![]() |
![]() ![]() ![]() ![]() | |||
Das Ich als Grundproblem der Metaphysik [3/4]
Erster Teil Das Problem des Ich in der neueren Philosophie Das Problem des Ich ist in der Geschichte der Philosophie ein verhältnismäßig junges. Die antike Philosophie kennt es noch nicht. Ein Volk, wie die Griechen, bei welchem die naive Überzeugung von der Einheit des Geistigen und Natürlichen sich in seinem ganzen Denken, in allen seinen Gewohnheiten und Handlungsweisen ausspricht, vermag auch in seiner Philosophie den Gedanken des subjektiven, ideellen Seins noch nicht im Gegensatz zum realen Sein zu fassen, am wenigsten aber ist es schon imstande, den Begriff der geistigen Subjektivität zu demjenigen des Ich, als seinem Kern und Zentrum, zuzuspitzen und dieses als eine besondere Realität der objektiven Natur gegenüberzustellen. Zwar hat PLATO mit seiner Ideenlehre den Bruch mit dem griechischen Geist insofern vollzogen, als er das geistige Sein vom natürlichen abgesondert und, was mehr ist, seinen Wert vor diesem letzteren erkannt hat. Indessen haben doch auch die Ideen PLATOs mehr ein objektives Naturdasein, als daß sich in ihnen der wahre Gegensatz zwischen beiden schon klar herausgebildet hätte. Darum konnte PLATO in seinem "Phaedon" es unternehmen, die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen, ohne dabei die Frage aufzuwerfen, ob und inwieweit zugleich auch ein Bewußtsein der Fortdauer erhalten bleibt. Er kannte eben, wie VOLKELT hieraus mit Recht geschlossen hat, die eigentliche Bedeutung des Bewußtseins noch gar nicht, das Bewußtsein war ihm selbst noch kein Objekt des Bewußtseins (1). Aus demselben Grund aber hat auch ARISTOTELES, obgleich ihm das Wissen um das Wissen nicht fremd war und er den richtigen Begriff des Selbstbewußtseins in seiner bekannten Darstellung der Vernunft gestreift hat (2), sich dennoch auf eine nähere Erörterung desselben nicht eingelassen. Allen diesen Philosophen erschien es noch als selbstverständlich, daß Begriff und Gegenstand einander entsprechen, sie machten sich noch keine Gedanken darüber, wie der Inhalt in unser Bewußtsein hineinkommt, d. h. sie gingen über das erkenntnistheoretische Problem mit einer Sorglosigkeit hinweg, die wir heute kaum noch recht verstehen können. Über diese Betrachtungsweise ist auch der Neuplatonismus im Wesentlichen nicht hinausgekommen, obwohl gerade PLOTIN mit seiner Auffassung des Selbstbewußtseins als einer Reflexion, wodurch das Subjekt von dem mit ihm identischen Objekt zu sich selbst zurückkehrt, vor allem aber durch seine tiefsinnigen Untersuchungen über das Wesen des Geistes auch in dieser Hinsicht den Höhepunkt der antiken Philosophie erklommen und die neueren Spekulationen über das Ich in einer Weise vorbereitet hat, die im späteren Begriff der intellektuellen Anschauung wiederklingt. Wie hier, so ist es auch bei jenem der Nous, die göttliche Vernunft oder das Denken des Denkens, das im Selbstbewußtsein in das endliche Subjekt hineinscheint, und der Akt des Selbstbewußtseins ist demgemäß ein Sicherleben zum Nous, wodurch er in seiner Reinheit und Wesenheit erkannt wird. Indessen erklärte doch erst AUGUSTIN das Ich für den eigentlichen Kern des geistigen Seins und nahm er den Beginn der modernen Philosophie voraus, indem er das eigene subjektive Sein als das erste und unmittelbar Gewisse hinstellte. "Nicht aus dich selbst hinaus, sondern in dich gehe, im Innern des Menschen selber wohnt die Wahrheit!" Die Seele kennt nichts besser als sich selbst; sie kann an den äußeren Objekten zweifeln, aber sie kann nicht daran zweifeln, daß sie zweifelt. Damit war nun in der Tat die antike Philosophie in ihr Gegenteil aufgehoben und der Schwerpunkt vom Äußeren in das Innere, vom Objektiven in das Subjektive verlegt, womit die Behandlung des Ichproblems erst angebahnt war. Wenn es trotzdem noch so lange gedauert hat, ehe jener Gedanke der Unmittelbarkeit des Ich für die Philosophie wahrhaft fruchtbar gemacht werden konnte, so liegt das an dem eigentümlichen Charakter der mittelalterlichen Spekulation, die viel zu sehr auf das Jenseits und die praktischen Beziehungen des Individuums zur Ökonomie des Weltalls gerichtet war, um Zeit und Aufmerksamkeit für eine nüchterne Untersuchung der eigenen psychologischen Beschaffenheit zu haben. Die antike Philosophie war, wie das ganze antike Denken überhaupt, ihrem Wesen nach auf äußere, sinnliche Anschauung gegründet und konnte daher das Ich nicht zum Problem erheben, weil dieses in der äußeren Anschauung nicht vorkommt. Die mittelalterliche Philosophie mußte es ebenso auf der Seite liegen lassen, weil sie ganz und gar auf Offenbarung gegründet war, die Offenbarung aber das Ich als selbstverständliche Voraussetzung betrachtet. Daher konnte erst die neuere Philosophie, welche der sinnlichen Anschauung der Antike und der Offenbarung des Mittelalters die Alleinherrschaft der Vernunft entgegengestellt hat, die wahre Bedeutung des Ich für die Lösung des Weltproblems begreifen und mußte sie ihre Untersuchung mit dem Ich beginnen, gerade weil es bis dahin für etwas Selbstverständliches gegolten hatte. I. Das Ich als Bewußtseinsform 1. Der Dualismus Descartes und der Okkasionalismus Es ist die große Tat des DESCARTES, wodurch er sich mit Recht den Titel des Begründers der neueren Philosophie verdient hat, daß er diesen Zusammenhang des Ich mit der Vernunft erkannt und mit der Behauptung der unmittelbaren Realität des Selbstbewußtseins den Schwerpunkt der philosophischen Untersuchung von der Außen- in die Innenwelt verlegt hat. Bekanntlich hat DESCARTES damit begonnen, das reale Sein, das die Antike sich durch die sinnliche Anschauung, das Mittelalter durch die Offenbarung hatte verbürgen lassen, überhaupt für zweifelhaft zu halten. Denn daß es Wahrheiten gibt, unumstößliche Wahrheiten, und daß sie auch als solche von uns erkannt werden können, das ist die Voraussetzung allen Denkens, ohne welche es müssig wäre, die Operation des Denkens anzustellen, und die auch durch jede mathematische oder rein logische Erkenntnis, z. B. durch den Satz der Identität bewiesen wird. Auch das kann nicht der Sinn jenes Zweifels sein, die Realität als solche in Frage zu stellen. Irgendeine Realität muß ja den Dingen natürlich zukommen, sonst gäbe es ja auch kein Bewußtsein von ihnen. Die Frage kann also nur sein, was für eine Art von Realität dies ist, ob sie eine bloß ideelle, oder eine reale, oder ob sie vielleicht eine Mischung aus beiden ist. Ich nehme Gegenstände außerhalb von mir wahr - sie sind farbigf, ich höre Töne, fühle weich und hart. An all dem ist nicht zu zweifeln; es würde ganz ebenso sein, auch wenn ich träume. Aber daß mir überhaupt im Traum eine Welt erscheint, die sich inhaltlich von derjenigen im wachen Zustand nicht unterscheidet, daß ich Gegenstände außerhalb von mir wahrnehme, auch dann, wenn sie, wie im Traum, bloß in mir, bloße Bilder meines träumenden Bewußtseins sind, das eben macht mich stutzig und legt mir die Frage nahe, ob denn auch wirklich irgendwelchen Gegenständen ein Sein außerhalb meines Bewußtseins zukommt. Ich habe kein Mittel, um den Traum vom Wachen zu unterscheiden; wer beweist mir, daß ich nicht am Ende immer träume, daß der instinktiv gesetzte Unterschied zwischen Traum und Wachen nicht vielleicht bloß auf einen Unterschied zweier verschiedener Phasen innerhalb desselben Traums hinausläuft? Ich nehme für gewöhnlich an, der geträumte Gegenstand ist nur in meiner Vorstellung wirklich, seine Existenz erschöpft sich in dem von mir Geträumtsein. Allein wenn Traum und Wachen sich inhaltlich nicht unterscheiden, wie kann ich wissen, ob nicht alle Realität überhaupt bloß eine solche ideelle Realität ist, woher nehme ich das Recht, den im wachen Zustand wahrgenommenen Gegenständen ein anderes Sein als ein solches in der Sphäre des Bewußtseins zuzuschreiben? Wir wissen also nicht, ob es etwas gibt, was außerhalb unserer Vorstellungen ein reales Sein besitzt. Insbesondere ist das Sein der Außenwelt in alle Ewigkeit nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Denn ich weiß von ihr nur durch die Vermittlung meiner Sinne. All unser Wissen hinsichtlich der Realität der Dinge ist zweifelhaft. Nur am Zweifel selbst kann nicht gezweifelt werden. Nun heißt aber Zweifeln nichts Anderes als Denken, und dieses setzt wiederum ein Ich voraus, das die Tätigkeit des Denkens ausübt. Folglich muß ich, um zu zweifeln, existieren, und zwar als ein denkendes Ich existieren. Es ist möglich, daß es keine Gegenstände außerhalb von mir gibt, daß jener ganzen sinnlich wahrgenommenen Welt keine Wirklichkeit außer in meinem Denken zukommt: ich kann nicht bestreiten, daß zumindest dies ein Denken ist, daß Ich es bin, der die Funktion des Denkens ausübt. Es ist möglich, daß ein allmächtiger Betrüger mir nur den Schein des Realen vorgaukelt: er könnte mich doch nicht täuschen, wenn ich nicht existiere, und er könnte nicht bewirken, daß ich nicht real bin, solange ich denke, daß ich bin. Es ist möglich, daß ich keine Augen habe, um zu sehen, sondern mir dies nur denke; aber es ist unmöglich, daß, wenn ich zu sehen denke, ich nicht selbst ein denkendes Reales bin. Ich denke, also bin ich: Cogito ergo sum. An diesem Felsen prallen alle Zweifel ab und versichern mir nur umso gewisser, daß es außer dem ideellen auch noch ein reales Sein gibt, ein Sein, das selbst nicht wieder Vorstellung oder abhängig von irgendeiner Vorstellung, sondern wovon alle Vorstellung abhängig ist. Ich denke, also bin ich: das ist kein Schluß, als ob ich mir das Sein nur zuschreiben würde, weil ich denke. Vielmehr ist der Satz unmittelbar gewiß, eine selbstevidente Wahrheit, wie die mathematischen Axiome, die ich nicht aussprechen kann, ohne sie eo ipso [schlechthin - wp] zu bejahen. Wenn ich also sage: "Ich denke", so sage ich damit zugleich: "Ich bin." Das ist nur ein verschiedener Ausdruck für dieselbe Sache. Statt deshalb zu sagen: "Cogito ergo sum, ich denke, also bin ich", kann ich ebenso gut sagen: "Sum cogitans, ich bin denkend." Aber ich kann nicht mit der gleichen Sicherheit behaupten: "Ich atme oder ich gehe spazieren, also bin ich." Denn das sind beides körperliche Zustände, deren Erkenntnis mir nur durch die Sinne vermittelt ist. Ich könnte mir ja bloß einbilden, daß ich mich von der Stelle bewege, wie z. B. im Traum. Mein Spazierengehen ist also möglicherweise bloß ideeller Art; mein Zweifel über die Art des Seins wird dadurch nicht gehoben. Wohl aber kann ich sagen: "Ich glaube oder ich bilde mir ein, spazieren zu gehen, also bin ich." Denn das ist eine geistige Tätigkeit, die durch sich selbst bezeugt wird. Im Denken meiner selbst besitze ich ein reales Sein oder werde ich eines solchen unmittelbar inne. DESCARTES kennt keinen Zustand, keine Tätigkeit, keine Funktion, die nicht die Tätigkeit eines tätigen Subjekts und damit eines Seienden, Realen ist. Alle meine übrigen Tätigkeiten aber können auch bloß gedachte sein; das Denken allein kann von mir nicht abgetrennt werden. Daher ist auch das Ich, als Subjekt des Denkens, ein reales Sein, weil die Tätigkeit des Denkens als solche nicht wiederum gedacht ist. Während überall sonst der Unterschied zwischen meinem Denken und dem Seienden bestehen bleibt, mein Denken also gleichsam nur die Oberfläche des Seienden beleuchtet, ohne eine nähere Verbindung mit ihm einzugehen, so kommt es beim Ich gleichsam hinter das Sein und löst es mit Haut und Haaren in die Form des Wissens auf. In dem "Ich denke" spieße ich sozusagen den Schmetterling des Seins, der sich überall sonst hinter meinen Gedanken verbirgt, wie auf einer Nadel auf und lasse seine Flügel in der Sonne des Denkens funkeln. Das Denken also erschöpft das Sein des Ich, denn dieses ist unmittelbar im Denken. Folglich kann es im Ich auch keine Elemente geben, die sich der Auflösung in das Denken widersetzen, oder mit anderen Worten: alle besonderen Äußerungsweisen und Funktionen des Ich sind ihrer eigentlichen Natur nach ein Denken. Nicht nur das Vorstellen und Erkennen, sondern ebenso auch das Empfinden, Fühlen und Wollen müssen unter der Kategorie des Denkens begriffen werden. Das ist kein Resultat der Selbstbeobachtung, sondern es folgt einfach aus der Bestimmung des Ich als Denken. Nun bin ich mir im Ichgedanken der Realität meiner selbst bewußt, mein Denken ist also ein bewußtes Denken. Daraus ergibt sich, daß auch alle jene Tätigkeiten des Ich an der Form des Bewußtseins Teil haben müssen. Es gibt keine psychische Funktion in uns, die als solche nicht eine bewußte wäre. Wenn ich z. B. will, so weiß ich zugleich auch, daß ich will. Sind aber alle besonderen Funktionen des Ich nur ebenso viele bewußte Äußerungsweisen des Denkens oder modi cogitandi, was ist dann das Denken selbst? Die Modi sind nicht ohne das Denken, wohl aber ist das Denken ohne sie. Sie Modi werden nur durch das Denken erkannt und begriffen, das Denken aber wird durch sich selbst begriffen. Es ist dem Ich nicht wesentlich, Empfinden, Fühlen, Wollen zu sein, wohl aber ist es ihm wesentlich, Denken zu sein. Das (bewußte) Denken also ist die Eigenschaft, ohne welche das Ich nicht gedacht werden kann, und die sein Wesen oder seine eigentümliche Natur ausmacht, wodurch es sich von anderem Realen unterscheidet. Diese seine Grundeigenschaft nennt DESCARTES das Attribut des Ich im Gegensatz zu den Modis oder Akzidenzen. Indessen ist doch auch das Denken eben nur Eigenschaft, nur Prädikat des Ich und setzt daher das letztere als Subjekt voraus, dessen Eigenschaft es ist, oder woran es, als an seinem realen Substrat, haftet. Wie die Modi nicht sind ohne das Attribut des Denkens, so ist auch das Denken nicht ohne dieses Substrat. Folglich bedarf es, als Voraussetzung des wesenhaften Denkes, keines Anderen weiter, um zu existieren. Es ist ein von keinem mehr abhängiges, ein unbedingtes, ursprünglich und selbständiges Reales, und wird in dieser Hinsicht von DESCARTES auch als Substanz bezeichnet. Substantia est res, quae ita existit, ut nulla alia re indigeat ad existendum. [Eine Substanz ist ein Ding, das so existiert, dass es kein anderes Ding braucht, um zu existieren. - wp] Wie das Denken das Attribut des Ich, so ist folglich das Ich das bewußte Denken, so wie es als Substanz gedacht ist. Als solches aber ist es das Bewußtsein. Der substantielle Träger der psychischen Funktionen heißt Seele oder Geist. Folglich ist das Ich die Seele oder der Geist, und was von jenem gilt, das findet zugleich auch auf die Seele und den Geist Anwendung. Besteht also das Wesen des Ich im Denken, so auch dasjenige der Seele; und ist das Ich Bewußtsein, so hat auch die Seele nicht bloß Bewußtsein, sondern ist sie selbst Bewußtsein. Als denkendes Bewußtsein aber, das alles Sein bestimmt, ist die Seele die Vernunft. Indem also DESCARTES das Ich zum Prinzip der Wirklichkeit erhebt, so setzt er damit zugleich die Vernunft (ratio) auf den Thron des philosophischen Denkens und wird damit zum Begründer jener Geistesrichtung, die unter dem Namen des Rationalismus die ganze geistige Entwicklung der Folgezeit bestimmt hat. Das Wesen des Rationalismus besteht bekanntlich darin, das bloße Nachdenken über die Natur der Prinzipien an die Stelle der Beobachtung und des Versuchs, die "reine Vernunft" oder das Wissen a priori an die Stelle der Erfahrung und ihrer aposteriorischen Erkenntnis zu setzen. Denn die Erfahrung ist, wie wir gesehen haben, nicht imstande, unsere Zweifel hinsichtlich der Wirklichkeit zu beseitigen, und nur das reine Denken führt uns zu gewissen Resultaten. Ist aber erst einmal im Ichgedanken die Überzeugung einer Wirklichkeit gewonnen, dann braucht man sich nur darüber klar zu werden, worauf sich jene Überzeugung gründet, um alsbald von diesem festen Punkt aus zugleich auch alle übrige Realität zu bestimmen. Dieses Kriterium der Gewißheit findet DESCARTES nun darin, daß jenes unser Wissen von der Realität des Ich eine "klare und deutliche Erkenntnis" darstellt. Alles demnach, was ich ebenso klar und deutlich, wie meine eigene Existenz, erkenne, das ist auch eben deshalb ein reales Sein, und seine Erkenntnis ist apodiktisch gewiß, weil sie ebenso rein aus dem Wesen der Vernunft geschöpft ist. Zwar erfasse ich unmittelbar nur mich selbst und erkenne ich nur mein eigenes substantielles Ich in intuitiver Weise; allein damit ist doch nicht gesagt, daß es außer mir keine Dinge geben kann. Vielmehr drängt sich mir mit derselben Klarheit und Deutlichkeit, womit ich mich erkenne, auch die Annahme von außer mir vorhandenen Ichen, von Seelen oder Geistern auf, und erkenne ich auch die Körper als reale Wesen, die unabhängig von mir selber existieren und den geraden Gegensatz zu jenen Seelen bilden. Der Körper hat eine fest umschriebene Gestalt, nimmt eine bestimmte Lage ein und kann sich bewegen. Das Ich kann nur denken, fühlen, wollen, vorstellen usw., und eine Gestalt kann man ihm nicht zuerkennen. Gestalt, Bewegung, Lage setzen den Raum voraus und sind äußerliche Momente. Die Zustände und Tätigkeiten des Ich sind ganz unabhängig vom Raum und haben nur statt in einer rein innerlichen Welt. Diese letzteren finden ihre gemeinschaftliche Form im Denken. Jener ersteren finden sie dagegen in der Ausdehnung. Denken und Ausdehnung aber haben untereinander nur das gemeinsam, daß beide bloß als Eigenschaften (Attribute) an Substanzen haften können. Wenn nun das Attribut der Ausdehnung begriffen werden kann ohne Rücksicht auf das Denken, dieses letztere aber ebenso ohne Rücksicht auf die Ausdehnung, so folgt, daß auch die Substanz des Körpers und die Substanz des Denkens oder das Ich sich gegenseitig ausschließen und daß somit eine Gemeinschaft zwischen ihnen nicht bestehen kann. Damit istder extreme Dualismus begründet. Der Körper kann deutlich erkannt werden ohne das Attribut des Geistes, der Geist ganz ebenso ohne das Attribut des Körpers: folglich sind sie auch beide voneinander unabhängig. Der Geist ist unausgedehnt, der Körper ohne Denken. Geist und Körper sind einander entgegengesetzte Realitäten, Substanzen, die so beschaffen sind, daß jede von ihnen das ist, was eben deshalb die andere nicht ist. Auf der einen Seite steht die Welt der substantiellen Iche, der Seelen oder Geister, auf der anderen die Körperwelt - das alles aber als Resultat einer klaren und deutlichen Erkenntnis. Diese reinliche Scheidung zwischen Körper und Geist hat ihre Früchte vor allem auf naturphilosophischem Gebiet getragen. Sie hat einen Begriff der Materie erzeugt, der jede Vermischung mit psychischen Faktoren ausschließt und ihr Wesen überall nur als Ausdehnung gelten läßt. Daß die Materie nicht denken kann, wird zu einem Fundamentalsatz dieses Systems, der lange auch in der Philosophie der Folgezeit noch nachgewirkt hat. Jede Kraft wird aus der Natur verbannt, jeder Gedanke an eine Zweckverknüpfung beim Zusammenwirken der materiellen Elemente ausgeschlossen. Die Materie wird sozusagen auf ihre eigenen Füße gestellt, um zu zeigen, was sie für sich allein als Erklärungsprinzip zu leisten vermag. Aus der mythologisch-phantastischen Naturanschauung jener Zeit mit ihrer unklaren Vermischung von geistigen und körperlichen Elementen entwickelt sich eine rein mechanische Theorie der äußeren Erscheinungen, welche die Mathematik in ihren Dienst nimmt und den Anspruch erhebt, an Evidenz und Sicherheit ihrer Resultate es mit den geometrischen Lehrsätzen aufnehmen zu können. Der Begriff der Natur, den das Mittelalter nicht gekannt, und womit bis dahin die sogenannte Naturphilosophie der Renaissance, ein PARACELSUS, CARDANUS, TELESIUS, CAMPANELLA usw. vergeblich gerungen hatte, empfängt zum ersten Mal seine philosophische Bestimmung, die eine eigentliche, d. h. methodische, Naturwissenschaft ermöglicht. Viel weniger günstig als auf naturphilosophischem Gebiet sind die Folgen, die sich für die Geistesphilosophie aus den prinzipiellen Bestimmungen des DESCARTES ergeben. Schon darin liegt eine Schwierigkeit, wie bei der Identifikation des Ich mit der Vernunft die unvernünftigen Handlungen des ersteren, die Irrtümer usw. sich erklären lassen. Vor allem aber führt die obige Scheidung zwischen Geist und Körper hier zu Konsequenzen, die für das ganze System als solches verhängnisvoll werden. Denn während die Materie von jeder Vermischung mit psychischen Elementen sich freihalten läßt, so ist dagegen der Geist nicht ohne die Körperwelt zu denken, schon deshalb nicht, weil ein großer Teil seines Inhalts, wie die sinnlichen Empfindungen, eine offenbare Hindeutung auf das materielle Sein enthält. Es besteht also tatsächlich eine Beziehung zwischen Geist und Körper, ja, die Seele ist nicht bloß im Körper gegenwärtig, wie der Steuermann in seinem Schiff, sondern sie ist mit ihrem organischen Leib so eng verbunden, daß beide eine untrennbare Einheit bilden. Wie reimt sich dies mit ihrer substantiellen Natur zusammen, infolge wovon sie sich gegenseitig ausschließen sollen? Die Vernunft muß ihre Unfähigkeit eingestehen, hierüber Auskunft geben zu können. Jene Einheit ist auch gar nicht aus der Vernunft erschlossen, sondern sie ist einfach eine Tatsache der Erfahrung. Allein sie muß doch wenigstens klar und deutlich eingesehen werden können, wenn die Vernunft ihre Alleinherrschaft behaupten soll. DESCARTES sucht sich dadurch zu helfen, daß er das Gebiet des seelischen Lebens möglichst einschränkt und alles, was etwa für eine Folge des Zusammenwirkens von Geist und Körper gehalten werden könnte, als einen rein äußerlichen Vorgang deutet. Darum leitet er die natürlichen Verrichtungen des Körpers aus dem bloßen Mechanismus der sich bewegenden materiellen Elemente desselben her und spricht er den Tieren die seelische Innerlichkeit ab, indem er sie für bloße "wandelnde Maschinen" ausgibt. Die Berechtigung zu dieser letzteren Behauptung schöpft er offenbar nur aus seiner Identifikation von Seele und Ich, denn klarer und deutlicher scheint nichts, als daß den Tieren der Ichgedanke nicht zukommen kann. Ist aber die Tierwelt eine gefühl- und seelenlose Welt, dann ist auch das Vorurteil gegen das Tierexperiment beseitigt, und jene Annahme gibt damit die Möglichkeit an die Hand, die mechanistische Auffassung auch auf dem Gebiet der Organismen durchzuführen. So absurd und empörend uns daher auch heute die kartesianische Auffassung der Tierwelt scheinen mag, sie hat doch für ihre Zeit eine große Bedeutung gehabt, indem sie den Prinzipien der modernen Naturwissenschaft den Zugang in die Anatomie und Physiologie gebahnt hat. Es ist kein Zufall, daß gerade diesen beiden Wissenschaften unter dem Einfluß des Kartesianismus einen besonderen Aufschwung genommen haben und daß eine Anzahl bedeutender Ärzte aus der Schule des DESCARTES hervorgegangen ist. Indessen wie sehr auch durch die erwähnte Annahme das Gebiet der Wechselwirkung von Geist und Körper eingeschränkt sein mag, es bleiben doch immer noch genug Tatsachen übrig, die sich ohne eine solche Wechselwirkung nicht erklären lassen. Das gilt insbesondere von den willkürlichen oder automatischen Handlungen. Diese müssen aus der Seele stammen, oder man sieht nicht, welchen Zweck die Annahme einer solchen überhaupt haben soll. Das gilt aber ebenso auch von den Vorstellungen, welche die Seele nachweislich aus dem Körper empfängt. Daß mein Wille meinen Arm bewegt und daß ich Schmerz empfinde, wenn Jemand mir eine Wunde zufügt, ist nur zu erklären, wenn zumindest an einem Punkt meines Körpers die reine Mechanik dieses letzteren durch ein entgegengesetztes Prinzip bestimmt wird. Daraus entspringt dann die berüchtigte Frage nach dem Sitz der Seele und das andere nicht minder bedeutsame Problem des Seelenorgans, d. h. der Art und Weise, wie Seele und Körper ihre wechselseitigen Einwirkungen aufeinander vermitteln. DESCARTES ist deswegen der Erste gewesen, der die Frage nach dem Sitz der Seele aufgeworfen hat. Schon die alten Juden hatten diesen in das Blut verlegt und darum den Genuß des letzteren verboten. Andere hatten dagegen das Herz, die Eingeweide, die Leber oder Brust für das Zentrum der psychischen Funktionen angesehen, und auch die Annahme des PYTHAGORAS, daß die Seele in näherer Beziehung zum Gehirn steht, scheint keineswegs eine allgemeine Zustimmung gefunden zu haben. Konnte doch noch PLATO eine denkende, empfindende und begehrende Seele unterscheiden und diese verschiedenen Bestimmungen auf das Haupt, die Brust und den Unterleib verteilen. Wohl aber hat DESCARTES die Frage dadurch in eine neue Bahn gelenkt, daß seine Identifizierung der Seele mit dem Ich die Annahme getrennter Seelenteile ein für alle Mal beseitigt und die Seele auf das Zentrum des Gehirns beschränkt hat, weil hier allein von einem Ich die Rede sein kann. Allein auch so schien sie noch mit dem Prädikat der Räumlichkeit behaftet, woran sie ihrem Wesen nach keinen Anteil haben durfte. Darum schränkte DESCARTES den eigentlichen Sitz der Seele auf einen einzigen bestimmten Punkt des Gehirns, die Zirbeldrüse, ein, weil diese, als das einzige unpaarige Organ an jener Stelle, in der Tat zugleich der Mittelpunkt des gesamten Körpers zu sein schien. Seitdem ist die Frage nach dem Sitz der Seele nicht zur Ruhe gekommen. Sogar auf die Anatomie hat sie hinübergewirkt und die Forscher lange Zeit hindurch veranlaßt, einen solchen Punkt in der Struktur des menschlichen Körpers ausfindig zu machen, worin die Empfindungsnerven zusammenlaufen, und von welchem zugleich die verschiedenen Bewegungsnerven ihren Ausgang nehmen. Denn daß die Zirbeldrüse den Anspruch nicht erfüllt, in diesem Sinn Mittelpunkt des Gehirns zu sein, das konnte sich der Forschung nicht lange entziehen. Ein HALLER verlegte daher den Sitz der Seele in die Varolsbrücke, BOERHAVE in das verlängerte Mark, noch Andere verlegten ihn in die Vierhügel oder erklärten, wie SÖMMERING, die Hirnhöhlen mit dem darin enthaltenen Wasser für das Zentrum der psychischen Funktionen, ja HERBART brachte es sogar, um die Unversehrtheit der psychischen Äußerungen bei körperlichen Verletzungen zu erklären, fertig, den Sitz der Seele innerhalb gewisser Grenzen im Gehirn für verschiebbar auszugeben. Soviel ist jedenfalls sicher, daß die Annahme eines anatomischen Mittelpunktes des Nervensystems mit der Erfahrung nicht vereinbar ist. Je weiter die Anatomie in die Struktur des Körpers eindringt, desto mehr überzeugt sie sich, daß von einem Zusammenlaufen der Nerven in einen einzigen Punkt nicht die Rede sein kann, und so leuchtet schon aus diesem Grund die Wahrheit des Ausspruchs von ENNEMOSER ein, daß die ganzen Bemühungen um die Entdeckung des Seelensitzes nur ein interessantes Kapitel in der Geschichte der menschlichen Narrheiten bilden. Gesetzt jedoch, die Seele hat wirklich ihren Sitz irgendwo im Gehirn, hebt nicht diese Lokalisation, so klein man sich jenen Punkt auch denken mag, den Begriff einer absolut unräumlichen Substanz ebenso auf, als wenn man sich die Seele etwa im ganzen Körper verteilt vorstellen wollte? Oder wie läßt sich eine solche räumliche Fixierung damit vereinigen, daß die Seele ihrem Wesen nach außer aller Beziehung zum Raum stehen soll? Und ferner: wie soll man sich die Wechselwirkung zwischen Seele und Körper denken? DESCARTES nimmt als vermittelnde Organe die sogenannten "Lebens- oder Nervengeister" (spiritus animales sive corporales) an, bewegliche Blutteilchen von äußerster Kleinheit, die beständig unter dem Einfluß der Herzwärme dem Gehirn zuströmen, durch die Bewegung der Zirbeldrüse von Seiten der Seele nach solchen Richtungen in die motorischen Nerven zurückgelenkt werden, daß sie daselbst die gewünschten Bewegungsprozesse auslösen und ebenso auch die Seele veranlassen, auf ihre von den Sinnesorganen herkommenden Bewegungsarten mit besonderen Vorstellungen usw. zu reagieren. Der Wert dieser Hypothese liegt offenbar darin, daß sie auch das Verhältnis der Seele zu ihren Tätigkeiten unter dem Gesichtspunkt des Mechanismus zu begreifen sucht. Allein wer sieht nicht, daß die Bewegung, welche die Seele der Zirbeldrüse erteilt, so unbedeutend sie auch ansich sein mag, dennoch aus dem Rahmen einer streng mechanischen Auffassunsgweise herausfällt? Wer sieht nicht, daß die berühmten Lebensgeister nur in anderer Form den alten Naturalismus, d. h. die Vermischung von psychischen und körperlichen Prinzipien, wieder einführen, dessen prinzipielle Überwindung durch die reinliche Scheindung zwischen Körper und Geist ich oben gerade als ein besonderes Verdienst von DESCARTES erkannt habe? Denn mag man sich die Lebensgeister so fein und ätherisch denken, wie man will, sie bleiben doch körperliche, räumlich ausgedehnte Substanzen und können folglich zur unräumlichen Seele nicht in Beziehung treten. DESCARTES aber bildet sich ein, wenn er die Körper nur möglichst verdünnt und verflüssigt, so werden sie damit zugleich auch der Seele verwandter, er setzt also Unerkennbarkeit für unsere Sinne gleich Immaterialität, ein offenbares Taschenspielerkunststück, das die Unmöglichkeit der Lösung nur verschleiert, nicht beseitigt. Betrachtet man Körper und Geister als verschiedene und einander entgegengesetzte Substanzen, wie DESCARTES bei seiner Grundannahme der Substantialität des Ich es tun muß, so kann die Vermittlung zwischen beiden Reichen nicht innerhalb, sondern nur außerhalb derselben gefunden werden. Daß die Seele an den Leib gebunden ist, das ist nicht in der Natur der beiden Substanzen begründet, sondern es liegt über alle Natur hinaus, ist ein von Gott gewolltes Faktum. Man muß dieses Faktum anerkennen, aber man kann es nicht aus reiner Vernunft begreifen. So gelangen wir zur Annahme des unendlichen Wesens Gottes, das wir ebenfalls als Substanz bestimmen müssen. DESCARTES hat das Dasein Gottes bekanntlich unabhängig von der Rücksicht auf die übrigen Substanzen aus der Idee des Unendlichen in uns zu beweisen versucht. Er hat außerdem zur Stütze dieses seines eigenen Beweises auch das alte ontologische Argument des ANSELMUS wiederum hervorgezogen und aus dem bloßen Begriff des absolut realen Wesens auch die Existenz desselben in der gleichen Weise gefolgert, wie er die Realität des Ich durch das "Ich denke" begründet hatte. Dabei hat er nur vergessen, daß er die reale Existenz des eigenen Ich ja gar nicht erschlossen, sondern sie unmittelbar in der Erfahrung vorgefunden hat. Hiernach gibt es nun also drei Formen der Realität, drei Arten von Substanzen, die sich alle mit der gleichen Sicherheit erkennen lassen: die Ichsubstanzen oder denkende Substanz, als Inbegriff der Seelen oder Geister, die ausgedehnte Substanz, als Inbegriff der Körper, und diesen beiden nebeneinander existierenden Substanzen übergeordnet die göttliche Substanz. Jene bilden zusammen die Welt, das geschaffene oder das endliche Sein, diese dagegen ist das schöpferische, unendliche Sein, welchem jene beiden ihre Existenz verdanken. Hält man am strengen Sinn des Substanzbegriffs fest, wonach er das unbedingte, absolut beständige Sein bedeutet, so gibt es in Wahrheit nur eine Substanz, die unendliche schöpferische göttliche Substanz. Die beiden endlichen Substanzen sind zwar selbständig gegeneinander, sofern eine jede von ihnen auch ohne die ihr entgegengesetzte gedacht werden und existieren kann; allein sie sind beide gleich abhängig von Gott und werden nur von ihm in ihrer Existenz erhalten. - Man brauchte diesem Gedanken des Unterschieds zwischen den endlichen, relativen Substanzen und der absoluten Substanz bloß nachzugehen, um in ihm alsbald die Lösung für die Schwierigkeit zu suchen, wie eine Wechselwirkung zwischen Leib und Seele stattfinden kann. DESCARTES hat selbst schon darauf hingewiesen. ARNOLD GEULINCX fügt dem Argument aus der Wesensverschiedenheit der beiden Substanzen ganz richtig das weitere hinzug, daß eine unmittelbare Wechselwirkung auch deshalb unmöglich ist, weil wir von ihrem Zustandekommen kein Bewußtsein haben. Sind Seele, Ich, Bewußtsein identische Begriffe, dann muß ich auch wissen, wie die Seele es anfängt, eine Bewegung meines Leibes hervorzubringen, denn alle Tätigkeiten meines Ich müssen dann unmittelbar, vom Licht des Bewußtseins durchleuchtet vor mir liegen. Wo nicht, so kann die Tätigkeit auch nicht von mir ausgehen. Dann kann ich nur annehmen, daß Gott dies alles tut, und ich kann meinen Willen, den Arm zu heben, nur mehr als die Veranlassung oder Gelegenheit (occasio) betrachten, wobei mein Arm von Gott gehoben wird. Und ebenso muß ich mir dann auch die Entstehung meiner Vorstellungen erklären. Nicht die Körper wirken auf meine Seele ein, sondern die Körper wirken, und bei Gelegenheit dieser Wirkung ruft Gott in meiner Seele eine dieser Wirkung entsprechende Vorstellung hervor. Daß nun hiermit der OKKASIONALISMUS [Gelegenheitsursachen - wp] die Schwierigkeit wirklich gehoben und nicht vielmehr die Unlösbarkeit desselben auf dem Boden des Kartesianismus eingeräumt hat, darüber braucht man sich keinen Jllusionen hinzugeben. Der Eingriff des außerweltlichen Gottes in die Welt der Geister und Körper bleibt nach wie vor ein Wunder, vor welchem der Verstand umso mehr Ursache hat, einfach still zu stehen, als dieses Wunder sich fortwährend und ohne Unterlass ereignet. Dabei fügt das Zurückgreifen auf Gott zu der bestehenden Schwierigkeit auch noch die hinzu, daß nun ganz in derselben Weise die Vermittlung zwischen Gott und Welt zum Rätsel wird. Denn wie, muß man fragen, kann die göttliche Substanz, die, als geistige Substanz, dem Ich verwandt sein muß, auf die von ihr verschiedenen Körper wirken? Es ist ein Grundsatz des DESCARTES, daß in der Wirkung nicht mehr enthalten sein kann, als in der Ursache. Wenn Gott selbst nicht ausgedehnt ist, wie konnte er die ausgedehnten Substanzen schaffen? - Der Dualismus mit seiner Annahme zweier verschiedenartigen und entgegengesetzten Substanzen scheitert an der Unmöglichkeit, die erfahrungsmäßig gegebene Wechselwirkung zwischen Geist und Körper verständlich zu machen. Ein Ausweg kann nur in einer Vereinfachung der Prinzipien durch die Beseitigung des einen oder Zurückführung des einen auf das andere gefunden werden. Darum sehen wir die ganze Philosophie der Folgezeit sich in der Richtung auf den Monismus hin bewegen. Wo nun aber die Realität des Ich den Ausgangspunkt der philosophischen Bewegung bildet, da kann darüber kein Zweifel sein, ob der Geist oder der Körper dem anderen zu weichen hat. Der Geist gilt für unmittelbar durch das Attribut des Denkens verbürgt. Das kann man jedoch vom Körper nicht behaupten. Die Annahme einer Körperwelt beruth nach DESCARTES auf der Klarheit und Deutlichkeit unserer Begriffe, die wir von ihr haben. Allein vermag uns dieses Kriterium die Selbständigkeit und Unabhängigkeit jener Welt von unserem Bewußtsein zu verbürgen? Klar und deutlich würde sie ja auch von uns erkannt werden, wenn sie bloß als Vorstellung im Bewußtsein existieren würde. Dann hätte sie jedoch nur ein ideelles Sein; das reale aber ist es, dessen ich mich zu vergewissern wünsche. Jenes Kriterium kann also zwar von Nutzen sein, wo es sich bloß um den Inhalt eines Seienden und seinen Unterschied von anderen Objekten handelt; allein über die besondere Art des Seins, ob ich es mit einem realen oder ideellen Sein zu tun habe, darüber vermag es gar nichts festzustellen. Ich kann auch nicht sagen, es müßte deshalb eine Körperwelt außerhalb meines Bewußtseins existieren, weil Gott sonst an mir zum Betrüger werden würde. Die Körper könnten auch bloße Vorstellungen sein, ohne daß ich darum Gott der Unwahrheit zu bezichtigen bräuchte. Denn jenem mir von Gott verliehenen Kriterium der Wahrheit widerspricht es gar nicht, daß die Körper nur ein ideelles Sein besitzen. So liegt dann die Übereilung klar zutage, wenn DESCARTES aus der Deutlichkeit ihrer Erkenntnis sofort auf die substantielle Natur der Körper geschlossen und diese als eine zweite Welt von Realitäten den Ichsubstanzen an die Seite gestellt hat. Erkenne ich nur die Realität des Ich mit absoluter Gewißheit, so berechtigt mich nichts, außer der Welt von Geistern auch noch eine Welt von Körpern anzunehmen. Damit ist an die Stelle des Dualismus von Geist und Körper der reine Spiritualismus gesetzt, der nun selbst wiederum eine verschiedene Form annehmen kann, je nachdem ob man den Körper für eine bloße Vorstellung ansieht, oder ob man die Vorstellung des Körpers in uns zu einem realen Korrelat außerhalb von uns in Beziehung setzt. ![]() |