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Zur Normentheorie [2/2]
VI. Die Norm knüpft Rechte und Verpflichtungen an einen Tatbestand. Auf dem Gebiet des Vermögensrechts gehört zum Tatbestand gewöhnlich die Mitwirkung des zu Berechtigenden oder zu Verpflichtenden (Rechtsgeschäft). Diese Mitwirkung kann durch diejenige eines Stellvertreters ersetzt werden. Ebenso kann die Erfüllung rein ökonomischer Pflichten und die Geltendmachung von Forderungen durch Stellvertreter besorgt werden. Die Norm legt also auf dem Gebiet des Vermögensrechts grundsätzlich kein Gewicht auf die Kenntnis und den Willen des zu berechtigenden und verpflichtenden Subjekts selbst. Sie rechnet damit, daß der Adressat möglicherweise einen Stellvertreter hat, der für ihn Kenntnis nimmt und will. Es liegt also nichts Befremdliches vor, wenn das Gesetz, insofern eine Stellvertretung möglich ist, auch Normen an Willensunfähige adressiert; behandelt es doch die letzteren in diesem Umfang nicht anders als die Willensfähigen. Und nur in diesem Umfang, d. h. soweit kein Unterschied zwischen Willensfähigen und Willensunfähigen gemacht werden muß, besteht die Persönlichkeit der letzteren. Ich gehe also mit THON, Jherings Jahrbücher, Bd. 50, Seite 22f darin einig, daß die Willensunfähigen selbst Adressaten sind, daß die Norm sich nicht etwa bloß wie HOLD von FERNECK a. a. O., Bd. 1, Seite 281, 358 annimmt, an die Vertreter wendet. Dagegen ist zu betonen, daß das Gesetz mit dieser Stellvertretung rechnet und nur deshalb, weil Stellvertretung möglich ist, und nur soweit, als diese geschehen kann, Normen an Willensunfähige adressiert. Es frägt sich, warum das Gesetz überhaupt willensunfähige Subjekte als Normenadressaten zuläßt. Der Grund liegt in einem sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnis. Bei den willensunfähigen Menschen liegt die Möglichkeit entweder eines späteren Genusses des Subjekts selbst oder doch seiner Angehörigen oder Erben vor. Diese Möglichkeit bestimmt das Gesetz, auch willensunfähige Menschen, ja sogar den Embryo als Personen zu betrachten. Bei den Stiftungen fällt der Umstand ins Gewicht, daß der Genuß durch einen bestimmten Personenkreis anstelle des Subjekts ausgeübt wird. Nicht willensunfähig sind die Verbände. Sie sind handlungsfähig. Sie sind auch genußfähig, da ihre Teile, d. h. die Mitglieder genußfähig sind. Indem das Gesetz Befehle und Erlaubnisse an ein Subjekt richtet und so Rechte und Pflichten für dasselbe begründet, entsteht für das Subjekt das, was man Persönlichkeit nennt. Subjekt und Persönlichkeit sind auseinanderzuhalten. Mit LABAND, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht, Bd. 30, Seite 471 und Staatsrecht I, Seite 89, Anm. 1 ist zu betonen, daß die Persönlichkeit als solche ein rein rechtliches Erzeugnis ist. "Es gibt keine natürlichen Personen sondern nur juristische." Wenn aber auch das Recht die Persönlichkeit schafft, so ist ebenso sehr zu betonen, daß andererseits das Recht nicht das Subjekt selbst zu schaffen vermag. Das Recht muß bereits ein Subjekt vorfinden, dem es Persönlichkeit verleihen will. Man kann deshalb auch sagen: Es gibt keine juristischen Subjekte, sondern nur natürliche, wirtschaftliche und soziale. Menschen, willensfähige und willensunfähige, Vereine und Stiftungen sind Subjekte nach einer natürlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auffassung. Der Verein ist kein Rechtsprodukt, sondern ein Produkt sozialer Tätigkeit. Er ist etwas Konkret- Wirkliches, nicht eine bloße Fiktion oder Abstraktion; er ist Subjekt nach sozialer nicht nach juristischer Auffassung. Nur die dem Verein allfähig erteilte Persönlichkeit ist ein Rechtsprodukt. Die Stiftung als Subjekt ist ebenfalls kein Rechtsprodukt, sondern ein Produkt sozialwirtschaftlicher Tätigkeit. Sie ist eine Institution von tatsächlicher Realität, die nach wirtschaftlicher Anschauung als eigene Ursache wirtschaftlicher Bewegungen, d. h. als Subjekt erscheint. Dagegen ist die der Stiftung verliehene Persönlichkeit ein Rechtsprodukt. Gleich wie die Stiftung ist auch die Gemeinschaftskasse eines Gemeinwesens eine sozial-wirtschaftliche Institution, Subjekt nach sozialwirtschaftlicher Auffassung; diesem Subjekt wird dann von der Rechtsnorm des Gemeinwesen die Persönlichkeit auf ökokonomischem Gebiet verliehen. Das Recht schmiegt sich der sozialen und wirtschaftlichen Auffassung an und es soll sich auch, wenn es nicht ein fremdes Element werden will, anschmiegen. Und wenn das praktische Leben das Bedürfnis fühlt, willensunfähige Menschen sowie Stiftungen als Subjekte auf ökonomischem Gebiet zu betrachten, so darf sich das Recht aus rein theoretischen Bedenken nicht von dieser Auffassung entfernen. Das Recht muß also auch willensunfähige Subjekte als Normenadressaten zulassen, soweit die Durchführung von Normen durch Stellvertreter möglich ist und soweit die Normen irgendwelche Anforderungen an Intelligenz und Charakter nicht stellen, d. h. auf dem Gebiet des Vermögensrechts. Es mag zugegeben werden, daß vom rein logischen Standpunkt aus das Verfahren des Gesetzes, Befehle zu geben und Erlaubnisse zu erteilen, die nur durch die Vermittlung von Vertretern durchgeführt werden können, bemängelt werden kann. Allein das Recht ist kein Gebilde der abstrakten Logik, sondern eine treue Begleiterin der sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse. Wenn man von der Persönlichkeit der Behörden oder Organe spricht, so ist ebenfalls darauf hinzuweisen, daß nur die Persönlichkeit, nicht die Subjektivität selbst ein Rechtsprodukt ist. Dies tritt augenscheinlich da zutage, wo das Organ aus einem einzelnen Menschen besteht, wie beim Monarchen. Subjekt ist hier der Monarch als Mensch; Rechtsprodukt ist die Persönlichkeit als Monarch. Bei den Kollegialorganen sind es wiederum Menschen, die durch ihren Willen vereinigt, eine äußere Einheit, ein Subjekt bilden. Die Persönlichkeit ist regelmäßig derart im Subjekt konkretisiert, daß sie das Schicksal desselben teilt. Sie entsteht mit der Geburt, der Gründung des Vereins oder der Stiftung und endet mit dem Tod, dem Aufhören des Vereins oder der Stiftung. Die Persönlichkeit ist hier ausschließlich konkret. Bei der Persönlichkeit der Staatsorgane haben wir die Erscheinung, daß zur Persönlichkeit des Menschen als Bürger noch die weitere Persönlichkeit als Organ oder als Mitglied eines Kollegialorganes hinzutritt. Die Mitgliedschaft eines Kollegialorganes zeigt ihre besondere Persönlichkeit im Recht, an den Sitzungen teilzunehmen, Anträge zu stellen, zu stimmen etc. Man kann die besondere Persönlichkeit des Organinhabers, bzw. des Mitglieds eines Kollegialorgans als Amt bezeichnen (8). Jeder, der ein Amt innehat, besitzt demnach zwei genau unterscheidbare Persönlichkeiten, die Persönlichkeit des Bürgers und die Persönlichkeit des Amtes. Die letztere Persönlichkeit können wir auch für sich, losgelöst vom Subjekt, als Abstraktion betrachten. Diese Abstraktion ist deshalb leicht möglich, weil die Persönlichkeit des Amtes nicht derart mit dem Subjekt verwachsen ist wie die Persönlichkeit des Bürgers. Beim Amt basieren auch die Rechte lediglich auf dem Interesse der Pflichterfüllung nicht auf dem höchsteigenen Interesse der Ehre, des Ansehens, des Machtgefühls. Die Abstraktion wird allerdings sofort wieder zu etwas Konkretem, sobald man das Amt in Verbindung mit dem Subjekt betrachtet. Konkret ist der Begriff der Amtspersönlichkeit, wenn man das Amt des bestimmten konkreten Inhabers ins Auge faßt; abstrakt ist der Begriff, wenn man nur an das Amt, abgesehen vom jeweiligen Inhaber denkt. So kann man vom Standpunkt des abstrakten Begriffes der Amtspersönlichkeit als BALDUS sagen: imperator in persona mori potest, sed ipsa dignitas, officium imperatoris est immortale. [Es kann zwar die Person des Herrschers sterben, nicht aber die Würde der Pflicht, die ihrem Wesen nach unsterblich ist. - wp] Und BLACKSTONE: "Henry, Edward or George may die; but the king survives them all." [Heinrich, Eduard oder Georg mögen sterben, aber der König überlebt sie alle. - wp] (Zitate bei JELLINEK, Allgemeine Staatslehre, Seite 549) Es frägt sich, wie das Verhältnis der beiden Persönlichkeiten, derjenigen des Bürgers und derjenigen des Amtes sich zueinander verhalten. Man spricht von einem Recht auf das Amt oder auf die mit dem Amt verbundene Gewalt oder auf die Ausübung obrigkeitlicher Befugnisse. LABAND I, Seite 464 verneint ein solches Recht. Jedenfalls ist die Vorstellung fern zu halten, als ob es ein Recht auf das Amt aus eigenem Interesse und gleich einem dinglichen Recht gebe. Allein es scheint mir dann doch, daß der Berufene, bzw. der Gewählte in seiner Eigenschaft als bürgerliche Persönlichkeit einen Anspruch darauf erwirbt, zum Amt zugelassen und von demselben nicht ohne gesetzlichen Grund entfernt zu werden. Dieser Anspruch ruht auf dem rechtlich anerkannten Interesse des Gewählten, seine Dienste der Öffentlichkeit zu widmen und soweit dieses Interesse in Frage kommt, kann von einem Recht auf das Amt gesprochen werden. Dazu kommt, daß der Gewählte einen Anspruch auf das mit dem Amt verbundene Gehalt hat, einen Anspruch, der auf einem höchsteigenen Interesse des Gewählten beruth. Andererseits hat der Inhaber des Amtes als bürgerliche Person auch die Pflicht zur richtigen Ausübung des Amtes, die Dienstpflicht (9). Diese Dienstpflicht besteht darin, die Pflichten des Amtes, die Amtspflichten gehörig zu erfüllen. Regelmäßig ist jede Verletzung der Amtspflicht auch zugleich eine Verletzung der Dienstpflicht und umgekehrt. Es kann jedoch eine Verletzung der Amtspflicht ohne eine Verletzung der Dienstpflicht (wenn z. B. der Beamte ohne sein Verschulden unfähig zur gehörigen Ausübung des Amtes ist) und eine Verletzung der Dienstpflicht ohne eine Verletzung der Amtspflicht (wenn z. B. der Beamte für eine richtige Amtshandlung Geschenke entgegennimmt) vorkommen. Es kann auch eine Dienstpflicht geben ohne Amt (10). Daß die Dienstpflicht zur bürgerlichen Persönlichkeit gehört, zeigt sich bei der zivilrechtlichen, strafrechtlichen und disziplinarischen Verantwortlichkeit. Auch das Recht auf ein Gehalt ist (öffentliches) Recht des Beamten als bürgerliche Persönlichkeit. Die Wahl des Amtsinhabers ist ein Verwaltungsakt, also ein obrigkeitlicher einseitiger Akt. Die Annahme des Gewählten ist kein rechtliches Erfordernis für die Amtsübertragung, sondern lediglich die natürliche Voraussetzung der Ausübung des Amtes. Fehlt der Wille zur Ausübung (Ablehnung, Demission [Rücktritt - wp], Tod) so ist das Amt tatsächlich erledigt und diese Tatsache erfordert rechtlich eine neue Wahl. Die Annahmeerklärung ist bloß eine Zusicherung, das Amt tatsächlich auszuüben, keine Vertragserklärung. Durch die Wahl entsteht ein Dienstverhältnis und ein Amtsverhältnis. Das Dienstverhältnis als etwas konkretes kann kein Verhältnis zur Abstraktion Staat sein; es ist ein Verhältnis zu den Verbandsgenossen und besteht in der Pflicht zur getreuen Ausübung des Amtes und im Recht, das Amt auszuüben. Der Anspruch auf eine Besoldung begründet ein Verhältnis zur Gemeinschaftskasse. Das Amtsverhältnis ist je nach der Stellung des Amtes mannigfaltiger Art; es bestehen Rechte und Pflichten gegenüber den Verbandsgenossen, Organmitgliedern und Organen auf Respektierung, bzw. Vornahme amtlicher Handlungen. Auf dem Gedanken, daß die Persönlichkeit des Bürgers und die Persönlichkeit des Amtes, d. h. die Dienstpflicht und die Amtspflicht, auseinandergehalten werden müssen, beruth wohl auch die vom französischen Verwaltungsrecht gemachte Unterscheidung zwischen acte distinct de la fonction, faute personelle à l'agent und acte de fonction, faute administrative, fait des service [Unterscheidung zweier Funktionen: die persönliche Schuld vom Verwaltungsfehler bei der erbrachten Dienstleistung - wp]. Liegt ein Verschulden vor, das eine Verletzung der Dienstpflicht bedeutet, so entsteht die zivile Verantwortlichkeit des Beamten, die auf dem Rechtsweg geltend zu machen ist. Entsteht dagegen für jemanden ein Schaden, der auf die Amtsführung selbst, auf eine faute administrative, bzw. ein fait de service zurückzuführen ist, ohne daß ein dienstliches Verschulden des Beamten nachgewiesen werden kann, so ist der Schaden aus öffentlichen Mitteln zu ersetzen; das Verfahren ist ein administratives. Der Schaden wird gleichsam als accident [Unfall - wp] betrachtet, den die Amtsausübung mit sich bringt. (Vgl. HAURIOU, Précis de droit administratif, Seite 242f. (11) Der Hauptanwendungsfall des Prinzips, daß der Schaden, der durch eine Amtsführung selbst ohne Verletzung der Dienstpflicht entsteht, durch öffentliche Mittel ersetzt werden soll, ist die Entschädigung unschuldig Verhafteter und Verurteilter, wie sie nunmehr in fast allen modernen Staaten eingeführt ist. Man spricht von Rechten und Pflichten des Staates. Dabei ist festzustellen, was man unter Staat versteht. Man kann unterscheiden: Staat als das Ganze des organisierten Volkes (als Verband), Staat als höchste Macht im Innern des Verbandes und Staat als Fiskus. Es frägt sich, wie sich diese drei Begriffe unterscheiden. Der Staat als das wirkliche Ganze des Verbandes, in seiner nach außen auftretenden Einheit erhält die Persönlichkeit vom Völkerrecht. Als völkerrechtliche Persönlichkeit hat der Staat Rechte und Pflichten nach Völkerrecht und nach völkerrechtlichen Verträgen; ihm steht die völkerrechtliche Gebietshoheit über das Territorium zu. Der Staat im Sinne von höchster Macht im Innern des Verbandes ist bloß abstraktes Subjekt mit abstraktem (d. h. vom Willen der Machthaber losgelöst betrachteten) Willen und kann mit dem realen Verbandsganzen, der völkerrechtlichen Persönlichkeit nicht identisch sein. Er ist aber auch keine staatsrechtliche Persönlichkeit. Als höchste Macht, als höchster Gesetzgeber in abstracto kann der Staat keine staatsrechtlichen Rechte und Pflichten haben, da Niemand über ihm steht, der ihm solche zu verleihen vermöchte; sich selbst dann er keine Befehle geben und Erlaubnisse erteilen (12). Der Staat als Macht steht zu hoch, als daß ihn das staatliche Recht zur Persönlichkeit stempeln könnte. Es handelt sich beim Staat als höchste Gesetzgebungsmacht um ein abstraktes natürliches Können und Müssen; abstrakt, weil dieses Können und Müssen losgelöst von bestimmten Menschen betrachtet wird und natürlich, weil nur die Gebote der Sittlichkeit Schranken setzen und eine Nötigung ausüben. Was man als Rechte und Pflichten der Abstraktion Staat bezeichnet (ius legem ferendi, ius tributi, ius puniendi [Recht Gesetze zu geben, Steuern einzutreiben, zu Bestrafen - wp] sind natürliche Rechte und Pflichten. Man kann sagen, der Staat als höchste Macht sei Persönlichkeit nach natürlichem Recht. Was die Verfassungen Rechte des Staats-Gesetzgebers (Reich, Bund) nennen, sind ausdrückliche Negierungen von Rechten anderer, von Gliedstaaten und Gemeinden. Aber nicht nur der Staat als höchste Gesetzgebungsmacht, sondern auch der Staat als niedere Macht, richterliche und verwaltende Gewalt, entbehrt der staatsrechtlichen Persönlichkeit. Abgesehen davon, daß man die Abstraktion "Staat" nicht wohl aus Teilen bestehen lassen kann, von denen einer die Persönlichkeit nicht hat, die andern aber besitzen, richten sich die konkreten Befehle des Gesetzgebers nicht an Abstraktionen, sondern an die konkreten Behörden, verwaltende und richterliche Organe; letztere werden dadurch zu staatsrechtlichen Persönlichkeiten (13). Die Gemeinschaftskasse als stiftungsähnliche Institution hat dagegen nach der staatlichen Rechtsordnung innerhalb des Verbandes eine beschränkte Persönlichkeit, d. h. solche auf ökonomischem Gebiet; vom völkerrechtlichen Standpunkt aus ist sie Objekt der völkerrechtlichen Persönlichkeit des Staates. Die gegenwärtig herrschende Lehre nimmt im Gegensatz zur früheren Anschauung eine Identität des Fiskus mit der Abstraktion Staat an. Einen eigenen Standpunkt vertritt für das deutsche Recht HATSCHEK, Verwaltungsarchiv, Bd. 7, Seite 424f. Wenn aber dieser Schriftsteller lehrt, daß das französische Recht den Dualismus zwischen Staat als höchste Macht und Staat als Fiskus nicht kennt, so ist doch darauf hinzuweisen, daß es unter den französischen Autoren auch entgegengesetzte Ansichten gibt. Vgl. auch EMIL LINGG, Empirische Untersuchungen zur allgemeinen Staatslehre, Seite 106: "Rechtssubjekt ist der Staat nur als Fiskus". Die Gemeinschaftskasse ist kein Rechtsprodukt, sondern eine sozialwirtschaftliche Institution. Sie ist Subjekt nicht nach juristischer, sondern nach wirtschaftlicher Auffassung. Letztere erblickt in der willenlosen Institution Subjektivität und nicht bloß Gegenständlichkeit, weil die Einrichtung Ursache wirtschaftlicher Bewegungen ist, ökonomische Anforderungen stellt und gegen sich solche richten lassen muß. An diesen rein wirtschaftlichen Subjektsbegriff schmiegt sich das Recht an und verleiht der Institution Persönlichkeit auf ökonomischem Gebiet soweit die Ausübung und Erfüllung durch Vertretung geschehen kann. Die Institution heißt so Fiskus. Der Fiskus ist nicht Staatsorgan; er wird durch Staatsorgane vertreten. Der Fiskus stellt sich zunächst dar als die im gemeinsamen Interesse der Genossen eingeführte und den gemeinsamen Interessen dienende Gemeinschaftskasse. Die Forderungen und Schulden des Fiskus in dieser Eigenschaft sind öffentlich-rechtlicher Natur. Hierher gehören alle Forderungen, die im Interesse der Äufnung [Ansammlung eines Vorrats - wp] und Erhaltung der öffentlichen Mittel angeordnet sind, wie Steuern und Gebührenforderungen, sowie alle Verbindlichkeiten, deren Rechtfertigung in der Aufgabe der Kasse als Gemeinschaftskasse liegt, so die Verbindlichkeit zur Besoldung der Beamten, zur Entschädigung von Geschworenen, Zeugen und Sachverständigen, unschuldig Verurteilten usw. Neben dieser Eigenschaft der Gemeinschaftskasse als öffentlich-rechtliche, bzw. verwaltungsrechtliche Persönlichkeit besteht für den Fiskus notwendigerweise auch noch die Eigenschaft als rein zivilrechtliche Persönlichkeit; er schließt Verträge ab, erwirbt Eigentum usw. Diese durch rein privatrechtlichen Verkehr begründeten Rechte und Verbindlichkeiten sind privatrechtlicher Natur. Alle öffentlichen Mittel gehören privatrechtlich dem Fiskus, dienen aber den Gemeinschaftsinteressen. Beim sogenannten öffentlichen Eigentum handelt es sich um Privateigentum des Fiskus, das vom öffentlichen Recht dazu bestimmt ist, Gemeinschaftsinteressen zu dienen und das infolgedessen, solange die bezüglichen öffentlichrechtlichen Normen bestehen, den durch diese geforderten Beschränkungen unterliegt. Es ist noch das Verhältnis der Staatsgewalt zu betrachten. Die Staatsgewalt ist eine Abstraktion; sie ist die höchste Gewalt im Verband, abstrahiert von den konkret Ausübenden. Staatsgewalt als Abstraktion und Staat als Abstraktion sind dasselbe. Als Abstraktion ist die Staatsgewalt (oder der Staat) ein abstraktes Subjekt mit einem abstrakten Willen, mit abstrakt natürlichem Können ober ohne rechtliche Persönlichkeit. Konkret ist Staatsgewalt die Gewalt, welche die Staatsorgane ausüben. Die Staatsgewalt ist so das natürliche Können, das dem höchsten Gesetzgeber zusteht und die rechtliche Kompetenz, die den, dem höchsten Gesetzgeber untergeordneten Organen zukommt. In der absoluten Monarchie kann man sagen, der Monarch sei alleiniger Träger der Staatsgewalt. Im konstitutionellen Staat ist dagegen die Trägerschaft eine verzweigte; alle Organe mit Amtsgewalt sind Träger der Staatsgewalt. Man kann nicht sagen, die Staatsgewalt sei ihrer Natur nach eine ursprüngliche. Das Primäre ist jedenfalls die konkrete Gewalt; die Abstraktion ist das Abgeleitete, die Summe der abstrakten Amtsgewalten. Die Staatsgewalt zeigt sich gegliedert in den Amtsgewalten der Organe. Statt von Trägern kann man auch von Inhabern, Subjekten und Besitzern der Staatsgewalt sprechen. Alle diese Ausdrücke sind gleichbedeutend. JELLINEK, Allgemeine Staatslehre bezeichnet als Träger der Staatsgewalt den Staat. Nach ANSCHÜTZ bei GEORG MEYER, Lehrbuch des deutschen Staatsrecht, § 17, Anm. 6, ist Subjekt der Staatsgewalt der Staat, Träger das oberste Staatsorgan. Staat als Abstraktion ist aber identisch mit Staatsgewalt in abstracto. Weil die Staatsgewalt aus der Summe der Amtsgewalten in abstracto besteht, ist sie auch unter Wahrung ihrer Einheit einer äußeren Trennung fähig (14). Die Staatsgewalt ist als höchste und unabhängige Gewalt souverän. Nur die souveräne Gewalt ist Staatsgewalt. Es gibt keine nicht souveräne Staatsgewalt. Weil aber die Staatsgewalt eine Abstraktion rein tatsächlicher Machtverhältnisse ist, ohne daß eine Beimengung rechtlicher Momente stattfindet, so gehört zum Begriff der Staatsgewalt als höchste und unabhängige (souveräne Macht) nicht das Merkmal der sogenannten Kompetenz-Kompetenz. Es handelt sich bei der letzteren um rechtliche Entwicklungsmöglichkeiten, die den status quo [gegenwärtiger Zustand - wp] nicht berühren. Der Begriff der höchsten Macht umfaßt die Verhältnisse, wie sie sich tatsächlich darbieten, nicht wie sie sich rechtlich gestalten können; er sieht auf das, was ist, nicht auf das, was werden kann. Deshalb ist die höchste Macht oder Gewalt begrifflich auch einer Spaltung oder Teilung fähig. Vom Standpunkt der rein rechtlichen Betrachtung aus gehört dagegen allerdings zur höchsten Kompetenz die Kompetenz-Kompetenz und es können von diesem Standpunkt aus die Kompetenzen von Gliedstaaten nur als untergeordnete betrachtet werden. Die Staatsgewalt ist ein allgemeinstaatsrechtlicher, kein völkerrechtlicher Begriff; nach außen handelt der Verband als Ganzes mittels seiner Willensorgane. Nach außen kommt in friedlichen Verhältnissen keine Gewalt zum Ausdruck, sondern der gleichberechtigte Wille des Staates als Verband. Die Staatsgewalt oder der Staat als höchste Macht ist das Bewegende innerhalb des Verbandes. Die Staatsgewalt ist deshalb auch kein Teil der Gebietshoheit oder letztere selbst. Die Gebietshoheit des Staates ist ein rein völkerrechtlicher Begriff, ein subjektives Recht nach Völkerrecht, das völkerrechtliche Eigentum am Gebiet (15). Sie steht dem Staat als Verband (als völkerrechtlicher Persönlichkeit) zu, der sie mittels seiner Staatsgewalt ausübt. Die positive Ausübung der Gebietshoheit geschieht von der Staatsgewalt innerhalb der negativen Schranken des Völkerrechts. Sie ist eine Ausübung der Herrschaft in der Weise, daß das Gebiet als Wirkungsfeld, als Platz der Betätigung, als Bezirk des Schaltens und Waltens behandelt wird (16). Die Ausübung geschieht von der Staatsgewalt, soweit sie höchste Gesetzgebungsgewalt ist, frei von positiv-staatsrechtlichen Schranken. Soweit die Ausübung durch die niederen Gewalten (verwaltende und richterliche Gewalt) in Betracht kommt, ist sie dann allerdings eine Ausübung staatsrechtlicher, von der Gesetzgebungsgewalt gewährter Befugnisse oder Kompetenzen; das Wirkungsfeld dieser Behörden ist so staatsrechtlicher Natur und zeigt ähnlich der völkerrechtlichen Gebietshoheit eine negative und positive Seite (örtliche Zuständigkeit). Die eigentliche Einwirkung auf das Gebiet wird von der Staatsgewalt der Privattätigkeit der Bürger überlassen gemäß gesetzlicher Regelung (Privatrechtsordnung) (17). Jede Norm enthält meiner Auffassung nach Befehl und Erlaubnis und begründet einerseits eine Pflicht und andererseits ein subjektives Recht. Daß jedem subjektiven Recht die Pflicht eines anderen Subjekts entspricht, wird von allen Schriftstellern, welche den Inhalt der Rechtsordnung lediglich aus Befehlen bestehen lassen, ohne weiteres zugestanden; denn nach der Ansicht dieser Autoren entsteht ein subjektives Recht überhaupt nur dadurch, daß relative Pflichten geschaffen werden. Der umgekehrte Satz aber, daß jeder Pflicht auch Rechte anderer Subjekte entsprechen, ist bestritten. So bemerkt JELLINEK, "System der subjektiven öffentlichen Rechte", Seite 196:
Schwierigkeiten, für vorhandene Pflichten entsprechende Rechte aufzudecken bietet das Strafrecht. Rechtsnormen, die sich an die einzelnen richten und ihnen ein Verhalten untersagen, begründen Pflichten dieser einzelnen. Es frägt sich, wem die diesen Pflichten korrespondierenden Rechte zustehen. Naheliegend ist die Auffassung, daß die entsprechenden Rechte dem Staat zustehen. So BINDING, Normen Bd. I, Seite 96f. Es charakterisiere die Normen, daß sie stets zugleich Recht und Pflicht begründen. Ersteres erschöpfe sich in der Gewalt, die Erfüllung der letzteren zu fordern. Es sei ein Herrscherrecht auf Gehorsam oder Botmäßigkeit, das dem Staat zusteht. Allein diese Auffassung kann meines Erachtens nicht zutreffen. Es ist allerdings die naheliegende Erscheinung, daß derjenige, der befiehlt, sich selbst gegenüber eine Pflicht begründen will. Allein es ist das Eigentümliche des Gemeinwesens, daß der Staat-Gesetzgeber nicht im eigenen Interesse, sondern im Interesse der Volksgenossen befiehlt. Der Gesetzgeber hat überhaupt keine ihn speziell berührenden Interessen. Wo er befiehlt, hat es zum Zweck, bestimmte Interessen der Verbandsgenossen zu wahren und diese Interessenträger erscheinen als die Berechtigten. Interesseträger bei den Strafnormen sind die Volksgenossen. Zweck dieser Normen ist, Verbrechen zu verhindern, weil sie die Gedeihlichkeit des Zusammenlebens stören. Es geht nicht an, als Berechtigten gegenüber den durch die Gesetzgebung geschaffenen Pflichten den Staat als öffentliche Macht hinzustellen, sonst gäbe es überhaupt keine anderen Rechte als die des Staats-Gesetzgebers. Allerdings läßt BINDING Normen nur auf dem Gebiet des Strafrechts zu, Normen des Privatrechts etc. bestehen nach ihm nicht. Steht man aber auch dem Boden der Normennatur allen Rechts, so bleibt nur die Alternative entweder alle gesetzlichen Pflichten der Einzelnen als der öffentlichen Gewalt gegenüber bestehend anzunehmen oder aber alle diese Pflichten gegen die wahren Interesseträger sich richten zu lassen. Es leuchtet ein, daß die erstere Alternative nicht haltbar ist. Nun ist aber darauf aufmerksam zu machen, daß das, was BINDING Recht auf Gehorsam oder Botmäßigkeit nennt, überhaupt nicht Korrelat der durch die Norm begründeten Pflicht sein kann. Die Pflicht zum Gehorsam oder zur Botmäßigkeit ist eine allgemeine, abstrakte Pflicht, die der Gesetzgebung logischerweise voraufgehen muß und einer Urnorm, einem ursprünglichen sittlichen Gebot entspricht. Sie ist die Pflicht, die durch die Gesetzgebung auferlegten Pflichten zu erfüllen. Sie ist, wie namentlich HEGEL ausführt, eine ethische Pflicht. Sie ist abstrakte Pflicht zur Erfüllung einer konkreten Pflicht. Die durch die Strafnorm begründete Pflicht ist keine Pflicht zu gehorchen, sondern die Pflicht ein bestimmtes Delikt zu unterlassen. Diese konkrete Pflicht richtet sich eben gegen diejenigen, deren Interessen durch eine Unterlassung des Delikts geschont und gewahrt werden sollen, also gegen bestimmte Interessenträger. Bei der Frage nach dem Interessenträger bei den Strafnormen denkt man zunächst an den durch das Delikt Bedrohten. So bemerkt HOLD von FERNECK, a. a. O., Seite 143:
Nach meiner Ansicht hat der einzelne Volksgenosse nicht nur ein subjektives Recht darauf, daß er persönlich nicht durch ein Delikt betroffen oder gefährdet wird, sondern sein Recht geht dahin, daß das Delikt überhaupt unterlassen wird. Jedes Delikt stört das Gemeinschaftsinteresse, es steht deshalb einem jeden Genossen auch der Anspruch zu, von seinen Mitgenossen die Unterlassung all desjenigen zu fordern, was das gedeihliche Gemeinschaftsleben und insbesondere auch das gemeine sittliche Empfinden stören und so Beunruhigung erwecken könnte. Der Genosse hat ein Interesse daran, daß nicht bloß Delikte, die seine Person und sein Vermögen gefährden können, sondern auch Delikte, die seine Mitgenossen gefährden, überhaupt alle Delikte, weil dem Gemeinschaftsinteresse widerstreitend, unterbleiben. Es wäre auch nicht richtig, wenn angenommen würde, daß der Genosse neben dem allgemeinen Recht auf Unterlassung von Delikten noch ein spezielles öffentliches Recht darauf habe, daß er persönlich nicht durch ein Delikt gefährdet wird. Der durch ein Delikt betroffene Genosse ist strafrechtlich in keinem anderen Recht verletzt als in demjenigen, das jedem Genossen gleich zusteht, jeder Genosse ist im selben Recht verletzt, wie der Betroffene. Wenn aber auch der durch ein Delikt Betroffene strafrechtlich nur in dem Recht verletzt ist, das allen anderen Genossen in gleicher Weise zusteht, so liegt doch im weiteren regelmäßig auch noch eine Verletzung von Privatinteressen und damit eines Privatrechts des Geschädigten speziell vor. Das kriminelle und das zivile Unrecht unterscheiden sich dadurch, daß ersteres gegen die Rechte sämtlicher Genossen, das letztere nur gegen das Recht des Geschädigten gerichtet ist. Ob im einzelnen Fall kriminelles Recht oder ziviles Unrecht vorliegt, ist eine Auslegungsfrage. Es wird sich fragen, ob der Gesetzgeber mit seiner Norm ein Gemeininteresse oder ein Privatinteresse oder beides der Wahrnehmung würdig erachtet. Der primären Norm sieht man es nicht an, ob sie zur Sicherung nur öffentlicher Interessen oder nur privater Interessen oder beider erlassen ist. Ob ein Interesse zum öffentlichen Recht des Genossen gegen Genossen erhoben ist, ersieht man aus den sekundären, Strafandrohungen enthaltenden Normen. Daß das private Interesse ins Auge gefaßt und ein Privatrecht begründet werden will, erkennt man aus den sekundären Normen, die ein Erfüllungszwang, die Wiederherstellung oder Entschädigung vorsehen. Man könnte annehmen, daß beim sogenannten Antragsdelikt eine Ausnahme vom Prinzip vorliegt, daß der durch die Strafnorm begründeten Pflicht das Recht sämtlicher Genossen entspricht. Allein beim Antragsdelikt ist lediglich das Recht, die Strafjustiz in Bewegung zu setzen, auf bestimmte Personen beschränkt. Auch das Antragsdelikt verletzt die Rechte sämtlicher Genossen, nur ist hier der Weg Rechtens bloß bestimmten Personen geöffnet. BINDING, "Grundriß des deustschen Strafrechts", siebte Auflage, Seite 112f, führt aus, daß sich das Delikt nicht bloß als Verletzung der Gehorsamspflicht gegen den Staat, sondern auch als Angriff auf subjektive Rechte der Einzelnen (des Eigentumsrechts, Urheberrechts etc.) oder auf sogenannte Rechtsgüter erweise. Rechtsgut sei alles, was zwar selbst kein Recht, doch in den Augen des Gesetzgebers als Bedingung gesunden Lebens der Rechtsgemeinschaft für diese von Wert sei. Angriffsobjekt sei nicht das Interesse am Gut, sondern das Gut selbst. Dabei ist nach BINDING etwas Rechtsgut nur für einen einzelnen Genossen nicht für die übrigen Genossen. Das Leben des X, die Ehre des Y, das Eigentum des Z sind Rechtsgüter für X, Y, Z, nicht für die übrigen Genossen. Danach hätte der Einzelne ein anerkanntes Interesse an der Unterlassung des Deliktes nur in Bezug auf seine Person. Dieses Interesse würde sich also in nichts von einem privaten Interesse unterscheiden. Es kann aber dem Genossen nicht gleichgültig sein, wenn beim Nachbarn eingebrochen, derselbe getötet und sein Eigentum geraubt wird, wenn Mitgenossen verleumdet werden etc. Das Leben, das Eigentum, die Ehre eines Mitgenossen ist auch für den Genossen ein Rechtsgut in dem Sinne, daß er vom Standpunkt des Gemeinschaftslebens aus an der Unterlassung solcher Angriffe interessiert ist. Ich will unter Rechtsgut ebenfalls, wie BINDING, nicht etwas Abstraktes, das Leben, das Eigentum, die Urkunde überhaupt verstehen, sondern das konkrete Leben, Eigentum etc. meiner Genossen X, Y, Z etc.; nur wären diese konkreten Dinge nicht bloß Rechtsgüter für X, Y, Z etc.; sondern auch für mich, für jeden Genossen. Was BINDING Rechtsgut nennt ist eigentlich das Objekt des Deliktes, das, worauf sich der deliktische Wille richtet. Dieses Objekt kann nur deshalb Gut oder Rechtsgut sein, weil ein rechtlich anerkanntes Interesse an der Unversehrtheit besteht. Es scheint mir deshalb überflüssig, neben dem Begriff des Interesses noch den kombinierten Begriff des Rechtsgutes einzuführen. Zu betonen ist lediglich, daß das Interesse an der Unversehrtheit bestimmter Dinge (Leben, Eigentum, Besitz, Ehre, sittliches Empfinden etc. des Einzelnen) nicht nur Interesse derjenigen, die zu diesem Ding in einem bestimmten Zusammenhang stehen, des Subjekts, sondern Interesse eines jeden Genossen, öffentliches, aus dem Zusammenleben sich ergebendes Interesse ist, das durch seine Schonung zum subjektiven Recht aller Genossen wird. Eine Sonderstellung nimmt das Verwaltungsstrafrecht ein. Interessenträger sind hier nicht die Bürger, sondern die Verwaltungsorgane. Letztere sind an der Befolgung interessiert. Durch die Auferlegung bezüglicher Pflichten soll die Aufgabe der Verwaltungsbehörden gefördert und erleichtert werden. Verwaltungsdelikt ist ein Delikt, das unmittelbar gegen die Verwaltungsinteressen und nur mittelbar gegen die Interessen der Verbandsgenossen gerichtet ist. Als Normen des Verwaltungsrechts betrachtet M. E. MAYER, "Rechtsnormen und Kulturnormen", Seite 116, diejenigen Imperative, die kulturell indifferent sind. Diese Normen seien die einzigen, die sich an die Einzelnen richten. Das Verwaltungsdelikt sei aber dadurch charakterisiert, daß es bloß gegen die Rechtsnorm, nicht aber gegen die Kulturnorm gerichtet sei, während das kriminelle Delikt einer Kulturnorm, nicht einer Rechtsnorm widerspricht. An dieser Aufstellung erscheint nur soviel als richtig, daß beim Verwaltungsstrafrecht das Delikt einer Rechtsnorm widerstreitet, die ihren Inhalt nicht aus den Anforderungen der Moral, der Sitte oder des Verkehrs, sondern aus Anforderungen der Vorsicht schöpft. Dagegen ist meines Erachtens sowohl das kriminelle wie das Verwaltungsdelikt die Verletzung einer Rechtsnorm. Betrachtet man die Staatsorgane als Subjekte mit Rechten und Pflichten, als Personen, so ergibt sich hier zunächst die Besonderheit, daß jede Pflicht des Staatsorganes auch Recht ist und umgekehrt. Als eigenes Interesse des Organes kommt nämlich nur das Interesse an der Pflichterfüllung in Frage; um die Pflichten zu erfüllen bestehen die Rechte der Organe, und umgekehrt besteht zur Ausübung der Rechte eine Pflicht. Dem Recht und der Pflicht eines Staatsorganes kann die Pflicht und das Recht eines anderen Staatsorganes entsprechen. Zwischen den Staatsorganen bestehen Rechtsverhältnisse mannigfaltiger Art, die ihren Ausdruck in dem allgemeinen Satz finden, daß jedes Organ dem andern die gesetzliche Beihilfe zu gewähren und die Kompetenz des andern zu respektieren hat. Den Rechten und Pflichten der Staatsorgane entsprechen auch Pflichten und Rechte der Bürger. Die Bürger haben im Allgemeinen Ansprüche gegen die Organe auf Erfüllung der amtlichen, zugunsten der einzelnen bestehenden Pflichten und die Pflicht gegenüber den Organen, die Kompetenzen derselben zu respektieren. Die sogenannten Freiheitsrechte oder Grundrechte sind Rechte auf ein negatives Verhalten der Organe. Von den Rechten der Bürger auf ein positives Verhalten der Organe ist namentlich der Rechtsschutzanspruch hervorzuheben. Der Einzelne hat, wie LABAND, Staatsrecht III, Seite 349 bemerkt, "ein Recht, die Gewährung des Rechtsschutzes vom Staat zu verlangen, so oft er desselben benötigt." Statt "Staat" setze ich: von den konkreten maßgebenden Organen. Dieses publizistische Klagerecht ist einerseits zu unterscheiden von dem Recht das geschützt werden soll und andererseits von der Möglichkeit, bei Gericht eine Klage zu erheben, der es an jeder objektiven Grundlage fehlen kann. Der Rechtsschutzanspruch wird nicht für alle subjektiven Rechte gewährt. Das Gesetz bestimmt, für welche Rechte der Weg Rechtens geöffnet ist. Er ist geöffnet für alle Zivil- und Strafansprüche sowie für bestimmte subjektive öffentliche Rechte. Der Rechtsschutzanspruch ist genereller Natur. Jedem Bürger steht zu, so oft er es nötig hat und sofern für sein Recht ein Weg Rechtens überhaupt besteht, die kompetenten Staatsbehörden um Rechtsschutz anzurufen und sein Recht durch ein Urteil konstatieren zu lassen. Der Rechtsschutzanspruch entsteht schon mit der Persönlichkeit, wird aber erst praktisch, wenn Rechte, die geschützt werden, erworben sind, bzw. wenn eine Klage nötig wird. Der Rechtsschutzanspruch steht nicht nur dem Kläger, sondern auch dem Beklagten zu. Die Annahme, daß es so viele Rechtsschutzansprüche gebe wie Rechte, denen der Weg Rechtens geöffnet ist, scheint mir unzutreffend. Für das Gebiet der Ziviljustiz nimmt HELLWIG, Zivilprozeß I, Seite 146 an, daß mit jedem Privatrecht ein spezieller publizistischer Rechtsschutzanspruch verknüpft ist, der sich auf ein dem Kläger günstiges Urteil richtet. Andererseits besteht entsprechend für jeden, dem ein ungerechter Prozeß droht, ein spezieller Rechtsschutzanspruch auf Liberierung [Freispruch - wp]. Erregt aber schon Befremden, daß der Bürger soviele publizistische Rechtsansprüche haben soll, wie er Privatrechte hat, so ist es geradezu undenkbar, daß ihm auch noch so viele publizistische Rechte zustehen sollen, als es Möglichkeiten gibt, in ungerechte Prozesse verwickelt zu werden. Ich glaube nicht, daß LABAND den Rechtsschutzanspruch so wie HELLWIG auffaßt; denn er spricht von einem Recht des Einzelnen, "die Gewährung des Rechtsschutzes zu verlangen, so oft er denselben benötigt". Es ist immer der gleiche Rechtsschutzanspruch, den der Kläger und der Beklagte geltend macht. Mit dem Urteil entsteht dann allerdings für den Obsiegenden ein spezieller Anspruch gegen die Organe auf Vollziehung. Das Recht auf Rechtsschutz ist prinzipiell darauf gerichtet, daß das bestehende Recht, für welches der Weg Rechtens eingeschlagen wird, zu schützen sei; es ist also auf die Erhörung, auf ein günstiges Urteil gerichtet. Daneben besteht nicht noch, wie HELLWIG a. a. O. Seite 137 annimmt, ein mit dem Prozeßbeginn entstehendes Recht der Parteien auf eine gerechte, d. h. nach der Prozeßlage richtige Entscheidung. Allerdings hat die Partei ein allgemeines Recht darauf, daß der Richter seine Pflichten ihr gegenüber erfüllt; dagegen erscheint es unannehmbar, daß unter Umständen dem unberechtigten Kläger das Recht auf Zuspruch der Klage und dem verpflichteten Beklagten das Recht auf Liberierung zustehen soll. Wo eine Klage nicht nur auf Konstatierung oder Deklaration der Rechtslage (18), sondern auch auf der Konstituierung eines Rechts gerichtet ist (z. B. bei der Ehescheidung) muß allerdings mit HELLWIG, a. a. O., Seite 41 ein speziell publizistisches Recht auf Gewährung des konstitutiven Urteils angenommen werden. Dieses publizistische Recht entsteht aufgrund eines objektiven Tatbestandes und ist, wie HELLWIG ausführt, ein materielles Recht, ein Können, das auf die Herbeiführung einer Rechtsänderung durch den Richter gerichtet ist; wird die Rechtsänderung ausgesprochen, so hat sich dieses Recht erschöpft. Andererseits besteht die dem gleichen Tatbestand entspringende Pflicht des Beklagten gegenüber dem materiell Berechtigten, auf eine Entgegennahme dieser Rechtsänderung. Diese Pflicht erschöpft sich ebenfalls mit dem konstitutiven Urteil. Auf dem Gebiet des Strafrechts tritt der Rechtsanspruch des Bürgers dahingehend in den Vordergrund, daß so oft letzterer unschuldig in ein Strafverfahren verwickelt wird, ein freisprechendes Urteil erfolgt. Dagegen besteht kein Recht für den schuldigen Angeklagten auf Freisprechung, wenn sich nach der Prozeßlage ein Freispruch als gegeben erweist. Das Strafurteil ist stets ein konstitutives Urteil. Es wird dadurch für den Verurteilten die Pflicht zur Strafverbüßung ausgesprochen. Für den Delinquenten entsteht mit dem Delikt die Pflicht gegenüber den Genossen, sich eine Strafpflicht auferlegen zu lassen; letztere entsteht jedoch erst mit dem Strafurteil. Die Pflicht, sich ein Strafurteil auferlegen zu lassen, erlischt mit dem letzteren. Der einzelne Bürger wird durch ein begangenes Delikt in seinem Recht verletzt. Es wird ihm deshalb grundsätzlich, abgesehen von bloßen Antragsdelikten der Rechtsschutzanspruch gewährt. Dieser Anspruch geht auf eine Feststellung des Delikts und auf eine Konstituierung der Strafpflicht des Genossen. Dieser Strafpflicht des Übeltäters entspricht wieder das Recht des Bürgers auf Strafvollzug. Es besteht aber kein Recht des Genossen auf eine Verurteilung des Angeklagten, wenn nach der Prozeßlage eine solche Verurteilung als gegeben erscheint; es ist unannehmbar ein Recht darauf anzunehmen, daß wegen der Prozeßlage ein Unschuldiger verurteilt wird. Der Rechtsanspruch des Genossen auf eine Feststellung des Deliktes und auf eine Verurteilung des Schuldigen sowie der Anspruch auf Strafvollzug beruhen nicht auf dem Interesse der Befriedigung eines Rache- oder Vergeltungstriebes, sondern auf dem Interesse, daß die Ernsthaftigkeit der Strafandrohungen aufrechterhalten und damit die Determinierfähigkeit der primären Normen gewahrt wird, also auf einem Interesse des Gemeinschaftslebens. Auf dem Gebiet des Verwaltungsstrafrechts stehen der Rechtsanspruch auf Feststellung der Übertretung und Begründung der Strafpflicht sowie der Anspruch auf Vollzug der Strafe lediglich den Verwaltungsbehörden zu. Die Anzeige eines Bürgers hat hier bloß die Bedeutung, die Verwaltungsbehörden auf das Vorhandensein ihrer Ansprüche aufmerksam zu machen. Rechtsschutzansprüche stehen dem Bürger auch in Bezug auf seine aus Staats- und Verwaltungsrecht fließenden öffentlichen Rechte zu. Beklagte Partei ist hier das betreffende Verwaltungsorgan. Die Verwaltungsentscheide sind gewöhnlich, so namentlich beim Rekursverfahren [Widerspruchsverfahren - wp], deklaratorischer Natur. Es gibt aber auch konstitutive Verwaltungsentscheide, so bei Verwaltungsstreitigkeiten wegen Konzessionserteilung oder Enteignung. ![]() ![]()
7) Den Begriff der Vereinbarung verwendet BINDING a. a. O., zur juristischen Erklärung der Gründung des Norddeutschen Bundes. Die Verfassung dieses Bundes sei eine paktierte, d. h. eine vereinbarte, auf einer Verschmelzung verschiedener inhaltlicher gleicher Willen beruhende. Damit ist eigentlich gesagt, daß die Verfassung des norddeutschen Bundes Beschluß eines Kollegialorganes ist, da die Vereinbarung nur als Bestandteil eines solchen vorkommt. In der Tat beruth die Verfassung des norddeutschen Bundes auf dem (einstimmigen) Beschluß der Versammlung der Regierungsbevollmächtigten, die als verfassungsgesetzgebendes Organ für den zu gründenden und mit dem Beschluß auch gegründeten Bundesstaat auftrat. Auch HÄNEL, Studien I, Seite 78 spricht von einem Organ ad hoc. Dieses provisorisch oder ad hoc Organ zu spielen, beruhte auf einer Verständigung, auf einem (echten Vertrag). 8) Nach OTTO MAYER, Deutsches Verwaltungsrecht II, Seite 198 besteht das Amt in der Vertretung des Staates in einem bestimmten Kreis von Geschäften, Die Macht des Amtes ist aber ein Teil der staatlichen Macht selbst, nicht etwas, das neben letzterer besteht. Der Amtsinhaber übt staatliche Macht in bestimmtem Umfang aus. In diesem Umfang bestehen subjektive Rechte und Pflichten, welche die Persönlichkeit des Amtes ausmachen und im Interesse der Volksgenossen ausgeübt werden. 9) Unter Persönlichkeit als Bürger verstehe ich nicht nur seine privatrechtliche, sondern auch seine öffentlich-rechtliche Persönlichkeit. Die Dienstpflicht ist grundsätzlich öffentlich-rechtlicher Natur; OTTO MAYER, Deutsches Verwaltungsrecht II, Seite 195f. Doch zeigt sich auch privatrechtliche Seiten nämlich in Bezug auf die zivilrechtliche Verantwortlichkeit. 10) Vgl. OTTO MAYER, Deutsches Verwaltungsrecht II, Seite 200, der andererseits auch lehrt: "Kein öffentliches Amt ohne Dienstpflicht." Faßt man aber die Funktion des Bürgers als Wähler ebenfalls als Amt auf, so würde es auch Ämter ohne Dienstpflicht geben. 11) Vgl. auch OTTO MAYER, Die Entschädigungspflicht des Staates nach Billigkeitsrecht Seite 14: "Wenn der Staatsrat dem von ihm unverbrüchlich gehandhabten Entschädigungsrecht eine Legitimation geben will, beruft er sich einfach auf den jetzt noch gültigen Artikel 13 der Erklärung der Menschenrechte." TEISSIER, La responsibilité de la puissance publique, Seite 4 bemerkt: "C'est le service public lui-même, qui est censé avoir causé le dommage." [Es ist der öffentliche Dienst selbst, der den Schaden haben wird, den er verursacht hat. - wp] 12) Der Staat als Macht ist nur an ein natürliches (jus aequum) nicht an das von ihm geschaffene Recht gebunden. Die Bindung ist, um den Ausdruck JELLINEKs, Allgemeine Staatslehre, Seite 358 zu gebrauchen, metajuristischer Natur. Denkbar ist allerdings, daß, wenn man die Macht in eine höhere (Gesetzgebungs-) und eine niedere (Rechtsprechungs- und Verwaltungs-)Macht teilt, die erstere die letztere positivrechtlich zu binden vermag. Von diesem Standpunkt allein aus erscheinen die Ausführungen JELLINEKs a. a. O., Seite 359, Abs. 2 als zutreffend. 13) Als staatsrechtliche Persönlichkeit kann auch nicht in Frage kommen der Staat im Sinne von staatlicher Einrichtung oder Anstalt, weil es sich hier überhaupt nicht um ein Subjekt, sondern um ein Objekt handelt, das regiert wird. Die Auffassung des Staates als Einrichtung oder Anstalt war früher die herrschende und ist auch jetzt noch nicht geschwunden. Es ist dies der ursprüngliche Begriff von status. Den Staat als Anstalt faßt SCHLÖZER, "Allgemeines Staatsrecht" ins Auge, wenn er ihn als Erfindung bezeichnet, als Maschine, die von außen her betrieben wird. Staat im Sinne von Anstalt ist auch gemeint, wenn man von Polizeistaat, Rechtsstaat, Kulturstaat, Klassenstaat usw. spricht. Der Staat ist so etwas Zuständliches. Er wird regiert, geleitet, gelenkt (rem republicam regere; gouverner, administer l'Etat). SCHMITTHENNER, Staatsrecht, Seite 298: "Der Staat regiert nicht, sondern wird regiert". - Über die Auffassung des Staates als Anstalt vgl. H. A. ZACHARIÄ, Staatsrecht, § 12; STAHL, Philosophie des Rechts II, 2. Seite 133 und 137. - Vom Staat als Anstalt geht man auch aus, wenn man von Zwecken des Staates spricht. Der Staat als Ganzes, als Verband hat keinen ihm von einem menschlichen Willen gesetzten (subjektiven) Zweck; der Staat im Sinne von höchster Macht hat (politische) Aufgaben, nicht Zwecke. 14) Für die Möglichkeit einer Gewaltentrennung sprechen sich unter den deutschen Schriftstellern aus OTTO MAYER, Deutsches Verwaltungsrecht I, Seite 69f; ARNDT, Archiv für öffentliches Recht, Bd. 18, Seite 158; ANSCHÜTZ in KOHLERs Enzyklopädie, Bd. 2, Seite 476. Allerdings ist eine absolute Gewaltentrennung nicht möglich. 15) Es wird von RADNITZKI, Archiv für öffentliches Recht, Bd. 22, Seite 413, Anm. 1 als ungenau bezeichnet, wenn ich daselbelbst Bd. 21, Seite 431 sage, das Gebiet liege im völkerrechtlichen Eigentum oder Besitz des Staates. Beide Begriffe, Eigentum und Besitz bezeichnen ein Verhältnis vom Subjekt zum Objekt. Das Verhältnis des Staates (als völkerrechtliche Persönlichkeit) zum Gebiet kann meines Erachtens in der Tat Eigentum oder Besitz sein; "Eigentum", wenn ein völkerrechtlicher Eigentumstitel besteht, "Besitz", wenn die Innehabung sich noch nicht zur völligen völkerrechtlichen Anerkennung durchgerungen hat. Wenn RADNITZKI des weiteren bemerkt, daß das stärkste und durchschlagendste Argument gegen die Eigentumstheorie, nämlich der Hinweis darauf, daß ein Staat, der sein Gebiet zur Gänze verloren hat, damit auch zu existieren aufhört, von mir außer Acht gelassen wird, so möchte ich auf folgendes hinweisen: Eroberung oder Annexion eines fremden Staatsgebietes ist stets auch darauf gerichtet, den fremden Staat als solchen aufzuheben oder zurückzudrängen. Im ferneren habe ich nie bestritten, daß das Gebiet für den Staat unentbehrlich ist; nur nehme ich eine bloß sachliche nicht eine begriffliche Unentbehrlichkeit an. Es wäre ja denkbar, daß ein Staat, dessen Gebiet infolge von Naturereignissen nach und nach unbewohnbar wird, sich, ohne dadurch seine Identität einzubüßen, auf ein anderes Gebiet zurückzieht. - Es ist RADNITZKI zuzugeben, daß der Staat durch Selbstbestimmung die Macht hat, die örtliche Kompetenz der Staatsorgane zu bestimmen. Der Staat übt diese Macht ungeschmälert aus auf dem Gebiet, das man als Staatsgebiet bezeichnet; er übt sie im Kriegsfall auch auf fremdem Staatsgebiet aus; er übt sie in der Küstenzone und auf dem offenen Meer aus. Das Völkerrecht anerkennt diese Macht als unbeschränkte auf dem Staatsgebiet und als sachlich beschränkte auf dem Meer; sie ist so Rechtsmacht, völkerrechtliche Rechtsmacht. Das Völkerrecht duldet bloß die Ausübung der Macht auf fremdem Staatsgebiet im Kriegsfall: die Macht ist hier nicht Rechtsmacht, sondern nur Macht. Das Völkerrecht grenzt die Rechtsmächte voneinander ab und bestimmt (negativ), daß kein Staat in den örtlichen Machtbereich des andern eingreifen soll und (positiv), daß innerhalb des zu respektierenden Bereichs die Macht ausgeübt werden darf. Dadurch aber wird, und das ist es, was ich betonen möchte, diese Rechtsmacht zu einem völkerrechtlichen Recht auf das. Das Gebiet erweist sich so als Objekt eines Subjekts, als Gegenstand eines Rechts nach Völkerrecht. Dieses Recht ist ein vollkommenes in Bezug auf das Staatsgebiet. Es besteht hier in der Tat die Rechtsmacht, die örtlichen Kompetenzen der Staatsorgane frei zu bestimmen, auf dem Gebiet frei zu walten und zu schalten. Man kann deshalb diese Gebietshoheit auch als völkerrechtliches Eigentum bezeichnen. 16) Die positive Seite des Eigentums an Grund und Boden weist zwei Merkmale auf. Einmal kann sich der Eigentümer innerhalb der Grundstücksgrenzen frei betätigen, auf seinem Grund und Boden schalten und walten. Siehe LABAND, Archiv für öffentliches Recht, Bd. 20, Seite 579. Sodann kann der Eigentümer über das Grundstück schalten und walten in dem Sinne, daß ihm unmittelbare Einwirkungen auf den Grund und Boden (Veränderungen der Oberfläche, Vornahme von Einrichtungen, Nutzungen etc.) zustehen. Die Staatsgewalt selber übt den Inhalt des ersten Merkmals der positiven Herrschaft aus. Es ist deshalb meines Erachtens nicht ganz zutreffend, wenn LABAND, Staatsrecht I, Seite 175 sagt, der Staat als höchste Macht schalte und walte "über" das Gebiet. Die Staatsgewalt schaltet und waltet auf dem Gebiet und überläßt die direkte Einwirkung auf das Gebiet, unter seiner Regelung, Aufsicht und Kontrolle, den einzelnen. 17) Betrachtet man den Staat als lokalisierte Anstalt, so kann man ja sagen, das Gebiet sei die räumliche Ausdehnung dieser Anstalt. Ich glaube, daß FRICKER, "Gebiet und Gebietshoheit" den Staat in der ursprünglichen Bedeutung von status, als Einrichtung, als Institution ins Auge faßt. 18) Ich betrachte das gewöhnliche (nicht konstitutive) Zivilurteil mit SCHULTZE, Privatrecht und Prozeß, und entgegen LABAND, Staatsrecht III, Seite 352 als Feststellung des konkreten Rechts ohne Befehlsgebung. Es besteht allerdings ein Befehl, daß das Urteil, abgesehen von seiner materiellen Richtigkeit als wirksam zu behandeln ist. Allein dieser Befehl ist nicht vom Richter in seiner Entscheidung gegeben, sondern ist unmittelbar vom Gesetzgeber erlassen. |