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(1758 - 1828) Das menschliche Erkenntnisvermögen
Einleitung Das sondernbare, von HUME auf KANT vererbte, Stillschweigen von der Sprache hat sich auch wieder von KANT auf jeden anderen philosophierenden Deutschen vererbt, welcher seitdem eine neuere Ansicht vom menschlichen Erkenntnisvermögen aufgestellt hat. Es hat dasselbe bei allen, durch den Kritizismus mittelbar und unmittelbar herbeigeführten, Verhandlungen über die Möglichkeit der Philosophie als Wissenschaft, und bei der Begründung, und Darstellung der mannigfaltigen neuen Ansichten vom Wesen dieser Wissenschafft, - wenn man einen Wink ausnimmt, den HERDER, in seiner Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft, hierüber gegeben hat, selber aber nur sehr wenig benutzt hat (1), - ununterbrochen und ungerügt, bis auf den heutigen Tag fortgedauert. Wenn gleichwohl einige unserer philosophischen Schriftsteller, welche an jenen Verhandlungen unmittelbaren Anteil genommen und eigene neue Lehrgebäude der Philosophie aufgestellt haben, auch ihre Meinungen von der Sprache öffentlich äußerten: so geschah dies weder zum Zweck jener Verhandlungen, noch bei der Begründung und Darstellung ihrer Lehrgebäude, sondern bei anderen Veranlassungen. Auch geschah es immer nur durch solche Begriffe von der Sprache, in welchen dieselbe lediglich als Mittel um die, auch schon ohne sie vorhandenen, Gedanken entweder im Bewußtsein festzuhalten und im Gedächtnis aufzubewahren, oder nur um die Gedanken leichter aufzufassen und miteinander zu vergleichen, oder gar nur um sie anderen mitzuteilen, - oder, aufs höchste, als in all diesen Rücksichten zusammen erforderlich, angesehen, - keineswegs aber als unentbehrlich zur ursprünglichen Erzeugung, und Entwicklung aller Begriffe, keineswegs als grundwesentliche Bedingung alles denkenden Vorstellens, und als innerlicher Bestandteil des menschlichen Erkenntnisvermögens selber, anerkannt und dargestellt wird. Und dennoch ist es unleugbar die Sprache, und nur sie, wodurch der, dem menschlichen Erkenntnisvermögen eigene, und wesentliche, Zusammenhang zwischen der Sinnlichkeit und dem Denkvermögen im Menschen zunächst vermittelt wird. Die Sprache gehört diesen beiden Vermögen an, indem sie dem einen das an ihr Sinnenfällige, das Hörbare der artikulierten Laute und das Sichtbare der Schriftzeichen, dem andern aber was durch ihr Sinnenfälliges nur bezeichnet wird, die Begriffe welche die einzelnen Wörter, die Urteile welche durch einzelne Sätze, und die Schlüsse welche durch verbundene Sätze ausgesprochen werden, verdankt. Aber sie verdankt der Sinnlichkeit nicht etwa nur die materiellen Wörter, durch welche alle unsere Gedanken, alle unsere Begriffe, Urteile und Schlüsse ohne Ausnahme begleitet sind, sondern auch insbesondere bei denjenigen Wörter, durch welche die der äußeren Erfahrung eigentümlich angehörigen Begriffe bezeichnet werden, alle die mannigfaltigen und unentbehrlichen Bilder, welche diesen Wörter unzertrennlich beigesellt sind, sämtlich aus den Wahrnehmungen der fünf Sinne durch die Einbildungskraft geschöpft sind, und zwar lediglich aus diesen Wahrnehmungen geschöpft sein müssen; wenn sie nicht etwa leere Einbildungen (Phantome) sein sollen. - Und sind denn auch wohl die uneigentlichen, die nur entlehnten Bilder, die Metaphern, mit denen sich die Sprache beim Ausdruck derjenigen Begriffe, welche der inneren Erfahrung eigentümlich angehören, (der Begriffe von den Zuständen und Vermögen des Gemüts) behilft und behelfen muß, - ja! sogar auch die Metaphern, von denen sich selbst die Kunst- und Schulsprachen der reinen Logik, und der Metaphysik, beim Ausdruck des angeblich reinen Denkens, und des übersinnlichen Denkbaren, oder angeblich Anschaubaren, nichts weniger als rein zu halten vermögen, - ursprünglich, und zuletzt, anderswoher entlehnt, als eben von den eigentümlichen und ursprünglichen Bildern, welche die Einbildungskraft den sinnenfälligen Gegenständen der äußeren Erfahrung abgewonnen hat? - Gleichwie aber die Sinnlichkeit an dem, was unser Denkvermögen der Sprache zu verdanken hat, wesentlichen Anteil hat; so hat auch wieder das Denkvermögen an allem, was die Sprache der Sinnlichkeit zu verdanken hat, wesentlichen Anteil. Schon die Artikulation der Stimmlaute, ohne welche dieselben nicht einmal materielle Wörter wären, und welche der menschlichen Sprache nur sehr unvollkommen durch einige Vogelgattungen nachgeahmt wird, würde das uns zuteil gewordene Denkvermögen, sich auch bei uns nicht eingefunden haben. Auch würden die durch die Einbildungskraft erworbenen Bilder mit den ihnen beigesellten materiellen Wörter zusammengenommen, ohne die besondere Mitwirkung des Denkvermögens in uns, ebensowenig Begriffe sein, als sie es in den, von uns auf Wörter abgerichteten, Tieren sind. Wie käme vollends die Sprache zu ihren Metaphern? wie zum Besitz der uneigentlichen, von den eigentlichen der äußeren Erfahrung, abgeborgten Bilder? Wie käme die Phantasie selber zu diesem Abborgen, ohne die besondere, und unmittelbare Leitung durch das Denkvermögen? Offenbar ist also das Denkvermögen, die Sprache und die Sinnlichkeit in uns nicht nur überhaupt unzertrennlich, sondern auch das Denkvermögen hängt mit der Sinnlichkeit, und diese mit jenem, zunächst durch die Sprache zusammen; und beiden machen nur in ihrem durch die Sprache vermittelten Zusammenhang, und durch denselben, das dem Menschen eigentümliche Erkenntnisvermögen aus. Wir würden eben darum weder von einer Sinnlichkeit, die ohne Sprache und Denkvermögen stattfinden kann, und wirklich stattfindet; noch auch von einem Denkvermögen, das ohne Sprache und Sinnlichkeit stattfinden muß, Begriffe haben können: wenn sich uns nicht eine solche Sinnlichkeit an den Tieren, und selbst am Menschen in siner ersten Kindheit, durch unwidersprechliche Erfahrung zu erkennen gäbe; und wenn uns nicht die, durch das Gewissen beglaubigte, nur der verwilderten Rohheit fremde, und nur in der streitigen Metaphysik streitige, Idee von Gott nötigte, am Urwesen, unter welchem, und durch welches die Natur, als das Wesen der Dinge besteht, und der Wandel ihrer Erscheinungen wechselt, ein Denkvermögen vorauszusetzen, das keines Dienstes durch Sprache und Sinnlichkeit fähig und bedürftig ist. Durch dasselbe Zeugnis der Erfahrung, wodurch sich eine in der beschriebenen Bedeutung reine Sinnlichkeit ankündigt, weiß man aber auch, daß diese Sinnlichkeit im Menschen mit dem Unvermögen der ersten Kindheit aufhört, und daß, mit dem Eintreten der Sprache, und des sich derselben bedienenden Denkvermögens, auch die Sinnlichkeit im Menschen als die zum Dienst der Sprache, und durch diese des Denkvermögens, besonders eingerichtete, und insofern menschliche Sinnlichkeit hervortritt. Auch wird durch dasselbe Zeugnis des Gewissens, wodurch das, in der beschriebenen Bedeutung, reine Denkvermögen dem Urwesen zuerkannt wird, dieses Denkvermögen de Menschen abgesprochen. - Denn, indem der Gewissenhafte mit der Stimme seines Gewissens zugleich auch die Gottes vernimmt, indem er das Pflichtgebot für die Forderung des denkenden Urwesens an das Tun und Lassen des denkenden Einzelwesens erkennt: ist es ihm dabei unmöglich, sein menschliches Denken, - wodurch er sich in der äußeren Erfahrung nur auf das Sinnenfällige versteht, sein Denken, das er in der inneren Erfahrung nur durch sein inneres Sprechen mit sich selber, und als dieses Sprechen gewahr wird, und das er im Gewissen, zugleich mit seinem Wollen, dem Göttlichen unterordnet, - mit dem Göttlichen zu vermengen und zu verwechseln. Indem er aber auch ebensowenig die wesentliche Verwandtschaft, die zwischen seinem menschlichen Denken, insofern dieses kein eingebildetes und nur scheinbares, sondern ein wahres Denken sein soll, und im Göttlichen stattfinden muß, bezweifeln kann: ist es ihm gleich unmöglich, sowohl beide in ihrem Unterschied von einander zu trennen, als auch beide in ihrem Zusammenhang mit einander zur vereinigen. Aber ohnedie ausdrückliche Anerkennung der Sprache, als der wesentlichen Eigentümlichkeit des menschlichen Denkvermögens, und vor dieser Anerkennung, vermag die philosophierende Vernunft üner die beschriebene, dem Glauben des Gewissens wesentliche Ansicht keineswegs mit sich selber einig zu werden; muß Ihr der Unterschid und Zusammenhang zwischen dem göttlichen und dem menschlichen Denken ein Rätsel sein, welches sie entweder als ein unerforschliches Geheimnis von der Hand weist, oder nach langwierigen und vergeblichen Versuchen es aufzulösen, den Knoten zerhauend, durch die Behauptung einer sogenannten Einheit des Göttlichen und des Menschlichen abfertigt, welche mit dem Unterschied notwendig auch den Zusammenhang von beiden aufhebt. - Die philosophierende Vernunft muß sich selber, zugleich mit dem Wesen des menschlichen Erkenntnisvermögens, unvermeidlich durch jede Untersuchung desselben verkennen, welche mit absichtlichen, oder unabsichtlichen Wegsehen von der, den Zusammenhang der Sinnlichkeit und des Denkvermögens vermittelnden, Sprache, mit ignorierendem Stillschweigen von dieser Vermittlung, mit Nichtkennen und Verkennen dieses Hauptmoments behaftet und befangen ist. Denn bei jeder solchen Untersuchung muß sich unabwendbar der Schein eines unmittelbaren Unterschiedes und Zusammenhanges zwischen der Sinnlichkeit, und dem Denkvermögen, einfinden, und der Wahn einer, ohne die Dazwischenkunft der Sprache möglichen und wirklichen, wortlosen, und daher auch begrifflosen, innerlichen Wahrnehmung von beiden, und die Einbildung unmittelbarer Vorstellungen, Anschauungen und Beobachtungen der Gemütszustände, welche gleichwohl ohne durch die Sprache vermittelt zu sein, nicht einmal vorhanden sein, und ohne benannt zu sein auf keine Weise bekannt sein könnten. Nur auf dem Weg dieser, der Erkenntnis der Vermittlung durch die Sprache zuvorkommenden, und insofern nicht nur vorläufigen, sondern auch wohl voreiligen, Erforschung des menschlichen Erkenntnisvermögens ist, nach so mancherlei dogmatischen, skeptischen, empirischen, rationalistischen, und eklektischen, jenes Hauptmoment entweder nicht als Hauptmoment erkennenden und behandelnden, oder auch gar nicht berührenden Versuchen über den menschnlichen Verstand, endlich KANTs Kritik aufgetreten; und hat die Erfindung einer Sinnlichkeit und eines Denkvermögens geltend gemacht, welche in ganz anderen, und den oben beschriebenen entgegengesetzten Bedeutungen, die Reinen genannt werden, eben nur allein dem Menschen eigentümlich zukommen, unter dem Rang und Charakter der, der Möglichkeit der Erfahrung im Erkenntnisvermögen, a priori zugrunde liegenden (transzendentalen) Vermögen vorausgesetzt werden, und in ihrem Unterschied und Zusammenhang sowohl miteinander, als auch mit dem Empfindungsvermögen, (als der empirischen Sinnlichkeit), die ergründete Eigentümlichkeit des menschlichen Erkenntnisvermögens ausmachen sollen. Während die Anhänger und Verteidiger der kantisch-kritischen Lehre vom Erkenntnisvermögen nie aufgehört haben, sich untereinander selber das Verstehen dieser Lehre streitig zu machen, sind auf Veranlassung derselben, und mit demselben Grundfehler behaftet, zwei sehr verschiedene Hauptklassen neuerer Ansichten hervorgetreten, von denen die eine von unmittelbar wahrgenommenen, als wahr und gewiß angenommenen, Tatsachen des Bewußtseins ausgeht, und über dieser, sich sehr verschiedentlich aussprechenden, Grundlage auch sehr verschiedene Lehrgebäude vom Erkenntnisvermögen aufstellt, - die andere aber die einschränkenden Bestimmungen, durch welche im Kritizismus die menschliche Selbsttätigkeit, teils als die Spontaneität des Denkvermögens, teils als die praktische Vernunft sich zu behaupten begnügte, aufhebend, - vom Gefühl der Selbstheit zum Anschauen der Absolutheit, und vom Voraussetzen zum Schlechthin-Setzen übergehend, das Erforschen des, auf dem bisher eingeschlagenen Weg allerdings unerforschlichen, Erkenntnisvermögens aufgegeben hat, um dasselbe aus der Anschauung der absoluten Selbstätigkeit zu deduzieren, und durch diese Anschauung zu konstruieren. Da aber die Deduktionen und Konstruktionen der Seher des Absoluten nicht weniger voneinander im Wesentlich abweichen, als die Expositionen und Explikationen der Beobachter des Bewußtseins, und da bei dem, nichts weniger dann wortlosen, Aufstellen und Darstellen der angeblich unmittelbaren, durch Wörter und Begriffe unvermittelten Tatsachen des Bewußtseins, und Tathandlungen der Selbsttätigkeit, - der Anteil der Sprache an der menschlichen, und daher auch an der philosophischen Erkenntnis mit Stillschweigen übergangen, gleichwohl aber auch die Unwesentlichkeit dieses Anteils noch keineswegs erwiesen, sondern vielmehr, aufs wenigste, unwahrscheinlich ist; so dürfte es nicht so ganz unmöglich, oder auch nur unwahrscheinlich sein: daß bei den gesagten Tatsachen und Tathandlungen die menschliche Phantasie und Willkür ungleich mehr tätig gewesen ist, als das menschliche, aber in seiner wesentlichen Abhängigkeit von der Sprache verkannte, Denkvermögen; - und eine neue, diese Abhängigkeit ausdrücklich berücksichtigende, und genauer erwägende Untersuchung des menschlichen Erkenntnisvermögens dürfte gegenwärtig weder zu früh noch zu spät kommen. In der Absicht eine solche Untersuchung des Erkenntnisvermögens, die, wenn das Bedürfnis derselben durch die Zeit reif geworden ist, zwar durch einen einzelnen Forscher veranlaßt, aber keineswegs zustande gebracht werden kann, zu veranlassen, und zugleich etwas dazu beizutragen, ist der gegenwärtige Versuch unternommen, der, weil er vom Standpunkt des erst noch zu erforschenden Zusammenhangs der Sinnlichkeit und des Denkvermögens durch die Sprache auszugehen hat, - das Erkenntnisvermögen ebensowenig definieren, und demonstrieren, als deduzieren und konstruieren, sondern nur nach der, auf dem besagten Standpunkt gewonnenen, Ansicht des Verfassens beschreiben kann. Der Versuch beginnt mit der Beschreibung der wort- und begrifflosen Sinnlichkeit, welche freilich im Menschen nicht wort- und begrifflos bleibt, aber nichtsdestoweniger auch, in ihrem Zusammenhang mit der Sprache und dem Denkvermögen, nicht aufhören kann Sinnlichkeit zu sein, und als solche weder sprechen noch denken kann; aber, eben in ihrer Ungetrenntheit, und Untrennbarkeit von der Sprache und dem Denkvermögen, nur zu leicht und zu gewöhnlich bei den Untersuchungen des Erkenntnisvermögens durch ein unbemerktes und bewußtloses Vermengen ihrer Eigentümlichkeiten mit Eigentümlichkeiten der Sprache und des Denkvermögens verkannt werden kann und muß; wenn nicht die ausdrückliche, und als solche deutliche, Unterscheidung des Eigentümlichen der Sinnlichkeit der Untersuchung des Erkenntnisvermögens vorhergeht, und dieselbe begleitet. Die Beschreibung der Eigentümlichkeit des Denkvermögens, im neunten Hauptstück, unterscheidet hierauf das denkende Vorstellen sowohl vom sinnlichen Vorstellen, als auch von demjenigen Denken, welches durchaus kein Vorstellen sein und heißen kann, weder eines Bedingtseins, noch eines Bedientwerdens durch die Sprache und durch die Sinnlichkeit fähig und bedürftig ist, und welches hier nur insofern beschrieben wird, als es zum Zweck der Unterscheidung vom denkenden Vorstellen erforderlich ist. Im zehnten Hauptstück wird hierauf das denkenden Vorstellen, als das menschliche Denken, nach den besonderen Eigentümlichkeiten desselben in der Erfahrung, im Gewissen, und im Streben nach philosophischem Wissen beschrieben; und die bei diesem Streben auffallende Mißhelligkeit der Wahrheitsforscher über den Grund und die Beschaffenheit der Überzeugung des Gewissens und der Erfahrung, und über das Wesen des philosophischen Wissens, in Erwägung gezogen; insofern diese Mißhelligkeit auf ein geheimes, und wahrscheinlich allgemeines, Mißverständnis über die wahre Eigentümlichkeit des menschlichen Erkenntnisvermögens, und insbesondere auf das noch unbefriedigte Bedürfnis der Erforschung des Verhältnisses der Sprache zum Denkvermögen hinweist. Das elfte Hauptstück beschreibt die Eigentümlichkeit der Sprache, als wesentlicher Bedingung des denkenden Vorstellens; und zeigt, daß und warum und inwiefern die Wortsprache nicht etwa zur Auffassung, Festhaltung und Mitteilung, sondern auch zur ursprünglichen Erzeugung, und Entwicklung der Begriffe, diese mögen dem Verstand, oder der Vernunft angehören, und in der Erfahrung, im Gewissen, oder im Philosophieren stattfinden, durchaus unentbehrlich ist. Die drei folgenden Hauptstücke handeln von den besonderen Eigentümlichkeiten des durch die Sprache bedingten Denkens, und des Sprachgebrauchs; - und zwar das Zwölfte von den Begriffen, welche der äußeren Erfahrung angehören, und vom Sprachgebrauch in den sogenannten exakten Wissenschaften, - das dreizehnte von den Begriffen, welche der inneren Erfahrung angehören, und vom Sprachgebrauch in der Erfahrungsseelenlehre, das vierzehnte von den, von aller Erfahrung wirklich oder angeblich unabhängigen, - sogenannten reinen Begriffe, und dem Sprachgebrauch in der Logik und Metaphysik. Das fünfzehnte beschreibt die Eigentümlichkeit der, durch die Gleichnamigkeit der Begriffe, und durch die Vieldeutigkeit der Wörter entstehenden und bestehenden, dialektischen Blendwerke, welche in jeder, der Erkenntnis des Verhältnisses der Sprache zum Denkvermögen vorhergehenden Philosophie unvermeidlich sind, in derselben teils nur einen sich durch bloße Herkömmlichkeit und Gemeinüblichkeit, unverändert erhaltenden, teils einen sich unaufhörlich verändernden, streitenden und streitigen Sprachgebrauch aufkommen lassen, und durch den Einen das Allgemeingelten der bisherigen Logik, durch den Andern den Wechsel und die Spaltungen der bisherigen Metaphysik begründen. Einige der hauptsächlichsten, in der Sprache und Denkart der Logik und der Metaphysik einheimischen, und herrschenden Blendwerke werden im sechzehnten Hauptstück aufgewiesen und aufgelöst; und dadurch der Grund zu einer Dialektik gelegt, welche das, von der bisherigen Doppelsinnigkeit seines Ausdrucks befreite, reindenkende Vorstellen, welches, als solches, der wirklich reinen Logik, und der unstreitigen Metaphysik gemeinschaftlich sein muß, aufzustellen hat. Das Wichtigste und Verderblichste aller dialektischen Blendwerke ist die unbestimmte, doppelsinnige und täuschende Bedeutung der Wörter: Wahrheit und Gewißheit, welche durch die herkömmlichen Unterscheidungen und Prädikate der logischen und metaphysischen, formalen und materialen, idealen und realen subjektiven und objektiven, empirischen und reinen, relativen und absoluten Wahrheit und Gewißheit, keineswegs aufgehoben, wohl aber stillschweigend vorausgesetzt, und im Verborgenen wohlbehalten aufbewahrt wird, und vor deren Entdeckung und Berichtigung die ausdrückliche Unterscheidung und wörtliche Darstellung der gewissen Wahrheit, und wahren Gewißheit, in ihrem Unterschied von der Wahrscheinlichkeit, sowohl als auch vom täuschenden Schein, welche allein die erste Aufgabe der Philosophie, als Wissenschaft, sein muß, unmöglich ist und bleibt. Die erwähnten Winke der Metakritik sind dem Verfasser des gegenwärtigen Versuches erst bei der Ausarbeitung desselben, und durch diese, eigentlich deutlich geworden, und sie werden hier auch selbst denjenigen Lesern, denen sie nicht unbekannt sind, nicht unwillkommen sein. "Die menschliche Seele" (heißt es: Metakritik, Teil 1, Seite 8f) "denkt mit Worten; sie äußert nicht nur, sondern sie bezeichnet sich selbst auch, und ordnet ihre Gedanken mittels der Sprache. Sprache, sagt LEIBNIZ ist der Spiegel des menschlichen Verstandes, und, wie man kühn hinzusetzen darf, ein Fundbuch seiner Begriffe; ein nicht nur gewohntes, sondern unentbehrliches Werkzeug seiner Vernunft. Mittels der Sprache lernten wir denken; durch sie sondern wir Begriffe ab; und knüpfen sie haufenweise ineinander. In Sachen der reinen oder unreinen, Vernunft also muß dieser alte, allgemeingültige und notwendige Zeuge abgehört werden; und nie dürfen wir uns,wenn von einem Begriff die Rede ist, seines Herolds und Stellvertreters, des ihn bezeichnenden Wortes schämen. Oft zeigt uns dieses: wie wir zum Begriff gelangt sind, was er bedeutet, woran es ihm fehlt. Konstruiert der Mathematiker seine Begriffe durch Linien, Zahlen, Buchstaben und andere Zeichen; obgleich er weiß, daß er keinen mathematischen Punkt machen, keine mathematische Linie ziehen könnte, und eine Reihe anderer Charaktere von ihm gar willkürlich angenommen sind; - wie sollte der Vernunftrichter das Mittel übersehen, durch welches die Vernunft eben ihr Werk hervorbringt, festhält, vollendet? Ein großer Teil der Mißverständnisse, Widersprüche, und Ungereimtheiten also, die man der Vernunft zuschreibt, wird wahrscheinlich nicht an ihr, sondern am mangelhaften, und schlechtgebrauchten Werkzeug der Sprache liegen; wie das Wort Widersprüche selbst sagt." - "Dem großen Sprachkenner, Sprachenforscher, Sprachenvergleicher (LEIBNIZ) war, wie hundert seiner Bemühungen zeigen, die Bezeichnung unserer Begriffe in ihren Ableitungen sowohl, als Komplikationen, die letzte und höchste Philosophie. Auch dem weisen LOCKE, wie seine Nation ihn ehrenhaft nennt, war das Organon unserer Vernunft, die Sprache, nicht gleichgültig. Nicht nur das dritte Buch seines, bescheiden sogenannten Versuches den menschlichen Verstand betreffend handelt von der Natur, dem Gebrauch, der Bedeutsamkeit der Worte; sondern er bekennt selsbt das Mangelhafte seines Versuchs auch deshalb, daß er zu spät an dieses unentbehrliche Mittel der menschlichen Erkenntnisse gedacht habe. "Als ich diesen Diskurs über den menschlichen Verstand begann, und eine gute Weile nachher, kam mir nicht der mindeste Gedanke, daß Worte in Betracht zu ziehen dabei irgendwie nötig wäre. Sobald ich aber die einfachen und zusammengesetzten Ideen unseres Verstandes durchwandelt hatte, und den Umfang sowohl, als die Gewißheit unserer Erkenntnisse zu untersuchen anfing; fand ich eine so nahe Verbindung zwischen Erkenntnissen und Worten, daß, falls man nicht zuvor die Kraft und Bedeutungsart der Worte wohl bemerkte, über menschliche Erkenntnis äußerst Weniges klar, und gehörig gesagt werden kann. Zwar geht dies auf Dinge hinaus; größtenteils aber geschieht es so sehr durch Worte, daß von unserem allgemeinen Begriff Worte kaum trennbar scheinen." So LOCKE; und ein scharfsehender Sprachforsch seiner Nation (HORNE TOOKE, A grammatical Essay or a Treatis on Words or Language) hat sogar den Gedanken geäußert: daß der Philosoph seinen Versuch über den menschlichen Verstand, lieber einen grammatischen Versuch, einen Traktat über Worte, hätte nennen mögen. - Im Schreiben an die Leser der fünften Ausgabe sagt LOCKE: "Schwankende und bedeutungslose Formeln des Ausdrucks" (doppelsinnige und leere Wörter und Redensarten) "und Mißbrauch der Sprache haben so lange für Geheimnisse der Wissenschaften gegolten; und schwere, und übelangewendete Wörter, mit so wenig, oder gemeiner (low meaning) Bedeutung, haben so sehr das Vorurteil tiefer Gelehrsamkeit und erhabener Spekulation für sich, daß man Mühe hat, sie für das anzuerkennen, was sie sind: Hüllen der Unwissenheit, und Hindernisse der wahren Erkenntnis. Die Bestürmung dieses Heiligtums der Eitelkeit und der Unwissenheit dürfte wohl dem menschlichen Verstand zu einigem Vorteil gereichen." - "Nach dem Urteil des ARISTOTELES, sagt SKALIGER, war die Grammatik nicht nur, was kein Gesunder leugnen wird, ein Teil der Philosophie, sondern sie selbst (die Philosophie) hielt er von der Grammatik untrennbar. Er, ARISTOTELES, bessert oft, oft untersucht und erklärt er Ausdrücke, oft schafft er solche. In einem fortgehenden Kommentar war er beflissen, die mancherlei Arten der Bedeutung der Wörter uns wissen zu machen. - Von PLATO ist bekannt, welch hohen Wert er der Sprache beilegte; so daß er um Begriffe zu erforschen, mehrmals, auch unglücklich, etymologisierte. Die Stoiker desgleichen. Überhaupt drückten die Griechen Vernunft und Rede mit einem Wort aus: logos. * Die von HERDER obenerwähnte Äußerung LEIBNIZens steht: Nouveaux Essays, L. III, Ch. VII, und lautet folgendermaßen: "Ich glaube wahrhaftig die Sprache ist der beste Spiegel des menschlichen Geistes, und daß eine genaue Entwicklung oder Zergliederung (Analyse) der Bedeutung der Worte besser als irgendetwas anderes die Wirkungsart des Verstandes zu erkennen geben würde." Im neunten Kapitel desselben Abschnitts III versichert LEIBNIZ: "Wenn man die Unvollkommenheiten der Sprache genauer untersuchen wollte: so würde der größte Teil der Streitigkeiten von selbst wegfallen, und der Weg zur Erkenntnis, und vielleicht auch zum Frieden den Menschen zugänglicher werden." - In der Abhandlung De stylo philosophico, im 2. Band der von KORTHOLT gesammelten Briefe LEIBNIZ' (Seite 99) ist LEIBNIZ "sehr geneigt zu glauben:" daß gleichwie die Rhetorik zwei Teil enthält, deren einer von der Schönheit und der Kraft des Ausdrucks, der andere von der Erregung der Affekt handelt: so muß auch die Logik zwei Teile, einen wörtlichen und einen sachlichen, aufzuweisen haben, der eine vom klaren, deutlichen und eigentümlichen Gebrauch der Wörter, oder vom philosophischen Stil, der andere von den Gesetzen des Denkens handeln." - "Jeder Akt des Denkens und des Wollens ist so sehr mit der Sprache verwickelt, daß kaum je einer" (Er hätte sagen können und müssen: Keiner) "ohne einen stillschweigenden und innerlichen Gebrauch von Wörtern vor sich geht. Die Wörter sind das nächste Werkzeug des Denkens, und fast das Einzige - das Gedachte zu lehren." * Hierher gehören auch folgende Stellen aus JOHANN GEORG HAMANNs Briefen an FRIEDRICH HEINRICH JACOBI, im ersten Band der Werke des Letzteren (Seite 371). "Ich halte mich jetzt an das sichtbare Element, an das Organum, oder Kriterium, - ich meine die Sprache. Ohne Wort keine Vernunft, keine Welt! Hier ist die Quelle der Schöpfung und Regierung. Was man in morgenländischen Zisternen sucht, liegt im sensu communi des Sprachgebrauchs; und dieser Schlüssel verwandelt unsere besten und wüsten (?) Weltweisen in sinnlose Mystiker, die einfältigsten Galiläer und Fischer in die tiefsinnigsten Forscher und Herolde einer Weisheit, die nicht irdisch, menschlich und teuflisch ist, sondern einer heimlichen verborgenen Weisheit Gottes, welche Gott verordnet hat vor der Welt zu unserer Herrlichkeit, welcher keiner vom Obersten dieser Welt zu erkennen ist - I. Kor. 2, - und diese Philosophie läßt keinen Rechtschaffenen, der an öde Stellen und Wüsten geängstigt wird, ohne Hilfe und Trost." Seite 385: "Bei mir ist nicht sowohl die Frage: Was ist Vernunft? sondern vielmehr: Was ist Sprache? und hier vermute ich den Grund aller Paralogismen und Antinomien, die man jener zur Last legt. Daher kommt es, daß man Wörter für Begriffe, und Begriffe für Dinge selbst hält. - In Wörtern und Begriffen ist keine Existenz möglich, welche bloß den Dingen und Sachen zukommt." - Seite 392: "Die Metaphysik hat ihre Schul- und Hofsprache, beide sind mir verdächtig; und ich bin weder imstande sie zu verstehen, noch selbst mich ihrer zu bedienen. Daher vermute ich beinahe, daß unsere ganze Philosophie mehr aus Sprache, als aus Vernunft besteht; und die Mißverständnisse unzähliger Wörter, die Prosopodien [Gesichte - wp] der willkürlichsten Abstraktionen, die Antithesen der tes pseudonymon gnoseos [geheimen Wissenschaft - wp], ja! selbst die gemeinsten Redefiguren des Sensus communis haben eine ganze Welt von Fragen hervorgebracht, die mit ebensowenig Grund aufgeworfen, wie beantwortet worden sind. Es fehlt uns noch immer an einer Grammatik der Vernunft, wie der Schrift und ihrer gemeinschaftlichen Elemente, die durcheinander gehen, wie die Saiten auf dem Psalter durcheinander klingen, und doch zusammenlauten." Am sinnreichsten und treffendsten hat vielleicht FRIEDRICH HEINRICH JACOBI, in der Zugabe an Erhard O. zu Allwills Briefsammlung (Bd. 1 seiner Werke) den Einfluß der Sprache auf die Philosophie, und das Bedürfnis der Erforschung dieses Einflusses angedeutet; indem er sagte: "daß sich ihm die Geschichte der Philosophie je länger je mehr als ein Drama entwickelt; worin Vernunft und Sprache die Menachmen spielen," - und wo er eine Kritik der Sprache" vermißte, "die eine Metakritik der Vernunft sein würde." In der Überzeugung, daß das Spiel, welches die Sprache mit der philosophierenden Vernunft getrieben hat und treibt, und welches in der Metaphysik nur in seinen, vor den Augen der Zuschauer, sichtbaren Folgen hervortritt, - im Grunde insgeheim, und gleichsam hinter den Kulissen, durch die bisherige Logik geleitet und unterhalten wird, und daß dasselbe, im bisherigen Sprachgebrauch dieser beiden Wissenschaften, zunächst durch die unbeachtete Gleichnamigkeit (Homonymität) verschiedener Begriffe, und Sinnverwandtschaft (Synonymität) verschiedener Wörter, erweislich getrieben wird, - hat der Verfasser des gegenwärtigen Versuches in seiner Grundlegung einer Synonymik usw. einen Beitrag zu einer Kritik der Sprache in ihrem Verhältnis zur philosophischen Erkenntnis zu liefern versucht. Aber nicht nur der äußere Erfolg dieses Versuches, und die dem Verfasser bekannt gewordenen öffentlichen Beurteilungen desselben, sondern auch eine fortgesetzte, oder vielmehr völlig erneuerte Untersuchung haben ihn sehr bald überzeugt, daß sich über das Verhältnis der Sprache zur philosophischen Erkenntnis kaum etwas Verständliches und Eingreifendes sagen läßt, bevor das Verhältnis der Sprache zum menschlichen Erkenntnisvermögen, in dem durch dieselbe vermittelten Zusammenhang zwischen der Sinnlichkeit und dem Denkvermögen, noch nicht ausführlich untersucht, und ausdrücklich ausgesprochen ist. So ist dann der gegenwärtige Versuch entstanden. ![]()
1) Siehe die Beilage zur Einleitung. |