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Erfahrung und Urteil [4/5]
2. Kapitel Schlichte Erfassung und Explikation § 22. Die Stufen der betrachtenden Wahrnehmung als Thema der weiteren Analysen. Beschränken wir uns im Folgenden auf die Weisen des ungehemmten Verlaufs der Wahrnehmung, also auf Wahrnehmungen, in denen weder eine Modalisierung noch eine Hemmung durch einen Abbruch des Verlaufs eintritt. Auch hier gibt es Leistungen verschiedener Stufe, von denen einiges bereits bei der Analyse der Modalisierungen mit im Blick stand, wenngleich es bisher nicht ausdrücklich genannt wurde. Soll es nämlich überhaupt dazu kommen, daß eine Modalisierung in der von uns beschriebenen Weise eintritt, ein Ungewißwerden des Gegenstandes hinsichtlich seines So-oder-so-seins, so ist schon zumindest ein Stück ungehemmten Fortlaufens der Betrachtung des Gegenstandes vorausgesetzt. Seine einzelnen Momente und Beschaffenheiten müssen sich abgehoben haben; Erwartungen hinsichtlich der Beschaffenheit des Weiteren, etwa der noch ungesehenen Rückseite, müssen durch sie geweckt worden sein, die dann enttäuscht werden und zur Modalisierung des "nicht so, sondern anders" führen. Mit einem Wort, vorausgesetzt ist für diese Vorkommnisse der Modalisierung schon ein Stück Explikation des Wahrnehmungsgegenstandes. Und eine solche ist ja zumeist schon durch die Tendenz des Wahrnehmungsinteresses gefordert. Die aktive Erfassung des Gegenstandes wird in der Regel alsbald zur Betrachtung; das Ich, auf Kenntnisnahme gerichtet, tendiert in den Gegenstand einzudringen, ihn nicht nur allseitig, sondern auch in all seinen Einzelheiten, also explizierend zu betrachten. Dazu braucht es allerdings nicht sogleich zu kommen. Der Weg zu einer solchen Explikation kann verlegt, die Auswirkung des Strebens gehemmt sein. Interessieren wir uns z. B. für einen visuellen Gegenstand im indirekten Sehfeld, so kann er so undeutlich erscheinen, daß wir an ihm zunächst nichts Besonderes unterscheiden können; es fehlen an ihm Abhebungen. Im Wechsel der Augenstellungen möge sich die Erscheinungsweise abwandeln, aber es kann dabei bleiben, daß in der kontinuierlichen synthetischen Identifizierung "der" Gegenstand ohne Abhebung innerer Unterschiede erscheint und keine Sonderkenntnisnahmen ermöglicht. Im Allgemeinen, bei normal günstigen Erfahrungsverhältnissen steht die Sache natürlich anders; es kommt sogleich zu einem Prozeß der das Interesse erfüllenden Explikation. Aber auch wenn Hemmungen fehlen, kann es sein, daß nicht sogleich ein explizierendes Eindringen in den Gegenstand stattfindet, sofern wir es etwa vor allem auf eine Gesamterfassung und in gewisser Weise schon auf eine Gesamtbetrachtung des sich in wechselnden Erscheinungsweisen als Einheit bietenden Gegenstandes abgesehen haben. Er bietet sich zunächst in ungünstigen Erscheinungsweisen der Ferne dar, wir bringen ihne näher durch Wandlung derselben in Form passenden Ablaufenlassens unserer Kinästhesen [Einheit von Bewegung und Wahrnehmung bei Husserl - wp], deren subjektive Verläufe die Erscheinungswandlungen bedingen. Dabei werden zwar normalerweise mannigfaltige und mit der Annäherung immer reichere Abhebungen stattfinden, das Abgehobene wird sich entgegendrängen und wohl auch flüchtig erfaßt werden; aber das Ich braucht doch nicht den Erfassungstendenzen nachzugeben, es bleibt in der Haltung einer schlicht-einheitlichen Schau des Gegenstandes, in einem kontinuierlichen synthetischen Wandel der Erscheinungen rein auf die Identitätseinheit dieser kontinuierlichen Synthesis gerichtet. Wir können also folgende Stufen der betrachtenden Wahrnehmung eines Gegenstandes unterscheiden und haben damit einen Leitfaden für die folgenden Analysen gewonnen. 1. die betrachtende Anschauung vor jeder Explikation, die Anschauung, die auf den Gegenstand "im Ganzen" gerichtet ist. Diese schlichte Erfassung und Betrachtung ist die unterste Stufe niederer objektivierende Aktivität, die unterste Stufe ungehemmter Auswirkung des Wahrnehmungsinteresses. 2. Die höhere Stufe des sich auswirkenden Interesses ist die eigentliche, explizierende Betrachtung des Gegenstandes. Auch die erste Erfassung und zunächst schlichte Betrachtung hat ja bereits ihre Horizonte, die sogleich mitgeweckt sind, zunächst einen Innenhorizont (vgl. dazu oben § 8). Der Gegenstand steht von vornherein in einem Charakter der Bekanntheit, wenn auch in der vagen Allgemeinheit eines bestimmten Typus aufgefaßt. Sein Anblick weckt protentionale Erwartungen hinsichtlich seines Soseins, der noch ungesehenen Rückseite usw., überhaupt hinsichtlich dessen, was sich an ihm bei näherer Betrachtung an Eigenheiten ergeben wird. Geht nun die Betrachtung in eine Explikation über, so folgt das Interesse der Richtung der geweckten Erwartungen; es bleibt auch hier auf diesen einen, für sich abgehobenen Gegenstand konzentriert und strebt danach, das auseinanderzulegen, worin er "ist", was er an inneren Bestimmungen aus sich hergibt, in ihn inhaltlich einzudringen, seine Teile und Momente zu erfassen, in diese einzeln selbst wieder einzudringen und auch sie sich auslegen zu lassen - all das im Rahmen einer sich forterhaltenden synthetischen Einheit "auf dem Grund" der Einheit der Gesamterscheinung und Gesamterfassung des Gegenstandes. Explikation ist ein Hineingehen der Richtung des Wahrnehmungsinteresses in den Innenhorizont des Gegenstandes. Im Fall der ungehemmten Auswirkung des Interesses erfüllen sich dabei die protentionalen Erwartungen, der Gegenstand erweist sich in seinen Eigenheiten als das, als was er antizipiert war, nur daß das Antizipierte jetzt zu originaler Gegebenheit kommt; es erfolgt eine Näherbestimmung, eventuell eine partielle Korrektur, oder - im Fall der Hemmung - eine Enttäuschung der Erwartungen, eine partielle Modalisierung. 3. Eine weitere Stufe von Wahrnehmungsleistungen ist es, wenn das Interesse sich nicht mit dem explizierenden Hineingehen in den Innenhorizont des Gegenstandes begnügt, sondern wenn es die im Außenhorizont mitgegenwärtigen Gegenstände, die zugleich mit ihm im Feld befindlichen und affizierenden, mit thematisch macht und den Gegenstand der Wahrnehmung in Beziehung zu ihnen betrachtet. Es erwachsen dabei im Gegensatz zu seinen inneren Bestimmungen, Explikaten, die relativen Bestimmungen, die auslegen was er in Bezug auf andere Gegenstände ist: der Bleistift liegt neben dem Tintenfaß, er ist länger als der Federhalter usw. Sollen solche relativen Bestimmungen erfaßt werden, so wird das Wahrnehmungsinteresse nicht gleichmäßig auf die Mehrheit der im Feld befindlichen Gegenstände verteilt, sondern es bleibt auf den einen konzentriert; die anderen werden nur soweit herangezogen, als sie in ihren Beziehungen zu ihm dazu beitragen, ihne näher zu bestimmen. Dieses Erwachsen äußerer, relativer Bestimmungen hängt also von der Mitgegebenheit anderer Gegenstände im Außenhorizont der Wahrnehmung, im gegenwärtigen Feld ab, und von ihrem Hinzutreten oder Verschwinden, während die inneren Bestimmungen durch diesen Wechsel in der Umgebung, in der Mehrheit des Mitaffizierenden unberührt bleiben. a) Die Wahrnehmung als immanent-zeitliche Einheit. Das Noch-im-Griff-behalten als Passivität in der Aktivität des Erfassens. Jede dieser drei Stufen des betrachtenden Wahrnehmens bedarf für sich der Analyse. Halten wir uns zunächst an die schlichte Erfassung. Trotz ihrer Schlichtheit ist sie keineswegs ein einfaches Datum; sie weist eine Mannigfaltigkeit von Strukturen in sich auf, in denen sie selbst als immanent-zeitliche Einheit sich konstituiert. Sollen auch die Probleme der Zeitkonstitution - die elementarsten im Aufbau der konstitutien Systematik - hier nicht in ihrem vollen Umfang behandelt werden (vgl. Einleitung), so müssen sie doch so weit in Betracht gezogen werden, als es nötig ist, um den Unterschied zwischen schlichter Erfassung und Explikation in seinen Wurzeln zu begreifen. Als einfaches Beispiel einer schlichten Erfassung diene das Hören eines andauernd erklingenden Tones. Er sei kontinuierlich derselbe und sich gleichbleibende (in Stärke und Höhe) im zeitlichen Abfluß und kontinuierlichen Wechsel der Phasen seines Erklingens. Er erklingt in den einzelnen Phasen; sie sind Erscheinungsweisen vom Zeitgegenstand Ton, der in der Zeit dauert, und dessen Dauer sich kontinuierlich mit jedem Moment erweitert. Er erscheint in der Gestalt einer konkreten Gegenwart mit jedem Zeitpunkt, dem Horizont der kontinuierlichen Vergangenheit einerseits und dem der Zukunft andererseits. Dieses Gegenwartsphänomen ist in einem stetigen ursprünglichen Fluß von Jetzt in ein immer neues Jetzt, unter entsprechender Wandlung der Vergangenheits- und Zukunftshorizonte. Dabei wird der Ton zumeist auch als räumlich lokalisiert gegeben sein, aufgefaßt als erklingend in räumlicher Nähe oder Ferne - Bestimmungen, die Bezug haben auf einen räumlichen Nullpunkt, unserer eigenen Körper, auf den hin alles Hier und Dort orientiert ist. In dieser Weise ist der Ton als Einheit der Dauer passiv vorgegeben. Kommt es nun zur aktiven (rezeptiven) Erfassung des erklingenden Tones, dann ist die Erfassung des erklingenden Tones, dann ist die Erfassung selbst eine kontinuierlich dauernde - dauernd "solange" der Ton erklingt, d. h. vernehmlich ist. Als jeweils in einem Jetztpunkt von sich gehende ist die Erfassung auf den Ton gerichtet, der in seinem lebendigen Fortwähren selbst jeweils jetzt erklingt. Aber nicht auf die jeweils jetzt erklingende Phase ist der erfassende Blick gerichtet, als ob der Ton in diesem doch nur momentanen Jetzt der Ton schlechthin wäre, der erfaßt würde. Ein solches Jetzt, eine solche Phase der Dauer als Moment herausfassen und für sich zum Gegenstand machen, ist vielmehr die Leistung einer eigenen neuartigen Erfassung. Den fortdauernden Ton, kurz gesagt "diesen Ton" erfassend, sind wir nicht auf die momentane und doch kontinuierlich sich wandelnde Gegenwart (die jetzt erklingende Phase) gerichtet, sondern durch sie in ihrem Wandel hindurch auf den Ton als Einheit, die sich wesensmäßig in diesem Wandel, diesem Fluß von Erscheinungen darstellt. Genauer besehen, richtet sich die erfassende Aktivität auf den lebendig gegenwärtigen, als kontinuierlich gegenwärtig fortdauernden Ton, so daß der primäre Erfassungsstrahl des Ich durch das zentrale Moment des originären Jetzt (auf das in dieser Form erscheinende Tonmoment) geht; und zwar auf das Jetzt in seinem kontinuierlichen Übergangsfluß, d. h. von Jetzt auf ein immer neues Jetzt, und damit auf das im Fluß der originär auftretenden Momente erscheinede immer Neue. Kein Jetzt bleibt ein originäres Jetzt, jedes wird zum Eben-vergangen, dieses zum Vergangen vom Vergangen usw.; und das betreffende Moment, in der Kontinuität dieses Erscheinungswandels in passiver Selbstdeckung als ein und dasselbe, bleibt in einem kontinuierlichen aktiven Griff. So geht die modifizierte Aktivität des Noch-im-Griff durch das Kontinuum der Vergangenheiten, wie es an das lebendige Jetzt angeschlossen ist, stetig hindurch; und die modifizierte Aktivität in eins mit der urquellenden neuen ist eine fließende Einheit der Aktivität und als solche in diesem Fluß in Selbstdeckung. Analoges gilt natürlich für den Fluß der protentional erscheinenden Zukunftshorizonte, nur daß diese nicht bloß noch im Griff, sondern kontinuierlich in einem antizipierenden Vorgriff, aber unter Mitwirkung des Noch-im-Griff verlaufen. Wir sehen daraus, daß die Aktivität der Erfassung des (konkret dauernden) Tones einen komplizierten Aufbau hat aufgrund der Gesetzmäßigkeit der vor aller Aktivität in einer eigenen Passivität verlaufenden Konstitution lebendiger Dauer. Dieser Aufbau gehört zur Wesensstruktur der Aktivität, rein als Aktivität betrachtet. Sie ist eine kontinuierlich fließende Aktivität, ein kontinuierlicher Strom urquellender Aktivität in eins mit einer kontinuierlich nachquellenden, modifizierten horizontmäßigen Aktivität, die den Charakter des Noch-im-Griff-haltens hat, und nach der Zukunftsseite den einer anders modifizierten vorgreifenden Aktivität, also wiederum einer nicht urquellenden, sondern als Mitfolge sich einflechtenden. Solange überhaupt ein aktives Erfassen des Tones stattfindet und a priori soll stattfinden können, ist diese Aktivität in einer untrennbaren Einheit und in einer, in der Kontinuität stattfindenden beständigen Selbstdeckung zwar - konkret gesprochen - Akt des Ich, dem Ich entquellend; aber in ihr muß die Scheidung gemacht werden, zwischen dem eigentlich kontinuierlich entquellenden aktiven Strahl und einer starren passiven Gesetzmäßigkeit, die doch eine Gesetzmäßigkeit der Aktivität selbst ist. Mit der aktiven Erfassung geht eine ihr wesensmäßig zugehörige modifizierte Aktivität in doppelter Richtung und Modifikationsform Hand in Hand. Es gibt demnach nicht nur eine Passivität vor der Aktivität, als Passivität des ursprünglich konstituierenden, aber nur vorkonstituierenden Zeitflusses, sondern auch eine darüber gelagerte, eigentlich vergegenständlichende, nämlich Gegenstände thematisierende oder mit-thematisierende Passivität; eine solche, die zum Akt nicht als Unterlage, sondern als Akt gehört, eine Art Passivität in der Aktivität. Mit dieser Rede ist angezeigt, daß die Scheidung von Aktivität und Passivität keine starre ist, daß es sich dabei nicht um ein für allemal definitorisch festlegbare Termini handeln kann, sondern nur um Mittel der Beschreibung und Kontrastierung, deren Sinn in jedem Einzelfall im Hinblick auf die konkrete Situation der Analyse ursprünglich neu geschöpft werden muß - eine Bemerkung, die für alle Beschreibungen intentionaler Phänomene gilt. Was hier am einfachsten Fall abgehoben wurde, gilt natürlich für jedes schlichte Erfassen eines zeitlich dauernden (unveränderten oder sich verändernden, ruhenden oder sich bewegenden) Gegenstandes. Nur aufgrund dieses passiv-aktiven Im-Griff-behaltens kanner in einer schlichten Wahrnehmung als dauernder Gegenstand erfaßt werden, als ein solcher, der nicht nur jetzt ist, sondern auch als derselbe soeben war und im nächsten Jetzt sein wird. Jedoch diese erste Beschreibung des Im-Griff-behaltens genügt noch nicht. Erst seine Kontrastierung mit anderen, leicht damit zu verwechselnden Phänomenen wird seine Eigenart scharf hervortreten lassen. dessen Unterschied gegenüber der Retention Ein Noch-im-Griff-behalten kann auch stattfinden, wenn sich das Ich mehreren Gegenständen hintereinander zuwendet, die miteinander nichts zu tun haben, und von denen jeder für sich sein Interesse weckt, aber so, daß die Interessen zusammenhanglos sind. Treten sie in der Einheit einer Bewußtseinsgegenwart affizierend auf, und folgt das Ich auch zunächst nur dem einen, so kann es in einem protentionalen Vorgreifen nebenbei schon dem anderen zugewendet sein; folgt es dann diesem, so ist der erste zwar nicht mehr ein Objekt primärer Erfassung, aber er braucht deswegen doch nicht ganz fallen gelassen zu werden. Er ist noch im Griff, d. h. er befindet sich nach der Zuwendung zum anderen nicht bloß in einem rein passiven, retentionalen Absinken in den Bewußtseinshintergrund, sondern das Ich ist in modifizierter Weise auch noch auf ihn aktiv gerichtet. Dieses "Noch-im-Griff" muß von dem oben erwähnten unterschieden werden, bei dem die modifizierte Aktivität mit der ursprünglich ergreifenden hinsichtlich des Gegenstandes in Deckung war. Eine solche Deckung stellt sich hier natürlich nicht ein, wenngleich aufgrund der synthetischen Erfassung beider Gegenstände eine gewisse Überschiebung stattfindet. Davon wird noch zu sprechen sein (vgl. § 24, b). Bei diesen Arten des Noch-im-Griff sind noch weitere Komplikationen möglich, die hier kurz erwähnt sein sollen. Wenn das Ich sich einem neuen Gegenstand zuwendet, während der erstere noch im Griff bleibt, so kann das entweder in der Weise geschehen, daß er erste noch andauert, noch andauernd gegeben ist, oder so, daß er selbst nicht mehr originaliter gegeben ist (daß der Ton etwa aufgehört hat zu erklingen, oder - wenn es sich um einen visuellen Gegenstand handelt - daß er aus dem Bereich des Sehfeldes herausgerückt ist), gleichwohl aber in seinem retentionalen Abklingen während der Zuwendung zum neuen Gegenstand noch im Griff behalten wird. Das Im-Griff-behalten kann also ein impressionales, ein Im-Griff-behalten während der dauernden Gegebenheit des Gegenstandes sein, oder ein nicht-impressionales, nach dem Aufhören der originalen Gegebenheit des Gegenstandes noch fortwährendes. Zum ersteren gehört außer dem unter a) betrachteten, das für die aktive Erfassung eines dauernden Gegenstandes konstitutiv ist, auch der erwähnte Fall des Im-Griff-behaltens eines noch andauernd gegebenen Gegenstandes bei Zuwendung zu einem neuen. Ebenso ist ein nicht-impressionales Im-Griff-behalten in beiden Fällen möglich: einerseits kann ein nicht mehr originaliter gegebener Gegenstand bei Zuwendung zu einem neuen noch im Griff behalten werden, andererseits kann das Ich nach dem Aufhören der Gegebenheit des Gegenstandes diesem selben in seinem retentionalen Abklingen noch aufmerksam zugewendet bleiben. Dann findet hinsichtlich des gegenständlichen Sinnes eine synthetische Deckung statt zwischen dem aktiven Erfassen in der Retention und dem Noch-im-Griff-haben seiner zuvor impressional gegeben gewesenen Dauer. Es ist derselbe Ton, "den ich eben hörte", und dem ich nun noch immer, obwohl er schon verklungen ist, aufmerksam zugewendet bin, etwa in der Absicht, herauszubekommen, "was das für ein Ton gewesen sein mag". Aus dieser Beschreibung geht hervor, daß das Im-Griff-behalten als eine modifizierte Aktivität, als Passivität in der Aktivität, unterschieden werden muß vom Behalten der Retention, der öfters auch so genannten "frischen" Erinnerung. Diese ist eine intentionale Modifikation im Rahmen der puren Passivität; sie spielt sich nach eine absolut starren Gesetzmäßigkeit ohne jede Beteiligung der vom Ichzentrum ausstrahlenden Aktivität ab. Sie gehört zur Gesetzmäßigkeit der ursprünglichen Konstitution der immanenten Zeitlichkeit (4), in der jedes impressionale Bewußthaben eines originalen momentanen Jetzt sich stetig wandelt in das Noch-bewußt-haben desselben im Modus So-eben (soeben gewesenes Jetzt). Diese Retention unterliegt selbst wieder einer retentionalen Modifikation usw. Es zeigt sich dann, daß das Bewußtsein einer konkreten Gegenwart ein Bewußtsein einer retentionalen Vergangenheitsstrecke in sich schließt, und daß, wenn die konkrete Gegenwart zu Ende ist, eine konkrete, strömende retentionale Vergangenheit sich anschließen muß. Ebenso gilt hinsichtlich des Kommenden, daß zu jedem im Erlebnisfluß auftretenden Erlebnis eine Horizont ursprünglicher, wenn auch ganz leerer Erwartung gehört, einer zunächst rein passiven Erwartung (Protention). Zum Bewußtsein einer konkreten Gegenwart gehört also nicht nur die retentionale Vergangenheitsstrecke, sondern ebenso die protentionale, wenn auch gänzlich leere Zukunft. Diese Gesetzmäßigkeit betrifft alle phänomenologischen Gegebenheiten, sowohl die rein passiven, wie die in einem Bewußtseinsstrom auftretenden Ichakte. Auch jeder Ich-Akt, z. B. jeder Akt schlichter Erfassung eines Gegenstandes, tritt in einem Zeitfeld auf als zeitlich sich konstituierendes Datum. In diesem Modus des urquellend auftretenden, in einem Jetztmoment oder in einer kontinuierlichen Folge von Jetztmomenten, unterliegt er für jede seiner Phasen der Gesetzmäßigkeit der Retention und Protention - auch dann, wenn das Ich den Gegenstand aus dem Griff seiner Aktivität entläßt. In diesem Fall erfolgt eine Modifikation der urquellenden Aktivität im Sinne eines rein passiven retentionalen Behaltens. Beim Im-Griff-behalten dagegen ist die urquellende Aktivität zwar auch eine modifizierte, aber nicht in der Form einer bloßen Retention; vielmehr bleiben die retentional abklingenden Phasen noch wirklich fungierende, wenngleich modifizierte Bestandsstücke in der Konkretion eines wirklichen Aktes. Nur als solches Bestandsstück ist Retention "noch" eine wirkliche Aktivität, oder prägnanter gesprochen, eine wirkliche Aktivität im Modus des Noch. Ebenso verliert auch bei einer Unterbrechung eines Aktes, trotz des Fortwirkens der passiven Gesetzmäßigkeit der Protention, der Zukunftshorizonte den Charakter des aktiv antizipierten, die Protention ist keine wirkliche Aktivität im Modus des Vorgreifens mehr. Betrachten wir andererseits das Noch-im-Griff-behalten in seinen verschiedenen Formen, so ist es schon dadurch von den Phänomenen der Retention unterschieden, daß es, wie gezeigt, ebensowohl impressional als retentional bewußte Gegenständlichkeit betreffen kann, wie überhaupt Gegenständlichkeiten in jedem möglichen Bewußtseinsmodus - eben als eine auf sie bezügliche modifizierte Form der Aktivität. Wird ihnen die Aktivität entzogen, wendet das Ich von ihnen seine "Aufmerksamkeit" völlig ab, also ohne sie noch im Griff zu behalten, so werden sie als Impressionen oder Retentionen oder wie auch immer bewußte im Bewußtseinsfeld verbleiben, in ihren Abgehobenheiten auch noch weiter affizierend. Aber sie sind dann gegeben in purer Passivität, in ihren intentionalen Abwandlungen ausschließlich deren Gesetzen unterworfen. die explikative Synthesis a) Die explikative Synthesis als Ursprungsort der Kategorien "Substrat" und "Bestimmung" und die Aufgabe ihrer Analyse Gehen wir nun zur nächsten Stufe der objektivierenden Aktivität, zum explizierenden Betrachten über. Vorgreifend wurde es bereits charakterisiert als ein Hineingehen der Richtung des Wahrnehmungsinteresses in den Innenhorizont des Gegenstandes, der bei seiner Gegebenheit sogleich mitgeweckt ist. Das heißt: den Fall einer ungehemmten Auswirkung des Wahrnehmungsinteresses angenommen, kann das Ich bei einer bloß schlichten Betrachtung und Erfassung nicht lange stehen bleiben; vielmehr treibt die Tendenz der Betrachtung alsbald weiter. Das kontinuierlich in einer Linie fortströmende Betrachten würde zu einem bloßen Anstarren, wenn es sich nicht absetzt und in eine Kette von Einzelerfassungen, von Einzelakten übergeht, in eine Diskretion abgesetzter Schritte, die, innerlich verbunden, eine die einzelnen Thesen verknüpfende polythetische Einheit bilden. Es reihen sich Einzelerfassungen aneinander, gerichtet auf Einzelheiten am Gegenstand. Der Gegenstand, und jeder Gegenstand, hat seine Eigenheiten, seine inneren Bestimmungen. Phänomenologisch gewendet besagt das: jeder überhaupt erdenkliche Gegenstand als Gegenstand einer möglichen Erfahrung hat seine subjektiven Modi der Gegebenheitsweise: er kann aus einem dunklen Bewußtseinshintergrund auftauchen, von daher das Ich affizieren und zum aufmerkenden Erfassen bestimmen. Er hat dabei seine Erscheinungsunterschiede der "Nähe" und "Ferne", hat seine Weise, von der Ferne in die Nähe zu rücken, wobei sich immer mehr an einzelnen Momenten, die Sonderaffektionen und Sonderzuwendungen zu bestimmen. Es fällt z. B. seine Oberflächenfärbung im Ganzen in die Augen, seine Gestalt, dann ein bestimmtes, sich abhebendes Stück des Gegenstandes, wie etwa am Haus das Dach, dann die besonderen Eigenheiten dieses Stückes, die Farbe, die Gestalt usw. Und je nach der Art der Gegebenheitsweise des Gegenstandes sind die Erwartungen, die sogleich mitgeweckt werden und sich auf das beziehen, was er an Eigenheiten aufweisen wird, mehr oder weniger bestimmt. Der Gegenstand steht von vornherein in einem Charakter der Vertrautheit da; er ist als Gegenstand eines bereits irgendwie bekannten, mehr oder weniger vage bestimmten Typus aufgefaßt. Dadurch ist die Richtung der Erwartungen hinsichtlich dessen, was sich bei näherer Betrachtung an ihm als Eigenheit ergeben wird, vorgezeichnet. Daß jeder Schritt ursprünglich anschaulicher Explikation schon in diesem Horizont der Vertrautheit erfolgt, nicht schlechthin das Zur-Gegebenheit-bringen eines gänzlich Neuen ist, sondern nur eine Näherbestimmung und Korrektur der Antizipationen, davon sehen wir zunächst ab und suchen das allgemeine Wesen herauszustellen, durch das sich der Prozeß der Explikation von einem bloßen schlichten Betrachten unterscheidet. Erst dann sollen die verschiedenen Vollzugsweise der Explikation in Betracht gezogen werden, welche mit Rücksicht auf die volle Konkretion des Horizontbewußtseins möglich sind, in dem die Explikation immer darin steht - Vollzugsweisen, in denen allen aber ihre Grundstruktur sich als die gleiche erhält. Nehmen wir einen Gegenstand S gennannt und die inneren Bestimmungen α β ..., so liefert der von einem Interesse an S hervorgetriebene Prozeß nicht einfach die Folge: Erfassung S, Erfassung α, Erfassung β, usw., als ob die eine und die andere Erfassung miteinander nichts zu tun hätten, als ob ein Wechsel der Themata erfolgen würde. Es ist also nicht so, wie wenn wir nach dem Erlahmen des Erkenntnisinteresses an einem Gegenstand, nach seiner Überwältigung durch das Interesse an einem zweiten und dann wieder an einem dritten Gegenstand, uns diesen zuwenden, die sich durch eine entsprechend kräftige Affektion die Aufmerksamkeit erzwungen haben. Vielmehr in dem ganzen Prozeß von Einzelakten, die von der Erfassung S zu den Erfassungen α, β ... führen, lernen wir S kennen. Der Prozeß ist eine entfaltende Betrachtung, eine Einheit gegliederter Betrachtung. Durch den ganzen Prozeß behält das S den Charakter des Themas und indem wir schrittweise Moment für Moment, Teil für Teil in den Griff bekommen, ist es eben Moment, Teil - allgemein gesprochen - Eigenheit, Bestimmung; so ist es nichts für sich, sondern etwas vom Gegenstand S, etwas aus und in ihm. In der Erfassung der Eigenheiten lernen wir ihn kennen und sie nur als die seinen. Das unbestimmte Thema S wird in der Entfaltung zum Substrat der hervorgetretenen Eigenheiten, und sie selbst konstituieren sich in ihr als seine Bestimmungen. Aber woran liegt es, daß das Ich in der Erfassung von α β ... sich dessen bewußt ist, darin S zu erkennen? Wodurch ist das α in anderer Weise bewußt als das S oder als ein beliebiges anderes S1, dem wir uns nach dem S zuwenden? Mit anderen Worten: Was macht aus dem S das durchgehende Thema in einem ausgezeichneten Sinn, derart, daß die α β ..., wenn sie der Reihe nach erfaßt und so in gewisser Weise auch thematisch geworden sind, gegenüber dem S jeder Gleichberechtigung entbehren; ja daß sie bloß Themata sind, in denen sich das herrschende Interesse an S konsequent auswirkt, und daß der Übergang zu ihnen kein Sicheinlassen in etwas anderes ist und damit eine Ablenkung und Schwächung des Interesses an S, sondern eine fortgehende Erfüllung und Steigerung desselben? Es sind also die intentionalen Funktionen zu beschreiben, die es ausmachen, daß der "Gegenstand" der Explikation uns in der Sinnesform des "Substrates" entgegentritt, und in einer ganz anderen die explizierten Momente, nämlich als "Eigenheiten, "Bestimmungen" des Gegenstandes, derart, daß wir von einer Explikation sprechen können, einer Entfaltung des S in seine Bestimmungen, davon, daß sich das S bestimmt als α, als β usw. Der Prozeß der Explikation in seiner Ursprünglichkeit ist derjenige, in dem ein originaliter gegebener Gegenstand zur expliziten Anschauung gebracht wird. Seine Strukturanalyse muß zutage bringen, wie sich in ihm eine zweifache Sinnbildung vollzieht: "Gegenstand als Substrat" und "Bestimmung α ..."; sie muß zeigen, wie sich diese Sinnbildung in Form eines in abgesetzten Schritten fortgehenden Prozesses vollzieht, durch den sich dabei doch eine Deckungseinheit kontinuierlich hindurch erstreckt - eine diesen Sinnesformen ausschließlich zugehörige Deckungseinheit besonderer Art. Wir können auch sagen, es ist der Prozeß derjenigen "Evidenz" aufzuweisen, in dem ursprünglich so etwas erschaut wird wie ein "Substratgegenstand" als solcher, und als solcher von so etwas wie "Bestimmungen". Wir stehen damit an der Ursprungsstelle der ersten der sogenannten "logischen Kategorien". In einem eigentlichen Sinn kann von logischen Kategorien freilich erst in der Sphäre des prädikativen Urteils die Rede sein als von Bestimmungsstücken, die zur Form möglicher prädikativer Urteile notwendig gehören. Aber alle dort auftretenden Kategorien und kategorialen Formen bauen sich auf die vorprädikativen Synthesen und haben in ihnen ihren Ursprung. Was zunächst im Prozeß der Explikation, beim Übergang von der Erfassung des S zu der des α auffällt, ist eine gewisse geistige Überschiebung beider Erfaßtheiten. Aber dies genügt keineswegs zur Charakteristik der Explikation. Denn eine solche Überschiebung aller Erfaßtheiten ist der Explikation mit all den möglichen Fällen gemeinsam, in denen das Ich in einem synthetischen Tun, in der verbindenden Einheit eines Interesses von Erfassung zu Erfassung fortschreitet. Sie vollzieht sich ebensowohl, wenn ein Ding zunächst in ungeschiedener Einheit, dann in Sonderheit nach Gestalt, Klang, Geruch, nach irgendwelchen sich heraushebenden Stücken zur Erfassung kommt, wie wenn zuerst ein Ding, dann getrennt davon und nicht ihm als Bestimmung zugehörig, eine Gestalt, ein Klang, ein Geruch zur synthetischen Erfassung kommt. Bei jeder solchen Synthesis, auch wenn ganz verschiedene Gegenstände einheitlich betrachtet werden, vollzieht sich eine Überschiebung. Das Ich fungiert als kontinuierlich tätiges durch die Folge der Schritte hindurch, es ist beim zweiten noch auf den Gegenstand des ersten gerichtet; es richtet sich also trotz der Vorzugsstellung des neuen, als primär erfaßten auf beide in eins, mit dem neuen und durch den neuen auf den alten. Beide in eins sind aktiv ins Ich aufgenommen, das unteilbare Ich ist in beiden. Das Nacheinander der Aufmerksamkeits- und Erfassungsstrahlen ist zu einem Doppelstrahl geworden. Aber es ist ein wesentlicher Unterschied, ob in dieser synthetischen Aktivität eine Synthesis der Deckung nach einem gegenständlichen Sinn zustande kommt, und etwa gar speziell eine Identitätssynthesis, oder ob dergleichen nicht stattfindet. Gehen wir von einer Farbe zu eine Ton über, so ist es nicht der Fall. Gehen wir, immer synthetisch, von einer Farbe zu einer anderen Farbe über, so tritt schon eine Deckungssynthese ein, die Überschobenen decken sich in der Weise der "Gleichheit" oder "Ähnlichkeit". Nehmen wir nun den Fall einer Synthesis von Ding und Eigenheit des Dings und überhaupt von Gegenstand und gegenständlicher Eigenheit, so tritt uns hier eine ganz eigenartige Synthesis der Identitätsdeckung entgegen. Die Synthesis hinsichtlich der einzeln hierbei auftretenden intentionalen Gegenstände (der Sinngehalt der einzel-erfassenden Akte) ist eine Synthesis einer gewissen, kontinuierlich hindurchgehenden Identitätsdeckung, hindurchgehend durch die scharf abgesetzten Aktschritte. Diese, wie wir sagen wollen, explikative Deckung darf nicht mit der totalen Identitätsdeckung hinsichtlich eines gegenständlichen Sinnes verwechselt werden, wie sie eintritt, wenn wir synthetisch von einer Vorstellung (Gegebenheitsweise) zu anderen Vorstellungen desselben Gegenstandes übergehen und ihn dabei mit sich selbst identifizieren. Eine solche Deckung gehört z. B. zu jeder kontinuierlich fortgehenden Dingwahrnehmung, als kontinuierliche Synthesis der mannigfaltig wechselnden Erscheinungen im Bewußtsein desselben Dings (des kontinuierlich Einen); sie gehört aber auch zu jeder diskreten Identitätssynthesis sinnlicher Anschauungen, etwa einer Wahrnehmung und einer Erinnerung von Demselben. Im Fall einer explikativen Deckung ist es aber eine ganz andere, durchaus eigenartige Identifizierung, in der Kontinuität und Diskretion sich merkwürdig verknüpfen. Substrat und Bestimmung sind im Prozeß der Explikation ursprünglich konstituiert als Korrelatglieder einer Art Deckung. Indem das α als Bestimmung bewußt ist, ist es nicht schlechthin als dasselbe bewußt wie das S, aber auch nicht als ein schlechthin anderes. In jeder das S explizierenden Bestimmung ist das S in einer seiner Besonderheiten, und in den verschiedenen als Explikate auftretenden Bestimmungen ist es dasselbe, nur in verschiedenen Besonderheiten als seinen Eigenheiten. In der Kontrastierung mit der schlichten Erfassung wird die Eigenart der explikativen Deckung klar hervortreten. Wenn wir die schlichte Erfassung üben, noch ohne explikative Betrachtung, z. B. wenn wir einem in der Zeit dauernden Gegenstand eine Weile erfassend zugewendet sind, ohne an ihm etwas zu unterscheiden, so ist dieses Erfassen ein Ich-tun, eine dem Ichpol ursprünglich entquellende Spontaneität. Wir unterscheiden dabei das diskret einsetzende aktive Zugreifen und das stetige Festhalten, in das es übergeht. Das Zugreifen ist ein sich stetig fortsetzendes ursprüngliches Entquellen der greifenden Aktivität des Ich. Gehen wir nun zur Partialerfassung über. Wir betrachten etwa eine vor uns stehende Kupferschale; unser Blick "durchläuft" sie, er bleibt jetzt einen Moment an der Rundung hängen, und an ihr wieder bei einer sich abhebenden Stelle, einer Abweichung von der gleichmäßigen Rundung. Dann springt er über auf eine breite Glanzstelle und geht ein Stück weiter, dem wechselnden Glanz nach, dann fallen die Buckel auf, die Gruppe der Buckel ist einheitlich abgehoben, wir durchlaufen sie nun einzeln usw. Bei all dem sind wir auf das ganze Objekt kontinuierlich gerichtet, wir haben es erfaßt und halten es als thematisches Substrat fest. Während wir die Einzelheiten besonders erfassen, vollziehen wir imer neue aktive Sonderzuwendungen und -erfassungen, die das Erfaßte vorzüglich hervortreten lassen. Diese Partialerfassungen sind natürlich ebenso wie das schlichte erste Erfassen aktive "Tätigkeiten". Wenn wir nun die Partialerfassung üben, wie steht es während dessen mit dem Gesamterfassen, dem Erfassen der Schale? Sie bleibt es doch immer, die wir "betrachten". Immerfort sind wir ihr erfassend zugewendet, aber die Partialerfassungen decken sich mit dieser Gesamterfassung auf solche Art, daß wir in jeder Partialerfassung das Ganze erfassen, sofern es die Eigenheit in der Deckung übergreift und in diesem Übergreifen bewußt ist. Dabei tritt aber wieder der Unterschied auf, den wir schon beim schlichten Erfassen zwischen dem ursprünglichen Ergreifen und Noch-im-Griff-behalten geltend gemacht haben. In der ersten Erfassung des Ganzen ohne Einzelbetrachtung geht ein originär dem Ich entquellender Strom der Aktivität auf das ungeschieden einheitliche Objekt. Wenn die explizierende Betrachtung inszeniert ist, geht je ein neuer Strom originärer Aktivität auf die betreffenden Eigenheiten. Dagegen bleibt nun nicht etwa die anfängliche urquellende Aktivität erhalten und in dieser ursprünglichen Form auf das Ganze gerichtet. Sie hat, sowie das explizierende Betrachten anhebt, ihren intentionalen Modus offenbar verändert; zwar sind und bleiben wir auch erfassend auf das ganze Objekt gerichtet - es sei gerade Objekt der Betrachtung - aber es ist kein Verbleiben der aktiven Erfassung des Ganzen in der ursprünglichen und urlebendigen Form, sondern ein Sicherhalten der Aktivität in einer intentionalen Modifikation, eben als Noch-im-Griff-behalten. Dasselbe gilt beim Übergang von einem Explikat zum nächsten. Das momentan nicht mehr partial erfaßte, aber eben erfaß gewesene Moment wird im Übergang zu einem neuen aktiven Schritt nur noch im Griff behalten. Dieser behaltende Griff, der Griff im Modus des "noch", ist ein fortdauernder Tätigkeitszustand und kein kontinuierlich tätig fortgehendes Ergreifen oder Erfassen. Wie auch bei der schlichten Betrachtung kann ein solcher Griff im Modus des Behaltens mehr oder weniger fest sein und sich lockern, oder locker sein und wieder fester werden; aber er kann auch ganz aufhören: das Objekt wird fahren gelassen, es schlüpft aus dem Griff. Daß es sich beim betrachteten Fall der Explikation um ein impressionales Im-Griff-behalten handelt, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Genau wie bei der kontinuierlichen schlichten Erfassung findet also bei jedem Schritt der Explikation ein Im-Griff-behalten des Substrates statt. Aber hier unterscheidet sich das Im-Griff-behalten gänzlich von dem, das auch bei einer schlichten Erfassung vorliegt. Nämlich die Objektauffassung, die im stetigen Im-Griff-behalten des Substrates enthalten ist, nimmt schrittweise all die herausgehobenen Einzelheiten in sich hinein: das Im-Griff-haben des in der Explikation stehenden Objektes ist kein inhaltlich unveränderliches Im-Griff-haben, also ein Noch-im-Griff-haben desselben, "so wie" es vor diesem Schritt bewußt war, vielmehr vermöge der ständig neuen Partialdeckungen ein immer wieder verschiedenes. In jedem Schritt wird das einzeln Ergriffene durch die Deckung dem Sinngehalt des Substrates einverleibt. Die einzelnen Ergreifungen verwandeln sich nicht in bloß behaltende Einzelgriffe, wie beim Noch-behalten in der schlichten Betrachtung oder im Übergang zu einem neuen Gegenstand, sondern sie verwandeln sich in Modifikationen des Gesamtgriffs, bzw. in Bereicherungen seines Inhaltes. In den bisherigen Klärungen ist schon beschlossen, daß die Art des Noch-behaltens des S und diejenige der α, β ... eine wesentlich verschiedene ist. Auf der einen Seite haben wir die stetige urquellende Aktivität des einsetzenden Ergreifens und aktuell Im-Griff-haltens - was ein kontinuierlich fortgehendes Greifen und Im-Greifen-haben ist - solange bis die Explikation beginnt, und danach die modifizierte Aktivität des sekundären Noch-im-Griff-behaltens. In beiden zu einer stetigen Einheit zusammengeflossenen Formen ist und bleibt das aktive Ich kontinuierlich auf das S gerichtet. Auf Seiten der Explikate hingegen sind die Phänomene andere. Wieder wandelt sich die einsetzende und urquellend fortgehende Aktivität, in der ein Explikat zur ursprünglichen Erfassung kommt und seine Zeit verbleibt, wenn ein neues Explikat erfaßt wird. Jenes wird ja nicht fallen gelassen, es bleibt während des ganzen fortgehenden Prozesses in Geltung. Insofern sprechen wir auch hier davon, daß es noch im Griff bleibt. Aber hier hat dieses Behaltenbleiben seine ausschließliche Quelle in der beschriebenen Intentionalität der aktiven Deckung, der gemäß das Explikat und jedes weitere in das S als Bestimmungsstück aufgenommen wird, als hinfort sinnbestimmender Niederschlag des S verharrend. Das S ist nach der Explikation des α das Sα, nach Auftreten des β das (Sα)β usw. so sind die α, β usw. nicht mehr, weder primär, noch sekundär erfaßt, das Ich ist nicht mehr speziell darauf gerichtet; aber es ist auf das S gerichtet, das sie als Niederschläge in sich birgt. Danach sehen wir, daß die Intentionalität einer Explikation beständig in Bewegung ist, in einer kontinuierlichen inneren Abwandlung und zugleich in einer Diskretion von Schritten, durch deren Intentionalität doch eine Kontinuität hindurchgeht. Diese Kontinuität ist eine beständige Synthesis der Deckung, die sowohl die Auffassungsinhalte betrifft als auch die Aktivitäten selbst; das tätige Erfassen und Gerichtetsein auf das "Ganze" oder, richtiger gesprochen, auf das Substrat S ist implizit "mit"-gerichtet auf die α ..., und im "Auftreten" des α wird das S "im Hinblick" auf das α erfaßt, entfaltet. Haben wir uns dieser Eigenart des Prozesses der Explikation versichert, so ist es nun leicht, ihn von einer verwandten und doch davon streng zu scheidenden Art von Synthesis abzuheben, derjenigen die in der Mehrheitserfassung stattfindet. Freilich auch eine Mehrheit, z. B. eine Sterngruppe, eine Gruppe farbiger Flecken, kann aufgrund einer einheitlichen Abhebung und Affektion zu einem einheitlichen Thema werden und als das eine Explikation in die gegenständlichen Einzelnen als bestimmende Teile erfahren. Dann haben wir nur einen speziellen Fall der Explikation vor uns. Ein idealer Grenzfall ist es auch, wenn die Mehrheit als einheitliches Ganzes aufgefaßt wird und jede mehrheitliche Apperzeption fehlt. Aber der Normalfall ist der, daß im Voraus die konfigurative Einheit als mehrheitlich seiende als Mehrheit von Gegenständen apperzipiert und diese Apperzeption "verwirklicht" wird. Das heißt, die Abhebung des mehrheitlich Seienden führt nicht zu einer einheitlichen gegenständlichen Zuwendung, vielmehr erregen die einzelnen Glieder der Mehrheit von vornherein das Interesse und werden alsbald einzeln thematisch: einzeln und doch wieder nicht bloß vereinzelt, sondern thematisch sich verkettend; sofern nämlich das Interesse der sich schon im Hintergrund assoziierenden Gleichheit oder Ähnlichkeit mit sonstigen Momenten einer konfigurierenden Assoziation folgt, und jedes Einzelinteresse durch eine Art Interessendeckung nicht nur jedem neuen Einzelnen zugute kommt, auf es überströmend, sondern auch jedem schon vorher Erfaßten, an ihm haften bleibend. Indem sich nun das Interesse einzeln erfüllt und zu neuen Einzelheiten forttreibt, erwächst ein einheitlich aktiver Prozeß, in dem jedes schon Erfaßte noch im Griff bleibt, so daß in der Tat nicht nur ein Nacheinander von Aktivitäten, sondern eine Einheit verharrender Aktivität durch das Nacheinander hindurch erwächst. Dabei bewegt sich die durchlaufende Aktivität beständig auf einem verharrenden Untergrund der in iner einheitlichen Konfiguration kontinuierlich erscheinenden Mehrheit; also in gewisser Weise haben wir es auch hier mit Partialerfassungen innerhalb eines bewußtseinsmäßigen Ganzen zu tun. Aber wie weit die Analogie mit dem Fall der Explikation eines einzelnen Gegenstandes auch reicht, und wie sehr, was wir bis zum letzten Punkt am Prozeß des Durchlaufesn einer Mehrheit aufgewiesen haben, im Wesentlichen auch für die Explikation unserer Sphäre gilt: eine wesentliche Differenz springt doch in die Augen. Zur Explikation gehört der thematische Gegenstand, der expliziert wird und in ihr den Charakter des Substrates für seine Explikate annimmt. Im jetzigen Fall ist aber die Mehrheit, so sehr sie als einheitliche Konfiguration ursprünglich anschaulich erscheint, kein Ziel aktiver Tätigkeit, kein Ziel erfahrender Kenntnisnahme. Sie ist nicht von vornherein ergriffen und in den Einzelerfassungen noch im aktiven Griff; im Fortgang der Einzelerfassungen tritt nicht jene eigenartige Partialidentifikation ein die wir explikative Deckung nannten - eine Deckung, an der die beiderseitigen Aktivitäten beteiligt sind. Es ist auch klar, daß die Einzelaktivitäten im mehrheitlichen Durchlaufen aus eben diesem Grund nicht aus demselben Prinzip einig sind, wie diejenigen der Explikation. Im allgemeinen ist im mehrheitlichen Durchlaufen die Einheit der Aktivitäten nicht durch Aktivität, sondern durch Verbindung aus Quelen der Passivität hergestellt. Wenn mit dem Durchlaufen zugleich ein aktives Zusammennehmen stattfindet, steht es damit freilich anders. Aber dann ist die verbindende Aktivität offenbar eine ganz andere als die, welche der Explikation eine Einheit gibt. Es ist eine später noch zu besprechende höherstufige Aktivität, eine Spontaneität, in der die Mehrheit sich als eigener Gegenstand, als "Menge" konstituiert. In der Explikation als solcher aber vollziehen wir keine eigenen Zusammennehmungen der Explikate; es bedarf eines besonderen, neuartigen Interesses, um die Explikation auch in der Form einer die Explikate kollektiv verkettenden zum Vollzug zu bringen. Jedoch für die Explikation in ihrem normalen Ablauf ist ein solches kollektives Zusammennehmen der Explikate nicht nötig. Sie hat von vornherein ihre Einheit dadurch, daß das Objekt kontinuierlich das Thema ist und als das beständig im Griff bleibt in einer modifizierenden Aktivität der beschriebenen Art. ![]() ![]() |