geschichte der Philosophie ewig wiederkehrt" und die der menschliche Geist in seinem unablässigen Streben nach höherer Erkenntnis nicht abweisen kann. Wenn wir
"in unserem Recht sind, für Alles, auch für den Mechanismus des Denkens physische Bedingungen vorauszusetzen und nicht rasten dürfen, bis wir sie gefunden haben" (140):
so wird die Philosophie wohl auch in ihrem Recht sein, wenn sie in Bezug auf diese "Fundamentalfrage" nicht rastet, bis sie eine etwas mehr als bloß "halbwegs genügende Antwort geben kann". Ich muß hier abermals auf den Widerspruch aufmerksam machen, in den sich LANGE lediglich durch seine schwankende Ansicht in Bezug auf das Wesen und die Aufgabe der Philosophie verwickelt.
Fürs Erste ist es mir schon hinlänglich genug, daß er das Erkenntnisproblem als die Fundamentalfrage betrachtet, auf deren Beantwortung alles ankommt; fürs Zweite zolle ich ihm meinen Beifall dafür, daß er diese Fundamentalfrage nicht in das Gebiet der Naturwissenschaft, sondern in das der Philosophie verlegt. "Es ist eine ewig wiederkehrende Frage in der Geschichte der Philosophie". Fürs Dritte aber lege ich ein Hauptgewicht darein, daß er diese Fundamentalfrage nicht als eine schlechthin unnütze und unlösbare, sondern als eine bis jetzt halbwegs gelöste und vermutlich in Zukunft noch weiter zu lösende ansieht. Hiermit ist natürlich die Philosophie nach ihrer Aufgabe und nach ihrer Bedeutung und zwar sowohl für die Vergangenheit als auch für die nächste Gegenwart und Zukunft vollständig anerkannt.
Freilich stimmen diese Anschauungen nicht mit dem, was ich bereits früher angeführt habe, wo LANGE auf den Einwurf JULIUS SCHALLERs, daß Jeder, der mit
"dem exakten Wissen sich begnügt, damit notwendig auch auf die Beantwortung all der Fragen, mit welchen sich von jeher die Philosophie beschäftigt hat, resigniert",
mit einem gewissen verächtlichen Seitenblick seinem Unmut in den Worten kundgibt:
"Nun dann! wie verschieden die Philosophie die Fragen beantwortet hat, mit denen sie sich von jeher beschäftigt, ist bekannt genug."
Das heißt doch mit anderen Worten: Die Philosophie hat bis jetzt noch nichts Positives geleistet; man kann sie deshalb ohne irgendeinen Nachteil beim Fortschritt der Erkenntnis fahren und höchstens noch als eine Begriffsdichtung zur Erbauung für diejenigen, die das Bedürfnis dazu haben, gelten lassen. Wer sich von diesem "geheimen Bautrieb" (141) oder "metaphysischen Produktionstrieb" (142) erfassen läßt,
"der mag sich freilich eines anmutigen und in sich vollendeten Kunstwerks rühmen, aber er verzichtet damit auch notwendig darauf, das wahre und bleibende Wissen, auf welchem Feld es auch sein mag, auch nur um einen einzigen Schritt zu fördern." (143)
Auf welchem Feld es auch sein mag!! Ne quid nimis! [Nichts im Übermaß! - wp] Doch wer sich aus Begeisterung und Liebe für seine Sache zu solchen Äußerungen, auch wenn sie einer Ungerechtigkeit gleichkommen, hinreißen läßt, dem können wir eine übertriebene Behauptung schon verzeihen. Denn fürs Erste ist es ja nur eine Behauptung, und zweitens hat das Übertriebene der Wahrheit auf die Dauer noch nie geschadet. Unter allen Umständen aber hat die Philosophie die Wissenschaft befördert. Denn entweder hat sie lauter Wahrheiten zutage gebracht, oder lauter Irrtum, oder beides miteinander verbunden, wie die übrigen Wissenschaften auch. Daß sie im ersten Fall das "wahre und bleibende Wissen" gefördert hat, versteht sich von selbst. Daß sie es aber auch im zweiten Fall getan hat, erhellt sich daraus, daß nach LANGE "der Irrtum selbst ein Träger mannigfaltigen und bleibenden Fortschritts wird". (144)
"Der Irrtum", sagt Lange ebenso wahr wie schön, "erscheint historisch oft genug als der Mantel, in welchem die Glocke der Wahrheit gegossen wird und der erst nach Vollendung des Gusses zerschlagen wird." (145)
Die Chemie und Astronomie, die sich aus der Alchemie und Astrologie entwickelt haben, bestätigen diese Wahrheit auf das Glänzendste. Was den dritten Fall betrifft, so brauche ich hier nicht bloß an das Schicksal sämtlicher übriger Wisenschaften zu erinnern, sondern ich will LANGEs eigene Worte anführen, die ebenso wahr sind, wie seine übrigen Grundsätze widersprechend und falsch.
"Wer in der Geschichte die unauflösliche Verschmelzung von Wahrheit und Irrtum sieht; wer bemerkt, wie die beständige Annäherung als ein unendlich fernes Ziel vollkommener Erkenntnis durch zahllose Zwischenstufen geht; wer gesehen hat, wie der Fortschritt nie dadurch erzielt wird, daß eine irrtümliche Theorie plötzlich vor dem Blick des Genius wie Nebel zerfließt, sondern daß sie nur durch höhere verdrängt wird: der wird auch das Ringen eines Forschers nach Bewahrheitung einer neuen und ungewohnten Idee nicht so leicht mit höhnendem Lächeln betrachten, der wird in allen fundamentalen Fragen der Überlieferung wenig, der Methode vie und dem unmethodischen Verstand gar nichts zutrauen." (146)
Ich würde die letzten zwei Sätze etwas modifizieren und sagen: - der wird in allen fundamentalen Fragen der Überlieferung viel und einer sicheren Methode noch mehr verdanken. Denn wenn man der Überlieferung nicht viel zu verdanken hat und das, was wir jetzt leisten, binnen kurzer Frist auch Überlieferung sein wird, von welcher sodann dasselbe gilt, wozu dann dieses Pochen auf die Fortschritte der Gegenwart? Entweder leistet unsere Zeit in Bezug auf jede frühere ganz Außerordentliches und dann muß der Begriff der Überlieferung von da an im Hinblick auf die Zukunft anders gefaßt werden, oder das, was jetzt geleistet wird, ist gleichfalls sehr "wenig" im Vergleich mit dem, was die Zukunft verspricht, und das ist auch der gegenwärtigen Methode nicht "viel" zu trauen. Daß aber in allen fundamentalen Fragen der Überlieferung wenig zu trauen ist, kann nur von den empirischen Wissenschaften gelten, was für sie kein besonderes Kompliment ist. Auf geistigem Gebiet dagegen wird man uns zugeben müssen, daß z. B. von einem PLATO und ARISTOTELES gerade in Bezug auf die "Fundmentalfragen" ungleich mehr Wahres und Bleibendes gelehrt wurde, als von den berühmtesten Empirikern des Altertums, wie HIPPOKRATES, GALENUS etc. Oder was ist denn bis jetzt an der Logik des ARISTOTELES und Metaphysik oder an PLATOs Ethik und Dialektik verbessert worden? Oder haben unsere modernen Skeptiker etwa scharfsinnigere und wesentlich andere und einschneidendere Argumente vorgebrachtm, als die alten? Selbst unsere heutigen Materialisten stehen in der Hauptsache noch ganz auf demselben Standpunkt, wie DEMOKRIT und EPIKUR. (147)
Wenn LANGE ferner sagt:
"daß man beim Ringen eines Forschers nach Bewahrheitung einer neuen, ungewohnten Idee denselben nicht so leicht mit höhnendem Lächeln betrachten"
soll, so gilt das wahrscheinlich vor Allem auch von den Philosophen. Denn das Ringen nach Ideen ist doch bekanntlich nicht die Aufgabe der Empirie, sondern der Spekulaton. "Sie überschreitet", so sagt LANGE selbst, "jedesmal die Erfahrung". (148) Das darf aber die exakte Forschung nicht. Gerade durch diese Grenze unterscheiden sich ja die beiden Gebiete der empirischen und der spekulativen Wissenschaften. Obwohl also die Idee spezifisch der Spekulation angehört, so sagt LANGE dennoch, sie sei "für den Fortschritt der Wissenschaften so unentbehrlich wie die Tatsache". (149) Also hat die Philosophie als die Quelle der Ideen denselben Wert für den Fortschritt der Erkenntnis, wie die empirische Forschung. Zwar fügt er in der nämlichen Zeile gleich wieder hinzu: "Sie (nämlich die Idee) führt nicht notwendig zur Metaphysik, obwohl sie jedesmal die Erfahrung überschreitet". Allein seitdem es eine Metaphysik gibt, hat man darunter nie etwas anderes verstanden, als ein Streben nach Erkenntnis, die über die Erfahrung hinausgeht. Das ist es ja gerade, was die Naturwissenschaft der Philosophie beständig zum Vorwurf macht. Wenn man aber das Ringen nach einer Idee nicht verhöhnen soll, wenn sie für den Fortschritt so notwendig ist, wie die empirische Tatsache, und wenn die Spekulation unstreitig als ihre vorzüglichste Quelle betrachtet werden muß, dann sollte man andererseits die Philosophie nicht als etwas so ganz Nutzloses verwerfen, als ob durch sie
"das wahre und bleibende Wissen, auf welchem Feld es auch sein mag, auch nicht um einen einzigen Schritt befördert worden wäre." (150)
Das sind doch offenbar Widersprüche, wenn man von ein und demselben Objekt fast in ein und derselben Zeile ganz entgegengesetzte Dinge behauptet! Auch wird das wohl als eine Verhöhnung angesehen werden müssen, wenn man verlangt, daß der Philosoph dem Psychologen in seinen Experimenten zwar folgen muß, dagegen es zur Geschmackssache erklärt, wenn der Psychologe "noch länger den Metaphysiker anhören mag!" (151) Diese berüchtigte Geschmackssache schmeckt umso eigentümlicher, als das wegwerfende Urteil auf den Autor selber zurückfällt und er dadurch sich selbst für geschmacklos erklärt. Denn daß er, als Kantianer, selbst ein Metaphysiker ist, indem er das Ding-ansich annimmt, die Welt der Erscheinung von der Welt ansich streng unterscheidet und der Idee nicht bloß für die Wissenschaft, sondern hauptsächlich für das praktische Leben so hohe Bedeutung zuschreibt: das braucht nach all dem Gesagten nicht noch bewiesen zu werden.
Es ist gewiß von psychologischem und kritischem Interesse, zu sehen, wie ein Denker, der sonst so umsichtig und allseitig ist, gerade in den wichtigsten und entscheidensten Stellen, die er selbst mit Sperrschrift hervorhebt, zu Behauptungen sich hinreißen läßt, denen fast der größte Teil des Buches widerspricht und zu deren spezieller Widerlegung er noch einen eigenen Abschnitt schreibt. Als eine solche Stelle, welche durch den dritten Abschnitt, "Der ethische Materialismus und die Religion", entweder gänzlich widerlegt wird oder doch völlig in Widerspruch gerät, betrachte ich die bereits angeführte, worin es heißt, daß wer sich von dem "geheimen Bautrieb der Menschheit", d. h. dem "metaphysischen Produktionstrieb" oder der "Begriffsdichtung" erfassen läßt, für das wahre und bleibende Wissen, auf welchem Feld es auch immer sein mag, auch nicht einen einzigen Schritt fördert. Nehmen wir Politik, Recht, Kunst, Moral, Religion, Erkenntnislehre! Sind das keine Gegenstände der Wissenschaft? Würden aber dieselben überhaupt nur existieren, wenn jener geheime Bautrieb oder Produktionstrieb nicht vorhanden wäre? Gerade dieser Produktionstrieb ist ja eigentlich das Höchste im Menschen. Es ist der Trieb, Ideen zu bilden, die als das treibende Motiv bei aller schöpferischen Tätigkeit zu betrachten sind. Wo stände z. B. die Politik ohne die Idee? Ich kann den Staat nach seinen wesentlichen Momenten, d. h. begrifflich erfassen, wie er ist, aber auf diese Weise niemals erfahren, wie er sein soll. Indem ich Letzteres unternehme, mache ich mir ein Bild vom Staat, welches ganz anders ist, als das vom wirklich vorhandenen. Ich habe also dieses Bild nicht abstrahiert vom gegenwärtigen, sondern ich habe sozusagen den idealen oder den im Geiste entworfenen Staat aus mir selbst erzeugt und halte ihn nun als Norm und Maßstab dem wirklichen entgegen. Erst an diesem höheren und vollkommeneren bin ich imstande, das Unvollkommene des wirklichen zu erkennen. Ich möchte also wohl unterscheiden zwischen dem positiven Wissen, was auf dem Weg der Erfahrung und der Abstraktion erworben wird, und welches darin besteht, daß man genau erkennt, wie die Dinge und ihre Verhältnisse sind, und zwischen dem spekulativen Wissen, welches auf dem Weg der Produktion oder durch den geheimen Bautrieb des Menschen erzeugt wird und welches darin besteht, daß man die Dinge und ihre Verhältnisse Kraft der Ideen so erfaßt, wie sie sein sollen. Der Fortschritt der Wissenschaft selbst in ihren verschiedenen Zweigen ist nur möglich durch die Idee. Diejenigen, welche nie von einer Idee etwas empfunden haben, sind die echten Wagner-Naturen, die froh sind, wenn sie Regenwürmer finden. Sie haben gewiß auch ihre Berechtigung und Bedeutung, indem sie das vorhandene und gesichtete Material andern vermitteln; aber die Wissenschaft einen Ruck vorwärts zu bringen, ist sicherlich ihre Sache nie gewesen.
Wenn nun das schon vom Staat gilt, der doch, wie man gewöhnlich glaubt, der Spekulation sonst so ziemlich fern steht, mit wieviel größerem Recht muß das erst von allen übrigen angeführten Wissenszweigen gelten! Gewiß, unser Zeitalter ist zu einseitig! Und selbst die größten Repräsentanten desselben können sich vor dieser Einseitigkeit nicht bewahren. Es ist weniger Überzeugung, als eine Macht des Zeitgeistes zur Mode gewordene blinde Überschätzung, die Naturwissenschaften und die sogenannte exakte Forschung auf Kosten aller übrigen Wissenszweige, die einen idealen Charakter an sich tragen und wobei nicht alles gewogen und statistisch genau berechnet werden kann, zu erheben. Sicherlich wird kein Vernünftiger in Abrede stellen, daß die Naturwissenschaften sowohl für das leibliche als auch für das geistige Wohl der Menschheit ganz Außerordentliches geleistet haben. Aber wer will denn berechnen, was die Religion und mit ihr im Bunde die Moral und die Kunst für die sittliche Hebung und geistige Förderung gewirkt haben? Sind das keine Kulturmächte? Versteht einer die Geschichte, ohne einen tiefen und gründlichen Einblick in das Wesen dieser Faktoren getan zu haben? Und lassen sich diese Faktoren analysieren und begreifen auf dem Weg des Experiments und der exakten Forschung? Man könnte mir entgegenhalten: Allerdings! Der Historiker steht einem geschichtlichen Faktum gegenüber, wie der empirische Forscher einem Naturobjekt. LANGE selbst spricht von Tierpsychologie (152), Völkerpsychologie (153) und Moralstatistik (154).
"Wo es gelungen ist, die Beobachtung auf Zahlen zu stützen und aus der methodischen Vergleichung von Zahlen, Zahlenreihen und Durchschnittswerten allgemeine Sätze abzuleiten, mußte sich das erfreulichste Resultat ergeben."
Erfreulicher müßte das Resultat sein, wenn man die Verbrechen, Prozesse, Selbstmorde, uneheliche Geburten, Verbreitung des Unterrichts, der Erzeugnisse der Literatur etc. nicht bloß aus ihrer Menge, sondern nach ihrer Qualität, d. h. aus der Wurzel, psychologisch erklären könnte. Solange ich nicht imstande bin, ein einzelnes psychologisches Phänomen aus dem innersten Wesen der menschlichen Natur, aus seinen Verhältnissen, seiner Bildung, aus religiösen oder irreligiösen, sittlichen oder unsittlichen Einflüssen zu erklären, nützen mir hunderte oder tausende von gleichen oder ähnlichen Erscheinungen zur Erklärung desselben gar nichts. Denn wie soll mit der tausendste Fall erklären können, was mir der erste nicht kann, wenn doch alle von gleicher Art sind? Sind sie aber verschiedener Art, so muß man sie abermals trennen und dann wiederholt sich für jede derselben die gleiche Schwierigkeit.
Wenn nun gar die Psychologie unter die Naturwissenschaften verstoßen wird, oder die naturwissenschaftliche Methode auf dieselbe angewandt werden soll,m an deren Erfolg "von vornherein nicht der mindeste Grund zu zweifeln ist" (155), so wird man vor allem fragen müssen, was man bei einer solchen Auffassung der Dinge noch unter Psychologie verstehen soll. Dahin rechnet nun LANGE
"nicht nur die Tatsachen des Empfindungslebens, sondern auch die Erforschung des menschlichen Handelns und Redens, überhaupt alle Lebensäußerungen, soweit aus ihnen ein Schluß auf die Natur und den Charakter es Menschen möglich ist." (156)
Wenn das "Handeln" dazu gehört, dann gehört natürlich auch der Wille dazu und ebenso zum "Reden" das Denken. Ferner gehören wohl auch unter "alle Lebenserscheinungen", welche die Natur und den Charakter des Menschen betreffen, die Phantasie, die Gefühle, religiöse, sittliche, ästhetische; auch die verschiedenen Triebe: Familientrieb, Wissenschaftstrieb, Rechtstrieb, Patriotismus etc. Wie an diesem Erfolg von vornherein nicht der mindeste Grund sein soll, daran zu zweifeln, ist schwer einzusehen. Wenigstens haben wirkliche Naturforscher und zwar solche ersten Ranges schon das bloße Empfindungsleben auf der untersten Stufe der Tierwelt aus Atomen oder aus einer besonderen Gruppierung von Atomen zu erklären für etwas durchaus Unmögliches gehalten (157). In der Tat ist ja das Atom ansich schon ein Widerspruch. Denn ist es materiell,m so ist es ausgedehnt, folglich kein Atom, d. h. kein Unteilbares. Wir haben daher in den Atomen nicht die letzten Bestandteile der Dinge vor uns, sondern einen Komplex von Materie; wird es aber nicht materiell genommen, nicht als ausgedehnt, sondern als einfach, so hört es auf, Materie zu sein. Es ist dann etwas rein Geistiges, eine von LEIBNIZ' Monaden. Hiermit aber kehrt die ganze Schwierigkeit wieder, wie man aus etwas rein Geistigem die Vorstellung von einer Materie und ihrer Bewegung erklären soll. Überdies beruth die Annahme von Atomen nur auf einem Schluß. Durch einen bloßen Schluß aber waren weder BERKELEY, noch KANT, noch LANGE, wie ich gezeigt habe, imstande, eine objektive, real vorhandene Welt zu erreichen und zu beweisen. Schließen ist bloß eine logische Funktion, wodurch uns nichts Materielles gegeben wird. Wer aus empirischen Tatsachen einen Schluß zieht, der sich nicht weiter durch Erfahrung kontrollieren läßt, folglich über die Erfahrung hinausgeht, der steht schon auf dem Gebiet der Metaphysik. Wenn ferner aus den Atomen Leben, Empfindung,m Bewußtsein erklärt oder abgeleitet werden soll, so müssen wir jedes Atom für sich schon mit Leben ausgestattet sein oder aus einer bestimmten Zusammensetzung derselben entstehen lassen. Haben sie die Empfindungsanlage schon von Natur an sich, so setzt man voraus, was erst bewiesen werden soll; sollen sie aber als tote Massenkörperchen erst durch eine bestimmte Gruppierung Leben erzeugen, so ist nicht denkbar, wie aus einem Komplex Leben hervorgehen soll, wenn doch in jedem einzelnen Teil desselben gar keins vorhanden ist. Wir werden also vor diesem Rätsel stehen bleiben und die gesamte Wissenschaft auf einem Widerspruch beruhen lassen, oder aber den empirischen Standpunkt zu verlassen und die Sache philosophisch weiter zu verfolgen genötigt sein. Übrigens ist diese ganze Reflexion über die Atome bereits spekulativer Natur und beweist gerade dadurch, wie schwer oder unmöglich es ist, selbst über die Grundbedingungen der Naturwissenschaft, über die Elemente, diese sonst so sehr verpönte Geistesfunktion völlig zu vermeiden (158). Fügen wir noch als den gewichtigsten Einwurf hinzu, daß der Naturforscher auch bei der größten Präzision im Experimentieren und der schärfsten mikroskopischen Betrachtung immer schon die Empfindung und das Denken voraussetzt und nie hinter sich selbst zurück kann, um das eigene Denken experimentell oder mikroskopisch zu beobachten, dann liegt die Unmöglichkeit auf der Hand, das Denken selbst oder die einfachste Empfindung mittels der "naturwissenschaftlichen Methode" erklären zu können, und es ist absolut nicht einzusehen, wie an deren "Erfolg von vornherein nicht der mindeste Grund zu zweifeln" sein soll. Es ist vielmehr umgekehrt von vornherein nicht der mindeste Grund zu zweifeln, daß es ganz und gar unmöglich ist, in letzter Instanz "für Alles, auch für den Mechanismus des Denkens, physische Bedingungen vorauszusetzen." (159). Wir müssen also im Gegensatz zu LANGE behaupten, daß er nicht im "Recht" ist, wenn er glaubtm, daß im letzten Grund und dieser allein ist für uns auf einem philosophischen Standpunkt maßgebend,
"die Forschung nach einem physikalischen Mechanismus des Empfindens wie des Denkens nicht überflüssig oder unzulässig"
ist (160). Versteht aber LANGE unter der naturwissenschaftlichen Methode nicht die sinnliche Beobachtung und das Experimentieren in der Materie und die Erklärung geistiger Prozesse aus derselben, sondern nur das induktiv-kritische Verfahren, welches ich für das eigentlich dialektische halte, so brauchen wir diese Methode nicht erst von der Naturwissenschaft zu entlehnen; denn sie wurde, als die Naturwissenschaft noch ganz in Windeln lag oder noch nicht einmal geboren war, schon von SOKRATES, PLATO und ARISTOTELES mit der größten Meisterschaft gehandhabt und wir verdanken ihr die größten Geisteswerke, welche diese Heroen als ewigen Urbilder aller echten Philosophie zutage gefördert. Da die Methode schlechthin der Weg zur Wahrheit ist und falsche Methode und Irrweg ganz identisch sind, weil die echte Methode aus dem Gegenstand selbst sich entwickeln muß, wie das Wachstum des Organismus nach den ihm eigentümlichen Gesetzen: so wollen wir noch kurz in Betracht ziehen, was LANGE unter naturwissenschaftlicher Methode versteht, welche er auf die Psychologie angewendet wissen will und von der er sich soviel Erfolg verspricht. In dieser Hinsicht hat er uns mit einem ganz dramatischen Beispiel versehen, das in Bezug auf Klarheit und Bestimmtheit nicht das Mindeste zu wünschen übrig läßt.
"Ein Kaufmann sitzt behaglich im Lehnstuhl und weiß selbst nicht, ob die Majorität seiner Ichheit sich mit Rauchen, Schlafen, Zeitunglesen oder Verdauen beschäftigt. Herein tritt der Bediente, bringt eine Depesche und darin steht: »Jonas & Comp. falliert!" [Pleite - wp] - Jakob soll anspannen! Der Bediente fliegt. Der Herr ist aufgesprungen, vollkommen nüchtern; einige Dutzend Schritte durchs Zimmer - hinunter ins Kontor, den Prokuristen informiert, Briefe diktiert, Depeschen aufgegeben, dann eingestiegen. Die Rosse schnauben; er ist auf der Bank, auf der Börse, bei Geschäftsfreunden - ehe eine Stunde herum ist, wirft er sich zuhause wieder in seinen Lehnsessel mit dem Seufzer: Gottlob, für den schlimmsten Fall bin ich gedeckt. Nun weiter überlegen!" (161)
Hier ist eine ganze Summe psychologischer Vorgänge: "Schrecken, Hoffnung, Erfindung, Berechnung, Untergang und Sieg." Läßt sich nun das Alles auf physischem oder psychologischem Weg erklären, oder müssen wir, was in die Sinne fällt, auf dem einen, und was sich denselben entzieht, auf dem andern zum Verständnis bringen? LANGE will unseren Kaufmann nur als ein "Objekt der körperlichen Welt betrachten", d. h. also die naturwissenschaftliche Methode auf die Psychologie anwenden.
"Er springt auf. Warum springt er auf? Seine Muskeln kontrahierten sich in entsprechender Weise. Warum dies? Es traf sie ein Impuls der Nerventätigkeit, welcher den aufgespeicherten Vorrat an Spannkräften auslöste. Woher dieser Impuls? Aus dem Zentrum des Nervensystems. Wie entstand er dort?" (162)
Wollte man jetzt mit "Seele" antworten, meint LANGE, so wäre der salto mortale aus der Wissenschaft in die Mythologie vollbracht. Er fordert deshalb einen "konsequenten Materialismus" und dieser besteht darin, daß man die
"physische Kausalreihe ohne irgendeine Berücksichtigung des sogenannten Bewußtseins durch das Hirn hindurch bis zur ersten Veranlassung der ganzen plötzlichen Bewegung zurückverfolgt."
Oder auch umgekehrt.
"Was kann in den Mann hinein? Das Bild einiger Striche mit Bleistift auf weißem Grund. Gewisse Lichtstrahlen trafen die Netzhaut, die in ihren Schwingungen ansich nicht mehr lebende Kraft entwickeln, als andere Lichtstrahlen auch. die lebende Kraft für den Nervenimpuls, die nicht so unbedeutend sein kann, wird also wohl auch im Zentralorgan erzeugt und durch den unendlich schwachen Impuls der Lichtwelle nur ausgelöst werden, wie die Spannkräfte der Pulvertonne durch das glimmende Fünkchen. Aber wie kommt es nun, daß gerade diese Linien in diesen Menschen gerade diese Wirkung hervorbringen? Jede Antwort, welche sich hier auf Vorstellungen und dergleichen beruft, gilt einfach als gar keine Antwort. Ich will die Leitungen sehen, die Wege der lebenden Kraft, den Umfang, die Fortpflanzungsweise und die Quellen der physikalischen und chemischen Prozesse, aus welchen die Nervenimpulse hervorgehen, die gerade in der zum Aufspringen dienenden Weise erst den musculus psoas [einer der größten Muskeln, verbindet die obere Lendenwirbelsäule und die Beckenschaufel mit dem Oberschenkel - wp], dann den rectus femoris [vorderer Muskel des Oberschenkels - wp], die vasti [Bauchmuskeln - wp] und die ganze mithelfende Gesellschaft zur Tätigkeit bringen. Ich will die ungleich wichtigeren Nervenströme sehen, welche sich in die Sprachwerkzeuge, in die Atemmuskeln verbreiten, Befehl, Wort und Ruf erzeugen, die auf dem Weg der Schallwellen und der Hörnerven anderer Individuen dasselbe Spiel zehnfach erneuern. Ich will mit einem Wort die sogenannte psychische Aktion einstweilen den Schulpedanten schenken und will die physische, die ich sehe, aus physischen Ursachen erklärt haben." (163)
Nun wissen wir, was LANGE unter naturwissenschaftlicher Methode und ihrer Anwendung auf die Psychologie versteht. Er will die sogenannten geistigen Funktionen, Denken, Wollen etc. aus materiellen Vorgängen erklären und Psychologie ist ihm nichts anderes als Physiologie. Ich habe auf diese Verwechslung schon geantwortet und will hierüber kein Wort mehr verlieren. Es ist ja ganz natürlich und selbstverständlich, daß der Naturforscher eine materielle Erscheinung aus einer materiellen Ursache zu erklären versucht. Aber ebenso natürlich ist es, wenn der Philosoph behauptet: Gedanken können nur mit Gedanken verglichen und das Geistige nur durch den Geist erkannt werden. Entweder gibt es, wie gesagt, keine Philosophie, oder wenn es eine geben soll, so fängt sie erst da an, wo die Naturwissenschaft aufhört. Damit ist nicht gesagt, daß der Philosoph in Bezug auf jene Wissenschaften ein Ignorant sein darf. Man kann von ihm heutzutage verlangen, daß er mit den positiven Wissenschaften stets in Kontakt bleibt, daß er ihre Resultate und die Methode, durch welche sie erzielt wurden, der Hauptsache nach genau kennt. Aber man kann nicht von ihm verlangen, daß er in seinem eigentlichen Beruf noch mit sinnlichen Hilfsmitteln operiert, daß er das, was nur noch geistig erklärt werden kann, durch materielle Experimente nachweist. Man muß sich endlich der Unmöglichkeit bewußt werden, daß es eine Philosophie geben soll, ohne daß man über die Erfahrung hinaus geht. Wenn freilich nur in der Erfahrung die Wahrheit liegt, wie KANT im Widerspruch mit sich selbst behauptet, und man unter Erfahrung nur das versteht, was durch die Sinnlichkeit kontrolliert werden kann, dann gibt es für die Philosophie keine Erfahrung und folglich auch keine Wahrheit. Wenn ich aber auch das als eine Tatsache betrachten darf, daß ich z. B. keinen Widerspruch denken kann, so ist die logische Funktion ansich gleichfalls Erfahrung und dann erst gilt für den Philosophen im eigentlichen Sinn der Satz: "Nur in der Erfahrung ist Wahrheit."
Daß LANGE nach der oben angeführten Schilderung geistige Vorgänge, Empfinden, Denken, Wollen als Physiologe erklären wollte, liegt auf der Hand. Daß er die beiden Gebiete, das Sinnfällige und Abstrakte, immer wieder miteinander verwechselt und sich dadurch unaufhörlich in Widersprüche verwickelt, liegt gleichfalls auf der Hand. Er will mit seiner naturwissenschaftlichen Methode "nach einem physikalischen Mechanismus des Empfindens wie des Denkens forschen" und glaubt an diesem "Erfolg von vornherei nicht den mindesten Grund zu haben, daran zu zweifeln". Zugleich aber sagt er:
"Das Bewußtsein läßt sich aus stofflichen Bewegungen nicht erklären. Wie bündig auch dargetan wird, daß es von stofflichen Vorgängen durchaus abhängig ist, das Verhältnis der äußeren Bewegung zur Empfindung bleibt unfaßbar und enthüllt einen umso grelleren Widerspruch, je näher man es beleuchtet." (164)
Weiter sagt LANGE:
"Ich gehe von dem Grundsatz aus, daß der Mensch durch und durch begreiflich ist, und wenn man nicht gleich das Ganze begreifen kann, so bin ich genügsam." (165)
Durch und durch? und das sogar auf einem rein physiologischen Weg?
"Das läßt sich hören!
Doch nur vor Einem ist mir bang,
Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang,
Ich dächt', ihr ließet euch belehren!
[Mephistopheles im Faust]
Diese Kunst, den Menschen auf naturwissenschaftlichem Weg durch und durch begreifen zu wollen, ist nicht bloß lang, sondern schlechterdings unmöglich. Für mich steht das fest. Ob aber auch für LANGE? Ja, auch für LANGE. Soll ich noch einmal die schon oft erwähnten Stellen anführen, um meine Leser LANGEs bessere Überzeugung oder zumindest seine Widersprüche nachzuweisen?
"Es sei denn also, daß es im Körper einen physischen Mechanismus gibt, welcher die Schlüsse des Verstandes und der Sinne hervorbringt; dann stehen wir unmittelbar vor den Fragen: Was ist der Körper? Was ist der Stoff? Was ist das Physische? und die heutige Physiologie muß uns, so gut wie die Philosophie, auf diese Fragen antworten, daß dies alles nur unsere Vorstellungen sind, notwendige Vorstelluhngen, nach Naturgesetzen erfolgende Vorstellungen, aber eben nicht die Dinge selbst." (166)
Und doch sagte er oben, gerade in jenem physiologischen Exempel: "Jede Antwort, welche sich hier auf Vorstellungen und dgl. beruft, gilt einfach als gar keine Antwort." (167) Auch meint er mit die "sogenannte psychische Aktion den Schulpedanten" überlassen zu müssen. Nun frage ich: Was ist nach diesen Äußerungen LANGE selbst? Ist er Physiologe oder ein Schulpedant? Er muß ein Schulpedant sein.
"Denn wenn auch unsere auf sinnliche Anschauung angewiesene Forschung mit unvermeidlicher Konsequenz darauf ausgehen muß, für jede geistige Regung entsprechende Vorgänge an Stoff nachzuweisen, so ist doch dieser Stoff selbst mit Allem, was aus ihm gebildet ist, nur eine Abstraktion von unseren Vorstellungsbildern. Der Streit zwischen Körper und Geist ist zugunsten des letzteren geschlichtet und dadurch erst die wahre Einheit des Bestehenden gesichert." (168)
Wenn wir uns noch dazu erinnern, daß es
"keineswegs schwer zu denken ist, daß unsere ganze Vorstellung von einem Stoff und seinen Bewegungen das Resultat einer Organisation von rein geistigen Empfindungsanlagen"
ist, so werden wir unter diesen rein geistigen Empfindungsanlagen wohl jene "psychische Aktion" verstehen dürfen, welche der Physiologe LANGE dem Schulpedanten LANGE "schenkt". Wenn aber dem Physiologen LANGE "jede Antwort, welche sich auf Vorstellungen und dergleichen beruft, einfach als gar keine Antwort gilt": so sind all jene Äußerungen, durch welche die "konsequent materialistische Betrachtung sofort in eine konsequent idealistische umschlägt", "einfach gar keine Antwort", sondern gedankenlose Phrasen.
Des Kontrastes halber will ich zu dem eben angeführten konsequenten Idealismus noch folgende charakteristische Sätze für den inkonsequenten Materialismus eine Stelle finden. Auf den Einwurf, irgendwo müsse das Bewußtsein doch sitzen, erwidert LANGE: "Ich wünschte, man könnte mir einmal ein Bewußtsein zeigen". Eine Forderung, die man wohl von CARL VOGT erwarten könnte, nicht aber von FRIEDRICH ALBERT LANGE. Wenn allerdings das Bewußtsein bisweilen so plump aufgefaßt wird, als ob dessen Aposteriorisches, mit seinem schwellenden Pfirsich, irgendwo in der weichen Gehirnmasse, als seinem Pfühl [Ruhekissen - wp], in aler Behäbigkeit sich breit macht und gähnend vor Langeweile rücklings über dasselbe sich ausstreckt: dann ist eine solche Antwort verdient. Die folgenden Sätze aber beweisen, daß der obige nicht sowohl in einer humoristischen, als vielmehr in einer vorwiegend materialistischen Auffassungsweise seine Wurzel treibt. "Es ist schwer, sich über Dinge (Bewußtsein) zu verständigen, die jeder nur bei sich haben kann". Aber wo sollte man es denn sonst haben? Wenn wir uns auch noch darüber verständigen müßten, was der Grund und die Voraussetzung sämtlicher Geistesfunktionen bei allen Menschen ist, dann müßte die Konfusion unserer Begriffe sich erst recht hübsch ausnehmen! Und hat etwa Jeder das verpönte Bewußtsein nur bei sich, und nicht ebenso die vielgepriesene Sinnlichkeit, wenn dieselbe doch nichts anderes ist, als ein Zustand des Gefühls oder der Empfindung, die ja auch nirgends außerhalb von uns selbst angetroffen wird? "Mir" (fährt LANGE weiter) "ist es z. B. vorgekommen, als ob das eigentliche Denken immer unbewußt ist". So sehr lag also schon damals die "Philosophie des Unbewußten" in der Luft! Es winken sich die Weisen aller Zeiten! Nun, wenn das eigentliche Denken immer unbewußt ist, was wird dann erst das uneigentliche sein! Dann darf LANGE nicht mehr lange von dem "Grundsatz ausgehen, daß der Mensch durch und durch begreiflich" ist. Unbewußtes-eigentliches Denken, was ist das? Bewußt läßt sich das eigentlich nicht ausmachen. Wir müssen also unbewußt, uneigentlich die Sache erklären. Was ist aber uneigentlich und unbewußt? Heiliges Bewußtsein, steh' mir bei, und du "psychische Aktion" verlass' mich nicht!
Unter unbewußtem Denken verstehe ich: Träumen, Phantasieren, Irrlichtern etc.; unter uneigentlichem Denken dagegen: den Widerspruch mit sich selbst; unter dem eigentlichen Denken aber: prinzipielle Begründung und konsequente Folgerung. "Unbewußtes Denken" kann nur dann einen Sinn haben, wenn ich darunter die Potenz, die Anlage, die bloße Fähigkeit zum Denken verstehe. Das eigentliche Denken aber ist die Betätigung dieser Fähigkeit, die Funktion. Wenn nun die Funktion selbst auch unbewußt ist, also das "eigentliche Denken" in einem Unbewußtsein besteht, dann ist freilich ein Bewußtsein gar nicht möglich. Dann ist unser ganzes Leben bloß ein Traum. Aber nicht einmal jene Potenz oder bloße Anlage zum Denken ist als Voraussetzung für die Denktätigkeit, ohne die Funktion, vorstellbar. Das "eigentliche Denken" kann also nur ein bewußtes sein, indem ich, um vom unbewußten Denken auch nur zu reden, schon denktätig bin. LANGE aber leitet das Bewußtsein von ganz andern Quellen ab.
"Nur die störenden Nebenempfindungen erinnern uns beständig wieder an unsere Person und machen, daß wir von uns selbst wissen." (169)
Wenn bloß das Abnorme, das Krankhafte uns zum Selbstbewußtsein brächte, dann könnten wir uns des spezifisch menschlichen Vorzugs: des Denkens, der Vernunft, nur auf Kosten der Gesundheit, oder der Gesundheit nur auf Kosten des Bewußtseins erfreuen. Wenn unsere Organisation und die Natur, welche sie hervorgebracht hat, eine so verkehrte ist, dann dürfte auch diese Behauptung selbst, als Wirkung einer krankhaften Ursache, eine verkehrte sein. Oder was versteht LANGE unter diesen "störenden Nebenempfindungen"? Stellt er sie vielleicht in einen Gegensatz zu normalen Hauptempfindungen? Welche meint er damit und worin bestehen sie? Immerhin ist es verdächtig und ein Bischen widernatürlich, wenn die Nebenempfindung erst die Hauptempfindung hervorrufen, also das Störende, Abnorme, Nebensächliche die Ursache des Normalen und Hauptsächlichen sein soll. Sollte ich wirklich von meinem Magen in seinem Normalzustand keine Einsicht gewinnen können, sondern erst wenn ich mich von ihm krankhaft affiziert fühle? Und wie will ich dann von ihm im gesunden Zustand Kenntnis erlangen? Man möchte bisweilen versucht sein, solche Widersprüche und Absurditäten in der Tat als Frucht und Zeugnis eines unbewußten Denkens zu halten.
PLATO, der würdigste Repräsentant alles echten und konsequenten Idealismus, der große Schüler des Vaters der Philosophie und zugleich der erhabene Lehrer des scharfsinnigen Denkers und Schöpfers der Logik, möge mit seinen klassischen Worten gegen die Materialisten seiner und aller Zeiten diese Abhandlung beschließen.
Sokrates: Die Einen ziehen Alles aus dem Himmel und dem Unsichtbaren auf die Erde und fassen es geradezu mit den Händen an, wie Steine und Eichbäume. Denn indem sie sich an alle Dinge der Art halten, stellen sie die Behauptung auf, nur das sei, was sie ergreifen und betasten können, definieren Körper und Substanz als identisch, und wenn von den andern jemand etwas unkörperlich darstellt, so verachten sie ihn ganz und gar und wollen weiter Nichts hören.
Theätet: Ja, das sind gefährliche Leute, von denen du da sprichst, denn ich bin schon mit vielen von ihnen zusammengetroffen.
Sokrates: Daher wehren sich auch ihre Gegner sehr vorsichtig von Oben, vom Unsichtbaren her und machen mit Gewalt gewisse Gedanken, Dinge und unkörperliche Begriffe zum wahrhaften Sein. Jene Körper aber und was dieselben für Wirklichkeit ausgeben, zerschlagen sie in ihren Untersuchungen in kleine Stücke und nennen sie nicht Sein, sondern ein sich bewegendes Werden. Darüber hat sich in der Mitte zwischen beiden Parteien, lieber Theätet, ein stets heftiger Kampf entsponnen.
Theätet: Wohl wahr.
Sokrates: Leichter ist es bei denen, welche es in Begriffe setzen. Denn sie sind zahmer. Schwieriger ist es bei denen, welche alles mit Gewalt in die Körperlichkeit hineinziehen, vielleicht sogar fast unmöglich. Doch so, glaube ich, muß man es wohl mit ihnen anfangen.
Theätet: Wie denn?
Sokrates: Vor allem, wenn es irgendwie möglich wäre, müßte man sie in der Tat besser machen. Wenn das aber nicht geht, so laß es uns durch das Wort versuchen, in der Voraussetzung, daß sie uns gesitteter antworten wollen als jetzt. Denn ein Zugeständnis von Besseren ist doch wertvoller als von Schlechteren. Wir aber kümmern uns nicht um sie, sondern suchen die Wahrheit. (170)
LITERATUR Gideon Spicker, Über das Verhältnis der Naturwissenschaft zur Philosophie, Berlin 1874
Anmerkungen
129)
Aenesidemus oder über die Fundamente der von dem Herrn Prof. Reinhold in Jena gelieferten Elementarphilosophie, nebst einer Verteidigung des Skeptizismus gegen die Anmaßungen der Vernunftkritik, Seite 130 - 180; 223-272
130)
Kuno Fischer, Geschichte der neuern Philosophie, Bd. V, Seite 107-112.
131)
Lange, a. a. O., Seite 268 (zweite Auflage, 2. Buch, Seite 50)
132)
Schopenhauer, W. a. W. u. V., Bd. 1, Teil V
133)
vgl. Kants Werke von Rosenkranz, Bd. II, Vorrede
134)
a. a. O., Vorrede, Seite V
135)
Lange, Vorrede, Seite III
136)
In der neuen Auflage hat sich Lange entschiedener auf den kantischen Standpunkt gestellt; dafür treffen ihn aber auch umso entschiedener alle Einwürfe, die ich gegen Kant selbst vorgebracht habe. Siehe "Kritik der kantischen Erkenntnistheorie".
137)
Lange, a. a. O., Seite 137, 204, 208, 235, 236, 240, 484 (siehe zweite Auflage, 1. Buch, Seite 377-378, 391-392, 423 Anm. 90) Hier heißt es in Bezug auf Berkeley: "Der Schluß auf eine geistige, unkörperliche und tätige Substanz als Ursache unserer Ideen ist so reich an den plattesten und handgreiflichsten Absurditäten, wie nur irgendein anderes metaphysisches System". Statt dieser letzteren Worte können wir mit gleichem Recht sagen: Wie nur irgendein Ding ansich. (siehe meine Abhandlung "Kritik der kantischen Erkenntnistheorie")
138)
Lange, a. a. O., Seite 235
139)
a. a. O., Seite 504 (zweite Auflage, 1. Buch, Seite 378)
140)
a. a. O., Seite 497.
141)
a. a. O., Seite 471
142)
a. a. O., Seite 204.
143)
a. a. O., Seite 347
144)
a. a. O., Seite 336 (zweite Auflage, 2. Buch, Seite 173)
145)
a. a. O., Seite 337.
146)
a. a. O., Seite 336
147)
zweite Auflage, 2. Buch, Seite 181. "In der Tat ist die Atomistik noch heute, was sie zu Demokrits Zeiten war."
148)
zweite Auflage, 2. Buch, Seite 178.
149)
Lange, a. a. O., erste Auflage, Seite 347 (zweite Auflage, 2. Buch, Seite 174)
150)
a. a. O., Seite 471.
151)
siehe a. a. O., zweite Auflage, 2. Buch, Seite 290
152)
Lange, a. a. O., erste Auflage, Seite 472.
153)
a. a. O., Seite 474
154)
a. a. O., Seite 475
155)
Lange, a. a. O., Seite 471
156)
a. a. O., Seite 472
157)
Emil Dubois-Reymond in seiner Rede "Über die Grenzen des Naturerkennens".
158)
"Der Begriff der Materie selbst ist und bleibt ein Gegenstand der Metaphysik", sagt Lange selbst (erste Auflage, Seite 86).
159)
Lange, a. a. O., Seite 497
160)
a. a. O., Seite 500.
161)
Lange, a. a. O., erste Auflage, Seite 453.
162)
ebd.
163)
Lange, a. a. O., Seite 454
164)
a. a. O., Seite 234
165)
a. a. O., Seite 454
166)
a. a. O., Seite 496
167)
a. a. O., Seite 454.
168)
a. a. O., Seite 499.
169)
Lange, a. a. O., Seite 452
170)
Plato, Theätet, Kapitel XXIII, Seite 246.
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