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ALEXIUS MEINONG
Zur Relationstheorie
[ Hume-Studien II ]
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"Objekte, physische und psychische sind in Relationen zueinander vermöge eines komplexen Bewußtseinszustandes, in den sie beide eintreten, auch für den Fall, daß der komplexe Zustand in nichts weiter bestünde, als im Denken an beide zusammen. Und sie werden aufeinander in so vielen verschiedenen Weisen bezogen, oder mit anderen Worten sie stehen in so vielen distinkten Relationen zueinander, als es spezifisch verschiedene Bewußtseinszustände gibt, von denen beide Teile ausmachen."

"Relation ist das psychische (wahrscheinlich Vorstellungs-) Phänomen, welches den Übergang von einem Vorstellungsinhalt zum anderen begleitet. Sofort drängt sich die Frage auf, ob dieser Übegang als ein willkürlicher oder unwillkürlicher zu denken ist."

"Jede Vergleichung, überhaupt jede Beziehung zwischen zwei Elementen setzt voraus, daß beide Beziehungspunkte getrennt bleiben, und daß eine vorstellende Tätigkeit vom einen a zum anderen b hinübergeht und sich zugleich derjenigen Abänderung bewußt wird, welche sie bei diesem Übergang vom Vorstellen des a zu dem den b erfahren hat. Eine solche Tätigkeit üben wir aus, wenn wir Rot und Blau vergleichen, und es entsteht uns dabei die neue Vorstellung einer qualitativen Ähnlichkeit, die wir beiden zuschreiben."

"Die beiden Eindrücke a und b sind bloß als Reize anzusehen, die auf die ganze eigentümliche und einheitliche Natur eines vorstellenden Subjekts einwirken und in diesem als Reaktion die Tätigkeit rege machen, durch welche die neuen Vorstellungen, z. B. der Ähnlichkeit, der Gleichheit, des Gegensatzes usw. entstehen."


Zweite Abteilung
Kritik und Weiterführung

I. Grundbestimmungen

§ 1. Ehe wir uns der eingehenderen Betrachtung der von HUME angeregten, für seine Philosophie so wichtigen Frage nach der Einteilung der Relationen zuwenden, ist es vor Allem erforderlich, einen Ausdruck zu fixieren, der von HUME zwar nicht verwendet wird, sich aber als unentbehrlich herausstellt, sobald man, was ja bei philosophischen Dingen von größerem Belang ist als irgendwo anders, die Untersuchung auf eine möglichst präzise Terminologie zu stützen bemüht ist; - ich meine die von LOCKE bekanntlich durchaus nicht neu eingeführte, wohl aber rezipierte Bezeichnung "fundamentum relationis", deren Feststellung uns zugleich noch zu einigen anderen elementaren Bestimmungen führen wird. Auf eine schulgerechte Definition wird es dabei natürlich nicht unter allen Umständen ankommen; schon LOCKE hat auf die Fälle hingewiesen, wo Definieren ebenso viel wäre, "als wenn wir versuchten, die Finsternis im Geist des Blinden durch Worte aufzuhellen und die Ideen von Licht und Farbe in ihn hineinzureden" (1) Aber Klarheit über die Bedeutung der Ausdrücke ist auch dort nicht zu entbehren, wo das Gebiet des Definierbaren aufhört; und so müßten wir, falls wir uns in der Relationsangelegenheit an der Grenze dieses Gebietes befinden sollten, doch wenigstens jene Klarheit zu erreichen suchen.

Wie ungenügend die von LOCKE selbst gegebene Erklärung des Fundaments ist, wird sich wohl schon fühlbar gemacht haben. Daß ein Ehekontrakt den Grund oder die Gelegenheit abgeben soll, den A mit der B zu vergleichen, und daß der Ausdruck dieses Vergleichs im Wort Ehemann liegen soll, klingt zumindest befremdlich; und wenn man weiter hört, daß diese Gelegenheit zusammenfällt mit dem Relationsfundament, so wird man kaum finden können, daß hierdurch die Bedeutung dieses Terminus an Bestimmtheit wesentlich gewonnen hat, zumal, wenn in anderen Fällen die Existenz der Dinge selbst, wieder in anderen eine steigerungsfähige Qualität als Fundament auftritt usw. Es ist sehr wahrscheinlich, daß LOCKE der richtige Gedanke vorschwebte; aber die Unfertigkeit, teilweise, wie sich zeigen wird, Unrichtigkeit seiner Ansicht über die Relationen dürfte eine Präzisierung des Fundamentbegriffs nicht recht möglich gemacht haben.

§ 2. Indessen scheinen hierin auch neuere Forschungen nicht einen wesentlich besseren Erfolg auf weisen zu können. Das mag die Prüfung der Theorie eines der namhaftesten Empiriker der jüngsten Vergangenheit dartun, der, obwohl gewiß nicht zur Selbstüberhebung neigend, eine lange für dunkel gehaltene Angelegenheit mit leichter Mühe aufhellen zu können meint (2). Was die Aristoteliker fundamentum relationis nennen, bemerkt JOHN STUART MILL, und was alle Relationen (mit Ausnahme der Ähnlichkeit) gemeinsam haben, ist "eine Tatsache oder Erscheinung ..., an der die zwei Dinge, zwischen denen eine Relation stattfinden soll, beide beteiligt sind". Die Relation aber ist ein Attribut so gut wie die Qualität; und wie diese auf die Tatsache gegründet ist, daß in uns Sinnesempfindungen von einem Gegenstand hervorgebracht werden, so basiert auch jene auf einer Tatsache (an welcher der betreffende Gegenstand in Gemeinschaft mit einem anderen Anteil hat), und diese Tatsache besteht auch hier, wie dort, aus Bewußtseinszuständen (3), so daß "die Relation einfach die Kraft oder die Fähigkeit des Gegenstandes ist, in Gemeinschaft mit dem korrelaten Gegenstand an der Hervorbringung jener Reihe von Sinnesempfindungen oder Bewußtseinszuständen mitzuwirken". (4) Vielleicht könnte man demnach den Unterschied zwischen Qualität und Relation auch so formulieren: durch seine Qualitäten bewirkt ein Ding allein Bewußtseinszustände, durch die Relationen bewirkt es solche zusammen mit einem anderen Ding.

Man darf sich hier von Anfang an keiner Täuschung darüber hingeben, daß die in diesen Aufstellungen angewendeten Ausdrücke, indem sie selbst relativ sind, die Erklärung gerade in ihrem wesentlichsten Teil zur Diallele [Denken im Kreis - wp] machen. Das gilt nicht nur von Worten wie Kraft, Ursache, sondern ebenso von dem eine so wichtige Rolle spielenden Ausdruck "beteiligt sein", der zwar unbestimmter ist als die übrigen, abder doch keine andere Bedeutung haben kann, als: in irgendeiner Relation stehen. Natürlich ist dies zunächst nur angreifbar, sofern eine eigentliche Definition beabsichtigt ist, während eine bloße Beschreibung, wie sie auch bei undefinierbaren, letzten Tatsachen zuweilen von Nutzen sein wird, dergleichen selbstverständlich nicht vermeiden könnte. Nun zeigt sich aber MILLs Behauptung von der gemeinsamen "Beteiligung" der zwei in Relation befindlichen Objekte an einer "Tatsache" oder "Erscheinung" gar nicht auf alle von ihm selbst gebrachten Beispiele anwendbar. Beim Verhältnis zwischen Herr und Diener läßt sich freilich sagen, das Fundament in dem oben bestimmten Sinn ist "die Tatsache, daß es der Eine übernommen hat oder dazu gezwungen wird, gewisse Dienstleistungen zum Nutzen und auf Befehl des Anderen zu verrichten", (5) und es ist sicher, daß diese "Tatsache" im Geist des die Relation Vorstellenden ihr Dasein ebenso nur durch Bewußtseinszustände "kundgibt" (6) als der Herr oder Diener selbst. In gleicher Weise steht nichts im Weg, bei Rechtsverhältnissen (etwa Gläubiger und Schuldner) in demselben Sinn auf "Gedanken, Gefühle und Willensakte (wirkliche oder mögliche), entweder der betreffenden Personen selbst oder anderer" hinzuweisen (7), wenn es auch fast den Anschein hat, als ob MILL hierbei die "Bewußtseinszustände" des Vorstellenden, auf die es einzig ankommen kann, von denen der vorgestellten Personen nicht völlig auseinandergehalten hat. Wird dagegen als Relation von Größer und Kleiner die Tatsache bezeichnet,
    "daß eine der beiden Größen unter gewissen Bedingungen im Raum, den die andere einnimmt, eingeschlossen werden könnte, ohne ihn ganz auszufüllen" (8)
so ist (ganz abgesehen davon, daß dieser Einschluß wieder eine Relation ist und noch dazu eine, die nur auf räumlich Ausgedehntes Anwendung finden kann) doch sehr zu bezweifeln, ob die Vorstellung eines Größenunterschiedess einfach mit der eines solchen Einschlusses zusammenfällt. Richtig ist, daß es keinen Einschluß geben kann ohne Größenunterschied; dagegen ist die Behauptung, daß der Größenunterschied besteht im Einschluß, geradeso verkehrt, als wenn man meint, die Kongruenz zweier Figuren bestehe in ihrer Deckung, obwohl sie bloß in der Gleichheit aller Bestimmtungsstücke besteht, als welcher die Deckung für den Fall des Übereinanderlegens dann allerdings folgt und daher als Hilfsvorstellung für den Beweis oder als empirisches Kennzeichen für einen bestimmten Fall ganz wohl eine Anwendung finden kann. Aber noch auffälliger zeigt sich die Unhaltbarkeit der obigen Bestimmung in der Relation der Sukzession und Gleichzeitigkeit, welche MILL selbst nur durch folgende Worte erläutern kann:
    "Sagen wir z. B., daß die Dämmerung dem Sonnenaufgang vorhergeht, so besteht die Tatsache, an der die beiden Dinge, Dämmerung und Sonnenaufgang, gemeinsam beteiligt waren, nur aus diesen beiden selbst". (9)
Das kann doch bloß als indirekte Zurücknahme der früheren Behauptung gelten; man wundert sich nur, daß MILL diese Inkonvenienz [Unannehmlichkeit - wp] so wenig bemerkt hat, wie den Widerspruch, in den er zu sich selbst tritt, wenn er diese selbe Relation der Gleichzeitigkeit und Aufeinanderfolge später (10) zusammen mit der Ähnlichkeit als Ausnahme von der Regel hinstellt, die er zuerst in der eben mitgeteilten Weise darauf anwenden zu können gemeint hat.

Nun muß aber auch noch danach gefragt werden, was denn diese beiden in eine Ausnahmestellung gebrachten Relationspaare als Relationen charakterisiert. Sie sind, meint MILL,
    "obwohl sie nicht gleich anderen Relationen auf Zustände des Bewußtseins gegründet sind, selbst Zustände des Bewußtseins. Ähnlichkeit ist nichts als unser Gefühl von Ähnlichkeit, Aufeinanderfolge nichts als unser Gefühl der Aufeinanderfolge." (11)
Damit ist zunächst nur gesagt, daß auch diese Relationen Bewußtseinszustände sind, nicht aber, was für Bewußtseinszustände. MILL meint wohl, es seien Zustände sui generis [aus eigenem Ursprung - wp], die nicht weiter zurückführbar sind, und hat darin vielleicht vollkommen Recht; aber worin besteht dann das, was sie mit den übrigen Relationen gemeinsam haben, oder was sonst die Anwendung desselben Wortes, auf die MILL ja doch nicht verzichten will, rechtfertigen könnte? Man sieht, die Hauptsache ist durch MILLs Ausführung der Klärung nicht näher gerückt.

§ 3. Was die in Rede stehenden Aufstellungen noch unzulänglicher macht, ist MILLs ansich nur zu billigendes Streben, in der Logik metaphysischen Kontroversfragen nach Möglichkeit fern zu bleiben. So ist dann auch in der Attributenlehre von Qualitäten und Empfindungen, von einem Begründetsein der ersteren auf die letzteren usw. in einer Weise die Rede, daß, wer mit einiger Unachtsamkeit liest, sich über den metaphysischen Standpunkt des Autors ganz wohl täuschen kann. Wer aber auf ein genaueres Verständnis und eine exaktere Prüfung aus ist, wird in dieser im Grunde doch, wie gar nicht anders möglich, nur scheinbaren Unparteilichkeit ein nicht geringes Hemmnis finden. So sehr man bereits daran gewöhnt ist, gerade idealistische Metaphysiker bemüht zu sehen, sich die Sprache des gewöhnlichen Realismus mit einigen "reservationes mentales" zu eigen zu machen, so bleibt dies doch ein Vorgehen, das, auch wenn es sich nicht im Interesse der idealistischen Ansicht, sondern zum Zweck der Eliminierung metaphysischer Schwierigkeiten einstellt, doch nur verwirrend wirken kann.

Dagegen würde ein klar ausgesprochener Idealismus dem ersten Schritt unserer Untersuchung geradezu förderlich sein. Es liegt in der Natur dieses Standpunktes, daß auf demselben im Grunde nichts geboten werden kann, als Analysen psychischer Zustände; das sind aber Forschungen, deren auch nicht entraten kann, wer mit seinem Wissen noch über psychische Zustände hinausreichen zu können meint. Es besteht heute kaum mehr eine ernste Meinungsverschiedenheit darüber, daß es keine anderen unmittelbaren Daten gibt als psychische Phänomene; das wird auch jeder besonnene Realist einräumen, und was er dem Idealisten entgegenhält, ist nichts als seine Behauptung über die Verwertbarkeit dieser Daten. Was den sonst so verschieden gearteten philosophischen Disziplinen gemeinsam ist und ihnen den unverkennbaren Stempel ihrer Verwandtschaft aufdrückt, ist in erster Linie die Rolle, welche die psychischen Phänomene darin spielen. Spricht man daher auch im gewöhnlichen Leben so gut von den Relationen zwischen den Dingen, als man von ihren Eigenschaften redet, ohne dabei etwas Vorgestelltes oder psychisches zu meinen, - es ist nichts als das normale Vorgehen, wenn man uch hier erst nach den psychischen Tatsachen fragt, ehe man zu etwaigen Anwendungen auf eine außerpsychische Welt schreitet. Nun zeigt überdies die Betrachtung einer Reihe der wichtigsten Relationsfälle auf den ersten Blick, daß dabei das vorstellende, bzw. die Relation konstatierende Subjekt noch in ganz besonderer Weise aktiv ist, so daß hier das subjektive Moment sichtlich noch weit mehr in den Vordergrund tritt, als beim Vorstellen der sogenannten absoluten Qualitäten. Ja, die Behauptung einer Relation erscheint in vielen Fällen von der Behauptung der Existenz von Dingen, auf die sie bezogen werden könnte, völlig unabhängig; denke ich an zwei verschiedene Farben oder Gestalten, so kann ich diese untereinander ähnlich oder unähnlich nennen, auch wenn ich nicht weiß, ob es dergleichen in Wirklichkeit gibt, oder selbst wüßte, daß es dergleichen nicht gibt. So wird dann auch der Nicht-Idealist den Schwerpunkt der ersten Untersuchung in der psychologischen Analyse der Relationsphänomene erblicken und von dieser Analyse die Beantwortung der Frage, was Relation, was Fundament ist, erwarten müssen. Ob und wie man dann doch auch von Relationen zwischen Dingen reden kann, kann natürlich erst an zweiter Stelle zu entscheiden sein, und soll auch hier zunächst noch unbetrachtet bleiben.

§ 4. Es wird mit dieser Lage der Dinge zusammenhängen, daß die Ausführungen über Relationen, die MILL als Anmerkung zu seines Vaters "Analysis" mitteilt (12), und bei denen die oben berührte Reserve entfällt, wesentlich befriedigender erscheinen. Sie enthalten auch eine Bestimmung, deren Anwendung auf alle Relationsfälle nichts im Wege steht.
    "Objekte, physische und psychische", heißt es da, "sind in Relationen zueinander vermöge eines komplexen Bewußtseinszustandes, in den sie beide eintreten, auch für den Fall, daß der komplexe Zustand in nichts weiter bestünde, als im Denken an beide zusammen. Und sie werden aufeinander in so vielen verschiedenen Weisen bezogen, oder mit anderen Worten sie stehen in so vielen distinkten Relationen zueinander, als es spezifisch verschiedene Bewußtseinszustände gibt, von denen beide Teile ausmachen." (13)
Dagegen ist nun freilich vor allem gelten zu machen, daß das bloße Zusammenbestehen der Vorstellungsobjekte (nur von solchen kann hier natürlich die Rede sein) im Bewußtsein noch keine Relation ausmacht (14); jedermann wird sich an Fälle erinnern können, wo er zwei Objekte eine Zeitlang nebeneinander gesehen oder zugleich an sie gedacht hat, ohne daß ihm etwa eine gewisse Ähnlichkeit oder ein Gegensatz zwischen den beiden aufgefallen wäre, den er nachträglich bemerkt. Richtig aber ist, daß ein solches Zusammenbestehen ein unerläßliches Erfordernis jeder Relation zwischen Vorstellungsobjekten ist; ebenso kann die Behauptung, daß zwischen denselben Objekten verschiedene Relationen bestehen können, je nachdem sie als Teile verschiedener Bewußtseinszustände auftreten, in einer bestimmten Auffassung als richtig gelten, wenn auch angesichts der Ausführungen in der Logik nicht wohl anzunehmen ist, daß MILL das Richtige meint.

Die Hauptsache wäre nun aber doch, das Moment festzustellen, vermöge dessen das bloße Zusammenbestehen im Bewußtsein zur Relation wird. JOHN STUART MILL gibt hierüber keinen Aufschluß; dagegen versprechen einen solchen die Positionen, welche HERBERT SPENCER an die Spitze seiner im hohen Grad beachtenswerten Relationstheorie stellt, und die daher an diesem Ort Berücksichtigung finden sollen.

Nach seiner Ansicht zeigt uns die innere Beobachtung zwei Komponenten des Geisteslebens: die Gefühle ("Feelings" im gewöhnlichen weiten Sinn der englischen Psychologie) und Relationen zwischen den Gefühlen (15). Während jenen eine selbständige Individualität zukommt, fehlt diesen eine solche; denkt man jene weg, so verschwinden auch diese. Indessen erscheint bei genauer Analyse auch die Relation als eine Art Gefühl, und zwar als ein momentanes, das den Übergang von einem selbständigen Gefühl zu einem anderen begleitet und trotz seiner außerordentlichen Kürze qualitativ bestimmt sein muß, da die verschiedenen Relationen nur vermöge der Unähnlichkeit dieses Begleitgefühls in verschiedenen Fällen unterscheidbar sind; ebenso wissen wir, daß sie stärker oder schwächer sein und mit größerer oder geringerer Leichtigkeit eintreten können. Eigentlich sieht SPENCER hinter jedem Relationsgefühl einen jener "nervous shocks", die für seine Integrationstheorie so wichtig sind (16); doch liegt uns diese Betrachtungsweise hier fern, da wir uns auf die psychischen Daten zu beschränken haben.

Uns interessiert zunächst die Hauptbestimmung, die, ohne eine Gefahr der Entstellung, in der uns geläufigeren Terminologie wohl so ausdrückbar sein wird: Relation ist das psychische (wahrscheinlich Vorstellungs-) Phänomen, welches den Übergang von einem Vorstellungsinhalt zum anderen begleitet." Sofort drängt sich die Frage auf, ob dieser Übegang als ein willkürlicher oder unwillkürlicher zu denken ist; und es ist nicht zu bezweifeln, daß SPENCER das Letztere, d. h. den sich von selbst vollziehenden Wechsel der Vorstellungen zumindest so gut im Auge hat wie das Erstere. Denn er warnt im Laufe seiner Darstellung davor, den Unterschied zwischen Gefühlen und Relationen für absolut zu nehmen: so wenig die Relationen existieren könnten ohne Gefühle, so wenig könnten die Gefühle ohne Relationen bestehen, welche jene in Raum und Zeit, oder in beiden begrenzen. (17) Diese von SPENCER nachher noch ausgeführte Position ist schwerlich ohne große Bedenken; aber sie zeigt jedenfalls, daß es sich hier um etwas ganz Allgemeines, dem Wesen der Vorstellungen Anhaftendes handelt. Und wie es auch mit dem Übergang von einem Inhalt zum anderen bewandt sein mag, von denen ich allerdings meine, daß sich häufig gar keine "Feelings" daran knüpfen, sicher scheint mir zumindest das Eine: daß es viele solche Übergänge gibt, wo von Relationen nichts vorgestellt wird. HERBERT SPENCER verfällt eben, trotz der von ihm versuchten genaueren Charakteristik des Vorgangs, in den Irrtum JOHN STUART MILLs, indem diese Charakteristik gleichfalls, und zwar nach derselben Richtung hin, zu weit ausfällt.

Dagegen erweist sich dieselbe zugleich nach einer anderen Seite hin als zu eng, sofern durch sie Sukzessionen [Aufeinanderfolgen - wp] der in Relation gesetzten Objekte gefordert ist. Die nächstliegende Gegeninstanz scheint die Relation der Gleichzeitigkeit selbst zu bieten; doch soll sich hier nicht darauf berufen werden, da SPENCER diese Relation nicht für ursprünglich, sondern für abgeleitet hält, wovon noch später die Rede sein wird. Ebensowenig soll die Selbstverständlichkeit urgiert werden, die für Manchen in der Annahme liegen wird, daß man wohl nicht etwas vergleichen kann, was man nicht im Bewußtsein hat, daher auch Daten aus verschiedener Zeit nur zu vergleichen vermag, indem man ihre Gedächtnisbilder "zusammenhält". Sollte dies auch durch einen Übergang zu ermöglichen sein, so liegt doch in der direkten Erfahrung der Beweis dafür, daß ein solcher Übergang nicht unerläßlich ist. Ich finde nicht das geringste Hindernis darin, zwei im Gesichtsfeld gegenwärtige Papierstreifen als verschiedenfarbig zu erkennen; eines Übergangs bin ich mir dabei nicht bewußt.

Man könnte geneigt sein, sich zugungen der hier bekämpften Ansicht auf eine Bemerkung HERMANN LOTZEs zu berufen:
    "Jede Vergleichung, überhaupt jede Beziehung zwischen zwei Elementen", sagt dieser in seinen Grundzügen der Psychologie (18), "setzt voraus, daß beide Beziehungspunkte getrennt bleiben, und daß eine vorstellende Tätigkeit vom einen a zum anderen b hinübergeht und sich zugleich derjenigen Abänderung bewußt wird, welche sie bei diesem Übergang vom Vorstellen des a zu dem den b erfahren hat. Eine solche Tätigkeit üben wir aus, wenn wir Rot und Blau vergleichen, und es entsteht uns dabei die neue Vorstellung einer qualitativen Ähnlichkeit, die wir beiden zuschreiben."
Es bleibt also die Möglichkeit gleichzeitig gegebener Vergleichsobjekte offen; nur wird gewissermaßen ein Wandern des geistigen Blicks verlangt, um zur Vorstellung des Verhältnisses derselben zu gelangen.

Es mag übrigens dahingestellt bleiben, ob ein solches Wandern, das ja gewiß der Vergleichung sehr förderlich sein wird, unter allen Umständen unentbehrlich ist; ebenso kann auf die Einzelheiten der Ansicht LOTZEs über unseren Gegenstand hier nicht näher eingegangen werden. Ich habe aber die obige Stelle mitteilen zu sollen gemeint, weil die darin gegebene psychologische Beschreibung des Relationsvorgangs mir im Allgemeinen zutreffend scheint, und sich schon durch ihre Einfachheit, fast Selbstverständlichkeit empfiehlt. Wir erinnern uns nun auch, daß in der Hauptsache dasselbe schon in LOCKEs Behauptung enthalten war, Relationen seien komplexe Ideen, welche das Ergebnis einer Vergleichung sind. Was dieses Vergleichen weiter für eine Tätigkeit ist, mag freilich undefinierbar sein; aber niemand wird die Definition vermissen, da jeder schon ohne sie im Klaren ist. Fraglich könnte nur erscheinen, ob sich durch den Hinweis auf einen Vergleich alle Relationsfälle charakterisieren lassen, und in der Tat wird eine spätere Untersuchung die Notwendigkeit einer Modifikation in dieser Hinsicht ergeben. Für unsere ersten orientierenden Feststellungen jedoch mag der Ausdruch Vergleichung umso angemessener sein, als auch HUME, wie wir sahen, hierin LOCKEs Ansicht folgt, seine Einteilung der Relationen folglich zunächst aus diesem Gesichtspunkt betrachtet sein will.

§ 5. Wir haben nunmehr einen Ausdruck für das, was oben die besondere Aktivität bei Relationen genannt worden ist.
    "Die beiden Eindrücke a und b", um hier noch einmal die Worte Lotzes einzuführen, sind immer "bloß als Reize anzusehen, die auf die ganze eigentümliche und einheitliche Natur eines vorstellenden Subjekts einwirken und in diesem als Reaktion die Tätigkeit rege machen, durch welche die neuen Vorstellungen, z. B. der Ähnlichkeit, der Gleichheit, des Gegensatzes usw. entstehen." (19)
Sofern aber die Relationen Produkt einer psychischen Tätigkeit sind, ist wohl klar, daß es streng genommen auch für den Realisten andere als subjektive Relationen nicht geben kann. LOCKE geht also schon zu weit, wenn er meint, was verglichen wird, sind Dinge oder Ideen; nur das Letztere ist zulässig, - denn man kann nur vergleichen, was man vorstellt.

Damit ist nun auch gegeben, was allein in verständlicher Weise eine Grundlage dieser Tätigkeit, d. h. Fundamentum relationis heißen kann: offenbar nichts als die vergleichenden Vorstellungsinhalte selbst. Konstatiere ich zwischen einem Meter und eine Fuß eine Verschiedenheit, so kann die Verschiedenheitsrelation auf nichts anderes gegründet sein, als auf die Vorstellung von Fuß und Meter. Allerdins sind in der Regel nicht einzelne, sondern zusammengesetzte Vorstellungsinhalte gegeben, Komplexe vorgestellter Attribute; aber in den meisten Fällen werden nicht alle, sondern nur einige Elemente durch den Vergleich direkt betroffen sein. Vergleiche ich einen roten mit einem blauen Würfel, und finde sie verschieden, so bezieht sich der Vergleich, genau genommen, nicht auf die Gestalt, sondern nur auf die Farbe; und in natürlicher Weise werden nur die wirklich verglichenen Vorstellungselemente als Fundamente gelten können, nicht aber deren vom Gesichtspunkt der Vergleichung unwesentliche Begleitumstände. Dennoch sagt man in solchen Fällen nicht nur, man habe die zwei Farben verglichen, sondern auch, man habe die Würfel verglichen, höchstens mit dem Beisatz: nach ihrer Farbe. In dieser Wendung haben wir wohl gefunden, was LOCKE im Sinn hat, wenn er für die Relationen zweierlei verlangt: zu vergleichende Dinge und "Gelegenheiten" zum Vergleich. Die Würfel sind in unserem Beispiel die Dinge, die Farbe die Gelegenheit. Es erhellt sich nun aus dem Obigen, daß das erste dieser beiden Erfordernisse (LOCKEs Relata), vermöge dessen die Relation ohne weiteres aus dem Subjekt in die außerpsychische Welt hinausgetragen wird, als zufällig und überflüssig zu eliminieren ist, - ferner, daß LOCKE bezüglich seiner Bestimmung der Relationsfundamente eigentlich das Richtige im Auge hat, und nur durch die Rücksichtnahme auf jene Relata, auf deren Unwesentlichkeit er doch selbst gelegentlich aufmerksam macht, den eigentlichen Sinn seiner Aufstellung verdunkelt. Nicht wenig trägt zur Unklarheit für den Leser allerdings auch der Umstand bei, daß LOCKE in den Beispielen die Fundamente nicht immer richtig bestimmt hat.

Es versteht sich nach dem Gesagten eigentlich von selbst, daß es keine Relation geben kann ohne Fundament oder genauer: ohne zwei Fundamente. Diese Fundamente können selbst Relationen sein, man kann ja auch Relationen vergleichen (20), und vielleicht könntn auch diese verglichenen Relationen wieder Relationen zu Fundamenten haben. Es ist aber bemerkenswert, obwohl wieder selbstverständlich, daß dieser Regressus nicht ins Unendliche fortgehen könnte. Denn in letzter Linie ist niemals die Relation der Ausgangspunkt, von dem man zu den Fundamenten gelangt, vielmehr sind es die Fundamente, die ihrer Natur nach zuerst gegeben sein müssen, ohne welche die Relation gar nicht gegeben sein kann, die daher auf die Relation führen. Eine Relation ohne absolute Fundamente wäre ein Vergleich, in dem nichts verglichen wird.

In der Praxis wird ein Fall der eben charakterisierten Art, wo man Neigung hätte, eine Relation zwischen Relationen auf Relationen ins Unendliche zurückzuführen, nicht leicht vorkommen. Umso häufiger ist ein verwandter Fall, der, obwohl etwas komplizierter, gleichfalls schon in diesem Zusammenhang berücksichtigt sein mag. Nichts ist alltäglicher, als daß das Ergebnis eines Vergleichs, eine Relation also, mit unter die Attribute eines Gegenstandes aufgenommen wird. So bestimmt man ein Objekt A durch die Daten: größer als B, schwerer als C, usw. und man kann in diesem Sinne ganz wohl von relativen Attributen reden. Wie häufig dieser Vorgan ist, beweist schon die Menge der sogenannten relativen Termini, welche geradezu die Aufgabe haben, eine Relation vom Standpunkt eines der beiden verglichenen Objekte aus zu bezeichnen. Solche relative Attribute können nun unter Umständen gleichfalls Relationsfundamente werden. Stelle ich mir B vor mit dem Attribut: kleiner als A und C mit dem Attribut: größer als A, so ergibt sich aus dem Zusammenhalten dieser Daten eine neue Größenrelation zwischen B und C. Natürlich ist das Zurückgehen ins Unendliche hier aus ganz denselben Gründen unstatthaft, wie im ersten Fall; aber die Gefahr, dem Irrtum zu unterliegen, ist bei der umfassenden Anwendung dieser relativen Attribute, auf deren eigentlichen Sinn wir noch zurückkommen werden, eine viel größere, wie wir schon bei LOCKE bemerken konnten, obwohl er doch auf die Positivät der Ideen Gewicht legt.

Es sei noch ausdrücklich bemerkt, daß hier die Möglichkeit, eine Relation in abstracto vorzustellen, nicht bestritten werden soll, zumal eine solche Möglichkeit bei den eben berührten relativen Attributionen geradezu vorausgesetzt werden muß. Ich Gleichheit und Ähnlichkeit vorstellen, indem ich das, was ich hierbei als Fundamente benutze, möglichst vernachlässige, gerade so wie ich Viereckig vorstellen kann, und dabei die unfehlbar mitgegebene Farbenvorstellung nach Möglichkeit außer Acht lasse. Aber das Erstere beweist nicht mehr zugunsten einer fundamentlosen Relation, als das Letztere zugunsten eines farblosen Vierecks.


II. Humes Relationsklassen.

§ 1. Die im Obigen gegebenen Positionen über Relation und Fundament werden wohl ausreichen, um an die Aufstellungen HUMEs kritisch heranzutreten; diese selbst werden uns dann weiter führen. Bezüglich seiner Relationsdefinition genügt es nunmehr, zu konstatieren, daß sie deshalb verfehlt heißen muß, weil sie eigentlich den Begriff des Fundaments für den der Relation nimmt. Dagegen ist, um zu einer Einteilung in richtiger Weise Stellung zu nehmen, ein genaueres Eingehen auf dieselbe erforderlich. Wir wollen, um zu einem Urteil über deren Wert zu gelangen, zunächst die einzelnen von HUME aufgeführten Gattungen einer Analyse, namentlich mit Rücksicht auf ihre Fundamente, unterziehen; die Würdigung der Einteilung selbst wird sich als Konsequenz hieraus ohne Mühe ergeben.

Am klarsten und einer Betrachtung zunächst nicht bedürftig scheinen die Relationen zwischen Qualitätsgraden, sowie die Qantitätsrelationen; hier lassen die Namen über die Beschaffenheit der Fundamente keinen Zweifel aufkommen. Freilich werden von HUME den Quantitätsrelationen nebst den Zahlengrößen auch die Raumgrößen und damit die Angelegenheiten der Geometrie untergeordnet, und über die nähere Betrachtung dieses Umstandes könnte die scheinbare Durchsichtigkeit dieser Relationsklassen leicht verloren gehen. Doch wird dieses Moment durch die Erörterung der übrigen Klassen genügend beleuchtet werden, bedarf daher keiner besonderen Darlegung.

§ 2. Ebenso einfach scheint es auf den ersten Blick mit den Raum- und Zeitrelationen bewandt zu sein; auch hier ist bereits durch den Namen die Art der Fundamente gegeben, als welche also selbstverständlich Raum- und Zeitdaten gelten müssen. Aber Raum- und Zeitdaten können von der verschiedensten Art sein, und eine genaue Präzisierung derselben ist darum besonders nötig, weil gerade hier die oben berührte Ansicht von den relativen Fundamenten eine hervorragende Rolle spielt. Es hat sich gezeigt, daß LOCKE, indem er die Distanz und Sukzession zur Grundlage aller anderen hierhergehörigen Daten machte, die ausnahmslose Relativität aller Raum- und Zeitbestimmungen nicht umgehen konnte. HUME hat gegen diese Ansicht keinen Widerspruch erhoben, sich vielmehr mit dem Wesentlichen dieser Behauptung identifiziert, indem er auf die "disposition" beim Raum und die "Sukzession" bei der Zeit das Hauptgewicht legte. (21) Und man kann wohl sagen, daß diese Angelegenheit mit zu den Punkten gehört, die man als die Tradition der empirischen Schule in England bezeichnen kann, an der, wenn auch mit bald mehr, bald weniger wesentlichen Modifikationen, heute noch festgehalten wird. Auch auf dem Kontinent ist diese Auffassung nicht gerade selten und scheint sich vor allem den mit Problemen dieser Art weniger Beschäftigten als etwas nahezu Selbstverständliches aufzudrängen.

Umso wichtiger ist es, auf die schon oben berührte Unmöglichkeit ausschließlich relativer Bestimmungen in diesem Zusammenhang noch besonders hinzuweisen. Niemand wird normalerweise zwei Farben vergleichen wollen, wenn ihm nicht jede dieser Farben für sich gegeben ist, d. h. wenn er sie nicht absolut vorstellt. Und ebensowenig wird man zwei Ausdehnungen vergleichen können, wenn man nicht jede derselben unabhängig vorzustellen vermag. Freilich kann gerade in diesem Fall, und das wird ein Hauptanlaß der großen Verbreitung der hier bekämpften Ansicht sein, sehr leicht die Abhängigkeit beider Vorstellungen von einer gemeinsamen dritten stattfinden, und so der Schein hervorgerufen werden, als ob das Zurückgehen auf absolute Vorstellungsinhalte zu vermeiden wre; denn nichts ist einfacher, als eine Linie von 15 Meter mit einer von 10 Meter zu vergleichen. Aber abgesehen davon, daß in diesem Beispiel zunächst nur ein Vergleich zwischen Zahlen erfolgen wird, so entsteht doch sofort die Frage, was die beiden Daten: 15 Meter lang, 10 Meter lang, eigentlich besagen kann. Jedes davon schließt ein Gleichheitsverhältnis in sich, zu dessen Konstatierung vielleicht allerlei künstliche Hilfen nötig sind, abe doch nur solche, die endlich auf irgendeine letzte Bestimmung zurückführen müssen. Es leuchtet bei aufmerksamer Betrachtung wohl von selbst ein, daß es unmöglich bleibt, die Maßeinheit, die man zum Ausgangspunkt nimmt, auf irgendeinen Fall anzuwenden, wenn man nicht von der Maßeinheit wie von der zu messenden Ausdehnung je eine für sich bestehende Vorstellung hat, auf die sich dann ein Urteil bezüglich der Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung in irgendeinem Sinne begründen läßt.

Es bleibt nun nur noch übrig, sich darauf zu berufen, daß auch diese Vorstellung der letzten Maßeinheit nichts als eine bestimmte Modifikation der Vorstellung eines Nebeneinander des Anfangs- und Endpunktes, folglich doch relativ ist. Diese Objection bedürfte zunächst schon einiger Richtigstellungen, die vorzunehmen uns zu weit führen würde; auch sieht man, wie die hier behauptete Relativität nun eine ganz andere ist als die, welche man gewöhlich im Auge hat, wenn man Angaben über die Ausdehnung als relativ erklärt. Richtig ist aber, daß die Vorstellung des Nebeneinander relativ ist und daher noch einen zurückzugehen zwingt, auf etwas, das sich dann als unwiderruflich Letztes herausstellt, worauf unsere Bestimmungen überhaupt zurückgehen können. Es ist dasjenige, wodurch jede Stelle im Kontinuum eines subjektiven Raumes (22) sich von jeder anderen Stelle desselben unterscheidet, und das nicht wohl anders als subjektive Ortsbestimmung genannt werden kann. Dadurch ist übe die Angelegenheit des objektiven Ortes natürlich gar nichts ausgesagt. Es bleibt richtig, daß in Bezug auf die letzteren Relationen, sei es der Objekte untereinander, sei es zum vorstellenden Subjekt, von größter Bedeutung sind; es wäre möglich, daß bezüglich der Objekte andere als relative Ortsbestimmungen von uns gar nicht gegeben werden können, so daß man etwa in der Physik von Bewegung und Ruhe in Bezug auf einen Gegenstand, - all das sind Angelegenheiten, welche die hier aufgestellte Behauptung nicht beeinflussen können, die nur mit Vorstellungen und deren Inhalten zu tun hat.

Man kann also sagen: die im Raumkontinuum gegebenen Ortsbestimmungen, die natürlich, eben weil sie Teile eines Kontinuums sind, nicht etwa als Punkte gedacht werden dürfen, sind Fundamente zu allen Raumrelationen. Als Instanz hiergegen darf man sich nicht auf die Tatsache berufen, daß Raumrelationen, wie sich solche in Distanz, Gestalt etc. finden, so häufig ohne Ortsbestimmung auftreten. Daß man von der Länge eines Meters spricht, hat nicht darin seinen Grund, daß die Meter-Distanz etwas anderes wäre, als eine Relation zweier Ortsbestimmungen zueinander, sondern darin, daß unendlich viele Punktpaare im Raumkontinuum möglich sind, zwischen denen eine ebensolche Distanz besteht, - ferner auch noch darin, daß, falls diese Distanz z. B. mit dem Abstand äußerster Punkte eines starren beweglichen Körpers zusammenfällt, sie durch die Bewegung dieses Körpers keine Veränderung erfährt, folglich der Ort, an dem sich derselbe zu einer Zeit befindet. Das mag eine Abstraktion von den Ortsdaten sehr nahe legen, kann diese aber keineswegs aus ihrer Stellung als Relationsfundamente eliminieren. Letztere wird vielmehr durch diese sogenannte Unabhängigkeit der Distanz (und der davon abgeleiteten Raumrelationen) vom Ort neu beleuchtet, indem diese Unabhängigkeit, so paradox es klingt, gerade das sicherste Zeichen dafür ist, daß in Wahrheit nicht die Orte von der Distanz abhängen, sondern die Distanz von den Orten. Sind A und B zwei Ortsbestimmungen, a deren Distanz, so ist klar, daß a in dem Sinn von A und B unabhängig ist, daß auch zwischen unendlich vielen anderen Ortsbestimmungen die Distanz a bestehen kann. Ist daher nur a gegeben, so ist dadurch weder A noch B gefordert; wäre dagegen A und B gegeben, so ist eine andere Distanz als a nicht möglich, und ein Größer- und Kleinerwerden der Distanz ist nur denkbar, wenn anstelle des A oder B ein davon verschiedenes A₁ oder B₁ tritt. Also nicht das a bestimmt das A und B, wohl aber A und B das a. Oder allgemein: es ist möglich, daß innerhalb verschiedener Fundamentenpaare gleiche Relationen bestehen; es ist aber unmöglich, daß innerhalb derselben oder bzw. gleicher Fundamentenpaare ungleiche Relationen (23) bestehen. Demnach sind die Ortsbestimmungen Fundamente, die Distanzen Relationen, nicht aber umgekehrt. (24)

Wir haben bisher ausschließlich von Raumrelationen gehandelt; jedoch begreift sich leicht, daß in Betreff der Zeitrelationen etwas Analoges stattfinden muß. Die Lehre von den Zeitvorstellungen ist im Vergleich mit der Lehre von den Raumvorstellungen ein bisher ziemlich vernachlässigtes Kapitel der Psychologie geblieben, und hier ist natürlich nicht der Ort, dessen Vervollständigung zu versuchen; aber die Analogie zwischen Raum- und Zeitvorstellungen hat sich bisher als eine so durchgreifende erwiesen, daß Positionen, welche diese Analogie weiterführen, schon dadurch allein eine gewisse Präsumption für sich gewinnen. Es steht fest, daß dem subjektiven Raumkontinuum ein subjektives Zeitkontinuum entspricht, gleichviel auf welchem Weg es zustande gekommen sein mag; und so wie jenes unverändert bleibt, auch wenn das Subjekt seine Stellung in Bezug auf den objektiven Raum verändert (25), indem dasselbe seinen subjektiven Raum gewissermaßen mit sich trägt, so kann man auch von der subjektiven Zeit behaupten, daß der Fluß der objektiven an ihr nichts Merkliches zu ändern vermag. Die Gegenwart ist für mich heute, was sie gestern und vor Jahren war, eventuell nach Jahren sein wird, ebenso die nähere und fernere Vergangenheit und Zukunft. Daß, was erst in der Gegenwart oder Zukunft ist, nachher in die Vergangenheit oder Gegenwart gelangt, ist so wenig eine Veränderung der subjektiven Zeit, als es eine Veränderung des subjektiven Raumes heißen kann, wenn ein Objekt, das man früher ziemlich weit links empfunden hat, nun nach recht zu stehen kommt, weil der Vorstellende etwa den Kopf nach links gewendet hat. Und wie die Rangrelationen zuletzt auf Ortsbestimmungen zurückgeführt werden können, so müssen auch die Zeitrelationen auf absolute Zeitbestimmungen als letzte Daten reduzierbar sein. Wer daher die Sukzession allen anderen Zeitphänomenen zugrunde legen wollte, würde nur wieder den Fehler begehen, sich auf eine Relation zu stützen, der er selbst zugleich die Fundamente entzieht.

§ 3. Waren die bisher betrachteten Relationsklassen durch die Natur der Fundamente bestimmt und beschränkt, so scheint dagegen die Relation der Ähnlichkeit an keine besondere Gattung von Fundamenten gebunden. Abgesehen von dem später noch einmal zu berührenden Fall, wo ganze Attributenkomplexe als Fundamente auftreten (wie wenn man von der Ähnlichkeit zwischen zwei Menschen spricht, wo das Allerverschiedensten in der Behauptung der Ähnlichkeit inbegriffen sein kann), begünstigt der Sprachgebrauch allerdings die Anwendung des Wortes "Ähnlichkeit" auf sogenannte sensible Qualitäten; aber man spricht ebenso ungezwungen von Ähnlichkeit in der Gestalt und es ist nicht abzusehen, was anders als die Gewohnheit davon abhalten könnte, auch bei der Größe davon zu reden. Dem geometrischen Sprachgebrauch wäre damit freilich direkt entgegengetreten, aber der geometrische Begriff ist eben eine (mathematisch ganz berechtigte) Determination der Bedeutung, in welcher das Wort außerhalb der Mathematik faktisch angewendet wird. Übrigens soll hier auch keine Erweiterung des gewöhnlichen Sprachgebrauchs vorgeschlagen, wohl aber verhindert werden, daß derselb einen Anlaß gibt, die Natur der in Rede stehenden Relation zu verkennen. Ein Definitionsversuch würde hier, wie man begreift, zur Erklärung wenig beitragen, umsomehr vielleicht die Erwägung eines naheliegenden Beispiels.

Man nimmt keinen Anstand [hat keine Bedenken - wp], von Ähnlichkeit verschiedener Schattierungen derselben Farbe zu sprechen, auch nicht, von manchen als verschieden betrachteten Farben eine Ähnlichkeit auszusagen; und zwar findet man diese Ähnlichkeit umso größer, je näher die zwei verglichenen Farben in jenen künstlichen Anordnungen einander zu stehen kommen, die man, je nachdem man sie am Besten ein-, zwei- oder dreidimensional gestalten zu können meint, Farblinien, Farbflächen, oder Farbkörper zu nennen pflegt. Man wäre natürlich im Irrtum, wenn man glaubte, hierin ein Mittel zu finden, das Ähnlichkeitsverhältnis zu definieren oder zu erklären. Zu sagen, eine größere oder geringere Ähnlichkeit bedeute nichts Anderes als eine größere oder geringere Nähe im Farbkontinuum, wäre deshalb inkorrekt, weil ja vielmehr umgekehrt die größere oder geringere Nähe im Farbkontinuum nichts anderes bedeuten kann als eine größere oder geringere Ähnlichkeit. Was wäre denn sonst der Gesichtspunkt, unter dem die verschiedenen Farben zueinander geordnet sind? Wenn auch die Verbindung der diskreten Daten zu einem Kontinuum nicht ausschließlich als das Ergebnis einer ordnenden Tätigkeit gelten kann, so ist doch klar, daß ein Verbinden nicht möglich ist, ehe die nächstliegenden verfügbaren Discreta in der Phantasie zusammengestellt, also geordnet sind. Vollends unstatthaft wäre es, Ähnlichkeit ganz im Allgemeinen mit Nähe in einem Qualitätenkontinuum zu identifizieren; denn auch bei Geschmacks- und Geruchsvorstellungen gibt es eine Ähnlichkeit, und gleichwohl hat man im Gebiet dieser Sinne Kontinua nicht recht zustande gebracht (was allerdings weniger in der Natur der Sache, als im Umstand begründet sein dürfte, daß die intellektuelle Entwicklung gerade von diesen Qualitäten abzulenken scheint, so daß Aufmerksamkeit und Phantasie, je leistungsfähiger sie vermöge ihrer Übung wären, desto mehr sich vom fraglichen Gebiet abgewendet haben). Kann man aber auch kaum sagen: wo Ähnlichkeit, da muß ein Qualitätenkontinuum sein, so wird doch umso gewisser die Umkehrung gelten: wo sich die Differenzierungen eines Vorstellungsinhaltes in ein Kontinuum bringen lassen, muß auch das vorliegen, was der Ähnlichkeit wesentlich ist. Wenn aber dem so ist, so steht nichts im Weg, den Terminus Ähnlichkeit auf Raum und Zeit anzuwenden, am ursprünglichsten in der Weise, daß absolute Orts- und Zeitbestimmungen als umso ähnlicher gelten, je näher sie einander stehen. Dasselbe ist auch auf die Differenzierungen nach den Tonhöhe anzuwenden (wenn man zuweilen meint, die Oktave ist dem Grundton ähnlicher als die Sekunde, so hat man offenbar ganz andere Dinge als die Tonhöhe im Auge), dasselbe auf die Zahlenreihe, die ihrer Natur nach zwar diskontinuierlich ist, deren Analogie zu den hier betrachteten Fällen aber schon durch die Möglichkeit der Fiktion einer Zahlenlinie gewährleistet ist.

Es liegt nahe, als Instanz gegen diese Ansicht das Sprachgefühl geltend zu machen, dem die Anwendung des Wortes "Ähnlichkeit" auf Ort- oder Zeitbestimmungen entschieden widerstrebt. Aber so schätzenswerte Vorarbeiten die Sprache den wissenschaftlichen Klassifikationen auch darbietet, so ist doch bekanntlich, was sie bringt, der Nachbesserung nur zu oft bedürftig, und gewiß ist es nicht selten, daß dieselbe Sache verschiedene Namen hat, je nachdem sie in verschiedenen Gestalten oder auch nur in verschiedenenen Umgebungen auftritt, und daß dabei ein allgemeiner Terminus durch den Gebrauch von einem Teil des Gebietes ausgeschlossen wird, auf das er Anspruch hätte. Man "schlägt" die Pauke oder Trommel, aber "spielt" sie nicht, auch wenn sie in einer Partitur zweifellos als Musikinstrument erscheint, obwohl das, was der Behandlungsweise von Geige, Flöte, Harfe und Orgel gemeinsam ist und bei diesen Instrumenten als "Spielen" bezeichnet wird, gewiß auch bei der Pauke anzutreffen wäre. Ähnlich scheint es sich mit Raum und Zeit zu verhalten; man spricht nicht von größerer oder geringerer Ähnlichkeit von Ort- und Zeitbestimmungen, weil dafür die kürzeren Ausdrücke "näher und ferner" im Gebrauch sind. Übrigens wiederhole ich, daß es mir hier um keinen Reformvorschlag zu tun ist, wohl aber wichtig erscheint, festzustellen, daß die Relation der Ähnlichkeit auf keine bestimmte Qualitätsklasse beschränkt ist, sondern bei allen sensiblen Qualitäten, wie nicht minder bei Raum und Zeit in Betracht kommt, wenn sie auch nicht immer durch einen Namen als solche kenntlich ist.

Der Ansicht HUMEs entspricht dieses Ergebnis mehr scheinbar als wirklich. In seiner Behauptung, Ähnlichkeit sei die Bedingung aller anderen Relationen, ist freilich eingeschlossen, daß sie bei allen möglichen Relationsfundamenten in Frage kommt; doch meint er dies z. B. bezüglich der Raumdaten nicht so, als ob es mehr oder weniger ähnliche räumliche Bestimmungen gibt, sondern nur in dem Sinn, daß, was immer das Fundament einer Raumrelation sein will, als solches ähnlich, d. h. eben nur räumlich sein muß. Andererseits wäre Ähnlichkeit nach seiner Meinung nicht nur allen Fundamentalklassen zugänglich, sondern für alle Relationen erforderlich, eine Bestimmung, die schon auf Kausalität und Gegensatz nur eine gezwungene Anwendung gestattet, deren völlige Unhaltbarkeit sich aber herausstellt, sobald man Fälle von Verschiedenheit zu Rate zieht. Bei einer Erwägung der letzteren wollen wir daher noch einmal auf diesen Punkt zurückkommen.

§ 4. Über die Fundamente der Relation, welche HUME Gegensatz nennt, kann nach seinen Angaben kein Zweifel obwalten. Es sind Existenz und Nichtexistenz ein und desselben Objekts; HUME erklärt gelegentlich ausdrücklich, daß nichts sonst in einem eigentlichen Sinn konträr heißen kann (26). Umso zweifelhafter scheint, ob die sich aus diesen Fundamenten ergebende Relation den bisher betrachteten Relationen vollkommen gleich stehen kann. Existenz und Nichtexistenz, sagt HUME, zerstören einander und sind völlig unvereinbar (27). Schon LOCKE hat in der Lehre vom Wissen von der Unverträglichkeit mancher Attribute gesprochen, aber unter die von ihm aufgezählten wichtigsten Relationen die Unvereinbarkeit nicht aufgenommen; kann man nun sagen, daß die Konstatierung der Unvereinbarkeit von Existenz und Nichtexistenz eines Dings das Ergebnis des Vergleichs dieser beiden Vorstellungsinhalte ist? Die Antwort scheint unbedenklich verneinend ausfallen zu müssen. Das Vergleichen von zwei solchen Inhalten kann deren Verschiedenheit ergeben, auch wohl deren Ähnlichkeit, wie HUME selbst berührt hat, - aber eine Behauptung über Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit ist etwas völlig Anderes. Wir sehen ganz wohl die Abhängigkeit einer solchen Behauptung von den zwei Vorstellungsinhalten, und insofern scheinen diese auch hier den Namen Fundamente zu verdienen, aber wir haben es mit keinem Vergleich dieser Fundamente zu tun. Wir stehen vor dem ersten Fall, wo die von LOCKE gegebene, von HUME akzeptierte Relationsdefinition nicht mehr ausreicht.

§ 5. Wenden wir uns mit dem Versucht, die Fundamente zu bestimmen, an die beiden Relationsklassen der Kausalität und Identität, so stoßen wir beiderseits auf ganz unüberwindliche Hindernisse. Was zunächst die Kausalität anlangt, so erfordert sie wohl, wenn HUMEs Analyse richtig ist, eine räumliche Kontiguität (28) und ohne Frage eine Sukzession (29); aber an der ihr nach HUME wesentlichen psychischen Nötigung haben, wie bereits erwähnt, die dabei in Betracht kommenden Vorstellungsinhalte keinen Anteil. Sie können also nicht Fundamente dieser Relation heißen, und von einem Vergleich ist hier selbstverständlich vollends nicht die Rede. Wir stehen dem bisher von uns festgehaltenen Relationsbegriff noch ferner als im vorigen Fall, und auch eine von HUMEs Ansicht verschiedene Kausaltheorie würde in dieser Hinsicht zu keinem anderen Ergebnis führen.

Ganz ähnlich steht es bezüglich der Identität, unter der ja HUME nicht bloß die Gleichheit von Vorstellungsinhalten, sondern einerseits mehr, andererseits weniger begreift, ganz in der Weise, wie uns bei LOCKE der reguläre Gebrauch des Wortes begegnet ist. Selbst in dem Fall, den HUME als sinnliche Perzeption der Identität bezeichnet (er meint wohl die Identität eines Dings, das eine Zeit lang sinnlich gegeben ist, etwa am Anfang und Ende, oder sonst in zwei Momenten dieser Zeit), haben wir, wenn man sich auch nur auf das psychisch Gegebene beschränkt, nicht bloß die Gleichheit zweier Vorstellungsinhalte, sondern auch deren kontinuierlichen Übergang ineinander als integrierenden Bestandteil zu betrachten. Überdies geht HUME ganz ungenau vor, wenn nach seiner Ansicht dieser Fall unter jene zu rechnen sein sollte, wo die Vergleichung zwischen zwei gegenwärtigen Objekten vollzogen wird (30). Gegenwärtig ist gewiß nur ein Objekt; der Vergleich, der stattfindet, betrifft zwei Vorstellungsinhalte, deren einer sinnlich gegenwärtig ist, der andere aber jedenfalls nur erinnert wird, zwei Inhalt also, die, wenn sonst völlig gleich, doch unter allen Umständen zeitlich verschieden sind. Es erhellt sich daraus, daß auch bei den einfachsten Identitätsbehauptungen dieser Art die bloße Vergleichung von Inhalten nicht ausreicht, vielmehr unvermeidlich das Gedächtnis zu Hilfe gerufen werden muß, welches sowohl das tatsächliche Vorhandensein eines bestimmten Zustandes zu einer bestimmten (gleichviel ob näher oder ferner vergangenen) Zeit, als auch die Kontinuität des Übergangs zwischen den beiden fraglichen Zeitpunkten zu verbürgen hat. Das Gedächtnis aber begründet zunächst nicht Urteile über Relationen, sondern Urteile über Existenzen; und durch die Hereinziehung dieses Moments (das übrigens, wie wir sehen werden, auch der Kausalität nicht fehlt) tritt dann auch die Identität den früher berührten Relationen als ein völlig Fremdes gegenüber, ohne etwas aufzuweisen, das man im Sinne unseres bisherigen Wortgebrauchs als Fundament namhaft machen könnte.

§ 6. An letzter Stelle sei in diesem Zusammenhang noch der Verschiedenheit gedacht, die HUME aus der Zahl der Relationen ausschließen zu sollen meint, da sie keine Relation ist, sondern vielmehr die Leugnung einer Relation, und zwar entweder der Ähnlichkeit oder Identität. Ob dies bezüglich des letzteren Falls, der sogenannten numerischen Verschiedenheit, seine Richtigkeit hat, kann hier dahingestellt bleiben; dagegen muß hervorgehoben werden, daß HUMEs Ansicht vom ersten Fall einer genaueren Betrachtung nicht standhalten kann. Schon die Verschiedenheit der Ähnlichkeit entgegenzusetzen, ist nicht korrekt: zwei Dinge können ganz wohl zugleich ähnlich und doch voneinander (nicht bloß numerisch, sondern auch qualitativ) verschieden sein, ja sie sind es sogar immer; denn wären sie es nicht, so würde man sich gleich und nicht ähnlich nennen. Aber auch wenn man "verschieden" für gleichbedeutend mit "unähnlich" setzt, einem Terminus, der die negative Bedeutung schon an der Stirn zu tragen scheint, so ist der psychische Vorgang, der sich vollzieht, wenn man etwa die Unähnlichkeit oder Verschiedenheit zweier Qualitäten, wie "blau" und "süß", konstatiert, nicht als ein Leugnen der Ähnlichkeitsrelation von den zwei genannten Inhalten zu beschreiben. Man denke nur, welche Komplikation damit gegeben ist. Ich kann nicht die Ähnlichkeit von Blau leugnen, auch nicht von Süß, sondern nur von beiden zusammen; d. h. doch nur: ich vergleiche "blau" und "süß" und das Ergebnis dieses Vergleichs ist derart, daß ich davon leugnen muß, daß eine Ähnlichkeit vorhanden ist. Von einer solchen Komplikation scheint nun die Selbstbeobachtung nicht das Geringste zur Kenntnis zu bringen, ja nicht einmal etwas von einer Negation. Das Wahrnehmen der Ähnlichkeit im einen, der Unähnlichkeit oder Verschiedenheit im anderen Fall stellt zwei völlig gleichartige, gleich einfache Vorgänge dar, deren keiner vom anderen abgeleitet ist; und so bleibt dann nichts anderes übrig, als die Verschiedenheit so gut als Relation anzuerkennen, wie die Ähnlichkeit.

Steht dies fest, so ist nun vollends klar, was von der Position zu halten ist, welche HUME der Ähnlichkeit als Bedingung aller anderen Relationen einräumt. Es ist dies eigentlich der Ausdruck einer ziemlich populären Ansicht: oft wird gesagt: die zwei Dinge A und B sind so verschieden, daß man sie nicht vergleichen kann. Man vergißt dabei nur, daß, um diese Worte auszusprechen, A und B bereits verglichen worden sein müssen, oder vielmehr, man gebraucht das Wort vergleichen in einem engeren Sinn, indem man nur vergleichbar nennt, was vergleichenswert ist, d. h. etwa bemerkenswerte Ähnlichkeiten oder Kontraste aufweist. In dieser Bedeutung des Wortes mag allerdings eine Symphonie von BEETHOVEN mit einem Kehlkopf nicht zu vergleichen sein; die psychologische Betrachtung aber muß festhalten, daß diese Dinge ganz wohl vergleichbar sind, wenn der Vergleich auch recht ausgiebige Verschiedenheiten zutage fördern mag.

§ 7. Wir dürften nunmehr über die einzelnen von HUME aufgestellten Relationsklassen Klarheit genug erlangt haben, um die Frage nach dem wissenschaftlichen Wert dieser Einteilung beantworten zu können. Einteilungen, so sehr sie zunächst nur formalen Bedürfnissen Rechnung zu tragen scheinen, schließen bekanntlich doch in der Regel einen Komplex grundlegender Behauptungen über die dabei in Rede stehende Sache in sich, so daß die Annahme oder Verwerfung einer Einteilung leicht mit der Annahme oder Verwerfung einer ganzen Theorie zusammenfallen kann.

Unsere Hauptaufgabe wäre, den Einteilungsgrund zu eruieren [untersuchen - wp], durch dessen Determination sich die siehen koordinierten Klassen ergeben. Streng genommen könnte es, solange man LOCKEs Definition festhält, der gemäß alle Relationen Fälle von Vergleichung sind, überhaupt nur zwei mögliche Einteilungsgründe geben: die Beschaffenheit der verglichenen Fundamente, oder das Ergebnis der Vergleichung, das natürlich bezüglich zweier bestimmter Fundamente auch mitbestimmt sein müßte, dagegen ganz wohl bei verschiedenen Fundamenten derselben Klasse (verschiedenen Farben z. B.) verschieden sein könnte. Eine Rücksichtnahme auf diesen zweiten Umstand ist bei HUME jedoch nirgends zu bemerken; dagegen scheint unzweifelhaft, daß er sich zumindest bei einigen Klassen durch den ersten Gesichtspunkt leiten ließ. Die Relationen des Raums, der Zeit, der Quantität und der Qualität nehmen ihre Differenz offenbar von der Verschiedenheit der verglichenen Inhalte. Aber mit diesem Einteilungsgrund wäre auch als selbstverständlich gegeben, daß Fundamente derselben Beschaffenheit unmöglich in mehr als einer der sieben Klassen auftreten könnten; und doch behauptet HUME ausdrücklich, es komme in gar keinem Fall eine Relation allein vor, außer vielleicht die der Ähnlichkeit, denn jede andere setzt Ähnlichkeit voraus. Wird man ferner von einem bestimmten Qualitätsgrad nicht auch Unveränderlichkeit in einer bestimmten Zeit aussagen können, so daß die Identitätsrelation geradezu einen Fall von Qualitätsrelation zur Voraussetzung hat? Wenn man vollends, was freilich HUMEs Ansicht nicht entspricht, Verschiedenheit gleichfalls als Relation anerkennen muß, hat man damit nicht ein Verhältnis gegeben, das in gleicher Weise zwischen Ursache und Wirkung stattfinden kann, als es zwischen Existenz und Nichtexistenz, den Fundamenten der Relation, des Gegensatzes, stattfinden muß?

Aber wir sind in unseren Betrachtungen bereits auf einen Einwand geführt worden, der tiefgreifender ist. Wir haben uns ja genötigt gesehen, die Relationen der Identität, Kausalität und des Gegensatzes aus der Zahl der auf einem Vergleich beruhenden Verhältnisse ganz auszuschließen; und es mußte dabei sofort sehr zweifelhaft werden, ob das, was bezüglich dieser drei Relationen anstelle der Vergleichung zu setzen wäre, in allen drei Fällen dasselbe ist. Natürlich wird das Verhältnis dieser verschiedenen Relationen zueinander erst aufgrund weiterer Untersuchungen zu bestimmen sein; aber soviel leuchtet schon auf unsere bisherigen Erwägungen hin ein, daß es sich hier um Einteilungsmomente handeln muß, denen gegenüber die vier Vergleichsfälle, eben als solche, nicht die Stellung selbständiger Gattungen, sondern bestenfalls koordinierter Arten derselben Gattung (Vergleichsrelationen) einnehmen können.

Beschränken wir uns aber einmal auf die eben erwähnte Gattung, in der die Beschaffenheit der Fundamente nun leicht den Einteilungsgrund abgeben könnte. Nach dem eben Gesagten wäre dies nur möglich, wenn zuvor die Ähnlichkeit den drei anderen Arten übergeordnet würde. Dann zeigen sich aber neue Schwierigkeiten. Die Disjunktion [Unterscheidung - wp]: Quantität, Qualitätsgrade, Raum und Zeit, ist unvollständig, - es können ja auch die Qualitäten selbst verglichen werden, ohne Rücksichtnahme auf ihre Grade; andererseits schließen sich die drei gegebenen Disjunktionsglieder nicht vollkommen aus, wenigstens dürften zwischen Quantität und Raum- und Zeitbestimmungen bald genug Konflikte eintreten. Daneben wäre auch die ausschließliche Überordnung der Ähnlichkeit anzugreifen; wir fanden ja auch in der Verschiedenheit, bzw. Unähnlichkeit eine Relation, und von der Gleichheit ist in HUMEs Einteilung mit keinem Wort die Rede gewesen. Vielleicht denkt er sich dieselbe als einen speziellen Fall von Ähnlichkeit, wie neuerlich JOHN STUART MILL (31); wir werden jedoch noch sehen, daß vielmehr in vielen Fällen die Ähnlichkeit als spezieller Fall von Gleichheit zu betrachten ist.

Das Beigebrachte wird wohl ausreichen, die Unhaltbarkeit der HUME'schen Einteilung nach jeder Richtung darzulegen. Ehe wir aber den Versuch machen, HUMEs Fehler zu beseitigen, wird es sich empfehlen, einen Blick auf andere Einteilungen zu werfen, die aus HUMEs Schule hervorgegangen sind oder zumindest (um der offenen Frage nach HUMEs Einfluß nicht zu präjudizieren) ihm geistesverwandten Forschern angehören.
LITERATUR - Alexius Meinong, Hume-Studien II, Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Klasse der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien 1882
    Anmerkungen
    1) Ess. b. II. ch. IV. sect. 6.
    2) MILL, System of logic b. I. ch. II. § 7., Ges. Werke ed. Th. GOMPERZ, Bd. II, Seite 28
    3) MILL, Logik, b. I. ch. III. § 10., a. a. O., Seite 56f.
    4) ebd. § 14, a. a. O., Seite 64
    5) ebd. § 10., a. a. O., Seite 57
    6) ebd. Seite 58
    7) MILL, Logik, b. I. ch. III. § 10, a. a. O., Seite 57f
    8) ebd. Seite 57
    9) ebd. Seite 58.
    10) MILL, Logik, § 11 (Seite 59) § 13 (Seite 64)
    11) ebd. Seite 64
    12) JAMES MILL, Analysis of the phenomena of the human mind, ed. John Stuart Mill, London 1879, Bd. II, Seite 7f.
    13) JAMES MILL, a. a. O., Seite 10.
    14) Außer die Relation des Zusammenbestehens selbst, dies ist aber eine Realrelation, die Mill hier sicher ebensowenig im Auge hat als anderswo; falls dagegen die Relation der Gleichzeitigkeit oder zeitlichen Berührung der betreffenden zwei Vorstellungen gemeint wäre, die objektiv besteht, auch wenn der Vorstellende nicht daran denkt, so wäre dies nur eine der häufigen objektiven Formulierungen, wo mittels der Relation eigentlich die Existenz gewisser Fundamente behauptet wird, die ihrerseits allerdings objektiv sind, und eine scheinbare Objektivität auch auf die Relation gewissermaßen zurückwerfen. Diese Bemerkung soll nur ein naheliegendes Mißverständnis abwehren; der Kürze wegen habe ich dabei Ausdrücke angewendet, welche die späteren Untersuchungen dieser Schrift bereits voraussetzen.
    15) HERBERT SPENCER, The principles of psychology, London 1870 p. II. § 65, Bd. 1, Seite 163
    16) SPENCER, a. a. O., Seite 164
    17) SPENCER, a. a. O., Seite 165
    18) HERMANN LOTZE, Grundzüge der Psychologie, Teil I, Kap. 3. §. 1. Seite 23, Leipzig 1881.
    19) LOTZE, a. a. O., Seite 24, § 2.
    20) siehe JOHN STUART MILL, System of logic, b. I. ch. III. § 11, Ges. Schr. Bd. II, Seite 60.
    21) z. B. Treat. b. I. p. II. sect. III, a. a. O., Seite 341f.
    22) Ich sage eines, indem ich durch diese Bestimmungen keiner Raumtheorie zu präjudizieren glaube, da sie mir gleich anwendbar erscheinen, wie immer man sich die Genesis der Raumvorstellungen und speziell das Verhältnis etwa zwischen Gesichts- und Tastraum denken mag.
    23) Derselben Relationsklasse, wie im Sinne späterer Ergebnisse hinzugefügt werden muß.
    24) Vgl. STUMPF, Über den psychologischen Ursprung der Raumvorstellung, Leipzig 1873, Seite 280f.
    25) Man gestatte der Kürze halber diese metaphysisch vielleicht einer Präzisierung bedürftige Ausdrucksweise, da sie ja doch kaum mißverständlich ist.
    26) Treat. b. I. p. III. sect. XV, a. a. O. Bd. 1, Seite 466.
    27) ebd. sect. I, a. a. O. Seite 373
    28) Treat. b. I. p. III. sect II. Seite 377.
    29) ebd. Seite 378
    30) ebd. Seite 376
    31) MILL, System of Logic, b. I. ch. III. § 11. Ges. Werke ed. GOMPERZ, Bd. II, Seite 60.