cr-3Für Psychologie und gegen den Psychologismus 
 
FRITZ MAUTHNER
Unmöglichkeit der Psychologie
I -16

Die Seele ist eine Kreatur , die alle genannten Dinge empfangen kann; und ungenannte Dinge kann sie nur empfangen, wenn sie so tief in Gott empfangen wird, daß sie selbst namenlos wird ... Immer wenn ein Mensch ein Bild empfängt, muß es notwendigerweise von außen durch die Sinne hereinkommen. Darum ist der Seele kein Ding so unbekannt, wie sie sich selbst. - Meister Eckart.

Echte Terminologie paßt auf ein beschränktes isoliertes Phänomen; wird auch angewendet auf ein weiteres. Zuletzt wird das nicht mehr Passende doch noch fortgebraucht. -Goethe.

Wir sehen, ein jeder, nicht bloß einen andern Regenbogen, sondern ein jeder einen andern Gegenstand und einen andern Satz als der Andre. -Lichtenberg.

Geläng' es mir, des Weltalls Grund, Somit auch meinen auszusagen, So könnt' ich auch zur selben Stund Mich selbst auf meinen Armen tragen. - Grillparzer


Eine Wissenschaft vom menschlichen Leibe ist ebensogut möglich wie eine Wissenschaft vom Leben der Pflanze, weil der fremde nicht nur, sondern auch der eigene menschliche Körper der Beobachtung zugänglich ist, wie alle Wirklichkeitswelt. Den fremden wie den eigenen Leib kann man sehen und hören, riechen und tasten und schmecken. Weil sich aber unsere Sinnesorgane nicht nach innen wenden lassen, weil wir keine Sinnesorgane für unsere "Seele" haben, darum wird es niemals eine Wissenschaft von der Seele geben können, darum bestrebt sich die neuere Psychologie physiologisch zu werden. Physiologie kann aber niemals Psychologie sein. Was immer Du BOIS-REYMOND in seiner unbewußten Rhetorik und Scholastik über die Grenzen des Erkennens und über die Welträtsel geredet hat, das ließe sich in diesem einen Satze zusammenfassen, daß Physik nicht Physiologie, Physiologie nicht Psychologie werden kann. Der Grund liegt aber nicht in mystischen Dingen, sondern im Wesen der Sprache, welche ein Werkzeug ist zum Verstehen der Außenwelt und darum ungeeignet zu Urteilen über die Innenwelt. Ich muß es öfter als dreimal sagen: Die Sprache ist wesentlich materialistisch, sensualistisch, die Welt aber ist nur für die Zufallssinne des Menschen sinnlich, die Welt an sich ist für die Sinne und ihre arme Sprache nicht faßbar. Und gar die Welt des inneren Erlebens, die psychische Welt! Also auch das noch einmal: Psychologie der Sprache will ich geben und habe keine Sprache der Psychologie, nicht distinkt für mich, noch weniger gemeinsam mit dem Leser.

Es ist nichts im menschlichen Verstande oder in der Sprache, was nicht vorher in den Sinnen gewesen ist; und die Sinne, wie gesagt, blicken nicht nach innen. Es gibt kein Wort der Sprache, welches nicht aus Beobachtungen der Körperwelt, zu denen auch der eigene Leib und seine Erlebnisse gehören, entstanden wäre. Hat sich die Bedeutung eines Wortes noch so sehr gewandelt, hat sich ein Begriff noch so sehr sublimiert, zuletzt muß die Auflösung der durch ihn ausgedrückten Metapher doch auf Körperliches zurückführen; und so ist es immer Selbsttäuschung, wenn wir mit den Worten unserer Sprache von Physik und Chemie zu Biologie, von physiologischen Beobachtungen zu psychologischen fortzuschreiten glauben. Es gibt keine Psychologie, weil wir für innere Vorgänge keine wissenschaftliche Terminologie besitzen. Erst aus einer Kritik der Sprache könnten vielleicht einige Anfangsgründe einer künftigen Psychologie entstehen.

Die Versuche einer physiologischen Psychologie sind nichts weiter als der Beginn der unbewußten Einsicht in die Unmöglichkeit der Psychologie. Weil die Sprache vom Körperlichen ausging und am Körperlichen haftet, mußte ein verhältnismäßig richtiger Sprachgebrauch zu einer Abkehr von der alten Psychologie zwingen. Diese Negation des vermeintlichen Wissens von der Seele mußte materialistisch auftreten; in der Negation ist der Materialismus, trotz seines rohen Wortaberglaubens, fast immer brauchbar gewesen. Wie ein grober Keil. Wäre die sensualistische Sprache im stande, Welterkenntnis auszudrücken, so könnte die Welterkenntnis nicht anders als materialistisch ausfallen. Die Sprache ist aber unfähig zur Welterkenntnis, weil der Materialismus nichts erklärt.

Man achte nur einmal darauf, wie die Bezeichnungen der Psychologie fast ausschließlich von Gesichtswahrnehmungen hergenommen sind, weil das Gesicht uns die reichsten Daten für eine Welterkenntnis bietet. So nennt man die Erinnerungen an Wahrnehmungen oder richtiger die Tatsachen unseres Seelenlebens seit zwei Jahrtausenden "Bilder", Von PLATON bis TAINE handelt alle Psychologie von diesen Bildern. Wir haben nur vergessen, daß  idea  ein Bild, eine Gestalt bedeutete, und daß die Metapher des Bildes irgendwie mitverstanden wird, wenn wir es in allen philosophisch eingeschulten Sprachen, mehr oder weniger verblaßt, für die Urbilder der Dinge oder für ihre Urformen, dann für die Zielformen des Denkens oder Handelns, endlich (in der Umgangssprache) für allgemeine Erinnerungen gebrauchen. Seltsam genug, daß der Bedeutungswandel, der  idea  zu solchen Ehren führte, das ziemlich gleichbedeutende Leiche (englisch  like ) hier zum Namen für den toten Körper, dort (-lich) zu einer tonlosen Endsilbe herabsinken ließ. Ich glaube, daß das indische  maya  beide Entwicklungen zugleich durchgemacht hat; es gibt ein  maya  = Idee, es gibt ein  maya  = der Formsilbe -  lich . Es ist aber offenbar, daß wir bei diesen "Bildern", sobald von Gesichtswahrnehmungen die Rede ist, Außen- und Innenwelt gar nicht unterscheiden, und daß wir uns überhaupt nichts mehr bei dem Begriffe Bild denken können, sobald von Wahrnehmungen des Geruchs, des Geschmacks u.s.w. die Rede ist. Das hat schon der gesunde Menschenverstand REIDs erkannt. Wir sind aber an den Gebrauch des Wortes so sehr gewöhnt, daß wir hilflos werden, wenn wir, wie eben geschehen, mit anderen Ausdrücken sehen wollen, was diese Bilder sind.

Es wird unsere Skepsis, und insbesondere unsere Meinung von dem Werte der Sprache nicht überraschen, daß auch diese Einsicht wieder nur die halbe Wahrheit sagt, und durch ihr Gegenteil aufgehoben, ergänzt oder begriffen werden muß, wie man will. Die Sprache ist - im naiven Gebrauch durchaus materialistisch und zwingt die Menschheit auf materialistische Bahnen. Ganz gewiß. Weil aber jeder, auch der simpelsten Welterkenntnis, zuletzt auch der einfachsten Wirklichkeitswahrnehmung der Ursachbegriff zu Grunde liegt, insofern nämlich selbst die Empfindung eines roten Farbenflecks erst dadurch zu einer Wahrnehmung wird, daß der Mensch mit der inneren Empfindung die Hypothese einer äußeren Ursache verknüpft: darum ist zuletzt auch der einfachste Begriff anthropomorphisch, geistig, psychisch. Nicht erst SCHOPENHAUER hat darauf hingewiesen, daß wir den mechanischen Stoß der Körper um nichts besser verstehen, als die Motivation unseres Willens durch Gedanken. Schon LOCKE hat das deutlich ausgesprochen, am schärfsten in der Überschrift des § 28 Buch 2, Kapitel 23: "Die Mitteilung der Bewegung durch Stoß  oder  durch Denken ist also unbegreiflich." So konnte eine spiritualistische Psychologie die materialistische, sensualistische Sprache leicht in ihren Dienst zwingen, konnte aus den "Ideen", den Bildern von inneren Erlebnissen, eine idealistische, eine dualistische oder auch eine panpsychistische Weltanschauung aufbauen. Ideen sind gefällig, weil sie Worte sind.

Erst unter der hundertjährigen Herrschaft des tapferen materialistischen Irrtums ist also die vermeintliche Wissenschaft der Psychologie endlich auf den verzweifelten Ausweg geraten, sich unter die Physiologie zu flüchten. Die moderne Psychologie will physiologisch werden. Das Verzweifelte an diesem Schritte liegt auch darin, daß die Psychologie doch eigentlich das Geistesleben des Menschen erforschen wollte, daß sie auf ihrem alten Wege jede Hoffnung aufgeben mußte, daß sie sich dann der Wissenschaft vom ungeistigen Leben, vom Tierleben des Menschen anvertraute, und daß nun wiederum diese Wissenschaft, die Physiologie, ebenso unfähig ist, ihrerseits die Lebenserscheinungen auf die scheinbar besser bekannten Erscheinungen der Physik zurückzuführen. Die Physiologie oder die Lehre vom Leben hat eine Unzahl interessanter Beobachtungen gesammelt, die noch vor hundert Jahren unbekannt waren, und die recht oft praktische Verwendung finden können; aber die Erscheinungen des Lebens sind heute wie vor Jahrtausenden noch in keinem einzigen Punkte auf Erscheinungen der Physik zurückgeführt. Es wäre denn, man gäbe sich damit zufrieden, daß im lebendigen Körper nebenbei auch die sogenannten physikalischen und besonders die chemischen Gesetze als wirkend nachweisbar sind. Nicht ein leises Flimmern des Lebens aber ergibt sich aus ihnen; das Leben besteht neben ihnen oder - wie der Mensch zu sagen pflegt, weil er lebt über ihnen.

Die Unmöglichkeit, die Lebenserscheinungen zu erklären, wird höchst wahrscheinlich doch nur darauf beruhen, daß wir alle solche Erklärungen an das zufällig vorhandene Wörtchen "Leben" anzuknüpfen gewohnt sind. Überall haben wir ja diesen Sprachaberglauben gefunden. Hier aber ist seine, Wirkung besonders toll, weil ja dieses Leben, das wir zu kennen glauben und erklären wollen, das Geheimnis unseres Daseins ist, weil dieses Leben als sein Kennzeichen überall die Empfindung, die Reaktion auf Reize besitzt, und weil dieses Kennzeichen sich im Menschen zu einem Empfindungsgedächtnis, dem Denken, entwickelt hat und wir nun dieses Empfindungsgedächtnis törichterweise auf das Leben anwenden wollen. Wir wollen mit dem Auge ins Gehirn hineinsehen, mit der Grubenleuchte in den noch ungegrabenen Schacht hineinleuchten; wir wollen mit dem Bewußtsein das unbewußte Werden erkennen, mit den Namen der Sprache das namenlose Leben benennen. Das Leben ist eine Erscheinung, und wir wollen mit einem Organ des Lebens hinter die Erscheinung dringen. Es ist, als ob wir an einen Spiegel gefesselt wären, so zwar, daß der jede unserer Bewegungen mitmachen müßte und wir uns mit dem Spiegel im Kreise drehen wollten, um hinter den Spiegel zu gelangen.

Das Leben ist eine Erscheinung, wie die Elektrizität eine Erscheinung ist. Wir tun ganz recht daran, die Erscheinungen des Lebens mit denen der Physik zu vergleichen, und diese Vergleichung Physiologie zu nennen, wie es klug von uns ist, die Erscheinungen der Elektrizität mit denen der älteren Physik zu vergleichen. So wenig aber der elektrische Draht daran denken kann, zu ergründen, was er tut oder was an ihm geschieht, so wenig darf der lebendige Mensch hoffen zu ergründen, was er ist.  W i r  (Menschen) nennen das Wesen des elektrisch gewordenen Drahtes Elektrizität,  w i r  (Menschen) nennen das Wesen der empfindenden Organismen  Leben ; dieses "wir" ist aber durchaus nicht ein mit höherer Weisheit begabter Denkmensch, der etwa dem lebendigen Menschen über die Schulter sähe, dieses "wir " ist nichts weiter als die menschliche Sprache, die seit Jahrtausenden gewohnt ist, die Fragen nach der menschlichen Notdurft und nach anderen greifbaren Dingen zu stellen und zu beantworten, und die darum in stupider Gewohnheit oder in schreiendem Erkenntnisdrang auch unmögliche Fragen stellt und sie unmöglich beantwortet, sowie sich diese Fragen an der Grenze der Worte durch diese Grenze selbst ergeben. Eine dieser Grenzen, wo die Worte mit ihrer Stirn gegen das harte Nichts anstoßen, ist die Psychologie.

Und wenn die physiologische Psychologie wirklich einmal dahin käme, die Erinnerungsassoziationen im Gehirn unter dem Mikroskop in unterscheidbare Nervenbahnen aufzulösen und so oder so an Stelle des Denkens sichtbare Gehirntätigkeit zu setzen, was niemals geschehen kann, so wäre damit zwar ein physisches Korrelat zum Geistesleben des Menschen aufgezeigt, aber die Rätsel wären nur verdoppelt, da nun zu dem Geheimnis der Empfindungsassoziationen auch noch das weitere Geheimnis der psychophysischen Verbindung käme. Die mögliche Fragestellung für die Psychologie ist noch nicht gefunden.

Ich habe mich darum keinem der Forscher, die sich selbst Psychologen nennen, als einem Führer anvertrauen können. Wie konnten sie mir eine Psychologie der Sprache bieten, die die Sprache der Psychologie noch nicht einmal einer Kritik wert gefunden hatten! Auch die besten Köpfe unter ihnen sind außer stande, die Einheit ganz klar zu begreifen, die zwischen der Wirklichkeitswelt als unserem psychologischen Erlebnis und unserer Erkenntnisarbeit als unserem psychologischen Leben besteht. Bis zur Stunde verdoppelt die Psychologie die Welt, sieht sie einmal als Leben, einmal als Ergebnis. Wie ein Wilder sich zweimal glauben würde, weil er sich im Spiegel gesehen hat.

Auch die Ergebnisse der experimentellen Psychologie habe ich, nachdem mir das Studium dieser Literatur viel Zeit geraubt hatte, nur selten heranziehen können. Die Grobheiten, mit denen RUDOLF WILLY (Gegen die Schulweisheit 120 ff.) meine Sprachkritik beehrt, können mich nicht abhalten, mir einiges Gute zu eigen zu machen, was er in seiner "Krisis der Psychologie" gegen die experimentelle Psychophysik vorgebracht hat. WILLY hat erkannt (S. 74), daß bei jedem Versuche der ganze Mensch tätig ist und nicht der befragte psychomechanische Nebenapparat, daß in der Psychologie alle Zahlengrößen, selbst die Numerierung der Sterngrößen, nur metaphorische Bedeutung besitzen. Er steht ebenso wie MÜNSTERBERG seinem Lehrmeister WUNDT kritisch gegenüber.

Der beste Logiker aus dieser Forschergruppe ist HUGO MÜNSTERBERG; das hat er im großen durch die Analyse des Willensbegriffs, im kleinen durch die Ablehnung der WUNDTschen Apperzeptionstheorie bewiesen. Sein Blick für die Schwächen des wissenschaftlichen Betriebs ist bewunderungswürdig. "Jede Spezialwissenschaft arbeitet mit Begriffen, die sie nicht selber prüft, und strebt nach Endzielen, deren Erreichbarkeit und deren Wert sie stillschweigend voraussetzt." (Grundzüge der Psychologie, 1, 2.) Er durchschaut hie und da die Rolle der Sprache: daß erlernte Begriffe das Wirkliche zu interpretieren suchen (46); daß der psychophysische Parallelismus, den er freilich trotzdem nicht aufgibt, die provisorische Antwort ist auf die provisorischen Fragen einer provisorischen Wissenschaft (4-87); daß die vorgetragenen Anschauungen über die chemische Natur gewisser Prozesse im Gehirn nur Spekulationen sind (504); daß logische Zuordnungen physiologischer Prozesse ebensowenig Erklärungen sind wie die bloße Benennung eines Vorgangs (510); trotzdem steht MÜNSTERBERG unter dem Banne der Sprache, erklärt die Erkenntnis für die logisch wertvolle Bearbeitung der Wirklichkeit (58) und gründet seine psychologischen Sätze überhaupt gern auf Logik. Seine Versuchsreihen sind geistreicher und schlauer als die seines Lehrers, wobei ich das Lachen über die groteske Experimentfrage: "Wer ist bedeutender, HUME oder KANT?" (eine Frage, die nach den Regeln dieser psychologischen Versuchsreihe in kleinen Bruchteilen einer Sekunde beantwortet werden soll) unterdrücke. MÜNSTERBERG hat (Beiträge zur experimentellen Psychologie I, 3) die Zahlenwut der experimentellen Psychologie mit Recht getadelt;
"die Zahlen für sich allein haben ja natürlich gar keinen Wert; nur die benannte, die möglichst klar und eindeutig benannte Zahl kann wissenschaftliche Bedeutung gewinnen, und doch liegt die, Gefahr so nahe, Zahlen zu sammeln und Zahlen in ihren Verhältnissen zu prüfen und Zahlen zu erklären, ohne ernstlich die wichtigste Vorfrage zu erledigen, was jene Zahlen eigentlich bedeuten sollen, und für welche psychologischen Vorgänge sie eigentlich ein Maß sind."
Was mir aber die Berufung auf die Reihen der experimentellen Psychologie bis zur Unmöglichkeit verleidet hat, das ist ein Umstand, über den ich einen Exkurs von Bücherdicke schreiben müßte, um das ganze Feld abzumähen. Es steckt nämlich hinter dem scheinbar objektiven Verfahren der Experimente doch nur die alte, vielgeschmähte, unumgängliche Selbstbeobachtung. MÜNSTERBERG hat das im allgemeinen erkannt, nicht aber im besonderen. Er weiß, daß die Begriffe, die unseren Spekulationen über mikroskopische und chemische Nervenuntersuchungen zu Grunde liegen. der uralten Selbstbeobachtung entstammen. Aber er sieht nicht, daß die psychologischen Versuche selbst mit all ihrer Präzisionsmechanik und logischen Vorsicht doch nur Selbstbeobachtungen sind. Er braucht zu seinen Versuchen zwei Psychologen, einen experimentierenden und einen reagierenden Herrn; er sieht nicht, daß der experimentierende Herr gar nicht zur Sache gehört, daß der Versuch einzig und allein am reagierenden Herrn ausgeführt wird, und daß das Ergebnis völlig wertlos wäre, eine unbenannte Zahl, ohne die Selbstbeobachtung des reagierenden Herrn.

Der Begründer der Psychophysik, GUSTAV THEODOR FECHNER, war es, der zuerst das Verhältnis zwischen der geistigen und der körperlichen Seite der Existenz auf Zahlen, auf Maßbeziehungen zurückführen wollte. Aber der überlegene FECHNER scheint mir auch in seinen exakten Arbeiten (selbst in seiner "Revision der Hauptpunkte der Psychophysik ") niemals völlig vergessen zu haben, daß er ein bißchen phantasierte, mit Bildern operierte. Aus Bildern soll man niemals Schlüsse ziehen. In keiner Wissenschaft wäre diese banale Lehre so wichtig wie in der Psychologie. Nur daß die skeptische Sprachkritik hinzufügt: Bilder stecken in jedem Worte oder Begriffe, also soll man aus Worten oder Begriffen überhaupt keine Schlüsse ziehen.
rückerLITERATUR - Fritz Mauthner, Beiträge zu einer Kritik der Sprache I,
Zur Sprache und Psychologie, Stuttgart/Berlin 1906