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ALOIS RIEHL
Transzendentale Deduktion
der Kategorien

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"Der Verstand ist Gesetzgeber der Natur, weil die allgemeine Form der Erfahrung die Verstandesform ist, weil die Einheit, die der Gegenstand in seiner Erscheinung und Auffassung bewirkt, eine Verstandeseinheit ist, weil nur in dieser Einheit die Vorstellung eines Gegenstandes überhaupt entsteht und besteht."

"Die Bedingung der logischen Anwendung eines Begriffs auf einen andern ist die Gleichartigkeit beider; die Anwendung selbst geschieht durch Subsumtion der einen Vorstellung unter die andere. Nun ist der Begriff allgemein, die Anschauung individuell. Wie kann also diese dem Begriff subsumiert, durch ihn bestimmt werden?"

"Welche Vorstellung sich Kant von der Allgemeinheit des Begriffs gebildet hatte, geht aus seiner Ansicht hervor, daß die Zeitform sich zur Vermittlerrolle zwischen Begriff und Anschauung anbietet. Die Zeit ist nämlich Form der inneren und zugleich der äußeren Erfahrung, also ein gemeinsames Merkmal beider, so daß die Zeit etwas vom diskursiv Allgemeinen eines Begriffs an sich hat."

"Die Schemata nun, welche die Begriffe des reinen Verstandes auf Anschauung überhaupt anwendbar machen, sind nach diesen Begriffen geordnet: Zahl, Grad, Sukzession, Kausalität, Wechselwirkung, Möglichkeit, Notwendigkeit."


Transzendentale Deduktion der Kategorien
als die Grundbegriffe der Erfahrung

[Fortsetzung]

Wie kommen wir nun zu den Kategorien?

Der Formalismus der Kategorienlehre, welcher in der Betrachtung der metaphysischen Deduktion gekennzeichnet worden ist, verrät sich nirgends unwillkürlicher, als im Übergang von der synthetischen Bewußtseinseinheit zu den Kategorien. Der Gedankengang, der bei ihrer Ableitung als Erkenntnisprinzipien der Erfahrung befolgt wird, läßt sich am besten aus der "vorläufigen Erklärung ihrer Möglichkeit a priori" ersehen. Es ist nur eine Erfahrung. Verschiedene Erfahrungen sind nur Teile einer allgemeinen, systematisch zusammenhängenden Erfahrung. Die Erfahrung ist eine synthetische Einheit der Erscheinungen nach Begriffen. Die Einheit der Synthese nach empirischen Begriffen würde zufällig sein, wenn sie überhaupt möglich wäre, da alle Begriffe - auch die empirischen - ihrer Form nach unter Begriffen a priori stehen. Ohne transzendentalen, notwendigen Grund der Begreiflichkeit der Erscheinungen würde es möglich sein, daß ein Gewühl von diesen unser Bewußtsein treffen könnte. Alsdann fiele zugleich mit den Begriffen alle Beziehung der Erkenntnis auf Gegenstände - eine Beziehung, die nur begrifflich ist - weg. Es blieben nur gedankenlose Anschauungen, blinde, uns unbewußte Erscheinungen übrig. Also muß es Gedanken geben, welche Bedingungen einer möglichen Erfahrung als Vorstellung von Gegenständen sind. Nun enthalten, wie die metaphysische Deduktion zeigte, die Kategorien den Ausdruck der verschiedenen Funktionen des Denkens. Bedingungen einer möglichen Erfahrung, sind zugleich Bedingungen der in der Erfahrung möglichen Gegenstände. Die Kategorien, die Bedingungen des Denkens in irgendeiner Erfahrung, sind folglich notwendige Bedingungen ihrer Gegenstände, sie haben in der in der Erfahrung und für diesele objektive Gültigkeit. Im Denken, dessen Funktionen die Kategorien vorstellen, betätigt sich die synthetische Identität des Bewußtseins. Nun hat die gesamte Sinnlichkeit, der Inbegriff aller sinnlichen Vorstellungen, eine notwendige Beziehung auf diese Identität des Bewußtseins; also ist die gesamte Sinnlichkeit den Denkbegriffen a priori notwendigerweise unterworfen. Die Kategorien sind die Funktionen der synthetischen Bewußtseinseinheit, diese Einheit der Apperzeption ist die Bedingung einer sinnlichen Vorstellung; also stehen alle sinnlichen Vorstellungen, oder steht die Gesamt der Erfahrung unter den Kategorien, welche daher auch definiert werden können als die allgemeinen Gründe, die allgemeinen Gesichtspunkte, der Rekognition der Erscheinungen im Begriff.

Diesen Gedankengang hat KANT in verschiedenen Wendungen wiederholt. Wir sind uns a priori der durchgängigen Identität unser selbst in Anbetracht aller Vorstellungen, die zu unserer Erkenntnis jemals gehören können, bewußt. Nun ist die Einheit der Vorstellungen in einem Subjekt synthetisch, also gibt das Bewußtsein der notwendigen Einheit der Vorstellungen in einem Bewußtsein ein Prinzip der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen an die Hand. Dieses Prinzip enthält ein doppeltes: es schließt eine Synthese ein, und es mach die Einheit dieser Synthese notwendig. Die reine Synthesis für sich betrachtet, nennt KANT "reine Synthesis der Einbildungskraft", er hat sie noch besser die "bildende, ursprüngliche Synthese" genannt. Ihre Form ist, wie wir erfahren werden, die Zeit. Durch die Synthese des Mannigfaltigen in der Zeit wird erst die Verbindung im Schema des Raums möglich. Weil aber diese Synthese zum Bewußtsein gehört, ist ihre Einheit notwendig, ja die Bedingung für sie selbst. Diese Einheit der Synthesis (nicht die Synthesis selbst) ist der Verstand und zwar der reine Verstand, zum Unterschied vom empirischen, der in der besonderen Anwendung der synthetischen Handlung, also in der Einheit der reproduktiven Einbildungskraft besteht. Der reine Verstand ist ein Inbegriff von Kategorien oder reinen Denkfunktionen; durch die Beziehung der reinen Synthese und mittels derselben der empirischen auf den Verstand, wird somit die Synthese zugleich auf Kategorien bezogen, als die Gründe ihrer Einheit. - Beginnen wir von unten, so sind es Eindrücke der Sinne, welche in der Form des Anschauens verbunden werden, diese Verbindung setzt, als bewußte, die Einheit des Bewußtseins voraus; also ist sie den Gesetzen des Verstandes, folgliche den Kategorien unterworfen.

Zur Kritik der Kategorienlehre, insofern diese in die transzendentale Deduktion eingreift, sei bemerkt, daß der einfache und tiefe Gedanke der Verknüpfung der Einheit der Anschauungsform und damit der Einheit der Erfahrung überhapt, mit der Einheit des Bewußtseins einzig und allein durch jene Lehre verdunkelt wird. Es läßt sich nicht begreifen, und wird daher auch von KANT nur als reines Faktum angesehen, wie das einheitliche Bewußtsein ursprünglich in verschiedene Arten zerspalten sein soll. Das entwickelte Bewußtsein ist ohne Zweifel im Besitz mehrerer formaler Einheitsbegriffe - aber nicht so auch das ursprüngliche. Übrigens hat KANT selbst Winke gegeben, die zu einer Vereinfachung seiner Lehre anleiten können. Er erklärt später
    "die Zusammensetzung ist das einzige a priori, was, wenn es nach Raum und Zeit überhaupt (den Formen der Anschauung gemäß) geschieht, von uns gemacht werden muß." (9)
Und noch bestimmter führt er an einer anderen Stelle die Verschiedenheit der Erkenntnisbegriffe auf die Verschiedenheit der anschaulichen Vorstellungen zurück. Die Einheit des Bewußtseins erforer nach Verschiedenheit der anschaulichen Vorstellungen der Gegenstände in Raum und Zeit verschiedene Funktionen, sie zu verbinden, welche Kategorien heißen. (10)

Die Deduktion des objektiv gültigen Gebrauchs der reinen Begriffe wurde dadurch geleistet, daß die notwendige Beziehung der Form der Erscheinung der Dinge (Zeit und Raum überhaupt) zur Einheitsfunktion des Bewußtseins dargelegt wurde. Die Begriffe, welche in den Funktionen des Denkens entspringen und sich in den Formen des Anschauens betätigen, sind mittels dieser Formen von den Gegenständen der Erscheinung gültig und notwendig. Der allgemeine, logische Charakter der Wirklichkeit stammt aus den Gesetzen des Denkens, weil diese Gesetze zugleich Gesetze der Anschauung der Dinge sind. Die synthetische Einheit des Bewußtseins ist die Form der intellektuellen Erscheinung der Gegenstände, wie Raum und Zeit Formen ihrer sinnlichen Erscheinung sind.
    "Die Art, wie das Mannigfaltige in der sinnlichen Vorstellung zu einem Bewußtsein gehört, geht vor aller Erkenntnis der Gegenstände als intellektuelle Form derselben vorher und macht eine formale Erkenntnis aller Gegenstände - a priori möglich, sofern sie gedacht werden. - Alle Erscheinungen stehen in der Erfahrung unter der notwendigen Einheit der Apperzeption, wie sie in der bloßen Anschauung (in der Wahrnehmung) unter den Bedingungen von Raum und Zeit stehen."
- Es gibt einen empirischen Gebrauch des Verstandes. Er besteht in der Vergleichung der Erscheinungen, um daraus Regeln ihrer Koexistenz und Sukzessiion zu gewinnen. Es gibt aber auch einen ursprünglichen Gebrauch des Verstandes, dem der empirische untergeordnet ist. Er begründet die Vorstellung eines Gegenstandes der Erscheinung. Ohne die Identität des Bewußtseins in Raum und Zeit keine Vorstellung eines Objekts. Um von bloßen Erscheinungen zur Erkenntnis eines Gegenstandes sich zu erheben, bedarf es jener denkenden Verbindung der Erscheinungen zur Einheit des Begriffs jener Beziehung der Erscheinungen auf einen Grund, der Beziehung des Zusammenseins von Empfindungen auf den Einheitsbegriff der Substanz, ihrer Folge auf den Begriff einer ursächlichen Begründung, kurz: jenes ursprünglichen, die Gedankenform des Gegenstandes hervorbringenden Bewußtseins, dessen Möglichkeit die Deduktion erwiesen hat. Die empirische Regelmäßigkeit der Erscheinungen wird erfahren; aber die Erfahrung überhaupt, die allgemeine Gesetzlichkeit der Erscheinungen, wird nicht wieder bloß erfahren. Sie stammt aus der Gesetzlichkeit des Bewußtseins, weil Erfahrung die Wirklichkeit der Erscheinung der Dinge im Bewußtsein, weil sie eine Erkenntnisart ist, die wie alle Erkenntnis unter allgemeinen Denkgesetzen steht.
    "Die Einheit des Bewußtseins ist der Grund der notwendigen Gesetzmäßigkeit aller Erscheinungen in einer Erfahrung."
Schon der Begriff eines Gesetzes schließt diese Beziehung auf ein denkendes Bewußtsein in sich ein.
    "Gesetze existieren nur respektive auf einen Verstand."
Die besonderen Verhältnisse der Erscheinungen werden zu Gesetzen nur in ihrer Erfassung durch das Denken. Jedes Gesetz hat, von seinm empirischen Inhalt abgesehen, eine logische und mathematische, folglich rein ideelle Gestalt. Die Form des Bewußtseins ist die Form der Gesetzmäßigkeit überhaupt.
    "So übertrieben, so widersinnig es also auch lautet, zu sagen, der Verstand ist selbst der Quell der Gesetze der Natur, und folglich der formalen Einheit der Natur, so richtig und dem Gegenstand, nämlich der Erfahrung angemessen, ist gleichwohl eine solche Behauptung."
Der Verstand ist Gesetzgeber der Natur, weil die allgemeine Form der Erfahrung die Verstandesform ist, weil die Einheit, die der Gegenstand in seiner Erscheinung und Auffassung bewirkt, eine Verstandeseinheit ist, weil nur in dieser Einheit die Vorstellung eines Gegenstandes überhaupt entsteht und besteht. Aber die Gesetzgebung des Verstandes erstreckt sich auch nicht weiter, als auf die allgemeine Form der Erfahrung, auf die Natur überhaupt, auf den logischen Schematismus der Erfahrung und nur mittels desselben auf die besonderen Naturgesetze.

Daß KANT neben dem ideellen, die allgemeine Form der Erfahrung bewirkenden Faktor der reinen Erkenntnis, den empirischen, die besondere Gestalt der Erscheinung liefernden Faktor des Erkennens nicht verkannt hat, geht aus zahlreichen, bestimmten Erklärungen zweifellos hervor.
    "Es könnten wohl Erscheinungen", erklärt er, "so beschaffen sein, daß der Verstand sie den Bedingungen seiner Einheit gar nicht gemäß findet - ".
nur hätte sich dann auch kein Verstand entwickelt.

Die empirische Regelmäßigkeit in der Begleitung und Folge der Erscheinungen ist das Prinzip der empirischen Reproduktion der Vorstellungen.
    "Würde der Zinnober bald rot, bald schwarz, bald leicht, bald schwer sein, ein Mensch bald in diese, bald in jene tierische Gestalt verändert werden, kurz: herrschte keine Regel, der die Erscheinungen schon von selbst unterworfen sind, so könnte keine empirische Synthesis der Reproduktion stattfinden." (11)
Nur der allgemeine Grund der Reproduktion wurzelt, wie die Gesetze der Vorstellungsbildung überhaupt, in der Form des Bewußtseins. Es ist nur eine Tatsache, daß auch die besonderen Gesetze der Natur eine systematische Verbindung und gleichsam auf den Verstand bezweckte Form zeigen. Die allgemeinen Gesetze der Natur haben ihren Grund im Verstand, sie sind logische Gesetze einer möglichen Erfahrung, die besonderen dagegen sind durch jene Verstandesgesetze unbestimmt gelassen. Das Tatsächliche in der besonderen Erfahrung ist als solches nicht a priori zu ergründen. Zu diesem Gegebenen der Erfahrung, das als solches nicht a priori erkennbar ist, zählt KANT alle besonderen Naturgesetze. Schon die Tatsache, daß er eine Kritik der teleologischen Urteilskraft geschrieben hat, hätte von der Meinung zurückhalten sollen, er habe dem Verstand einen ungeordneten, rohen Stoff gegenübergestellt. Die tatsächliche Form gewisser Naturobjekte, der organischen, erzeugt als subjektives Prinzip ihrer Beurteilung den den Zweckbegriff. (12)
    "Viele Kräfte der Natur", erklärt Kant, "die ihr Dasein durch gewisse Wirkungen äußern, bleiben für uns unerforschlich, denn wir können ihnen durch Beobachtung nicht weit genug nachforschen." (13)

    "Es sind viele Gesetze der Natur, die wir nur mittels der Erfahrung wissen können. " (14)
Nur die Gesetzmäßigkeit in der Verknüpfung der Erscheinungen überhaupt, also die Natur ihrer allgemeinen Form nach, lernen wir nicht aus Erfahrung
    "weil Erfahrung selbst solcher Gesetze bedarf, die ihrer Möglichkeit a priori zugrunde liegen".
Was die Deduktion leistet, ist also die Begründung der allgemeinen Gesetzlichkeit der Erscheinungen die, als Vorstellungen betrachtet, den Gesetzen des Bewußtseins untergeordnet sein müssen.

Die Deduktion [höchstpersönlich - wp] schränkt selber ihre Ergebnisse auf diese Bedingung ein.
    "Empirische Gesetze können als solche ihren Ursprung keineswegs vom reinen Verstand herleiten, so wenig als die unermeßliche Mannigfaltigkeit der Erscheinungen aus der reinen Form der sinnlichen Anschauung hinlänglich begriffen werden kann." - Und:

    "auf mehrere Gesetze, als die, auf denen eine Natur überhaupt, als Gesetzmäßigkeit der Erscheinungen in Raum und Zeit, beruth, reicht auch das reine Verstandesvermögen nicht aus, durch bloße Kategorien den Erscheinungen a priori Gesetze vorzuschreiben. Besonderes Gesetze, weil sie empirische bestimmte Erscheinungen betreffen, können davon nicht vollständig abgeleitet werden. - Es muß Erfahrung hinzukommen, um die letzteren kennen zu lernen." (15)
Auf die Frage, die HERBART gegen KANT zu richten meinte, woher die bestimmten Formen der Erscheinung, woher hier die runde, dort die viereckige Raumgestalt rühren? hat KANT bereits die Antwort erteilt: aus der Erfahrung, aus der Wirklichkeit, die den Erscheinungen zugrunde liegt und sich in der besonderen Gestalt und Beschaffenheit der Phänomene offenbart. Noch einmal sei es gesagt:
    "Dinge als Erscheinungen bestimmen den Raum, d. h. unter allen möglichen Prädikaten desselben, machen sie es, daß diese oder jene zur Wirklichkeit gehören." (16)
Der Realismus in der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes unterscheidet nicht die Vorstellungen von den Dingen, er läßt uns direkt mit den Dingen selbst verkehren; der Subjektivismus betrachtet Vorstellungen als Dinge, er läßt die Dinge selbst aus dem Bewußtsein hervorgebracht werden. Der Phänomenalismus, für den sich die Kritik entscheidet, erklärt die Vorstellungen für Erscheinungen der Dinge für das sinnliche Bewußtsein. Die Erscheinung hat ihrem Begriff nach ein doppeltes Verhältnis, ein Verhältnis zum Ding, das erscheint, und zum Bewußtsein, dem es erscheint. Die Erscheinung vermittelt Gegenstand und Bewußtsein. Alle Erkenntnis würde empirisch und zufällig sein; - wobei wir freilich davon absehen, daß auf diesem Standpunkt das Erkennen unbegreiflich wäre, da ja die Gegenstände nicht leibhaftig in unsere Vorstellung herüberwandern können. Die Begriffe, die unser Verstand tatsächlich in einer selbsteigenen Gesetzmäßigkeit erzeugt, wären dann ohne Gebrauch, ohne Gültigkeit für die Dinge. Gäbe es dagegen keine Dinge, sondern nur Vorstellungen, grundlos und haltlos, weniger als Gebilde des Traums, so könnte von einer gegenständlichen Erkenntnis nicht einmal geredet werden. Es gäbe dann nur individuelle Wahrnehmungen, da es an einem vom Bewußtsein unabhängigen Grund fehlen würde, welcher die Einheit ihrer Verknüpfung notwendig macht. Der gegenstandslose Subjektivismus kennt folgerichtig den Begriff der Erkenntnis nicht. Nur der Phänomenalismus ermöglicht eine Erkenntnis, die ihrer Allgemeinheit und Notwendigkeit halber allein diesen Namen vollberechtigt führt. Denn Erscheinungen sind zugleich objektiv und subjektiv begründet. Sie sind empfangen in der besonderen Form, in der sie gegeben sind, also dem Belieben des bewußten oder eines unbewußten Denkens entzogen. Aber als Vorstellungen sind sie zugleich der Form der Auffassung und Betätigung des Bewußtseins unterworfen, folglich ist eine Erkenntnis a priori ihrer allgemeinen Form nicht bloß denkbar, sondern notwendig. Und aus diesem einzigen Grund der Begreiflichkeit reiner Erkenntnisse wurde die Deduktion geführt.

Die zweite Bearbeitung der Deduktion, bei deren Darstellung wir uns kürzer fassen können, geht vom Begriff einer Verbindung überhaupt aus, ohne sich bei den empirisch-psychologischen Synthesen der Wahrnehmung, der Assoziation und Reproduktion und des empirischen Selbstbewußtseins aufzuhalten. Sie hält die transzendentale Untersuchung frei von Rückblicken auf die Psychologie. Der Begriff einer Verbindung schließt außer dem Mannigfaltigen und seiner Zusammensetzung die Einheit der letzteren in sich ein. Der oberste Grund dieser Einheit liegt im Begriff des Selbstbewußtseins, seiner bloßen Form nach betrachtet. "Das: Ich denke muß alle meine Vorstellungen begleiten können." Man beachte den Ausdruck dieses grundlegenden Satzes. SCHOPENHAUER nannte ihn eine problematisch-apodiktische Enuntiation [Repräsentation - wp] - einen Satz, der mit der einen Hand nimmt, was er mit der anderen gegeben hat. In Wahrheit gibt sich in der Ausdrucksweise KANTs der objektive Charakter seiner Beweisführung zu erkennen. Für die Erscheinungen selbst und ihre Gegenstände wird aus ihrer notwendigen Beziehung zu einem Bewußtsein eine Form der Einheit gefolgert. Erscheinungen müssen, als zu einem möglichen Bewußtsein gehörig, in Verhältnissen stehen, welche ihre Vereinigung in ein wirkliches Bewußtsein ermöglichen.
    "Synthetische Einheit des Mannigfaltigen der Anschauungen als a priori gegeben ist der Grund der Identität der Apperzeption selbst, die a priori allem meinem bestimmten Denken vorhergeht."

    "Der synthetische Satz, daß alles verschiedene, empirische Bewußtsein in einem einigen Selbstbewußtsein verbunden sein muß, ist der schlechthin erste Grundsatz unseres Denkens überhaupt. Es ist aber nicht aus der Acht zu lassen, daß die bloße Vorstellung: Ich in Beziehung auf alle andere, deren kollektive Einheit sie möglich macht, das transzendentale Bewußtsein ist. Diese Vorstellung mag nun klar (empirisches Bewußtsein) oder dunkel sein, daran liegt hier nichts, ja nicht einmal an der Wirklichkeit derselben, sondern die Möglichkeit der logischen Form allen Erkennens beruth notwendig auf dem Verhältnis zu dieser Apperzeption als einem Vermögen." (17)
Es handelt sich also um die Begreiflichkeit der Erscheinungen, nicht um unser subjektives Begreifen derselben, um die Form der Denkobjekte, nicht um die Fähigkeit des Denkens. Wie die Erscheinungen ihrer sinnlichen Form nach den Bedingungen von Raum und Zeit unterliegen, so stehen sie als Erkenntnisobjekte zugleich unter der Bedingung des Denkens, d. h. der Einheit des Bewußtseins. Sie müssen, um erkannt werden zu können, den Akt der Apperzeption: "Ich denke" gemein haben können. Die Einheit des Bewußtseins ist die Grundform der Beziehung der Vorstellungen auf einen Gegenstand. Denn "Objekt ist das, in dessen Begriff das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung vereinigt ist", aller Vereinigung liegt aber als Form die Einheit des Bewußtseins zugrunde. Daraus folgt, daß die synthetische Einheit des Bewußtseins eine objektive Bedingung aller Erkenntnis ist,
    "nicht deren ich bloß bedarf, um ein Objekt zu erkennen, sondern unter der jede Anschauung stehen muß, um für mich Objekt zu werden."
Die allen empirischen Erkenntnisobjekten gemeinsame, in allen empirischen Subjekten des Erkennnens identische Einheitsform des Bewußtseins, ausgedrückt durch die Vorstellung: Ich, ist die objektive Einheit des Selbstbewußtseins, Träger aller Erfahrung überhaupt, der äußeren wie der inneren. So gewinnt die zweite Bearbeitung unmittelbar aus der Analyse des Begriffs des Selbstbewußtseins die allgemeine Form des Objekts.

KANT hebt in der zweiten Darstellung noch bestimmter den Unterschied der transzendentalen, objektiven Einheit des Bewußtseins sowohl vom empirischen Selbstbewußtsein, als auch von inneren Sinn hervor (18). Das empirische Bewußtsein ist in der Verknüpfung der Vorstellungen zur Einheit eines Gegenstandes an gegebene Bedingungen der Assoziation gebunden, welche in den Verhältnissen der Erscheinungen selbst vorliegen und insofern zufällig, d. h. nicht a priori erkennbar sind. Die transzendentale Bewußtseinseinheit ist die Form der Vereinigung des Mannigfaltigen irgendeiner Anschauung, sie begründet daher die Vorstellung eines Objekts überhaupt und ist also der Grund der apriorischen Form des Begriffs vom Projekt. Daher heißt sie die objektive Einheit des Selbstbewußtseins. Vom inneren Sinn unterscheidet sie sich dadurch, daß sie, als Quell aller Verbindung, a priori ebensowohl auf das Schema des Raumes wie auf die Form der Zeit geht, und das Mannigfaltige von Anschauungen überhaupt zur Erkenntnis eines Gegenstandes vereinigt. Ich kann diese Unterscheidung nicht so wunderlich finden, als SCHOPENHAUER sie gefunden hat. Sie beruth auf der richtigen Erkenntnis des Verhältnisses der äußeren zur inneren Erfahrung. Da die Einheit des Bewußtseins die Bedingung einer möglichen Erfahrung ist, da sie die Form der Vorstellung irgendeines Objektes bewirkt, so gehört sie zum allgemeinen Begriff der Erfahrung, abgesehen von deren besonderem Inhalt und abgesehen selbst von ihrer Trennung in einen äußeren und inneren Erfahrungskreis. Dieselbe Einheitsfunktion des Denkens bestimmt die innere Erfahrung, welche auch das Objekt der äußeren bestimmt. Deshalb ist sie die Form eines Bewußtseins überhaupt, sie konstituiert den Begriff des Bewußtseins. Die Erscheinungen der gegenständlichen Wirklichkeit haben mit den Erscheinungen des eigenen Innern die Form des Denkens gemein. Beide Erfahrungskreise treffen in der Einheit des Denkens zusammen, und das Prinzip des Denkens, die synthetische Identität, ist das Gesetz aller Erfahrung. Das Bewußtsein: Ich denke ist keine besondere Erfahrung, sondern die allgemeine Bedingung zur Erfahrung, oder, wenn man will, ihre gleichlautende Formel. Es drückt ebenso die logische Einheit der Gedanken aus, wie die Verbindung irgendwelcher Erscheinungen zur Einheit des Gegenstandes. Es ist folglich unabhängig von der besonderen Form der Erscheinung und daher von übergreifender Gültigkeit. Durch die Anknüpfung an die Einheitsform des Denkens wird die äußere Erfahrung keineswegs zu einem bloßen Zubehör oder einer Domäne der inneren. Beide Erfahrungskreise sind vielmehr durch die formale Einheit des Denkens ursprünglich verknüpfte Teile einer einzigen, Alles befassenden Erfahrung. Mittels dieser Erkenntnis widerlegte KANT den problematischen Idealismus, als falsche Bedenklichkeit gegen die Gewißheit der äußeren Erfahrung. Er zeigte, daß diese ebenso unmittelbar gewiß ist, wie die innere, und daß sie sogar die Unterlage für die letztere bildet, weil nicht nur der überwiegende Teil aller Erkenntnisse der äußeren Erfahrung angehört, sondern auch der Anstoß zur Entwicklung einer inneren Erfahrung von der äußeren ausgeht. Die Richtigkeit dieser Erwägung läßt sich schon an der Empfindung, dem Element der Erfahrung, nachweisen. Durch ihre Beschaffenheit und Größe (Intensität) ist die Empfindung auf die äußere, durch das Gefühl, das jeder Empfindung beiwohnt, auf die innere Erfahrung ursprünglich bezogen; beide Seiten der einen und der ganzen Erfahrung sind folglich bereits in der Empfindung, dem einen Endpunkt des Erkennens, verbunden, wie sie auch im Denken, dem anderen Endpunkt, notwendig verknüpft sind.

Die Unterscheidung der objektiven Einheit des Bewußtseins vom inneren Sinn bedeutet die Zurückweisung der psychologischen Empirie von der Methode der Vernunftkritik. Diese nimmt von vornherein einen höheren Standpunkt ein, als den der psychologischen Erfahrung, - den Standpunkt im Begriff der Erfahrung.

Die Art, wie in der zweiten Bearbeitung der Deduktion von der notwendigen Unterordnung der Erscheinungen unter das Einheitsgesetz des Selbstbewußtseins zu den Kategorien, den Einheitsbegriffen in Urteilen, übergegangen wird, erscheint faßlicher und besonders mehr dem allgemeinen Verfahren der Kritik angepaßt. Das methodische Mittel dafür bildet die Definition des Urteils seiner Bedeutung nach. Dadurch schließt sich die transzendentale Deduktion eng an die metaphysische an. Sie ist die Rechtfertigung der Kategorien aufgrund der Bedeutung des Urteils, wie jene ihre Ableitung aus der Form des Urteils war.

Objekt ist dasjenige, in dessen Begriff gegebene Erscheinungen vereinigt gedacht werden. Der formale Grund dieser Vereinigung ist die notwendige Einheit des Bewußtseins. Die Handlung aber, wodurch die Vereinigung erfolgt, ist das Urteil. Denn Urteilen heißt: Erkenntnisse zur objektiven Einheit des Bewußtseins bringen. Das Urteil behauptet die Gültigkeit einer Vorstellungsverbindung vom Objekt. Durch diese dem Urteil wesentliche Beziehung auf das Objekt unterscheidet es sich von einem reinen Satz, einer nur ideellen Verbindung von Begriffen. Die Beziehung auf das Objekt, und damit die Erhebung eines Satzes zu einem Urteil, kann laut dem Begriff des Objekts keine andere sein, als die Beziehung der Erkenntnisse auf die notwendige und allgemeine Einheit des Bewußtseins. Es ist dieselbe Handlung des Verstandes, wodurch wir das Mannigfaltige einer Anschauung ursprünglich zur Vorstellung eines Objektes verbinden und wodurch wir Begriffe in ein Urteil von objektiver Gültikeit verknüpfen. Dieselbe Funktion, welche im Urteil auf Erkenntnisse angewandt diesen eine gegenständliche Bedeutung verleiht, wird auch in der Bestimmung einer Anschauung zur Vorstellung eines Gegenstandes ausgeübt. Folglich steht das Mannigfaltige, dadurch, daß es notwendig zur objektiven Einheit des Bewußtseins gehört, unter Funktionen des Urteils. Diese Funktionen sind aber, wie die metaphysische Deduktion bewiesen hat, die Kategorien; also steht das Mannigfaltige der Anschauung unter Kategorien. Damit ist der "Anfang einer (transzendentalen) Deduktion der Kategorien gemacht". Es bleibt übrig, zu zeigen, wie die sinnlichen Eindrücke durch Einheitsbegriffe des Denkens bestimmt werden, - eine Aufgabe, welche vollständig erst im folgenden Abschnitt der Kritik, in der Lehre vom Schematismus, gelöst wird.

Wie die Anschauung erst mit dem Begriff zur bestimmten Anschauung, zur Vorstellung eines Gegenstandes wird, so steht auch der Begriff, um mehr zu sein, als die unbestimmte, leere logische Funktion in einer notwendigen Beziehung zur Anschauung. Einen Gegenstand bloß im Allgemeinen denken, und ihn erkennen ist nicht dasselbe. Zur Erkenntnis gehört Anschauung. Und zwar genügt die bloße Form der Anschauung noch nicht, um eine gegenständliche Erkenntnis zu ergeben. Nur weil das Vorstellungsschema von Zeit und Raum, in Anwendung auf welches die reinen Denkbegriffe Erkenntnisbegriffe werden, das Schema der empirischen, durch wirkliche Gegenstände gegebenen Anschauung ist, empfangen die Kategorien in der Anschauung eine gegenständliche Bedeutung. Ihre objektive Gültigkeit hängt davon ab, daß die Anschauungsform, deren Einheit sie begründen, Form der empirischen durch die Dinge bestimmten Anschauung ist. Diese Erklärung, durch welche der Gebrauch der Kategorien auf Gegenstände der Erfahrung eingeschränkt wird, ist von größter Wichtigkeit. Sie kehrt noch an anderen, schon angeführten Stellen wieder und beweist unumstößlich, daß KANT, weit entfernt die objektive Gültigkeit der Mathematik, wie alle Erkenntnis a priori vorauszusetzen, sie vielmehr begründet.
    "Obgleich alle diese Grundsätze (der Mathematik) und die Vorstellungen des Gegenstandes, womit sich jene Wissenschaft beschäftig, völlig a priori erzeugt werden, so würden sie doch gar nichts bedeuten, könnten wir nicht immer an Erscheinungen (an empirischen Gegenständen) ihre Bedeutung darlegen."

    "Die reine Anschauung kann ihren Gegenstand, folglich die objektive Gültigkeit nur durch empirische Anschauung bekommen." (19)
Und früher heißt es:
    "Daß nun der Raum eine formale Bedingung a priori von äußeren Erfahrungen ist, daß eben dieselbe bildende Synthesis, wodurch wir in der Einbildungskraft einen Triangel konstruieren, mit derjenigen völlig einerlei ist, welche wir in der Apprehension einer Erscheinung ausüben, um uns davon einen Erfahrungsbegriff zu machen, das ist es allein, was mit diesen Begriffen die Vorstellung von der Möglichkeit eines solches Dinges verknüpft." (20)
Die Möglichkeit der Kategorien als Erkenntnisbegriffen beruth auf ihrer Anwendung in der Form der Anschauung, mit welcher sie durch die synthetische Einheit des Bewußtseins verbunden sind. Aber selbst die Produkte dieser Anwendung würden noch ohne Bedeutung von Gegenständen und in Nichts von "Hirngespinsten" (21) unterschieden sein, wenn nicht die Form der Anschauung Form der empirischen Auffassung der Dinge, Form der Dinge als Erscheinungen, wäre. Die Form der Vereinigung der Eindrücke, die von wirklichen Dingen herrühren, empfängt die Bestimmtheit einer Anschauung durch Funktionen des einheitlichen Denkens; aber auch umgekehrt empfangen die Funktionen des Denkens nur durch diese notwendige Beziehung mittels der Anschauungsform auf Erscheinungen der Dinge, - also durch ihren Zusammenhang mit der empirischen Wirklichkeit eine gegenständliche Bedeutung. Um in der Terminologie KANTs zu reden, so drückt die bloße Kategorie die Einheit des Denkens in irgendeiner Anschauung, also eine intellektuelle Synthesis aus. Aber nicht durch die bloß denkbare Synthese, sondern durch die "Synthesis speciosa" in den Anschauungsformen, die uns gegeben sind, den Formen von Zeit und Raum, verschafft die Kategorie Erkenntnis - und zwar deshalb, weil diese Formen, die Formen unserer Apprehension, d. h. der Zusammenfassung der durch die Objekte bewirkten Eindrücke sind.

Wie ist es nun möglich, durch Kategorien die Gesetze der Verbindung und Einheit unter unseren Anschauungen und damit unter den Gegenständen der Erfahrung zu erkennen? Diese Frage wird in der Deduktion selbst nur im Allgemeinen dahingehend beantwortet, daß Kategorien, als Funktionen der objektiven Einheit des Bewußtseins, die Formen des Anschauuens, Raum und Zeit zu gegenständlichen Anschauungen verbinden, und dadurch zugleich die allgemeinen Verhältnisse aller Gegenstände der Anschauung, die für uns notwendig räumliche und zeitliche Gegenstände sind, begründen.
    "Wenn ich also zum Beispiel die empirische Anschauung eines Hauses durch Apperzeption des Mannigfaltigen derselben zur Wahrnehmung mache, so liegt mir die notwendige Einheit des Raumes und der äußeren sinnlichen Anschauung überhaupt zugrund, und ich zeichne gleichsam seine Gestalt dieser synthetischen Einheit des Mannigfaltigen im Raum gemäß."

    "Eben dieselbe synthetische Einheit aber ist, wenn ich von der Form des Raumes abstrahiere, die Synthesis des Gleichartigen in einer Anschauung überhaupt", (22)
ein Akt des Bewußtseins, in seiner logischen Einheit und Kontinuität, der den Begriff der Größe erzeugt. Also liegt keine fertige Raumanschauung der äußeren Wahrnehmung und der Auffassung zugrund, sondern durch die Einheit des Bewußtseins in der Auffassung wird die Form der Anschauung zur Anschauung verbunden, und sie wird es nicht vor der empirischen Anschauung, die etwa in ein a priori zustande gebrachtes "leeres Gefäß" eines Raumes hineingestellt würde, sondern mit dieser; - die empirische Gestalt wird nach dem einheitlichen Gesetz der Form der räumlichen Synthese entworfen, wobei ihre Besonderung und Bestimmtheit durch die gegebenen Eindrücke bewirkt und nur das Gesetz ihrer synthetischen Apprehension aus dem Bewußtsein erzeugt wird. Ist also die Theorie KANTs nativistisch? [Angeborenheit - wp]

Die Folgerungen, welche KANT aus der Deduktion in dieser zweiten Darstellung entwickelt, fallen mit denen der früheren Bearbeitung zusammen. Nur die allgemeine Form, das Schema der Erfahrung, läßt sich aus den Einheitsfunktionen des Bewußtseins in den Formen der Anschauung ableiten; nur die allgemeine Gesetzlichkeit der Erscheinungen, nicht die besondere ihrer bestimmten Verhältnisse und Gestalten kann aus den Gesetzen des Denkens in ihrer Anwendung auf Raum und Zeit überhaupt a priori erkannt und vorausgesetzt werden. Es ist also nicht die Schuld KANTs, wenn man später seine vollkommen rationale Trennung der allgemeinen, der Gesetzlichkeit des Bewußtseins entstammenden Form der Erfahrung von ihrem besonderen, in dieser Form zwar empfangenen, aber von den Dingen herrührenden Inhalt verwischte und daran ging, den Kern der Wirklichkeit aus der Schale des Bewußtseins a priori zu produzieren.

In allen wesentlichen Punkten stimmen die beiden Darstellungen überein, - in der Darlegung der Kategorien als Prinzipien des Begriffs der Erfahrung, der Einschränkung der Erkenntnis a priori auf die allgemeine Form der Erfahrung, der Anknüpfung der Funktionen des Denkens und der Formen des Anschauens an die übergreifende Einheit des Selbstbewußtseins; zum Beweis, daß zwischen ihnen keine prinzipielle, sondern nur eine methodische Verschiedenheit stattfindet. Den angeblichen "Idealismus" der ersten Bearbeitung haben wir bereits durch den Nachweis widerlegt, daß es der wirkliche, vom Bewußtsein unabhängige, ihm gegebene Gegenstand ist, welcher die Einheit des Bewußtseins in seiner Erkenntnis allgemein gültig und notwendig macht.

Zum Schluß der ausführlichen Erörterung in dieser Nummer sollen noch die leitenden Gedanken des Beweisgangs KANTs in übersichtlicher Form hervorgehoben werden. Es erhellt sich daraus mit völliger Gewißheit, daß nach KANT die transzendentale Deduktion in einem objektiven Sinn zu verstehen ist, nicht im subjektiven, oder idealistischen. Für die Objekte selbst wird ein Gesetz ihrer Form in der Erfahrung abgeleitet, wenn auch ihre Beschaffenheit, und was sie außer ihrem Verhältnis zu unserer Erkenntnis sein mögen, ebenso unbekannt bleibt, wie es müßig ist, danach zu fragen.

Erscheinungen sind Vorstellungen, die uns durch die Dinge gegeben werden. Als Vorstellungen stehen sie unter einer obersten Bedingung, einem allgemeinsten Gesetz: sie müssen je zu ein und demselben, numerisch identischen Ich gehören, d. h. der mögliche Inhalt eines Selbstbewußtseins sein. "Es ist schlechterdings notwendig, daß in meiner Erkenntnis alles Bewußtsein zu einem Bewußtsein gehört", und es kann keine Einheit des Objekts, es kann kein Objekt vorgestellt werden, ohne die absolute Einheit des vorstellenden Subjekts. "Das: Ich denke muß alle meine Vorstellungen begleiten können", sonst wären es nicht meine Vorstellungen und ich könnte nichts von ihnen wissen. Dies aber soll nicht bedeuten, daß ich jedesmal an mich denke, so oft ich denke; es ist in diesem Satz nicht von einem subjektiven Bewußtsein die Rede, von einem auf mich selbst gerichteten Beobachten, es handelt sich in ihm um das objektive Bewußtsein, die Erkenntnis, die sich auf Gegenstände richtet. Daher heißt es bei KANT auch, es liegt hier nichts an der Wirklichkeit der Ichvorstellung, sondern die Möglichkeit der logischen Form aller Erkenntnis beruth auf dem Verhältnis derselben zu dieser Apperzeption, als einem Vermögen. Nun ist durch das Ich, als schlechthin einfache Vorstellung, nichts Mannigfaltiges selbsttätiges gegeben; in der Anschauung allein, die davon unterschieden ist, kann es uns gegeben werden. Aus dem: "Ich gleich Ich", das nur die Identität des vorstellenden Subjekts mit sich selbst ausdrücktf, und damit die Form eines "Bewußtseins überhaupt", läßt sich nicht, wie FICHTE wollte, ein Inhalt hervorzaubern. Die Einheit also, welche die Beziehung auf ein Ich für jede seiner Vorstellungen notwendig macht, ist eine Einheit der Verknüpfung, eine "synthetische" Einheit. Daraus folgt, daß das Mannigfaltige in der Erscheinung selbst in einer Form gegeben sein muß, vermöge welcher es verknüpfbar ist, d. h. Gegenstand eines Selbstbewußtseins sein kann. So ist es zu verstehen, wenn es heißt:
    "synthetische Einheit des Mannigfaltigen als a priori gegeben, ist der Grund der Identität der Apperzeption selbst, die a priori allem meinem bestimmten Denken vorhergeht."

    "Nur dadurch, daß ich ein Mannigfaltiges in einem Bewußtsein verbinden kann, ist es möglich, daß ich mir die Identität des Bewußtseins in diesen Vorstellungen selbst vorstelle, d. h. die analytische Einheit der Apperzeption ist nur unter der Voraussetzung irgendeiner synthetischen möglich."
Ich würde von mir selbst nicht wissen, wären mir nicht die Objekte meines Denkens, die Erscheinungen der Dinge ansich, in begreiflicher Form gegeben. Ohne denkbaren Gegenstand, - kein denkendes Ich. Die allgemeine Form des Objekts also ist aus der Beziehung seiner Erscheinung oder Vorstellung zu einem Ich-Bewußtsein a priori zu erkennen. Zwar wird die "Synthesis", die Verknüpfung des Gegebenen zu einem einheitlichen Bewußtsein, durch das Denken vollzogen; aber im Gegebenen selbst müssen die Bedingungen für die Möglichkeit dieser Verknüpfung liegen. Daher ist die "
    synthetische Einheit des Bewußtseins eine objektive Bedingung aller Erkenntnis, nicht eine, deren ich bloß selbst bedarff, um ein Objekt zu erkennen, sondern unter der jede Anschauung stehen muß, um für mich Objekt zu werden."
Und noch faßlicher und bestimmter heißt es im ersten Entwurf dieses tiefsten Gedankens der Deduktion, in der schon angeführten Aufzeichnung:
    "die Dinge, die uns a posteriori (d. h. durch empirische Anschauung) gegeben werden mögen, müssen ebensowohl ein Verhältnis zum Verstand haben, d. h. eine Art der Erscheinung, dadurch es möglich ist, von ihnen einen Begriff zu bekommen, als ein Verhältnis zur Sinnlichkeit".
Ich erläutere diesen Satz: in den Erscheinungen selbst muß etwas Beharrliches gegeben sein, das dem Ding selbst entspricht, in ihren Veränderungen Regelmäßigkeit, oder Abhängigkeit der Folge, in ihrem Zusammenbestehen wechselseitige Verbindung, so gewiß das Ich sich als beharrlich, kontinuierend und von übergreifender Einheit weiß. Nicht bloß tatsächlich sind die Dinge in der Erfahrung "assoziabel", nicht bloß wirklich lassesn sich von ihnen empirische Begriffe bilden, sie sind notwendi assoziabel, sie stehen in einer ursprünglichen "Affinität" oder Gemeinschaft zueinander: ihre allgemeine Form entspricht der Einheitsform des Denkens. Dinge, die mit der Einheitsform des Denkens in Bezug auf eine Anschauung überhaupt, also nach KANTs Sprachgebrauch: mit den Kategorien, nicht übereinstimmen würden, könnten eben daher auch keine Gegenstände für ein Bewußtsein bilden; sie wären nicht Objekte einer möglichen Erfahrung. Die Form des Bewußtseins überhaupt ist auch die Form eines Gegenstandes überhaupt. In ihrer wesentlichen Form der Einheit stimmen Subjekt- und Objektbewußtsein notwendig überein; so notwendig einheitlich das Denken ist, so notwendig einheitlich ist auch das Objekt des Denkens. Ein regelloses Gewühle könnte nie Gegenstand eines denkenden Bewußtseins werden, aber auch das Bewußtsein selbst wäre unter dieser Voraussetzung nicht möglich. Und wie ich vom Objekt sagen kann: cogito, ergo est cogitabile, kann auch umgekehrt sagen: cogitabile est, ergo cogito. Die Dinge selbst also sind, soweit sie uns erscheinen und Objekte der Erfahrung werden können, ihrer eigenen Form nach begreifliche Dinge; soweit sie die Gesetze des Denkens der Dinge zugleich Gesetze der Dinge selbst, und der Beweis der objektiven Gültigkeit der Begriffe des reinen Verstandes in den Grenzen der möglichen Erfahrung ist erbracht.


Schematismus der
reinen Verstandesbegriffe

Der Aufbau des Systems der Erkenntniskritik erfolgt nach dem Grundriß der Logik. Die Logik läßt in ihrer gebräuchlichen Anordnung der Lehre vom Begriff die Theorie der Urteile und dieser die Lehre vom Schluß folgen. Demgemäß schließt sich in der kritischen Logik die Analytik der Begriffe die der Urteile, an diese die Doktrin der Vernunftschlüsse an. Der bisher betrachtete Teil der Erkenntniskritik war die Enwicklung des Begriffs der Erfahrung. Dieser Begriff dient nunmehr als Prinzip für die Grundsätze der Erfahrung: für die die Urteile, welche die allgemeine, a priori erkennbare Gesetzlichkeit der Erfahrung als solcher aussprechen und unser Denken in der besonderen Erfahrung leiten. Zur Vermittlung dieser Urteile mit den Begriffen a priori wird ein Kapitel: "Schematismus der reinen Begriffe" eingeschaltet, dessen Gegenstand ebenso gut, ja natürlicher im Zusammenhang der Deduktion hätte behandelt werden können. Weist doch die letztere selbst auf diesen Zusammenhang mit den Worten hin: wie die Begriffe a priori die Erfahrung möglich machen und welche Grundsätze ihrer Möglichkeit in der Anwendung der Begriffe auf Erscheinungen entstehen, wird das folgende Hauptstück - das Mehrere lehren (23).

Die Notwendigkeit zwischen Begriff und Anschauung zu vermitteln, um eine Anwendung jenes Auf diese im Urteil zu ermöglichen, ergibt sich für KANT aus der Ungleichartigkeit der beiden Arten von Vorstellungen. Die Bedingung der logischen Anwendung eines Begriffs auf einen andern ist die Gleichartigkeit beider; die Anwendung selbst geschieht durch Subsumtion der einen Vorstellung unter die andere. Nun ist der Begriff allgemein, die Anschauung individuell. Wie kann also diese dem Begriff subsumiert, durch ihn bestimmt werden? Ich halte die Schwierigkeit in dieser Form für nicht vorhanden, sondern nur durch eine unrichtige Auffassung der Allgemeinheit des Begriffs veranlaßt. Wer in den Begriffen bestimmte, determinierte Vorstellungen sieht, wie in den Anschauungen, nur mit dem Unterschied, daß jene Verhältnisse ausdrücken, diese inhaltliche Bestandteile, wird Begriffe zwar als abstrakte, daher allgemeine Vorstellungen betrachten, aber darum nicht für unbestimmter halten, als es die Vorstellungen sind. KANT hat augenscheinlich an diesem Punkt, wie noch an anderen, der traditionellen Logik zuviel Autorität eingeräumt; obgleich gerade er zu einer richtigeren Theorie des Begriffs die Grundlagen geschaffen hat. Er erklärt den Begriff als Regel der Einheit in der Vorstellungsverknüpfung, folglich als bestimmtes, methodisches Verfahren des Denkens. Er führt selbst die reinen Begriffe auf Funktionen des Denkens zurück. Funktionen sind aber sicher keine unbestimmten Allgemeinheiten.

Dieser richtigen Einsicht ungeachtet blieb KANT in Bezug auf die Allgemeinheit des Begriffs von der Überlieferung abhängig, wie der Schematismus beweist. Um die Allgemeinheit des Begriffs mit der Individualität der Anschauung auszugleichen, bedarf es nach KANT einer Klasse von Zwischengebilden, die die Natur der begrifflichen Vorstellungen mit der der anschaulichen teilen: eben der "Schemata". Irre ich nicht, so sind es gerade diese Schemata selbst, welche allein im eigentlichen Sinne Begriffe sind, und was darüber hinaus liegt, ist nur noch das Wort, das diese Vorstellungen bezeichnet, aber keine für sich irgendwie faßbare Vorstellung mehr. Das Schema des Dreiecks z. B. ist die Regel oder das Gesetz der Konstruktion dieser Figur, notwendig, um den Gedanken des Dreiecks überhaupt mit der Anschauung eines bestimmten Dreiecks zu vermitteln. Ist aber dieser Gedanke ohne das Schema mehr als ein Wort von unvollziebarem Sinn, oder ein Wort, das höchstens unser subjektives Schwanken zwischen verschiedenen Bildern von Dreiecken bezeichnet? Das Schema dagegen, die Konstruktionsregel, kann durch eine Gleichung, durch einen genau definierten Gedanken also, ausgedrückt werden.

Erst die schematisierte Kategorie ist Kategorie, und der Unterschied der Kategorien der Unterschied der Momente der reinen Anschauung.

Welche Vorstellung sich KANT von der Allgemeinheit des Begriffs gebildet hatte, geht aus seiner Ansicht hervor, daß die Zeitform sich zur Vermittlerrolle zwischen Begriff und Anschauung anbietet. Die Zeit ist nämlich Form der inneren und zugleich der äußeren Erfahrung, also ein gemeinsames Merkmal beider, so daß die Zeit etwas vom diskursiv Allgemeinen eines Begriffs an sich hat. Die Schemata nun, welche die Begriffe des reinen Verstandes auf Anschauung überhaupt anwendbar machen, sind nach diesen Begriffen geordnet: die Zahl das reine Schema der Größe in der Erzeugung einer bestimmten Vorstellung der Zeit, der Grad das Schema der Realität in der Erfüllung der Zeit, die Sukzession in der Zeit, sofern sie einer Regel unterworfen ist, das Schema der Kausalität, die Gleichzeitigkeit das der Gemeinschaft oder Wechselwirkung; das Dasein endlich in irgendeiner Zeit ist das Schema der Möglichkeit, das in einer bestimmten Zeit das Schem der Wirklichkeit, in aller Zeit das der Notwendigkeit. - Mir wird, wie billig, KANTs eigener Begabung für den "Schematismus" die Anerkennung nicht versagen wollen.

Nicht durch unbestimmte Allgemeinheit, durch ihre Unabhängigkeit von der Form der Anschauung kennzeichnen sich reine Begriffe. Die begriffliche Synthese von Grund und Folge wird streng logisch ohne Beziehung auf die Zeit gedacht; ebenso, wie KANT zeigte, der Satz des Widerspruchs und die logische Identität. Als Funktionen des Vorstellens sind Begriffe natürlich nur in der Zeit möglich, insofern ist die Zeit vom Begriff untrennbar. Aber das Denkverhältnis selbst, das durch den Begriff ausgedrückt wird, ist seiner Gültigkeit nach unabhängig von der Zeit. Es entsteht nun die Frage: was Begriffsverhältnisse, in Abstraktion von Raum und Zeit gedacht, noch bedeuten? Und in dieser Frage scheint KANT Recht zu behalten, wenn er die reinen, gleichsam ausdehnungslosen Denkformen für sich nicht als Erkenntnisse ansieht, wenn er sie nur als Elemente zu möglichen Definitionen, daher selber für undefinierbar erklärt (24), wenn er deshalb nachzuweisen sucht, daß das Begriffsverhältnis von Grund und Folge erst in der Anwendung auf die Folge der Veränderungen in der Zeit die Bedeutung eines ursächlichen Verhältnisses gewinnt, und das Verhältnis von Subjekt und Prädikat erst in der Form des Beharrens im Gegenverhältnis zum Wechsel gedacht, zum Erkenntnisbegriff der Substanz und ihrer Akzidenzien [Merkmale - wp] wird. Übrigens unterschätze man nicht den Wert der reinen Formen des Denkens. Gerade ihre Unabhängigkeit von der Anschauungsart ermöglicht das formal logische Wissen, die Beurteilungsnorm des positiven.

Zur Kritik des Schematismus sei noch bemerkt, daß der Begriff der Zahl an unrichtiger Stelle erscheint. Der Umstand, daß die Zahlvorstellung nur in der Zeit vollziehbar ist, welcher Umstand dieser Vorstellung mit allen übrigen gemein ist, macht nicht die Zahl selbst zu einem zeitlichen Schema. Die Zahl bezieht sich a priori ebensowohl auf die ruhende Mannigfaltigkeit im Raum wie auf die sukzessiv entwickelte Reihe in der Zeit. Es ist von größter Wichtigkeit, daß die Zahl dem Raum und der Zeit gemeinsam ist. Die Zal ist die logisch bestimmte Mannigfaltigkeit überhaupt. Die bestimmende Funktion des Verstandes ist selber die ursprüngliche Einheit, welche die bestimmten empirischen Einheiten unterscheidet, die Teile verselbständigt und in ein logisches Zahlensystem vereinigt. Weil die Zahl von den Erscheinungsformen unabhängig ist, gilt sie auch von den Dingen selbst, vermittelt sie das positive Wissen von den Dingen; daher die Bedeutung der konstanten Zahlen für die Naturwissenschaft. - Übrigens kennt auch KANT die Unabhängigkeit des Zahlbegriffs von der Zeit. Er schreibt (Briefwechsel I, Seite 529):
    "Die Zeit hat keinen Einfluß auf die Zahlen selbst. Die Zahlenwissenschaft ist ungeachtet der Sukzession, welche jede Konstruktion einer Größe fordert, eine rein intellektuelle Synthesis. Sofern aber doch Größen danach zu bestimmen sind, so müssen sie uns so gegeben werden, daß wir ihre Anschauung sukzessiv auffassen können und also diese Auffassung der Zeitbedingung unterworfen sein."
Der Schematismus beweist von Neuem, daß die Methode KANTs nicht psychologisch ist. Als bewußte Gebilde zeigen die Vorstellungen die Elemente der Anschauung mit den Formen des Begriffs verschmolzen. Jede Vorstellung, sei sie Wahrnehmung oder ein empirischer Begriff, ist durch ihre Anknüpfung an das denkende Bewußtsein begrifflich bestimmt. Nur der Gebrauch von Begriff und Anschauung kann sie sondern und es bedarf eines vermittelnden Erkenntnisgrundes ihrer Wiedervereinigung, welchen KANT im zeitlichen Schema findet.

Der "Schematismus" vollendet somit die Lehre von den ursprünglichen Begriffen und bildet den Übergang zur Lehre von den Grundsätzen der Erfahrung. In der Bestimmung der Zeit durch die Einheitsbegriffe des Denkens erlangen die Kategorien Anwendbarkeit auf die Erfahrung, und zwar deshalb, weil die Zeit die allgemeine Form der Erscheinungen ist. - Begriffe sind, als Prädikate, die Prinzipien zu möglichen Urteilen. Die reinen Erkenntnisbegriffe werden mittels des Schemas zu Grundlagen für Urteile, deren Gültigkeit durch ihre Beziehung auf die Erfahrung bewiesen werden kannn. Die Beziehung auf die Erfahrung, ihrer Möglichkeit, d. h. ihrer allgemeinen Form nach, verschafft den ursprünglichen Synthesen des Bewußtseins eine gegenständliche Bedeutung. Der Begriff der Erfahrung ist das Prinzip synthetischer Erkenntnis a priori.
    "Erfahrung ist in ihrer Möglichkeit die einzige Erkenntnisart, die aller anderen wirkliche Bedeutung gibt."
Die Erkenntnis a priori
    "hat nur dadurch Übereinstimmung mit dem Objekt, daß sie nichts weiteres enthält, als was zur Einheit der Erfahrung notwendig ist." (25)
Der Begriff der Erfahrung wurde in der Ästhetik und Analytik entwickelt. Raum und Zeit und die Grundbegriffe des Denkens sind nicht deshalb gültige Vorstellungen, weil sie a priori sind, - insofern sind sie vielmehr nur subjektiv und ideell; sondern weil sie die Elemente der Erfahrung sind. Und aus eben demselben Grund der Beziehung auf Erfahrung folgt die Gültigkeit der Grundsätze, die der Verstand von den Dingen postuliert. Synthetische Urteile a priori haben einzig und allein als Prinzipien möglicher Erfahrung eine objektive Gültigkeit.
    "Im Ganzen aller möglichen Erfahrung liegen alle unsere Erkenntnisse, und in der allgemeinen Beziehung auf dieselbe besteht die transzendentale Wahrheit, die aller empirischen vorhergeht und sie möglich macht",
oder, wie dieser Grundsatz der Grundsätze auch lautet:
    "Die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt sind zugleich Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung und haben darum objektive Gültigkeit in einem synthetischen Urteil a priori."
Wir können von allen Dingen, die zu unserer Erfahrung gelangen, oder je gelangen können, etwas a priori erkennen, dasjenige nämlich, wodurch sie für uns Gegenstände der Erfahrung sind, d. h. dasjenige, wodurch es von Seiten des Subjekts aus allein möglich ist, eine Erfahrung von Dingen zu erlangen. Erfahrung ist uns nicht gegeben, sie muß von uns gemacht werden, und die Regeln, nach denen wir Erfahrung überhaupt machen, gelten darum von den Objekten der Erfahrung, weil sie von der Erfahrung der Objekte gelten.
LITERATUR - Alois Riehl, Der philosophische Kritizismus - Geschichte und System, Bd. 1, Leipzig 1908
    Anmerkungen
    9) I. Seite 508
    10) I. Seite 578
    11) II. Seite 97
    12) IV. Einleitung
    13) II. Seite 478
    14) III. Seite 83
    15) II, Seite 115, 756
    16) II, Seite 341
    17) II, Seite 107
    18) Auch die Definition der "synthetische Einheit der Apperzeption" ist in der II. Auflage faßlicher. Sie heißt transzendental, weil sie als Grund der Möglichkeit und Gültigkeit des a priori erwiesen werden soll, ursprünglich, "weil sie dasjenige Selbstbewußtsein ist, was, indem es die Vorstellung: ich denke hervorbringt, die alle anderen muß begleiten können, und in allem Bewußtsein ein und dasselbe ist, von keiner weiter begleitet werden kann." Also die Vorstellung: Ich ist durch die Einheit des Bewußtseins hervorgebracht. Nur das Gesetz der Bewußtseinseinheit ist a priori; die Vorstellung zufolge des Gesetzes erzeugt. In der Hervorbringung der Vorstellung: Ich wird die Einheit jeder anderen Vorstellung, auch der Vorstellung äußerer Gegenstände, erzeugt; daher ist die äußere wie die innere Erfahrung an die Form dieser Vorstellung geknüpft.
    19) II, Seite 199
    20) II, Seite 187
    21) III. Seite 50
    22) II. Seite 754
    23) II, Seite 757
    24) II, Seite 200
    25) II, Seite 138