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WILHELM LÜTGERT
Hamann und Kant

"Das Sprechen in lauter Begriffen, denen die entsprechenden anschaulichen Objekte fehlen, also in abstrakten Begriffen, das macht die Philosophen zu mystischen Schwärmern. Weit entfernt vom Boden der greifbaren Wirklichkeit irren sie in den Höhenregionen abenteuerlich anmutender Begriffe umher."

Das Verhältnis von HAMANN und KANT ist darum so interessant und für beide Männer charakteristisch, weil sie von ihrer innerlichsten geistigen Art bis hinaus in die kleinsten Äußerlichkeiten so grundverschieden sind. Das ist darum für das Verständnis beider Männer so lehrreich, sie im Verkehr miteinander zu beobachten. Die äußeren und inneren Beziehungen zwischen HAMANN und KANT hat Dr. HEINRICH WEBER in gründlicher und erschöpfender Weise durchforscht und dabei die mannigfachen schiefen Urteile über das Verhältnis der beiden Männer zu einander korrigiert. (1)

Zunächst werden die äußeren Berührungen zwischen beiden dargestellt. Freilich erfährt schon das erste Ergebnis (Seite 17: "das erste Beisammensein, das HAMANN der Erwähnung wert hielt, fand vielmehr Anfang Juli 1759 statt") eine Korrektur durch eine andere wertvolle Arbeit WEBERs, nämlich durch die Herausgabe bisher ungedruckter Briefe HAMANNs aus dem Hamann-Nachlaß FRIEDRICH ROTHs. Dieses höchst verdienstliche und für die Kenntnis HAMANNs wichtige Buch kommt indessen für einen Aufsatz in dieser Zeitschrift nur insofern in Betracht, als es neues Licht auf den Verkehr zwischen HAMANN und KANT wirft. (2) Aus den Briefen, von denen WEBER erst gehört hatte, als er seine erste Schrift bereits dem Druck übergeben hatte, geht nun hervor, daß KANT und HAMANN schon im Juli 1756 zusammentrafen (Seite 36). Ein weiteres Zusammensein wird im August gemeldet (Seite 37). Damit ist also die von WEBER zurückgewiesene Annahme GILDEMEISTERs, daß schon in den Fünfziger Jahren ein Verhältnis zwischen beiden stattgefunden habe, bestätigt.

Die erste nähere Berührung zwischen KANT und HAMANN ist gleich für beide Männer charakteristisch. Sie wird vermittelt durch den gemeinsamen Freund BERENS. Dem war die Veränderung, die mit HAMANN durch seine "Bekehrung" in London vorgegangen war, unheimlich, und KANT sollte ihm helfen, HAMANN zur Vernunft zu bringen. KANT besuchte ihn mit BERENS und versuchte, ihr "zur Mitarbeit an populärer Aufklärung zu gewinnen." Die Folge ist der Brief HAMANNs an KANT vom 27. Juli 1759 (Hamanns Schriften I, Seite 429f), in welchem das innere Verhältnis der beiden zum ersten Mal deutlich zu Worte kommt. Denselben Zweck, sich innerlich mit dem Bekehrungsversuch KANTs, vor allem freilich mit BERENS, auseinanderzusetzen, haben die "Sokratischen Denkwürdigkeiten". HAMANN schreibt darüber am 12. Oktober 1759 an LINDNER: "Ja, dies ist meines Herzens Wunsch, mti dem Magister KANT nicht paragraphenweise, sondern das Ganze, was man geschrieben und gelebt, zu überlegen, damit das Tumultartige nicht das Gute ersticke." Die Schrift wurde in den Hamburgischen Nachrichten in gehässiger Weise besprochen. Der Annahme, daß diese Rezension direkt oder indirekt auf KANT zurückgehe oder das wenigstens HAMANN dies angenommen habe, widerspricht WEBER (Seite 34). Übrigens findet sich in dieser Rezension der recht oberflächliche Vergleich HAMANNs mit JAKOB BÖHME.

In dasselbe Jahr 1759 fällt noch ein Brief HAMANNs an KANT, über dessen Plan, mit HAMANN gemeinsam eine Physik für Kinder zu schreiben. HAMANN soll offenbar für die populäre und kindliche Form sorgen. Die Absage HAMANNs liegt vor in einem Brief an KANT (Schriften I, Seite 504f) und in "der Zugabe zweier Liebesbriefe an einen Lehrer der Weltweisheit, der eine Physik für Kinder schreiben wollte". Aus dem Briefwechsel wird deutlich, daß das Zusammenarbeiten beider freilich eine innere Unmöglichkeit ist.

Ebenso deutlich tritt die Eigenart beider Männer im Briefwechsel über HERDERs "älteste Urkunde" hervor. Während KANT lediglich wissen will, ob er in einigen präzisen Sätzen HERDER richtig verstanden hat, ist es HAMANN unmöglich, der sehr bezeichnenden Bitte KANTs zu entsprechen: "Ich bitte mir Ihre Meinung in einigen Zeilen aus; aber womöglich in der Sprache der Menschen. Denn ich armer Erdensohn bin zur Göttersprache der anschauenden Vernunft gar nicht organisiert. Was man mir aus den gemeinen Begriffen nach logischer Regel vorbuchstabieren kann, das erreiche ich noch wohl." Freilich bekommt HAMANN auf seine Antwort von HERDER das Zeugnis: "Sie haben meinen Sinn und Zweck nicht bloß wohl gefaßt, sondern auch sehr gesäubert und idealisiert, daß in der Folge mir Ihre Winke auf meiner Bahn zu Hilfe kommen werden, daß ich ein reineres und sicheres Ziel nehme. ... Mich freut sehr, daß sonderlich Ihr Anfang so hell geworden; wer das nicht versteht, dem kann niemand helfen." Gleichwohl begreift man, daß KANT, der beiden ferner stand, anders urteilt. Nur über HAMANNs "Apologie des Buchstabens H" urteilte er günstiger.

Aus dem späteren Verkehr beider haben für die Biographie KANTs Interesse die Verhandlungen über den Verleger "der Kritik der reinen Vernunft" (Seite 64f). Dazu ist aus der neueren Veröffentlichung der Brief, Seite 79, an HARTKNOCH zu vergleichen. Hier findet sich auch noch ein Brief, der den unmittelbaren Eindruck der ersten Lektüre der Kritik wiedergibt (Seite 80f).

Das äußere Verhältnis beider Männer zueinander beschreibt WEBER, Seite 74, so: "Die persönliche Verbindung war in den letzten Lebensjahren des Magus recht lose; es fehlte die Gegenseitigkeit. HAMANNs Teilnahme ist nicht erkaltet. Er nahm "nicht bloß als Landmann und Patriot, sondern aus weit näheren Interesse an KANTs Autorschaft Anteil", wie er im Mai 1786 schreibt. Die Erwiderung der Anteilnahme seitens KANTs blieb aus. HAMANN ist orientier über KANTs Arbeiten, bringt ihm auch literarische Neuheiten. Die Höflichkeit der gegenseitigen Schriftenzusendung wurde auch jetzt nicht unterlassen." KANT hatte dem bedrängten HAMANN früher schon einmal zu einer Anstellung verholfen (Seite 51). Im allgemeinen aber kommt WEBER im Unterschied von GILDEMEISTER zum Resultat, daß die Freundschaft eine einseitige war. Von HAMANNs Seite war sie aufrichtig, KANT hat sie nicht wirklich erwidert (Seite 85 und 104).

Das hatte nicht nur äußerliche Gründe, sondern ergab sich aus dem innersten Wesen und Denken beider Männer. KANTs Kühle und die Vereinigung von persönlicher Freundschaft und prinzipiellen Widerspruch auf HAMANNs Seite erklärt sich völlig aus der philosophischen und religiösen Eigenart beider. Wiederholt spricht es HAMANN aus, daß KANT, je länger desto mehr, in die Eigenart aller Systematiker verfalle, alle Menschen nach ihrer Stellung zu seinem System zu beurteilen. Widerspruch und Kritik kann er nicht vertragen. In andere Menschen oder Gedankengänge sich hinein zu versetzen, ist ihm unmöglich. Darum ist er auch ein schwacher Historiker. Die Selbstverleugnung, die zur Geschichtsschreibung gehört, ist ihm unmöglich. HAMANN (3) dagegen ist nur kein Systematiker, sondern er meidet und haßt alles systematisieren. Nicht etwa aus persönlichem Unvermögen, sondern mit voller Absichtlichkeit. Sein Wirklichkeitssinn sträubt sich dagegen. Die Wirklichkeit läßt sich in kein System fassen, unser Wissen ist Stückwerk und eben darum darf es durch die Form eines Systems nicht den Schein eines Ganzen erwecken. Wir kennen und verstehen einzelnes, aber nicht alles und darum ist unser Wissen kein Ganzes. Daraus erklärt sich sein Stil. Er hat ihn selbst bald als Last empfunden, bald als Vorzug gepriesen. Er entspricht seinem Denken. Er ist aphoristisch, sprunghaft. HAMANN vermag nicht und versucht auch nicht, die logischen Bindeglieder zwischen den einzelnen Gedanken hervorzuheben, denn er ist nie durch einen Schluß vom einen zum anderen Gedanken gekommen. Jeder ist eine Beobachtung für sich und stammt nicht aus einem Schluß, sondern aus einer Wahrnehmung. Alle unsere Erkenntnisse, auch die mathematischen, bekommen wir durch die Vermittlung unserer fünf Sinne. HAMANN ist Empirist im höchsten Maße. Formell treten daher seine Gedanken als Einfälle auf, blitzartig, ohne Zusammenhang untereinander. Für ihn selbst sind sie Inspirationen, göttliche Eingebungen, denn die Wirklichkeit, aus der er sie intuitiv schöpft, ist ihm eine Offenbarung Gottes. Er liebt daher die Divination (UNGER, Seite 117) und das Denken aus dem Ganzen, die Intuition im Gegensatz zur Induktion (UNGER Seite 95). Wer KANT kennt, begreift, daß er für ihn ein Schwärmer sein mußte. "Zum guten Teil auf HAMANN zielen die Reflexionen über die Schwärmer, wie schon BENNO ERDMANN gezeigt hat" (Seite 98, 112, 169f). KANT stellt ihn neben JAKOB BÖHME und SWEDENBORG. Beides freilich schon äußerlich mit Unrecht. Von JAKOB BÖHME hat HAMANN nur wenig gewußt. Über SWEDENBORG, dessen Werke er sich übrigens von KANT geliehen hatte, urteilt er recht scharf (WEBER, Seite 270f). Eine innerliche Berührung mit JAKOB BÖHME läßt sich nur an einem Punkt erkennen, nämlich in dem von HAMANN so hoch gestellten principium coincidentiae oppositorum [Prinzip der Aufhebung aller Gegensätze - wp]. Dieses spielt freilich nicht in der Logik, aber in der Willenslehre BÖHMEs eine große Rolle. Und es ist möglich, daß hier Zusammenhänge bestehen, die HAMANN selbst nicht zu Bewußtsein gekommen sind. Jedenfalls ist es jedem, der KANT kennt, klar, daß ihn HAMANNs Schwärmerei für Widersprüche ein Greuel sein mußte. Dieser Zug gehört zu HAMANNs Wirklichkeitssinn. Er dachte in dieser Beziehung über seine eigene Gednakenwelt ganz wie GOETHE: "Die Welt ist voller Widerspruch und sollte sichs nicht widersprechen." Wenn KANT ihn auch im religiösen Sinne einen Schwärmer nennt, so ist das jedenfalls ungerecht; denn wenn man nicht alle ernsthafte Theologie als Schwärmerei beurteilt, sondern unter religiöser Schwärmerei den Versuch versteht, den Standpunkt des Glaubens durch eine innere mystische Erfahrung zu überbieten, so war HAMANN jedenfalls kein Schwärmer (WEBER, Seite 174), sondern teilte in dieser Beziehung das Urteil LUTHERs über die Schwärmer.

Es ist begreiflich, daß KANT durch kein Urteil HAMANNs mehr verstimmt wurde, als dadurch, daß er ihm gerade Mystik vorwarf, denn von nichts fühlte sich KANT weiter entfernt (WEBER, Seite 70 und 214). HAMANN begründet den Vorwurf so: "das Sprechen in lauter Begriffen, denen die entsprechenden anschaulichen Objekte fehlen, also in abstrakten Begriffen, das macht die Philosophen zu mystischen Schwärmern. Weit entfernt vom Boden der greifbaren Wirklichkeit irren sie in den Höhenregionen abenteuerlich anmutender Begriffe umher." Seinem "naiven Realismus" war KANTs transzendentaler Idealismus Mystik.

Im ganzen jedoch hatte HAMANN für KANT persönlich ein weit größeres Verständnis, als KANT für ihn. Freilich spricht er in seinen Briefen an KANT gelegentlich mit einem Selbstbewußtsein, daß mit KANTs nicht geringem Selbstbewußtsein kräftig zusammenstieß. Allein man muß ihn kennen, um das zu verstehen. Selbstbewußtsein und Demut vereinigte er wie in seiner Theorie, so in seiner persönlichen Haltung in eigentümlicher Weise miteinander. Er spricht das sehr deutlich in seinem Brief an KANT I, Seite 504f, aus. Ebensowenig darf man, wie mir in Übereinstimmung mit WEBER scheint, seine Urteile über KANT als ironisch und darum als nicht ernst gemeint ansehen, wie das der Herausgeber dieser Zeitschrift getan hat. Man muß HAMANNs Humor kennen, den er auch gegen sich selbst wendet, wenn man seine Urteile verstehen will. Er hat die Bitterkeit und Empfindlichkeit HERDERs KANT gegenüber nicht gebilligt, sondern zu mildern versucht und hat HERDER gegenüber das relative Recht KANTs vertreten.

Trotz alledem ist natürlich die innere Differenz zwischen HAMANN und KANT groß und zwar umso größer, als sie religiös begründet ist. In welchem Maße HAMANNs gesamte Gedankenwelt in seiner Bekehrungsgeschichte begründet ist, hat besonders UNGER treffend hervorgehoben. (4) HAMANN ist in dieser Beziehung durchaus mit PAULUS, AUGUSTIN und LUTHER zu vergleichen. Auch seine erkenntnistheoretischen Bedenken gegen KANTs Kritik sind religiöse begründet. Die grundsätzliche Ausscheidung des Gottesgedankens aus der Naturforschung und Philosophie, die KANT vollzog, widersprach dem Gottesbewußtsein HAMANNs aufs schärfste, denn für ihr sind Natur und Geschichte durchsichtige, symbolische Darstellungen des göttlichen Willens. Freilich fühlte er sich dem Kritizismus KANTs insofern verwandt, als er, wie KANT von HUME ausging. KANT ist ihm der "preussische Hume". Allein der Anschluß an HUME hat doch bei beiden einen sehr verschiedenen Grund. HAMANN steht wie KANT der Vernunft kritisch gegenüber, allein seine skeptischen Urteile über den Wert der menschlichen Vernunft haben einen ganz anderen Sinn als KANTs Kritik. Sie schließen sich an LUTHERs bekannte Urteile und über ihn zurück an das Urteil des PAULUS an. Für ihn ist seine radikale Skepsis, verbunden mit seiner sensualistischen Erkenntnistheorie, ganz ähnlich wie für PASCAL, lediglich die Voraussetzung seiner Glaubensphilosophie. Dagegen ist Glaube für ihn eine Erkenntnis, die über die der Vernunft gesetzten Schranken hinausgreift, eben weil alle Erfahrung für ihn den Charakter der Offenbarung trägt, d. h. Kenntnis des jenseitigen Gottes vermittelt (WEBER, Seite 185f). Mit diesem positiven Urteil schied er sich natürlich von KANTs Kritik.

Ebenso fühlte er sich in der Ethik von KANT geschieden. Denn KANTs Lehre vom radikalen Bösen ist ja etwas ganz anderes, als der von den Reformatoren stammende moralische Pessimismus HAMANNs (Seite 123f). In dem Schluß: "Du kannst, denn du sollst" liegt für HAMANN ein Optimismus, der durch die Erfahrung widerlegt wird.

Am eigentümlichsten sind die  positiven  Sätze, die HAMANN der Kritik der reinen Vernunft entgegenstellt. Freilich ist ihm ja manches Mißverständnis unterlaufen (WEBER, Seite 223f). Schon den Ausdruck "reine" Vernunft mißverstand er; indem er ihn neben den anderen Ausdruck "guter Wille" stellt, bemerkt man, was übrigens auch aus seiner Polemik hervorgeht, daß er in diesem Ausdruck eine Verneinung des reformatorischen Gedankens sah, daß die Vernunft verderbt und damit zur Erkenntnis Gottes unfähig sei. Ebensowenig ist ihm der Unterschied KANTs vom Rationalismus klar geworden. Den Apriorismus KANTs mißverstand er völlig, indem erihn dahin deutete, daß der Mensch aus sich heraus, ex vi formae [ohne das bloß formale - wp] der Vernunft, ohne Erfahrung, d. h. also in HAMANNs Ausdrucksweise übersetzt, "ohne Offenbarung" etwas erkennen könne (UNGER, Seite 101). Gleichwohl enthält seine Kritik KANTs bedeutsame Gedanken. Sie steht in Zusammenhang mit seiner Theorie der Sprache, die UNGER ausführlich und gründlich aus dem Zusammenhang der Weltanschauung HAMANNs erklärt und in ihren geschichtlichen Zusammenhängen und Wirkungen dargestellt hat. Er hat dabei die Gefahr der Freunde HAMANNs, unter allen Umständen System und Einheit in die Gedankenwelt HAMANNs zu bringen, sorgfältig und zuweilen eher etwas zu ängstlich vermieden.

HAMANN protestiert zunächst gegen den Kantischen Dualismus von Sinnlichkeit und Verstand. Beide sind geeinigt in der Sprache. Das Wort ist die Einheit von Anschauung und Begriff. Vernunft ist Sprache. das ist sein immerwiederkehrender Grundsatz. Er hat als der erste in Deutschland (UNGER, Seite 214) jedenfalls das Verdienst, über das Verhältnis von Sprechen und Denken nachgedacht und darauf hingewiesen zu haben, daß eine Lehre von der Vernunft ohne eine Theorie der Sprache eine Unmöglichkeit ist. Auf der Sprache beruth für ihn nicht nur die Möglichkeit des Denkens, sondern auch die Probleme, die unvermeidlichen Täuschungen, die die Kritik der reinen Vernunft als solche erkennen lehren wollte, beruhen auf den Hypostasierungen [einem Gedanken gegenständliche Realität unterschieben - wp] und Personifikationen, die besonders durch den Gebrauch des Substantivs in die Sprache kommen: Kritik der reinen Vernunft ist Kritik der Sprache. Daß das ein fruchtbarer Gedanke war, ist nicht zu bezweifeln, wenn man auch vielleicht WEBERs Urteil nicht teilt. "HAMANN hat die Entwicklung antizipiert, die von der Transzendentalphilosophie und ihrer aprioristischen Erkenntnislehre hinweg zur psychologischen Lösung des Erkenntnisproblems hindrängte."

Zum Schluß möchte ich nur bemerken, daß nicht nur die allgemeinen religiösen Grundgedanken HAMANNs ihre Wurzel bei LUTHER haben, sondern daß auch einige seiner speziellen Ideen daraufhin untersucht werden mußten, ob und inwieweit sie von LUTHER stammen.

Daß wir Vernunft nur in Form der Sprache haben, entspricht und entspringt vielleicht auch dem Grundsatz LUTHERs, daß wir den Geist nur im Wort haben. Auf LUTHER weist auch der Begriff der communicatio idiomatum [Austausch der Eigenschaften - wp] des Göttlichen und Menschlichen (UNGER, Seite 237) und der Wert, den HAMANN diesem Grundgesetz beilegt, hin, ebenso der Ausdruck, daß die Einheit von Sinnlichem und Begrifflichem im Wort eine sakramentale sei. Vielleicht lohnt es sich, zu untersuchen, inwieweit HAMANN von LUTHER gelernt hat.

Doch das gehört nicht hierher. Für uns handelt es sich nur um sein Verhältnis zu KANT.
LITERATUR - Wilhelm Lütgert, Hamann und Kant, Kant-Studien, Bd. 11, Berlin 1906
    Anmerkungen
    1) Vgl. zum folgenden Aufsatz: HEINRICH WEBER, Hamann und Kant, München 1904. - Derselbe, Neue Hammania, München 1905. - R. UNGER, Hamanns Sprachtheorie im Zusammenhang seines Denkens, München 1905
    2) Neue Notizen über KANT, die besonders auch die Prolegomena betreffen, sind Seite 129 - 135 zusammengestellt.
    3) Eine präzise plastische Charakteristik HAMANNs und seines Denkens von seinem Stil aus gibt UNGER, Seite 24 - 44. Zuweilen scheint mir, wird er in dem berechtigten Bestreben, die kritiklose Begeisterung der Anhänger HAMANNs zu korrigieren, ihm doch nicht ganz gerecht.
    4) Doch ist UNGER - begreiflicherweise - von den theologischen Autoritäten, die er bei seiner umfassenden Literaturbenutzung ebenfalls reichlich herangezogen hat, zuweilen zu abhängig. Ich kann deshalb nicht alle seine Urteile teilen.