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ROBERT SCHELLWIEN
Max Stirner
und Friedrich Nietzsche

[Erscheinungen des modernen Geistes
und das Wesen des Menschen]

[ 3/3 ]

"Ich bin mir Meiner als des Wissenden gewiß, und diese Gewißheit erstreckt sich auch auf Alles, was Ich weiß. Daß ich empfinde, wahrnehme, vorstelle, denke, will und was der jedesmalige Inhalt dieser meiner Funktionen ist, darüber kann ich durchaus keinen Zweifel hegen, das ist mir absolut gewiß."


Die Wahrheit

Was ist Wahrheit? Wer stellt diese Frage? Der Mensch. Wer allein kann sie beantworten? Der Mensch sich selbst. Sich selbst aus seinem eigenen Wesen, nicht aus irgendeinem anderen. Weder die Natur, noch Gott kann ihm sagen, was wahr ist. Die Natur kann Eindrücke auf seine Sinne hervorbringen; ob aber die Erscheinungen, die infolgedessen in seinem Bewußtsein auftreten, wahr sind, kann er nicht von diesen erfahren, sondern nur aus sich selbst. Und auch eine göttliche Offenbarung kann ihm die Wahrheit nicht übermitteln, wenn er nicht an sie glaubt, der Glaube aber ist wieder sein eigenes Gewißheitsgefühl. Sein Bewußtsein ist jederzeit erfüllt mit Vorstellungen, Begriffen und Urteilen; ob dieselben aber wahr sind, geht nicht aus ihnen hervor, darüber kann nur er selbst entscheiden. Er selbst: wer ist er selbst? oder vielmehr: wer oder was bin Ich? Denn Ich - so kennt und nennt ein jeder sich, und nur für sich selber kann ein jeder die Frage aufstellen und beantworten.

All mein Bewußtsein geht nicht nur in seinem Beginn, sondern auch in seinem Fortgang beständig davon aus, daß Ich mich in einem räumlichen Zusammenhang von Körpern als einen dieser Körper finde. Ich finde mich. Ich finde mich, indem ich diese gesamte Körperwelt wahrnehme und das Einzelne darin unterscheide, aber nicht dadurch allein, sondern, indem Ich einen dieser Körper von allen übrigen als den meinigen erkenne. Ich vermöchte dies nicht ohne die objektive Anschauung, vermöge deren Körper, der meinige darunter, überhaupt erst für mich vorhanden sind, aber ich vermöchte es auch nicht durch die objektive Anschauung allein, denn in dieser habe ich meinen Körper ur wie andere Körper und kann ihn nur, wie jeden Körper von jedem andern, nicht aber als den meinigen unterscheiden. Als den meinigen erkenne Ich ihn nur, weil Ich ihn von innen her bewege und empfinde, während ich die übrigen Körper nur mechanisch von außen her, mittels meines Körpers, bewegen und sie nur wahrnehmen, aber nicht empfinden kann.

Ich unterscheide zwischen meiner Empfindung, die subjektiv, nur ein Zustand von Mir, ist und mir niemals gegenständlich werden kann, und Meiner Wahrnehmung, vermöge deren Gegenstände, Objekte, für Mich vorhanden sind.

Ich also bin der lebendige Maßstab, nach dem Ich alles erkenne, meinen Körper von den übrigen Körpern, Subjekt und Objekt unterscheide und wenn ich nicht empfindend und beides auch unterscheidend wäre, so gäbe es weder Subjekt noch Objekt, d. h. überall kein Wissen; wenn Ich, das Wissende, nicht wäre, so gäbe es auch kein Gewußtes. Ich, das Wissende, bin kein Gegenstand des Wissens, sondern das lebendige Prinzip allen Wissens, vermöge dessen erst Gegenstände für mich vorhanden sind. Dies also ist die Grundtatsache des Bewußtseins, daß ich lebe, und daß mein Leben Wissen ist; daß nichts außerhalb dieses Lebens und ohne dasselbe gewußt werden, daß kein Anderes, kein Nicht-Ich als Ding-ansich erkannt werden, daß es für Mich nur Dinge, die meine Objekte sind, geben kann. Ich, das Wissende, kann nicht sein und leben ohne Gewußtes, notwendig Gewußtes, aber das Gewußte kann auch nicht sein ohne Mich, das Wissende; im Wissen sind also alle Gegenstände nur als Momente eines lebendigen Prozesses, in dem Ich das tätige Prinzip bin. Ich, das Wissende, bin auch für mich selbst kein Gegenstand. Das Selbstbewußtsein besteht nur dain, daß Ich Meiner als des Wissenden gewiß bin; nur das Gewußte ist Gegenstand für Mich, Ich aber bin das wissende Selbst, dessen ganzes Leben Wissen und Erkenntnis von Gegenständen ist. Nur kraft dieses Lebens weiß Ich von Mir und von Gegenständen, als meinen Objekten, als von Mir wahrgenommenen Dingen; meine Objekte aber als Dinge-ansich anzunehmen und daraus nicht nur das unbewußte Naturerleben, sondern auch das Wissen herzuleiten, ist purer Dogmatismus und Fetischismus.

Ich bin mir Meiner als des Wissenden gewiß, und diese Gewißheit erstreckt sich auch auf Alles, was Ich weiß. Daß ich empfinde, wahrnehme, vorstelle, denke, will und was der jedesmalige Inhalt dieser meiner Funktionen ist, darüber kann ich durchaus keinen Zweifel hegen, das ist mir absolut gewiß. Ein Anderes ist gar nicht für Mich vorhanden; was aber für Mich vorhanden ist, das ist mir gewiß. Damit ist aber erst gesagt, daß Ich die Quelle aller Gewißheit bin, daß Mir Gewißheit nicht aus etwas Anderem kommen kann. Ob aber mein Wissen auch wahr, d. h. allgemein gültig ist, das ist eine andere Frage. Sicher ist, daß Ich diesen Anspruch erhebe, daß Ich die Wahrheit meines Wissens behaupte, zwar nicht für meine subjektiven Zustände, die mir bloß gewiß sind, wohl aber für mein objektives, sowohl sinnliches als auch nicht sinnliches Wissen, dessen Wahrheit mir gewiß ist. Wenn dieser Anspruch begründet sein soll, so muß mein objektives Wissen ein absolutes Wissen, mein Leben, vermögen dessen Ich objektiv weiß, das absolute Leben sein. Ob und in wie weit dies der Fall ist, darf bezweifelt werden, denn Ich bin vor meinem Wissen und zwar fortwährend, ein Nichtwissendes, ein einzelnes, endliches, im unbewußten Naturprozeß sein Leben vollziehendes Wesen. So muß also, wenn mein Anspruch auf Wahrheit begründet sein soll, die Lebensfunktion, vermöge deren Ich wissend bin, eine solche Erhebung aus einem endlichen Leben und Nichtwissen sein, kraft deren Ich das absolute Leben vollziehe. Ob und inwieweit mein Wissen zu dieser Annahme berechtigt, kann nur aus ihm selbst und von ihm selbst erkannt werden, Ich allein kann es, die lebendige Bewegung meines Wissens durch alle seine Stadien vollziehend, begreifen, bejahen oder verneinen.

Soviel ist von vornherein klar, daß Ich den Ausgangspunkt nicht irgendwo außerhalb des Wissens oder irgendwie vor dem Wissen nehmen kann. Wenn überhaupt etwas für mich vorhanden sein soll, wovon ich ausgehen kann, so muß auch das Wissen schon da sein, das Wissen ist eine absolute Voraussetzung, eine in sich seiende Kausalität, und kann aus irgendetwas Gewußtem ebensowenig hergeleitet werden, als ein Mensch über sich selbst hinweg zu springen vermag.

Andererseits kann aber auch das Wissen, obgleich es einzig von sich selbst begriffen werden kann, sich nicht abtrennen von seinen Gegenständen und sich selbst zu einem gesonderten Gegenstand des Wissens machen, denn alsdann hätte es ja wieder Gegenstände außerhalb seiner, was unmöglich ist. Ich weiß vom Wissen nur insofern es mit seinen Gegenständen Eins ist, und von den Gegenständen nur, insofern sie integrierende Bestandteile des Wissens sind.

Sein und Wissen sind identisch: das Sein als Wissen, das Wissen als Sein zu begreifen, ist die Aufgabe; sie zu trennen und doch ihre Übereinstimmung zu verlangen und anzunehmen, führt nur dazu, daß beide unverständlich, beide bloße Worte bleiben. Die Methode, die sich daraus für die Untersuchung ergibt, kann nur darin bestehen, jedes Ding als lebendiges Moment des Wissens und das Wissen selbst als das in den Dingen sich entfaltende totale Sein zu begreifen.

Allerdings das Wissen, in dem und kraft dessen ursprünglich, nicht vermöge eines einmaligen Schöpfungsaktes, sondern eines fortwährend tätigen Seins, alles,was ist, lebt und webt, ist nicht mein Wissen. In diesem Urprozeß bin ich nicht als Schöpfer, sondern als Geschaffenes. Mein Wissen ist das Wissen eines Einzelwesens, und damit tritt uns sogleich ein offenbarer Widerspruch entgegen, denn das Wissen ist eine unendliche, schlechthin in sich selbst verlaufende Funktion, das natürliche Einzelleben ist endlich, äußerlich auf Anderes bezogen, nichtwissend. Aber dieser Widerspruch ist ein tatsächlicher, lebendiger. Ich bin dieser Widerspruch: ich bin in der Tat nichtwissend, und ich bin in der Tat wissend; ich vollziehe fortwährend diese beiden entgegengesetzten Lebensfunktionen gleichzeitig und vereinige sie in einem Leben. So wird also mein Wissen nichts anderes sein können, als die von mir vollzogene dialektische Bewegung, die beständig diesen Gegensatz zeigt und auch aufhebt und mir damit offenbar macht, was Ich bin und was mein Wissen ist.

Die Grundform des in meinem Wissen sich stetig offenbarenden Gegensatzes ist die von Subjekt und Objekt. Ich, das Subjekt, bin Einzelwesen, denn nur mit meinem Körper fühle Ich mich in unmittelbarer Einheit und ich weiß, daß Ich die objektiv wahrgenommenen Dinge zwar weiß, aber nicht bin. Dies ist die unerschütterliche Grundlage all meines Wissens, daß Ich, das Wissende, ein Einzelwesen bin und daß Ich die Welt, die Ich wahrnehme, nicht bin. Ich kann Subjekt und Objekt nicht voneinander trennen, denn sobald ich Subjekt, d. h. wissendes Einzelwesen bin, ist auch das Objekt, die Welt, für mich da, und das Objekt ist für mich nicht vorhanden, wenn Ich, das Subjekt, es nicht weiß. Nicht trennen kann ich Subjekt und Objekt, aber Ich muß sie durchaus einander entgegensetzen, Ich muß mir fortwährend bewußt bleiben, daß Ich nur als Subjekt ein unmittelbares reales Leben bin, das Objekt aber, die von Mir gewußte Welt, nur mein Geschöpf ein ideales Nachbild der Welt ist, das nur in Mir Leben hat. Wenn Ich nun dennoch diesem meinem Geschöpf eine Wahrheit d. h. Übereinstimmung mit dem real vorhandenen Sein zuschreibe - wie ich unzweifelhaft tue -, so kann Ich die Gewähr dafür nur in Mir selbst finden. Unmittelbar liegt für Mich eine solche darin, daß in meiner objektiven Wahrnehmung die Subjektivität aufgehoben ist, und das Objekt als frei von ihr, als Nicht-Ich, mit entgegen tritt. Wie dies zugeht, weiß Ich zwar zunächst nicht, denn Ich weiß nicht, vermöge welcher Tätigkeit Ich überhaupt Objekte habe und von der Welt weiß; aber, daß es geschieht, ist mir von vornherein gewiß; die Realität des Objekts ist dem gesunden Menschenverstand deshalb durchaus gewiß, weil er es mit unfehlbarer Sicherheit von seinen subjektiven Zuständen unterscheidet.

So ist also mein erstes und auch in aller Folge unveränderliches Wissen der Gegensatz von Subjekt und Objekt, von denen jedes das andere voraussetzt und keins das andere erklären kann.

Mein Wissen besteht darin, daß das Gewußte als Nicht-Ich für Mich vorhanden ist, und doch muß das Nicht-Ich, um gewußt zu werden, Meine Funktion, also Ich sein.

Aus diesem Dilemma können wir nur herauskommen durch die Selbstoffenbarung des Wissens, in der es, aufsteigend aus dem Nichtwissen, auf einer höheren Stufe, nicht nur den Gegensatz von Subjekt und Objekt, sondern auch die Einheit beider aus sich begreift.

Aber nur in dieser Bewegung wird es sich selbst erkennen können, und somit kehren wir, um ihm in derselben zu folgen, zur Grundlage all unseres Wissens, der sinnlichen Erfahrung, von der auch vorhin schon die Untersuchung ausgegangen ist, zurück.

Wie das objektive Bewußtsein, mein Wissen von der Welt, entsteht, auf welcher Funktion von Mir, es sei Leiden oder Tun, oder beides zugleich, es beruth, das ist die Frage.

Indem Ich in der sinnlichen Erfahrung sowohl die Gegenstände wahrnehme, als mich darunter als empfindenden Körper unterscheide, nehme ich zugleich eine tatsächliche Beziehung zwischen meinem Körper und den anderen Körpern wahr, die je nach ihrer verschiedenen Art und Weise, verschiedene subjektive Empfindungen in Mir zur Folge hat, Empfindungen, die durchaus nur subjektive Bedeutung haben und die Objekte unberührt lassen, worin sich wiederum der Gegensatz von Subjekt und Objekt offenbart.

Aber nicht nur meine subjektive Empfindung, sondern auch meine objektive Wahrnehmung ist durch eine äußere Einwirkung der anderen Körper auf meinen Körper, auf meine Sinnesorgane, Auge, Ohr, Tastnerven, wie ich zwar nicht empfinde, aber objektiv wahrnehme, bedingt und veranlaßt.

Wenn man nun hieraus die Folgerung zieht, daß meine objektive Wahrnehmung ebenfalls in einer Empfindung besteht, die von den Dingen durch die Sinnesorgane und das Gehirn in mir erregt wird, so wird man doch diese Meinung bei einiger Besinnung bald aufgeben müssen, denn der Inhalt der objektiven Wahrnehmung besteht gar nicht in einer Empfindung und auch nicht in einer Wirkung der Dinge, sondern in den Dingen selbst, in der Ursache der Einwirkung, die ich mittels der Sinnesorgane von ihnen erfahre. Das objektive Bewußtsein ist der von den Gegenständen erfüllte Raum, aber der Raum ist nicht in meinem Kopf, sondern mein Kopf ist im Raum, Ich als Körper bin nur ein Bestandteil meines objektiven Bewußtseins. Zudem kann doch eine Empfindung nur subjektiv sein, für das Objektive aber ist es gerade wesentlich, daß es nicht-subjektiv, nicht Ich ist. In der Tat empfinde ich auch nichts bei der objektiven Wahrnehmung, Ich nehme eben nur wahr, d. h. Ich habe die Gegenstände als solche in meinem Bewußtsein, und, wenn sich eine Empfindung einmischt, so stört sie nur. Man kann sich leicht überzeugen, wie entschieden dieser Gegensatz von subjektiver Empfindung und objektiver Wahrnehmung ist, wenn man bei geschlossenen Augen mit dem tastenden Finger über die Oberfläche eines Gegenstandes fährt. Der Inhalt des Bewußtseins ist dann: eine subjektive Empfindung von Druck im Finger und die objektive Wahrnehmung des betasteten Gegenstandes außerhalb des Fingers. Beide sind toto genere [völlig - wp] verschieden: die Empfindung besagt nichts über den Gegenstand und der Gegenstand bekundet lediglich sich.

Wenn nun sonach das Objekt durchaus nicht als subjektive Empfindung gedeutet werden kann, doch aber auch im objektiven Bewußtsein ein subjektives Walten stattfinden muß, weil sonst das Objekt für Mich überhaupt nicht vorhanden sein würde, so kann dieses subjektive Walten nur in einem Tun, einer Hervorbringung des Objekts bestehen, einer Umsetzung Meiner selbst in das Objekt.

In der sinnlichen Wahrnehmung jedoch bin Ich Mir eines solchen Tuns, einer schöpferischen Hervorbringung des Objektes keineswegs bewußt: allerdings weiß Ich im objektiven Bewußtsein auch von Mir, aber nur von Mir, als einem Aufmerkenden, Wahrnehmenden, nicht als einem Hervorbringenden; wenn Ich meine Aufmerksamkeit ganz von einem Teil der Objekte zurückziehe und das vermag Ich -, so nehme Ich eben insoweit, als meine Aufmerksamkeit aufgehoben ist, nicht oder nur unvollständig wahr, immer aber tritt Mir das wahrgenommene Objekt als Nicht-Ich entgegen, ein Kausalitätsverhältnis zwischen Mir und ihm vermag Ich nicht herzustellen. Indessen mein objektives Bewußtsein bleibt bei der sinnlichen Wahrnehmung nicht stehen. Es findet sich fortwährend Objektives in meinem Bewußtsein, von dem Ich weiß, daß es nicht einem äußeren Eindruck auf meine Sinnesorgane entspricht, dem Ich daher auch keine Wirklichkeit zuspreche: Vorstellungen aller Art, die an keinen bestimmten Raum und an keine bestimmte Zeit gebunden sind, früher Wahrgenommenes oder auch vorher noch nicht Erfahrenes, Bilder, die durchaus den Wahrnehmungsbildern gleichen, aber nicht bestimmten Wahrnehmungsbildern, Bilder, die aus den Elementen der Wirklichkeit gewoben, weiter aber nicht an sie gebunden sind, die auftreten und verschwinden, konstant bleiben und sich umgestalten, ohne daß die Ursache davon sich kund gibt. Ich merke auch auf diese objektiven Erscheinungen in Mir und unterscheide sie bestimmt von meinen Wahrnehmungen (1). Ich habe sie als nicht wirkliche Objekte in meinem Bewußtsein, woher sie aber kommen, wie sie entstehen, weiß Ich nicht. Vom Ursprung der Objekte erfahre Ich nichts, solange Ich mich zu ihnen nur als Aufmerkendes verhalte, für welches sie da sind. Aber Ich, dieses Aufmerkende, bin mit allem diesem geschenkten Reichtum nicht zufrieden, Ich will selbst die Quelle und der Grund desselben sein. Ich will es: und es geschieht! "Gott sprach: es werde Licht! [fiat lux! - wp] Und es ward Licht." Das ist nur meine Übersetzung, das Nachschöpferische, in das Urschöpferische, Gott. Ich will der schöpferische Grund meiner Objekte sein, und, indem Ich es will, bin Ich es: Ich nehme Mich aus allen meinen objektiven Bestimmungen, die Ich nur als ein Aufmerkender, wie ein Zuschauer habe, zurück und erzeuge rein von Mir aus die Objekte, die Ich hervorbringen will. Nichts erregt Mich dabei, als mein eigener, aus nichts Anderem stammender Trieb, Ich und nichts als Ich zu sein, alles Andere aber aus Mir herzuleiten. Daß Ich so tue, ist eine Tatsache, die niemand leugnen kann, der sie mit Bewußtsein vollzieht; wer jedoch so modern ist, daß er durchaus nicht zu Sich selbst kommen, daß er nur in seinem Gegenstand leben und nur im Unbewußten den Grund des Seins erblicken kann, dem rate ich, nicht weiter zu lesen. Ich aber fahre fort, zu sagen, was Ich bin.

Ich erkenne Mich nun als den schöpferischen Grund aller meiner objektiven Bestimmugen, nicht nur derjenigen, die ich wollend aus Mir hervorbringe, sondern auch derjenigen, die Ich, ohne von Mir, als dem schöpferischen Grund, zu wissen, unbewußt erzeuge, insbesondere auch meiner sinnlichen Wahrnehmungen, denn Ich bin in allen diesen Akten Ein- und dasselbe, Ich, das Wissende: Ich weiß jetzt nicht nur von Dingen, sondern von Mir, als dem Schöpfer der Dinge.

Wie aber ist es zu erklären, daß Ich in der sinnlichen Wahrnehmung, obwohl Ich der Schöpfer der wahrgenommenen Objekte bin, doch von dieser meiner Tätigkeit nicht weiß? Ich erkenne auch dies aus der bewußten Tätigkeit, mit der Ich wollend Objekte aus Mir hervorbringe. In dieser Tätigkeit weiß Ich Mich als den alleinigen Ursprung meiner Objekte, aber Ich gehe zugleich fortwährend in diesen Objekten auf, Ich setze mich in ihnen als Nicht-Ich, Ich erzeuge sie zu ihrer eigenen Existenz. Es ist mein Leben, das in ihnen lebt, ohne Mich können sie nicht sein, sie sind meine Kreaturen, aber Kreaturen, die Ich zugleich verselbständige. Meine Tätigkeit dabei ist derart, daß immer zugleich die Objekte ebensowohl Ich als Nicht-Ich sind. Wenn Ich nun eben diese Tätigkeit vollziehe, aber, wie es in der sinnlichen Wahrnehmung geschieht, mit dem Unterschied, daß Ich nicht von mir anhebe, sondern einer äußeren Erregung meiner Sinnesorgane Folge leiste und entsprechend dieser Erregung und den mir dadurch von der Außenwelt gegebenen Informationen die Ursachen dieser Erregung als meine Objekte erzeuge, so muß sich als notwendiges Resultat ergeben, daß nur die solchergestalt erzeugten Objekte als Nicht-Ich in meinem Bewußtsein sind, von Mir aber, als dem schöpferischen Grund dieser Objekte kann Ich nicht wissen, denn von Mir und meiner Objekt schaffenden Tätigkeit weiß Ich erst, nachdem Ich mich aus meinem unbewußten objektiven Erzeugnissen zurückgenommen habe und, von Mir anhebend, Objekte aus Mir produziere. Wenn Ich mir aber dieser Kraft und Tätigkeit bewußt geworden bin, dann finde ich sie auch in der sinnlichen Wahrnehmung wieder und Ich weiß, daß, wenn Ich einen Gegenstand beobachte, um ihn möglichst genau nach seinen Formen und sonstigen charakteristischen Eigenschaften aufzufassen, dies dadurch geschieht, daß Ich ihn, zugleich mit der Wahrnehmung, wiederholt in Mich zurücknehme und aus Mir hervorbringe.

Ich weiß nun, daß Ich selbst das Nicht-Ich, daß Ich der identische schöpferische Grund meiner gesamten Erfahrungswelt bin und jegliches Ding in dieser Welt eine Modifikation von Mir ist. Aber Ich weiß auch, daß Ich in dieser Erfahrungswelt nur ein vorhandenes Sein reproduziere, und daß meiner Bewußtseinstätigkeit mein Unbewußtsein vorangeht, denn Ich finde Mich selbst in meiner Erfahrungswelt als einen Bestandteil derselben, und die Einwirkung anderer Körper auf meinen Körper als notwendige Vorbedingung meines Bewußtseins. Ich gehe also als Wissendes aus Mir, dem Unbewußten, hervor, Ich gehe aber daraus hervor nicht als Folge, sondern als Grund, und erst, indem Ich als Grund tätig bin und die Erfahrungswelt erschaffe, weiß Ich von mir als Unbewußtem. Der schöpferische Grund des Dings-ansich, kann nicht aus einem Anderen hervorgehen, sondern nur aus sich selbst sich regen, nur in sich leben, nur Selbst sein. Dies ist also der Ursprung des Bewußtseins, nicht der einmalige, sondern der fortwährende, daß Ich aus spontaner Regung gegen mein bloß nach außen und nur auf Anderes gerichtetes Einzelleben Widerspruch erhebe, daß Ich in Mich gehe zum Selbstsein, für das es kein Anderes gibt, und zur Funktion des Selbstseins, dem schöpferischen Allsein. Ich betätige damit, was Ich dem Grund nach bin, die in meinem Einzelleben aufgehoben enthaltene Allkraft. Ich kann dieselbe aber nur nachschöpferisch betätigen, Ich bin ein Einzelwesen, das als Allwesen, ein Geschaffenes, das als Schöpfer fungiert. Das Unterbewußtsein und das Bewußtsein sind zwei verschiedene Funktionen von Mir. Im Unterbewußtsein stehe Ich als ein Einzelwesen in einem äußeren Verhältnis zu anderen, ebenso äußerlich sich verhaltenden Dingen und schlechthin unterschieden von ihnen; im Bewußtsein bin Ich durchaus nur für Mich und innerlich, Ich habe kein Anderes und kein Draußen, Ich bin selbst der Raum, der stets in sich geschlossen ist, Ich bin nur für Mich, und, um eine Wirkung hervorzubringen, muß ich meinen Körper in Bewegung setzen, durch den allein Ich auch Einwirkungen erfahren kann. Im Unterbewußtsein habe ich andere Dinge, die ich nicht bin; im Bewußtsein ist dieses Verhältnis aufgehoben. Ich begreife auch die anderen Dinge in Mich hinein, in den Raum, der Ich selbst bin, Ich bin jedes Ding selbst; Ich bin das Subjekt und Objekt in Einem. Im Unterbewußtsein folge ich durchaus äußeren Antrieben und muß, diesen entsprechend, mich äußern; im Bewußtsein vollziehe Ich nur Selbstbestimmungen, äußere Antriebe finden nur auf meinen Körper statt, und was sich daraus für mein Bewußtsein ergibt, das ist in diesem auch schon wieder in Innerlichkeit umgesetzt.

Ich bin also im Bewußtsein das schöpferische Ding-ansich, das rein aus sich selbst quellende Leben, welches Alles ist, was ist, aber Ich bin es erst an zweiter Stelle und Ich bin es nur, so weit Ich mein Unterbewußtsein aufhebe, d. h. für Mich, als Wissendes, aufhebe, nicht in der Wirklichkeit, in der sogar mein unbewußtes physisches Dasein nicht aufhören kann, ohne, daß auch mein Bewußtsein verschwindet. Mein Wissen ist also ein stetes Hervorgehen aus dem Nichtwissen, und nur, so weit es daraus hervorgeht, ist es. Das ist eine unausgesetzte und unendliche Bewegung von mir selbst, die das Dunkel zu lichten, das Nichtwissen in Wissen umzusetzen sucht, aber das Nichtgewußte bleibt ein ebenso unerschöpflicher Fonds, wie das damit ringende Ich eine unendliche Kraft ist.

Mein Bewußtsein hebt allerdings mein Unterbewußtsein auf, aber nur partiell, es muß dasselbe andererseits auch bestehen lassen und immer wieder in dasselbe zurückgehen. Immerhin aber ist das Leben des Bewußtseins eine Verneinung, eine Aufhebung meines unbewußten physischen Daseins, und darum muß es auch, um das physische Leben nicht zu zerstören, periodisch, im Schlaf, ganz in dasselbe untersinken. Nicht minder ist die freie Geistestätigkeit, die Reproduktion der sinnlichen Wahrnehmung und das Denken, eine partielle Verneinung, eine Aufhebung der sinnlichen Wahrnehmung, wie diese dann auch bei intensivem Denken dem Bewußtsein fast ganz verschwindet, aber auch hier muß die periodische Rückkehr in die bloße oder doch überwiegend sinnliche Wahrnehmung eintreten, wenn das Gleichgewicht erhalten und eine das Leben schädigende Überspannung des Denkens abgewendet werden soll. Dieses negativ-positive Auf und Ab ist die stete Bewegung unseres unbewußt-bewußten Lebens.

Wenn Ich aus Mir zum selbsttätigen Leben erwache, kann ich Meine Welt nur aus dem bilden, was Ich durch die Sinne von den Dingen erfahre, dabei bleibe Ich aber Mir selbst als Bildner dieser Welt unbekannt, und das ist auch die Grenze des tierischen Geisteslebens.

Erst indem ich von Neuem in Mich gehe, und rein vom Mir aus die Erfahrungswelt reproduziere, weiß Ich von Mir als der identischen Allkraft, und von nun an, auch wenn Mir dies noch nicht zur Einsicht gekommen ist, gibt es ein bewußtes Erkenntnisstreben, d. h. Ich reproduziere aus dem unendlichen Trieb des Selbstseins alles Erfahrene aus Mir und suche es aus Mir, der Lebensgrundmacht zu begreifen, indem Ich Alles und Jedes, das Ich erforschen will, bilde und umbilde, analysiere und kombiniere, und Mir dabei der Gesetzmäßigkeit des Seins, bewußt werde, denn Ich, der schöpferische Grund von Allem, bin das Allgemeine, das für die Einzelwesen maßgebend und ihnen von Mir eingepflanzt ist.

So wächst die Erkenntnis, indem die Erfahrung sich mehr und mehr ausbreitet, und Ich immer von Neuem Mich erhebe, um alles Erfahrene in Mir aufzuheben und aus Mir hervorzubringen und dadurch zu begreifen.

Die treibende Kraft, auf der aller Fortschritt im Erkennen beruth, bin Ich mit meinem unendlichen Identitäts- und Schöpfungstrieb, mit meinem steten Emporringen aus dem, was Ich nicht bin, mit meinem rastlosen Streben, Alles in mein Selbstsein umzusetzen und dadurch zu wissen.


Und nun noch einmal die Frage: was ist Wahrheit? Die Antwort wird jetzt sein dürfen: Ich bin die Wahrheit, denn Ich bin die nachschöpferische Lebensgrundmacht, der Grund aus dem Alles hervorgeht, mit dem nichts im Widerspruch sein kann. Was Ich weiß, das ist." (2)

Was Ich weiß. Ich weiß aber immer nur, so weit Ich das Nichtwissen überwinde, bin also der Wahrheit immer nur in gewissen Maß mächtig. Man muß nur verstehen, daß man die Wahrheit nicht besitzen, nicht festlegen kann: sie ist ganz und gar Leben und Bewegung, und sie ist nur, so weit dieses Leben, diese Bewegung vollzogen wird. Rastlos geht der menschliche Geist, zumindest in einzelnen hervorragenden Menschen, in Sich selbst zurück, verneint alle fertigen Meinungen, und sucht durch erneute Reproduktion des Seins zu vollkommenerer Erkenntnis zu gelangen: so folgen in der Kulturgeschichte die verschiedenen Weltanschauungen aufeinander, der durchgehende Charakter dieser Bewegung aber ist der Trieb zum Selbstsein und die fortschreitende Befriedigung desselben. Im Laufe dieser Bewegung gewinnen immer bestimmte Meinungen für längere oder kürzere Dauer, in engeren oder weiteren Kreisen, die Herrschaft. Jede Meinung, auch eine herrschende, ist immer nur eine unvollkommene Wahrheit; wenn sie sich aber dessen nicht bewußt ist, wenn sie sich für eine vollkommene Wahrheit hält und dementsprechende Folgerungen zieht, so wird sie insoweit unwahr. Solche doktrinären Unwahrheiten entstehen immer von Neuem, denn das erkennende Selbst ist seinem Wesen nach Macht der Wahrheit und behauptet kraft des Gefühls dieser Macht das, was es weiß, apodiktisch; es geht noch weiter und bildet vermöge seines absoluten Identitätstriebes und seiner nachschöpferischen Potenz stets ein allgemeines Kausalitätsgesetz und eine allumfassende Weltanschauung; es wirkt in dieser Weise auch unbewußt, wenn es sich selbst nicht kennt, sondern nur seine Schöpfungen, die Vorstellungen und Gedanken, in die es auf- und eingeht, mit denen es sich identifiziert: so erhellt, wie Weltanschauungen entstehen müssen, die das Gepräge der Einseitigkeit und Beschränktheit des jedesmaligen Bewußtseinsinhaltes, aus dem sie hervorgehen, an sich tragen. So verhält es sich z. B. mit der Weltanschauung, die in unseren Tagen eine weit ausgebreitete Herrschaft übt, der mechanischen. Dieselbe geht hervor aus einer völligen Unkenntnis der nachschöpferischen Tätigkeit des Bewußtsein und beruth auf einer einseitigen Inbetrachtnahme der aus der sinnlichen Wahrnehmung ersichtlichen äußeren (mechanischen) Beziehungen von Ding zu Ding und der infolge derselben auftretenden Veränderungen, wobei aber völlig außer Acht gelassen wird, daß diese ganze Kenntnis uns erst durch die nachschöpferische Tätigkeit des Bewußtseins vermittelt wird. (3) Auf der vom Experiment unterstützten Beobachtung der aus der sinnlichen Erfahrung ersichtlichen mechanischen Beziehungen der Dinge zueinander und der Feststellung der davon abhängigen gesetzmäßigen Veränderungen, welche jedoch die Dinge selbst immer voraussetzen und dieselben in ihrem Wesen nicht ergreifen können, beruth die exakte Naturforschung, und man darf es dieser nicht zum Vorwurf machen, wenn sie sich darauf als ihr alleiniges Gebiet beschränkt, der mechanischen Kausalitätstheorie aber bedarf sie nicht und wird vielmehr durch dieselbe nur irre geleitet, in der Weise, daß aus der Theorie heraus hypothetische Erklärungen und Erscheinungen geliefert werden, die sich in der Wissenschaft festsetzen und der lebendigen Forschung aus der sinnlichen Erfahrung Eintrag tun. Die mechanische Welttheorie beruth einfach darauf, daß das einseitige Kausalitätsmoment der äußeren Beziehung der Dinge aufeinander zum absoluten Kausalitätsprinzip erhoben wird, und nunmehr aus diesem Alles erklärt werden soll, auch die Dinge selbst, obwohl dieselben doch ihrer äußeren Wirksamkeit notwendig vorausgesetzt werden müssen, und die ganze Welt und ihre Entwicklung. Das Ganze ist ein Hysteron-proteron [das Spätere vor dem Früheren - wp], eine Sammlung sich selbst widersprechender Thesen, eine Gedankenkonstruktion, die weder an der Erfahrung, noch am selbstbewußten Denken einen Halt hat; STIRNER würde sagen und mit Recht: ein Spuk.

Nun aber ist diese mechanische Kausalitätstheorie dergestalt in die exakte Naturwissenschaft eingedrungen, daß sie alle Ehren der letzteren für sich in Anspruch nimmt und namentlich die der Wissenschaftlichkeit. Hier begegnet man dann auch stets dem stark betonten Gegensatz von Wissen und Glauben. Allerdings, glauben kann Ich an die mechanische Welttheorie nicht, denn Glauben ist mein Gefühl von der Wahrheit eines Satzes, der Mir, der Wahrheitsquelle, entsprechend ist, die mechanische Welttheorie aber steht mit Mir, dem nachschöpferischen Prinzip, in entschiedenem Widerspruch. Der Gegensatz zwischen Wissen und Glauben ist aber auch keine Wahrheit. All mein Wissen geht hervor aus meiner nachschöpferischen Bewußtseinstätigkeit und hat an meinem Wahrheitsgefühl sowohl ein voraufgehendes Ahnen, als eine nachfolgende Bestätigung. Was Ich nicht glauben kann, as ist auch nicht wahr.

So ist es also in einem Bewegungsprozeß, auf dem die menschliche Erkenntnis beruth, begründet, daß unser Wissen der Wahrheit nur immer in gewissem Maß mächtig sein kann. Für den einzelnen Menschen aber wird dieses Maß noch besonders bedingt durch seinen individuellen Charakter. Um dies darzutun, ist es erforderlich, nachdem bis jetzt die Aufmerksamkeit vorzugsweise auf das objektive Bewußtsein gelenkt wurde, nun auch noch das subjektive näher zu betrachten.

Unser Bewußtsein ist stets subjektiv und objektiv zugleich, und beides in Einem, sobald Ich aus eigener Regung Mich zur reinen Tätigkeit aus Mir erhebe und damit als Quelle von Allem, was Ich weiß, als nachschöpferisches Prinzip, als den wiedergeborenen Weltwillen, aus meiner eigenen Tätigkeit erkenne. Im objektiven Bewußtsein bilde Ich das vorhandene Sein ideal nach, im subjektiven bin Ich die reale Substanz eines Einzelwesens.

Wenn nun mein subjektives Bewußtsein zugleich mit dem objektiven erwacht, weiß Ich von Mir, als Wissendem, subjektiv ebensowenig, wie hinsichtlich der objektiven sinnlichen Wahrnehmung. Wie ich meine objektive Erfahrungswelt in gegebener Bestimmtheit vorfinde, so finde Ich auch mich als Subjekt vor mit Empfindungen, Erregungen, Trieben, die kraft einer nicht von Mir bestimmten Notwendigkeit sind und von mir gewußt werden. Alle diese Empfindungen und Triebe sind, wie Ich aus dem objektiven Bewußtsein erfahre, entweder von Gegenständen, die meinem Körper äußerlich sind, veranlaßt, oder richten sich auf solche Gegenstände, zu denen sie eine bestimmte mechanische Beziehung auszuführen oder zu vermeiden streben. Die Triebe zeigen sich dabei als im Subjekt begründete Bestimmtheiten, denn sie sind im Bewußtsein fühlbar, wenn auch die Objekte, auf welche sie sich ihrer Natur nach richten, in der Wirklichkeit nicht vorhanden sind. Im Grunde aber sind alle diese Triebe nur ein Trieb, der Individualtrieb, der auf meine individuelle Betätigung und Befriedigung in der Wirklichkeit ausgeht, und dieser Trieb ist nur deshalb ein so mannigfaltiger, erscheint als ein vielfacher, weil er sich auf so verschiedene objektive Beziehungen erstreckt.

Allein mir wohnt nicht nur der Trieb inne, mich als Individuum zu betätigen, sondern auch der Trieb, mich rein aus mir selbst zu bestimmen, unabhängig von allen Bestimmungen, die ich in mir bloß vorfinde, und von allen äußeren Objekten, von irgendeinem Anderen. Nicht aber nur dieses Triebes bin ich mir bewußt, sondern auch der Erfüllung, die Ich ihm gebe, Ich, der Ich aus eigener, spontaner Regung zur Mir selbst komme und Mich nun selbst aus meiner Tätigkeit erkenne, als das nachschöpferische Prinzip meines ganzen Bewußtseinsinhaltes, sowohl des subjektiven, als auch des objektiven. Ich, als das Wissende, bin notwendig Wille, Wille zum nachschöpferischen Allsein, denn nur in dieser tätigen, lebendigen, gewollten Nachschöpfung besteht das Wissen und kann es allein bestehen. Nur aus der lebendigen Identität des Wissenden und Gewußten kann Wissen hervorgehen. Ich weiß von einer Sache nur, wenn sie so für mich ist, wie sie in Wahrheit ist: wie kann sie aber so für mich sein, wenn sie eine andere ist? Darum herrscht eben in der physischen Wirklichkeit ein Unbewußtes, weil dort jedes Ding zu jedem Ding sich als ein anderes verhält, und es ist somit auch einleuchtend, daß nur die Lebensgrundmacht, die mit jeder ihrer Modifikationen auch identisch ist, wissen kann, und der Mensch nur, indem er die wiedergeborene Lebensgrundmacht ist und als solche sich nachschöpferisch betätigt.

Das Sein der Lebensgrundmacht und das Wissen ist dasselbe, und beides ist Wille, der aus spontaner Regung sich selbst realisiert, und in allen seinen Bestimmungen ebenso identisch mit sich selbst bleibt, wie dies ein notwendiges Erfordernis des Wissens ist. Wissen und Wollen ist dasselbe, nur von verschiedenen Seiten betrachtet, und damit ist dann auch der "Weltknoten", den SCHOPENHAUER "unerklärlich und "das Wunder kat exochen" [schlechthin - wp] nennt, nämlich die Identität des erkennenden und des wollenden Subjekts, gelöst.

LITERATUR - Robert Schellwien, Max Stirner und Friedrich Nietzsche, Leipzig 1892
    1) Mitunter freilich auch nicht, bei krankhaften Halluzinationen, doch das gehört nur der Pathologie an.
    2) Max Stirner hat schon recht damit, daß Ich der Schöpfer aller Bewußtseinstatsachen bin, aber er verkennt, daß Ich in diesem Schöpfungsakt nicht mehr als Individuum, sondern als Allwesen fungiere, und nicht ein bloß individuelles Produkt hervorbringe, sondern die Wahrheit, daß damit auch die Wahrheit nicht als ein höheres Wesen über Mir setze, sondern als mein Wesen. Dieses überindividuelle Wesen der Menschen zu erkennen, hinderte ihn sein Prinzip, sein Dogma: Daß der Mensch nichts als Individuum, nichts, als endlich ist. Dieser Glaube und der damit notwendig verbundene an die sinnliche Wirklichkeit als reales Nicht-Ich ist ebenso Dogmatismus, wie es der Glaube an einen außerweltlichen Gott ist, der seinen Geschöpfen als ein Anderes gegenübersteht. Dieser Gegensatz sowohl der von Mir zur Wirklichkeit, wie der von Mir zu Gott, wird erst zur Identität aufgehoben, wenn Ich Mich selbst als die in nachschöpferischer Tätigkeit gegenwärtige, lebendige Lebensgrundmacht kenne. Dann erkenne ich Mich selbst sowohl in der Wirklichkeit, wie auch in de urschöpferischen Grund des Seins wieder, und Ich weiß, daß Ich der menschgewordene, der im Menschen wiedergeborene Gott bind. Feuerbach hatte vollkommen recht, wenn er das Wesen des Christentums für das Wesen des Menschen erklärte und die christliche Religion als das Verhalten des Menschen zu seinem Wesen, als zu einem anderen Wesen definierte, aber er verkannte, daß das Wesen des Menschen selbst göttlich, daß das urschöpferische und das nachschöpferische Wesen, Got und Mensch, dasselbe Wesen, und daß die Wahrheit der Religion das Verhalten des Menschen, als des nachschöpferischen Wesens, zu dem urschöpferischen, als demselben Wesen, ist. So aber behielt er nur das der Göttlichkeit beraubte Wesen des Menschen übrig, und Stirner zog nur die volle Konsequenz, wenn er nun auch dieses Wesen des Menschen zum Spuk erklärte und nur noch den individuellen Menschen in seiner Eigenheit und Einzigkeit gelten ließ. Die sinnliche Wirklichkeit mußte er aber stehen lassen, denn sonst gab es auch keinen Individualismus mehr. Er fühlte wohl auch, daß er hierin dogmatisch verfuhr, und einmal versucht er, die Realität der sinnlichen Wirklichkeit halb zu leugnen, indem er sie als gleichwertig mit dem Gedachten hinstellt. Er sagt: "Durch das Sein wird gar nichts gerechtfertigt. Das Gedachte ist so gut, wie das Nichtgedachte, der Stein auf der Straße ist, und meine Vorstellung von ihm ist auch. Beide sind nur in verschiedenen Räumen, jener im luftigen, dieser in Mir; denn Ich bin Raum, wie die Straße."
    3) Weiter habe ich dies ausgeführt in "der Wille, die Lebensgrundmacht", Seite 119f und in "Das Gesetz der Kausalität in der Natur", Seite 181f.