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FRANCESCO PAOLO FULCI
Die Ethik des Positivismus
in Italien

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"Es galt, ein allgemeines und konstantes Gesetz zu finden, dem jeder besondere Naturprozeß unterworfen ist, so daß von seiner Grundlage aus jede Erscheinungsreihe als vorübergehende Abweichung betrachtet werden könnte, wenn sie nicht darauf zurückführbar wäre. Dies war die Aufgabe, welche die Philosophie noch erwartete. Und gerade die Bestimmung dieses Gesetzes und seine Verbindung mit kosmischen Gesetzen, von den astronomischen bis zu den moralischen, war die Errungenschaft der positiven Philosophie."

"Der Mensch war nun geeignet, den realen Weg des Fortschritts mit sicherem Glauben und weiser Ergebung zu verfolgen: dem Glauben an eine Zukunft, die durch eigene Mühe und Arbeit immer besser wird, der Ergebung in relative Übel, die unvermeidlich jedem menschlichen Entwicklungsstadium anhaften und die allein zu überwinden sind durch Arbeit, die auch geduldig geleistet wird, bis die Zeit reif geworden ist."

Einleitung zur Übersetzung

GIANDOMENICO ROMAGNOSI wurde am 13. Dezember 1761 zu Salso Maggiore bei Piacenza geboren. Sein Lehrer der Philosophie im Collegio Alberoni war GIOVANNI ANTONIO COMI, ein Anhänger BACONs und LOCKEs. Er erwarb sich schon als junger Mann einen bedeutenden Namen durch sein Werk "Genisi del diritto penale", das 1791 erschien und mehrere Auflagen erlebte. In diesem Jahr wurde ROMAGNOS Prätor in Trient, in welcher Eigenschaft er sich durch seine Unparteilichkeit und Uneigennützigkeit die allgemeine Liebe und auch die Achtung der Regierung erwarb, die ihn zwei Jahre später zum Hofrat ernannte.

Als in Italien die Unruhen ausbrachen, gegen die der Gelehrte einen natürlichen Widerwillen empfand, zog er sich nach Tirol zurück und lebte hier als angesehener Rechtsanwalt, bis er im Jahre 1803 zum Lehrer des Staatsrechts in Parma ernannt wurde. Kurz darauf hat die neue Regierung Italiens ROMAGNOSI eingeladen, an einer durchgreifenden Reform der Gesetze sich zu beteiligen. Er begab sich nach Mailand und arbeitet einen Gesetzesentwurf für das Gerichtsverfahren aus, der auch die Sanktion enthielt.

Nachdem ROMAGNOSI für einige Zeit die Stelle eines Professors des Zivilrechts in Padua innehatte, berief ihn die Regierung abermals nach Mailand zurück, ernannte ihn zum Generalinspektor der Rechtsschulen Italiens und beauftragte ihn mit der Abfassung eines Strafgesetzbuches. Auch übernahm der Gelehrte die Redaktion einer Zeitschrift für Rechtswissenschaft.

Als aber Frankreich fiel und sich die Verhältnisse auch in Italien wesentlich änderten, verlor ROMAGNOSI nicht nur all seine Stellen, sondern wurde in eine gegen die Mailänder Patrioten angestellte Untersuchung verwickelt. Er mußte nun seine Studien im kaiserlichen Gefängnis zu Venedig fortsetzen, wohin man ihn eingeliefert hatte. Später wurde ROMAGNOSI Professor zu Korfu und starb am 8. Juni 1835 in Mailand.

Ist auch der größere Teil des Buches der "Positiven Ethik" ROMAGNOSIs gewidmet, so wird das erste Kapitel den deutschen Lesern doch ein Bild von der allgemeinen Stellung und Bedeutung des Denkers vermitteln. Die Großzügigkeiit, mit der das Buch geschrieben ist, dürfte auch den - manchem vielleicht etwas zu weit erscheinenden - Titel der Übersetzung rechtfertigen. In der Hoffnung, daß das vorliegende Buch zum Studium der Werke des italienischen Philosophen anregen wird, folgt eine Literaturübersicht, die selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Die kritischen Bemerkungen bei einzelnen Schriften über ROMAGNOSI stammen vom Verfasser des Buches. Das Namensregister am Schluß dürfte vielleicht auch manchem willkommen sein.

Außerdem sei hier noch bemerkt, daß mehrere Teile des ersten Kapitels (besonders die Absätze 2, 3, 9 und 10) in der deutschen Übersetzung unwesentlich gekürzt und die Anmerkungen bedeutend reduziert und teilweise vom Herausgeber neu geschrieben worden sind. Beides geschah im Hinblick auf die verschiedene Leserschaft, an die sich das deutsche Buch gegenüber dem italienischen wendet. Dieser Gesichtspunkt hat auch mancherlei Änderungen in den Anmerkungen und stellenweise eine größere Freiheit in der Übersetzung zur Folge gehabt.

Möge es dem Buch gegönnt sein, in Deutschland dem italienischen Denker viele Freunde zu werben und zwar nicht nur in Fachkreisen,, sondern auch in den Reihen der philosophischen Laien. Möge aber insbesondere das Buch dazu beitragen, der Methode und den Prinzipien der Ethik, die ROMAGNOSI vertritt, in Deutschland jene allgemeine Anerkennung zu verschaffen, die sie bisher im deutschen Sprachgebiet trotz FEUERBACHs leider noch nicht sich zu erringen vermochten und die sie in so hohem Maß verdienen!

Wilhelm Börner



Erstes Kapitel
Die Vorgänger und der geschichtliche
Zusammenhang der Philosophie Romagnosis
(1)

1. Im Winter 1842 beglückwünschten AUGUSTE COMTE und JOHN STUART MILL einander in ihrem Briefwechsel mit dem Enthusiasmus einer aus geistiger Übereinstimmung geborenen Freundschaft dazu, daß sie unvermittelt in ihren wichtigsten philosophischen Ansichten übereinstimmen und sahen dies als Beweis an, auf dem Weg der Wahrheit zu sein. Sie erinnerten an den Ausspruch VOLTAIREs: "Wenn ein Franzose und ein Engländer derselben Ansicht sind, müssen sie wohl recht haben."

Im selben Jahr war ein deutscher Philosoph, LUDWIG FEUERBACH, auf anderen Wegen fast zu denselben grundlegenden Prinzipien gekommen (2). Und sieben Jahre früher hatte ein großer Italiener, GIOVANNI DOMENICO ROMAGNOSI, ein Leben der Arbeit damit beschlossen, analoge Prinzipien festzustellen, sie zu entwickeln und auf das Weiteste anzuwenden.

Dies war sicher ein Beweis ihrer tiefen Wahrheit, zumindest ein Beweis für die Reife der Zeit, ein neues Stadium der menschlichen Geistesentwicklung erreicht zu haben, sei es das dritte von COMTE (dem dritten von TURGOT (3) analog), oder das vierte des ROMAGNOSI (4). Und ein besonderer Beweis für diese Reife war die Anwendung der positiven Methode auf den umfangreichsten Gegenstand des menschlichen Wissens: auf das Gebiet der sozialen Ethik.

Aber noch mehr: das Neue der Idee, das den tiefsten Kern der gemeinsamen Lehren dieser vier Denker bildet, war überdies seiner Wesenheit nach auch dem bedeutendsten Vertreter jener idealistischen Richtung eigen, die FEUERBACH selbst - obwohl er von ihr seinen Ausgang genommen hatte - und die Positivisten im allgemeinen fast immer als bitteren Gegner bekämpft haben (5).

So ein neuer Gedanke muß wohl die Idee der Zukunft sein. Und vielleicht ist schon heute die Zeit gekommen, da die anderen Wahrheiten, aus dieser oder jener Richtung stammend, ihre baufällige Hülle verlassen und als verschiedene Ansichten ein und derselben Sache sich in jenem Hauptgedanken wiederfinden (6).

Die Annäherung so verschiedener Tendenzen an denselben Knotenpunkt, die große Übereinstimmung von Denkern, deren Atmosphäre sowohl bezüglich ihres Studiengangs als auch ihres Weltbildes so ungleich ist, scheint nicht anders erklärt werden zu können als durch eine Wahrheit, die von der Zeit gereift worden ist. Es liegt ja in der vervollständigenden Gesamtheit geschichtlicher Bedingungen, daß diese Reife einmal eintreten muß.

2. Noch ehe er bei dem großen, lichtbringenden Experiment der französischen Revolution angelangt war, hatte der rationalistische Gedanke, dieser Zerstörer der alten Organisation und des alten Gewissens, sich für die tieferen Geister unfähig erwiesen, die soziale Ordnung wieder aufzubauen und unvermögend, das Gewissen wieder herzustellen. FICHTE, vor allen anderen, der ebenfalls den Sieg des menschlichen Geistes über die Welt feierte, bezeichnete jene Epoche, die Zeit des Fortschritts und der Aufklärung genannt, als eine Periode leerer Freiheit, als ein Reich der individuellen Willkür und der Sinnlichkeit. Er nannte die Aufklärung leer von Ideen, er betrachtete die rationalistische Tendenz als unfruchtbar und negativ. Und als er in "Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters" (1806) fünf Perioden in der Entwicklung des menschlichen Geistes unterschied, erschien ihm seine Zeit in der dritten Periode, in derjenigen, worin der Geist, von Freiheitsdrang und Wissensdurst beseelt, die Autorität aufhebt, aber zugleich auch die "Vernunft", von der die Autorität unwissentlich Bestand und Wert erhält, - in derjenigen Epoche, worin wir dem Dunkel der Vergangenheit den Rücken gewendet haben, aber noch keine deutliche Vorstellung von dem haben, dessen wir zum Erfassen der Dinge bedürfen.

Andererseits hatte eine Individualität ganz entgegengesetzter Art, wir meinen SAINT-SIMON, der, wenn auch kein tiefer Denker, doch zu wichtigen Zukunftstendenzen Anstoß gegeben hat, die lebhafteste Überzeugung davon, daß es auf der rationalistischen Basis der Revolution unmöglich ist, die Gesellschaft zu reorganisieren und daß eine neue Weltanschauung dazu nötig ist.

Währenddessen wurde in Italien ROMAGNOSI von den anarchischen Folgen der rationalistischen Lehren so lebhaft betroffen, daß er es sogar heilsam fand, wenn "die Hüter des Altars die Kanzeln von den stärksten Ermahnungen und den heftigsten Flüchen widerhallen ließen, um eine entgegengesetzte Denkweise einzuflößen". (7) Und dem Gedanken der Freiheit auf individueller Basis widersetzte er sich gerade in dem fürchterlichen Jahr 1793 mit dem Einwurf, daß "allein die Kraft des Staates die Freiheit seiner Glieder bildet". (8)

Aber gerade die beiden bedeutendsten Vertreter der zwei großen, entgegengesetzten philosophischen Richtungen, des Idealismus und des Positivismus - HEGEL und COMTE - fühlten am tiefsten die Impotenz der subjektiv-kritischen, rationalistischen und revolutionären Philosophie, die sich den reaktionären Bestrebungen entgegenstellte und nicht minder die Anarchie, die von ihr ausging.

Wir finden wohl HEGEL zur Zeit seiner Universitätsstudien fortgerissen vom allgemeinen Enthusiasmus für die französische Revolution. Aber, bemerkt HAYM, "nur eine kurze Weile, und der Rausch war verflogen. Sehr bald reagierte dagegen seine Verständigkeit, sein gesetztes und maßbedürftiges Wesen". (9) Es ist gewiß, daß in den ersten Jahren nach der französischen Revolution, sobald sie mit Geistesklarheit überdacht werden konnte, zumindest außerhalb Frankreichs und von einem einsamen Denker, besonders aber, sobald ein scharfes Auge deutlich ihre Folgen zu erkennen begann - also gerade in den Jahren, als HEGEL zum großen Philosophen reifte - es ist gewiß, sage ich, daß HEGEL da immer deutlicher die gesellschaftliche Desorganisation wahrnahm, die aus dem rationalistisch-revolutionären Geist genährt worden war. Und dieses soziale Gebrechen des rationalistischen Geistes mußte ihm umso klarer erscheinen, in je größerem Gegensatz es zur sozialen Organisation jener Völker und zu jener Zeit stand, in der er durch seine Studien vorzüglich gelebt hatte. Dem Hellenismus insbesondere und dem Christentum entnahm HEGEL als vorzüglichste soziale Eigentümlichkeit, daß die Menschen völlig von gemeinsamen, großen Ideen leben, die ihnen den Urgrund des Seins offenbaren. In der Gegenwart dagegen suchte umgekehrt die Individualität sich loszulösen, sich der Gesamtheit entgegenzustellen und endete schließlich bei dem Glauben, ihre Vernunft sei größer als jene, die sich im Staat entwickelt hatte. Daher bei HEGEL jenes lebhafte Erschauen einer intellektuellen, moralischen und politischen Anarchie, die ihn naturgemäß zur Reaktion führen mußte.

Nicht unähnlich, nur mit weiter durchgeführter Analyse, untersuchte AUGUSTE COMTE die traurigen intellektuellen, moralischen und politischen Folgen des rationalistisch-revolutionären Gedankens. Er verkennt sicherlich nicht den großen geschichtlichen Wert, sowohl der rationalen Kritik als auch der Revolution. Er preist die Revolution als ein Opfer, das Frankreich den Interessen aller gebildeten Völker gebracht hatte. Aber war auch ein heilsames Zerstörungswerk vollbracht worden - mittels der Zerstörung konnte man nicht wieder aufbauen. Die Individualitäten, durch nichts zusammengehalten, fielen von einer Abschweifung in die andere. Daher die selbstverständliche Divergenz des Lebens und des sozialen Gewissens in allen Hauptpunkten; daher notwendigerweise die moralische Anarchie. COMTE deckte alle unheilvollen Wirkungen einer solchen Anarchie auf, bis zu jener politischen Korruption, die fast Gewohnheit geworden war.

Hier liegt die Frage nahe, ob wir selbst nicht noch innerhalb dieses Stadiums uns befinden. COMTE lebte in der Täuschung, mit seiner eigenen Zeit werden eine neue Organisationsperiode beginnen. Aus seinen Prämissen im VI. Band der "Philosophie positive" war wohl zu entnehmen, daß jener anarchische Zustand wenigstens bis in unsere Zeit hinein dauern wird. Dort stellt er tatsächlich fest, daß der Übergang von einem sozialen System in ein anderes ein anarchisches Durchgangsstadium unvermeidlich macht, das "unso länger andauert, je tiefer und vollständiger die vorzunehmende Erneuerung ist" - jedenfalls aber durch mehrere Generationen. Da nun die unter den Augen COMTEs vollzogene Umwälzung eine der bedeutendsten der Weltgeschichte war, stand wohl zu erwarten, jenes Durchgangsstadium würde einige Jahrhunderte währen, jedenfalls bis auf unsere Tage. Doch ist gewiß, daß in der Zeit unmittelbar nach der Revolution und noch mehr in jener, die dem Sturz NAPOLEONs folgte, die beobachtete Anarchie ihren Höhepunkt erreicht hatte.

Was GIOSUÉ CARDUCCI über das damalige Italien bemerkte, kann man wohl von ganz Europa sagen:
    "Nach dem Jahr 1815 fand man sich wie in einer Wüste voll Ruinen, wo ein heftiges Unwetter alles verändert hatte. Man stand allein vor einer Natur und einem Leben, das nicht mehr das alte geblieben und noch nicht das neue geworden war." (10)
Ausgenommen die größten Philosophen, gleich jenen, von denen wir gesprochen haben, die sich zu einer so hohen Auffassung erheben konnten, um aus den allerdings optimistischen und verschönten Zukunftsträumen Trost zu schöpfen und ausgenommen die zahlreichen Religionsstifter jener Zeit, die sich in ihren krankhaften Jllusionen wiegten, mußten empfindliche Seelen von einem Schrecken erfaßt werden. Kein neuer Glaube tauchte über dem Horizont auf, die Ideale der Vergangenheit waren untergegangen, überdies hatten die meisten selbst mitgewirkt, sie in das Dunkel zurück zu scheuchen.

Am kräftigsten erhob sich als Reaktion gegen jene Anarchie der Hegelianismus und das Streben des Positivismus nach einer neuen philosophischen Weltanschauung. HEGEL und die großen Positivisten waren nicht nur die kühnsten Geister der Epoche, sondern auch durch die Lage der allgemeinen, historischen Momente wie durch persönliche Eigenschaften am befähigtsten, das zu offenbaren, was die Zeiten bisher gereift hatten.

3. Parallel mit dem Ausbruch der schrecklichsten Konsequenzen des zerstörenden, rationalistischen Gedankens ging in Europa die Entwicklung zweier sehr mächtiger Kulturfaktoren: das fortwährende, außerordentliche Anwachsen neuer Errungenschaften der positiven Wissenschaften und die großartige Ausgestaltung der historischen Forschung, sowohl in der Gesamtansicht als auch im Detail. Diese Bewegung fand in der Literatur eine mächtige Zustimmung. "Durch Goethe und Schiller", bemerkt KÖSTLIN bei der Bestimmung des Milieus, aus dem HEGEL hervorging "war eine Dichtung in Deutschland entstanden, welche allem Schönen und Großen der Natur und der Geschichte sich öffnete." (11)

Diese Bewegung ist während HEGELs Jugendzeit besonders mächtig. Die meisten seiner jungen Zeitgenossen veröffentlichten ihre poetischen Hauptwerke früher als er seine Philosophie. Wie in den literarischen Werken finden jene zwei Kulturbewegungen auch Zustimmung in der Philosophie. Wir werden diesbezüglich noch eingehender die Vorgänge in den Ländern ROMAGNOSIs, COMTEs und JOHN STUART MILLs betrachten. In Deutschland hat man in noch mehr charakteristischer Weise das Schauspiel einer doppelten Strömung im Sinne der Annäherung von Geschichte und Naturwissenschaft [1894] an die Philosophie und umgekehrt. Es wurde richtig bemerkt, daß SCHILLER seinen geschichtlichen Werken zu viel Philosophie beigemischt hat. HERDER erforscht als Philosoph und Theologe die Geschichte und die Sitten der ältesten und entferntesten Völker, während MÜLLER, der gelehrteste im historischen Detail, den Geist der Weltgeschichte im Einzelfaktum fühlen läßt. Am vollständigsten und bezeichnendsten offenbart sich die Berührung der Naturwissenschaften mit der Philosophie, die SCHELLING - etwas jünger als HEGEL, aber in seinen Werken frühreifer - von der metaphysischen Seite her begründet, andererseits bei seinen Zeitgenossen, den Naturwissenschaftlern OKEN, STEFFENS und SCHUBERT, die sich von der Empirie aus zur Metaphysik erheben. -

Aus dieser doppelten Kulturströmung, die von der Naturwissenschaft und von der geschichtlichen Forschung der Philosophie entgegen gekommen war, werden wir vorzüglich ersehen, auf welche Weise, durch welche Kräfte, durch welche zusammentreffenden Faktoren und in welchem Verhältnis ihrer beiden Elemente sie auf die Entwicklung der sozial-ethischen Lehrsätze des Positivismus eingewirkt hat. Was jedoch für alle das Gemeinsame geblieben ist, auch in Bezug auf HEGEL und was den allgemeinsten Anstoß zu einer gewissen Richtung der obenerwähnten, philosophischen Reaktion gegeben hat, - das war besonders die starke Entwicklung der historischen Studien. (12)

4. Neben dem allgemeinen Kulturfortschritt, neben anderen objektiven und subjektiven Bedingungen, mußte deshalb die tiefe, umfassende Geschichtskenntnis den Geist der Positivisten in ganz bestimmtem Sinn besonders fruchtbar machen.

Die erste dieser Bedingungen ganz objektiver Natur hatte die französische Revolution selbst erfüllt. Diese Revolution stellte ja in Wahrheit die objektive Wirklichkeit eines Fortschritts dar, der in der ganzen menschlichen Geschichte verfolgt werden konnte, wodurch es möglich wurde, darin einen gesetzmäßigen Verlauf zu erkennen. Seine Wichtigkeit ist auch in übereinstimmender Weise durch mehrere jener Denker, von denen wir gesprochen haben, dargelegt worden.
    "Ehe nicht", sagt Comte, "das politische System, das stufenweise modifiziert, die frühere Gesellschaftsentwicklung geleitet hat, derart als Ganzes angegriffen wurde, daß die Unmöglichkeit seiner dauernden Vorherrschaft bewiesen war, vermochte der Grundbegriff des Fortschritts, diese nötigste Basis jeder echten Sozialwissenschaft, noch nicht die Kraft, Klarheit und Allgemeinheit anzunehmen, ohne welche seine wissenschaftliche Bestimmung nicht würdig erfüllt werden konnte." (13)
Und ROMAGNOSI bemerkt übereinstimmend, daß die Zivilisation eine gewisse Höhe erreicht haben muß, um daraus eine Philosophie bilden zu können.
    "Die Zivilisation", schreibt er, "muß einem Drama ähnlich sein, das genügend weit fortgeschritten ist, um seine Lösung durchblicken zu lassen. Sagen wir besser, es muß einer zum großen Teil durchlaufenen Kurve eines neuen Planeten gleichen, welche der Rechnung die nötigen Daten liefert, um die gesuchte Bahn zu bestimmen." (14)
GUISEPPE FERRARI fand die Überlegenheit ROMAGNOSIs in der Geschichtswertung gegenüber VICO gerade darin, daß ROMAGNOSI Zuschauer der Krise gewesen ist, mittels welcher die Lehrsätze des 18. Jahrhunderts eine praktische Verwirklichung gesucht hatten. Indem er jene mächtigen Impulse hatte verfolgen können, die eine neue Ära der modernen Geschichte einleiteten, vermochte er die geschichtlichen Kräfte der Vergangenheit besser zu beurteilen. Mit der französischen Revolution war ja wirklich eine neue Ära angebrochen, die für immer jeden Gedanken an ein letztes Ziel menschlichen Fortschrits oder an Rückläufe und Umkehr unmöglich machte; der Fortschritt schien von jetzt an in die Unendlichkeit zu weisen.

Die zweite Bedingung erfüllte sich natürlich bei der Auflösung des Schauspiels der Revolution, als der optimistische Geist, der sie hervorgerufen und in ganz Europa die Seelen entflammt hatte, zwar im allgemeinen nicht fehlte, jedoch aufgehört hatte, alles zu absorbieren. Sowohl bei HEGEL als auch bei den großen Positivisten konnte sich dieser Vorgang vermöge ihrer persönlichen Lage sehr schnell abspielen. Es war dies eine hauptsächliche Vorbedingung für eine richtige Geschichtsauffassung, weil der revolutionäre Optimismus, der alles auf einmal reformieren zu können glaubt, dem Gedanken der historischen Entwicklung durch einen langsamen, stufenweisen Prozeß widerstreitet.

Die dritte Bedingung endlich, welche der vorherigen eng verwandt geheißen werden kann, war ein Geist, der Gerechtigkeit für das Vergangene hatte, also durchaus nicht der revolutionäre Geist sein konnte, der unbedingt dazu erzogen war, alles vom idealen Standpunkt eines historischen Moments zu betrachten. Diese Auffassung war vor allem die Ursache einer sehr oberflächlichen Schätzung des Mittelalters gewesen, das allgemein als ein langer Zeitraum sozialen Rückschritt gegolten hat. Zur Erfassung des Entwicklungsprozesses in der Geschichte ein sehr großes Hindernis! Doch änderten sich auch in dieser Beziehung die Ansichten durch verschiedene Veranlassungen. Die romantische Bewegung in der Literatur, die Werke, welche die politische Reaktion inspiriert hat, vor allem de MAISTREs Werk "Du Pape", das COMTE so hoch stellte, ferner die geschichtliche Forschung über das Mittelalter und einige tiefsinnige Beleuchtungen desselben durch die Geschichtsphilosophie, besonders in Deutschland (wo übrigens die erwähnten Übel geringer waren) - dies alles trug dazu bei, die versteckten Vorzüge des sogenannten "dunklen Mittelalters" ans Licht zu ziehen. Mittels dieses Lichts vermochte man leicht, jenes große Dunkel der Geschichte zu zerstreuen, das dem Gedanken des menschlichen Fortschritts als ernste Widerlegung entgegengestanden war. So erschien der menschliche Fortschritt von nun an in das Unendliche sich erstreckend und ununterbrochen fortlaufend, wenn auch langsam und stufenweise.

5. Demnach fanden HEGEL und die großen Positivisten, während ihnen die Anarchie ihrer Zeit den stärksten Ansporn zur Schaffung einer neuen Philosophie bot, in ihrer geistigen Atmosphäre auch den Keim gereift und bereit sich zu öffnen, woraus die neue Philosophie hervorgehen sollte. Die neue Wahrheit reifte in der Welt durch das Zuspitzen des Irrtums.

Die neue gemeinsame Idee dieser neuen Philosophie faßte das Übel bei seiner Wurzel. Woher stammte denn die Anarchit, von der gesprochen wurde? Allein aus dem Umstand, daß die Religion, durch den Rationalismus verhöhnt, hingeschwunden war und mit ihr das Buch der Offenbarung, die gemeinsame Grundlage des früheren Wissens und zugleich der alten, sozialen Gesetze, ohne daß etwas anderes an ihre Stelle getreten war. Man mußte daher eine andere gemeinsame Quelle des Wissens finden: ein anderes Buch, worin für alle die gleichen Dinge geschrieben stehen, sobald man nur gelernt hat, es zu lesen.

Schon die Philosophen der Renaissance hatten das große Buch der Natur als von der Hand Gottes selber geschrieben bezeichnet. "Die Welt ist das Buch, worin der ewige Geist seine eigenen Gedanken niederschreibt", hatte CAMPANELLA gesagt. Und BACON bringt denselben Gedanken an vielen Stellen seiner Werke. Aber jenes göttliche Buch, wie es damals und noch lange nachher aufgefaßt wurde, enthielt noch nicht alles, was geschehen ist, denn die Geschichte der menschlichen Gegebenheiten war davon ausgeschlossen. Diese Vervollständigung war gerade das Verdienst der Philosophen, von denen wir sprechen.

Doch ließen die Positivisten die Vorstellung Gottes beiseite, sie legten gleichsam der Geschichte jenen göttlichen Wert bei, den man früher der Natur zugeschrieben hat. Dazu führte sie eine vorwiegende Pflege der positiven Wissenschaften neben der Kulturgeschichte.

HEGEL dagegen kam geradewegs dahin, Gott und die Geschichte zu identifizieren, der äußeren Natur eine untergeordnete und nur indirekt göttliche Bedeutung beilegend. Für HEGEL wurde die Geschichte Gott selbst, der Geist in seiner absoluten Entfaltung. Abgesehen daher von all dem Grundverschiedenen, das sie daran knüpften, stellten HEGEL und die Positivisten gemeinsam in erster Linie eine neue Autorität her, nämlich menschliches Wissen und menschliches Tun, als Stellvertreterin der alten, zerstörten Autorität der Theologie. Und diese neue Autorität ist wenigstens allgemein gülter als die alte.

Schon dadurch, daß sie das Wissen und Handeln des Menschen zur gemeinsamen Grundlage machten, gelang es ihnen durch den Charakter dieser Autorität, die Bedeutung dessen zu verringern, was eine der hauptsächlichsten Stützen des oben bezeichneten Anarchismus gewesen war. Denn sie merzten dadurch die große Unvereinbarkeit des Idealen und des Realen aus, also folgerichtig auch die der fortschrittlichen und konservativen Tendenzen, die schon COMTE und die Positivisten sehr genau beobachtet und tief beklagt hatten. Man sagt mit Recht, HEGEL habe das "Sollen" gehaßt, nämlich jenes "Sein sollen", das immer soll und nie ist. In gleicher Weise haßt COMTE den Fortschritt, der niemals die Ordnung einhalten will, die besteht. (15) Wir haben da unbedingt zwei Ausdrucksformen einer im Grunde ganz gleichen Anschauungsweise. Durch das Vergöttlichen der Geschichte - wenn auch in verschiedener Weise wie bei vielen anderen Denkern - wird das "Sein" zum "Sollen", die Beibehaltung der Ordnung wird zur Realisierung des Fortschritts und umgekehrt, wobei nicht ausgeschlossen ist, wie es den Anschein haben könnte, daß das gegenwärtige Reale, die gegenwärtige Ordnung, den Irrtum und das Übel in sich verkörpern kann. Inwiefern diese Auffassung der Lehre HEGELs und der der Positivisten gemeinsam ist, sowie andererseits die tiefgründige Verschiedenheit ihrer Gedanken darüber, - das wird in den nachfolgenden Ausführungen einer der wichtigsten Punkte sein, um die charakteristischen Unterschiede der Ethik des Positivismus allen anderen philosophischen Schulen gegenüber festzustellen.

Durch das bisher Gesagte scheint erwiesen, daß aus den Keimen, die nach und nach die Geschichte gereift hatte, eine neue Wahrheit hervorbrach, unmittelbar durch die Arbeit der kühnsten, am meisten von der Zeit befruchteten Denker, gleich HEGEL und die Positivisten, denen man - aus verschiedenen Gründen der Übereinstimmung mit dem einen oder anderen - die Juristen der historischen Schule beigesellen könnte.

Und da in dieser neuen Wahrheit, die so große Autorität erlangte, Denker einander begegneten, verschieden durch ihre Geistesbeschaffenheit und das Milieu, aus dem sie stammten, so begab es sich, daß sie ein und dieselbe Wahrheit in gründlich verschiedenem Sinn weiterentwickelt haben, übereinstimmend mit der Beschaffenheit ihres Geistes und ihres Milieus.

Dem einen ist der Prozeß des Seins ganz innerlich, auch der nach außen wahrnehmbar werdende. Den Positivisten dagegen ist alles äußerlich, auch das, was bis zur Innerlichkeit dringt, einer ganz anderen Innerlichkeit als im Sinne HEGELs. So ist das Stufensystem der Natur, wo eines durch das andere hervorgebracht wird, bei HEGEL nicht eine wirkliche, äußerliche Erscheinung, sondern eine solche der innersten Idee, welche die Vernunft in der Natur bildet. Bei den Positivisten hingegen ist sie nichts anderes als äußere, natürliche Realität, abgesehen vom größeren oder kleineren Anteil, den die verschiedenen Positivsten dem Unerkennbaren einräumen. Die Lehre HEGELs, sagt KÖSTLIN,
    "leidet unter einer unverkennbaren Antipathie Hegels gegen die in der Philosophie vor ihm allzusehr überschätzte Naturseite des Universums." (16)
Die Positivisten dagegen messen dieser Seite die größte Bedeutung bei. Der Kontrast findet seinen Höhepunkt von seiten HEGELs, wenn er - mit Bezug auf den Ausspruch VANINIs, "daß ein Strohhalm ausreicht, um das Sein Gottes zu erkennen" - sagt, er müsse erwidern, daß
    "jede Vorstellung des Geistes, die schlechteste seiner Einbildungen, das Spiel seiner zufälligsten Launen, jedes Wort ein vortrefflicher Erkenntnisgrund für Gottes Sein, als irgendein einzelner Naturgegenstand"
sei. (17) Und es ist sehr bezeichnend, daß HEGEL schließlich so weit kommt, zu sagen, es sei eigentlich das Böse etwas viel Höheres, als die regelmäßigen Bewegungen der Gestirne und die Unschuld der Pflanzen, denn jener, welcher irrt, sei der Geist. (18) Auf der anderen Seite verspottet ROMAGNOSI geradewegs einen solchen Geist (19). So begegneten jene überlegenen Denker einander in der Entdeckung derselben Wahrheit und bekämpften einander in der Entdeckung derselben Wahrheit und bekämpften zugleich einander auf das Heftigste!

War das ein unüberbrückbarer Abgrund? Wie ich schon betont habe, ist dies ein Problem der heutigen Philosophie. Die vorher festgestellten, gemeinsamen Faktoren der Geistesbewegung HEGELs und der Positivisten wurden für neue, überaus wichtige Gedankenannäherungen fruchtbar; hauptsächlich das Wahrnehmen eines ewigen Entstehens und Wiederversöhnens von Kontrasten in dem ganz geschichtlichen Prozeß wurde sowohl für HEGEL als auch für die Positivisten von allergrößter Bedeutung. Und gleicherweise mehrere andere damit verknüpfte Gesichtspunkte, die alle neben dem allgemeinen, gemeinsamen Gehalt nach besondere Verschiedenheiten enthielten.

6. Eine genaue Analyse der gemeinsamen wie der differierenden Entwicklungsfaktoren in den Gedankensystemen HEGELs und der Positivisten würde den Wert auch der entgegengesetztesten Lehrsätze des einen und der anderen in das hellste Licht setzen, doch ist das gewiß nicht unsere Aufgabe. Nur um die Auseinandersetzung über die Ethik des Positivismus durch einen Blick auf die historischen Wurzeln zu vervollständigen, habe ich auch auf ihren Kontrast mit HEGEL hingedeutet. Daneben bemerke ich, daß HEGEL einer Familie und einer Umgebung von starker, tiefster Religiosität entstammte, die Positivisten zumeist einem religiös-skeptischen Kreis. (20) Wurde HEGELs Geist vorzüglich durch theologische Studien gebildet und besonders durch die Schriften der Mystiker zugleich mit historischen Studien, so war er auch schon von Natur aus sehr empfänglich für den Gedanken des Jenseits.

Bezüglich seiner philosophischen Stellung im engeren Sinne unterscheidet sich HEGEL von den Positivisten auch dadurch, daß er das letzte Glied und das Endresultat einer philosophischen Strömung bildet, die dem deutschen Boden eigen ist, einer Strömung, die verschieden ist, ja sich beinahe deutlich von jener absondert, für welche die Positivisten das Endresultat vorstellen.

Es genügt hier daran zu erinnern, daß an der Spitze jener ersten Reihe LEIBNIZ steht, der Philosoph, der sich am heftigsten und eindringlichsten dagegen wehrt, die Natur als einen mechanischen Apparat aufzufassen und im Gegenteil in ihr ein System lebendiger Kräfte findet - der Philosoph, dem die Gegenwart der Keim einer unendlichen Zukunft ist, ein in Ewigkeit fruchtbarer Same, den alle Unvollkommenheiten nicht hindern können, ganz vollkommen zu werden, da auch aus dem Übel immer wieder schließlich das Gute folgt.

7. Wer steht dagegen an der Spitze jener Reihe, die bis zu unseren Positivisten herableitet?

Es ist hauptsächlich die Strömung der englischen Realisten; diese hat ihre Vorläufer in den italienischen Schriftstellern der Renaissance, ihre kühnen Fortsetzer findet sie in den französischen Schriftstellern, ihr Haupt und Meister ist FRANCIS BACON (21). Was die Positivisten vollbringen, ist eigentlich eine Erweiterung von BACONs Gedenken, eine vollständige Verwirklichung seines Programms. BACON, gestaltend, zusammenfassend, alle losen Fragmente des glorreichen Werkes der Philosophie und der Wissenschaft in Italien miteinander verbindend, hatte wirklich der Welt ein weites Programm für eine neue Philosophie und eine neue Wissenschaft hinterlassen. Er selbst prophezeite, weder ihm, noch anderen, sondern nur dem Glück des ganzen Menschengeschlechts sei die Macht der Erfüllung gegeben.

Schon von jenen Italienern, die BACON durch einige Generationen vorangegangen oder seine Zeitgenossen waren, in Angriff genommen, schritt die Erfüllung des Programms von Stufe zu Stufe, von einer Wissenschaft zur anderen, bis das Programm - dank jener auserlesenen Geister, von denen wir sprechen - das Feld der sozialen Ethik erreichte und hiermit gleichzeitig die wesentliche Grundlage für eine aufbauende Philosophie legte. Gerade in dieses letzte Feld des Wissens, der sozialen Ethik, war man bisher außer nach BACONs Grundgesetz und teilweise nach dem ausgezeichnet formulierten des DESCARTES, noch nicht vorgedrungen. Es stand daher zu erwarten, daß nur an BACONs Lehren orientierte Geister bestimmt sein konnten, jenes Programm zu erfüllen.

Der Einfluß BACONs auf den Geist und die Doktrinen der vier großen Positivisten, mitunter von den Historikern verkannt, mitunter überschätzt, ist jedenfalls ein unleugbarer. Überdies ist er zum größten Teil von ihnen selbst eingestanden worden, besonders von COMTE und von ROMAGNOSI. Außer den Andeutungen, die COMTE von der philosophia prima [erste Philosophie - wp] und der scala intellectui [Stufenleiter des Geistes - wp] BACONs als von (wenn auch verworrenen) Skizzen seiner eigenen analogen Lehrsätze macht, führt er an mehreren Stellen seiner Werke jene Gedanken aus, die er zum erstenmal in der Jugendschrift vom November 1825 "Considérations philosophiques sur les Sciences et les Savants" zum Ausdruck bringt, daß
    "die Bewegung im Menschengeist, hervorgerufen durch die Vorschriften Bacons im Verein mit den Anschauungen Descartes', der Ausgangspunkt einer wirklich positiven Philosophie genannt werden muß" (22)
und daß diese "als der letzte Akt und der schließliche Zweck jener großen Umwälzungen, die sie begonnen haben", anzusehen ist. Und in nicht weniger klarer Weise findet sich ein ähnliches Bekenntnis bei ROMAGNOSI. Er nennt BACON mit großer Begeisterung "den Leuchtturm auf dem ersten Absatz der Rennbahn, den Mann, unter dessen geistigem Gesetz wir noch immer leben." Und es ist anzunehmen, daß er auch von sich dachte, was er von anderen, großen Philosophen behauptete: "daß sie ihre eigene Fackel an der Bacons entzündet haben." (23)

Auch bleiben die Spuren, die in den Werken BACONs den Weg der zunehmenden Anwendung der positivistischen Methode bezeichnen, nicht völlig außerhalb des sozialen Feldes. Einige haben dies allerdings behauptet, aber es ist ein Irrtum, den nur eine sehr unvollkommene Kenntnis von BACONs Werken, wahrscheinlich aus zweiter Hand, erklären kann.

BACON war so weit davon entfernt, seine Methode für die Ethik unanwenbar zu finden, daß er sogar erklärt, gerade die gleiche von ihm geförderte Methode soll man auf die Logik, die Ethik und die Politik anwenden. (24) Und schon früher sagt er ausdrücklich, daß die Philosophie und Moral der Gesellschaft nur deshalb im Vergleich zu anderen Wissenschaften bisher oberflächlich bleiben mußte, weil sie nicht durch die "natürliche Philosophie" genährt worden war. (25) Aber noch wichtiger ist es, daß er bei den Versuchen, seine Methode anzuwenden, bei Moral und Politik anfängt.

So tut er gerade für die Ethik mehr als für irgendeine andere Wissenschaft durch das Klarlegen der gründlichen Anwendung des Prinzips, daß die Normen des Handelns aus den Gesetzen des Seins abgeleitet werden sollen. Aus dem allgemeinsten Gesetz des Seins leitet er die grundlegende, ethische Norm ab, die ihm dann zur Lösung einiger spezieller Probleme dient. (26) Und was noch mehr ist: er bietet in einer politischen Abhandlung ein Beispiel für die Art, zur praktischen Entwicklung der sozialen Normen durch eine Anwendung von untergeordneten Gesetzen der realen Welt vorzuschreiten, nach einer Anordnung von absteigender Allgemeinheit und aufsteigender Spezialisierung. Es sind dies ohne Zweifel beschränkte Anwendungen, aber BACON wollte eben nicht diese oder jene Wissenschaft begründen, sondern eine Methode lehren.

Auch in dieser Hinsicht finden wir bei denselben großen Positivisten deutlich erläutert, was das Werk BACONs gewesen ist. COMTE besonders, nachdem er zuerst gezeigt hat, worin DESCARTES bedeutender war als BACON, weist andererseits die Überlegenheit BACONs über DESCARTES darin auf, daß dieser wohl die unorganische Philosophie begründete, aber die moralischen und sozialen Gebiete der alten Methode überlassen hat, während BACON
    "insbesondere die unvermeidliche Erneuerung dieser zweiten Hälfte der Philosophie im Auge hat, ja es schon wagt, deren Bestimmung darin vorherzusehen, daß sie zuletzt die Menschheit vollständig regenerieren wird."
In BACON lebte schon ein vollkommenes Programm des neuen Wissens. Seine Durchführung war, wie er selbst eingesehen hat, eine schwierige Aufgabe, schwierig insbesondere auf sozialem Gebiet, das an Hindernissen am reichsten war.

Es fehlte in der Zeit nach BACON nicht an lichtvollen Versuchen, das Gebiet der sozialen Ethik eindringlich zu bearbeiten, aber ernste Schwierigkeiten bei der positiven Gestaltung der Sozialwissenschaft, darunter auch die oben erwähnten geschichtlichen Bedingungen, mußten lange Zeit hindurch ganz unüberwindlich bleiben. (27)

8. Doch war es die Bearbeitung der leichteren Partien von BACONs Programm, welche die der schwierigen zugänglich machte.

Unleugbar wurden - je nach Schwierigkeitsgrad des Studiums ihrer Erscheinungen - die Wissenschaften nacheinander positive Disziplinen. COMTE hatte ebenso die klarste Einsicht davon, wie auch von der hieraus folgenden Möglichkeit, zur gegebenen Zeit die positive Sozialwissenschaft aufzubauen. Er bezeichnete genau die Schwankung des Schwierigkeitsgrades bei den verschiedenen Wissenschaften, je nach der größeren oder geringeren Verwicklung ihrer bezüglichen Phänomene, ihrer größeren oder geringeren Abhängigkeit, ihrer Spezialisierung und endlich ihrer mehr oder weniger deutlichen Beziehung zum Menschen - vier Motive, von denen, wie er ausführte, wohl jedes für sich eine besondere Bedeutung hat, die aber in ihrem Grund doch untrennbar sind. Die Folge davon war eine hierarchische Ordnung der Wissenschaften, wobei die Astronomie allen anderen vorangeht, weil ihre Erscheinungen die einfachsten, allgemeinsten und vom Menschen entferntesten sind, die alle übrigen beeinflussen, ohne selbst wieder in einer Weise beeinflußt zu werden, die für uns wahrnehmbar wäre. Die Erscheinungen der irdischen Physik dagegen werden schon durch die vorerwähnten kompliziert, da sie neben dem astronomischen Gesetz der Gravitation noch eigenen Spezialgesetzen mit engeren Wirkungen folgen. Konsequenterweise sind die chemischen Erscheinungen durch die einen oder anderen verwickelt, während sie selbst eine neue Reihe von Gesetzen erkennen lassen - jene der Verwandtschaft - deren Wirkung wieder weniger ausgedehnt ist. Zuletzt kommen die physiologischen Erscheinungen, worin alle Gesetze des Himmels und der Erde, der Physik und der Chemie zu beobachten sind, aber durch andere Gesetze verändert werden, die ihnen allein eigentümlich und noch eingeschränkter sind.

Diesen sollten noch angefügt werden - COMTE tut es nicht - die psychischen Phänomene, die allerdings den physiologischen untergeordnet sind, jedoch andere, eigentümliche, wesensverschiedene, selbständige Gesetze einschließen.

Gerade diese objektiven Bedingungen haben wirklich, wie ich bemerkt habe, die geschichtliche Reihenfolge in der Bildung dieser Wissenschaften bestimmt. Die Physik wurde erst dann eine positive Wissenschaft, als die Astronomie es geworden war, die Chemie nach der Physik, die Biologie nach der Chemie, die empirische Psychologie nach der Biologie.

Wenn man bedenkt, daß die sozialen Erscheinungen die verwickeltsten und eigentümlichsten von allen sind, von allen anderen abhängig und in direkter Beziehung zum Menschen, so folgt natürlich daraus, daß ihr positives Studium sich wohl nicht früher entfalten konnte, als nach der Entwicklung der übrigen, grundlegenden Wissenschaften und nur durch einen Geist, der mit der Methode und den Resultaten des positiven Wissen sehr vertraut war. Daraus folgt, daß der günstige Zeitpunkt für die Vervollständigung des positiven Wissens und infolgedessen für die Ausdehnung jener Autorität, welche die Realisten der Natur zugeschrieben haben, auf die Geschichte der menschlichen Tatsachen - auch mit Bezug auf die Reife der wissenschaftlichen Entwicklung - nicht früher eintreten konnte, als es tatsächlich der Fall war.

Wenn wir daher mit Bezug auf diese wissenschaftliche Reife die persönlichen Verhältnisse der vier Philosophen betrachten, die jene Einbeziehung vollbracht haben, so finden wir, daß sie die größte Vertrautheit mit den positiven Wissenschaften hatten und besonders aufmerksame Zuschauer hinsichtlich der neuen Richtung in der Biologie und der Anfänge einer Psychologie als positiver Wissenschaft waren.

Wenn unter ihnen COMTE vielleicht mit allen positiven Wissenschaften am vertrautesten war, so erhob sich ROMAGNOSI in einigen über den studienbeflissenen Zuschauer zu einem nicht unbedeutenden Mitspieler. Es sind tatsächlich von ihm eigenartige Beobachtungen über die elektrischen und magnetischen Erscheinungen bekannt. Er konnte im Jahre 1802 Europa die Entdeckung verkünden, daß die Ablenkung der Magnetnadel durch die Voltaische Säule hervorgerufen wird. Durch diese Entdeckung stellte ROMAGNOSI sechzehn Jahre vor dem Schweden ÖRSTED die Synthese des Elektromagnetismus fest.

ROMAGNOSI wurde in seiner Jugend auf der Stufenreihe der Wissenschaften über die Physik hinaus mit wahren Enthusiasmu vom Versuch BONNETs ergriffen, aus der Psychologie eine völlig positive Wissenschaft zu machen. Es war auch der mächtigste Antrieb für das, was wir den Positivismus des ROMAGNOSI in der Sozialwissenschaft und in der Philosophie nennen können. So schrieb FERRARI über die jugendlichen Studien von ROMAGNOSI:
    "er studiere von Anfang die Philosophie automatisch, ohne ihr große Aufmerksamkeit zu schenken, da er von Natur nicht dazu geneigt ist. Die Physik gefiel ihm, ließ ihn Bonnet bewundern und mit dem weisen Analytiker führte sie ihn zu der Physik des Intellekts und schließlich zur Philosophie Lockes." (28)
9. Noch ein anderer Grund war vorhanden, gerade in jener Epoche, die Zeiten für die vollständige Anwendung der positiven Methode auf die ethisch-sozialen Probleme reif zu machen. Es war ein direktes Sichvorbereiten des sozialen Wissens, das - aus schwachen Anfängen in uralten Zeiten - so weit gedieh, in der Epoche, von der wir sprachen, auf gesicherte Weise vorzugehen; es war die Zeit gekommen, da jene objektiv-geschichtlichen Bedingungen erfüllt wurden, die seine schließliche Systematisierung möglich machen sollten.

Neben den höchst bedeutenden Analysen der menschlichen Seele und der Tatsachen der Moral, die seit HOBBES besonders in Großbritannien durchgeführt wurden und wodurch die schottische Schule hauptsächlich ihre Berühmtheit gewann, fanden unsere großen Philosophen eine Menge Vorarbeiten für das Studium der sozialen Entwicklungsgesetze vor. Aus diesem Grund darf auch nicht der direkte Einfluß einiger Denker auf die Positivisten übersehen werden, die vor ihnen mehr oder weniger deutlich die sozialen Erscheinungen den Naturgesetzen unveränderlich unterworfen erkannten - gleich Erscheinungen anderer positiver Wissenschaften - und hauptsächlich das natürliche Entstehen sozialer Institutionen zu ermitteln trachteten. Unter diesen waren die bedeutendsten MONTESQUIEU und CONDORCET und die Bedeutung ihrer Werke für die Sozialwissenschaft wurde mit besonderer Genauigkeit von COMTE festgestellt (29).

Aber der größte und eigentliche Vorläufer einer positivistischen Weltanschauung auf moralischem und sozialem Gebiet ist, wie jetzt allgemein angenommen wird, der italienische Denker GIAMBATTISTA VICO, obwohl seine Auffassung des historischen Prozesses mit finalistischen und spiritualistischen Ansichten verbunden war, die ihn nicht ohne Berechtigung auch als Vorläufer HEGELs erscheinen lassen. Die Werke VICOs übten nichtsdestoweniger einen direkten und äußerst günstigen Einfluß auf die Gedanken ROMAGNOSIs aus. Da sie aber im Ausland wenig bekannt waren, hatten sie auf die übrigen Begründer des Positivismus nur jenen indirekten Einfluß, den die Werke MONTESQUIEUs widerspiegeln. Dabei wurde dieser Einfluß in mancher Beziehung durch die Mängel des letzteren noch abgeschwächt. Das geht auch direkt aus den Erklärungen COMTEs in einem Brief an MILL vom 21. Oktober 1841 hervor. Darin teilt COMTE MILL mit, daß er erst in jenen Tagen die Werke VICOs gelesen, während er sie bis dahin "nur in unvollkommenen Andeutungen und ungenügenden Auszügen kennen gelernt" hat. Er erklärt, daß die innerliche Kraft des Autors ihm großartig erscheint in Anbetracht der Zeit und des Ortes, daß einige seiner Axiome ihm einen ersten Schritt nach der Überzeugung von einer wirklichen sozialen Entwicklung bedeuten scheinen.

Aber neben dem Werk VICOs, dessen Grundfehler - die Idee der historischen Rückläufe - für ROMAGNOSI sehr klar war, und der stattdessen den tief wissenschaftlichen Gedanken eines historischen Rhythmus setzte, kamen ROMAGNOSI auch andere wirksame Anregungen im selben Sinn durch andere Vorläufer des sozialen Positivismus zugute, die, ebenfalls Italiener, im Ausland wenig gekannt waren. Darunter vor allem JANELLI (30), STELLINI (31) und (aus anderen Gesichtspunkten) SERRA.

Dies alles erklärt uns genügend, warum COMTE, neben dem Bewußtsein von der Reife der eigenen Zeit für die soziale Physik, auch eine vollkommene Kenntnis von den Leistungen seiner Vorgänger besessen hat und sagte, die soziale Physik sei schon in Angriff genommen, während ROMAGNOSI bei der Feststellung des Gedankens, daß Basis und Inhalt einer Gesellschaftsphilosophie die Geschichte der Zivilisation sein muß, erklärte,
    "diese sei teilweise schon geschrieben durch das von Vico und Stellini Gesagte, ferner durch Robertson, Condorcet und einige Spätere." (32)
Um diese geschichtlichen Vorarbeiten richtig zu würdigen, müssen wir bemerken, daß jenes Werk, das am unmittelbarsten und überdies gemeinsam alle Positivisten beeinflußte, CONDORCETs "Esquisse d'un tableu historique des progrés de l'esprit humain" ist. Dieses sehr bekannte und verbreitete Werk - berühmt auch durch den Heroismus des Autors, der die Kraft hatte, in seiner Schrift eine aufrichtige und reine Liebe für die Menschheit zu offenbaren, während ihn das Schafott erwartete - mußte die lebhafteste Aufmerksamkeit der Positivisten, besonders COMTEs und ROMAGNOSIs, auf sich ziehen, die ihre wichtigsten Untersuchungen dasselbe Thema konzentrierten. Und das Werk war überreich an neuen Ausblicken. CONDORCET, von Ruinen umgeben, wie COMTE bemerkt, sah die sozialen Theorien bei unzusammenhängenden Negationen anlangen. In einem Milieu lebend, worin das Antihistorische im Denken und Empfinden weit überwog, fühlte er gleichwohl die Unmöglichkeit, die Geister durch etwas anderes zu vereinen als durch die Unterordnung des für die Zukunft Gesuchten unter die Erfahrungen des Vergangenen, - der einzigen Basis für gemeinsame und feststehende Überzeugungen, die für die Wiedergeburt nötig war. Wenn auch der Grundbegriff des positiven ethisch-sozialen Wissens - das ist der Begriff des sozialen Fortschritts - im Werk CONDORCETs stärker, klarer und vorwiegender geworden war, als er bei VICO und MONTESQUIEU gewesen ist, war es doch unvermeidlich, daß der revolutionäre Geist durch sein innerstes Übel - über das ich oben gesprochen habe - ihn hinderte, die politische Vergangenheit objektiv abzuschätzen und eine völlig wissenschaftliche Auffassung des fortlaufenden und allmählichen Fortschritts der Menschheit zu erreichen.

Wie ungenügend aber auch diese Vorläufer waren, sie bezeugen doch, daß es kein Sprung im Fortschreiten des menschlichen Wissens gewesen ist, den die Begründer des Positiven auszuführen hatten.

10. Wie von BACON der positivistische Gedanke im allgemeinen ausgeht, so geht von ihm auch in speziellerer Weise der ethisch-soziale Gedanke ROMAGNOSIs aus, der den eigentlichen Gegenstand meiner Untersuchung bildet, wenngleich ROMAGNOSI auch alle anderen neuen philosophischen wissenschaftlichen Ergebnisse sich dienstbar gemacht hatte. Ganz in BACONs Art sind besonders die ersten Grundsätze der Ethik ROMAGNOSIs, vor allem durch die Verknüpfungsweise jeder praktischen Anwendung - als solcher auch der Ethik - mit der Wissenschaft.

Es sind tatsächlich die einfachen und reinen Grundanschauungen BACONs, die VANNI (33) als die gemeinsamen Züge der neuen, ausgezeichneten Werke über Ethik von ROMAGNOSI und SPENCER ansieht und die er in nachfolgenden Worten zusammenfaßt:
    "Die Vorstellung der Kausalität, die Beobachtung der innerlichen Wirkung der Handlungen, der Prozeß der Deduktion (ethischer Normen) aus Naturgesetzen." (34)
BACON hatte überdies aus diesen Prinzipien eine jener Formeln geschaffen, in denen es ihm durch die Kraft der Ausdrucksweise gelingt, einen tiefen Gedankenkomplex zusammenzufassen:
    "Quod in contemplatione instar causae est, id in operatione instar regulae est."
    [Was in der Theorie eine Ursache ist, ist in der Praxis eine Regel. - wp]
Und all dies ist in den Werken BACONs auf eine Weise durchgeführt, die der später von ROMAGNOSI geübten sehr ähnlich ist. BACON machte aus dem Nützlichen eine Folge von Normen, die aus den Naturgesetzen gezogen sind, wie es ebenso VANNI von SPENCER und ROMAGNOSI darlegt. Aber von hier nimmt freilich auch der tiefgehende Unterschied zwischen den Grundlagen der Ethik des Positivismus und der Ethik BACONs seinen Ausgang.

BACON sah das Nützliche als hauptsächlichen Ausfluß all dessen an, was Natur ist und konsequenterweise, was der Natur gemäß ist, einfach dieser Gemäßheit wegen. Er heiligte tatsächlich die Natur, soweit sie den direkten Einfluß des göttlichen Willens festhält. Aber innerhalb der Natur steht auch der Mensch mit all seinen Eigenschaften und Handlungen, die wir gut und böse nennen. Darin inbegriffen ist auch die Gesellschaft mit all ihren gegenwärtigen moralischen und juridischen Gesetzen, d. h. mit jener Moral und jenem Recht, die sich schon gebildet haben und die menschliche Einrichtungen in sich begreifen.

Nun wäre die logische Konsequenz dieser absoluten Heiligung er Natur wirklich diejenige gewesen, welche SPINOZA aus der Idee einer absoluten Identität Gottes und der Natur gezogen hat: daß nämlich das Böse keine reale Existenz hat. BACON kann sich aber das Problem nicht so stellen wie SPINOZA es tut, weil er niemals daran denkt, daß das menschliche Handelnt einen Teil der Natur bildet; auch war er, wenn man die kargen Lichtblicke über diesen Gegenstand abrechnet, die sein Geist offenbar der Lektüre von MACCHIAVELLIs verdankt, niemals der Meinung, die Gesellschaft sei ein natürliches Produkt. Es folgt daraus, daß BACON wohl die Natur heiligt als Werk Gottes, aber weder die gegebene Gesellschaft, noch - aus demselben Grund - das herrschende Recht und die herrschende Moral.

Vervollständigt man die Lehren BACONs durch die heutigen Ansichten von der natürlichen Bildung der Gesellschaft, so wird dadurch die Gesellschaft geheiligt, also auch die bestehende Sitte und es bleibt jeder Grund für eine mögliche Verbesserung derselben ausgeschlossen, zumindest bezüglich jener Sittengesetze, die schon durch lange Zeit als von der Natur geschaffen sich erweisen und nicht als Augenblickswerk menschlicher Nichtigkeit. Dieser Schluß war das Resultat der historischen Schule der Rechtsgelehrten, die gleich den Hegelianern und Positivisten diese Vervollständigung vollzogen, ohne sie jedoch mit einer so gründlichen philosophischen Durcharbeitung zu verbinden, wie es der Hegelianismus und der Positivismus getan hat.

Es ergab sich sehr bald, daß die Wissenschaft in jenen Gebilden, die der Natur näher und daher dem Einfluß der menschlichen Willkür ferner stehen, die Existenz eines Abnormalen feststellte, das seiner Wesenheit nach dem gleichkommt, was in der anthropomorphistischen Sprechweise "Übel" genannt wird: und nicht allein ein "vorübergehendes Abnormales", sondern auch ein "dauerndes Abnormales".

Die Biologie hat tatsächlich festgestellt, daß es Formen gibt, die sich nur als Abweichung vom normalen Prozeß der Natur selbst auffassen lassen. Und obwohl sie ihrem Wesen nach zum Aussterben neigen, können sie doch eine sehr lange Dauer haben. Da solche Fälle in der Biologie vorkommen, könnte man daraus schließen, daß sie noch häufiger in der sozialen Welt sein werden - in Anbetracht der größeren Verwicklung dieser im Vergleich zu jener - wenn auch die Soziologie nicht eine große Anzahl direkter Beweise geliefert hätte.

Der historischen Schule konnte man daher genau dasselbe entgegensetzen, was ROMAGNOSIS gegen HUGO einwendete:
    "Wenn eine Menschenmenge, gleich den Indern, durch den Zwang verzweifelter, religiöser Phantasien gehemmt oder durch die Willkür anderer bedrückt ist, wie könnte sich jemals der Vorschlag des Herrn Hugo verwirklichen? Ist die durch Jahrhunderte unverrückbare Einsetzung der indischen Kasten vielleicht notwendig für Indien?"
Wenn BACON als erster das große Verdienst hatte, der Ethik wissenschaftliche Grundlagen zu geben und dabei das getan hat, was VANNI ROMAGNOSI und SPENCER zuschreibt, dem Nützlichen die Funktion eines "Constitutivums" der Moral zu nehmen und daraus ein "Consecutivum" [Aufeinanderfolgendes - wp] zu machen, so liegt gerade hier der Mangel seiner Grundlagen für die Ethik, weil er aus dem Nützlichen ein absolutes Consecutivum machte, bezüglich all dessen, was real ist oder aus Realem folgt, wie aus der Formel unzweideutig hervorgeht: quod in operando utilissimum id in sciendo verissimum. [Was in der Arbeit am nützlichsten ist, ist im Wissen am wahrsten. - wp] Diese Formel nahm ROMAGNOSI tatsächlich auf, änderte sie aber in einer Weise um, die wir später noch kennen lernen.

Es blieb also noch die Aufgabe, einen Prüfstein zu finden für die Unterscheidung der wirklich lebenskräftigen Formen in der Natur von jenen, die wohl so erscheinen, aber nur eine Abweichung ihres normalen Verlaufes sind und selber zum Untergang neigen. Bei BACON scheint das Nützliche, das allgemeine Beste, obwohl eine Folge des Natürlichen, manchmal ansich zum Maßstab der Moral und der Gesetzmäßigkeit sich zu erheben. Dies konnte der Anfang einer Vervollständigung der ethischen Basis sein, wobei das Nützliche eher als Normales angesehen wurde, denn als unabänderliche Folge des Natürlichen und so ansich ein Kriterium darstellt für die Unterscheidung des Normalen vom Abnormalen. BACON gelangt jedoch nicht zu einer so deutlichen Anordnung, wie er auch dasjenige ohne klare Eingliederung in die erwähnte Basis läst, was er "lex naturalis nennt und was schließlich doch etwas Mystisches an sich hat.

Eine großartige praktische Verbindung des Prinzips der Unterwerfung der künstlichen Ordnung unter die natürliche und des Kriteriums der Glückseligkeit bietet HOBBES (35). Er gelangt aber zu keiner klaren Verbindung jener beiden Prinzipien. Der erste, der theoretisch in ziemlich deutlicher Weise eine solche Koordination hergestellt hat, ist BENTHAM. (36)

Der Name BENTHAM ist auf das Engste mit der Glückseligkeitslehre verknüpft. Immerhin stellt er einen Satz auf, den der "natürlichen Bestätigung", der eigentlich eine Anwendung der grundlegenden Lehre BACONs ist. Darin wird die Natur als aufbauende und zerstörende Kraft zugleich charakterisiert, als jene, der sich alles unterwerfenn soll, da sie ja doch schließlich alles sich unterwirft. Die Menschen können sich ihrer Herrschaft nicht entziehen. Kaum versuchen sie es, so werden sie durch den Schmerz bestraft.
    "Die natürliche Bestätigung", sagt er, "ist die einzige, die immer wirkt, die durch sich selbst wirkt, die einzige, welche in ihren Hauptzügen unveränderlich bleibt. Sie ist es, die alles andere zu sich selbst zurückführt, die jede Abweichung bestraft und alles hervorbringt, was es an Übereinstimmendem in den Gefühlen und den Urteilen der Menschen gibt."
In einem vollkommenen Zusammenhang mit dieser Auffassung erfaßt BENTHAM die Aufgabe des Gesetzgebers als in letzter Linie gänzlich den Vorgängen in der Natur unterworfen. Er hebt hervor, daß das Ziel, nach welchem der Gesetzgeber streben soll, die völlige Übereinstimmung der vierfachen Bestätigung ist: der politischen, der der öffentlichen Meinung, der religiösen und der natürlichen. Und da nach seiner eigenen Bemerkung der Gesetzgeber nur die politische in der Gewalt hat, während die religiöse und die der öffentlichen Meinung durch die Natur selbst gezwungen sind, sich der natürlichen anzuschließen, so ergibt sich daraus, daß der Gesetzgeber in letzter Linie den Prozessen der Natur folgen muß.

So befolgt auch BENTHAM die Hauptvorschrift BACONs von der Theorie und der Praxis, von Kausalität und Regel. Aber BENTHAM ist weit davon entfernt, dieses kausale Prinzip der Natur als absolute Autorität zu setzen. Er verlangt nicht alles von der Natur, auch nicht auf jenem Gebiet, das die Menschheit direkt interessiert. Er verlangt von ihr nur das eine Werk: den Menschen die Glückseligkeit zu bringen. Damit war einerseits vermieden, daß auch das abnormale Wirkliche dem Idealen beigezählt wurde, während zugleich das Prinzip der Glückseligkeit auch in unterscheidender Maßstab für die Wertung des Realen selbst wurde. Andererseits blieb bei BENTHAM - wenn auch in eingeschränktem Maß - bestehen, was durch das absolut angenommene Grundprinzip BACONs vermieden worden war: die Herrschaft subjektiver Kriterien mit ihrer Folge von Unsicherheit und Ungleichheit. Mit anderen Worten: es war die Wiederkehr des anthropomorphistischen Geistes, der, auf einer Seite unterlegen, auf einer anderen wieder siegreich Einzug hielt.

Es galt daher auch noch, jenen höchsten Maßstab abzuleiten, der notwendig war, um in der Natur selbst das Abnormale vom Normalen zu unterscheiden - nicht aus dem Subjektiven, dem Veränderlichen, dem Besonderen heraus, sondern aus dem Objektiven, dem Unveränderlichen, dem Ganzen. Es galt, die Beziehung zur obersten konstanten Stufe in der Aufeinanderfolge der Erscheinungen des Universums zu finden; anders gesagt: ein allgemeines und konstantes Gesetz, dem jeder besondere Naturprozeß unterworfen ist, so daß von seiner Grundlage aus jede Erscheinungsreihe als vorübergehende Abweichung betrachtet werden könnte, wenn sie nicht darauf zurückführbar wäre. Dies war die Aufgabe, welche die Philosophie noch erwartete. Und gerade die Bestimmung dieses Gesetzes und seine Verbindung mit kosmischen Gesetzen, von den astronomischen bis zu den moralischen, war die Errungenschaft der positiven Philosophie.

Sie fand es tatsächlich im Gesetz der Entwicklung, die von den Positivisten als äußerer Naturprozeß verstanden wurde, anfangs allerdings als menschliche oder wenigstens soziale Entwicklung, dann aber mit SPENCER, DARWIN und ARDIGÓ als allgemein im höchsten Sinne, als eine Entwicklung, deren konstantes Prinzip durch die Vorstellung der "Anpassung" verdeutlicht ist. Die Gesamtanschauung vom Universum, die daraus folgt, ist die einer fortschreitenden Gestaltung, worin die Natur nach und nach in stets vollkommenerer Weise alle ihre Teile unablässig einander anpaßt und dadurch eine immer reinere Harmonie erzeugt, als deren letzte Stufe jenes vollkommene Gesetz der Liebe erscheint, das Jesus von Nazareth den Menschen verkündet hat.

Damit war es überflüssig geworden, alle Naturgebilde als solche zu rechtfertigen; es gelang dies nur bei jenen, die als Produkt jenes höchsten Gesetzes der Erscheinungen zu erfassen waren und folgerichtig auch als Produkt all jener Gesetze, deren konstante Gültigkeit die Errungenschaft eines höheren Anpassungsgrades sein mußte. Auch hier werden durch die theologische Anschauung, die in den ersten Werken SPENCERs damit verknüpft ist, die mit Bezug auf BACON unterscheidenden Merkmale aufgeklärt. Da SPENCER in den "Social Statics" die Verwirklichung dieses Gesetzes als stufenweises Wirklichwerden der göttlichen Idee betrachtet, folgt daraus, daß nicht die Natur ansich und in einem absoluten Sinn sich als Wille Gottes offenbart, sondern nur das Grundgesetz der Natur.

Dies angenommen, ergibt sich schon eine Vermutung zugunsten der Gültigkeit der bestehenden Gesellschaft und Moral sowie des Gewissens, das ihr subjektiver Reflex ist, aber es bleibt zugleich das Recht der Kritik vorbehalten, infolge der Möglichkeit gelegentlicher Abweichungen, die von der Wissenschaft tatsächlich gefunden worden sind. So erhält das Prinzip BACONs, sich den Naturgesetzen anzupassen, eine neue lichtbringende Bedeutung.

Dieses Prinzip schloß schon den Gedanken der einfachen Anpassung des Menschen an die Natur als statischen Komplex in sich. Als daher die Vorstellung der Anpassung als Erklärungsgrund auf die Bildungen der Natur selbst übertragen wurde und dadurch ansich zum dynamischen Entwicklungsgesetz der Natur geworden war, hatte der Mensch kraft desselben BACON-Prinzips die Pflicht, jene Entwicklung zu verfolgen, nicht allein durch die Anpassung an all das, was im Augenblick seines Wirkens als reales Resultat des Entwicklungsgesetzes besteht, sondern auch durch die Anpassung an die Entwicklung als solche durch die bewußte Erfüllung des dynamischen Prozesses der Natur. Mit anderen Worten: die Natur, im Menschen zum Selbstbewußtsein erwacht, wurde durch das Licht der Vernunft befähigt, das Produkt ihrer Grundgesetze - ROMAGNOSI und SPENCER sehen darin die Offenbarungen von Gottes Willen - vom Produkt vorübergehender Abweichungen zu unterscheiden. Der Mensch war nun geeignet, den realen Weg des Fortschritts mit sicherem Glauben und weiser Ergebung zu verfolgen: dem Glauben an eine Zukunft, die durch eigene Mühe und Arbeit immer besser wird, der Ergebung in relative Übel, die unvermeidlich jedem menschlichen Entwicklungsstadium anhaften und die allein zu überwinden sind durch Arbeit, die auch geduldig geleistet wird, bis die Zeit reif geworden ist.

Auf diesem Weg war es möglich, eine Moral zu erreichen, die gewissenhaft und erhaben zugleich war; eine Moral, die den Menschen als das nimmt, was er ist - ohne Utopien über seine Natur - und die ihm erlaubt, sich selbst und die anderen allmählich immer höher zu erheben. Ein solcher Glaube, wenngleich er sich nicht auf das "Absolute" stützt, basiert doch nicht auf "der Sandbank des Veränderlichen und Vergänglichen", wie CRAID sagt, "sondern auf dem Felsen der Jahrhunderte", dem Dauernden im Wechsel. Und dieser Glaube blickt zugleich nach dem höchsten Ziel, das je den Menschen gesteckt wurde, der Erfüllung des vollkommenen Liebesgesetzes, verkündet durch Jesus von Nazareth. Wie groß auch der Wert jener anderen Philosophie sein mag, die den Grund der Ethik mit dem Absoluten vereinigt oder auch identifiziert, jener Philosophie, die im Menschen das Organ eines Weltgeistes sieht,
    "der alle Dinge umfaßt und übertrifft, der in jedem lebt, sich in jeden Raum ergießt, sich ausdehnt, ohne sich zu zerteilen, vorschreitet, ohne sich zu erschöpfen" (CRAID)
- der positivistische Gedanke ist auf jeden Fall einer der mächtigsten Faktoren bei der Emanzipation des menschlichen von den alten philosophischen Anthropomorphismen wie von pessimistischen und skeptischen Anfällen. Und wenn wir dies hauptsächlich FEUERBACH, MILL und COMTE verdanken, so verdanken wir es auch ROMAGNOSI, von dessen Ethik eine Vorstellung zu geben ich mich im Folgenden bemühen will.
LITERATUR - Francesco Paolo Fulci, Die Ethik des Positivismus in Italien, Stuttgart und Berlin 1911
    Anmerkungen
    1) Die Ausgabe der Werke Romagnosis, der ich mich zumeist bediente, ist die durchgesehene von Alessandro de Giorgi, gedruckt in Mailand. Häufig auch des Bandes "Filosophia des diritto", eingeleitet durch einen philosophisch-politischen Essay über den gesetzlichen öffentlichen Unterricht und durch ein Statut der staatsgesetzlichen Studen, fünfte Auflage, Neapel, auf Kosten des Herausgebers, von ihm durchgesehen im Jahr 1839.
    2) Ich sage "in demselben Jahr" mit Bezug auf zwei Schriften "Vorläufige Thesen zur Reform der Philosophie" und "Grundsätze der Philosophie der Zukunft", erschienen in den Jahren 1842 und 1843, welche Schriften, wie Jodl erklärt, die ersten waren, worin Feuerbach seine neuen positivistischen Lehren auseinandersetzt.
    3) Der Enzyklopädist Turgot (1727-1781) legt in dem Vortrag über die Fortschritte des menschlichen Geistes, gehalten in der Sorbonne am 11. Dezember 1750, auf die klarste Weise die Auffassung von den drei Stadien des menschlichen Geistes dar, wie sie später Auguste Comte vertreten hat, der überdies sicherlich das Verdienst hat, die drei Stadien als Gesetz der ganzen menschlichen Kultur in allen ihren vielfältigen Ansichten wiedergefunden zu haben.
    4) Romagnosi teilt die Entwicklung des menschlichen Geistes in vier Stadien. Im ersten (dem ersten Comtes vollkommen analog) "war die natürliche Philosophie eine Personifikation von Wesen, nach dem Bild des Menschen geformt". Das zweite und das dritte können als Unterabteilungen des metaphysischen betrachtet werden. Im zweiten "wird die Natur als eine plumpe Maschine betrachtet oder als wirbelnde Bewegung und Mischung des Fluidums, wie in den ptolemäischen Epizyklen oder der aristotelischen Physik", und im dritten "wird zu den abstrakten Kräften fortgeschritten, die aus jenen bestehen, die im inneren Menschen wahrgenommen werden". Das vierte Stadium endlich stützt sich auf den doppelten induktiven wie deduktiven Prozeß und auf eine kritische Prüfung der Ergebnisse unserer Erkenntnis. - - - An anderer Stelle unterscheidet Romagnosi mit geringerer Genauigkeit nur drei Perioden mit folgenden Benennungen: 1. Die Zeit der personifizierenden Lehren, 2. die Zeit der nachahmenden Lehren, 3. die Zeit der philosophischen Lehren. Diese letzte Periode läßt er gerade bis Galilei reichen und bezeichnet sie als jene, welche den aus den Tatsachen gezogenen Wissenschaften die Bahn eröffnete (siehe die Schrift "Sull' Incivilimento", Opere, 1. Bd., Seite 70f)
    5) Auch Romagnosi reagiert auf das lebhafteste gegen Hegel. Er sagt von dessen Werk, es sei "ein außerordentliches Unternehmen eines Tranzendentalismus, den eine illusorische Dialektik erzeugt hat." (Della Suprema Economica del Sapere umano, LXIV) - - - Und über die hegelianischen Lehrsätze, sowie über jene der kabbalistischen Puranos, sagt er: "Diese Extreme sind ähnlich, oder, wenn man so sagen will, sie berühren einander, ohne zu verschmelzen; beide bieten nur das unfruchtbare Schauspiel menschlichen Gedankenflugs in das Chaos des Idealismus, beide gaben zuletzt nichts wie Fabeln und weniger als Fabeln." (Siehe den Brief an Vieusseux, veröffentlicht am Ende des IX. Bandes der Opere, hg. von Piatti, Seite 290) - Er gibt an derselben Stelle einen kurzen Auszug (den er aus Lerminier übersetzt) der Grundlehren von Hegels Geschichtsphilosophie, hinzufügend: "Diese Ausführungen wurden nur zu dem Zweck gemacht, daß, wer menschliche Dinge und Geschichte studiert, seinen Geist und dessen Tätigkeit diesseits der dunklen Grenzen halten möge, innerhalb welcher eine düstere, körperlose, unnütze Metaphysik ihr Unwesen treibt." Und von der philosophischen Sprache, die Hegel in seiner Philosophie der Geschichte angewandt hatte, sagt er: "Ich, um aufrichtig zu sein, verstehe vor allem das sibyllinische, scholastische, dialektische Kauderwelsch nicht, in das die Ansicht der vier Welten eingehüllt ist" (ebd. Seite 293) und in dieser Art geht es weiter.
    6) Ich spiele auf verschiedene Versuche eines Neuhegelianismus an, die in Deutschland und England aufgetaucht sind. Als der bemerkenswerteste davon erscheint uns der von Josef Kohler, insbesondere sofern er den Panlogismus Hegels verwirft und erkennt, daß sich der Fortschritt nicht immer in gerader Linie bewegt und das Rationale durch große Züge des Irrationalen und Abnormalen unterbrochen wird, so daß das Rationale sich nur in großen Zwischenräumen erkennen läßt. Um dieser und anderer Betrachtungen willen haben wir den Neuhegelianismus Kohlers als eine glückliche Synthese des Hegelianismus und des Positivismus zu würdigen.
    7) Siehe den Vortrag "Che cosa é Egnaglianza?" im angeführten Band "Filosofia del diritto", Seite 227
    8) ebd. Seite 235.
    9) "Hegel und seine Zeit", von Rudolf Haym, Berlin 1857, Seite 33.
    10) "Prose" von Giosué Carducci, Bologna 1905, Seite 750.
    11) "Hegel in philosophischer, politischer und nationaler Beziehung", von Karl Köstlin, Tübingen 1870, Seite 22f.
    12) Comte selbst erblickt im Wiedererwachen der historischen Studien einen glücklichen Umstand für die Entwicklung der positivistischen Philosophie.
    13) Comte, Cours de Philosophie, pos. 47 lecon (Edition Schleicher) Bd. VI, Seite 120.
    14) In dem Werk "Indole e Fatteri dello Incivilimento", Seite 13.
    15) Siehe besonders die erste Lektion des IV. Bandes des "Cours".
    16) Köstlin, a. a. o., Seite 65.
    17) Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften § 248.
    18) ebd.
    19) Insbesondere in der Schrift "Su di un' ultrametafisica della Storia", Opere, Bd. IX, Firenze 1834, sagt er vom Geist: "Es scheint, daß jener Herr Universalgeist Vergnügen daran hat, die asiatischen Reiche zusammenzulegen, wie die Knaben ihre Kartenhäuser bauen und dann hineinblasen, um das Schauspiel des Untergangs zu genießen." (Seite 294)
    20) Dies ist am deutlichsten für Mill, nach seinen eigenen Angaben in den Memoiren. In den katholischen Ländern sodann, denen gerade Romagnosi und Comte entstammen, war der Katholizismus schon überwunden und der Protestantismus unvollkommen. Auch auf dem Collegium Alberoni hatte Romagnosi freidenkende Lehrer.
    21) Über Bacons Ethik siehe Jodl, Geschichte der Ethik (Bd. 1), Seite 196-203.
    22) Wiederveröffentlich im Bd. IV d. Pol. Pos.
    23) Anderswo erklärt er, "das wahre Verdienst und die Größe von Bacons Genie" liege in "der Aufstellung der Theorie der wissenschaftlichen Werte, geeignet, die Prinzipien des menschlichen Wissens zu schaffen".
    24) Novum Organum, Lib. I, 127.
    25) Novum Organum, Lib. I, 80
    26) In "De Augmentis scientiarum", Lib. VII, Kap. 1 und gleichfalls in "Brevis Dissertatio de filici Scoticum Augliae Unione, in Opera omnia, Seite 1325 und folgende.
    27) Die oben angeführte "Dissertatio".
    28) Über die Entwicklung der Ethik nach Bacon, siehe Jodl, Geschichte der Ethik, Bd. 1, Seite 203f.
    29) Ferrari, La mente di Romagnosi, Milano 1835 (noch immer die wichtigste Schrift über Romagnosi) Kap. IV, Seite 45. Dieser Antrieb, der für die positive Philosophie aus den Naturwissenschaften gekommen ist, zeigt sich nicht nur in der persönlichen Entwicklung der Positivisten, sondern auch diese selbst scheinen sich manchmal auf die Vertreter jener Wissenschaften als Verbreiter ihrer Philosophie zu stützen.
    30) Cours (Edition Schleicher), IV, Seite 123f.
    31) Es ist besonders bemerkenswert, daß Romagnosi in mancher Hinsicht Tanelli über Vico erhebt.
    32) Auch von Stellini behauptet Romagnosi, daß er Vico in seinem Werk "De Ortu et Progressu Morum" übertroffen hat. Dieses Werk ist in den Schriften Romagnosis oft angeführt. Ohne Zweifel zählt auch Stellini unter die Vorläufer der modernen Soziologie. An anderer Stelle bezeichnet Romagnosi Vico und Stellini als die beiden größten Vorläufer der Staatsphilosophie.
    33) Romagnosi, "Vedute fondamentali sull' arte logica", Opere I, Seite 239.
    34) In der Vorrede zur italienischen Übersetzung von Herbert Spencers Ethik.
    35) Über die Ethik von Hobbes siehe Jodl, Geschichte der Ethik, Bd. 1, Seite 213-228.
    36) Über die Ethik Benthams siehe Jodl, Geschichte der Ethik, Bd. 1, Seite 432-444.