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Die Erkenntnistheorie von Tetens [3/3]
2. Kapitel Die subjektiv notwendigen Erfahrungssätze I. Allgemeines über die Erfahrungssätze TETENS setzt den Vernunftsätzen, die wir bisher behandelten, die Erfahrungssätze gegenüber. Dieselben tragen auch den Charakter der Notwendigkeit ansich, diese Notwendikeit ist aber nur einem Teil eine Denknotwendigkeit, zu einem anderen eine Gewohnheitsnotwendigkeit. (1) Durch die gewohnheitsmäßige Assoziation von Vorstellungen entstehen mit dem Bewußtsein der Notwendigkeit verbundene Erfahrungssätze, die man als aus unvollkommenen Induktions- und Analogieschlüssen hervorgehend darstellen kann. Der Verstand
Hat man aber einmal erkannt, daß die Notwendigkeit, mit der wir eine Vorstellungsweise anerkennen, den soeben näher angegebenen Ursprung hat, so erklären wir die betreffende Vorstellungsweise als eine zufällig. (4) So läßt sich also bei den Erfahrungssätzen das ausscheiden, was durch eine Gewohnheitsnotwendigkeit anerkannt wird. Wissenschaftlich anzuerkennende Erfahrungssätze lassen sich aber andererseits nicht immer so begründen, daß ihre Anerkennung absolut denknotwendig ist. Man hat hier dann mit einem größeren oder geringeren Grad von Wahrscheinlichkeit zu rechnen und sein Augenmerk darauf zu richten, wie groß die Wahrscheinlichkeit im einzelnen Fall ist. (5) Es gibt "unendlich große Wahrscheinlichkeiten, obgleich sie nach der Theorie nicht gänzlich der Gewißheit gleich sind und diese verdienen eine vorzügliche Erwägung". (6) Auf die Erfahrung gründet sich auch eine Überzeugung, welche sich mit vielen Erfahrungssätzen verbindet, der Glaube an die Realität der Außenwelt. Diesen Glauben haben wir nun einer näheren Untersuchung zu unterziehen. Den Glauben an die objektive Existenz der Dinge behandelt TETENS psychologisch und erkenntnistheoretisch. Das erkenntnistheoretische Urteil über diese Vorstellungsweise ergibt sich bei TETENS unmittelbar aus der Rechenschaftsablegung über den Ursprung unserer Kenntnisse von der objektivistischen Existenz der Dinge. Bevor er eine positive Rechenschaft über diese Genesis ablegt, behandelt er in vorzüglicher Weise kritisch die Anschauung von Philosophen, welche glauben, daß der naive Mensch ursprünglich "Egoist" ist, ursprünglich nur ein Ego anerkennt, alle Empfindungen als Teile seiner eigenen psychischen Existenz auffaßt. Darauf entgegnet TETENS folgendes:
Hier haben wir zunächst einen Tatbestand zu erwähnen, welcher die Scheidung von inneren und äußeren Empfindungen zur Folge hat, also die Scheidung der Empfindungen aus unserem Körper und unserer Seele einerseits und aus den fremden Körpern andererseits bedingt. Die Eindrücke durch das Gesicht und das Gehör - die ersteren, die sich am klarsten als Eindrücke von dieser Klasse auszeichneten - entstehen ohne innere Vorbereitung dazu, die sich bemerken ließe, und vergehen wiederum ohne merkbare Folgen. Nicht so die Empfindungen aus dem Körper, noch die Empfindungen des inneren Selbstgefühls. Diese sind stärker und verfolgen das Bewußtsein länger.
Die Scheidung dieser verschiedenen Arten von Empfindungen in drei große Gruppen wird nach TETENS weiter unterstützt durch die eigene Verbindung der Empfindungen untereinander.
Man muß sich wundern, daß TETENS diesen Tatbestand nicht an erster Stelle angeführt hat, da hier für die Scheidung der betreffenden Empfindungen in Haufen geringe psychische Leistungen in Anspruch genommen worden als in den beiden vorher angeführten Fällen. Hier werden nur Empfindungen und Assoziationen der Empfindungen vorausgesetzt, nicht etwa ein Wahrnehmen von Verschiedenheiten der Empfindungen, während in den beiden zuerst angegebenen Tatbeständen auch die Wahrnehmung von Verschiedenheiten der Empfindungen vorausgesetzt wird. Es würde deshalb wohl im Sinne von TETENS sein, wenn man diesen Tatbestand an erster Stelle für die Scheidung der Empfindungen in verschiedene Gruppen anführen würde. Sind einmal die Empfindungen in verschiedene Ganze (Haufen) zusammengefaßt, so muß nach TETENS beim Übergang von einer Art von Empfindung zu einer anderen Art von Empfindung sich "eine große Aussicht" in der Seele auf einmal verändern, und sodann muß die Seele eine so entstehende Richtungsänderung der Aufmerksamkeit bemerken. Diese Richtungsänderung der Aufmerksamkeit tritt schon äußerlich hervor in den Blicken des Individuums. Man kann es jemandem gleich ansehen, ob seine Aufmerksamkeit sich auf äußere Gegenstände richtet oder ob sie nach innen auf sich selbst gerichtet ist. Diese Differenzen dienen der Seele als "Unterscheidungskennzeichen" der einen Art von Empfindungen gegenüber Empfindungen anderer Art. Bevor wir weiter gehen in der Besprechung der psychologischen Genesis unseres Glaubens an die Außenwelt, wollen wir das Angeführte kritisch würdigen. TETENS leitete die psychologische Untersuchung über den Ursprung unseres Glaubens an die objektive Existenz der Dinge, wie wir uns entsinnen, mit einer Polemik gegen die Auffassung derer ein, welche das vorauszusetzende Subjekt seine einzelnen Zustände, weil sie in ihm sind, in sich selbst setzen lassen. Die bezüglichen Ausführungen von TETENS sind voll und ganz berechtigt. Er polemisiert hier gegen eine intellektualistische Auffassungsweise, die auch heute noch ihre Vertreter hat. Die Scheidung der verschiedenen Empfindungen in Gruppen soll also zunächst dadurch zustande kommen, daß sich die inneren Empfindungen von den äußeren durch eine größere Intensität und Dauer unterscheiden. Aber zugegeben, daß sich die Empfindungen "aus der Seele" und aus dem eigenen Körper einerseits von den Empfindungen aus fremden Körpern andererseits so unterscheiden, so ist damit doch für das vorauszusetzende Subjekt noch kein Prinzip für die Zusammenfassung dieser verschiedenen Arten von Empfindungen gegeben. Für den Psychologen mögen diese Differenzen der Empfindungen ein Motiv zur Zusammenfassung in Gruppen abgeben. Aber soll die längere Dauer und stärkere Intensität der Empfindungen den Zusammenschluß dieser Empfindungen in einem naiven Bewußtsein bewirken? Das sieht man nicht ein. Allerdings, wenn sich die Vorstellung des eigenen Körpers und fremder Körper schon gebildet hat (ohne daß sie als solche aufgefaßt werden), dann begreift man, wie jene Eigenschaften der verschiedenen Empfindungen dazu dienen können, den eigenen Körper als etwas Besonderes gegenüber den fremden Körpern abzuheben. Man wird dann vielleicht von diesen "inneren Empfindungen" die Gefühle und Beziehungen als für das vorauszusetzende Subjekt hier zunächst in Betracht kommend auffassen und die Entwicklung einer innigen assoziativen Beziehung zwischen der Vorstellung unseres Körpers und ihnen nachzuweisen suchen. Dabei müßte man aber, wie gesagt, schon die Scheidung der Auffassung unseres eigenen Körpers von der fremder Körper voraussetzen. Man wundert sich vielleicht, daß hier TETENS nicht die Scheidung der einzelnen Empfindungen durch die räumliche Auffassung in Anspruch nimmt. Doch das ist von seinem Standpunkt aus nicht unverständlich: wir brauchen uns nur an seine Auffassung der räumlichen Vorstellung zu erinnern, dieselbe schließt das Setzen von Beziehungen ein und eine solche Leistung unserer Denktätigkeit mag er auf dieser niederen Entwicklungsstufe nicht in Anspruch nehmen. Für die Scheidung der Empfindungen aus der Seele von denen aus dem Körper führte TETENS an, daß die ersteren im Gegensatz zu den letzteren nicht wahrgenommen werden, wenn sie da sind. Dagegen ist Folgendes einzuwenden. Die hier in diesem Stadium der Entwicklung zunächst in Betracht kommenden psychischen Funktionen, die Gefühle und Begehrungen, sind an und für sich dem Individuum klar bewußt, auf sie braucht sich nicht erst noch eine andere Wahrnehmungstätigkeit zu richten und das geschieht auch nicht. Sodann würde aber auch vom vorauszusetzenden Subjekt eine solche Differenz nicht bemerkt werden. Dem Psychologen ist natürlich eine solche Differenz sehr geläufig, er muß aber bei dieser Art von Ausführungen stets die Entwicklungsstufe des vorauszusetzenden Subjekts im Auge behalten. Einen positiven Wert glauben wir dagegen dem zu dritt angeführten Tatbestand beilegen zu dürfen. Hier betonte TETENS die eigene Verbindung der verschiedenen Empfindungen untereinander. Er verwies hier auf die Menge von Empfindungen des eigenen Körpers, die bei der Bewegung von Hand und Fuß entstehen, auf die Fülle von Gesichtsempfindungen, die sich beim Öffnen der Augen darbieten und doch in eine zusammengefaßt sind. Hier wäre vielleicht zu bemerken, daß für den assoziativen Zusammenschluß dieser Empfindungen nicht nur ein Zuusammensein der verschiedenen Phänomene in einem Totalphänomen, sondern auch ein mehr oder weniger deutliches Hervortreten der einzelnen Phänomene Bedingung ist, im objektiven Zusammensein wäre noch kein Assoziationsprinzip von in Betracht kommender Wirkung gegeben. Vielleicht hat das aber auch TETENS gemeint, ohne es bestimmt auszusprechen. Er sagt nämlich bezüglich der Gesichtsempfindungen:
Wir können jetzt weiter gehen in der Behandlung der Rechenschaftsablegung TETENS' über die Genesis des Glaubens an die objektive Existenz der Dinge. Wir werden hier einer Reihe treffender Feststellungen bezüglich dieser Entwicklung begegnen. Mit der Scheidung der verschiedenen Arten von Empfindungen in verschiedene Gruppen ist erst ein kleiner Anfang gemacht zur Entwicklung unserer Auffassung der objektiven Existenz der Dinge.
Wir haben bei der Besprechung der Inhärenzbeziehung gesehen, wie diese Ideen sich entwickeln, wie wir zur Idee von einem unzertrennten koexistierenden Ganzen kommen, in dem ein (hervortretender) Zug als seine Beschaffenheit enthalten ist, und wie wir dieses Ganze auffassen lernen als einen
Zunächst der Begriff des Wirklichseins. Wie kommt der zustande? Wirklichsein ist zunächst so viel wie gefühlt und empfunden werden im Gegensatz zum Vorgestellt werden. Das Wirkliche ist das Empfundene, das Unwirkliche das bloß Vorgestellte. Die Idee des Wirklichseins entsteht deshalb dadurch, daß das Empfundene, Gefühlte verglichen wird mit dem bloß Vorgestellten.
Da nun, wo das charakterisierte Ganze als ein wirklichseiendes aufgefaßt wird, und wo dann nocht weiter die Beziehung des betreffenden Empfindungskomplexes als Wirkung auf eine Ursache außerhalb desselben, spricht TETENS lieber von einem Objekt als von einem Ding. TETENS meint also, daß das naive Bewußtsein die Empfindungen auf Objekte als ihre Ursachen bezieht. Von der Entstehung des Begriffs der Verursachung haben wir früher gehandelt.
Das Objekt wird nun weiter aufgefaßt als ein dauern bestehendes. Hier gibt TETENS Rechenschaft vom Begriff der Zeit, denn der Begriff vom Bestehen und Fortdauern bezieht sich auf den Begriff der Zeit. Die Entwicklung es Zeitbegriffs haben wir ja aber bereits kennengelernt. Nun gibt aber TETENS leider nicht an, was uns dazu veranlaßt, auf das, was wir als Objekt auffassen, den Begriff des dauernden anzuwenden. Das Ding wird zuletzt aufgefaßt als für sich bestehend. Wenn diese Auffassung zur Entwicklung gekommen ist, spricht TETENS von der Idee der Substanz. Wie aber kommt sie zur Entwicklung? Die Idee von einem für sich bestehenden Ding kann sich nur entwickeln, wenn der betreffende Empfindungskomplex allein für sich vorhanden ist
Es fragt sich aber, ob auch bei äußeren Empfindungen diese Forderung erfüllt sein kann. Diese Frage ist für TETENS sehr wichtig, weil sie ihm zugleich eine wichtige erkenntnistheoretische Bedeutung hat. Die Idealisten nämlich sagen: Die Idee des für sich bestehenden Dings ist durch die Erfahrungen zur Ausbildung gekommen, welche wir an unserem Ich machen. Sie ist dann später übertragen worden auf äußere Empfindungskomplexe, an denen sie primär nicht zur Entwicklung kommen kann, weil hier die angegebenen Bedingungen für die Entwicklung dieser Idee nicht gegeben sind. Die Übertragung aber geschieht zu Unrecht. Nun sagt sich TETENS, diese Anschauung der Idealisten ist psychologisch fundiert. Wir wollen sehen, ob die psychologischen Behauptungen derselben zu Recht bestehen. Wir wollen uns die äußeren Empfindungskomplexe daraufhin ansehen, ob sie wirklich nicht das enthalten, was für die Entwicklung der Idee des für sich existierenden Dings gefordert wird. Sollte sich auch in den äußeren Empfindungen die notwendige Grundlage für die Entwicklung dieser Idee finden, so ist die obige idealistische Betrachtungsweise widerlegt und es ist zugleich direkt damit bewiesen, daß wir - hier nimmt der Gedankengang eine positiv-erkenntnistheoretische Wendung - daß wir mit demselben Recht von äußeren Substanzen wie vom Ich als einer Substanz sprechen. Es schließt sich sodann noch eine weitere erkenntnistheoretische Folgerung an, die wir später behandeln. Die Idealisten begründen ihre obige Auffassung in folgender Weise: Die äußeren Empfindungen
Die hier aufgestellte Behauptung, daß jede äußere Empfindung die Grundlage für die Entwicklung dieser Idee bietet, wird später dahingehend eingeschränkt, daß die Gesichts- und Tastempfindungen die Seele in solcher Weise in Anspruch nehmen, daß sie ihre eigenen Tätigkeiten nicht bemerkt - oder genauer noch die Empfindungen des Gesichts und die "sanften, ansich deutlichen Eindrücke auf das äußere körperliche Gefühl". (15) Diese Wirkung wird beim Gesichtssinn dadurch noch verstärkt, daß auch die "Wiedervorstellung" der Gesichtsbilder die Seele in der bezeichneten Weise beschäftigt. Die Gesichts- und Tastempfindungen nehmen aber diese Sonderstellung ein, weil sie sich durch Klarheit und Deutlichkeit den anderen Empfindungen gegenüber auszeichnen, dazu haben sie eine geringere Intensität. Diese Eigenschaften bedingen, daß die Seele sich voll und ganz mit ihnen beschäftigt und dabei ihre eigenen Tätigkeiten nicht bemerkt. Die übrigen Empfindungen können höchstens sekundär auf ein solches für sich bestehendes Ding bezogen werden.
Wir können von den gemachten Entwicklungen eine "Grundregel" ableiten, "wonach wir über die subjektivische und objektivische Existenz der Dinge urteilen" - gemeint ist das Prinzip, von dem das naive Individuum bestimmt wird, wenn es psychische Vorzüge als subjektiv oder objektiv auffaßt, auf sein Ich, auf seinen Körper oder auf äußere Dinge bezieht. Diese sich aus dem Gesagten ergebende Grundregel ist nach TETENS folgende:
Die Geruchs- und Geschmacksempfindungen setzen wir in die Zunge und in die Nase. Von dieser Beziehung der Geruchs- und Geschmacksempfindungen müssen wir das Urteil über die äußere Ursache der Empfindungen unterscheiden, welches lautet: das Ding, was diesen Geruch und diesen Geschmack hat, ist außerhalb von uns. Dieses Urteil ist nach TETENS eine Folgerung, die wir durch Räsonnement [Argument - wp] gemacht haben:
Die Tastempfindungen werden das eine Mal nach außen verlegt, das andere Mal in die gereizten Organe, je nachdem die Reize eine geringere oder größere Intensität haben. Über die Gehörsempfindungen endlich äußert sich TETENS dahin, daß sie nicht in die Organe verlegt werden, weil sie ebenfalls schwächere Reize sind und wir deshalb das Organ nicht mitempfinden. Sie können aber auch nicht nach außen verlegt werden, weil ihnen die Völligkeit und Dauer fehlt, um uns als ein für sich bestehendes Ding vorzukommen. So finden wir "kein näheres Subjekt für den Ton als unser Ich" und setzen ihn deshalb in uns, zumal die Töne "selten gleichgültige Gefühle sind." So finden wir die angegebene Grundregel bei der Auffassung der Empfindungen der verschiedenen Sinne in Kraft. Diese Grundregel war abgeleitet aus den obigen Entwicklungen über die Entstehung der Ideen des Ich und der Körper außerhalb von uns. Aus diesen Entwicklungen ist auch der Unterschied zwischen qualitatibus primariis und secundariis zu begreifen. (21) Nach LOCKE und anderen sollen einige von den "objektivischen Beschaffenheiten, von den auf Objekte bezogenen Beschaffenheiten", von den auf Objekte bezogenen Beschaffenheiten", von den auf Objekte bezogenen Beschaffenheiten, unseren subjektiven "Bildern" ähnlich sein, andere nicht. Zu den ersteren, den qualitatibus primariis, wird gerechnet der Ort, die Farbe, die Bewegung, die Gestalt, die Ausdehnung, Vorstellungen, die wir durch den Gesichtssinn und den Tastsinn erlangen, während die übrigen Sinnesqualitäten subjektiv sind. Nach TETENS sind die gesamten Sinnesqualitäten subjektiv, von der Art unserer Körperorgane abhängig. Der wesentlichste Unterschied der qualitates primarii von den qualitates secundarii liegt - das ergibt sich uns aus dem früher über die Sonderstellung der Gesichts- und Tastempfindungen Gesagten - darin, daß die ersteren Empfindungen klarer und deutlicher sind. Wir entsinnen uns, daß nach TETENS die Vorstellungen des für sich bestehenden Dings sich aufgrund der besonderen Klarheit und Deutlichkeit der Gesichts- und Tastempfindungen entwickelte. Die anderen Empfindungen sind im Gegensatz zu diesen verwirrte Empfindungen. Der gewöhnlich als zwischen den primären und sekundären Qualitäten bestehend gedachte Unterschied ist nur ein gradueller von untergeordneter Bedeutung. TETENS spricht im einen Fall von bildlichen Zeichen, die unsere bezüglichen Empfindungen und Vorstellungen abgeben. Eine Folge des an erster Stelle und am schärfsten hervorgehobenen Unterschiedes zwischen primären und sekundären Qualitäten stellt sich uns dar in der Eigentümlichkeit der Ideen des Gesichts- und Tastsinns im Gegensatz zu den Ideen anderer Sinne.
Bevor wir zur Behandlung der bezüglichen erkenntnistheoretischen Fragen nach der objektiven Gültigkeit der Idee der Außenwelt übergehen, wollen wir eine kritische Würdigung von TETENS' Anschauung über die Entstehung des Dingbegriffs, des Objektbegriffs, des Substanzbegriffs, des Begriffs des äußeren Objekts übergehen. Wenn TETENS für die Genesis des Dingbegriffs das Vorhandensein von Empfindungskomplexen durch die uns "unzertrennte" Ganze gegeben sind, deren Bestandteile koexistieren, und dann weiter die Erfaßbarkeit dieser Komplexe in je einem Akt des Bewußtseins verwertet, so finden wir die Hervorhebung dieser Faktoren durchaus berechtigt. Weiter entwickelt TETENS, wie man sich entsinnt, daß das Ding aufgefaßt wird als ein Etwas mit einem "dunklen unauflösbaren Boden". Hierüber aber, ob im Dingbegriff der Gedanke eingeschlossen ist, daß uns die Dinge bei geeigneter Betrachtung eine unbestimmt große Anzahl von Eigenschaften offenbaren, ein Gedanke, der zur Entwicklung gekommen sein soll aufgrund der Erfahrung, daß "wo wir die Auflösung versucht haben", sichs fand, "daß immer noch etwas Unaufgelöstes zurückblieb", daß die noch mögliche Auflösung "ins Unendliche zu gehen, oder doch für uns endlos" (24) zu sein, über diese Auffassung von TETENS läßt sich sehr streiten. Hier liegt es nahe geltend zu machen, daß sich dem Forscher allerdings die Dinge zeitweilig so präsentieren mögen, daß sich aber wohl diese Auffassung beim naiven Menschen - zumal als ständige Komponente des Dingbegriffs - nicht nachweisen läßt. Berechtigt ist dann weiter ohne Zweifel die Verwertung des Begriffs des Wirklichseins in der Rechenschaftsablegung über die in Rede stehende Genesis. Berechtigt scheint uns auch die Verwertung des Gegensatzes zwischen dem Charakter der Wahrnehmung und dem der Vorstellung zu sein. Nur möchten wir die Idee des Wirklichseins nicht einfach auf die Vergleichung einer Empfindung mit einer inhaltlich gleichen Vorstellung gründen. Wir möchten hier konkretere Forderungen erheben, nämlich die, daß dem Individuum die Vorstellung eines bestimmten Dings gegeben ist und daß in demselben ein Verlangen nach dem früher wahrgenommenen Gegenstand auftritt. Unter solchen Bedingungen wird ihm der Unterschied zwischen dem Wahrgenommensein und dem bloßen Gedachtsein klar zu Bewußtsein kommen, das Wahrgenommensein ist ihm das Wirklichsein im Gegensatz zum Gedachtsein. (25) Weniger glücklich ist dagegen weiter die Verwendung der Kausalbeziehung, welche uns von der gegebenen Empfindung auf dessen im äußeren Objekt gegebene Ursache führen soll. Hier haben wir es mit einer intellektualistischen Auffassung von TETENS zu tun. Das naive Individuum bezieht nicht die Empfindung als Wirkung auf etwas darüber hinausliegendes als Ursache, es glaubt in der Empfindung die Dinge selbst zu erfassen. Das Ding wird weiter aufgefaßt als ein fortdauerndes. TETENS beschränkt sich hier darauf, Rechenschaft von der Genesis der Idee der Zeit und der Dauer zu geben, zeigt aber nicht, wie wir dazu kommen, das Ding als ein fortdauerndes und zwar nicht bloß während der Wahrnehmung dauerndes, sondern, was uns erkenntnistheoretisch besonders interessiert, als ein unabhängig vom Wahrgenommenwerden fortdauerndes aufzufassen. Wir vermissen hier also kurz gesagt die Rechenschaftsablegung über die Entwicklung der Idee der Permanenz der Dinge unabhängig von ihrem Wahrgenommenwerden. Wenn diese Entwicklung gegeben wäre, dann hätte TETENS nicht weiter von der Entstehung er Idee des für sich bestehenden Dings zu handeln brauchen. Bei der von TETENS gegebenen Rechenschaftsableung über die Genesis dieser Idee werden uns übrigens nur Bedingungen aufgewiesen, unter denen das Individuum einen Empfindungskomplex für sich hat, wir vermissen aber die Angabe der Bedingungen, unter denen es denselben als für sich bestehend auffaßt. Man könnte gegen TETENS' Genesis der Vorstellung von äußeren Objekten als für sich bestehender Größen einzuwenden geneigt sein, daß TETENS dabei doch, was er ja nicht will, die Ichvorstellung voraussetzt. Er sagt doch: in Betracht kommen hier Empfindungen, welche die Seele so beschäftigen, daß sie ihre eigene Tätigkeit nicht bemerkt. Diese Empfindungen sind also abgesondert. Wir haben keine Veranlassung sie in uns zu setzen. "Wir setzen sie daher außerhalb von uns, denn wir müssen ja gewahrnehmen, daß sie von unserem Ich unterschiedene Sachen sind." (26) Hier wird abern nicht für die Genesis der Vorstellung äußerer Objekte als für sich bestehender Größen die Ichvorstellung vorausgesetzt, sondern für die Entstehung der Auffassung dieser äußeren Objekte als äußerer. - Was die erkenntnistheoretische Frage nach der Berechtigung unseres Glaubens an die Außenwelt betrifft, so haben wir hier bei TETENS zwischen zwei Antworten zu unterscheiden. Zunächst soll die im 5. Versuch aufgewiesene Genesis des Glaubens an äußere Objekte auch erkenntnistheoretisch zu Recht bestehen. Das ist am deutlichsten zu ersehen aus einer Stelle des 8. Buches, wo TETENS auf unsere Entwicklung im 5. Buch Bezug nimmt. Er sagt da:
Eher läßt sich ein anderer Beweis hören, der von TETENS für die Existenz der Außenwelt beigebracht ist. "Die Gewißheit, die wir von der Wirklichkeit äußerer Dinge haben," beruth darauf, "daß wir Gefühle in uns gewahrnehmen, die aus uns selbst nicht entstehen, und als außerhalb von uns Ursachen vorhanden sein müssen, die auf uns wirken. Das Dasein dieser Gefühle erkennen wir durch das unmittelbare Bewußtsein; aber daß solche nicht aus uns selbst entstehen, woher wissen wir das? Oft nehmen wir es nur aus Unwissenheit so an, nach dem Grundsatz: was ich nicht gewahr werde, ist nicht; aber in solchen Beispielen, die für uns die Grundempfindungen ausmachen, fühlen wir auch zugleich, daß unsere innere leidende Kraft den ihr beigebrachten Modifikationen entgegenarbeitet, und den Effekt vernichten würde, wenn sein Dasein von ihr abhinge. Und in diesen Fällen schließen wir nicht unrichtig, daß dasjenige nicht vorhanden ist, was wir nicht bemerken, weil wir es bemerken müßten, wenn es vorhanden wäre. Ich halte mich überzeugt, aß jetzo außer mir allein, kein Mensch in meiner Stube ist. Ich sehe mich um und erkenne, wenn jemand vorhanden wäre, so würde ich ihn gewahr werden. Ich bin also sicher, daß niemad da ist, weil ich niemanden gewahr werden." (28) Eine ähnliche Betrachungsweise findet man bekanntlich auch jetzt noch häufig bei Erkenntnistheoretikern. Gegen dieselbe möchte man vielleicht geltend zu machen geneigt sein, hierbei wird die unkritische Voraussetzung gemacht, daß unsere Kausalschlüsse Gültigkeit haben über unser Erfahrungsgebiet hinaus. Doch dieser Einwand kann TETENS nicht treffen, da ihm, wie wir später sehen werden, die objektive Gültigkeit solcher Kausalbeschlüsse nichts anderes ist als eine unerveränderlich subjektive Gültigkeit. Ich will zuletzt hier nicht unerwähnt lassen, daß TETENS anzunehmen scheint, daß der hier angegebene Kausalschluß auf die Existenz äußerer Dinge nicht bloß vom Erkenntnistheoretiker, sondern auch vom naiven Individuum gemacht wird. TETENS spricht hier von der "Gewißheit, die wir überhaupt von der Wirklichkeit äußerer Dinge haben" und fährt dann fort: "Die letztere beruth doch darauf, daß wir Gefühle in uns gewahrnehmen" (29) usw. Also handelt es sich nach ihm auch wohl um eine Schlußweise des naiven Individuums. Dann wäre diese Ausführung des 7. Versuchs in Beziehung zu setzen zu der Stelle des 5. Versuchs, wo er kurz von der Beziehung unserer Empfindungen auf Objekte als ihre Ursachen spricht (30). Diese psychologische Behauptung würde dann den Fehler haben, daß sie nicht beachtet, daß das naive Individuum in den Empfindungen die Objekte zu erfassen glaubt. ![]()
1) 7. Versuch, Seite 512f 2) 7. Versuch 512 3) 7. Versuch, Seite 516 und 517 4) 7. Versuch, Seite 518, 527; 4. Versuch Seite 317. 5) 7. Versuch 527 6) 7. Versuch 529 7) 5. Versuch 378 und 379 8) 5. Versuch 384 und 385 9) 5. Versuch 386 10) 5. Versuch 395 und 396. 11) 5. Versuch 400 12) 5. Versuch 400 13) 5. Versuch 405 14) 5. Versuch 408 15) 5. Versuch 409 16) 5. Versuch 408 17) 5. Versuch 415 und 416 18) 5. Versuch 417 19) 5. Versuch 417 und 418 20) 5. Versuch 419 21) 5. Versuch 422f 22) 5. Versuch 424 23) 4. Versuch 343. 24) 5. Versuch 391 25) Eine nähere Bestimmung des Unterschiedes zwischen dem Vorgestelltsein und dem Wahrgenommensein habe ich an einem anderen Ort zu geben versucht: "Vorlesungen über Psychopathologie in ihrer Bedeutung für die normale Psychologie", Seite 61f. 26) 5. Versuch 408 27) 8. Versuch 585 28) 7. Versuch 563 29) 7. Versuch 563 30) 5. Versuch 397 |