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Psychologische Untersuchungen zur Bedeutungslehre [1/2]
Vorwort Eben dadurch ist es aber auch bedingt, daß eine speziell philosophische Behandlung des Problems, so verlockend sie sein mochte, ganz absichtlich zurückgedrängt werden mußte. Es wird vielmehr in der ganzen Darstellung von außersubjektiven Dingen, realen Objekten, im Gegensatz zu den psychischen Tatsachen mit jener Selbstverständlichkeit gehandelt, wie sie eben in den außerphilosophischen Disziplinen üblich und - wie man wohl hinzusetzen kann - notwendig ist; es ist der der Standpunkt des wenn auch nicht ganz "naiven" Realismus, den ich im Interesse leichter und sofortiger Verständigung einnehmen mußte, der es übrigens dem philosophisch Geschulten ohne weiteres gestattet, je nach seiner erkenntnistheoretisch-metaphysischen Überzeugung, die nötige Umwertung der betreffenden Begriffe und Termini vorzunehmen, während ein anders gewählter Standpunkt samt dementsprechend konsequen durchgeführter Terminologie die Darlegung für den Nichtphilosophen jedenfalls schwieriger gemacht haben würde, den Philosophen aber auch Schritt und Tritt von der Sache selbst, der Bedeutungslehre, in die speziell philosophischen Hauptprobleme hätte ablenken müssen. Eine sehr eingehende und in erster Linie von philosophischen Interessen ausgehende Inauguraldissertation von RICHARD GÄTSCHENBERGER, "Grundzüge einer Psychologie des Zeichens", ist mir leider erst während des Drucks zugekommen, so daß ich sie nicht mehr, wie sie augenscheinlich verdient, berücksichtigen konnte. Soweit ich sehe, nimmt GÄTSCHENBERGER mehr den Standpunkt einer ganz rein für sich stehenden (nicht durch einen einseitigen Zweck determinierten) theoretischen Untersuchung ein und hat dementsprechend in manchem die Grenze des zu untersuchenden Gebietes weiter gesteckt als ich; trotz der in den wichtigsten Punkten abweichenden Terminologie und der vielfachen Verschiedenheit der Fragestellung glaube ich aber doch in der Sache selbst manche gerade deshalb umso wertvollere Übereinstimmung zu erblicken. Immerhin, so wie die Dinge liegen, kann ich jetzt nichts anderes tun, als hier auf diese Arbeit hinweisen und die Hoffnung aussprechen, daß unsere beiden gleichzeitigen Versuche, dasselbe Thema zu behandeln, dazu dienen werden, dieses bisher recht vernachlässigte Gebiet dem Interesse der Wissenschaft näher zu bringen und, jeder in seiner Art, die Erkenntnis hierüber zu fördern. Daß die speziell sprachliche Bedeutungslehre nicht zugleich mit diesem allgemeinen Teil erscheint, hat Gründe lediglich äußerer Art, von deren zukünftiger Gestaltung es auch abhängt, binnen welcher Zeit es mir möglich sein wird, das Geplante auch wirklich zu vollenden. Einleitung Daß die Worte unserer Sprache etwas "bedeuten", scheint allen sprechenden Menschen so durchaus klar, daß sie sich selten, ja vielleicht nie, veranlaßt sehen, nach dem Begriffsinhalt dessen zu fragen, was sie mit den Worten "bedeuten", "Bedeutung" meinen. Man handhabt diese beiden Ausdrücke glatt und ohne Schwierigkeit und das genügt hier wie in so vielen anderen Fällen für das praktische Bedürfnis vollständig. Sehen wir aber näher zu, so macht schon die elementare Forderung wissenschaftlicher Begriffsbildung, die Angabe des genus proximum [nächsthöherer Gattungsbegriff - wp], wider Erwarten Schwierigkeiten. Keine Lösung, sondern nur eine Umgebung der hiermit gestellten Aufgabe ist es, wenn man etwa sagt: Bedeutung des Wortes ist das, was man damit meint. Aber abgesehen davon, daß man hiermit überhaupt gar kein genus proximum angegeben hat, läßt man auch gerade das offen, was dem Tieferblickenden Bedenken erregen muß, nämlich die Frage, ob "das, was man mit einem Wort meint", unser Denken von einem Gegenstand ist, also unsere Vorstellung etwa, oder der Gegenstand selbst; "bedeutet" das deutsche Wort "Rose" das, was wir denken, wenn wir das Wort hören oder die leibhaftige Rose selbst? - Doch wir müssen uns vorläufig damit begnügen, auf diese Schwierigkeit bezüglich des genus proximum hingewiesen zu haben, und wollen in erster Linie versuchen, was an diesem wohl nur scheinbar so einfachen und klaren Begriff der Bedeutung allgemein feststeht. Als solches mag nun füglich das Eine gelten, daß zwischen Wort und Bedeutung ein irgendwie gearteter Zusammenhang besteht, daß sie aneinander geknüpft sind, zusammengehören, sich gegenseitig fordern, ergänzen, vermissen oder wie immer man dies ausdrücken mag. Um die Art dieses Zusammenhangs näher festzustellen, wollen wir zuerst einmal ganz äußerlich zu Werke gehend fragen, ob es Worte ohne Bedeutung gibt und umgekehrt Bedeutungen ohne Worte. Der ersteren Frage gegenüber dürften die Antworten des Laien nicht völlig übereinstimmend abgegeben werden, wenn es auch sicher ist, daß man oft von sinnlosen, oder bedeutungslosen, leeren Worten spricht, ohne das Gefühl zu haben, damit einen Widersinn oder etwas Undenkbares behauptet zu haben. Näher besehen ist der Fall von völlig "sinnlosen" Wörtern unter zwei wesentlich verschiedenen Bedingungen gegeben, einmal dann, wenn das Wort nur relativ "sinnlos" ist für den, der eine Sprache oder zumindest ein bestimmtes Wort einer Sprache nicht versteht; dann ist das Wort aber nicht "bedeutungslos" schlechthin, sondern bedeutet eben nur für jenen einzelnen Menschen nichts. Da dies bei unserer Fragestellung aber nicht eigentlich gemeint ist, müssen diese gewiß häufigen Fälle beiseite gelassen werden und es bleibt der Fall zu erwägen, wo mit einem Wort überhaupt nirgends und nie ein Sinn, eine Bedeutung verbunden wird oder wurde. Sehen wir ab von der Schwierigkeit, dies angesichts irgendeines Lautkomplexes mit Sicherheit nachzuweisen, so muß gesagt werden, daß, wenn tatsächlich dieser Fall verwirklicht ist, wir streng genommen nicht mehr das Recht haben, von einem Wort zu sprechen. Es ist eben nur ein leerer Schall, und wenn man trotzdem anstandslos von bedeutungs- oder sinnlosen Wörtern spricht, so hat das seine Rechtfertigung einerseits darin, daß man eben stillschweigend den Begriffsumfang "Wort" ausgedehnt hat auf wortähnliche Lautkomplexe überhaupt und andererseits darin, daß ähnliche Fälle von mehr oder weniger offenliegender contradictio in adjecto [Widerspruch in sich - wp] durchaus nicht selten sind. Man vergleich die in der Logik als Begriffs-Modifikation bezeichneten Fälle wie: falsches Gold, ein vermeintlicher Freund, eine eingebildete Krankheit und dgl. - Sowie man nun mit dem Begriff Wort Ernst zu machen versucht, drängt sich wohl auch dem Nicht-Fachmann die Überzeugung auf, daß ein Lautkomplex, der nichts bedeutet, eben kein Wort ist. Und so müssen wir dann auch als Antwort auf unsere oben gestellte Frage klar aussprechen: Worte ohne Bedeutung gibt es nicht.
Die von Stöhr, Umriß einer Theorie der Namen (Wien und Leipzig, 1889) Seite 1f gemachte scharfe Sonderung von Wörter, die Namen sind, und solchen, die es nicht sind, wobei er nur ersteren die Fähigkeit zuschreibt, "irgendwelche Phänomene zu reproduzieren", hebt das oben Gesagte nicht auf; auch seine "Wörter, die nicht Namen sind", haben irgendeine Funktion, und somit das, was wir in einem weiten Sinn Bedeutung nennen dürfen, wenn ihnen auch keine selbständigen Vorstellungen zugeordnet sind. Fragen wir nun umgekehrt: gibt es Bedeutung ohne Wort? - Hier empfindet man sofort die Fragestellung als eine schiefe. Wir können uns gar nicht gut vorstellen, was eine solche wortlose "Bedeutung" denn eigentlich sein sollte. Aber versuchen wir es, uns den Sachverhalt konkreter zu veranschaulichen. Das Wort "Apfel" bedeutet - den Apfel, oder, ohne den späteren Untersuchungen hierüber vorgreifen zu wollen, an das Wort Apfel ist die Vorstellung vom Apfel geknüpft, und diese letztere wäre etwa eben die "Bedeutung" dieses Wortes. Kan diese Vorstellung vom Apfel nicht ebensogut ohne das Wort "Apfel" existieren? Gewiß, und sie tut es auch, beim Kind vor der Erlernung der Sprache und beim Erwachsenen öfter als man, insbesondere von Seiten mancher Vertreter der Sprachwissenschaft, glauben möchte. Aber es fragt sich nur, ob wir diese Vorstellung vom Apfel, wenn sie so, unabhängig vom Wort, eintritt, Bedeutungsvorstellung, oder gar Bedeutung nennen dürfen. Ich denke, wir sind hierzu ebensowenig berechtigt, als wir jemanden Vordermann nennen dürfen, der keinen Hintermann hat. Denn der Begriff Vordermann wird eben nur realisiert, wenn ein Hintermann da ist, und ebenso der Begriff Bedeutung nur dann, wenn der Vorstellung ein Wort zugeordnet ist. Ist dies nicht der Fall, dann dürfen wir wohl von einer Vorstellung sprechen, aber wir dürfen sie nicht Bedeutung nennen. Und so ergibt sich uns dann auch hier wieder der Begriff Bedeutung als ein relativer und wir können zusammenfassend sagen, sowohl das Wort ist an die Bedeutung wie auch die Bedeutung an das Wort notwendig geknüpft und zwar mit jener (a priori gegebenen Stringenz, wie sie - nur viel offenkundiger - das Begriffspaar Vordermann-Hintermann zeigt. - Es wäre aber völlig irrig, wollte man hieraus den Schluß ziehen, - der allerdings sehr oft gezogen worden ist, - daß eben deshalb Sprechen und Denken völlig voneinander untrennbar verlaufen müßten, ja geradezu identisch sind. Meine Behauptung geht vielmehr nur soweit, die beiden relativen Begriffe "Wort" und "Bedeutung" als notwendig aneinander geknüpft hinzustellen. Die diesen beiden Begriffen zugrunde liegenden absoluten Tatbestände aber, Lautkomplex und Vorstellungsgegenstand, sollen durch diese Behauptung nicht getroffen werden; nur dann, wenn ein Lautkomplex einer Vorstellung zugeordnet ist, heißt er Wort und heißt die Vorstellung Bedeutung. Es liegt hier nicht anders als bei dem früher herangezogenen Beispiel vom Vorder- und Hintermann. Die beiden Personen, die wir dadurch relativ benannt haben, sind gewiß nicht so untrennbar aneinander gekettet, wie es die beiden zu ihrer Benennung herangezogenen Begriffe sind. Ja, die Unabhängigkeit läßt sich am besten drastisch dadurch erweisen, daß die beiden einfach ihre Stellung irgendwie zu verändern brauchen, um sich von der Vorder- bzw. Hintermannschaft ganz leicht völlig zu befreien. Haben wir hiermit sozusagen nur von außen her durch Umfangserwägungen die gegenseitige Abhängigkeit von Wort und Bedeutung dargetan, so muß nun natürlich näher auf die inhaltliche Natur dieser Abhängigkeitsbeziehung eingegangen werden. Zu diesem Zweck aber müssen wir den Begriff des "Bedeutens" schlechthin - ohne eine Einschränkung auf die Wortbedeutung - einer genaueren Betrachtung unterziehen. Und dies ist die Hauptaufgabe der folgenden Untersuchung. Immerhin wird gerade der Linuist unschwer bei den einzelnen ganz allgemeinen Aufstellungen deren Anwendung auf die speziell sprachlich-semasiologischen Tatsachen ersehen können. Zudem ist am Schluß ein kurz orientierender Ausblick auf das Gebiet sprachlichen Bedeutens gegeben. "reales" und "finales" Bedeuten. Um nach Tunlichkeit das Wesentliche an jedem Fall von "Bedeuten", also auch dem außersprachlichen, zu ermitteln, wollen wir es vorerst versuchen, uns an der konkreten Menge von Fällen der Anwendung dieses Ausdrucks zu orientieren. Körperliche Dinge können "etwas bedeuten": eine weiße Fahne, schwarze Wolken, eine rote Kokarde, Fuß- oder Radspuren und dgl.; physische oder psychische Vorgänge: rasche Windstöße bei schwüler Luft, einzeln fallende dicke Regentropen, rasch abnehmender Luftdruck, plötzliches Erröten, Tränen, Zittern; menschlichen Handlungen: Massenansammlung von Leuten, ein Wink mit dem Finger, das Läuten einer Klingel, ein Ruf, ein Wort, eine Miene; psychische Vorgänge: innere Beklemmung, innere Unruhe usw. Wo immer nun tatsächlich von "Bedeuten" die Rede ist, wird irgendeinem der hier angeführten Tatbestände - die grammatisch hierbei als Subjekt fungieren - durch die Vermittlung des Prädikatverbums "bedeuten" ein zweiter Tatbestand zugeordnet, auf den eben jenes Bedeutungssubjekt führt, hinweist: A bedeutet B. Die zwischen A und B bestehende Beziehung dürfte sich am ungezwungendsten als jener nahestehend erkennen lassen, die wir in dem der Logik so wohlbekannten Verhältnis des Erkenntnisgrundes zu dem durch ihn Erkannten finden. Alle A, die etwas "bedeuten", sind für uns eben mehr oder minder der Grund, B zu denken, bzw. Wenn sich der ganze Vorgang explizit in Urteilen vollzieht, zu erschließen. Doch muß allerdings sogleich darauf hingewiesen werden, daß das Verhältnis von Grund und Folge nur dort vorliegen kann, wo wir es wirklich mit Urteilen zu tun haben. Dies ist nun zwar nicht selten verwirklicht, wo man von "Bedeuten" spricht: wenn ich die Wahrnehmung mache - also das Wahrnehmungsurteil vollziehe -, daß das Barometer ungewöhnlich rasch und tief sinnkt und daraufhin die Vermutung ausspreche, also das Wahrscheinlichkeitsurteil fälle, daß Sturm zu erwarten ist, so stehen diese beiden Urteile in dem bekannten Urteilsverhältnis der Abfolge, oder wie man gewöhnlich sagt: das Fallen des Barometers "bedeutet" Sturm. Wenn aber der Lokomotivführer beim Anblick der auf Halt gestellten roten Scheibe den Zug zum Stehen bringt, so liegt seinerseits gewiß kein regelrecht logisches Schließen wor und doch hat auch für ihn die rote Scheibe eben Halt "bedeutet". Noch viel weniger wird geschlossen beim Lesen von Buchstaben, Noten, Karten und dgl. Das Wort "Kongruenz" bedeutet eine scharf definierte geometrische Relation, aber es genügt hierbei vollkommen die Vorstellung dieses Wortes, um die Vorstellung von dieser bekannten Relation aufzulösen. Ein Urteil ist hierbei zumindest nicht notwendig. Wir können demnach nicht wohl das Verhältnis von Grund und Folge zur Charakterisierung des Bedeutens ausschließlich heranziehen, müssen vielmehr nach wesentlicheren, allgemeineren Merkmalen des mit dem Wort "bedeuten" bezeichneten Sachverhalts suchen. Zu diesem Zweck wollen wir vorerst die wichtigsten Gruppen innerhalb aller Fälle des Bedeutens ins Auge fassen und anhand dieser Gruppierung das, was trotz aller Verschiedenheit dem "Bedeuten" ganz allgemein charakteristisch zukommt, herauszuheben versuchen. Gehen wir von unserem schon früher gegebenen Schema A bedeutet B, kürzer Ab, aus, so findet sich eine Differenzierung innerhalb des ganzen Umfangs der hier in Betracht kommenden Tatsachen am ehesten, wenn wir die objektive Beschaffenheit unseres A und B und der zwischen A und B bestehenden Beziehung b in Betracht ziehen. Da läßt sich dann vor allem 1.] die ganze Gruppe jener Fälle herausheben, wo die objektive Zuordnung von A und B darin gegeben ist, daß zwischen ihnen ein reines (2) naturgesetzliches Kausalverhältnis oder noch allgemeiner: ein notwendiger, gesetzlicher Zusammenhang besteht, worauf sich dann erst unser Wissen darum bzw. das logische Abfolgeverhältnis stützt. Hierbei muß gesondert werden
b) der umgekehrte regressive Schluß von der Wirkung auf die Ursache (der vielleicht häufigere Fall): A ist Wirkung von B, daher wird von der Existenz des A auf die des B geschlossen (3): das zitternde Erdröhnen des Erdbodens "bedeutet" den herannahenden Eisenbahnzug, das Steigen der Quecksilbersäule im Thermometer "bedeutet" eine Wärmezunahme; immer undeutlicher, flüchtiger und derber werdende Schriftzüge bedeuten zunehmende Hast oder Erregung des Schreibers, plötzliches Erröten mit Anschwellen der Adern bedeutet Zorn, überhaupt alles, was in und auch außerhalb der medizinischen Wissenschaft als Symptom bezeichnet wird, ist nichts Anderes als ein A, das irgendein B bedeutet und zwar so, daß das Symptom in der Regel eine Wirkung ist, aus der die Ursache erschlossen wird; c) der ganz allgemeine Fall des Schließens von einem Glied des in einem notwendigen Zusammenhang stehenden Paares auf das zweite. In diesem Sinn "deuten" wir z. B. die perspektivisch verzogenen und verkürzten Konturen als die eines dreidimensionalen Raumgebildes, ebenso bedeutet für uns das augenscheinliche Kleinerwerden eines Menschen nur die Tatsache der zunehmenden Entfernung usw. Hierher gehören Fälle wie die von den Signalen im Eisenbahn- oder Schiffsverkehr, militärische Signale, optische, akustische Zeichen der verschiedensten Art und dgl. Das A wird absichtlich hervorgerufen, um durch dasselbe an B zu erinnern. Wir wollen von nun an zum ZWeck einer kürzeren Verständigung für die erste Gruppe den Ausdruck reales, für die zweite finales Bedeuten (4) gebrauchen; wenn wir gelegentlich auch von realen und finalen Zeichen sprechen, so ist auch dieser Ausdruck meines Erachtens völlig klar, doch - wie nicht zu leugnen ist - etwas schwerer mit dem Sprachgebrauch vereinbar. Für unsere erste Gruppe, die des realen Bedeutens, ergibt sich als im Wesen charakteristisch etwa Folgendes: Vorgegeben ist die Tatsache, daß ein außersubjektiv-wirkliches A mit einem ebenfalls außersubjektiv-wirklichen B in einem notwendigen Zusammenhang steht. Die hierfür übliche sprachliche Wendung "A bedeutet B" zielt nun aber, und dies muß in unserem Zusammenhang besonders betont werden, nicht direkt auf diesen Zusammenhang; denn hat man diesen als solchen im Auge, so gebraucht man Ausdrucksweise wie A ist die Ursache von B, Wirkung von B, A ist notwendig an B geknüpft und dgl. Erst wenn man den speziell so wichtigen Umstand in den Vordergrund rücken will, daß beim Bestehen dieses tatsächlichen außersubjektiven Zusammenhangs die parallel laufenden psychischen Tatsachen, Vorstellung oder Urteil A bzw. B zueinander in eine gewisse Abhängigkeit geraten, sagt man, A bedeutet B. Aber auch hier muß einer Unklarheit vorgebaut werden, in die man verfällt, wenn man nun wieder das Gewicht ausschließlich auf diesen sozusagen ideellen Zusammenhang legt. Denn unser abstrahierendes Denken hat sich auch hierfür adäquatere Ausdrücke geschaffen: "die Vorstellung von A ist an die von B geknüpft, assoziiert"; "wenn ich A anerkenne, so muß ich auch B anerkennen"; "das Urteil A fordert das Urteil B", und ähnliche. Mit dem so viel gebrauchten Ausdruck Bedeuten hat die Sprache vielmehr das außerordentlich handliche Mittel gewonnen, beides sozusagen ineinander zu gießen, indem eine Zuordnung der außersubjektiv-wirklichen Gegenstände A und B ausgesprochen, als das dieselben verknüpfende Band aber nicht der objektive Zusammenhang, sondern die ideelle Zuordnung der entsprechenden psychischen Tatbestände ins Auge gefaßt wird. Bezeichnen wir mit A° und B° die objektiv existierenden A und B und mit A3 und B3 die entsprechenden psychischen (subjektiven) Tatbestände, Vorstellung oder Urteil, deren immanentes Objekt jene bilden, so wäre der objektive Zusammenhang etwa dargestellt durch A0 ... B0 (z. B. Kausalität), der ideelle durch A3 ... B3 (z. B. Abfolge oder Assoziation und dgl.) Im Fall des Bedeutens aber wird A0 allerdings an B0 geknüpft, aber auf dem Umweg über A3 und B3. Eines zumindest teilweise ähnlichen Kunstgriffes bedient sich unser Sprechen und Denken z. B. bei der Vergleichung zweier Körper mittels Heranziehung ihrer subjektiven Wirkungen, A ist schöner als B; die Beziehung zielt tatsächlich ab auf A0 und B0, aber sie kommt selbstverständlich nur zustande mit Hilfe von A3 und B3, den subjektiven Gefühlswirkungen der beiden, die es ja sind, die eigentlich verglichen werden. Auch hier kann man diesem Fall der Vermengung von Objektivem und Subjektivem die beiden sozusagen reinen Fälle gegenüberstellen; entweder man vergleicht A0 und B0, dann darf man etwa nur sagen, die Blume A ist symmetrischer gebaut, mannigfaltiger gefärbt und dgl. als B; vergleicht man ausschließlich A3 und B3, dann muß man sagen, das Wohlgefallen, das ich fühle, wenn ich A ansehe, ist stärker als das beim Anblick von B. Man sieht hier nun sofort, wie der so handliche Ausdruck "A ist schöner als B" beides vereint, zum Schaden vielleicht für die genaue psychologische Analyse des Sachverhalts, gewiß aber in einer für eine bequeme sprachliche Handhabung recht geeigneten Weise. Wenn es also heißt, das Sinken der Quecksilbersäule im Barometer bedeutet abnehmenden Luftdruck, so ist hiermit der erstgenannte objektive Tatbestand an den zweiten geknüpft, aber mit stillschweigender Verwertung des Umstandes, daß man eben von dem Einen auf das Andere schließen kann, daß also das eine Urteil das andere Urteil rechtfertigt. Wollen wir also in der ganzen Gruppe der bisher betrachteten Fälle eines realen Bedeutens das für den Begriff des Bedeutens Charakteristische herausheben, so müssen wir sagen, daß mit der Formel "A bedeutet B" eine auf der ideellen Abfolge-Zuordnung von A3 und B3 fundierte Zuordnung von A0 und B0 ausgedrückt ist. In der zweiten Gruppe, der des finalen Bedeutens, ist der Sachverhalt zwar, wie wir später noch viel genauer werden erwägen müssen, in ganz wesentlichen Punkten sehr verschieden, aber wenn doch in gleicher Weise hier gesagt werden kann, das absichtlich hervorgerufene A "bedeutet" B, wie früher, wo jede Absicht ausgeschlossen war, so liegt die Rechtfertigung hierfür in dem, was beide Gruppen gemeinsam aufweisen. Dies zeigt sich uns am klarsten anhand eines Beispiels. Denken wir etwa an die bekannte Sitte, wenn ein Gefängnis leer steht, dieses durch die Anbringung einer weißen Fahne der Bevölkerung kundzutun. Hier ist die weiße Fahne das "Zeichen", welches "bedeutet", daß das Gefängnis leer steht. Die weiße Fahne entspricht unserem A, das Leerstehen des Gefängnisses unserem B. Sagt man, A bedeutet B, so meint man, daß A0 (die wirkliche weiße Fahne) den Schluß auf B0 gestattet (die wirkliche Tatsache des Leerstehens der Gefängnisräume). Man denkt aber auch hier ebensowenig wie früher bei der Gruppe realen Bedeutens ausschließlich an den objektiven Zusammenhang von A0 ... B0; denn täte man das, so würde man sich anders ausdrücken müssen, etwa: die weiße Fahne und das leerstehende Gefängnis haben etwas miteinander zu tun, oder: weil das Gefängnis leersteht, ist die weiße Fahne da, oder: immer wenn die weiße Fahne ausgehängt ist, steht auch das Gefängnis leer. Man vermittelt vielmehr auch hier den Zusammenhang A0 ... B0 durch die subjektiven Glieder A3 und B3. Die bloße Beziehung von A3 zu B3 wäre zur Charakterisierung ebenfalls nicht ausreichend; beschränkte man sich im Denken darauf, so dürfe man höchstens sagen: so oft ich weiß, daß die weiße Fahne da ist, weiß ich auch, daß das Gefängnis leer ist, oder: so oft ich an die weiße Fahne denke, denke ich auch an das Leerstehen des Gefängnisses, oder allerdings wesentlich anders gewendet: ich weiß, daß A B bedeutet; allen diesen Wendungen sieht man es sofort an, daß sie sich ihrem Sinn nach durchaus nicht völlig mit dem deckens in dem so kurzen und einfachen Ausdruck liegt: A bedeutete B. Als gemeinsamer Kern aller Fälle des Bedeutens ergab sich uns dann die durch die entsprechenden psychischen Daten der Abfolge vermittelte Zuordnung zweier objektiver Tatbestände; der psychisch früher gegebene derselben, das proteron pros hemas [das zuerst Erkannte - wp], heißt in der Regel Zeichen, der psychisch spätere, erschlossene die Bedeutung; ersteres, das Zeichen, weist über sich hinaus auf das zweite, die Bedeutung. Daß wir uns mit einer so höchst allgemein gehaltenen, inhaltsarmen Bestimmung begnügen mpssen, ergibt sich, so wie wir in den Sachverhalt sowohl nach seiner außersubjektiven wie auch nach seiner psychischen Seite hin näher einzugehen versuchen. Wir stoßen hierbei alsbald auf sehr tiefreichende Differenzierungen, die wir nunmehr näher ins Auge fassen wollen. Vor allem ist es der Umstand, der schon oben bei der Teilung der beiden Gruppen maßgebend war, nämlich das absichtliche Hervorrufen, Schaffen des A, genauer des A0, in dem einen und dessen natürliches Gegebensein im anderen Fall. Das was wir in realem Sinn Zeichen nennen, ist eine natürlich zustande gekommene Tatsache, sei es nun ein einmaliges Geschehen oder ein länger dauernder Zustand. Im Falle des finalen Bedeutens wird ein A0 künstlich, absichtlich von einem Menschen, dem Zeichengeber, geschaffen und zwar absichtlich nicht bloß in dem Sinne, eben dieses A als solches hervorzurufen, sondern vielmehr mit der weiter gehenden, komplizierten Absicht, dadurch in einem zweiten, dem Zeichenempfänger, gewisse Wirkungen zu erzielen, ihn auf ein anderes objektives B0 hinzuweisen. Bei realem Bedeuten haben wir es nur mit psychischen Vorgängen des Zeichenempfängers zu tun, beim finalen aber auch noch mit solchen des Zeichengebers. Aber der Sachverhalt verschiebt sich auch sonst noch ganz wesentlich. Während wir in der realen Gruppe sehen können, daß in der Regel A0 und B0 ein und derselben Kausalreihe angehören und das Eingreifen menschlicher Motive durchaus fehlt, ist hier menschliche Motivation ein notwendiges Antecedens [Vorhergehendes - wp] für das Existieren, bzw. in Existenz treten das A0. Eine rein kausale Verknüpfung nachzuweisen wird solange unmöglich sein, als es nicht gelingt, das ganze verwickelte Spiel menschlich motivierten Handelns in rein kausale Zusammenhänge lückenlos aufzulösen. Bis dann müssen wir uns wohl oder übel noch immer mit der SCHOPENHAUERschen Sonderung von Ursachen und Motiven behelfen. Das Leerstehen des Gefängnisses in unserem früheren Beispiel als Ursache für das Aufziehen der weißen Fahne zu bezeichnen, ist höchst ungenau, ja irreführend, solange man mit dem Begriff Ursache Ernst macht. Eine naturgesetzliche Kausalverknüpfung besteht nicht, ist zumindest heute nicht nachweisbar. Vielmehr können wir nur sagen, das Leerstehen des Gefängnisses löst ein Wollen, eine Absicht aus, der ganzen Bevölkerung von diesem seltenen Ereignis Kunde zu eben; außerdem aber noch die speziellere Absicht, gerade durch das gewählte Mittel dies zu erreichen. Wir haben also zwischen A0 und b0 zwar im Falle des realen Bedeutens eine direkte meist kausale Zuordnung festzustellen, im Falle des finalen Bedeutens aber nur eine durch menschliche Motivation vermittelte, nicht naturgesetzlich kausale. Wenn - was als Gegeninstanz eingewendet werden mächte - finale Zeichen eine Ähnlichkeit mit dem, was sie bedeuten aufweisen, so ist hiermit allerdings ein (objektiver innerer) Zusammenhang gegeben, der vom menschlichen Denken und Wollen unabhängig ist, aber es ist wichtig, schon jetzt darauf nachdrücklich hinzuweisen, daß die Ähnlichkeit als solche nicht genügt, um A zum Zeichen für B zu machen. Während bei realen Zeichen der kausale oder sonst naturnotwendige Zusammenhang das Bedeuten, also unsere psychisch vermittelte Zuordnung schafft, gibt es genug Fälle, wo trotz größter Ähnlichkeit von einem Bedeuten oder als Zeichen fungieren durchaus nicht die Rede ist. Damit ein dem A ähnliches B als Zeichen für B dient, muß eben doch wieder ein menschliches Wollen, die Absicht im Zeichengeber, es erst dazu zu machen, gleichsam es in diese seine Funktion einsetzen, sie sanktionieren. Die Ähnlichkeit spielt, wie wir später, § 2, sehen werden, eine praktisch zwar ganz bedeutsame Rolle innerhalb der Gruppe finaler Bedeutungen, aber sie ist nicht wesentlich, wie der Kausalzusammenhang beim realen Bedeuten. Eine andere Ausnahme scheint unsere Aufstellung dadurch zu erfahren, daß sehr oft finale Zeiche so gewählt werden, daß zwischen dem Zeichen und dem Bezeichneten ein nicht innerer Ähnlichkeits- sondern ein äußerer Zusammenhang besteht, den man wohl nicht anders als einen notwendigen, mitunter geradezu kausalen zu nennen versucht ist. Wenn als Zeichen für ein Handwerk z. B. das Erzeugnis des betreffenden Gewerbes dient, ein Schuh für den Schuhmacher, ein Laib Brot für den Bäcker und dgl., so liegt es nahe, hier zu sagen, das Zeichen und das Bezeichnete stehen in einem kausalen Zusammenhang und damit hätten wir das innerhalb des finalen Bedeutens gegeben, was ich oben als ausschließlich dem realen Bedeuten zukommend bezeichnet habe. Hier sind nun all die gewiß häufigen Fälle sogleich als nicht beweiskräftig auszuscheiden, wo wir es mit einem nachgeahmten, z. B. gemalten Zeichen, nicht mit dem wirklichen Gegenstand zu tun haben; denn hier müßte man, bei streng kausalem Denken, eben höchstens aus dem gemalten Schuh auf den Maler, nicht aber auf den Schuhmacher schließen. Zwischen der Existenz des konkret vorliegenden Zeichens und des Bezeichneten besteht kein kausaler Zusammenhang. Aber selbst dann, wenn etwa ein wirklicher Schuh als Zeichen verwendet wird, ist zu bedenken, daß immer noch ein wesentlicher Unterschied vorliegt gegenüber dem realen Bedeuten. Nicht dieser Schuh als solcher ist das Zeichen, sondern genauer gesprochen: die Tatsache, daß ein Schuh z. B. über der Ladentür hängt, und diese Tatsache verdankt sich eben nur wieder menschlicher Absicht, menschlichem Wollen ihr Eintreten. Daß wir uns hiermit durchaus nicht auf den Boden spitzfindiger Subtilität begeben haben, wird sofort klar, wenn man erwägt, daß eben wirklich nur der so über die Tür gehängte Schuh als Zeichen für den Schumacher dient bzw. verstanden wird; unter anderen Umständen fällt es ja doch bekanntlich niemandem ein, jeden Schuh als Zeichen für einen Schuhmacher zu deuten. Der Umstand, daß jeder Schuh von einem Schuhmacher verfertigt sein muß, dient uns hier nur als assoziative Hilfe, und deswegen werden derartige Zeichen so gern gewählt. Es besteht zwischen den Vorstellungs- bzw. Begriffsinhalten Schuh und Schuhmacher ein wie immer zustande gekommener assoziativer Zusammenhang, analog wie wir früher bei der Ähnlichkeit einen inneren, meist übrigens auch zugleich assoziativen Zusammenhang feststellen konnten; aber dieser Zusammenhang ist aus sich allein heraus nicht ausreichend, A zum Zeichen für B zu machen; ein absichtliches Eingreifen des Zeichengebers ist wieder unerläßlich, um das Zeichen als solches zu sanktionieren. Haben wir so anhand der Beschaffenheit von A0 und b0 die beiden Gruppen ganz wesentlich voneinander abheben können, so zeigt sich ein ebenso tiefgreifender Unterschied in der Natur der psychischen Vorgänge und Tatbestände; daß vor allem bei realem Bedeuten von einem Zeichengeber nicht gesprochen werden darf, wurde schon erwähnt. Aber auch das psychische Verhalten des Zeichenempfängers ist in den beiden Fällen recht merklich verschieden. Betrachten wir vorerst das reale Bedeuten. Der Zeichenempfänger ist hier der vernunftbegabge "kausal denkende" Mensch, der in der Natur liest, dem die Natur etwas sagt, etwas bedeutet. Hierbei vollziehen sich in ihm mehr oder weniger explizit Schlüsse, eben von A auf B. Damit diese zustande kommen, ist außer dem Gegebensein der in Frage kommenden objektiven Tatsachen und Zusammenhänge ganz wesentlich erforderlich, daß der betreffende Mensch soviel an angeborener und erworbener Fähigkeit, also Dispositionellem, besitzt, wie nötig ist, um die Natur zu "deuten", was sich nun wieder ganz außerordentlich nach der Höhe der betreffenden Forderung in seinem geistigen Wert abstuft von der rohesten Alltagsempirie des Wilden bis zu den höchsten naturwissenschaftliche Einsichten genialer Forscher und Erfinder. Genau besehen vollzieht sich dieses "kausale Denken" in zwei Stufen; das zuerst Notwendige ist die, bewußt oder unbewußt mit den Mitteln induktiver Forschung arbeitende, Erwerbung von Erfahrungssätzen, d. h. Urteilen über einen naturgesetzlichen oder sonst notwendigen Zusammenhang; das Zweite ist dann daß die so gewonnene dauernde Kenntnis, Einsicht, das Wissen von der Kausalfolge, vorkommenden Falles sich wieder in Urteilen aktualisiert, die nun als Obersätze dienen, aus denen das in der betreffenden Situation Wertvolle erschlossen oder deduziert werden kann. Was ich als erste Stufe bezeichnete, war die Erwerbung eines Wissens, die zweite Stufe war die Verwertung dieses Wissens. Wir haben also an Psychischem auf Seiten des Empfängers realer Zeichen sowohl Dispositionelles, ein Wissen um objektive Zusammenhänge, als auch ein aktuelles Schließen, das sich einerseits auf diesem Wissen, andererseits auf der Wahrnehmung der gegebenen, als Zeichen fungierenden Tatsache aufbaut. Beim Empfänger finaler Zeichen sind die hier genannten Haupttatsachen ebenfalls erforderlich, also selbstverständlich die sinnliche Wahrnehmung des Zeichens, dann ein auf ein Wissen gegründetes Schließen; während wir aber früher sagen konnten, das Wissen erstreckt sich auf einen naturgesetzlichen Zusammenhang, ist, wie wir oben gesehen haben, hier nicht der objektive Zusammenhang wesentlich, sondern vielmehr die eigentümlich charakteristische psychisch vermittelte Zuordnung von Zeichen und Bezeichnetem; diese muß der Empfänger kennen, er muß "das Zeichen verstehen", er muß "wissen was es bedeutet". Dieses Wissen tritt aktuell im Urteil zutage, daß an das Zeichen etwas Zweites geknüpft ist, daß es über sich hinaus weist, kurz, daß A eben B bedeutet. An dieses Wissen wird nun auch hier, soweit nicht Verkürzungen eintreten, - von deren Wichtigkeit und Häufigkeit wir noch zu sprechen haben werden - ein Schluß geknüpft. Das was E weiß, also allgemein und potentiell urteilt, daß dem A ein B zugeordnet ist, bildet, wenn aktualisiert, den Obersatz; die Wahrnehmung, daß A vorliegt, den Untersatz, und daraus wird B erschlossen. Dieses Schlußverfahren vollzieht sich so rasch und so gleichmäßig in typisch immer wiederkehrender Form, daß wir uns dabei nicht länger aufzuhalten brauchen. Weit wichtiger ist vielmehr der Obersatz, bzw. die Frage, wie der Empfänger zum geistigen Besitz dieses Obersatzes - also zum Wissen um die Bedeutung des Zeichens - gelangt. Während nun bei den Fällen realen Bedeutens, wie wir früher gesehen haben, dieses Wissen ausschließlich auf induktivem Weg gewonnen wurde, liegt hier die Sache wesentlich anders: das Wissen um die Zuordnung von A zu B kann nämlich in dreierlei Weise zustande kommen, wobei allerdings eine derselben als die wichtigste und sozusagen als der normale Fall bezeichnet werden muß. Es ist die die absichtliche, künstliche Schaffung der Zuordnung von A und B, wie sie immer vorliegt, wenn durch Verabredung, amtliche Festsetzung, Übereinkommen, Beschluß und dgl. zwei oder mehrere Menschen sich darüber einigen, A soll B bedeuten. Dieser einmalige Akt schafft nun in den Beteiligten das nötige Wissen um die Zuordnung; daß diese "Konvention" entweder nur für einen einzelnen Fall, "ad hoc" oder "auf längere Zeit", "bis auf Weiteres", oder "auf immer" geschlossen werden kann, ist von weniger Wichtigkeit, als daß diese Vereinbarung sich auch über den Bereich der vereinbarenden Individuen hinaus erstrecken kann; die Bedeutung eines Zeichens wird durch Tradition weitergegeben, einer lernt sie vom andern, die Zahl der darum Wissenden vergrößert sich dadurch immer mehr und wir gelangen so schließlich zu dem gerade für die Sprache wichtigen Tatbestand des traditionellen im Gegensatz zum eigentlich konventionellen Lernen der Bedeutung eines Zeichens. Der Unterschied dieser beiden hört dann auf, ein bloß gradueller zu sein, wenn die Erinnerung an eine ursprüngliche bedeutungschaffende Konvention bereits verloren gegangen ist; und wir tun daher wohl daran, traditionell und konventionell in diesem Sinne klar zu sondern. Neben dieser wichtigsten Art, wie das Wissen umd die Zuordnung von A und B durch den einmaligen Akt der Konvention geschaffen wird, vollzieht sich zweitens der Erwerb dieser Kenntnis induktiv, geradeso wie es bei einem realen Bedeuten geschieht; es ist dies jene Art Umweg, der z. B. Kinder dazu führt, empirisch die Bedeutung gewisser Eisenbahn- oder militärischer Signale nach und nach kennen zu lernen, oder wie man volkstümlicher sagt: "herauszubringen", statt deren Bedeutung direkt durch die Kenntnisnahme von der betreffenden amtlichen Verfügung, die hier als Konvention fungiert, zu lernen. Ähnlich erlernen Kinder und Erwachsene die Bedeutung mancher Wörter und Wendungen der Sprache so allmählich empirisch, statt aus dem Wörterbuch oder durch eine direkte Umfrage sich eine sofortige Kenntnis vom traditionellen Bestand zu verschaffen. Eine dritte Art, wie der Mensch dazu kommt, finale Zeichen zu verstehen, ist dann gegeben, wenn an jemanden die Aufgabe herantritt, ohne irgendeine vorherige Kenntnis ein Zeichen verstehen zu sollen. Der Geber hatte vielleicht nicht die Zeit noch sonst die Möglichkeit, den Empfänger vorher zu verständigen; er mußte daher schon von vornherein das Zeichen so wählen, daß es voraussichtlich vom Empfänger verstanden werden konnte. Hierbei rechnet der Geber nicht auf ein bestimmtes, determiniertes Wissen von der Bedeutung, sondern vielmehr nur auf einen gewissen Grad allgemeiner intellektueller Gewandtheit; statt von Wissen um die Zuordnung von A zu B können wir also hier nur ganz allgemein von intellektueller Disposition im E sprechen, in deren Wirkungskreis sozusa auch das Erfassen der im betreffenden Fall gemeinten Zuordnung eingeschlossen liegt. Haben wir so versucht, in Kürze die psychischen Daten im Zeichenempfänger vergleichend zu charakterisieren, so müssen wir nun noch die bei einem finalen Bedeuten gegebenen psychischen Tatbestände im Zeichengeber besprechen, können dieselbe aber nicht analogen Erscheinungen bei realem Bedeuten vergleichend gegenüberstellen, weil, wie wir schon mehrfach erwähnt haben, diese dort überhaupt entfallen. Im Zeichengeber (G) ist des dann vor allem die bestimmte Absicht, in einem anderen gewisse Wirkungen hervorzurufen, die den Sachverhalt so fundamental scheiden gegenüber dem realen Bedeuten. Es ist hier nicht unsere Sache, eine ganz genaue psychologische Analyse dessen zu bringen, was in dem durch das Wort Absicht so scheinbar einfach und klar bezeichneten Vorgang an psychischen Komponenten zusammengefaßt vorliegt; soviel aber ist vorweg sicher, daß wir es auf alle Fälle mit Tatsachen des Begehrens und des Vorstellens zu tun haben, ein Begehren ohne ein vorgestelltes Objekt, auf das es sich richtet, ist, zumindest hier, ausgeschlossen. Aber damit wären wir unvollständig, denn es liegt auf der Hand, daß die bloße Absicht, jemandem irgendein Zeichen zu geben, nicht genügt; man muß eben auch tatsächlich ein solches Zeichen zu finden wissen, und zwar ein Zeichen, von dem man annehmen darf, daß es seinen Zweck erreicht, d. h. daß der Empfänger es auch richtigt versteht! Also G muß um ein Zeichen wissen, sei es, daß er sich des die Bedeutung schaffenden Aktes der Konvention oder doch früherer Anwendungen dieses Zeichens erinnert, also aufgrund dispositioneller - meist assoziativer - Gedächtnisdaten es zur Verfügung hat, sei es, daß er sich, was seltener vorkommt, durch verwickeltere Tätigkeiten kombinierenden Denkens ein Zeichen neu ausdenkt, also aus dem auch wieder dispositionell gegebenen Vorrat von Möglichkeit und Elementen wählt und zusammensetzt. Neben dem muß nun aber im G auch die Überzeugung, also das weniger gewisse Urteil vorliegen, daß der Empfänger E das Zeichen richtig deuten wird. Sowie nämlich der Sicherheitsgrad dieses Ureils ein allzu geringer wird, oder gar die gegenteilige Sicherheit vorhanden ist, E werde das Zeichen nicht verstehen, unterbleibt normalerweise auch die Zeichengebung. Soweit es also auf das bloße Finden des Zeichens ankommt, müssen wir dispositionelle Tatbestände postulieren, soweit aber auf das tatsächliche Vollführen des Zeichens, ein direktes Urteilen, bzw. Wissen von dem zu erwartenden Verständnis; im Ganzen daher in G: Begehrung und Vorstellung als das Wesentliche der Absicht, dann geistigen Besitz von Zeichen und schließlich die Überzeugung von deren Wirkung (oder zumindest das Fehlen der gegenteiligen Überzeugung). Die Teilung des Bedeutens in reales und finales hat sich daher als eine in der Natur der Sache wohlbegründete ergeben. Es erübrigt uns nun nur noch, eine andere Differenzierung aller Zeichen zu erwähnen, die teils für die Charakteristik unserer oben gegebenen beiden Gruppen wichtig ist, teils in der praktischen Anwendung der Zeichen eine große Rolle spielt. Es ist dies die längst bekannte Unterscheidung der Zeichen in mitteilende und solche, die einen Wunsch, Befehl, eine Bitte, kurz ein Begehren ausdrücken. Bei ersteren wird im Empfänger das Zeichen ein Wissen um irgendeinen Tatbestand hervorgerufen, bei letzteren ein physisches oder psychisches Tun angeregt. Es liegt nun in der Natur dessen, was wir reales Bedeuten genannt haben, daß es sich hierbei nur um die Kenntnisnahme von naturgesetzlichen Zusammenhängen bzw. Tatsachen handelt; wir können durch eine Deutung der Natur direkt nur erfahren, was ist oder war, oder sein wird. Die realen Zeichen müssen daher sämtlich als mitteilende bezeichnet werden, wobei man übrigens noch Mitteilen in jenem weiten kaum mehr sprachgebräuchlichen Sinn fassen muß, der von einem Merkmal der Absichtlichkeit abstrahiert. In diesem Sinne "teilt" mir die sinkende Quecksilbersäule im Thermometer "mit", daß die Lufttemperatur abnimmt. Wenn sich an derartige aus der Beobachtung der Wirklichkeit geschöpfte Belehrungen nicht selten ein Handeln anschließt - bei jedem praktischen Verwerten natürlicher Anzeichen geschieht dies -, so ist es hierbei doch völlig ausgeschlossen, etwa in diesen Symptomen oder Zeichen auch nur im Entferntesten eine an den Menschen gerichtete Aufforderung zu erblicken. Wenn auch die drohenden Wetterwolken und das rasch sinkende Barometer den Ökonomen etwa zu einem schnellen Einbringen seiner Heuvorräte und dgl. veranlassen, so ist dies doch nur eine sekundäre, abgeleitete Wirkung des Zeichens und in keinerlei Weise in diesem auch nur angedeutet. Es ist wieder nur jene schon einmal weiter oben erwähnte poetische, anthropomorphisierende Auffassung der Sprache, die in derlei Fällen mitunter Ausdrucksweisen wie "die Wetteranzeichen warnen", "fordern auf", "verbieten" und dgl. gestattet. Anders liegt es bei finalen Zeichen. Hier ist sowohl die bloße Mitteilung als direkte Beeinflussung des Handelns bzw. Wollens, also Aufforderung, Befehl, Wunsch möglich. Wir wollen erstere Zeichen die "mitteilenden", letztere die "begehrenden" nennen. Hierbei ist übrigens in der Praxis des Zeichengebens die Grenze oft nicht scharf zu ziehen. Eine reine Mitteilung liegt z. B. vor in dem von uns schon einmal verwandten Beispiel von der weißen Fahne als Zeichen für das Leerstehen eines Gefängnisses; oder Trauerabzeichen, Vereins-, Rang-, Ehrenzeichen usw. Militärische und Eisenbahnsignale dagegen sind in der Regel reine Befehle. Eine Verquickung beider ist es aber, wenn z. B. Alarmschüsse den Bewohnern einer Stadt mitteilen, daß ein Brand ausgebrochen ist, für die Feuerwehrleute aber und Amtspersonen und dgl. einen direkten Befehl enthalten. Hier ist das Zeichen für einige Empfänger nur Mitteilung, für andere Mitteilung und Befehl. Aber selbst bei derartigen Mischfällen läßt sich in der Regel, am besten angesichts der konkreten Sachlage des Einzelfalles, bei genauerer Analyse entscheiden, was das direkt Gewollte war, ob daher der Befehl oder die Mitteilung als das Primäre bezeichnet werden darf. Wir kommen in einem späteren Zusammenhang bei der Behandlung der ausschließlich sprachlichen Bedeutungen natürlich noch eingehender auf diese Sonderung zu sprechen, deren Wichtigkeit ja eben dadurch klar ausgezeichnet ist, daß sich die Sprache so mannigfache Mittel zu deren Ausdruck geschaffen hat. Eines aber hat sich auch bei der Betrachtung dieses Unterschiedes ergeben, daß sich reales und finales Bedeuten charakteristisch abheben. Da nun speziell für die Bedeutungen auf dem Gebiet der Sprache das finale Bedeuten eine weit größere Rolle spielt als das reale, müssen wir auf letzteres genauer eingehen und insbesondere die aus ihrer finalen Natur sich von selbst ergebende Frage erörtern, inwieweit ein Zeichen der es hervorrufenden Absicht auch zu entsprechen vermag, also zweckmäßig ist oder nicht. ![]()
1) Vgl. HÖFLER-MEINONG, Logik, § 26, wo allerdings die ajektivischen gegenüber den substantivischen relativen Begriffen etwas zu sehr in den Vordergrund gerückt sind. 2) "Rein" hier im Sinne von "nicht teleologisch", also frei von Zweck und Absicht. 3) Logisch richtig ist dieser Schluß selbstverständlich nur unter der Voraussetzung, daß die konstatierte Wirkung nur aus dieser einen Ursache hervorgehen kann. In der Denkpraxis des gewöhnlichen Lebens wird man sich dieser Forderung oft nicht bewußt; es genügt meist eine empirisch gegebene große Wahrscheinlichkeit, daß in der Regel nur diese eine Ursache (richtiger Ursachenkomplex) die Wirkung hervorzurufen pflegt, wenngleich ganz wohl andere, tatsächlich sehr selten verwirklichte Ursachen das Gleiche zustande bringen können. So denken wir, wenn wir die Quecksilbersäule im Thermometer steigen sehen, gewiß nicht daran, daß dies ja möglicherweise auch durch eine versteckte künstliche Erwärmung des Quecksilbers - etwa mittels eines elektrischen Stroms - hervorgebracht werden könnte, und fühlen uns deshalb vollständig berechtigt, auf die zunehmende Lufttemperatur zu schließen. 4) Ich wähle den kurzen Ausdruck "real" mit Rücksicht auf den Umstand, daß das Bedeuten in diesem Fall in der Sache selbst seinen Urgrund hat und nicht in menschlichen Zwecken und Absichten ("final"). |