| WILHELM TOBIAS
Grenzen der Philosophie
[konstatiert gegen Riemann und Helmholtz,
verteidigt gegen von Hartmann und Lasker.]
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"Es muß offenbar zur Unterscheidung feinster Raumgrößen sehr vorteilhaft sein, wenn diese möglichst kleine isolierte Eindrücke auf die Nerven machen, aber ehe diese Eindrücke zum Bewußtsein kommen, sind sie qualitativ etwas anderes, Psychisches geworden und haben aufgehört als Einzelheiten von selbständigem Wert zu existieren. Der Satz, auf den es hier ankommt, und den ich schon früher ausgeführt habe, ohne verstanden worden zu sein, ist der, daß eine Netzhautempfindung gar nicht anders möglich ist als nur in Form einer räumlichen Ausdehnung. Die Fähigkeit, feine isolierte Lichteindrücke zu bekommen, wird in der Empfindung zur Fähigkeit, feine Raumunterschiede zu erkennen." |
III. Empirismus und Nativismus
[Fortsetzung]
Daß nun die nativistische Theorie in keinem Widerspruch zu KANT ist, ist so wenig jemals bestritten worden, daß wir sogar dem Mißverständnis zu begegnen hatten, es bestehe eine innere Zusammengehörigkeit zwischen KANT und dem Nativismus. Daß es aber auch unter den Anhängern der empiristischen Lehre Bekenner der transzendentalen Idealität des Raumes nicht nur geben kann, sondern tatsächlich gibt, dafür fehlt es mir allerdings an ausdrücklichen Zeugnissen; ich sehe mich daher auf mich selbst zurückgewiesen, um die vollkommene Vereinbarkeit beider Standpunkte nicht nur als möglich, sondern auch als wirklich zu behaupten. Denn ich muß von mir bekennen: ich habe nur einen äußeren, indirekten Grund, um die physiologische Theorie des Empirismus in den wesentlichsten Punkten nicht für die zweifellos richtige zu halten, und dieser äußere Grund ist der, daß HELMHOLTZ, der konsequente und erfolgreiche Vertreter dieser Theorie, in seiner Optik sagt (Seite 819: "Ich erkenne aber durchaus an, daß die hier diskutierten Fragen noch nicht vollkommen spruchreif sind." Und auch im Jahr 1871 noch spricht derselbe Autor in Bezug auf die Beantwortung dieser Frage von einem "noch nicht beendeten Streit (Populäre wissenschaftliche Vorträge, 2. Heft, Seite 65) - wenigstens ist diese 1868 geschriebene Bemerkung auch 1871 ohne Zusatz publiziert. Wegen dieser Selbstbescheidung des Spezialisten muß ich es nun natürlich für sehr wahrscheinlich halten, daß in der Tat sachliche Gründe vorhanden sind, um noch gewisse Zweifel an der Richtigkeit des physiologischen Empirismus als berechtigt anzuerkennen. Aber in meinem eigenen Urteilen kann ich freilich diese Zweifel nicht realisieren - sie haben für mich nur aufgrund der Tatsache, daß HELMHOLTZ sie noch zuläßt, eine theoretische Möglichkeit, keine solche, für die ich direkte Motive angeben könnte; sondern ich würde vielmehr ohne diese Reservation [Zurückhaltung - wp] des Fachmannes überzeugt sein, daß der in Rede stehende Streit nur äußerlich nicht beendet ist, innerlich aber vollkommen. Denn bei denjenigen Beobachtungen, welche sowohl in der einen wie in der anderen Theorie eine Erklärung finden, während über sie selbst keine Differenz besteht, finde ich durchgehend das "veri sigillum" [Einfachheit ist das Siegel des Wahren. - wp], nämlich das "simplex" auf Seiten der Empiristen. Wenn man die vielfachen Annahmen, welche z. B. PANUM und HERING ihren Theorien zugrunde legen, mit den wenigen Voraussetzungen vergleicht, von welchen HELMHOLTZ ausgeht, und die sich auch als ausreichend für ihn erweisen, dann wird man in den folgenden Stellen der Optik nicht zu viel gesagt finden (Seite 441):
"Die empiristische Theorie sucht nachzuweisen, daß zu ihrer Entstehung wenigstens keine anderen Kräfte nötig sind, als die bekannten Fähigkeiten unserer Seele, wenn auch diese selbst dabei ganz unerklärt bleiben. Da es im Allgemeinen eine zweckmäßige Regel für die naturwissenschaftliche Forschung ist, keine neuen Hypothesen zu machen, solange die bekannten Tatsachen zur Erklärung ausreichend erscheinen und die Notwendigkeit neuer Annahmen nicht erwiesen ist, so habe ich geglaubt, die empirische Ansicht im Wesentlichen bevorzugen zu müssen. Die nativistische Theorie gibt noch weniger eine Erklärung für die Entstehung unserer Anschauungsbilder, indem sie mitten hineinspringt in die Sache mit der Annahme, daß gewisse räumliche Anschauungsbilder direkt erzeugt werden durch einen angeborenen Mechanismus, wenn gewisse Nervenfasern gereizt werden." . . .
"In dieser Theorie ist also nicht bloßt die kantische Behauptung festgehalten, daß die allgemeine Raumanschauung einer ursprüngliche Form unseres Vorstellens ist, sondern es sind gewisse spezielle Raumanschauungen als angeboren vorausgesetzt."
Ferner Seite 819: "Ich habe meinen eigenen Standpunkt teils wegen der Einfachheit der Erklärungen, die sich aus ihm ergeben, so gewählt, teils aber auch besonders aus methodologischen Rücksichten, indem ich es nämlich stets für ratsam halte, die Erklärungen der Naturprozesse auf die möglichst geringste Zahl und auf möglichst bestimmt gefaßte Hypothesen zu bauen."
Jene "zweckmäßige Regel für die naturwissenschaftliche Forschung, keine neuen Hypothesen zu machen, solange die bekannten Tatsachen zur Erklärung ausreichend erscheinen",
ist ein so bewährtes Prinzip für alle Bemühung um wissenschaftliche Wahrheit, daß es in den verschiedensten Gebieten von jeher anerkannt ist und sich fortdauernd wirksam erweist. Es ist dasselbe Prinzip, auf dessen Bedeutung wir bereits durch andere Veranlassungen hingeführt wurden, und dessen Einfluß ebenso groß für die eigene Forschung ist wie für die Beurteilung fremder Forschungsresultate. Denn jedem Forscher ohne Ausnahme ist es ja als eine menschliche Schranke auferlegt, daß er vom Vorrat seines Wissensschatzes nur einen äußerst geringen Anteil durch eigene Kontrolle prüfen kann, und da somit bei dem stetig anwachsenden Material jeder Erfahrungswissenschaft das Quantum des vom Einzelnen Prüfbaren im Laufe der Zeit einen immer geringeren Bruchteil bilden muß vom Quantum dessen, was für den Einzelnen wissenswert ist, so wird es zu einer immer deutlicheren Notwendigkeit, daß ein fundamentales Kriterium Jeden leitet, um unter mehreren möglichen und miteinander streitenden Hypothesen eine entscheidende Wahl zu treffen. Freilich ist diese Notwendigkeit nur Proportion mit dem Interesse für eine von mehreren Entscheidungen; für den bloßen Einlerner des aufgespeicherten Wissens ist jedes Prinzip der Beurteilung entbehrlich, aber es ist in demselben Maß unentbehrlich, in welchem Jemand sich dahin entwickelt hat, Gelehrsamkeit als Selbstzweck zu verschmähen und sie nur als ein Mittel zu schätzen, um sich innerlich, d. h. gewissenhaft und folglich nicht ohne Befragen seines Urteils für das zu entscheiden, was er für wahr zu halten hat. Als ein solches Kriterium nun hat sich das angegebene und bereits oben besprochene bewährt, und es darf wohl als ein Zeichen für seine innere Berechtigung gelten, daß es im Gedankenleben verschiedenster Kulturepochen und Nationen eine selbständige Verkündigung gefunden hat. Von einem Fachmann ist mir mitgeteilt worden, daß die Vaiseshika-Philosophie der alten Inder für die hier gemeinte Lehre bereits Zeugnis gibt. Stellen, an welchen PLATO den gleichen Gedanken ausdrückt, sind von SCHOPENHAUER bezeichnet (Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde, dritte Auflage, Leipzi 1864, Seite 1, Anm.)
Von KANT füge ich folgende Belege an [. . .]:
"am mehresten enthält die Methode, über vollkommenen Anstalten der Natur zu urteilen, den Geist wahrer Weltweisheit, wenn sie jederzeit bereit . . . die Gründe davon in notwendigen allgemeinen Gesetzen aufzusuchen, mit großer Achtsamkeit auf die Erhaltung der Einheit und mit einer vernünftigen Abneigung die Zahl der Naturursachen um derentwillen zu vervielfältigen." (I, 253)
"Fruchtbarkeit eines einzigen Grundes an viel Folgen, Zusammenstimmung und Schicklichkeit der Naturen, nach allgemeinen Gesetzen ohne öfteren Widerstreit in einem regelmäßigen Plan zusammen zu passen, müssen zuvörderst in den Möglichkeiten der Dinge angetroffen werden, und nur dann kann Weisheit tätig sein, sie zu wählen." (I, 272) . . .
besondere Naturgesetze unter allgemeineren stehen und die Ersparung der Prinzipien nicht bloß ein ökonomischer Grundsatz der Vernunft, sondern ein inneres Gesetz der Natur wird." (Kr. d. r. V., erste Auflage, Seite 650)
"Daß aber auch in der Natur eine solche Einhelligkeit angetroffen wird, setzen die Philosophen in der bekannten Schulregel voraus: daß man die Anfänge (Prinzipien) nicht ohne Not vervielfältigen muß (entia praeter necessitatem non esse multiplicanda [Wesenheiten dürfen nicht über das Notwendige hinaus vermehrt werden. - wp]) (ebd. Seite 652)
Und ebenso wie von Philosophen alter und neuer Zeit wird dieses Prinzip auch von den Autoren der modernen Naturforschung anerkannt. So von FRESNEL:
"Bei der Wahl eines Systems darf man nur auf die Einfachheit der Hypothesen Rücksicht nehmen; die Berechnung kann in der Abwägung der Wahrscheinlichkeiten kein Gewicht haben. Die Natur hat sich nicht um die Schwierigkeiten der Analyse gekümmert, sie hat nur die Komplikation der Mittel vermieden. Sie scheint sich vorgenommen zu haben, mit wenig viel zu erreichen: Es ist ein Prinzip, das die Verbesserung der Naturwissenschaften immer wieder durch neue Beweise untermauert." (Sur la Diffraction de la lumiére. Mémoires de l'Acad. de France, Tome V. Zitiert in Wüllners "Lehrbuch der Experimentalphysik", Bd. 1, Leipzig 1863, Seite 8)
Diese Stelle erinnert sehr an die folgende aus GOETHEs "Geschichte der Farbenlehre", mit welcher das "faire beaucoup avec peu" [mit wenig viel machen - wp] eine sogar wörtliche Übereinstimmung hat:
"Auch ihm" - Louis Bertrand Castel - "hilft es nichts, daß er eine Art von Ahnung von der sogenannten Sparsamkeit der Natur hat, von jener geheimnisvollen Urkraft, die mit wenigem viel, und mit dem Einfachsten das Mannigfaltigste leistet." (Goethe, Werke in 40 Bdn. Stuttgart 1840, Bd. 39, Seite 333)
Und in dem gleichen Sinn spricht DARWIN:
"The truth of this remark is indeed shown by that old but somewhat exaggerated canon in natural history of natura non facit saltum. We meet with this admission in the writings of almost every experience naturalist; or, as Milne Edward has well expressed it, nature ist prodigal in variety, but niggard in innovation." (1) (On the Origin of Species, London 1860, Seite 194)
Dieses an Wichtigkeit nicht leicht zu überschätende Prinzip ist es nun, wodurch sich jeder Urteilende nicht nur für berechtigt, sondern sogar für verpflichtet halten darf, die Theorie des Empirismus für die rationalere zu erklären; nur abweichende eigene Erfahrungen über die zugrunde liegenden Phänomene können es motivieren, wenn man in diesem Fall zugunsten des Nativismus dem Prinzip der Spezifikation folgt und nicht dem der Homogenität.
Aber so sehr auch dieser Rechtstitel für die Entscheidung ein prinzipieller, ein philosophischer ist: transzendental-philosophisch ist er nicht; er bezieht sich auf den Zusammenhang gegebener Erfahrungen, nicht auf die Bedingungen für die Möglichkeit aller Erfahrung: die kantische Auffassung vom Raum bleibt dabei völlig ex nexu [abgetrennt - wp].
Denn analog dem besprochenen Beispiel verhält es sich mit jedem anderen aus dem ganzen strittigen Gebiet des physiologischen Empirismus und Nativismus. Die von HELMHOLTZ und Anderen oftmals geäußerte Ansicht, daß JOHANNES MÜLLER durch seine Lehre von der "ihre eigene räumliche Anschauung" empfindenden Netzhaut die Raumtheorie KANTs gewissermaßen in die Physiologie übertragen hat, - diese Ansicht ist nur daraus erklärbar, daß man die Behauptung des Apriorischen für das Wesentliche bei KANT hält. Teilt man diese sehr irrtümliche Meinung nicht, ignoriert man nämlich nicht, daß die transzendentale Idealität von Raum und Zeit gerade darin besteht, daß beide Formen der Anschauung nicht nur a priori und ausschließlich subjektiv sind, dann muß man schon dem Werk von JOHANNES MÜLLER "Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes" sogar das Gegenteil jener Auffassung entnehmen. Aus keiner einzigen Stelle des ganzen Buches kann gefolgert werden, daß MÜLLER dem transzendentalen Idealismus irgendeinen Zugang zu seiner Naturbetrachtung gestattet hat. Wohl aber sprechen viele Stellen sehr dafür, daß wir in JOHANNES MÜLLER ebenso wie in HELMHOLTZ faktisch den transzendentalen Realismus vertreten finden. Zum Beispiel heißt es Seite 39, 40:
"Und wenn der Raum die Form der Anschauung für die wiederkehrende Notwendigkeit des Objekts im Selbstbewußtsein ist, wenn die tierische Einzelheit sich überhaupt räumlich empfindet, so ist auf dieser ersten Stufe nicht etwa ein Unterschied gegeben in der Empfindung der den Raum erfüllenden von dieser verschiedenen anderen Objekte."
Ob der Raum mit seinen Teilen für sich Existenz hat oder nicht, also die Frage nach seiner transzendentalen oder empirischen Realität wird weder hier noch irgendwo sonst in der ganzen Arbeit berücksichtigt, es wird im Gegenteil überall als ein Faktum behandelt, daß auch unabhängig von allem Sensorium der Raum als ein Ding-ansich vorhanden ist.
So wenig also ist es richtig, was CLASSEN in der angeführten Schrift von JOHANNES MÜLLER sagt: er habe
"in einigen Punkten das Dunkel der sinnlichen Anschauung in einer Weise gelichtet, welche über Kant hinausgeht", . . . "obwohl er sich streng auf den Standpunkt des transzendentalen Idealismus stellte, welcher vorher seine ganze Seele erfüllt hatte." (Gesammelte Abhandlungen, Seite 17)
Und so wenig war der "kantische idealistische Standpunkt" . . . "sonst allgemein auch von Müller in allen übrigen Punkten adoptiert." (ebd. Seite 21)
Wäre JOHANNES MÜLLER nicht gleich HELMHOLTZ und gleich der weitaus überwiegenden Majorität aller Naturforscher transzendentaler Realist gewesen, so würde er nicht von "einem objektiven erfüllten Raum" gesprochen haben, von welchem wir "so viel . . . durch das Urteil . . . unterscheiden, als Raumteile unserer selbst im Zustand der Affektion sind" (ebd. Seite 55), - wenigstens würde er nicht ohne Zusatz so gesprochen haben; denn selbstverständlich war es doch wohl im Jahre 1826 ebensowenig wie 1874, daß man diese Bezeichnungen nur in einem empirisch-realen Sinn braucht, d. h., daß mit dem Sinn dieser Ausdrücke sehr wohl die Auffassung vereinbar ist: es sollen nur Erscheinungen, nicht Dinge-ansich damit gemeint sein. Und wenn wir bei HERING wiederholt den "Sehraum" dem "wirklichen Raum" entgegengesetzt finden (z. B. Seite 324, 327 und dem Sinn nach Seite 336 des fünften Heftes der "Beiträge zur Physiologie", Leipzig 1864), ohne daß ausdrücklich gesagt ist, diese Worte sollen nur empirisch Reale bezeichnen, so wird die Vermutung wohl gleichfalls nicht gewagt erscheinen, daß auch der konsequenteste Nachfolger MÜLLERs an der transzendentalen Realität des Raumes nicht zweifelt, selbst wenn die Abweisung philosophischer Betrachtungen weniger betont wäre, als es von HERING geschieht.
Den kantischen Gedanken hatte der "common sense" von vormals ebensowenig assimilierbar gefunden wie er von heute, gegen welchen LIEBMANN zu kämpfen glaubt; an KANT erinnert auch bei JOHANNES MÜLLER - abgesehen von einer gewissen später zu besprechenden allgemeinen Verwandtschaft beider Geister - nur das Apriorische in seiner Raumtheorie, aber hierin mit LIEBMANN eine "physiologische Paraphrase der kantischen Apriorität des Raumes" zu erblicken, - ja, dies kann in der Tat, zumal bei einem Philosophen von Fach, etwas "banausisch" platt erscheinen; denn aus der kantischen Apriorität vertilgt man durch ein solches Paraphrasieren gerade das, wodurch sie eine erhabene Lehre ist und nicht bloß eine scharfsinnige und originelle, eine Unterscheidung, welche im letzten Abschnitt dieser Schrift motiviert werden soll.
Beiläufig bemerkt: so kann man vom kantischen Idealismus sprechen auch ohne eigentliche Orthodoxie für KANT; denn der kategorische Imperativ, dieser so wesentliche Pfeiler im Bau des himmelwärtsstrebenden Meisters, ist nach meiner Überzeugung nicht der Träger dessen, was er tragen soll: die intelligible Welt bedarf anderer Stützen, damit sie nicht aus dem übermenschlich Erhabenen ins unmenschlich Häßliche fällt, - doch davon gleichfalls später.
Es bleibt mir nur noch übrig, den oben gebrauchten Ausdruck "möglichst strenger Empirismus" näher zu motiveren.
Meine Absicht war hier lediglich die, zu zeigen, daß selbst von den extremsten Gegners, welche im Streit um Empirismus und Nativismus in der Physiologie hervorgetreten sind und noch hervortreten können, keiner verbunden ist, aufgrund seiner naturwissenschaftlichen Überzeugung für oder gegen den transzendentalen Idealismus Stellung zu nehmen. Für diesen Nachweis empfahl es sich, die physiologischen Theorien möglichst schematisch darzustellen, um mit Hilfe des ungeschwächten Kontrastes, dessen sie fähig sind, den Gegenstand der Prüfung so bestimmt als möglich antworten zu lassen.
Damit aber die Angelegenheit nicht in einem Licht bleibt, welches die Beteiligten für spezielle, der Physiologie allein angehörige Beziehungen ihres Verhaltens unrichtig darstellen würde, so füge ich als Nachtrag hinzu, daß zwischen den hier in Frage kommenden Parteimännern und den Prinzipien, nach welchen ihre Parteistellung benannt wird, dasselbe Verhältnis besteht wie überall zwischen Parteiangehörigen und dem Inhalt von Parteinamen. Die individuelle Ansicht entspricht oftmals nur einem Teil der Anforderungen, welche das Parteiprogramm enthält, und wenn der Einzelne aufgrund dieser partiellen Übereinstimmung zu der Partei gezählt wird, so soll damit ausgedrückt werden, daß die übereinstimmenden Punkte für die wesentlichen gelten. Aber das Urteil über die Wesentlichkeit der Teile, die zu einem Ganzen gehören, ist selten in absoluter Einstimmigkeit vorhanden, und so kann es geschehen, daß die Klassifikation der Individuen sehr verschieden ausfällt. So wenig ich daher auch Etwas an der Definition ändern könnte, welche ich von den strittigen Theorien des Empirismus und Nativismus, hauptsächlich im Anschluß an HELMHOLTZ gegeben habe, so muß ich doch dem Eindruck vorbeugen, welchen Fernstehende leicht empfangen können, als ob nämlich jeder Physiologe, der als Empirist in der Theorie des räumlichen Sehens figuriert, auch im Detail dem Signalelement entspricht, welches ich für physiologischen Empirismus angeführt habe. Dieses Signalelement trifft zuweilen gerade in einem der von mir hervorgehobenen Punkte gar nicht überein mit einer dennoch allgemein rezipierten Klassifikation. So habe ich z. B. als ein Merkmal des Empirismus bezeichnet, daß nach ihm den Lichtempfindungen "der räumliche Charakter nicht zugesprochen wird". Hiernach könnte man nun erwarten, daß zumindest die Autoren, welche HELMHOLTZ selbst ausdrücklich als Darsteller der empiristischen Theorie aufführt, in jener Ansicht übereinstimmen, daß in der Empfindung der Netzhaut ursprünglich Nichts von Raumvorstellung enthalten ist, sondern daß diese ganz und gar erworben wird. Aber für CLASSEN bewährt sich diese Voraussetzung nicht. Denn nach ihm ist "die Netzhautempfindung in ihrer räumlichen Form eine selbständige Empfindung, welche zu ihrem Zustandekommen gar keiner Muskeln bedarf." (Gesammelte Abhandlungen, Seite 65 CLASSEN unternimmt es, gegen HERBART, LOTZE, WUNDT und HELMHOLTZ "nachzuweisen, daß bereits vor dem Zutritt irgendeiner Muskelbewegung der Gesichtsempfindung räumliche Ausdehnung zukommen muß." (ebd. Seite 101 und an vielen Orten)) Ja, diesen Teil seiner Theorie betont CLASSEN auch später ganz besonders in einer Arbeit, welche die Überschrift hat: "Durch welche Hilfsmittel orientieren wir uns über den Ort der gesehenen Dinge?" von Gräfes "Archiv für Ophthalmologie, Bd. XIX, Abteilung 3. Daselbst heißt es (Seite 59):
"Es muß offenbar zur Unterscheidung feinster Raumgrößen sehr vorteilhaft sein, wenn diese möglichst kleine isolierte Eindrücke auf die Nerven machen, aber ehe diese Eindrücke zum Bewußtsein kommen, sind sie qualitativ etwas anderes, Psychisches geworden und haben aufgehört als Einzelheiten von selbständigem Wert zu existieren. Der Satz, auf den es hier ankommt, und den ich schon früher ausgeführt habe, ohne verstanden worden zu sein, ist der, daß eine Netzhautempfindung gar nicht anders möglich ist als nur in Form einer räumlichen Ausdehnung.' Die Fähigkeit, feine isolierte Lichteindrücke zu bekommen, wird in der Empfindung zur Fähigkeit, feine Raumunterschiede zu erkennen."
Nach meiner obigen Darstellung wäre also CLASSEN Nativist. Auch erwähnt HELMHOLTZ diese Differenz zwischen seinem Empirismus und dem von CLASSEN:
"Eine wesentliche Abweichung zwischen der von mir gegebenen Darstellung der Theorie Classens ist, daß er den Ortssinn der Netzhaut und die Projection in das Sehfeld als ursprünglich gegeben und nicht erworben betrachtet." (Optik, Seite 819
Aber durch vieles Andere in den Arbeiten CLASSENs wird doch seine Zugehörigkeit zu den Empiristen als die überwiegende entschieden, und so
"hat diese Abweichung indessen auf die Darstellung derjenigen Kapitel des Sehens, die Classen ausführlich behandelt, namentlich die Lehre vom Muskelsinn und vom Binokularsehen, keinen Einfluß, und es finden sich bei ihm eine große Menge interessanter Erläuterungen aus der pathologischen Beobachtung für die vorgetragenen physiologischen Lehren." (Helmholtz, ebd. Seite 820)
Und ebensowenig wie auf CLASSENs Empirismus würde die zu Anfang gegebene schematische Definition anwendbar sein auf den Nativismus von HERING. Denn obgleich HELMHOLTZ von HERINGs Theorie sagt, sie sei "überhaupt unter den bis jetzt aufgestellten wohl die konsequenteste Form, welche die nativistische Theorie erhalten hat" (Optik, Seite 809), so nimmt doch selbst HERING außer einem "ursprünglichen Tiefensehen" eine "erworbene Tiefenauslegung" an, und von dieser behauptet er, daß sie "in vielen Fällen der ursprünglichen gerade entgegengesetzt" ist. Beiträge zur Physiologie, fünftes Heft, Leipzig 1864, Seite 288) Ähnliche Beispiele würden sich auch für andere Forscher, welche auf diesem Gebiet tätig gewesen sind, anführen lassen. Ja, wir finden beim Bahnbrecher für die nativistische Richtung, bei JOHANNES MÜLLER, gelegentlich eine Opposition gegen Hypothesen, wie sie von HELMHOLTZ in ganz gleichem Sinn geübt wird. So nennt es MÜLLER
"Mystificationen des Physiologen so gut wie des Optikers", "wenn man sagt: nachdem einmal das kleine Bild auf der Netzhaut durch brechende Medien gewirkt ist, empfindet die Netzhaut doch nicht so sehr die Berührung des Lichts mit ihr selbst in diesem Bild, sondern vielmehr die Direktionslinien der Lichtstrahlen bis zu den Objekten natürlicher Größe." (Zur vergleichen Physiologie etc., Seite 56)
Und ebenda Seite 64 schreibt Müller: "Die Direktion der Lichtstrahlen empfinden wollen heißt das Sehen durch das Sehen erklären."
Wenn man hiermit die Worte von HELMHOLTZ vergleicht: "Die besprochene Annahme der nativistischen Theorien ist eigentlich eine Verzichtleistung auf jede Erklärung der Lokalisationsphänomene" (Optik, Seite 805), - kann es dann nicht scheinen, daß man Streiter für dieselbe Sache sprechen hört?
Für die Beurteilung von diesen und vielen ähnlichen hergehörigen Fällen tritt eben ein Prinzip in Kraft, welches zwischen dem der Gleichartigkeit und dem der Varietät eine Vermittlung bewirkt, das "Gesetz der Affinität" (Kant, Kr. d. r. V., erste Auflage, Seite 657) oder der "Kontinuität", welches die Prinzipien der Homogenität und der Spezifikation vereinigt ebd. Seite 658) Welchen Gebrauch man aber in jedem speziellen Fall von diesem Kontinuitätsprinzip zu machen habe, - ob man z. B. CLASSEN aufgrund jener Abweichung von HELMHOLTZ in die Reihe der Nativisten stellen, oder ob man ihn wegen seiner übrigen Resultate den Empiristen zugesellen soll, das zu entscheiden bleibt durchaus der Subsumtion, also der Kritik im besonderen Fall überlassen. Denn für
"das Vermögen unter Regeln zu subsumieren, d. h. zu unterscheiden, ob etwas unter einer gegebenen Regel (casus datae legis) steht, oder nicht", nämlich für die "Urteilskraft", - enhält "die allgemeine Logik gar keine Vorschriften . . . und kann sie auch nicht enthalten." (Kant, Kr. d. r. V., erste Auflage, Seite 132)
Für die hier interessierende Klassifizierung der einzelnen Physiologen ist daher die zu Anfang gegebene schematische Einteilung nur ein logisches Orientierungsmittel, und es scheint mir sehr im Interesse einer unbefangenen, von parteilicher Voreingenommenheit frei zu haltenden Forschung zu sein, daß die speziellen Arbeiter folgende Bemerkungen CLASSENs als richtig anerkennen (Gesammelte Abhandlungen, Seite 94):
"Es drückt daher jene Gegenüberstellung der nativistischen und empiristischen Erklärungsweise nicht sowohl einen Unterschied in den Prinzipien der Erklärung selbst aus, als sie vielmehr einen Unterschied der Neigung bei den verschiedenen Forschern bezeichnet, möglichst viel oder möglichst wenig auf die erworbene Übung und den Einfluß der Erfahrung auf die Wahrnehmung zurückzuführen. Im Hauptprinzip sind alle einig, daß etwas in der natürlichen Anlage gegeben und etwas durch Übung und Erfahrung hinzugekommen sein muß, nur über die Grenze beider Gebiete gehen die Meinungen auseinander." Und
(ebd. Seite 120) ". . . Wenn man nur überhaupt den Zwecken des Sehens und Orientierens den geringsten Einfluß auf die Ausbildung und Übung der Bewegung in bestimmten Richtungen gestattet, so kann das Mehr oder Weniger dessen, was man als angeboren betrachten soll, zwischen Forschern, denen es nicht nur um Worte zu tun ist, eigentlich kein Gegenstand des Streites mehr sein, seitdem man weiß, daß auch erworbene Eigenschaften, die häufig geübt sind, sich von einer Generation auf die andere vererben können."
Das "Mehr oder Weniger", wonach man die Forscher in diesem Gebiet zu benennen hat, wird nun aber allerdings doch seinen Einfluß geltend machen, nur wird es eben dadurch gerechtfertigt, von einem mehr oder weniger strengen Empirismus zu sprechen, wie vorhin geschehen ist. In diesem Sinne bezeichnet z. B. STUMPF seinen Standpunkt in dieser Frage als den eines "beschränkten Nativismus" ("Über den psychologischen Ursprung der Raumvorstellung", Leipzig, 1873, Seite 216, Anm.) und WUNDT präzisiert seine Stellung auf folgende Weise:
"Die oben entwickelte Theorie, welche zum Unterschied von den verschiedenen anderen Formen der genetischen Ansicht, die synthetische genannt werden mag, ist diesem Vorwurf nicht ausgesetzt. Sie sucht nachzuweisen, daß unsere Raumvorstellung überall aus der Verbindung einer qualitativen Mannigfaltigkeit peripherischer Sinnesempfindungen mit den qualitativ einförmigen Innervationsgefühlen, welche sich durch ihre intensive Abstufung zu einem allgemeinen Größenmaß eignen, hervorgeht." (Grundzüge einer physiologischen Psychologie, Seite641)
WUNDT stellt nämlich der nativistischen Theorie die genetische gegenüber, welche er dann die empiristische nennt, wenn bei ihr "der Einfluß der Übung besonders betont wird" (ebd. Seite 479). Wenn sich aber von HASNER zur "Entwicklungslehre" bekennt "im Gegensatz zu Empirismus und Nativismus", ein Bekenntnis, das er im ersten Abschnitt seiner Schrift "Beiträge zur Physiologie und Pathologie des Auges, Prag 1873, in innerer Übereinstimmung mit CLASSEN motiviert, so wäre der Ausdruck "Gegensatz" nur dann präzise, wenn der Autor sagen wollte: ihn, den Anhänger der Entwicklungslehre, interessiere persönlich keine der speziellen Differenzen zwischen Empiristen und Nativisten; sachlich steht aber die Entwicklungslehre zu den Theorien der genannten Schulen nicht im Verhältnis des Gegensatzes, sondern in dem der Überordnung des Genus zu zweien seiner Spezies. Für jede speziell strittige Frage in dieser Angelegenheit kann man nur Empirist sein oder Nativist, und wenn man sich im Allgemeinen mit dem einen oder dem anderen Namen belegt, so entscheidet man sich damit entweder für die Majorität der Fälle oder für solche, die man als die wesentlichen ansieht. Faktisch kann jede Partei sich zur Entwicklungslehre bekennen, und die Entgegensetzung von HASNERs ist gerade so unphilosophisch wie der ganze erste Abschnitt seiner Schrift, welcher bona fide [in gutem Glauben - wp] zugunsten philosophischer Betrachtung geschrieben ist. Bei Weitem lichtvoller und gründlicher als von HASNER hat aber DONDERS bereits ein Jahr vorher (1872) die Zusammenfassung des Empirismus und Nativismus vom Standpunkt der Entwicklungslehre motiviert. Aus seinem Aufsatz "Über angeborene und erworbene Assoziation" (von Gräfes Archiv für Ophthalmologie, Bd. XVIII, Abteilung 2 hebe ich folgende Stellen hervor. DONDERS weist darauf hin (Seite 155), daß erstens HELMHOLTZ es für wahrscheinlich erklärt,
"daß das Wachstum der Muskeln und vielleicht selbst die Leitungsfähigkeit der Nervenbahnen sich den Forderungen, die an sie gemacht werden, im Laufe jedes individuellen Lebens und vielleicht selbst durch Vererbung im Laufe des Lebens der Gattung so anpaßt, daß die geforderten, zweckmäßigen Bewegungen auch die leichtesten werden";
ferner erinnert DONDERS daran, daß
"Hering seinerseits meint, daß wir es hier mit einem Mechanismus zu tun haben, der, obwohl in seinen Grundzügen unabänderlich gegeben, doch eine gewisse Akkomodationsfähigkeit für abgeänderte Verhältnisse hat."
Und hierauf fährt DONDERS fort: "Also kein scharfer Gegensatz! Nur, was für Hering das Hauptmoment abgibt, ist für Helmholtz die Nebensache und umgekehrt." Die Zusammenfassung beider Gesichtspunkte wird dann durch folgende Frage begründet (Seite 156):
"Sollten aber nicht beide, sowohl die angeborene, als die durch Übung erworbene Assoziation eine organische Ursache haben? - Ich habe es mir nie anders vorgestellt."
Ferner (Seite 159): "Die gemachte Unterscheidung geht ganz in der folgenden auf: Mitbewegung ist die Beziehung, insoweit sie das Resultat der Übung früherer Geschlechter ist, Assoziation, insoweit sie durch Übung vom Individuum erworben wurde. Und kann hierdurch ein essentiellerUnterschied gesetzt werden?"
Zu dem Nein, welches diese Frage erwartet, scheint mir nun freilich der Zusatz zu gehören: nicht in Bezug auf die generelle Organisation.
Der Standpunkt der Entwicklungstheorie vereinigt freilich Nativismus und Empirismus in sich; aber für die Vorgänge im Individuum sind die strittigen Fragen dadurch nicht erledigt. Die Physiologie wird der Einzelerscheinung gegenüber doch immer das Interesse haben, zu wissen: was ist von den Bewegungen, von den Vorstellungen etc. in diesem fertigen Organismus nach seiner Geburt entstanden, und was hat er bereits als disponiblen Erbbesitz vorgefunden? Die speziellen Angelegenheiten dieses Teils der Physiologie werden also keineswegs durch den Entwicklungsstandpunkt erledigt, sondern sie finden nur in ihm eine generelle Vereinigung: die Anwendung des Darwinismus auf die hergehörigen Streitfragen ist also keine Opposition gegen diese, sondern im Gegenteil sehr wohl vereinbar mit jeder der Parteien.
Der besprochenen Abhandlung von DONDERs gehen zwei Arbeiten unmittelbar vorher, welche wohl geeignet erscheinen, für das zuletzt Gesagte als Beleg zu dienen. (Seite 133: "Beitrag zur Lehre von der Lage korrespondierender Netzhautpunkte" von Dr. Leopold Mandelstamm. - Seite 142: "Zur Frage der Innervation der Augenbewegungen" von Dr. J. Samelsohn in Köln)
Wenn demnach CLASSEN seine Gesamtentscheidung zugunsten des Prinzips der Kontinuität trifft, während er im Einzelnen sehr genau angibt, wie weit er der Spezifikation gerecht wird, so ist dieses Verhalten jedenfalls das am Meisten zu billigende; denn sowohl einer Gegnerschaft, welche über das Ziel hinausführt, als auch der Verwischung bestehender Gegensätze ist dadurch allein vorgebeugt. Leider hat CLASSEN in seinen "Gesammelten Abhandlungen", verleitet, wie es scheint, und jedenfalls bestärkt durch TRENDELENBURG, die Spezifikation nicht überall da eintreten lassen, wo sie durch den Gegenstand gefordert war. Denn auch er, der es nicht nur mit lebhaften Worten, sondern auch durch die Tat zu bezeugen sucht,
"daß philosophische Studien notwendig sind, um die empirische Wissenschaft auf die richtigen Wege zu leiten, um sie aus dem rohen Zustand des Zusammentragens von Material zu einer wirklichen Wissenschaft zu erheben", -
derselbe Autor verkennt durchweg, wie sehr wohl vereinbar der unverkürzte, der kantische Idealismus mit jeder wirklichen Exaktheit ist, und sodann, daß dieser, der transzendentale Idealismus von Raum und Zeit ebensowenig jetzt wie jemals ohne Mißverständnis der Ausleger das vermag, wozu er nach CLASSEN nur jetzt "nicht mehr imstande ist", nämlich "als System unsere empirische Wissenschaft zu beherrschen." (Gesammelte Abhandlungen, Seite 100)
Wie wenig auch dem philosophierenden Physiologen WUNDT an einer exakten Auffassung der kantischen Grundbegriffe gelegen ist, lehrt am Kürzesten folgende Anmerkung des Autors auf Seite 691 der "Grundzüge der physiologischen Psychologie:
"Trendelenburg hat bekanntlich behauptet, Kant habe nur die Alternative gestellt, ob Raum und Zeit bloß subjektiv oder bloß objektiv begründet sind, aber das dritte übersehen, daß sie beides zugleich sein können. ("Logische Untersuchungen", Bd. 1, zweite Auflage, Seite 164, "Historische Beträge zur Philosophie", Bd. 3, Seite 226) Diesen Vorwurf weist, wie mir scheint, Kuno Fischer ("Geschichte der neueren Philosoophie, Bd. 3, Vorwort, Seite V) mit Recht zurück. Im Sinne des transzendentalen Idealismus ist eben das objektiv Bestimmende in der subjektiven Raumanschauung zugleich enthalten."
Es genügt wohl, auf die oben zitierte Definition KANTs von seinem transzendentalen Idealismus hinzuweisen, um das Inhaltfreie dieser Worte WUNDTs ins richtige Licht zu stellen. Der Sinn von TRENDELENBURGs Behauptung ist der, daß Raum und Zeit erstens jedem Auffassungsvermögen als apriorische, angeborene Formen der Anschauung angehören, und daß sie ferner gleichzeitig Existenzformen für die Dinge-ansich sind, so daß sie also auch unabhängig von allen perzipierenden Subjekten ein Dasein haben, oder, wie es ARNOLDT in der angeführten Arbeit viel präziser formuliert, nicht nur, als es hier von mir, sondern auch, als es von KUNO FISCHER geschehen ist:
"Trendelenburg will die von Kant behauptete transzendentale und die von Kant bekämpfte empirische Idealität des Raumes und der Zeit von seiner Doktrin des subjektiv und objektiv zugleich" ausschließen und in sie aufnehmen die von Kant behauptete empirische und die von Kant bekämpfte transzendentale Realität des Raumes und der Zeit."
Mit dem "objektiv Bestimmenden" von WUNDT bleibt nicht nur KANTs Lehrbegriff, sondern auch TRENDELENBURGs Behauptung und nicht minder die - freilich erst durch ARNOLDT perfekt gewordene - Zurückweisung von Seiten KUNO FISCHERs objektiv, d. h. dem wahren Sachverhalt nach in ganz unbestimmten Dunkel.
Unter den an JOHANNES MÜLLER anknüpfenden Theorien des Nativismus rührt die kühnste von einem Philosophen her, von ÜBERWEG, dessen Arbeit "Zur Theorie und Richtung des Sehens" in der "Zeitschrift für rationelle Medizin" von Henle und von Pfeuffer (dritte Reihe, Bd. V, Seite 268 veröffentlicht ist. Da es dieser Theorie gegenüber ganz besonders nahe liegt, ihr einen sachlich begründeten Zusammenhang mit dem philosophischen Standpunkt des Autors zu vindizieren [zusprechen - wp], so möge zum Schluß dieser Gegenstand noch berührt werden.
Wie unabhängig in der Tat auch in diesem Fall theoretische Philosophie und Physiologie voneinander sind, kann schon ein äußeres Symptom an den Tag legen, zu dessen Konstatierung ich zunächst folgende Worte aus HELMHOLTZ Optik anführe. Daselbst heißt es (Seite 593, 594):
"Diese Ansicht, wonach alle Kenntnis der Form in den Gesichtswahrnehmungen auf Erfahrung und Vergleichung mit dem Tastsinn beruth, blieb während des vorigen Jahrhunderts wohl die herrschende, so weit man überhaupt dieser Frage Aufmerksamkeit zuwandte, bis unter dem Einfluß der kantischen Lehre, daß der Raum eine angeborene Form unserer Anschauung ist, Johannes Müller die entgegengesetzte Ansicht aufstellte." . . .
"Was das Problem des Aufrechtsehens trotz der umgekehrten Lage der Netzhautbilder betrifft, so erscheint uns nach Müller wirklich alles verkehrt, und nur weil unser eigener Körper und die durch den Tastsinn an ihm markierten Stellen uns alle auch verkehrt erscheinen, tritt kein Widerspruch ein. Eigentlich werden also nach dieser Ansicht nicht die Bilder in den äußeren Raum durch unser Vorstellen projiziert, sondern der Anschauungsraum ist ein innerer, in den die anderweitigen Wahrnehmungen der Dinge hineingetragen werden. Konsequenter noch hat Überweg diese Seite von Müllers Theorie dargestellt etc."
Wäre nun die Auffassung von HELMHOLTZ richtig, daß die Theorie MÜLLERs eine Konsequenz der kantischen Raumlehre ist, so sollte man erwarten, in ÜBERWEG, der ja diese Konsequenz noch weiter entwickelt hat, einen umso entschiedeneren Vertreter der kantischen Lehre vom Raum zu finden. Es ist aber das Gegenteil der Fall. In seinem "System der Logik", dritte Auflage, Bonn, 1868 verteidigt der Philosoph in § 44 gegen KANT den transzendentalen Realismus von Raum und Zeit, und er beruft sich auf diese Auseinandersetzung auch in der physiologischen Arbeit (Seite 274). Als Belege mögen folgende Stellen aus § 44 der Logik dienen.
(Seite 83): Das Zusammenbestehen und Zusammenwirken verschiedener Kräfte setzt irgendein reales Neben- und Nacheinander oder eine reale Räumlichkeit und Zeitlichkeit voraus. Daß diese aber nicht von wesentlich anderer Art sein kann, als der Raum und die Zeit der sinnlichen Wahrnehmung, ergibt sich besonders daraus, daß, sobald die Realität der zeitlichen Entwicklung anerkannt wird (was nach § 40 geschehen muß), dann auch den mathematisch-mechanischen Gesetzen die Gültigkeit in Bezug auf die realen Naturobjekte nicht abgesprochen werden kann, diese Gesetze aber einen ebensolchen Raum von drei Dimensionen, wie die Mathematik ihn kennt, zur notwendigen Voraussetzung haben (der als über das Sehfeld hinausreichend und dieses in sich befassend gedacht werden muß)."
Seite 86: Bereits oben hatte sich der kantische Dualismus, der die Quelle des stofflichen Gehaltes der Wahrnehmung ausschließlich in den uns affizierenden Dingen-ansich, die Quelle ihrer räumlich-zeitlichen Form ausschließlich im Subjekt sucht, als unhaltbar erwiesen."
Dieser Standpunkt ÜBERWEGs war einem philosophischen Referenten jener Arbeit "Zur Theorie der Richtung des Sehens" wohlbekannt. Deshalb finden wir auch bei ihm der entgegengesetzten Annahme Vorschub geleistet wie bei HELMHOLTZ. Dr. EDUARD JOHNSON sagt nämlich:
"So hat es sich dann gezeigt, daß eine konsequente Durchführung des nativistischen Grundgedankens zu dem Schluß führt: die wirkliche Größe der Welt verhält sich zu ihrer scheinbaren Größe, wie sich bei einer camera obscura die Größe der Objekte zur Größe der Bilder auf der Platte verhält. Diese Ansicht Überwegs von der wirklichen Größe der Welt ruht vollständig auf der Voraussetzung, daß das Sensorium, in welches die Netzhautempfindungen treten, räumlich ausgedehnt ist, gleich einer Kameraplatte" etc. (Philosophische Monatshefte, Bd. VIII, Berlin 1872, Seite 153: "Über die wirkliche Größe der Welt im Anschluß an Überwegs nativistische Theorie des Sehens", von Dr. Eberhard Johnson, daselbst Seite 165, 166)
JOHNSON sieht hiernach im transzendentalen Realismus ÜBERWEGs die Bedingung für die Möglichkeit seiner physiologischen Theorie. Am Schluß des Aufsatzes wird diese Ansicht freilich limitiert, aber, wie mir scheint, nicht zum Besten der Deutlichkeit. Die Worte lauten (ebd. Seite 174):
"Übrigens leuchtet wohl ein, daß die Frage nach der Realität oder Phänomenalität des Raums durch die nativistische Ansicht höchstens insofern präjudiziert wird, als dem Raum ihr zufolge eine relative Relatität zugeschrieben werden muß: es gibt so wahr (ebenso gewiß und in dem gleichen Sinn) einen Raum und eine Zeit, als es Einzelsubjekte gibt. Es kommt dem Raum und der Zeit also nicht bloß das zu, was Kant eine phänomenale oder empirische Realität nennt, nämlich Dasein im Bewußtsein des Einzelsubjekts und nur in diesem; sondern er existiert ansich, soweit das Einzelsubjekt ansich existiert. Davon, wie man das Verhältnis des Einzelwesens zum Absoluten auffaßt, hängt es ab, wie man über die Realität des Raums endgültig zu urteilen hat."
Der letzte Satz sagt hier das allein Richtige. Die Erwähnung des kantischen "nur" verdunkelt die Sache lediglich. Nicht dem Raum wird eine "relative Realität" durch ÜBERWEGs Theorie - die von ÜBERWEG selbst wohl zu unterscheiden ist - zugeschrieben, sondern den körperlichen Raumgrößen, deren farbige Bilder wir sehen. Die Originale dieser Bilder sind nach ÜBERWEGs Theorie sehr viel größer vorzustellen, als es uns jetzt unmittelbar erscheint. Aber der allgemeine Raum, in welchem die so viel größere Welt ÜBERWEGs enthalten ist, bleibt ebenso groß, wie er dem naivsten Menschen jemals war: ohne Grenze, ohne Ende. Diesem unendlichen Raum, welcher niemals als solcher zur Erscheinung gelangen kann, wird nicht eine "relative Realität" durch die nativistische Ansicht zugeschrieben, sondern empirische Realität. Ob aber diese als das Korrelat aufzufassen ist von KANTs transzendentaler Idealität, oder nicht, diese Frage gehört nicht in die von ÜBERWEG aufgestellte Theore. Daß ÜBERWEG selbst anderer Ansicht war, ändert hieran Nichts. An der Stelle seiner physiologischen Arbeit, an welcher er auf die Darlegung seines anti-kantischen Standpunkts in der Logik verweist, sagt er (Seite 274):
"Daß die realen Objekte zu den ihnen entsprechenden, durch die von ihnen ausgehenden Lichtstrahlen hervorgerufenen Erregungen der realen Netzhaut in einem bestimmten räumlichen Verhältnis stehen, ist unleugbar, sofern nicht etwa mit einer ganz idealistischen Metaphysik die reale Bedeutung der Räumlichkeit überhaupt negiert wird." etc.
Der Sinn dieser Worte ist ebenso unrichtig, wie sie selbst ungenau sind; denn da aus der gleich darauf folgenden Verweisung auf § 44 der Logik hervorgeht, daß die kantische Metaphysik gemeint ist, so mußte es statt "ganz idealistisch" heißen: transzendental oder kritisch idealistisch, weil sonst leicht an BERKELEY gedacht werden kann und statt von der "realen Bedeutung der Räumlichkeit" mußte von der transzendental-realen Bedeutung des Raumes gesprochen werden. Der Sinn aber ist deshalb irrtümlich, weil auch nach KANT die empirisch reale Untersuchung zu Recht bestehen bleibt. Die empirisch reale Gültigkeit der Beobachtungstatsache, daß die realen Objekte für unsere empirische Vorstellung nur als räumliche Objekte existieren, und daß wir durch die Erfahrung angewiesen werden, die empirischen Ursachen unserer Netzhautbilder in "einem bestimmten räumlichen Verhältnis" zu diesen Bildern vorzustellen, - all dies wird durch KANTs Idealismus nicht nur nicht in Frage gestellt, sondern, da das Gesagte ein Resultat allgemeiner Erfahrungen ist, sogar erst recht legitimiert und als der einzig mögliche Inhalt der hergehörigen empirischen Erkenntnis befestigt. Daß diese Erkenntnis nur die Erscheinungen und die Vorstellungen von den empirischen Ursachen der Erscheinungen betrifft, nicht aber die Dinge-ansich, unabhängig von unserer Vorstellung, - das tangiert nicht im Mindesten die Erfahrungswissenschaft. - ÜBERWEGs Theorie ist nun im Wesentlichen folgende:
An dem Ort, an welchem wir einen Gegenstand zu erblicken glauben, ist nicht der Gegenstand selbst, sondern das Bild, welches in uns von ihm entworfen wird. Demnach ist:
"mein Hirn größer, als der ganze, weite Raum, den ich vor mir sehe; mein Kopf reicht bis über den Sirius hinaus; mein Arm erstreckt sich weit über den Punkt, den ich in verschwindender Ferne erkenne; mein ganzer Körper ist unmeßbar größer, als das Größte, was ich anschauen kann."
Diese Worte kommen zwar in ÜBERWEGs genannter Abhandlung nicht vor, aber JOHNSON führt sie (ebd. Seite 153) als Zitat von ÜBERWEG an, und da sie der Theorie ganz gemäß sind, so habe ich keinen Grund, ihre Authentizität zu bezweifeln, obgleich ich ihren Fundort nicht angeben kann. Die entscheidende Stelle aus ÜBERWEGs physiologischer Abhandlung lautet (Seite 278):
". . . und doch liegt jener phantastischen Ansicht die Wahrheit zugrunde, daß die Seele ihren Bewußtseinsraum bis zu den letzten Grenzen hin ganz durchdringt, und nicht, wie das gemeine Vorurteil will, innerhalb desjenigen Raumes eingeschlossen ist, der für den Raum des realen Organismus gilt, in der Tat aber nur der Raum des vorgestellten Organismus ist."
Eine kurze Darstellung seiner Theorie gibt ÜBERWEG in den Anmerkungen zu seiner Übersetzung von BERKELEYs "Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis" (zwöfter Band von Kirchmanns "Philosophischer Bibliothek", Berlin 1869, daselbst Seite 127). Wie nun diese radikalste unter den nativistischen Hypothesen zu begründen ist, wird aus dem Folgenden ersichtlich sein.
Die Frage, ob man die Bilder auf der Netzhaut "in der Tat, wie sie sind, verkehrt, oder ob man sie aufrecht wie im Objekt sieht", - diese Frage hat JOHANNES MÜLLER so beantwortet (Handbuch der Physiologie, Bd. 2, Koblenz 1840, Seite 357):
"Da Bilder und affizierte Netzhautteilchen ein und dasselbe sind, so ist die Frage physiologisch ausgedrückt, ob die Netzhautteilchen beim Sehen in ihrer naturgemäßen Relation zum Körper empfunden werden.
Meine Ansicht der Sache, welche ich bereits in der Schrift über die Physiologie des Gesichtssinnes entwickelt habe, ist die, daß wenn wir auch verkehrt sehen, wir niemals als durch optische Untersuchungen zu dem Bewußtsein kommen können, daß wir verkehrt sehen und daß wenn Alles verkehrt gesehen wird, die Ordnung der Gegenstände auch in keiner Weise gestört wird. Es ist wie mit der täglichen Umkehrung der Gegenstände mit der ganzen Erde, die man nur erkennt, wenn man den Stand der Gestirne beobachtet, und doch ist es gewiß, daß innerhalb von 24 Stunden Etwas im Verhältnis zu den Gestirnen oben ist, was früher unten war. Daher findet beim Sehen auch keine Disharmonie zwischen Verkehrtsehen und Geradefühlen statt; denn es wird eben Alles und auch die Teile unseres Körpers verkehrt gesehen und Alles behält seine relative Lage. Auch das Bild unserer tastenden Hand kehrt sich um. Wir nennen daher die Gegenstände aufrecht, wie wir sie eben sehen."
Gegen diese Erklärung ist der von ÜBERWEG zitierte Einwand von LUDWIG erhoben worden, daß sie den Tatsachen widerspricht;
". . . denn nach ihr müßte die Lichterscheinung, welche wir mittels eines Fingerdrucks auf das geschlossene Auge hervorbringen, nicht in einer diametralen Richtung, sondern in gerader Richtung mit dem Druck erscheinen; nun geschieht aber gerade das Umgekehrte, welches nichts Anderes bedeutet, als daß wir alle von der unteren Hälfte der Retina her entstehenden Empfindungen nach oben usw. setzen."
Von diesem Entwurf nun sagt ÜBERWEG (Seite 269), er beruhe
"auf der stillschweigenden Voraussetzung, daß der reale Ort des Fingerdrucks bekannt ist, und daß derselbe identisch ist mit der Stelle, an welcher wir den Druck fühlen, und welche zugleich in der Verlängerung des etwa noch sichtbaren Fingerteils liegt." . . .
"Diese Voraussetzung aber, auf der der Einwurf beruth, ist unerwiesen, und somit der Einwurf selbst unhaltbar. Denn wir kennen ja nicht unmittelbar den realen Ort des Druckes, sondern was wir von demselben zu wissen meinen, beruth auch wieder auf sinnlicher Wahrnehmung."
Dieser Punkt, in welchem ÜBERWEGs Hypothese wurzelt, ist besonders deutlich von JOHNSON in der erwähnten Abhandlung besprochen, und da mir die Konsequenzen dort schärfer hervorgekehrt und glücklicher formuliert erscheinen als von ÜBERWEG, so teile ich hier die Wort von JOHNSON mit. Es sind folgende (ebd. Seite 164):
"Ja, ich glaube, man darf strenggenommen nicht einmal von einer Koinzidenz der Tast- und Gesichtsorte, nicht von einer Übereinstimmung (von Harmonie) der beiden Sinne in der Lokalisation sprechen; denn die Tastorte koinzidieren in der Tat nicht mit den Orten, die das Auge angibt, und eine Harmonie ist in der Tat auch dann noch nicht vorhanden, wenn beide Sinne sich über die Lokalisation verständigt haben. Denn der Tastsinn bestimmt die Lage eines Punktes im Tastraum nach Tastempfindungen (Bewegungsgefühlen), der Gesichtssinn im Sehraum nach Gesichtsempfindungen. Zwischen beiden Angaben ist eine Übereinstimmung ebensowenig als Widerspruch möglich, weil die Lage der Punkte nach disparaten Merkmalen bestimmt wird. Eine Harmonie findet also zwischen den beiderseitigen Ortsbestimmungen in Wirklichkeit nicht statt, sondern es tritt nur, wenn beide Sinne zusammenwirken, eine Kombination (nicht Koinzidenz) derselben ein, und zwar ist es die Gleichzeitigkeit der Empfindungenm, wonach ihre disparaten Ortsbestimmungen kombiniert werden."
Da JOHNSON hier nur die Zeitform erwähnt, so scheint es, daß die Form des Raums von den Bedingungen ausgeschlossen ist, durch welche Empfindungen kombinierbar, d. h. zu Wahrnehmungen werden, zu solchen Vorstellungen des Ich, durch welche die Beziehung auf ein Nicht-Ich gegeben wird. AUBERT ist bei der Besprechung desselben Punktes präziser, wenn er (Physiologie der Netzhaut, Seite 10)
"die Lösung der Frage" darin findet, "daß nicht unsere Empfindungen, sondern unsere Wahrnehmungen miteinander kombiniert werden." . . .
"Gesichts- und (Druck-) Empfindungsobjekte lassen sich deswegen in Bezug auf Form usw. vollständig miteinander vergleichen, aber nicht in Bezug auf Helligkeit und Schwere."
(Seite 11): "Wenn wir nun von einem Objekt sagen, es sei ein harter schwarzer Würfel, so haben wir damit zwei Empfindungen, die ansich unvereinbar sind, an ein Objekt gebunden dadurch, daß wir zwei kongruente Wahrnehmungen, die eines Würfels durch den Tastsinn und die eines Würfels durch den Gesichtssinn zugrunde gelegt haben."
LITERATUR - Wilhelm Tobias,
Grenzen der Philosophie, Berlin 1875
Anmerkungen
1)
Die Wahrheit dieser Bemerkung ist ja auch in dem alten, wenn auch etwas übertriebenen Satz der Naturkunde ausgesprochen: natura non facit saltum [Die Natur macht keine Sprünge. - wp] Wir finden dieses Prinzip in den Schriften von fast jedem erfahrenen Naturforscher anerkannt; Milne Edward hat es passend so ausgedrückt: die Natur ist verschwenderisch in Änderungen, aber geizig in Neuerungen.
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