![]() |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Abstrakte Begriffe im Sprechen und Denken des Kindes [1/2]
I. Die abstrakten Begriffe des Kindes 1. Allgemeines über die Begriffe des Kindes Ein Begriff ist im weitesten Sinne jede Wortbedeutung. Ein Begriff, dessen Inhalt und Umfang mittels einer Definition genau bestimmt wird, ist ein logischer Begriff. Am deutlichsten zeigt sich dieses Wechseln der Bedeutung der Worte beim Kind, dessen Begriffe noch keine feste Form angenommen haben. Die Bedeutungen, die das Kind mit den Worten verbindet, sind oft weit davon entfernt, mit den in seiner Muttersprache üblichen zusammenzufallen; auch haben die Begriffe des Kindes bald einen zu weiten, bald einen zu engen Umfang und zeigen zudem verschiedene andere, dem kindlichen Geist charakteristische Eigenschaften. Die Begriffe des Kindes sind unklar und undeutlich abgegrenzt; ein Anfänger in einer der Volksschulen Kristianas erzählt von einem Eichhörnchen, es habe Flügel, ein anderer, es sitze in einem Käfig, ein dritter hat es singen hören. Hier stammt die Unklarheit aus einer Vermischung von Vorstellungen, doch kann sie ihren Grund auch darin haben, daß dem Kind entweder Wort oder Vorstellung oder auch die Verbindung zwischen beiden fehlt. Ein Knabe von 4 Jahren, der zum erstenmal einen öffentlichen Aufzug sah, äußerte: "Sie schlugen auf ein Rad" - wahrscheinlich ist es hier die Wortnot, die ihn dazu bringt, die Trommel ein Rad zu nennen, denn sicherlich kann er zwischen diesen beiden Vorstellungen unterscheiden. Ein siebenjähriges Mädchen hat den Namen Kristianafjord gehört, hat aber nicht die entsprechende Vorstellung davon, ein anderes hat den Kristianafjord wohl gesehen, kennt auch den Namen, doch fehlt ihr die Assoziation zwischen Wort und Vorstellung. Mehrere verbinden mit Fluß und Fjord dieselbe vage Vorstellung "Wasser", zuweilen zwar etwas genauer bestimmt: "das Wasser unter der Brücke" oder "das Wasser am Hafen", doch die richtige Vorstellung von Fluß und Fjord ist bei ihnen noch nicht gebildet, auch kennen sie nicht die entsprechenden Worte. Wie die Begriffe des Kindes oft einen zu weiten Umfang haben können, zeigt ein Knabe, der, 16 Monate alt, sowohl Hund wie Katze "Wauwau" nennt. Solche unklaren und allzu umfassenden Wortbedeutungen des Kindes bezeichnet AMENT als Urbegriffe und versteht darunter "die Bedeutung eines Wortes, welches mit einer undifferenzierten Vorstellung verknüpft ist". (1) Andererseits leiden die Begriffe des Kindes wiederum unter einem zu engen Umfang, wie ein elfjähriges Mädchen, das die Taube einen "Vogel" nennen hört, meint: "Das ist doch kein Vogel" - "Was denn sonst?" - "Ein Huhn". Auch sind die Begriffe des Kindes arm an Inhalt. "Bildung", sagt ein Mädchen von 11 Jahren, "ist, daß wir allen Bekannten einen schönen Knicks machen". Anfangs sind die Begriffe des Kindes oft gebunden. LINDNER erzählt z. B. von seinem dreijährigen Sohn, daß dieser, wenn er die beiden letzten Treppenstufen herabspringt, diese immer sehr richtig als "zwei" Stufen bezeichnet, außerdem weiß er, wieviel zwei Äpfel sind. Frägt man ihn aber, wieviel Augen, Füße oder Hände er hat, antwortet er 9 Augen, 7 Füße, 6 Hände usw. (2) Seine Vorstellung von zwei ist an die beiden bestimmten Vorstellungen Äpfel und Stufen gebunden. Ein Knabe von 4 Jahren weiß, daß sein Kittel blau ist, der Himmel ist blau, die Fahne ist rot, blau und weiß und er zeichnet mit einem blauen Bleistift, doch ist er nicht imstande, unter verschiedenartiger Wolle die blaue Farbe herauszusuchen, obgleich er rot, schwarz und weiß sehr wohl zu finden vermag. Auch kann er nicht die Farbe eines stark blauen Seidenpapiers oder eines blau eingebundenen Buches nennen. Ferner erzählt er vom Tisch, "er hätte eine Platte und vier Stöcke", und er zeichnet ein Pferd, indem er meint, es habe vier Füße, als er diese aber zählen soll, heißt es: 1, 2, 3, 4, 6; ebenso versteht er sich nicht darauf, die Anzahl von vier Knöpfen anzugeben. CLARA und WILLIAM STERN (3), MAJOR (4) und andere haben schon früher die Beobachtung gemacht, daß der richtige Gebrauch von Zahlen oft auf bestimmte Gegenstände beschränkt ist, doch scheint keiner von ihnen diesen Sachverhalt als eigentümlich für die Begriffe des Kindes im allgemeinen klar erfaßt zu haben. Einen zum Teil neuen Gesichtspunkt führt CARL FRANKE ein, indem er zwischen einer denotativen und einer konnotativen Stufe in der Kindersprache unterscheidet. Auf der denotativen Stufe bezeichnet das Kind bestimmte einzelne Gegenstände, Handlungen oder Eigenschaften durch ein Wort, das es aber auf andere ähnmliche Gegenstände nicht ausdehnt. Auf der konnotativen Stufe aber macht sich eine Eigentümlichkeit des menschlichen Geistes geltend, denn wiewohl das Kind viele Wörter zunächst nur an einem einzelnen Gegenstand kennen lernt, bekundet es doch eine große Neigung, diese auf andere Gegenstände derselben oder ähnlicher Art zu übertragen, denotative Namen zu konnotativen zu machen. (5) Die konnotativen namen FRANKEs scheinen zum Teil AMENTs Urbegriffen zu entsprechen. Wenn FRANKE aber meint, ein Begriff könne nur an einen einzelnen Gegenstand gebunden sein und müsse bei der Übertragung von diesem ersten Gegenstand auf andere sofort die Eigenschaft, gebunden zu sein, verlieren, so mag die Richtigkeit hiervor dahingestellt sein. Nach meinen Beobachtungen sind die Begriffe des Kindes, auch wenn sie einen richtigen Inhalt und Umfang haben, oft zunächst an einen einzelnen oder an einige wenige Bewußtseinsinhalte gebunden, denn noch ist das Kind nicht imstande, das Gleiche in den verschiedenen Gegenständen auszuscheiden und zu assoziieren. Wenn nun so ein gebundener Begriff oft genug wiederholt oder von hinreichend vielen Bewußtseinsinhalten immer aufs Neue gebildet ist, so entsteht nach und nach eine Assoziationsgruppe, die fest und selbständig genug ist, um alle ähnlichen Wahrnehmungen aufzunehmen und in sich zu vereinen. Es ist dies ein logischer Abstraktionsprozeß. Der Begriff wird von den Bewußtseinsinhalten, an die er gebunden war, losgelöst und für sich als ein selbständiger Begriff gedacht; psychologisch aber geht dies bei Kindern durch einen abstrahierenden Assoziationsvorgang vor sich, der meist nicht deutlich zum Bewußtsein kommt. Die Begriffe des Kindes sind am Anfang unsicher. Ein Knabe von 4 Jahren weiß zuweilen, wieviel drei ist, zuweilen aber weiß er dies nicht - ab und zu kann der die blaue Farbe richtig nennen, ein andermal ist es ihm unmöglich. Mehrere Beobachter (6) berichten, daß die ersten Ich-Ausdrücke ebenso plötzlich wie sie gekommen waren, wieder verschwanden, um erst nach mehreren Monaten von neuem aufzutauchen. GHEORGOV erzählt, wie sein Sohn Zeitadverbien manchmal richtig gebrauchen kann, dann aber wieder unsicher dabei verfährt (7). Im Vergleich zu den Begriffen Erwachsener können, dem oben Dargelegten gemäß, die Begriffe des Kindes unklar und schlecht abgegrenzt, sowie arm an Inhalt sein; sie können einen zu weiten, seltener einen zu engen Umfang haben und sie können gebunden und unsicher sein. Auch die Wortbedeutungen Erwachsener können ja mehr oder weniger von den normalen Begriffen der Sprache abweichen. Um den Unterschied, der zwischen dem üblichen Sprachgebrauch und dem individuellen sein kann, näher zu bestimmen, spricht PAUL (8) von einer okkasionellen [gelegentlichen - wp] Bedeutung im Gegensatz zu einer usuellen [gebräuchlichen - wp] Bedeutung. Unter usueller Bedeutung versteht er den gesamten Vorstellungsinhalt, der sich für den Angehörigen einer Sprachgenossenschaft mit einem Wort verbindet, unter okkasioneller Bedeutung denjenigen Vorstellungsinhalt, den der Redende, indem er das Wort ausspricht, damit verbindet und von dem er erwartet, daß ihn auch der Hörende damit verbindet. "Das Kind", sagt PAUL, "lernt nur okkasionelle Verwendungsweisen des Wortes kennen, und zwar zunächst nur Beziehungen desselben auf ein durch die Anschauung gegebenes Konkretes". Dies wird richtig sein; hingegen stimmt es nicht mit den Beobachtungen an Kindern überein, wenn PAUL weiter sagt: "Nichtsdestoweniger verallgemeinert es diese Beziehung sofort, wenn es dieselbe überhaupt erfaßt hat." Im Gegenteil, der Gebrauch eines Wortes ist für das Kind oft längere Zeit hindurch an einen einzelnen oder an einige wenige Bewußtseinsinhalte gebunden erst allmählich, indem die Beziehung mit großer Mühe auf mehrere Vorstellungen übertragen wird, wird der Begriff selbständig und allgemein brauchbar und ein sicherer Besitz des Kindes. Dies kann natürlich zuweilen auch bei einer erstmaligen Auffassung geschehen. Einzelne Psychologen, wie PREYER (9) und LINDNER (10) fassen die abweichenden, allzu umfassenden Wortbedeutungen des Kindes als Allgemeinbegriffe von großem Umfang auf und meinen, daß das Kind, selbst wenn es noch kein Wort spricht, logische Vorstellungen verbindet und Begriffe bildet, also denkt. Im Gegensatz zu dieser Auffassung hebt MEUMANN den vollständig alogischen Charakter der ersten Wortbedeutungen des Kindes hervor. Sie dürfen nicht einmal Begriffe genannt werden. Die Bildung der Bedeutungen folgt der Regel, daß alles, was mit dem Wort durch Kontiguität assoziiert werden kann, auch im Wortinhalt aufgenommen wird. Das Kind weiß noch immer nicht, daß die Bestandteile einer Wortbedeutung eine logische Einheit bilden sollen, daß es ausscheiden muß, was nicht in den logischen Zusammenhang paßt. Der Wortinhalt selbst trägt einen völlig alogischen Charakter und ist das Produkt eines bloßen Spiels der Assoziationsgesetze, insbesondere der assoziativen Übertragung (11). MEUMANN und STERN, der ähnliche Gesichtspunkte geltend macht, heben mit Recht das Primitive an den Begriffen des Kindes hervor. Aber es ist fraglich, ob man logische und alogische Begriffe - eine logische und eine assoziative Begriffsbildung - so scharf voneinander unterscheiden kann, in dem Sinne nämlich, als sei das letztere gerade dem Kind eigentümlich; denn auch die Begriffe der Erwachsenen sind nicht immer logisch, auch ihre Begriffe weichen oft vom gewöhnlichen Sprachgebrauch ab. PAUL (12) äußert sich hierüber folgendermaßen:
Die Sprachpsychologie gibt auch genug Beispiele davon, daß Begriffe, wie in der Kindersprache, reicher oder ärmer an Inhalt werden können, ihren Umfang erweitern oder einengen, daß sie, zuerst an eine konkrete Vorstellung gebunden, selbständig und allgemein werden können, auch anfangs vereinzelt und unsicher hier und da auftauchen, um später fest und gebräuchlich zu werden. Aber in den Völkersprachen geschehen solche Veränderungen verstreut und langsam, während sie bei der intensiven und schnellen Entfaltung des Sprachinstinkts in den ersten Lebensjahren eine sehr gewöhnliche Erscheinung sind. Bei all dem ist Begriffsbildung durch Assoziation nichts für Kinder besonderes; auch die meisten Begriffe der Erwachsenen sind in derselben Weise wie bei Kindern durch Assoziation gebildet. Jeder Begriff wird durch Abstraktion gebildet. Wir grenzen einen Teil unseres Bewußtseinsinhaltes ab und heben ihn hervor, indem wir vom Übrigen absehen; demnach könnten mit gewissem Recht alle Begriffe abstrakte genannt werden. Hier liegt wohl auch der Grund dafür, daß die verschiedenen Autoren das Wort abstrakt nicht immer in derselben Bedeutung anwenden. Man unterscheidet gewöhnlich Individual- und Allgemeinbegriffe. Ein Indivdualbegriff ist nach STÖRRING jeder Vorstellungsinhalt und jede von uns gesetzte konkrete Beziehung, wenn dieselben als konstante Größen in unseren Denkprozessen behandelt werden. (13) Nach EBBINGHAUS hat auch der Gedanke an einzelne Persönlichkeiten wie CÄSAR, NAPOLEON, BISMARCK eigentlich die Funktion eines Allgemeinbegriffs.
In einem Abschnitt von BERKELEYs Kritik der allgemeinen Begriffe heißt es:
Die natürliche Konsequenz von all dem scheint die sein zu müssen, daß eine so schwierige Sache wie die Bildung von Allgemeinbegriffen für den so mühelos erfolgenden mündlichen Verkehr zwischen Menschen nicht erforderlich wäre; doch die Tatsache widerspricht dem, denn im täglichen Sprechen nehmen die Allgemeinbegriffe einen breiten Raum ein. Aber, wendet man ein, wenn die allgemeinen Begriffe für erwachsene Menschen als etwas so leichtes und selbstverständliches erscheinen, so ist dies durch eine anhaltende Übung und Gewohnheit zu erklären. Nun frage ich aber, wann beschäftigen sich denn die Menschen damit, diese Schwierigkeiten zu überwinden und sich diese notwendigen Hilfsmittel für das Gespräch zu verschaffen? Als Erwachsene können sie es nicht tun, denn sie scheinen sich keiner derartigen Mühe bewußt zu sein; demnach bliebe nur übrig anzunehmen, dies geschähe während der Kindheit, obwohl die große und mannigfaltige Arbeit eines Bildens von allgemeinen Begriffen als eine sehr mühselige Aufgabe für das zarte Kindesalter erscheinen muß. Man denke nur, daß ein paar Kinder nicht über Kleinigkeiten - über Leckereien oder Spielsachen - miteinander sprechen können, ohne zuvor unzählige wechselnde Dinge zusammengeschmolzen, und so in ihrem Bewußtsein abstrakte allgemeine Begriffe gebildet und diese mit jedem der von ihnen gebrauchten allgemeinen Namen verbunden zu haben." (19) Und was BERKELEY so unglaublich erscheint, geht dennoch vor sich - Kinder gehen, wie sich direkt beobachten läßt, von Individual- zu Allgemeinbegriffen über. Wie meine schon früher mitgeteilten Beobachtungen zeigen, sind die Begriffe des Kindes anfangs an bestimmte Vorstellungen gebunden, und so lange sie dies sind, bleiben sie auch individuell. Allmählich nun, indem sich der Begriff stetig wiederholt oder von Neuem aus mehreren verschiedenen Vorstellungen gewonnen wird, bildet sich eine Assoziationsgruppe, und bei der Apperzeption jedes in die Gruppe aufgenommenen Begriffs derselben Art prägen sich die gemeinsamen Merkmale ein. Ist nun eine solche Gruppe groß genug geworden, löst sie sich von den Vorstellungen, an die sie gebunden war, ab und wird ein selbständiger Allgemeinbegriff (20). Diese Entwicklung von einem gebundenen Individualbegriffe zu einem selbständigen Allgemeinbegriffe erfordert von Seiten des Kindes oft geraume Zeit und viel geistige Arbeit. In dem früher erwähnten Fall, als ich einen vierjährigen Knaben von einem blauen Stift reden hörte, verliefen von da an 7 Monate, ehe er die blaue Farbe an allen ihm vorgezeigten verschiedenen Gegenständen erkennen und benennen konnte. Die oben dargestellt Auffassung der Begriffsbildung beim Kind wird durch die neulich veröffentlichten Untersuchungen von KATZ: "Über gewisse Abstraktionsprozesse bei vorschulpflichtigen Kindern" auch experimentell bestätigt. Die Versuchskinder, im Alter von 2 - 6 sollten unter einfachen farbigen geometrischen Figuren Farbe oder Form herausabstrahieren. KATZ beobachtete, daß die gemeinsamen Teilinhalte sich dem Kind aufdrängen.
Auch bei größeren Kindern kann eine Gruppenbildung als Grundlage einer Begriffsbildung beobachtet werden. Einer Klasse von siebenjährigen Kindern wurde z. B. ein Auerhahn vorgezeigt - er wird als "Vogel, Adler, Gans, Birkhuhn, Eule, Huhn, Schwan, Taube" bezeichnet, und bei demselben Experiment mit einer Kohlmeise, erhält diese den Namen "Sperling, Kanarienvogel, Bachstelz, Zeisig, Dompfaff". In dieser Verwirrung von Begriffen läßt sich aber doch eine deutliche Gruppierung erkennen, denn der Auerhahn ruft die Namen großer Vögel, die Kohlmeise kleiner Vögel hervor. Durch Assoziation sammeln sich die Vorstellungskomplexe, deren einzelne Glieder gegenseitige Reproduktionstendenz haben, auch taucht bei Kindern statt der richtigen oft eine verwandte Vorstellung auf. Beispielsweise wurde in einer Klasse von Anfängern gefragt: Was sind Monate?, worauf die verschiedenen Antworten lauteten: Weihnachten, Geburtstag, 17. Mai (norwegischer Nationalfeiertag), Jahr, Wochen, Donnerstag, Ferientag. Ein Wirrwarr von Begriffen, aber ihnen allen gemeinsam ist, daß sie Zeitbezeichnungen sind. Andere Beispiele aus dem ersten Schuljahr sind: "Jakob fragte sie, wessen Sohn (Tochter) sie sei." "Da kommt seine Schwester (Tochter) mit dem Vieh." "Er wollte seinem Sohn eine Tochter (Frau) finden". "Dieser dein Sohn (Bruder) war tot." "Die Mutter (später "die Frau") des Pfarrers". Wenn nun das Kind von dieser Vorstellungsgruppe: Sohn, Bruder, Tochter, Schwester, Frau, Mutter usw. das Wort Verwandte gebrauchen lernt mit deutlicher Abgrenzung und mit dem Bewußtsein, daß diese Gruppe aus verwandten aber verschiedenen Vorstellungen besteht, so hat es einen Allgemeinbegriff; doch ein Urbegriff ist es, wenn das Kind den Unterschied zwischen den auf diese Weise assoziierten Vorstellungen nicht erkennt. Die Urbegriffe des Kindes sind wohl nicht, wie LINDNER meint, Allgemeinbegriffe, aber sie enthalten den Keim zu Allgemeinbegriffen. Die Urbegriffe des Kindes und seine gebundenen Individualbegriffe entwickeln sich also durch abstrahierende Assoziationen zu Allgemeinbegriffen. STERN hat schon nachgewiesen, daß die ersten Wortbedeutungen des Kindes, die er psychologisch als "Bekanntheitssymbole auf rein assoziativer Grundlage" definiert, den Ursprung zu den künftigen Individual- und Gattungsbegriffen enthalten. STERN hat beobachtet, daß die Allgemeinbegriffe zunächst nur in einer Vorbereitungsform, die zwar die konkrete Vielheit gleichartiger Exemplare, nicht aber die abstrakte Allgemeinheit der Merkmale enthält, existieren. Er nennt sie Pluralbegriffe.
abstrakte Begriffe? EGGER erzähl von Emil, der 3½ Jahre alt ist: Er faltet die Hände und sagt: "Ich denke - auf diese Weise denkt man, nicht wahr?" Auch in der Kindheit der Völker, meint EGGER, ist es so: Kaum ein einziges Wort hat eine abstrakte Bedeutung, ohne daß es ursprünglich konkrete Vorgänge oder Erscheinungen bezeichnen würde. Alle Beobachter stimmen auch darin überein, daß das Kind mit dem Anschaulichen anfängt und erst spät und mit Mühe abstrakte Begriffe aufzufassen lernt. Der Übergang von Konkret zu Abstrakt erklärt sich dadurch, daß der abstrakte Begriff eine okkasionelle konkrete Bedeutung haben kann. Wenn wir einen Mann sehen, der mit einem lebhaften Ausdruck der Bewunderung vor einem Kunstwerk steht und es betrachtet, so hat dieser abstrakte Begriff hier einen anschaulichen Inhalt bekommen. Es läßt sich zuweilen beobachten, wie Kinder von einem anschaulichen Vorstellungsinhalt einen Begriff abstrahieren. So fragte ein Mädchen, als in einem Unterrichtsstoff von einem Beruf die Rede war: "Hatte Bitte-Jan den Beruf Lehrer zu werden?" Wir hatten vor kurzem eine Erzählung mit dem Namen "Bitte-Jan" gelesen, in der von einem Beruf die Rede war. Sie hat also damals den Begriff richtig gebildet, und er wurde nun durch die Wiederholung reicher und in gewisser Weise von einem anschaulichen Inhalt gelöst, an den er zuerst gebunden war. Kinder eignen sich einen abstrakten Begriff an, wenn sie ihn oft genug in einer okkasionell konkreten Anwendung erlebt haben; hierbei bewirkt die Wiederholung, daß der anschauliche Inhalt verblaßt, um zuletzt vor dem abstrakten Begriff zu verschwinden, der sich dem Bewußtsein dann nur durch das entsprechende Wort darstellt. Aber wenn auch die konkreten Vorstellungen, die dem abstrakten Begriff zugrunde liegen, in das Unterbewußtsein sinken, und durch die sprachliche Reaktion das Wort zum einzigen Zeichen für den Begriff wird, so verlieren darum die konkreten Vorstellungen ihre Bedeutung nicht völlig, sie geben dem Wort den Lebensinhalt, der es zu etwas mehr als einen leeren Sprachlaut macht. des Bewußtseins Die Sprache ist Ausdruck des Bewußtseins. Die Sprache des Kindes ist Ausdruck eines wenig entwickelten Bewußtseins. Einem primitven Bewußtsein geht alles durcheinander, da die Fähigkeit zur Analyse, die Abstraktionsfähigkeit, noch nicht zur Entwicklung gekommen ist. Aus der Welt der Eindrücke, die auf die Sinne des Kindes eindrängen, wählt es allmählich diejenigen aus, die es am leichtesten zu erfassen vermag, die konkreten Dinge, wie dies auch in der Rede des Kindes zum Vorschein kommt. Mit Ausnahme einzelner Ausrufungswörter sind die ersten Worte des Kindes beinahe ausschließlich Hauptwörter. Wenn das Kind später merkt, was mit den Dingen geschieht, wenn es Handlungen, Bewegungen, Vorgänge auffaßt, so gesellen sich seinem Wortvorrat die Zeitwörter hinzu; zusammen mit den Substantiven und Verben tauchen dann einzelne Umstandswörter auf. Erst später hat sich die assoziative Abststraktionsfähigkeit so weit entwickelt, daß die Eigenschaften der Dinge zur Beobachtung und damit zur Bezeichnung gelangen - die Eigenschaftswörter finden sich ein. Das Verhältnismäßige wird vom Kind zuletzt erfaßt, und die Wörter, durch die Beziehungen zum Ausdruck kommen, die Verhältniswörter und Bindewörter also, melden sich in der Sprache des Kindes zu allerletzt, sie stellen den höchsten Anspruch an die Abstraktionsfähigkeit. Parallel mit der zunehmenden Differenzierung der Begriffe des Kindes geht auch eine zunehmende Grammatisierung seiner Sprache einher und zwar entsteht jede grammatische Kategorie aufgrund einer psychologischen. (25) Die ersten Worte des Kindes sind flexionslos, denn sie werden konkret als feste Gegenstände aufgefaßt. Gewöhnlich hat sich das Kind am Ende des zweiten Jahres einen kleinen Vorrat an Begriffen erworben, und diese anfangs an bestimmte Bewußtseinsinhalte haftenden Begriffe fangen jetzt an, unabhängiger und beweglicher zu werden, der Gedanke des Kindes wirtschaftet freier mit ihnen und wandert von einem zum andern. Es fängt an, Ähnlichkeit und Unterschied schärfer als früher zu sehen und die Vorstellungen in Gruppen durch eine abstrahierende Abstraktionswirksamkeit zu ordnen, die das ihnen Gemeinsame heraushebt. Immer mehr wird ihm der Sinn eröffnet, die Beziehungen zwischen Dingen und Personen, die Verhältnisse in Raum und Zeit, in Größe und Zahl aufzufassen. Das Kind hat nun in seiner Rede einen Gebrauch für Relationen, und es fängt an die Wörter zu biegen. Teils durch die Nachahmung Erwachsener, teils durch Analogie erlernt das Kind die Flexion; Worte nämlich, die in Bedeutung und Lautinhalt etwas Gemeinsames haben, zeigen eine gegenseitige Reproduktionstendenz und sammeln sich in Gruppen, die sich zu grammatischen Kategorien verfestigen (26). Im 5. und 6. Lebensjahr hat das Kind die gewaltige Abstraktionsarbeit relativ vollendet. Wenn es sich nun aber auch die wichtigsten grammatischen Kategorien angeeignet hat, so dauert es doch noch geraume Zeit, ehe es die selteneren Worte und ihre Biegungen beherrscht, weshalb auch die Sprache des Kindes vom üblichen Sprachgebrauch abweicht. Neuere Sprachforscher machen geltend, daß eine wahre Rede das ist, was im Augenblick vom Mund des Redenden zum Ohr des Hörenden geht. Diese ist nur möglich zwischen Menschen, die sich zur selben Zeit, an demselben Ort aufhalten und die, von einer Menge gemeinsamer Voraussetzungen ausgehend, gleichzeitig dieselben Anschauungen haben. Unter solchen Umständen könnten in unserer Rede reine Wortstämme dasselbe zum Ausdruck bringen, wie ausgebildete grammatische Formen, oder diese Formen sind ohne weiteres in der Anschauung gegeben oder im Zusammenhang der Rede enthalten. Für unsere Auffassung der Sprache ist alle Form unwesentlich, überflüssig. Von einer solchen Auffassung der Sprache ausgehend, behauptet NAUSESTER, daß die Kindersprache in ihrer Armut an grammatischen Formen die ideale Sprachform ist; der wirklich gute Ausdruck stimmt mit den Gesetzen der Kindersprache überein. NAUSESTER weist auch auf die deutschen Sprichwörter und die großen deutschen Dichter hin und stellt fest, daß in Sprichwort und Dichtung, ganz wie in der Kindersprache jegliche Neigung fehlt, die Flexions- oder Ableitungsform hervorzuheben. Dies ist immer für die edle Sprache kennzeichnend - nie hat die Form als Form etwas zu bedeuten (27). Die Einseitigkeit der Auffassung NAUSESTERs tritt klar zutage. Er setzt voraus, die Sprache sei nur eine mündliche Rede und zwar besonders von anschaulichen Dingen. Aber in einer Kulturgemeinschaft ist ja die Sprache etwas mehr, denn sie soll auch der Ausdruck für abstraktes Denken sein, wobei die Schriftsprache, die NAUSESTER als Norm nicht anerkennen will, eine wichtige Rolle spielt. Wie es Kinder und Leute mit geringerer geistiger Entwicklung sind, die in ihrer Rede wenige grammatische Formen verwenden, so ist das Fehlen dieser Formen im Ganzen eine primitivere Sprachform. Wenn die Formenstrenge, wie NAUSESTER sagt, vielfach in der Dichtung fortfällt, so ist dies vorwiegend der Fall, wo diese nach Anschaulichkeit strebt, wie z. B. im epischen Stil, der der ältere und primitivere ist, da er nur die Ereignisse in Reihen fügt. (28) Eine Dichtung mit einem höheren Gedankeninhalt wird auch an grammatischen Formen reicher sein. So ist, wie WUNDT hervorhebt, der Stil in GOETHEs Hermann und Dorothea einfacher als in Die Wahlverwandtschaften oder im Faust. NAUSESTER führt ferner an, daß auch die Entwicklung der Völkersprachen einer größeren Einfachheit in den grammatischen Formen zustrebt. Moderne Sprachen, wie die romanischen und die englische, sind ja einfacher in ihrem grammatischen Bau als ältere Sprachen, wie Griechisch und Lateinisch. Die Entwicklung der Sprachen zeigt eine Tendenz zur Sparsamkeit des Ausdrucks, zum Wegwerfen der überflüssigen Formen. Doch läßt sich hieraus wohl nicht schließen, daß alle grammatische Form überflüssig ist, auch kann man nach PAUL mit Rücksicht auf die Geschichte der germanischen Flexion nicht von einer Periode des Aufbaus und einer Periode des Verfalls reden. Ein Aufbau nämlich kann in jeder Periode stattfinden und Neuaufgebautes tritt immer als Ersatz ein, da wo der Verfall ein gewisses Maß überschritten hat. (29) Der Auffassung NAUSESTERs zufolge würde die Gebärdensprache oder eine ihr verwandte Lautsprache mit festen Zeichen oder Namen für die verschiedenen Vorstellungen die ideale Sprachform sein. Aber sie ist unwidersprochen die primitivste, die nur für den beschränkten Gedankengang und Begriffskreis eines Naturvolkes paßt. Als Beleg hierfür kann auch KRÄPELIN angeführt werden, der an Geisteskranken einen ähnlichen Agrammatismus wie bei Kindern beobachtet hat. Wenn eine der flexionslosen Sprachen wie die chinesische, eine gewisse Vollkommenheit erreicht hat, dann hat sie, um die grammatischen Verhältnisse ausdrücken zu können, andere Mittel als die Flexionen entwickelt, z. B. Hilfswörter, Wortstellung und Betonung. Die grammatische Form scheint ein unentbehrliches Ausdrucksmittel überall zu sein, wo eine Sprachgemeinschaft einen gewissen Grad an Kultur erreicht hat. Mehrere Sprachforscher betonen, daß die Sprachform immer eine psychologische Grundlage hat. Die Beobachtungen über die grammatische Entwicklung der Kindersprache zeigen auch deutlich, daß die Aneignung der Form der Muttersprache von Seiten des Kindes parallel mit der Entwicklung des kindlichen Geistes, mit einer zunehmenden Differenzierung der Begriffe sowie einem wachsenden Abstraktionsvermögen geht. Die grammatischen Formen, die den anschaulichen Vorstellungen entsprechen, fängt das Kind zuerst an zu verwenden, wenn aber abstrakte Begriffe den grammatischen Kategorien zugrunde liegen, so dauert es lange, bis sich das Kind dieselben angeeignet hat. Die ersten Worte des Kindes sind Satzwörter, die die Bedeutung eines ganzen Satzes darstellen, und durch welche die ganze Lage oder der ganze Vorgang einer Sache zum Ausdruck gebracht wird. Noch unterscheidet es nicht die Handlung von dem, der sie ausführt oder dem, gegen den sie gerichtet ist, und in seiner Rede weiß es von keinem Unterschied zwischen Subjekt, Prädikat oder Objekt. Die Kennzeichen der Dinge und ihre Relationen kann es noch nicht abtrennen, weshalb seinen Hauptwörtern und Zeitwörtern die näheren Bestimmungen fehlen. Durchschnittlich fängt das Kind gegen Ende des zweiten Jahres an, Sätze zu bilden, die anfangs nur aus zwei Wörtern bestehend, bald aus drei oder mehreren Worten zusammengefügt werden und allmählich einen zusammengesetzten Charakter annehmen. Die Worte werden ohne jegliche grammatische Rücksicht, einfach zusammengestellt, wobei oft das Subjekt ausgelassen wird und zwar, meinen Beobachtungen an norwegischen Kindern nach, sehr oft noch von sieben- und achtjährigen Kindern. Auch die Wortvorstellung ist eine beliebige, oft kommt das Prädikat zuerst und dann das Subjekt, denn die Handlung ist es, die das Kind am meisten interessiert; auch dieser Fehler macht sich meinen Beobachtungen zufolge noch oft im 8. Jahr bemerkbar. Die ersten primitiven Satzketten bildet das Kind dann, indem es Satzwörter oder Bruchstücke von Sätzen zusammenfügt. Diese ersten Sätze, die sämtlich Hauptsätze sind, reiht das Kind anfangs ohne Bindewörter ohne weiteres aneinander an, und erst später tauchen Bindeglieder wie: "und", "und dann" in der Rede auf. Lange Zeit - verschiedene Beobachter sagen 5 - 15 Monate - kann vom Bilden der ersten Satzkette an vergehen, ehe das Kind anfängt, Nebensätze zu gestalten, doch beginnen beinahe alle Kinder mit der untergeordneten Satzkonstruktion vor Ende des dritten Jahres; anfangs wird das Bindewort oft ausgelassen. TÖGELs Sohn bildete schon 16 Monate nach den ersten Sprechversuchen zwei voneinander abhängige Nebensätze. Weiter als zu Nebensätzen zweiten Grades, sagt TÖGEL, geht auch der Erwachsene selten in seiner Rede. Er meint daher, daß die sprachliche Entwicklung des Kindes in diesem Alter schon relativ abgeschlossen ist. (30) Die meisten Kinder, deren sprachliche Entwicklung beobachtet wurde, haben aber in einer Umgebung gelebt, die ihrer geistigen Entwicklung sehr fördernd war; wo dies nicht der Fall ist, werden die Fortschritte in der Satzbildung viel unvollkommener sein, als TÖGEL behauptet. Die Kinder der Volksschule brauchen noch im Alter von sieben bis acht Jahren vorherrschend Satzwörter, eine Nebenordnung der Sätze ohne Bindewort oder mit den Bindewörter: "und", "und dann", "dann", während Nebensätze in ihrer Rede sehr selten sind. Dies zeigen folgende Sprachproben, die ich hier wörtlich nach der freien Erzählung einiger Kinder niedergeschrieben habe. Ich hatte den Kindern die Frage gestellt: Kannst du selbst etwas zustande bringen? Ein Mädchen von 7½ Jahren, ziemlich begabt, aber unruhig und aufmerksam:
Die Sätze sind:
Das Subjekt ist dem Prädikat 114mal nachgestellt - in 38% der Sätze. Das Subjekt ist 65mal ausgelassen, in 22% der Sätze. Kinder im Alter von 8 Jahren brauchen also beinahe immer noch nur die primitivste Satzfügung, nämlich die Nebenordnung von Hauptsätzen und unvollständige Sätze. Sie vermögen es noch nicht, die abstrakten Relationen zu denken, die der untergeordneten Satzfügung zugrunde liegen, und gleichzeitig zeigt der Stil des Kindes, daß sein Geist noch an ein anschauliches und sukzessives Dingdenken gebunden ist. Man betrachte die Beispiele: "Und setze ich Haken dran - kleine Haken dran." Die Vorstellung von Kleinheit der Haken taucht erst später auf, und anstatt sie grammatisch in den Satz einzufügen, wird die Eigenschaft in einem nebengeordneten Bruchstück eines des Satzes ausgedrückt. Ferner: "So eine Decke genäht - für Solveig - kleine Decke." "Und dann sticke ich was drauf - Rosen drauf." Der Gedanke hat gewissermaßen nicht die genügende Kraft, die Vorstellung sticken festzuhalten und gleichzeitig die Vorstellung von dem, was gestickt wird, Rosen, hervorzuheben. Das Objekt wird darum als ein besonderer rudimentärer Satz daneben gestellt. Der Stil des Kindes ist ein getreuer Ausdruck seiner Apperzeption. Diese erfolgt, im Gegensatz zu der umfassenden und überlegen ordnenden Simultanauffassung der Erwachsenen, in einer Reihe unsicherer und oberflächlicher, durch Assoziation lose zusammengeknüpfter Auffassungsvorgänge. Es fällt den Kindern schwer, eine Vorstellung festzuhalten, eine scharfe und genaue Teilung der Vorstellung in ihre einzelnen Bestandteile vorzunehmen und gleichzeitig diese Teile in das richtige Verhältnis zueinander zu bringen. Die Fähigkeit gleichzeitig zu scheiden und zu verbinden, d. h., die Fähigkeit zur Abstraktion besitzen sie in nur geringem Maße. Ebenso wie Kinder anfangs die Sätze nebenordnen und erst nach geraumer Zeit so weit kommen, daß sie sich der unterordnenden Satzfügung bedienen, so ist die parataktische [nebenordnende - wp] Satzfügung überall der ursprünglichen primitiven Sprache eigen, während die hypotaktische [unterordnende - wp] einer höheren Stufe angehört. PAUL behauptet, daß es ein Irrtum ist, wenn man annimmt, daß die Hypotaxe einer späteren Sprachepoche angehört und aus der Parataxe entstanden ist.
"Es ist gar nicht möglich, Sätze untereinander zu verknüpfen, ohne daß sie sich gegenseitig bestimmen und so eine gewisse Art von Hypotaxe entsteht. So wenn jemand berichtet: Um zwölf Uhr kam ich in N. an; ich ging in das nächste Hotel; man sagte mir, es sei alles besetzt; ich ging weiter, so gibt immer der vorhergehende Satz dem folgenden eine zeitliche und auch eine kausale Bestimmung." Jedenfalls aber steht fest, daß der sprachliche Ausdruck für die Hypotaxe einer höheren Stufe angehört. Alle Beobachter sind darin einig, daß dies am wenigsten in der Sprache des Kindes der Fall ist. PAUL selbst, und noch mehr WUNDT heben die große Bedeutung hervor, die es für menschliches Denken hat, daß das psychologische Verhältnis der Vorstellungen zueinander einen klaren sprachlichen Ausdruck in der hypotaktischen Satzfügung findet, durch welche die Nebensätze als fest geordnete Glieder in eine grammatische Einheit eingefügt werden. So bekommen wir in unserer Rede einen adäquaten Ausdruck dessen, was in unserem Bewußtsein eine einzige zusammengesetzte Apperzeptionsverbindung ist; der Gedanke kann einen weiteren Kreis umspannen und gewinnt an Intensität. (31) Allerdings ist nicht zu leugnen, daß der klare Gedanke und der gute Ausdruck eine gewisse Einfachheit des grammatischen Baus erfordert und daß ein mit verschlungenen grammatischen Formen überladener Stil leicht Unklarheit schaffen kann, aber im Ganzen müssen wir doch annehmen, daß der reichere Satzbau und die hypotaktische Satzfügung der sprachliche Ausdruck eines feineren und schärferen Denkens - insbesondere eines mehr abstrakten Verhältnisdenkens ist. ![]()
1) WILHELM AMENT, Begriff und Begriffe in der Kindersprache, Berlin 1902, Seite 77 2) GUSTAV LINDNER, Aus dem Naturgarten der Kindersprache, Leipzig 1898, Seite 88 und 92. 3) CLARA und WILLIAM STERN, Die Kindersprache, Leipzig 1907, Seite 250. 4) DAVID MAJOR, First steps in mental growth, New York 1906, Seite 169 und 170. 5) CARL FRANKE, Sprachentwicklung der Kinder und der Menschheit, Langensalza 1899, Seite 18 6) AMENT, Die Entwicklung von Sprechen und Denken beim Kind, Leipzig 1899, Seite 167. - STERN, a. a. O., Seite 242. - HERMANN TÖGEL, 16 Monate Kindersprache, Langensalza 1905, Seite 23 7) IVAN ANDREEV GHEORGOV, Ein Beitrag zur grammatischen Entwicklung der Kindersprache, Leipzig 1908, Seite 266 8) HERMANN PAUL, Prinzipien der Sprachgeschichte, vierte Auflage, 1909, Seite 75. 9) WILHELM PREYER, Die Seele des Kindes, vierte Auflage, Leipzig 1895, Seite 229 10) LINDNER, a. a. O., Seite 63 11) ERNST MEUMANN, Die Sprache des Kindes, Zürich 1905, Seite 53. - Die Entstehung der ersten Wortbedeutungen beim Kind, zweite Auflage, Leipzig 1908, Seite 74. 12) PAUL, a. a. O., Seite 86 13) GUSTAV STÖRRING, Zur Lehre von den Allgemeinbegriffen, Philosophische Studien, Bd. 20, Leipzig 1902, Seite 326 14) HERMANN EBBINGHAUS, Psychologie, Bd. II, Seite 264. 15) THÉODULÉ RIBOT, L'Evolution des idées générales, Paris 1897, Seite 14 16) WILHELM WUNDT, Logik I, Seite 11-112. 17) BERNARD PEREZ, Le développement des idées abstraites chez l'enfant, Revue Philosophique de la France Et de l'Etranger, Bd 40, Seite 449, 1895 18) PAUL, a. a. O., Seite 75 19) GEORGE BERKELEY, The Principles of Human Knowledge, Seite 16f. 20) HANS POHLMANN, dessen Arbeit "Beitrag zur Psychologie des Schulkindes" mir erst in die Hände kam, nachdem die norwegische Ausgabe meiner Abhandlung schon längst veröffentlich war, weist ebenso auf eine assoziative Gruppenbildung als die Basis, auf der sich im Verlauf der Schulzeit ein höheres Sprachverständnis entwickelt, hin. Es scheint mir aber, daß er nun wiederum den alogischen Charakter der kindlichen Wortbedeutungen etwas zu stark betont, jedenfalls wenn es sich um Kinder im Schulalter handelt. (Pädagogische Monographien, Bd. 13, 1912) 21) DAVID KATZ, Studien zur Kinderpsychologie, Teil II: Über gewisse Abstraktionsprozesse bei vorschulpflichtigen Kindern. (Wissenschaftliche Beiträge zur Pädagogik und Psychologie, Bd. 4, 1913, Seite 64/65. 22) KATZ, a. a. O., Seite 84 23) KATZ, a. a. O., Seite 69 24) CLARA und WILLIAM STERN, a. a. O., Seite 175, 179, 180, 209. 25) PAUL, Prinzipien, a. a. O., Seite 263. 26) PAUL, a. a. O., Seite 106f 27) WALTER NAUSESTER, Die grammatische Form der Kindersprache, Zeitschrift für pädagogische Psychologie, Bd. 8, 1906. 28) WUNDT, Logik II, Seite 308. 29) PAUL, a. a. O., Seite 351. 30) TÖGEL, a. a. O., Seite 33 31) WUNDT, Logik II, Seite 335 |