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Bericht über deutsche Schriften zur Erkenntnistheorie [aus den Jahren 1894 und 1895] (zweites Stück) [ 2 / 2 ]
Vorbemerkung Die Hauptgedanken der "Einleitung" und der "Erkenntnistheoretischen Grundlegung" des oben besprochenen Werkes entwickelt ebenfalls 2) WILHELM SCHUPPE, Die natürliche Weltansicht (Philosophische Monatshefte, Bd. 30, Seite 1-14). Eine nicht uninteressante Beurteilung SCHUPPEs im Verhältnis zu den Vorgängern von LOCKE an, besonders zu KANT, enthält die Greifswalder Dissertation: 3) RICHARD HERRMANN, Schuppes Lehre vom Denken kritisch beleuchtet, Züllichau 1895, 52 Seiten. KANT "streift bereits" die Ding-Analyse SCHUPPEs (1). Zur vollen Klarheit zu kommen, hinderte ihn das "extramentale" Ding-ansich, in welches SCHOPENHAUER und du PREL gewissermaßen berechtigt waren, die ganze Spuk- und Geisterwelt hinein zu praktizieren (2). Den Hauptfortschritt über KANT hinaus sieht aber der Verfasser in der Reduktion der Kategorientafel auf die beiden einzigen Kategorien Identität und Kausalität und speziell, da SCHUPPEs Kausalität den Relationskategorien KANTs entspricht, in der Aufstellung der Identität als Kategorie (3). Sonst tadelt der Verfasser (Seite 11f) die Auseinanderreißung der sinnlichen und begrifflichen Funktion bei KANT; bemerkt übrigens selbst (Seite 19), daß KANT regelmäßig nur in konditionaler Form davon spricht, daß das Mannigfaltige "ansich" (d. h. ohne die Einheit im Verstand) zerstreut und einzeln wäre (4). Dem Standpunkt SCHUPPEs steht sehr nach 4) JOHANNES REHMKE, Unsere Gewißheit von der Außenwelt. Ein Wort an die Gebildeten unserer Zeit, Heilbronn 1894, 40 Seiten. Die Gewißheit von der Außenwelt ist kein Problem, denn "die Außenwelt ist uns so unmittelbar gegeben wie wir uns selber." Beides darf überhaupt nicht auseinander gedacht werden; tut man es freilich, so ist der Idealismus unvermeidlich. Das heißt für REHMKE mit der Immaterialität der Seele Ernst machen. Denn es verstößt ebenso sehr gegen ihre Immaterialität, zu sagen, sie habe die Dinge ansich, wie, sie habe sie außerhalb ihrer; man soll einfach sagen, sie habe sie. Die Seele ist überhaupt kein Ding, das wäre noch ein Rest von Materialität (5). - Auf fast entgegengesetztem Standpunkt steht 5) GOSWIN K. UPHUES, Über die Existenz der Außenwelt. Psychologische Seite der Frage (Vortrag in "Neue pädagogische Zeitung, 1984, Nr. 31, 19 Seiten) Ich berichtete über das Schriftchen ausführlich, weil die eigenartige Erkenntnistheorie des Verfassers in den "Philosophischen Monatsheften" und dem "Archiv" bisher nicht zu Wort gekommen ist. Was ist die Außenwelt? Etwas Immanentes, d. h. Inhalt des Bewußtseins und somit von ihm abhängig, oder etwas Transzendentes, d. h. ein Gegenstand, der seinem Begriff nach nur jenseits des Bewußtseins existieren kann, also von ihm unabhängig ist? Im ersteren Fall braucht man nicht zu fragen, wie wir zur Erkenntnis der Außenwelt gelangen können, denn wir haben sie unmittelbar im Inhalt unseres Bewußtseins; im letzteren Fall scheint die Frage ganz unlösbar, da wir doch nicht aus unserem Bewußtsein hinaus können, also kein Mittel haben uns zu vergewissern, was jenseits unseres Bewußtseins ist oder nicht ist. Die obige metaphysische Frage ist also vorläufig unbeantwortbar; es steht so weit frei, wie man es annehmen will. Aber es macht einen Unterschied für die andere, psychologische Frage, wie die Empfindungen beschaffen sind, durch die wir die Außenwelt kennen lernen, oder vielmehr, wie beschaffen sie angenommen werden muß, um zu erklären, wie wir durch sie die Außenwelt, sei es als "Inhalt" oder als "Gegenstand", kennen lernen. Die möglichen Theorien sind: 1. die Inhaltstheorie. Der Inhalt unseres Bewußtseins ist eben nur dies und weist in keiner Art auf etwas, das nicht Inhalt des Bewußtseins und zwar eben dieses Bewußtseins wäre, zurück. Allein mit dieser Annahme ist über den schlechthin gegenwärtigen Inhalt des jedesmaligen einzelnen Bewußtseins auf keine Weise hinauszukommen. Daher räumt 2. die Vertretungs- oder Substitutionstheorie so viel ein, daß ein gegenwärtiger Inhalt irgendwie bewußt sein kann als nicht für sich sondern für anderen z. B. vordem bewußt gewesenen Inhalt stehend. Diese Annahme reicht aus, die Erkenntnis eigener vergangener, vielleicht auch fremder Bewußtseinsvorgänge psychologisch zu repräsentieren, nicht aber die (wirkliche oder vermeintliche) Erkenntnis von Gegenstände, die überhaupt keinen Bestandteil eines Bewußtseins bilden, d. h. transzendenten Gegenständen in einem strengen Sinn. Um auch diese begreiflich zu machen, nimmt 3. die Objektivationstheorie an, daß es dem Bewußtsein möglich ist, etwas, das ihm wirklich zwar nur als sein Inhalt gegeben, also von ihm abhängig ist, gleichwohl, gegen seine Natur, als ein Selbständiges, von sich Unabhängiges aufzufassen. Allein wie sollen Bewußtseinsinhalte es anstellen, in einer solchen, ihnen tatsächlich gar nicht zukommenden Selbständigkeit zu erscheinen? Das wäre nur so möglich, daß sie irgendwie den Gedanken dieser Selbständigkeit in uns erzeugen. Kann aber der Gedanke einer selbständigen Existenz überhaupt mit dem Gegebensein eines Inhalts im Bewußtsein verknüpft sein, so genügt das allen Anforderungen, und es ist weiter gar nicht nötig, daß wir den gegebenen Inhalt selbst, im Widerspruch mit seiner Natur als Bewußtseinsinhalt, mit dem Transzendenten, das wir dabei denken, verwechseln und fälschlich dafür ansehen, sondern es reicht aus, daß er einerseits zwar, als Bewußtseinsinhalt, dem Bewußtsein angehört, andererseits aber uns doch bewußt ist als Ausdruck oder Darstellung eines Transzendenten, kurz als Hinweis auf dieses als ein von ihm selbst Verschiedenes. Diese Theorie nennt der Verfasser 4. Gegenstandstheorie. Das Erkennen reicht nach dieser immer über sich selbst hinaus in das Jenseits seiner selbst. Es stellt die Gegenstände so vor oder dar, wie sie unvorgestellter, undargestellter Weise sind (Seite 12). Das wesentliche Motiv, aus dem sich der Verfasser für diese Theorie entscheidet, ist dieses: Es "steht" (nach ihm) "unzweifelhaft fest", daß für das gewöhnliche Bewußtsein die Außenwelt mit all den Bestimmungen, mit denen sie insgemein gedacht ist, etwas Transzendentes, nicht allein von diesem, sondern von allem Bewußtsein Unabhängiges ist. Die Bestreitung der Möglichkeit des Begriffs des Transzendenten steht also mit den Tatsachen in einem offenen Widerspruch. Zwar ist damit ganz unvereinbar, daß es kein Transzendentes gibt, aber danach ist jetzt überhaupt nicht die Frage. Andererseits, wenn es so ist, wie die Gegenstandstheorie annimmt, so versteht sich ganz leicht, nämlich aus einem einfachen Absehen von der Gegenstandsbeziehung, daß sich der Bewußtseinsinhalt auch lediglich als solcher, auf sich selbst beschränkt und beziehungslos für sich dastehend, betrachten läßt. Wird dann der so betrachtete Inhalt mit der Außenwelt identifiziert, so wird diese selbst scheinbar zum Bewußtseinsinhalt. Indessen ist diese Betrachtungsweise künstlich. Der Verfasser zieht die "natürliche" Auffassung vor, daß die fraglichen Inhalte auf Transzendentes hinweisen. Auf die Frage: Wie kommen wir zum Bewußtsein der Wirklichkeit der Außenwelt, wird also richtig geantwortet durch eine Berufung auf die Empfindungen, die eben die beschriebene Eigentümlichkeit haben. "Noch einmal und zum letzten Mal" betont der Verfasser, daß damit über die Wirklichkeit des Transzendenten auf keine Weise entschieden wird. (6) Schon im Titel verrät sich als Gesinnungsgenosse von UPHUES 6) KASIMIR TWARDOWSKI, Zur Lehre vom Inhalt und Gegenstand der Vorstellungen. Eine psychologische Untersuchung. Wien, 1894, 111 Seiten. § 1. An jedem psychischen Phänomen ist nicht bloß, wie üblich, zwischen Akt und Inhalt, sondern weiter (nach HÖFLERs Vorgang) zwischen Inhalt und Gegenstand zu unterscheiden. Der erstere liegt "ebenso ganz innerhalb des Subjetks, wie der ... Akt selbst", der letztere bedeutet "dasjenige ansich Bestehende, worauf sich" der betreffende Akt des Bewußtseins gleichsam richtet" (Worte HÖFLERs). Der näheren Untersuchung dieses Unterschieds ist die Abhandlung gewidmet. § 2. Und zwar versucht sie ihn zunächst am Urteil durchzuführen. Der Unterschied zwischen Vorstellung und Urteil ist unüberbrückbar (gegen ERDMANN); er liegt in der "Art der intentionalen Beziehung auf den Gegenstand". Man kann dasselbe einerseits bloß vorstellen, andererseits beurteilen, d. h. (nach BRENTANO) anerkennen oder verwerfen. Nun ist das, was im Urteil bejaht oder verneint wird, nämlich daß A ist oder nicht ist, der Inhalt des Urteils; sein Gegenstand ist vielmehr das A selbst. So wenig wie das psychische Bild des Gegenstandes (der Vorstellungsinhalt) ist die Existenz desselben (der Inhalt des Urteils) der Gegenstand selbst. § 3. Ein Name ist 1. Kundgebung des Vorstellungsaktes des Sprechenden, 2. Erweckung eines Vorstellungsinhaltes im Hörenden, 3. und hauptsächlich Nennung des Gegenstandes, der durch die vom Namen bedeutete Vorstellung vorgestellt wird. § 4. Eine gemalte Landschaft ist keine Landschaft, sondern eine mit Farben bedeckte Leinwandfläche; aber sie ist in einem anderen Sinn doch eine Landschaft: sie bestand, ehe sie gemalt wurde, in der Natur oder in der Phantasie des Malers und hat damit, daß sie gemalt wurde, nicht aufgehört, Landschaft zu sein. So ist ein vorgestelltes Objekt kein wirkliches Objekt, sondern seine Vorstellung, gleichsam sein Bild, aber es ist wiederum doch das Objekt, nämlich das Vorgestellte. Also entspricht dem Vorstellen ein doppelter Gegenstand, der vorgestellte Inhalt und der vorgestellte Gegenstand, wobei letzterer (entsprechend dem Sujet des Bildes), damit daß er vorgestellt wird, nicht aufhört, der Gegenstand zu sein. Um eine Verwechslung zu vermeiden, soll unterschieden werden, was in der Vorstellung und was durch sie, genauer durch ihren Inhalt, vorgestellt wird (7). § 5. Gibt es Vorstellungen ohne Gegenstand? z. B. Nichts, rundes Viereck, grüne Tugend, goldener Berg? TWARDOWSKI untscheidet: Vom Nichts gibt es keine Vorstellung, denn es ist kein kategorematischer, sondern ein synkategorematischer Ausdruck. Er verneint nicht ein Etwas, sondern das Sein eines Etwas. "Nichts ist ewig" heißt: Ewiges gibt es nicht. Dagegen die Vorstellung des schiefwinkligen Quadrats hat sowohl einen Inhalt wie einen Gegenstand; denn
Als Anhänger von UPHUES und TWARDOWSKIs "Ausdruckstheorie" bekennt sich in zwei zusammengehörigen Schriften 7) HERMANN SCHWARZ, Was will der kritische Realismus? Eine Antwort an Herrn Professor Martius in Bonn. Leipzig, 1894, VIII und 40 Seiten. 8) HERMANN SCHWARZ, Die Umwälzung der Wahrnehmungshypothesen durch die mechanische Methode. Nebst einen Beitrag "Über die Grenzen der physiologischen Psychologie. Leipzig 1895 (XX, 198 und IV, 213 Seiten). Den deutlichsten Einblick in die Denkweise des Verfassers gewährt die kleinere Schrift. Das Gerichtetsein der Wahrnehmung auf etwas Transzendentes bedeutet nicht die metaphysische Behauptung, daß das Transzendente existiert, sondern bringt einen einfachen psychologischen Tatbestand zum Ausdruck. Es ist eine von den Wahrnehmungsvorgängen unabtrennbare, in ihnen eingeschlossene Eigenschaft, die ihnen zukommt ganz unabhängig davon, ob es etwas Transzendentes gibt oder nicht (Seite 5f). Deshalb ist der Einwand, wenn wir vom Transzendenten ein Bewußtsein hätten, so wäre es also im Bewußtsein oder im Gedanken, nicht triftig, denn seinem Begriff nach existiert es entweder außerhalb des Bewußtseins oder es existiert überhaupt nicht (Seite 6). Der "kritische Realismus" betrachtet demnach als gleich zulässige Hypothesen, daß die Farben, Töne usw., die wir wahrzunehmen glauben, überhaupt nicht existieren, und daß sie existieren so wie wir sie wahrnehmen. Doch gibt er der letzteren Annahme den Vorzug. Unbedingt verwirft er dagegen das mit keiner von beiden Annahmen klar vereinbare "Gerede", daß die Farben, Töne usw. "subjetkiv" sind (Seite 7). Dies kann entweder verstanden werden im Sinne einer Zeichentheorie (LOCKE-HELMHOLTZ): die Daten des Tastsinns sind real, die der übrigen Sinne bloß Zeichen für jene; ein "Semirealismus", vor dem die Annahme der gleichen Realität aller Sinnesdaten den Vorzug der Konsequenze hat (Seite 8f); oder nach der Meinung DESCARTES', der allein das mathematisch Definierbare der Erklärung der Erscheinungen zugrunde legt und deshalb die Sinnesqualitäten ausscheiden muß (Seite 12f). Die erstere Theorie ist als Metaphysik nicht haltbar; das angeblich Reale (Ätherschwingungen etc.) ist aus den für subjektiv erklärten Sinnesdaten (Farben etc.) vielmehr abgeleitet, hat also keinen größeren Anspruch auf Realität (Seite 16f). Das Bewußtsein müßte sich in der Produktion der beiden Arten von Wahrnehmungen gänzlich verschieden verhalten, während weder die Sinnesdaten selbst noch ihre angenommenen Ursachen eine entsprechende Ungleichartigkeit erkennen lassen (Seite 19f). Die Konsequenz drängt vielmehr dahin, wenn überhaupt irgendwelchen, dann allen Sinnesdaten Realität zuzugestehen (Seite 22). Die andere Theorie hat zunächst nur methodologische Bedeutung. Bei DESCARTES allerdings nahm die Subjektivität der sinnlichen Qualitäten einen metaphysischen Sinn an, daß sie dem "Innern" des Empfindenden angehören, welcher psychischen Welt die von den Sinnesqualitäten entkleidete Körperwelt dualistisch gegenübertritt. (Seite 26) Auch das ist unhaltbar, denn wenn die zugrunde liegenden Prozesse sich in einem objektiven Raum abspielen, so läßt sich die Folgerung wohl nicht abweisen, daß die Wahrnehmung zumindest teilweise das Wirkliche so wiedergibt, wie es ist. Dann ist es aber wiederum folgerichtiger, alles Sinnesdaten Objektivität zuzuerkennen (Seite 27). Hält man sich dagegen bloß an den methodischen Grundsatz der Erklärung aus mathematisch definierbaren Voraussetzungen, so ist die Theorie zwar annehmbar, gibt aber keine Antwort auf die metaphysische Frage. Übrigens hat die Annahme des "kritischen Realismus" selbst für den Verfasser bloß die Bedeutung eines "heuristischen" Prinzips; abschließende metaphysische Antworten verspricht er sich auch von ihr nicht (Seite 39f). Die weit ausgreifenden historischen Untersuchungen des zweiten Werks, die als solche hier nicht zu prüfen sind, bezwecken offenbar neue Stützpunkte für diese Ansicht zu finden; sie behalten übrigens ihren Wert, auch wenn man von dieser Absicht ganz abstrahiert. Klar bestätigt sich die scholastische Herkunft des ganzen Problems. So weist der Verfasser bei THOMAS von AQUIN die Grundzüge der "Objektivationstheorie" nach, die er hier drastisch so beschreibt (I, Seite 36f), daß
Noch besondere Hervorhebung verdient die als Anhang beigegebene Abhandlung "Über die Grenzen der physiologischen Psychologie". Es ist eine Auseinandersetzung mit EXNERs "Entwurf zu einer physiologischen Erklärung der psychischen Erscheinungen", der das Programm von DESCARTES und HOBBES aufnimmt und zu erfüllen glaubt. Es fragt sich: fügen sich die psychischen Phänomene wirklich der mechanischen Erklärung? Ist eine durch die mechanische Betrachtung nicht allseitig gebundene Psychologie, die Wissenschaft sein kann, überhaupt noch möglich? (Seite 99) Zeigen die psychischen Phänomene unter sich einen eigenen Zusammenhang, der von Gehirnprozessen völlig unabhängig, rein durch innere Wahrnehmung erfaßbar ist? Die heutige Physiologie verneint es; die Abfolge der Bewußtseinsvorgänge, glaubt sie, sei von der Abfolge der Gehirnbewegungen vollkommen bedingt (Seite 120). EXNER nähert sich auch der letzten hier möglichen Konsequenz: daß nicht die sinnlichen Qualitäten allein, sondern die Bewußtseinsvorgänge überhaupt aus der realen Wirklichkeit herausfallen (Seite 121), eine Sonderstellung unter den Naturphänomenen überhaupt nicht mehr einnehmen (Seite 122 oben; vgl. 121 Anm.). Dann bleibt zwar immer das Ich, dem etwas erscheint, doch nur als ein "namenloses, allgemeines, unpersönliches Bewußtsein, das einzige, das niemals Objekt, niemals Bewußtseinsinhalt werden kann" (nach RICKERT, Seite 123). Diese extreme Ansicht gilt SCHWARZ für widerlegt durch die Evidenz der inneren Wahrnehmung. Aber diese metaphysische Folgerung ist trennbar von der physiologischen Methode als solcher (Seite 123f). Vergeblich wendet der Psychologe gegen diese ein, daß sie selbst nur auf Daten des Bewußtseins fußt. Von den Erscheinungen geht jede Theorie aus, aber es fragt sich nach den Erklärungsgründen, nach den Gründen, die ihren gesetzlichen Zusammenhang begründen, und diese könnten etwa rein physiologische sein (Seite 126f). Ein anderer Versuch, die "introspektive" Psychologie zu retten, ist der, daß man einen gesetzlichen Zusammenhang der Bewußtseinsphänomene durch die Einschiebung unbewußter Zwischenglieder herzustellen sucht, wogegen sich der Verfasser nicht ohne Schärfe wendet (Seite 129-142). Er verwirft namentlich die Annahme, daß die entschwundene Vorstellung mit einem anderen, gänzlich unbekannten Charakter, aber als numerisch dieselbe fortexistiert. (11) "Der richtig verstandene Begriff von Residuen ist überhaupt kein psychischer, sondern ausschließlich ein mechanischer Begriff (Seite 142 Anm.). So sehr aber auch der Verfasser dem Standpunkt EXNERs entgegenkommt, gibt es sich ihm doch nicht gefangen. Es gebe zumindest eine psychische Analyse, die der physiologischen Stützen nicht bedarf, die z. B. zwischen Empfindung, Vorstellung und Urteil scheidet. Vollends auf die Frage nach der Bedeutung der Beziehung auf den Gegenstand (12) könne unmöglich die Physiologie antowrten (Seite 146). Auf ihrem eigentlichen Feld ist sie, wo es sich um die Aufeinanderfolge der psychischen Phänomene handelt (13). Dagegen vermag sie schon nicht den Unterschied zwischen Gefühl (als Zustandsbewußtsein) und Wahrnehmung (als Gegenstandsbewußtsein) zu begründen (Seite 156). Und an der Wahrnehmung verhalten sich die Bewußtseinsvorgänge anders als die Bewußtseinsgegenstände; das Hören eines lauten Tons z. B. ist nicht auch ein intensives Hören (14). Zusammenfassung des Ergebnisses auf Seite 194f. Von UPHUES und TWARDOWSKI nimmt ebenfalls EMIL KOCH seinen Ausgang, um sich jedoch völlig von ihnen loszusagen. Es liegen von ihm drei Schriften vor, denen zwei ganz, die dritte teilweise hierher gehört. 9) EMIL KOCH, Zur Relativität des Erkennens. Inaugural-Dissertation, Bonn 1894, 68 Seiten. Dem "Inhalt" des Bewußtseins läßt sich kein Absolutes abgewinnen, weder als absoluter Kern der Empfindung (Seite 25f gegen STUMPFs "reine Empfindung") noch als Ausdruck des Transzendenten in ihr (Seite 43f gegen UPHUES. KOCH hat nicht verstehen können, wie es psychologisch zulässig ist, das Gegenstandsbewußtsein anders denn als Bewußtsein zu charakterisieren oder in ihm zwischen dem Bewußtseinsinhalt als bloßem Ausdruck des Transzendenten und diesem selbst zu unterscheiden); noch ist es möglich vom Bewußtsein auf das Transzendente als "zweite Existenz" überzugehen. Das Erfahrungsbewußtsein schwingt mit bei jeder Art von Reflexion (Seite 60). Das Absolute ist nur "das Erfahrungsbewußtsein, sofern es uns als eine bewußtseinsmäßige Einheit gegeben ist." Kein besonderes Moment im "Inhalt" dagegen gibt uns etwas Absolutes, das für sich gegeben wäre. (Seite 48) (15) 10) EMIL KOCH, Das Bewußtsein der Transzendenz oder der Wirklichkeit. Ein psychologischer Versuch, Halle/Saale 1895 (VIII und 127 Seiten). § 1. Der Verfasser unterscheidet 1. Bewußtseinsvorgänge mit dem Bewußtsein der Immanenz; 2. solche mit dem Bewußtsein der Transzendenz oder Wirklichkeit des bewußten Etwas; 3. solche, in denen weder das eine noch das andere vorkommt. Das Bewußtsein der Immanenz ist nur durch Reflexion mögich. Es gibt keine innere Wahrnehmung, kein Immanenzbewußtsein als psychologische Erfahrung wie Wahrnehmung und Vorstellung. Die Transzendenz oder Wirklichkeit dagegen ist kein bloßes Resultat der Reflexion, auch nicht bloß ein Nebenproblem der Wahrnehmung und Vorstellung, die sich völlig beschreiben lassen ohne es, sondern es ist eine selbständige Bewußtseinsart neben Wahrnehmen, Vorstellen, Reflektieren, also auch ein selbständiges Problem des Bewußtseins. § 2 und 3: Wahrnehmung und Vorstellung enthalten kein Transzendenzbewußtsein, auch nicht die Erinnerung; es sind nur "bewußte Etwas", bloß unterschieden durch das, was darin bewußt wird. § 4. Daß die Wahrnehmung oder Vorstellung das Transzendente, "wie es unvorgestellterweise ist", darstellt oder darauf hinweist, ist demnach psychologisch unhaltbar, die These "gehört in die Metaphysik"; das wird, besonders UPHUES gegenüber, fort und fort eingeschärft (Seite 15, 23f, 27f usw.). § 5. Auch die behauptete "Beziehung" aus dem Bewußtsein hinaus ist eine metaphysische Konstruktion, für die in der Psychologie kein Raum ist. Aus der eingehenden Auseinandersetzung mit TWARDOWSKI (§ 6) sei die Bemerkung hervorgehoben, daß im Terminus "Inhalt" (im Sinne jener Theorie) diese ganze Metaphysik schon liegt. Das Problem des Gegenstandes wird erst klar und lösbar, wenn man diesen falschen Begriff des "Inhalts" aufgibt (Seite 51). Der Verfasser vermeidet deshalb lieber den Ausdruck und spricht nur von "Etwas, das bewußt ist" (16). § 7. Auch die Bildertheorie ist metaphysisch, nicht psychologisch. Uns ist nie etwas gegeben als Bild eines Nichtgegebenen. Auch die Wirklichkeit ist als "psychologisches Etwas" gegeben (Seite 56), sie ist, wie sie sich darbietet, und bietet sich dar, wie sie ist (Seite 61). Nebenher ergibt sich, daß die Zeit nur als Bestimmung des bewußten Etwas gegeben, aber dennoch kein ursprüngliches, unmittelbares Datum (Empfindung), sondern Vorstellung ist (Seite 59). § 8. "Reflexion" nennt der Verfasser alles nicht ursprüngliche, d. h. Wahrnehmungs- und Vorstellungsbewußtsein, das sich an ein solches als "Bestimmung" gewissermaßen ansetzt: Bewußtsein eines ursprünglichen Datums als das und das. So kann Wirklichkeit einem unmittelbaren Datum als Reflexionsprädikat beigelegt werden, aber das ist verschieden von dem, was wir suchen: dem Wirklichkeitsbewußtsein, welches vielmehr selbst eine unmittelbare Erfahrung, wiewohl von Wahrnehmung und Vorstellung verschieden ist. § 9. Es besteht im Phänomen der "Vergegenwärtigung", welches stets eine Vergleichung zweier (beiderseits gegebener) Etwas enthält, wie beim Verstehen eines Wortes. § 10. Das Etwas der "Vergegenwärtigung" also ist die Wirklichkeit (Seite 101). Das heißt aber nicht wieder, daß die Wirklichkeit "Inhalt" der Vergegenwärtigung ist, im Sinne eines "immanenten" Datums, dem wiederum ein "Transzendentes" gegenübersteht. Die Psychologie hat keine Konstruktion nötig, die Wahrnehmung, Vorstellung, Reflexion, Vergegenwärtigung erklären. Diese Konstruktionen folgen aber notwendig aus dem Arbeiten mit den Begriffen immanent und transzendent. Daraus erhellt sich gerade die metaphysische Abstammung dieses Begriffspaars (17). - Auch dieser Verfasser scheint SCHUPPE nicht zu kennen (18). Mich selbst erwähnt er mehrmals (zustimmend) in der Dissertation, nicht in der zweiten Schrift. Dagegen setzt er sich eingehend mit mir auseinander in der Schrift 11) EMIL KOCH, Die Psychologie in der Religionswissenschaft. Grundlegung. Freiburg und Leipzig 1896, 146 Seiten. die, ganz aus dem Gedankenkreis der vorgenannten Arbeiten hervorgewachsen, ihr Ergebnis auf eine besondere Frage anwendet und bei diesem Anlaß wieder und wieder erörtert und zu befestigen strebt. Mir ergeht es dabei eigentümlich; mir wird (Seite 29f) wegen gewisser Sätze meiner Schrift "Religion innerhalb der Grenzen der Humanität" (Freiburg 1894) als Beispiel für "subjektivistische Psychologie" und "Objektivationstheorie" vorgeführt und triftig widerlegt, während KOCH (Seite 29, Anm. 3) aus der anderen Schrift "Einleitung in die Psychologie" (ebd. 1888) noch richtiger das Gegenteil entnimmt; die Anmerkung schließt, nach Anführungen aus meiner Schrift, mit den Worten: "Natorp ist demnach kein Subjektivist und auch kein Objektivationstheoretiker." (19) Besonders stößt sich der Verfasser daran, daß ich das Gefühl als den eigentlichsten Ausdruck der Innerlichkeit des seelischen Lebens, der Subjektivität, der Individualität betrachte (20). Übrigens kommt der Verfasser selbst zu Ergebnissen, die von den meinigen nicht allzu weit abliegen. Das Unendliche, auch nach ihm das Objekt der Religion, ist nicht als Wirklichkeit erreichbar (d. h. in KANTs und meinem Sinn: transzendent), aber es hat dennoch einen Platz in unserem Bewußtsein als "notwendiger Summand unserer Weltanschauung" (Seite 121); "in diesem Sinn ist darum das Unendliche auch psychologische Wahrheit" (Seite 123); wir erkennen es nicht, ahnen es aber (Seite 124; mit einem "Ahnen, aber nicht Begreifen" hatte auch ich geendet). Die wichtige Rolle des Gefühls hierbeit tritt mehrfach zutage (Seite 122, 127 und öfter); doch betont der Verfasser hauptsächlich das ästhetische Moment des Erhabenen (Seite 131f) (21). Den "transzendentalen Idealismus" unter dieser Benennung vertritt 12) EDMUND KOENIG, Über die letzten Fragen der Erkenntnistheorie und den Gegensatz des transzendentalen Idealismus und Realismus (Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, Bd. 103 und 104). Der transzendentale Idealismus KANTs zerlegt sich in zwei Bestandteile, den rein methodologischen, welchen COHEN in den Vordergrund gerückt hat, und den "Lehrbegriff" von der Wirklichkeit der Erfahrung als bloßer "Erscheinung" und dem dieser gegenüberstehenden "Ding-ansich". Der letztere hat die nachkantische Philosophie weit mehr beschäftigt und von ihm hat EDUARD von HARTMANN, mit dem die Abhandlung sich hauptsächlich auseinandersetzt, seinen Ausgang genommen. Er bot eben dem spekulativen Interesse an der Philosophie eine Anknüpfung. In KANTs Philosophie der Endpunkt, wird er bei von HARTMANN zum Ausgang eines neuen spekulativen Unternehmens. Und zwar faßt dieser ihn so auf, als ob, eben im Sinne einer spekulativen Metaphysik, der Gegensatz des Subjekts und Objekts als selbstverständlich zugrunde gelegt und nun gefragt würde, wie aus ihrem Zusammenwirken die Erkenntnis hervorgeht (erkenntnistheoretischer Dualismus). Damit wird das Problem zum ontologischen, zu einem Spezialfall der Frage des Wirkens der Substanzen aufeinander. Die kritische Methode dagegen besteht vielmehr darin, den Erkenntnisprozeß als das Primäre anzusetzen und gemäß seinen Gesetzen erst das Verhältnis des Subjektiven und Objektiven in der Erkenntnis zu bestimmen (erkenntnistheoretischer Monismus). HARTMANNs bekannter Einwurf gegen KANT, daß er von der, aufgrund seines Nachweises der Idealität der Anschauungsformen und Kategorien berechtigten Skepsis gegen das Ding ansich zu einem unberechtigten "negativen Dogmatismus" hinsichtlich seiner übergegangen ist, beruth auf diesem Mißverständnis. Legt man den Begriff der Erscheinung als des "subjektiv" Realen zugrunde, so bleibt natürlich das Ding-ansich als der wahre Gegenstand ihr gegenüber stehen; die angeblich "transzendental-idealistische" Beschränkung auf die "Innenwelt" des Bewußtseins setzt stillschweigend die transzendent-reale "Außenwelt" dieser gegenüber und es ist dann nur folgerichtig sie auch völlig in ihre Rechte wieder einzusetzen (Seite 21). HARTMANNs Argumentation geht bekanntlich davon aus, vermeintlich im Sinne KANTs anzuerkennen, daß Empfindung und Denken, Sinne und Verstand, aus denen der ganze Bewußtseinsinhalt sich aufbaut, lediglich subjektive Funktionen sind, also auch alles, was sie uns liefern, nur subjektiv; das Bewußtsein kann also nicht "seine Fühlhörner ausstrecken, um etwas ihm Transzendentes zu betasten." Darin liegt aber schon die Voraussetzung des erkenntnistheoretischen Dualismus, und so ist es kein Wunder, daß sie nachher als Ergebnis der Kritik KANTs zutage kommt. Es ist wahr, daß der transzendentale Idealismus oft, ja überwiegend so verstanden worden ist, und nicht ohne KANTs Mitschuld; und gegen den, der ihn so versteht, bleibt von HARTMANN im Recht. Wird hingegen die dualistische Voraussetzung gemäß der gereinigten kritischen Methode verworfen, fällt also die Subjektivität der Erscheinung, so fehlt der Boden für von HARTMANNs weitere Schlüsse (Seite 30). Verfasser zeigt sodann, was das Subjektive und Objektive auf kritischem Boden allein bedeuten kann. Wirklich ist die Wahrnehmung und die Verknüpfung der Wahrnehmungen. Diese setzt ein "relativ Transzendentes", nämlich vom psychphysischen Subjekt Unabhängiges (Seite 41), der Verfasser nennt es auch das "Transsubjektive"; aber nicht ein "absolut Transzendentes". Ein solches müßte auch dem transzendentalen, d. h. die empirische Wirklichkeit durch die Kategorien erst schaffenden Denken gegenüber transzendent sein; aber das gibt es nicht (Seite 45). So bleibt zwar alles Bewußtsein, aber eben das Bewußtsein differenziert sich in eine (im erklärten Sinn) subjektive und eine objektive Sphäre; es ist von Haus aus nicht mehr subjektiv als objektiv; die Objektivität ist sogar insofern das Primäre, als die subjektive Sphäre sich nur ihr gegenüber abgrenzen kann (Seite 46). Die transzendentale Einheit des Bewußtseins ist nach dieser Auffassung auch nicht "Tätigkeit" eines "wirkenden" transzendentalen Subjekts (gegen VOLKELT, Seite 47); das Objektive ist nicht das Vermittelte, das Subjektive das Unmittelbare, sondern beides gleich ursprüngliche, gleich unmittelbar gegebene Modifikationen (Momente) des Bewußtseins (Seite 48). Auch das das Zusammenfallen des transzendentalen und empirischen Subjekts ist für diesen Standpunkt kein Problem mehr (Seite 50). Das vermeintlich logisch oder transzendentale Subjekt ist nur untergeschoben dem unpersönlichen objektiven Bewußtsein, welches dem Selbstbewußtsein oder Subjektivitätsbewußtsein von vornherein koordiniert ist. Für jenes, das Objektsbewußtsein, ist das Objekt freilich "immanent", auch bleibt es immer Bewußtsein; es ist eigentlich nur der Ausdruck für die Tatsache des Wissens im Allgemeinen, unter Abstraktion von der Differenzierung in Wissen um Subjektives und Wissen um Objektives. Ist es also nicht mein Bewußtsein? Nicht in demselben Sinn wie das Wissen um die Gefühle und Strebungen (Subjektivitätsbewußtsein), aber auch nicht durch eine Kluft davon getrennt, denn auch das letztere ist nur eine "inhärente Modifikation" des allgemeinen Bewußtseins (Seite 51f). Aber das denkende Bewußtsein umspannt doch nicht die ganze unendliche Wirklichkeit, also bleibt dennoch ein absolut transzendenter Rest? Antwort: das System der Kategorien ist nirgendwo begrenzt, es enthält den Rahmen, in den alles konkret Wirklich sich einspannen muß (Seite 56). Wahrnehmung und Denken sind auch nicht, als Subjektives und Objektives, auseinandergerissen, beide sind zu gleichen Rechten an der Objekterkenntnis beteiligt und korrigieren sich gegenseitig (Seite 58). Hieraus ergibt sich, daß objektive Wirklichkeit kein starrer, unveränderlich feststehender Inbegriff von Elementen und Beziehungen, sondern ein beständig sich modifizierender Bewußtseinsinhalt ist. Die volle, wahre Wirklichkeit ist nur ein Idealbegriff unseres Erkennens, denn auch in Verbindung führen Wahrnehmung und Denken nicht zu einer restlosen, definitiven Lösung der Erkenntnisaufgabe. Die "Transzendenz" ist schließlich nur ein inadäquater Ausdruck für die Tatsache der Inkongruenz zwischen dem tatsächlichen Inhalt und dem Ideal der Erkenntnis, für die Tatsache, daß das aktuelle Erkennen einem asymptotischen Punkt zustrebt, in welchem Anschauung und Denken sich völlig decken würden. Der transzendentale Realismus hypostasiert [vergegenständlicht - wp] dieses Erkenntnisideal, leiht ihm eine selbständige Existenz unabhängig vom aktuellen Erkennen, damit sinkt dann dieses herab zu einer dürftigen und mangelhaften Nachbildung des selbstherrlich dastehenden Ideals (Seite 59). Der zweite Artikel untersucht, ob unter diesen Voraussetzungen nocht etwas wie Metaphysik möglich bleibt. Nicht, wenn man darunter eine überempirische Erkenntnis der Dinge-ansich meint. Aber heute erkennt ja eigentlich jeder die Erfahrung als Grundlage an, man fragt eigentlich nur nach den Konstanten der Erfahrungswirklichkeit; aber freilich immer noch in der Meinung, absolute Konstanten finden zu müssen. Die Konstanten der Erfahrungswissenschaften hingegen sind nicht absolut, sie können es nicht sein, da ihre Aufstellung immer an die Bedingung des Erfahrungsbeweises gebunden bleibt, der nie absolute Resultate ergeben kann (Bd. 104, Seite 12). Der metaphysische Drang läßt sich aber nicht zurückhalten, es immer wieder mit einer absoluten Konstruktion zu versuchen. Die Arbeit der Erfahrungswissenschaft erscheint dann als ein Ringen nach einem wirklichen, aber mit dem Mitteln der Erfahrung unerreichbaren Ziel. Für den erkenntnistheoretischen Monismus kann von einer Metaphysik in diesem Sinne nicht die Rede sein. In der Tat muß sie mit ihrem Versuch scheitern. Sie kann es ernsthaft nur versuchen mit einer Deduktion nicht gleich denen der rationalen Naturwissenschaft, die Erfahrungsdata aus wiederum empirisch zu erhärtenden Grundhypothesen ableiten, sondern einer Deduktion aus rein logischen Voraussetzungen (Seite 14). Allein damit kommt man gar nicht von der Stelle, ohne fortwährende Anleihen bei der Erfahrung. Das wird am Beispiel LOTZEs und von HARTMANNs gut gezeigt; der letztere ruft, wo das Logische nicht ausreicht, ganz einfach das "Unlogische" zu Hilfe; so bei der Erklärung der Zeitfolge. Ohnehin scheitert die spekulative Metaphysik unrettbar am Bewußtseinsproblem. So ist das Ding-ansich auch bei HARTMANN im Grunde bloß ein "Duplikat des Wahrnehmungsobjekts" (Seite 48). Ein anderes Ergebnis war auch gar nicht zu erwarten, da "Begriffe ohne Anschauung leer sind". Die wahre Aufgabe ist die fortschreitende Intellektualisierung des Erfahrungsinhalts, um die zunächst unvollkommen an diesem realisierte Einheit einer vollkommenen schrittweise zu nähern.
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1) Seite 16 - Es tut dem Verdienst Schuppes keinen Abbruch, wenn man in Erinnerung bringt, daß doch Kant (Kr. d. r. V., Kehrbach, Seite 255f) rund heraus erklärt hat, daß die (empirischen) Dinge "ganz und gar aus Verhältnissen bestehen", unter denen jedoch "selbständige und beharrliche" sind. Die Reduktions des absoluten Dingbegriffs ergibt sich klar aufgrund der "Analogien" und "Postulate" (vgl. auch Antinomie d. r. V. 6. Abschnitt). Doch war das Interesse Kants nicht auf die fragwürdigen "Dinge" der gemeinen Vorstellung und der grammatischen Wortklassen, sondern auf die Konstanten der Wissenschaft gerichtet. 2) Seite 24f - Über die Interpretation des kantischen "Ding-ansich" mag im einzelnen Streit sein; jedenfalls aber liegt sie auf der Linie, welche zwei äußerste Punkte verbindet: die bald wieder verlassene Position von 1770, die aber zumindest in die Terminologie der Kr. d. r. V. noch hineinspielt, daß der isolierte Verstand die Dinge erkennt, wie sie sind; und die auf der Höhe der "Kritik" erreichte, wonach das Ding-ansich nichts mehr ist als ein "Grenzbegriff", d. h. überhaupt nicht der Begriff eines durch Sinne oder Verstand oder Vernunft zu erkennenden Gegenstandes, sondern des Gegenstandes, wie er erkannt sein würde, wenn das Einheitsgesetz des Verstandes allein gelten würde, nicht (wie tatsächlich) "restringiert" auf die Bedingungen der Sinnlichkeit, Raum und Zeit. Beides bleibt gleich weit entfernt vom Unbegriff eines Gegenstands für keine Erkenntnis. 3) Kants Kategorien sind nur die verschiedenen Momente der "synthetischen Einheit" und zwar der "Synthesis der Rekognition", der Wiedererkenntnis desselben als desselben, die ihren Grund hat in der Identität der Funktion des Denkens selbst (Kr. d. r. V. 118, 121). Das "logische" Identitätsprinzip (bei Kant übrigens regelmäßig "Satz des Widerspruchs") soll allerdings nur Prinzip der analytischen Urteile sein; aber eben damit weist es auf die ursprüngliche Funktion der Synthesis zurück; denn "wo der Verstand vorher nichts verbunden hat, da kann er auch nichts auflösen" (658), und "es können keine Begriffe dem Inhalt nach analytisch entspringen" (94); ehe ich aber den Begriff habe, kann auch nicht davon die Rede sein, was dem Begriff widerspricht oder nicht. 4) So doch auch Schuppe, Grundlegung, Seite 34: beziehungslos neben und nach einander. 5) Aber dann ist es irreführend überhaupt von Seele und Immanterialität zu sprechen, zumal der letztere Begriff die Materie als das Prius vorauszusetzen scheint. 6) Die Kritik drängt sich geradezu auf. Daß ein mir bewußtes a auf eine selbständige Existenz A hinweist, sie ausdrückt oder darstellt, kann nur heißen, daß sie dabei vorgestellt oder gedacht, kurz: mir bewußt ist. Antwortet man: ja, aber als von meinem Bewußtsein unabhängig, so ist das, da mir doch A jetzt bewußt ist, nur eine Wiederholung desselben Problems, die man nun beliebig fortsetzen kann, ohne je eine andere Antwort zu erhalten. Der Tatbestand ist: es gibt 1. im Bewußtsein isoliert bleibende, 2. verbundene, in einem gesetzmäßigen Zusammenhang gefügte "Etwas". Die letzteren, und zwar unmittelbar sie selbst, so wie sie uns bewußt sind, der Baum z. B., den ich sehe und wie ich ihn sehe, durchaus kein von diesem verschiedener "transzendenter" Baum, bedeutet und ist das "Wirkliche". Das besagt nur, daß wir, zufolge dieses "Etwas" auszeichnenden Charakters der Gesetzmäßigkeit, auf sie und mit ihnen rechnen können, ohne uns zu verrechnen, auch uns mit Anderen darüber verständigen. Das selbständige Dasein oder die Wirklichkeit ist nicht noch ein ferneres, zu dem der Gesetzmäßigkeit hinzukommendes Merkmal, sondern besagt nur eben dies, daß es gleichsam die Konstanten der Erkenntnis (oder, je nach der Auffassung, die unabhängig Veränderlichen) sind. Meint die Frage nach dem Gegenstand nicht eben dies, so meint sie etwas, das kein Mensch verstehen kann, so meint sie Abrakadabra. Ein Gegenstand, der Gegenstand für kein Bewußtsein wäre, ist etwas völlig Undenkbares. Daß etwas existieren kann, ohne je wahrgenommen zu sein, heißt, daß man es denken kann wie ein Wahrgenommenes; es heißt: daß das Bewußtsein sich, gleichsam allgegenwärtig, versetzen kann, wohin es will, selbst dahin, wo niemand tatsächlich ist, jenseits des äußersten Fixsterns oder der untersten Wahrnehmungsgrenze. Es besagt das Dasein nicht für dieses Bewußtsein oder für jenes, sondern für ein "Bewußtsein überhaupt". Daß man sich einbilden kann zu denken, daß etwas für kein Bewußtsein existiert, richtet dagegen nicht mehr aus als gegen die Richtigkeit der Arithmetik die tatsächliche Möglichkeit, wachend oder träumend 2 x 2 = 5 zu setzen. - Daß das Ganze übrigens nicht Psychologie, sondern ein echt metaphysisches Gespinst ist, bedarf wohl keines Wortes. 7) Der Einwurf liegt wahrlich nahe: Ich habe das Sujet des Bildes, außer dem Bild selbst, in einer eigenen Wahrnehmung oder Vorstellung; um dagegen das Sujet des Vorstellungsbildes vorzustellen oder irgendwie darum zu wissen, steht mir nichts als seine Vorstellung oder sein Gedanke, kurz das Bewußtsein von ihm zu Gebote. So wird das Ganze zu einer Rechnung mit imaginären Größen. 8) Aus obiger Wiedergabe erkennt man wohl die Subtilität des Verfassers, aber auch den ganz scholastischen Charakter des Problems und des Verfahrens. Wo das "Psychologische" steckt, habe ich nicht finden können. Bei der Belesenheit des Verfassers fällt auf, daß Schuppe unberücksichtigt bleibt. 9) Die "Verworrenheit" der Sinnesdaten, die ihre Erfassung in strenger Identität ausschließt, war schon für Demokrit der entscheidende Grund, ihnen die Realität abzusprechen und auf exakte Bestimmungen, als die allein sicher definierbaren, zurückzugehen. Was nicht streng ist, was es ist, ist übehaupt nicht. Das Sinnesdatum aber ist (nach dem Schwellengesetz, wie ich kurz sagen darf) keiner strengen Identität fähig; ein Ton 2 kann von 1 und 3 ununterscheidbar, also nach der Wahrnehmung beiden gleich sein, während 1 und 3 auch für die Wahrnehmung verschieden sind. Das ist nicht bloß ein "methodologischer" Unterschied, sondern daran hängt in der Tat der ganze Begriff des "Seienden". 10) Was auch ich betont habe. (Forschungen zur Geschichte des Erkenntnisproblems im Altertum, 1884, Seite 183, 189 und öfter) 11) Seite 134 und 141. - Vgl. meine "Einleitung in die Psychologie", Seite 38. 12) Der Verfasser nennt hier als die drei Annahmen, von denen notwendig eine richtig ist, die Vertretungstheorie, die Objektivationstheorie und die Ausdruckstheorie (vgl. Uphues weiter oben). - Man prüfe, ob nicht mit folgenden Voraussetzungen auszukommen ist. 1. Bewußtsein heißt die Tatsache, daß etwas erscheint, d. h. für ein Ich da ist. 2. Wirklichkeit, Objektivität heißt der gesetzliche Zusammenhang der Erscheinungen oder deren Einheit in der Beziehung auf ein und dasselbe Ich, welche darauf beruth, daß im Bewußtsein nichts schlechthin isoliert bleiben kann, sondern, genau soweit es Bewußtsein ist, Verbindung notwendig ist. 3. Daß die Erscheinung sich auf den Gegenstand bezieht, besagt demnach, daß die in abstracto isolierbaren Data in einem durchgängigen Zusammenhang darzustellen, das "Mannigfaltige" des Bewußtseins zur "Einheit" zu bringen die durch das Gegebensein des Mannigfaltigen gleichsam gestellte Aufgabe, das ununterbrochen sich fortspinnende Werk der Erkenntnis ist. 4. Da aber dieser Prozeß der Erkenntnis unvollendbar, ihre Aufgabe nie gelöst oder auf empirischem Weg lösbar ist, so scheint insofern der "Gegenstand" draußen stehen zu bleiben, niemals in das aktuelle Bewußtsein hineinzukommen; ohne daß doch darum eine Beziehung aus allem Bewußtsein hinaus stattfindet. Eine solche hat überhaupt keinen angebbaren Sinn, denn Beziehung heißt Einheit im Bewußtsein oder es heißt gar nichts. 13) Kein Wunder, denn es handelt sich eben um die Kausalität der Bewußtseinsdata, Kausalität aber ist Gesetzlichkeit der Aufeinanderfolge. Wer die physiologische Erklärung in diesem Sinn anerkennt, erkennt alles an, was sie verständlicherweise beanspruchen kann. Was der Verfasser für die Psychologie übrig läßt, steht auf einem anderen Blatt, insbesondere die Gegenstandsfrage gehört der Erkenntniskritik an. 14) Nehmen wir den "Bewußtseinsakt" überhaupt irgendwie wahr? Ist Hören überhaupt etwas anderes als Bewußt-sein eines Tons? Wobei dieses Bewußt-sein nicht bloß (wie der Verfasser zugibt) für starke und schwache Töne, sondern überhaupt für alles, dessen man sich bewußt ist, unterschiedslos dasselbe ist (siehe meine "Einleitung" § 5). 15) Hier endlich fühle ich wieder Boden unter den Füßen. Doch wäre auf der erreichten Grundlage erst zu untersuchen, ob uns denn die Erfahrung als eine absolute Einheit gegeben ist. Ist das zu verneinen, so bleit das Absolute als Grenz- oder Maßbegriff für die Wahrheit oder Realität der Erfahrung stehen, ohne ein unsagbares Etwas jenseits aller "möglichen Erfahrung" zu setzen. Aber unter dem Bann der unfruchtbaren Fragestellung "Immanenz oder Transzendenz?" gelangt der Verfasser nicht bis dahin. 16) Eine genaue, streng innegehaltene Definition würden "Inhalt" vor einem Mißverständnis schützen (siehe Schuppe weiter oben). 17) Demnach sollte Koch nicht mehr von einem "Bewußtsein der Transzendenz oder der Wirklichkeit" reden. Daß beides grundverschiedene Begriffe sind, wird Seite 25 und Anm. 17 völlig klar. Es ist irreführend, daß der Name beibehalten wird, nachdem die Sache gefallen ist. 18) Es ist wohl nicht zu viel gesagt, daß das ganze feine Gespinst der Uphues-Twardoswski'schen Theorie samt seiner Wiederauflösung durch Koch überflüssig war, wenn man sich um Schuppe ernsthaft gekümmert hätte. Ich bin zu wesentlich derselben Position wie Schuppe von Kant aus gelangt. 19) Es bestätigt sich, daß der Verfasser von der Problemstellung, die er selbst als völlig unfruchtbar erkannt hat, gleichwohl nicht loskommt und so die positive Aufgabe einer Erfahrungstheorie, die ganz jenseits dieser Problemstellung liegt, überhaupt nicht erreicht. Für diese ist Objektivität nur ein anderes Wort für Wirklichkeit oder empirische Wahrheit; subjektiv oder Erscheinung heißt dagegen der unmittelbare Bewußtseinsgehalt, entweder (erkenntnistheoretisch), sofern er in die Wirklichkeit nicht einzubeziehen oder doch nicht einbezogen ist, oder (psychologisch), sofern von der Frage der Wirklichkeit dabei ganz abstrahiert und nur sein Bewußt-sein ins Auge gefaßt wird. Von einer "Objektivierung" ist zu sprechen in dem Sinn, daß Wirklichkeit kein unmittelbares Datum (der Empfindung oder Vorstellung) ist, sondern erst auf der eigenen Leistung der Erkenntnis beruth, in Denkbeziehungen (am Gegebenen) sich dem Erkennenden erst aufbaut, kurz: Ergebnis eines eigenen, nach bestimmten Gesetzen sich vollziehenden Prozesses des Bewußtseins ist. Dieser verläuft nur in Bewußtseinsschritten, er hat kein anderes Material als die "bewußten Etwas", zu denen auch die bewußten Denkbeziehungen gehören. Um jenes Unterschiedes willen aber hat man Grund, die Beziehung aufs Objekt als "Setzung", ja "schöpferische Tat" des Bewußtseins zu bezeichnen, ohne daß man damit in eine "subjektivistische Psychologie" oder "Objektivationstheorie" (im Sinne Uphues') zurückfällt. 20) Auch das erledigt sich für den, der die vom Verfasser zitierten Sätze meiner "Einleitung" durchdacht hat. Ungenau allerdings sprach ich vom religiösen Gegenstand als Setzung des Gefühls (Koch, Seite 31). Aber aus dem Zusammenhang ergibt sich, daß ich nicht dem Gefühl als solchem die Setzung zuschreibe, sondern von einer Setzung im Gedanken spreche, deren Grund jedoch im Drang des Gefühls, nicht in der eigenen Gesetzlichkeit des Denkens liegt. Das Transzendente ist hier so wenig wie sonst als schlechthin Außerbewußtes gedacht, sondern nicht anders, als auch der Verfasser in seiner Dissertation vom "Absoluten" spricht. 21) Richtig; aber ist die ästhetische Auffassung als solche schon religiös? |