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JOHANNES von MALOTTKI
Das Problem des Gegebenen
[ 7/7 ]

    - Einleitung - Der Umfang des Problems
I. Der Monismus des Gegebenen:
II a. Der monistische Dualismus
II b. Der erkenntnistheoretische Dualismus
III. Die Logisierung des Gegebenen
IV. Der Monismus der Funktion
V. Das Gegebene als Grenzbegriff
   
"Muß das Gegebene, wie es jetzt erst deutlich geworden ist, notwendig als ein Bewußtseinsfremdes gefaßt werden, dann muß auch der Gesichtspunkt der Realität von ihm durchaus fern gehalten werden. Denn die Realität ist allein eine erkannte. Daran ändert auch die Hypostasierung der Realität zum An-sich-Wirklichen nichts."
   

Fünftes Kapitel
Das Gegebene als Grenzbegriff:
Seine Dialektik


Der Gang der Untersuchung hat uns an den entscheidenden Punkt innerhalb der Problembewegung geführt. Wir kennen die verschiedenen Motive und Grundgedanken, die in den Theorien über den Begriff des Gegebenen am Werke sind. Es bestätigt sich so die in der Einleitung vertretene Annahme, daß es ein bestimmter Grundbestand von Fragenkomplexen ist, der die Problematik des Gegebenen ausmacht. Die verschiedenen Gegebenheitsfassungen, die wir behandelten, erweisen sich ja zuletzt bei aller äußeren Disparatheit der Ergebnisse durch die Stellungnahme zu dem gleichen Fragenbestand verbunden. Die beiden fundamentalen Gesichtspunkte: der Grundsatz der Rezeptivität und der Grundsatz der Spontaneität, waren in jeder der von uns behandelten Auffassungen wirksam. Auch in den monistischen. Wir sahen ja, wie der Monismus des Gegebenen zuletzt nicht ohne den Gedanken der Spontaneität auskommt und im gleichen Maße fand sich der Monismus der Funktion vor die Notwendigkeit gestellt, eine korrelative Grundlage der Gegenstandserkenntnis festzuhalten, die die von ihm behauptete Identität des Gegebenen und der Funktion durchbricht. Daß der logische Absolutismus dem Gedanken der korrelativen Grundlage der Erkenntnis eine Wendung zum rein Bewußtseinsimmanenten gab, konnte uns doch nicht über die Notwendigkeit hinwegtäuschen, ein Verhältnis des Gegenüber zweier nicht identischer Momente als Basis der Wirklichkeitserkenntnis festzuhalten.

Freilich blieb dieses Verhältnis selbst noch unbestimmt. Aber daß das Problem der Gegenstandserkenntnis ein Problem der "Synthesis" ist, diese Überzeugung läßt sich nicht mehr abweisen. Und in dieser Überzeugung bestärken uns nur noch die monistischen Theorien, die mit immanenter Notwendigkeit zu ihrem Gegenpol, also zuletzt doch auf eine Synthesis zweier Momente hingedrängt werden. Auf der anderen Seite erwiesen sich aber auch die dualistischen Standpunkte als irrtümlich. Daß das Gegebene kein Gegenständliches sein kann, weder im transzendenten noch im immanenten Sinn, ist entschieden klar geworden. Ohne die Anteilnahme eines erkennenden Subjekts an der Konstituierung des Gegenstandes war in keinem Falle auszukommen. Dagegen blieb der Grundgedanke eines dualistischen Aufbaus der Erkenntnis bestehen. So hat sich als der Ertrag der gesamten bisherigen Erörterungen die Unabweisbarkeit einer Synthesis als Voraussetzung der Wirklichkeitserkenntnis herausgestellt. In welcher Richtung diese Synthesis gesucht werden muß, kann nach den bisherigen Ausführungen nicht mehr zweifelhaft sein. Wir unterschieden zwei Auffassungen des Begriffs "gegeben", die uns in den verschiedenen Theorien begegneten. Das Gegebene als Voraussetzung und das Gegebene als Ergebnis. Jetzt können wir einen Schritt weitergehen. Es zeigte sich ja, daß das Gegebene nicht im immanenten Sinne bestimmt werden kann. Das Gegebene ist als Ergebnis kein Gegebenes mehr. So bleibt nur noch der Gedanke der Voraussetzungsgegebenheit übrig. Aber auch hier sind wir schon zu entscheidenden Einsichten gekommen. Der Gedanke einer bewußtseinsfremden Voraussetzung für das Denken verbietet von sich aus die Bestimmung des Gegebenen im Sinne einer transzendenten Realität. Muß das Gegebene, wie es jetzt erst deutlich geworden ist, notwendig als ein Bewußtseinsfremdes gefaßt werden, dann muß auch der Gesichtspunkt der Realität von ihm durchaus fern gehalten werden. Denn die Realität ist allein eine erkannte. Daran ändert auch die Hypostasierung [einem Gedanken gegenständliche Realität unterschieben - wp] der Realität zum An-sich-Wirklichen nichts. Ein Gegebenes liegt deswegen in keiner Weise vor. Ein bewußtseinsfremd Gegebenes wird notwendigerweise ein anderes Gepräge haben müssen. So führt uns die immanente Kritik an den verschiedenen Gegebenheitstheorien schon zu einer bestimmten Richtung, in der wir fortschreiten müssen.

Es stellte sich heraus, daß jede Betätigung unseres erkennenden Bewußtseins schon dem Grundsatz der Spontaneität insofern unterliegt, als wir an bestimmte Formen unseres Erkennens gebunden sind. (1) Nun liegt aber in der Sinnanalyse unserer Erkenntnis - und nur so allein können wir einwandfrei vorgehen - doch zugleich dieses: daß wir ein "Etwas" erkennen wollen, das nicht ausschließlich aus den Gesetzmäßigkeiten unseres Denkens erklärt werden kann. Dieser Gedanke des Nichtbewußtseinsinternen, des Bewußtseinsfremden, gehört notwendig zum Begriff einer sinnvollen Erkenntnis. Er bedeutet nur die Anerkennung eines unabweislich aufdrängenden Sachverhalts. Mit dem Begriff der Erkenntnis ist der Begriff der Zweiheit mitgesetzt; denn Erkenntnis bedeutet ihrem Sinne nach die Erkenntnis eines Etwas, das selbst der Erkenntnis "fremd" ist. Diesem Phänomen kann sich unserer Meinung nach niemand entziehen. Das Problem einer Synthesis im Sinne einer Aufnahme eines dem Bewußtsein Fremden mittels der Formen unseres Erkennens ist zuletzt schon in dem Sinn, in der Bedeutung des Begriffs Erkenntnis angelegt. Gehört der Begriff eines Bewußtseinsfremden, eines Gegebenen, zum Begriff der Erkenntnis, dann muß aber auch damit der Gedanke der Spontaneität unseres Denkens eine Einschränkung erfahren. Dem Gegebenen entspricht die Verhaltungsweise des Empfangens, des Hinnehmens, des Anerkennens; mit einem Wort: der Grundsatz der Rezeptivität wir auch jetzt wieder wirksam. Jedoch ist der Sachverhalt verändert. Wir wissen, ein Abbilden eines Gegebenen hat sich als unmöglich herausgestellt. Die Rezeptivität unserer Erkenntnis, sofern sie ja notwendig ein Gegebenes, ein Bewußtseinsfremdes, erkennen will, muß in anderer Weise zur Anerkennung gebracht werden, und zwar derart, daß der Gesichtspunkt der Spontaneität, der Gedanke der Fortgebung, die das Gegebene erfährt, nicht aufgehoben wird. Deshalb kann das Gegebene kein Wirkliches sein. Die Wirklichkeit ist nicht gegeben, sondern ein Ergebnis; Ergebnis aber unseres Erkenntnisvollzuges, der sich in eigentümlicher Weise bestimmt fühlt. Im Sinn der Bestimmung aber liegt dem Begriff nach das Auftreten einer "Eigengesetzlichkeit", die unserem erkennenden Bewußtsein "gegeben" ist. Daß wir beim Vollzug gültiger Erkenntnis uns in einer Weise bestimmt fühlen, die eben aufgrund ihres Bestimmungscharakters auf ein Etwas weist, das nicht als zum Bewußtsein selbst gehörig angesehen werden muß, daß wir also nicht schlechthin willkürlich Denkvornahmen vollziehen können, wenn wir gegenständliche Erkenntnis erreichen wollen, das alles führt zu der Überzeugung, daß das Gegebene nicht ein bedeutungsloses Etwas, chaotisches Material, ungeordneter Stoff usw. sein kann, sondern gleichsam Träger der "Aufforderungen" (2) zu bestimmten Vorstellungs- und Denkvollzügen. Das kann natürlich nur bildlich gemeint sein. Ein gegenständliches Element kann gemäß dem Satz der Spontaneität das Gegebene, das Bewußtseinsfremde, nicht sein. "Das Gegebene ist ja gerade das vor und jenseits aller kategorialen Formung Liegende." (3) Aber eben hier an diesem Punkt dürfen wir nicht in den Fehler verfallen, einen falschen Gegensatz aufzustellen. Kann das Gegebene keine transzendente Realität sein, so muß es darum doch nicht eine immanente Denkbestimmung sein.

Der Begriff des bewußtseinsfremd Gegebenen läßt sich, wie wir ja sahen, weder nach der transzendenten noch nach der immanenten Seite hin allein bestimmen. Seinem elementaren Sinn nach ist das Gegebene ein dialektisches Phänomen. Es bedeutet die Fixierung eines dem Bewußtsein "Fremden", das ihm zugleich aber "gegeben", d. h. auf das Bewußtsein bezogen, sein muß. Diese Doppelseitigkeit der Bedeutung, die dem Gegebenen eigen ist, stellt den Quellpunkt dar, aus dem die beiden Deutungsversuche des Gegebenen im Sinne eines Transzendenten oder eines Immanenten erwachsen sind. Zugleich tritt aber die Einseitigkeit all dieser Versuche jetzt zutage. Sie gehen immer von der einen Bedeutung des Gegebenen aus und vernachlässigen damit die andere. Der eigentliche Sinn des Gegebenen kann nach unserer Meinung nur so seinen adäquaten Ausdruck finden, daß die in ihm enthaltene Dialektik, seine Doppelbedeutung, berücksichtigt wird: die Bewußtseinsfremdheit und die Bewußtseinsbezogenheit. Zwischen Immanenz und Transzendenz liegt der Punkt, in dem die beiden Sphären aneinander grenzen. An diesem Punkt, der sowohl Immanenz wie Transzendenz bedeutet, haben wir das Gegebene anzusetzen als den Grenzbegriff, der seinem Sinne nach als Grenze jene doppelte Bezugsrichtung aufweist, die für ihn charakteristisch ist. Auf dieses Moment der Grenze zwischen Immanenz und Transzendenz stoßen wir unwiderruflich in der Sinnanalyse der Erkenntnis. Hier offenbart sich der bewußtseinsfremde Faktor, der in der Erkenntnis wirksam ist. Er läßt sich nicht aus der Natur unseres Bewußtseins deduzieren, sondern nur in ihm aufzeigen.

Was damit gemeint ist, müssen wir noch verdeutlichen. Zunächst steht fest, daß das Bewußtsein, wenn es wahre, d. h. gegenständliche Erkenntnis erreichen will, sich auf ein Bewußtseinsfremdes bezogen findet, das ihm seine Bestimmung gibt. (4) So ist die Grundlage der Wirklichkeitserkenntnis in der Relation des Bewußtseins zu einem Bewußtseinsfremden festgelegt. Auf diese Relation, die wir im Anschluß an HEINRICH MAIER eine "logisch-erkenntnistheoretische Grenzziehung" nennen, stoßen wir in der Sinnanalyse unseres erkennenden Bewußtseins. Und sie besagt, daß innerhalb unseres Bewußtseins sich ein Etwas bemerkbar macht, das über die Immanenz hinausweist, zugleich aber doch auch dem Bewußtsein "gegeben", d. h. auf das Bewußtsein bezogen sein muß. Ohne ein Bewußtsein und ohne die Zergliederung dessen, was Erkenntnis ihrem Sinne nach ist, treffen wir auf kein bewußtseinsfremd Gegebenes. In diesem Sinne sprechen wir von der Bewußtseinsfremdheit und Unabhängigkeit des Gegebenen.

Offenbar ist diese Charakterisierung negativ, sofern sie besagt, daß das Gegebene nicht von unserem Bewußtsein abhängig ist. Sie besagt aber auch weiterhin, daß die Unabhängigkeit des Gegebenen nur für das darauf bezogene Bewußtsein gilt. Allein innerhalb des Bewußtseins tritt uns diese Unabhängigkeit entgegen. Sie ist also an die Beziehung zu dem Bewußtsein als ihre Bedingung gebunden. Mit einem Wort: sie ist überhaupt nur vorhanden relativ zu einem Bewußtsein. Ist uns das Gegebene nur, wie wir ja sahen, innerhalb des Bewußtseins allein zugänglich, dann können wir auch von seiner Unabhängigkeit nur sprechen, sofern sie im Bewußtsein und in diesem allein konstatiert wird. Die Unabhängigkeit des Gegebenen bringt die besondere Art seiner Relation zum Bewußtsein zum Ausdruck. Hier offenbart sich die Dialektik, die den Begriff des Gegebenen kennzeichnet. Es wird in ihm eine Unabhängigkeit dem Bewußtsein gegenüber aufgedeckt, die zugleich nur in einer Relation zu diesem faßbar ist.

Dieses eigentümliche Verhältnis wird aber übersehen, wenn die im Bewußtsein feststellbare Fremdheit des Gegebenen als Selbständigkeit jenem gegenüber aufgefaßt wird. Übersehen wird nämlich dann, daß die Charakterisierung des Gegebenen als eines Bewußtseinsfremden nur erfolgen kann, sofern es in seiner Beziehung auf das Bewußtsein betrachtet wird. Dagegen beruth die Deutung des Gegebenen als eines selbständigen, an sich bestehenden Bestandes darauf, daß eben dieses Bezugsverhältnis negiert wird und nur für dieses Verhältnis gültige Bestimmungen auf eine andere Situation übertragen werden. Mit der Unabhängigkeit des Gegebenen vom erkennenden Bewußtsein ist noch nichts über seinen Ansich-Charakter gesagt. Die letzte Bestimmung des Gegebenen kann nur eine negative sein: die Unabhängigkeit vom Bewußtsein. Darüber hinauszugehen gibt uns die Deutung des Seins der Urteilsobjekte weder Anlaß noch Recht. So können wir auch nicht positiv dem Gegebenen irgendeine selbstständige Art des Ansich-Bestehens zuschreiben. Dies aus der von uns betonten Unabhängigkeit des Gegebenen vom erkennenden Bewußtsein zu folgern ist deshalb nicht möglich, weil wir zu der Deutung des Gegebenen als eines Bewußtseinsfremden nur vom Bewußtsein her gelangen konnten; damit ist es an das Bewußtsein als seine Bedingung geknüpft. Faßt man das Gegebene dagegen als ein an sich bestehendes Transzendentes, als Absolutes auf, dann nimmt man eine nicht gerechtfertigte Absolutierung vor, indem man die allein aus dem Korrelationsverhältnis des Gegebenen und des Bewußtseins gewonnene Bestimmung des Gegebenen als eines Bewußtseinsfremden umdeutet im Sinne eines an sich bestehenden transzendenten Bestandes, der von der Beziehung auf ein Bewußtsein unabhängig sein soll. Damit ist das grundlegende Korrelationsverhältnis aufgehoben, von dem allein wir ausgehen konnten. Es bleibt dabei, daß das transzendent Gegebene als eine Beziehung des Bewußtseinsfremden zu unserem Bewußtsein aufzufassen ist.

Hierauf müssen wir noch einmal eingehen, um die Besonderheit dieser Beziehung deutlich zu machen. Wir erinnern uns, daß das Gegebene nicht als ein Element der Wirklichkeit zu betrachten ist. Es kann kein Objekt sein, denn jedes Objekt, so sahen wir, ist schon durch die Formen unseres Vorstellens und Denkens bedingt. Wollen wir also des von dieser Beziehung Unabhängigen habhaft werden, dann stoßen wir auf ein nicht darstellbares, unbekanntes X. Das ist der Sinn des Gegebenen als eines Grenzbegriffes für unsere Erkenntnis. Es ist einerseits nicht für sich faßbar, auf der anderen Seite ist es aber im Aufbau der gegenständlichen Wirklichkeit wirksam. Unser Bewußtsein findet in ihm seine Grenze im Sinne einer positiven Bestimmung. Dieses Verhältnis bezeichnet MAIER als ein Grenzverhältnis, als eine logisch-erkenntnistheoretische Grenzziehung. Insofern hebt sie sich scharf von jeder ontologischen Relation ab und muß von dieser auf das bestimmteste unterschieden werden. Diesen Unterschied können wir uns auf folgende Weise klarmachen. Unsere Grundfrage lautet: Auf welcher Basis beruht die Wirklichkeitserkenntnis?, und die Antwort war durch den Dualismus des Gegebenen und der kategorialen Natur unseres Vorstellens und Denkens gekennzeichnet. Worauf es jetzt ankommt, ist die Tatsache, daß wir von einem Gegenstand erst mit Rücksicht auf ein Bewußtsein sprechen können, in Beziehung zu dem er erst möglich ist. Ebenso ist die logisch-erkenntnistheoretische Grenzrelation, durch die wir das Wirklichsein bestimmten, dadurch gekennzeichnet, daß sie den logischen Ursprung des Prädikats "wirklichsein" aufdeckt, d. h. die Frage nach dem Wirklichsein ist nur zu beantworten auf dem Wege über die Erkenntnis des Wirklichseins. Insofern bezeichnen wir die im Anschluß an HEINRICH MAIER festgehaltene Relation des bewußtseinsfremd Gegebenen zum Bewußtsein als eine logisch-erkenntnistheoretische. In ihr ist das Problem der Wirklichkeit gefaßt als das Problem der Erkenntnis der Wirklichkeit. Anders verhält es sich mit der ontologischen Relation, nämlich der Beziehung des Gegebenen, das aber nun als an sich bestehendes Transzendentes aufgefaßt wird, zu unserem Bewußtsein. In den Problemkreis gezogen wird nicht die Frage nach dem logischen Ursprung, d. h. nach der Erkenntnis der Wirklichkeit, sondern es wird reflektiert auf die "Bedeutung" der Wirklichkeit. (5) Hält man sich diese Frage vor Augen, dann müsse man, so meint z. B. GÜNTHER JACOBY, durch die Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Gegebenen dazu geführt werden, ihm "Ansich-Charakter" zu verleihen. Diese Auffassung stützt sich auf die Überzeugung, in der spezifisch "ontologischen" Problemstellung, in der "Bedeutungsfrage" eine Methode zu haben, die von der erkenntnistheoretischen Fragestellung gänzlich unabhängig sei. "Denn nicht von uns als den Auffassenden und Deutenden, sondern nur von den so aufgefaßten und gedeuteten Beständen selbst sprechen wir, wenn wir uns mit ihnen als außerwirklichen beschäftigen. Unser dabei beteiligtes Bewußtsein selbst dagegen und seine Erkenntnisfunktionen schweigen wir gewissermaßen tot." (6) Hier drängt sich sofort der Einwand auf, daß mit dem Aufheben der Erkenntnisfunktion, als der einen Bedingung der Gegenständlichkeit, diese selbst auch aufgehoben wird. Auch die "Bedeutungsfrage" kann nicht darüber hinwegsehen, daß dasjenige Moment, dem sie eine Bedeutung zuerkennen will, erst selbst ein Ergebnis ist, das auf die logisch-erkenntnistheoretische Grenzrelation als seine Grundlage zurückweist. (7) Die Absolutierung sowohl des Gegebenen zum Ansich-Bestehenden, wie die dann nachträglich festgestellte ontologische Relation zum Bewußtsein, die für das Transzendente selbst nebensächlich sein soll, erweist sich als ein Irrweg. Das Ursprüngliche ist und bleibt die logisch-erkenntnistheoretische Grenzrelation und sie bildet die Grundlage, auf der wir das Problem der Wirklichkeit, d. h. der Erkenntnis der Wirklichkeit, allein lösen können.

Ist der Versuch, in der eben behandelten Weise zu einem Absoluten vorzudringen, gescheitert, so muß doch noch die andere Möglichkeit gestreift werden, durch die man gleichfalls eines Absoluten glaubt habhaft werden zu können. Es handelt sich um den Weg, den der logische Absolutismus einschlägt. Ließ sich der eine Absolutierungsversuch als die Auflösung der Grenzbeziehung des transzendent Gegebenen zum Bewußtsein nach ihrem einen Bezugsmoment, dem transzendent Gegebenen hin, charakterisieren, so geht der Absolutierungsversuch des reinen Logizismus bekanntlich dahin, das transzendent Gegebene auf ein transzendentes Denken zurückzuführen, d. h. die von uns herausgearbeitete korrelative Grundlage der Wirklichkeitserkenntnis nach der anderen Richtung hin aufzulösen und durch den Monismus des Denkens zu ersetzen. (8) In der Tat hätten wir dann in diesem Denken, in welches das Gegebene einbezogen ist, ein Absolutes, wenngleich kein Wirklichseiendes, so doch ein Ansich-Bestehendes, das über das Gegebene hinaus die letzte Voraussetzung unserer Erkenntnis bilden würde.

Den Ausgangspunkt für diese Theorie bildet das an das Urteilen sich anschließende Allgemeingültigkeitsbewußtsein, das uns zu einem "Urteilen überhaupt führt. Indessen ist dieses ja doch, wie HEINRICH MAIER nachweist, ein mögliches Urteilen, und wie diesem im Sinne eines transzendenten Denkens die Rolle der Wirklichkeitskonstituierung zugeschrieben werden kann, ist nicht einzusehen. Vor allem ist mit diesem Urteilen überhaupt, selbst wenn es zu einem transzendenten Denken hypostasiert wird, an dem Faktum des Gegebenen nichts geändert. Wie das individuelle Urteilen, so ist auch das mögliche Urteilen seinem Sinn nach auf das transzendent Gegebene bezogen. Der Hinweis auf ein über das individuelle Urteilen hinausliegendes allgemeines Urteilen, eine "allgemeine Vernunft" oder wie sonst man dieses noch bezeichnen mag, all das ändert ja nicht an der Tatsache, daß für die Wirklichkeitskonstituierung der Anspruch des Gegebenen bestehen bleibt und dieser Anspruch läßt sich nicht ohne gewaltsame Umdeutung negieren. Das Grundverhältnis der Relation des Gegebenen zu unserem Vorstellen und Denken wird also dadurch nicht aufgehoben, daß wir dem letzteren eine Ausweitung im Sinne eines "Denkens überhaupt" zuteil werden lassen. Auch so bleibt es bei dem als Grenzbeziehung charakterisierten Verhältnis als Basis der Wirklichkeitserkenntnis und damit entfällt die Möglichkeit, eines der beiden Bezugsmomente auf Kosten des anderen zu absolutieren.

So bleibt zuletzt doch die Unabweisbarkeit der Dualität des transzendent Gegebenen und des urteilenden Denkens bestehen. In dieser Relation baut sich der Urteilsgegenstand auf und darin haben wir die Grundlage der Wirklichkeitserkenntnis zu sehen; von ihr können wir nicht ablassen, wenn anders wir uns nicht in Widerspruch zu der Sinnanalyse der Erkenntnis setzen wollen. Erkennendes Bewußtsein und transzendent Gegebenes bleiben nun einmal in dem unaufhebbaren Verhältnis des Gegenüber. Hebt man dieses Gegenüber der beiden Momente durch eine künstliche Identität auf, so hebt man damit das Erkenntnisphänomen selbst auf. Es kommt alles auf die Einsicht in die Notwendigkeit der Korrelation des Gegebenen und des Bewußtseins an. Der Gedanke der Korrelation, des "Wechselbezuges", um einen Ausdruck NATORPs zu benutzen, schließt aber den Gedanken der Identität der beiden Bezugsmomente in dem einen wie dem anderen Sinne aus. Die wechselseitige Bedingtheit des Bewußtseinsfremden und des Bewußtseins verbietet ihrem Begriff nach die Absolutierung eines der beiden Faktoren zum Unbedingten, d. h. Absoluten. Dadurch wäre ja der andere notwendig zum Bedeutungslosen degradiert. Aber weder ist aus den apriorischen Erkenntnisprinzipien die Gegenstandserkenntnis allein begründbar, noch von dem "Gegebenen" her, das für sich betrachtet ja kein transzendenter oder immanenter Gegenstand ist. Nur beide zusammen machen die Erkenntnis aus. Insofern ist jede monistische Erkenntnistheorie unmöglich. Das Letzte ist für uns ein Dualismus. Aber dieser fällt nicht zusammen mit dem Gegensatz des Immanenten und des Transzendenten im metaphysischen Sinne. Nur innerhalb des Bewußtseins, nicht etwa unabhängig von ihm, läßt sich die Zweiheit aufzeigen, die für den Begriff der Erkenntnis unentbehrlich ist.

Der Begriff des Gegebenen ist für uns ein dialektischer in ganz eminentem Sinne und nur vom Gesichtspunkt der Dialektik her glaubten wir dem Phänomen des Gegegeben gerecht werden zu können. Das Gegebene ist für uns nicht das Eine oder das Andere, es ist das Eine und das Andere in einem dialektischen Eins verschmolzen. Die Bewußtseinsfremdheit des Gegebenen ist keine beziehungslose "einfache" Selbständigkeit, sondern zugleich Bewußtseinsbezogenheit; wir erfahren sie allein innerhalb des Bewußtseins und dieses Zugeordnetsein des Gegebenen zum Bewußtsein bedeutet nicht etwa seine Ableitbarkeit aus dem Bewußtsein, sondern zugleich wieder seine Bewußtseinsfremdheit.
LITERATUR - Johannes von Malottki, Das Problem des Gegebenen, Berlin 1929
    Anmerkungen
    1) In diesem Zusammenhang gewinnt die von HEINRICH MAIER begründete Theorie des "Eingliedrigen einfachen Urteils" Bedeutung. Danach vollzieht sich jede gegenständliche Erkenntnis in Form von eingliedrigen Urteilen, die im Rahmen der Erkenntnisvorstellungen wirksam sind. Damit entfällt jede Möglichkeit einer reinen Rezeptivität der sogenannten "unmittelbaren" Erkenntnis. Vgl. dazu "Wahrheit und Wirklichkeit", 1929, Seite 117ff
    2) HEINRICH MAIER, Wahrheit und Wirklichkeit, 1929, Seite 129
    3) HEINRICH MAIER, ebenda Seite 262
    4) HEINRICH MAIER gründet auf das "Gefordertsein" der Kategorien durch das Gegebene ihre gegenständliche Geltung (Wahrheit und Wirklichkeit, Seiten 130 und 197), während die Apriorität für sich betrachtet nur "funktionelle Notwendigkeit" nach sich zieht, in der nur das Begründetsein der Kategorien "im Wesen des urteilenden Denkens" zum Ausdruck kommt (ebenda Seite 127)
    5) GÜNTHER JACOBY, Allgemeine Ontologie der Wirklichkeit, 1925, Seite 290ff und 402ff
    6) GÜNTHER JACOBY, ebenda Seite 288
    7) Vgl. hierzu HEINRICH MAIER, Wahrheit und Wirklichkeit: die "Überordnung der Wahrheit über die Wirklichkeit", Seite 282ff. MAIER kommt zu dem Ergebnis, daß "die Urteilsfunktion logisch früher ist, als der durch sie konstituierte Urteilsgegenstand." (ebenda Seite 284)
    8) Vgl. hierzu HEINRICH MAIER, Wahrheit und Wirklichkeit, 1929, Seite 535ff


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