cr-2ra-1K. R. PopperB. CroceA. LassonF. StaudingerTrendelenburg     
 
JACUES BORELIUS
Über den Satz
des Widerspruchs


"Die gerade und die krumme Linie sind ein und dieselbe, der Weg der Schraube ist gerade und krumm, indem die Schrauben-(Spiral-)form als der allgemeine Typus jeder, sowohl geistigen wie natürlichen Entwicklung betrachtet wird."

"Spinoza hatte sich in der Voraussetzung befestigt, daß die Negation nichts Reales ist. Aus demselben Grund leugnete er die Realität des Bösen und des Übels, da diese als bloße Negationen nicht für die Dinge als solche, sondern nur für unser vergleichendes Denken einige Bedeutung haben."

"Alle Dinge bestehen in Ja und Nein; ohne Gegensatz wird nichts offenbar; kein Bild erscheint im klaren Spiegel, so eine Seite nicht verdunkelt wird. Wer weiß von Freuden zu sagen, der kein Leid empfunden, oder von Frieden, der keinen Streit gesehen."

"Realität und jeder andere Begriff existieren als abstrakte Begriffe niemals unabhängig vom Akt der Abstraktion. Dieser hindert jedoch nicht, daß sie objektive Existenz besitzen. Sonst wäre es überhaupt unbegreiflich, wie wir irgendeinem Urteil eine objektive Gültigkeit zuschreiben könnten; noch weniger könnte von Naturgesetzen die Rede sein."

Daß die Bejahung und die Verneinung ein und desselben einander ausschließen und folglich nicht vereinigt werden können, das ist eine Gewißheit, die mit dem Wesen des Denkens so wesentlich und unmittelbar verbunden ist, sich dem Menschen aufdrängen muß, sobald er zu denken und zu reden anfängt. Freilich müssen wir LOCKE völlig zustimmen, wenn er behauptet, die Kinder erkennen den Unterschied zwischen Süß und Bitter, lange ehe sie irgendeine Vorstellung eines Denkgesetzes haben; das aber erkennen sie unmittelbar, daß der Mangel eines verlangten Gegenstandes nicht dessen Besitz ist, und daß, was man ihnen verweigert, ihnen nicht gegeben wird. Die Frage, ob es diese Erkenntnis a priori [von vornherein - wp] oder a posteriori [im nachhinein - wp] gibt, ist hierbei untergeordneter Art und läßt sich nicht einfach beantworten. Da wir uns des Unterschieds zwischen verschiedenen Gegenständen ebenso wie des zwischen dem Mangel und dessen Befriedigung erst durch die Erfahrung bewußt werden, so ist allerdings die Erfahrung eine notwendige Bedingung, ohne welche das Gesetz des Widerspruchs niemals zu Bewußtsein kommen würde; ein Wesen, das niemals irgendeinen Unterschied empfände, würde weder dieses noch irgendein anderes Gesetz erkennen. Ebenso gewiß ist es aber andererseits, daß wir, um überhaupt zu denken und zu erkennen, Bestimmtheiten und Gegenstände von einander unterscheiden müssen; und schon in diesem Unterscheiden ist das fragliche Gesetz enthalten, wenn auch anfangs nur dunkel, als ein Bewußtsein, daß das Unterschiedene unterschieden ist, d. h. daß die irgendwie Unterschiedenen nicht in derselben Hinsicht identisch sind.

Aber, wenn gleich, dem Vorigen zufolge, ein unmittelbares und unentwickeltes Bewußtsein des Satzes des Widerspruchs und unentwickeltes Bewußtsein des Satzes des Widerspruchs in allem Denken enthalten ist, so ist doch ein weiter Weg von hier bis zur Aufstellung desselben als eines ausdrücklich formulierten Denkgesetzes. Noch in der ältesten griechischen Philosophie war die Aufmerksamkeit zu sehr der Natur zugekehrt, um die Reflexion des Denkens auf sich selbst zu verstatten, welche die unumgängliche Bedingung jener Formulierung ist. Die erste Veranlassung derselben scheint negativer Art gewesen zu sein, d. h. durch eine Lehre, welche jene Bestimmtheit und Festigkeit des Denkens, die eben durch das fragliche Gesetz erzielt wird, ganz zu vernichten drohte. Der tiefe Denker HERAKLIT war, wahrscheinlich durch die Beobachtung der Welt der Erfahrung, zu dem Gedanken geführt worden, daß es in der Welt nichts Festes und Bestehendes gibt, daß alles fließt, alles verändert wird und nichts bleibt. "Alles wird aus Jedem und Jedes wird aus allem in unaufhörlichem Wechsel." Hiermit ist zum erstenmal die große Wahrheit ausgesprochen, daß sich die Welt in Gegensätzen bewegt.
    "Das Eine, von sich selbst getrennt, einigt sich immer mit sich selbst; das Entgegengesetzte fügt sich zusammen, aus den Unterschiedenen entsteht die schönste Harmonie und alles wird durch Streit. Denn ohne tiefe und hohe Töne wäre keine musikalische Harmonie, noch die lebendigen Wesen ohne den Gegensatz des Männlichen und des Weiblichen."
Man muß den tiefen, genialen Blick bewundern, der sich in diesen und überhaupt in allen Sätzen HERAKLITs ausspricht. Die ganze neuere Naturwissenschaft hat sie bestätigt, wie auch sein Satz: "die gerade und die krumme Linie sind ein und dieselbe, der Weg der Schraube ist gerade und krumm", freilich in paradoxer Form, eine Wahrheit antizipiert [vorweggenommen - wp], die von der wissenschaftlichen Forschung bestätigt worden ist, indem die Schrauben-(Spiral-)form als der allgemeine Typus jeder, sowohl geistigen wie natürlichen Entwicklung betrachtet wird. Noch in unsere Tagen konnte ein großer Philosoph ausrufen: "Es ist kein Satz des  Heraklit,  den ich nicht in meine Logik aufgenommen habe."

Aber diese Philosophie konnte selbst nicht dem Gesetz entgehen, das sie als allgemeines Weltgesetz ausgesprochen hatte - dem Gesetz des Werdens und Vergehens - sie mußte untergehen, um in neuer, veredelter Form von Neuem aufzuerstehen. Und zwar war ihr Untergang verschuldet durch die abstrakte Form, in welcher sie die von ihr verkündete Wahrheit ausgesprochen hatte. Schon damit man von einem Werden, einem Übergehen der Entgegengesetzten ineinander reden kann, wird vorausgesetzt, daß sie in irgendeiner Rücksicht unterschieden sind. Hebt man dagegen jeden Unterschied auf, so wird dadurch nicht nur die Bewegung selbst vernichtet (1), sondern auch jedes Denken; denn das Denken ist wesentlich ein Unterscheiden und eine Beziehung des Unterschiedenen aufeinander. Diesen Umstand hatte HERAKLIT übersehen. Ein Bestehendes hatte er freilich im allgemeinen Fluß der Dinge angenommen: die allgemeine Ordnung des Werdens, näher bestimmt als die beiden Wege nach Unten und nach Oben. Indem er aber aussprach, daß diese beiden Wege ein und derselbe sind, hob er auch diesen Unterschied auf; da er ohnedies selbst angenommen hatte, daß  alles fließt,  so lag die Schlußfolge ganz nah, nicht einmal die allgemeine Ordnung als bleibend zu betrachten. Von einer wissenschaftlichen Methode konnte überhaupt in der damaligen Philosophie nicht die Rede sein; und bei HERAKLIT war sie überdies durch sein Prinzip unmöglich gemacht. Seine Sätze erschienen daher als orakelmäßige Paradoxe ohne Beweis, höchsten mit einem Hinweis auf Beispiele aus der Erfahrung. Bei seinen Anhängern, die ohne die Tiefe des Meisters zu besitzen seine Lehre nur als eine von außen gegebene bekommen hatten, mußte diese bald in ein gedankenloses Geschwätz ausarten. PLATON gibt im  Theaetet  eine ergötzliche Schilderung dieser Anhänger des Ephesiers, von denen er sagt, daß man mit ihnen ebensowenig wie mit den Rasenden ein vernünftiges Gespräch führen kann, und daß sie sich wohl hüten, irgendetwas Festes übrig zu lassen, weder in der Rede, noch in ihren eigenen Seelen.

Schon vor HERAKLIT hatte XENOPHANES der Eleate den Satz ausgesprochen, daß alles  eins  ist und dieses Eine ist Gott. Sein Schüler PARMENIDES führte diese Lehre weiter aus, indem er von der theologischen Form, welche sie bei XENOPHANES hatte, zu einer logischen überging und aus dem Begriff des Seienden die Einheit des Alls zu beweisen suchte. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß PARMENIDES die Lehre HERAKLITs gekannt hat; jedenfalls warnt er in seinem Lehrgedicht vor der Ansicht der tauben, blinden und stumpfsinnigen Menschen, denen sein und Nichtsein dasselbe ist und alles herum läuft (panton palintropos esti keleuthos [Es gibt von allem eine sich verkehrende Bahn - wp]) (2). Bei PARMENIDES finden wir die erste bestimmte Darstellung des Satzes des Widerspruchs in dem bekannten Grundsatz: "das Seiende ist und das Nichtseiende ist nicht", so wie auch in seiner ausdrücklichen Verwerfung der entgegengesetzten Ansicht. In der Durchführung jenes Grundsatzes ging aber PARMENIDES zu einem Extrem fort, das nicht weniger als das heraklitische die Möglichkeit allen Denkens und Wissens aufhob. So wahr es ist, daß Sein und Nichtsein, absolut gedacht, einander widersprechen, so wahr ist es auch, daß mit dem Seienden ein  relatives  Nichtsein vereinbar ist, das eben im Unterschied desselben von allem anderen Seienden besteht. Und dieses nicht nur in der Bedeutung, daß wir, beide vergleichend, finden, daß das Eine nicht das Andere ist, sondern auch so, daß jedes Seiends ansich, d. h. unabhängig von unserer vergleichenden Reflexion, von Anderem wesentlich unterschieden und ebenso wesentlich mit ihm verbunden ist (3). Dies ist eben die Wahrheit jener Einheit des Entgegengesetzten, welche der Grundgedanke der heraklitischen Lehre war, aber von PARMENIDES völlig geleugnet wurde. Hierdurch wurde es ihm notwendig, vom Seienden jede Bewegung, jedes Entstehen und Untergehen, jede Vielheit und jeden Unterschied auszuschließen.
    "Das Seiende  ist nicht  gewesen, noch  wird es  sein, sondern es  ist immer, ganz und ungeteilt. Denn welche Entstehung wolltest du ihm suchen oder woraus sollte es sich vergrößern? Aus dem Nichtseienden, darfst du nicht sagen oder denken, denn es ist weder sagbar noch denkbar. Das Seiende ist ferner eines, zusammenhängend und unteilbar, nicht hier mehr, dort weniger, denn es gibt kein Nichtseiendes, das es verhindern könnte zusammenzuhängen."
Dieser ganze Beweis gründet sich auf ein Verkennen des Begriffs der Relation; er fällt, indem dieser Begriff festgehalten wird. Abr um die Bedeutung der Relation zum Bewußtsein zu bringen, gab es kaum ein besseres Mittel als sie wie PARMENIDES ganz wegzuwerfen und dann die Folgen dieses Wegwerfens mit unerbittlicher Konsequenz darzustellen; und so wurde die Dialektik des PARMENIDES, freilich gegen die Absicht ihres Urhebers, ein indirekter Beweis für die Wichtigkeit jener von ihm verkannten Kategorie.

Durch diese Argumentation hatte sich PARMENIDES in einen offenbaren Widerspruch gegen die gesamte Erfahrung gesetzt: indessen ist dieses gewissermaßen jeder Philosophie gemeinsam, den reinen Empirismus nicht einmal ausgenommen. Namentlich war die  roe [fließen - wp] HERAKLITs nicht weniger als das unbewegte Seiende des PARMENIDES der Erfahrung widersprechend. Noch schlimmer war es aber, daß dieser unerbittliche Vertreter des Gesetzes des Widerspruchs dem Los nicht entgehen konnte, sich selbst zu widersprechen. Denn jenes Nichtseiende, das weder denkbar noch sagbar sein sollte, war doch eben in seinem Leugnen desselben ebensowohl gedacht wie ausgesprochen - freilich als nur scheinbar, in de Meinung der unvernünftigen Menschen, seiend, aber doch als seiend. Wenn es in keiner Hinsicht ein Nichtseiendes gab, so konnte es auch keinen Schein, keine falsche Vorstellung geben. Wenn PARMENIDES im zweiten Teil seiner Lehrgedichts eine förmliche Theorie des Scheins aufstellte, so war dies in der Tat nur ein Durchführen des Widerspruchs, der schon im ersten Teil enthalten war.

Weder vom Standpunkt des HERAKLIT noch von dem des PARMENIDES war also ein zusammenhängendes und widerspruchsfreies Denken möglich; beide mußten folgerecht in die Sophistik auslaufen. Dies geschah einerseits durch PROTAGORAS, der aus der  roe  HERAKLITs folgerte, daß es kein anderes Wissen gibt, als die wechselnden Empfindungen, andererseits durch GORGIAS, der mit echt eleatischer Dialektik bewies, daß Nichts ist, und daß auch wenn etwas wäre, es doch weder gedacht noch ausgesprochen werden könnte. Von den ungereimten und sinnlosen Fehlschlüssen, welche den jüngeren Sophisten zugeschrieben werden, gründen sich mehrere auf eleatischen Voraussetzungen z. B. Wer lügt, der sagt, was nicht ist; dem Nichtseienden kann man aber nichts tun; also ist es unmöglich zu lügen. Wer etwas weiß, der weiß alles; denn er kann nicht zugleich wissend und nichtwissend sein. Wer Vater ist, ist aller Vater; denn sonst wäre er zugleich Vater und Nicht-Vater. Wie wertlos auch diese Sophismen ansich sind, so gründen sie sich doch alle auf demselben Übersehen des Begriffs der Relation, das wir schon in der Formulierung des PARMENIDES vom Gesetz des Widerspruchs gefunden haben; nur wird dieser Fehler noch augenfälliger bei Begriffen, die (wie Vater und wissend) offenbar ihre ganze Bedeutung nur durch die Relation haben. Auch gingen die Sophisten, nachdem die Bahn einmal gebrochen war, noch weiter, indem sie auch verschiedene Bedeutungen desselben Wortes usw. benutzten,, um aus ihnen ungereimte Folgerungen zu ziehen.

Es ist selbstverständlich, daß Trugschlüsse wie die letztgenannten nicht im Ernst benützt werden konnten, um die Wahrheit zu erkenen. Umso viel größer war die Gefahr des völligen Aufhörens der Philosophie durch ihre Entartung zu einer geistigen Fechterkunst, deren einziger Zweck war, den Gegner durch pfiffige Kunstgriffe zum Schweigen zu bringen. Um diesem vorzubeugen, war es notwendig, daß das Gesetz des PARMENIDES: "das Seiende ist und das Nichtseiende ist nicht", nach Inhalt und Umfang näher bestimmt wurde. Einen Versuch dieser Bestimmungen finden wir im platonischen Dialog  Sophistes,  wo gezeigt wurde, daß auch das Nichtseiende gewissermaßen ist, freilich nicht als absolutes, jedes Sein ausschließendes Nichtsein (enantion tou ontos [gegen das Sein - wp] 258D), aber als der jedem Seienden innewohnende Unterschied, durch welchen ein jedes, eben weil es ist was es ist, jedes Andere  nicht  ist. Oder, anders ausgedrückt, bei jedem Seienden sind zwei verschiedene Ansichten oder Gesichtspunkte zu unterscheiden: dessen Sein ansich und dessen Beziehung zum Anderen. Von der ersten Seite betrachtet ist es ein Seiendes, (mit sich) identisch, von der anderen dagegen ein Nichtseiendes, mit Anderem nicht-identisch. Diese entgegengesetzten Bestimmungen sind in ein und demselben völlig vereinbar, weil sie ihm nicht in derselben Hinsicht (ouk homoios [nicht dasselbe - wp]) (4) beigelegt werden. Hier leuchtet schon die aristotelische Auffassung des Gesetzes des Widerspruchs hervor, und dadurch sind sowohl der Eleatismus wie auch die sophistischen Spitzfindigkeiten im Grunde widerlegt (5).

Es liegt außerhalb des Zwecks dieser Betrachtung, zu untersuchen, ob der  Sophistes  von PLATO selbst verfaßt wurde oder nicht. Die darin gegebene Widerlegung des Eleatismus und der Sophistik würde auch im letzteren Fall gültig sein; nur wäre es zweifelhaft, ob sie älter oder jünger wäre als die von ARISTOTELES gegebene. Jedenfalls müssen wir anerkennen, daß in anderen platonischen Dialogen, besonders der Republik und dem  Timaeus,  die Auffassung des Nichtseins sich weit mehr dem Eleatismus nähert, indem hier nicht von einem den Ideen innewohnenden Nichtsein gesprochen wird, sondern vielmehr die Ideenwelt als das wahrhaft Seiende nicht nur der Materie als dem Nichtseienden, sondern auch der Sinnenwelt als dem Mittleren zwischen beiden entgegengesetzt wird.

Möge aber der  Sophistes  früher oder später als die "Metaphysik" des ARISTOTELES sein - soviel ist gewiß, daß die exakte Formulierung des Satzes des Widerspruchs als eines allgemeinen Denkgesetzes erst in dieser vorkommt.
    "Unmöglich ist es", heißt es hier, "daß Dasselbe Demselben zukommt und nicht zukommt zugleich und auf dieselbe Weise, und was wir sonst noch hinzubestimmt haben, sei hinzubestimmt wegen der logischen Spitzfindigkeiten" (6).
Dieser Zusatz, der zum größeren Nachdruck noch einmal wiederholt wird (7), bezieht sich nach dem Scholion ALEXANDERs von Aphrodisias auf die Kunstgriffe, mittels welcher die Sophisten den Schein eines Widerspruches auch da hervorzubringen pflegten, wo dieser nicht vorhanden war, und welche ARISTOTELES in seiner Schrift  de sophistes elenchis  abgewiesen hat, indem er die Bedingungen der logischen Widerlegung näher angegeben hat. Diese Bedingungen sind, insofern sie sich auf das fragliche Gesetz beziehen, daß die sich widersprechenden Annahmen im strengsten Sinne ein und dasselbe gelten, nicht nur dem Namen, sondern der Sache nach, in derselben Hinsicht, auf dieselbe Weise, in derselben Beziehung und in Bezug auf dieselbe Zeit (8). Mit dieser Beschränkung ist der Grundsatz, welcher die Möglichkeit des Widerspruchs leugnet, nach ARISTOTELES das festeste aller Prinzipien. Und zwar zunächst in ontologischer Bedeutung (daß ein und dasselbe nicht zugleich sein und nichtsein kann); mit dieser ist aber unmittelbar die logische Bedeutung verbunden, daß niemand annehmen kann, dasselbe ist zugleich und in derselben Weise und ist nicht. (9) Jener Satz könne nicht direkt bewiesen werden, weil er selbst die unentbehrliche Bedingung jedes Beweises ist; dagegen könne dessen Wahrheit apagogisch [indirekt - wp] bestätigt werden, indem man zeigt, daß er auch von einem Leugner desselben vorausgesetzt wird, indem er ein Urteil ausspricht.

Die von ARISTOTELES gegebene Formulierung des Satzes des Widerspruchs ist im Ganzen für die spätere Wissenschaft maßgebend geworden. Die vielen Beschränkungen tragen in der Erörterung des ARISTOTELES scheinbar den Charakter der Zufälligkeit; in der Hauptstelle sind sie nicht einmal bestimmt angegeben, sondern nur angedeutet; noch weniger findet man den Grund angegeben, warum eben diese und nicht andere oder mehrere gelten sollen. Aber der leitende Gedanke ist leicht erkenntlich und in den Worten  to auto to auto  und  kata to auto  enthalten, wenn nur diese Worte in ihrer engsten Bedeutung festgehalten werden. Mit anderen Worten: alle die angedeuteten Bestimmungen bezwecken nur, die strenge Identität oder Einerleiheit des als seiend und als nicht-seiend (bzw. zukommend und nicht zukommend) Gesetzten als Bedingung des undenkbaren Widerspruchs hervorzuheben; sie können als selbstverständlich aus der Formel wegfallen, wenn nur jene Identität genau festgehalten wird, wie sie auch gewöhnlich bei den Späteren, höchstens mit Ausnahme der Zeitbestimmung, ausgelassen worden sind. Für die Spezialwissenschaften hat auch dieses Weglassen keinen Nachteil verursacht; so ist es z. B. kaum irgendeinem Mathematiker eingefallen, den Kreis darum undenkbar oder widersprechend zu finden, weil er, nachdem man ihn von Innen oder von Außen betrachtet,  konkav  und  konvex (d. h. nicht-konkav) ist, noch einem Naturforscher die Wirklichkeit der Petrefakte [Fossilien - wp] zu leugnen, weil sie organisch und zugleich nicht organisch sind, indem die Anschauung und die auf diese sich stützende Reflexion hier deutlich zu erkennen geben, in welcher Weise die entgegengesetzten Bestimmungen verknüpft sein können. Dagegen ist die Philosophie, indem sie, die Welt der Erscheinung überschreitend, zum Erforschen des jeder Erfahrung unzugänglichen Wesens fortgeht, eben durch das Vernachlässigen der aristotelischen Beschränkungen der Versuchung ausgesetzt, die nur formale Bedeutung des Satzes des Widerspruchs in eine reale zu verwandeln und dadurch ein scheinbares Wissen zu erschleichen.

Denn es ist wohl zu bemerken, daß der Satz des Widerspruchs, wie er von ARISTOTELES richtig bestimmmt ist, keineswegs ein materiales, sondern nur ein formales und negatives Kriterium der Wahrheit ist. Er besagt nur, daß keinem Gegenstand ein Prädikat zukommen kann in demselben Sinn, in welchem es ihm nicht zukommt. Um aber mit dessen Hilfe etwas von einem Gegenstand bestimmen zu können, müssen wir den Gegenstand oder jedenfalls etwas auf ihn Bezogenes schon kennen; wir haben an dem Satz nur ein (allerdings unentbehrliches) Regulativ bei der Prüfung und der Analyse jeden Inhalts unserer Erkenntnis, aber nicht eine Quelle, aus der allein wir, sei es auch nur den geringsten Erkenntnisstoff, holen könnten.

Daß diese nur negative und formale Bedeutung des Satzes in eine reale und positive verwandelt worden ist, dazu hat wesentlich die von PARMENIDES und von PLATO selbst in der  Republik  und dem  Timaeus  stammende Auffassung des Begriffs des Seins beigetragen. Eigentlich enthält dieser Begriff nur das Gemeinschaftliche in allem, was wir als Seiendes denken; es ist also ganz abstrakt und leer. Man könnte es mit HERBART als absolute Position bezeichnen, wenn nicht dieser Ausdruck eben bei HERBART eine falsche Deutung bekommen hätte, indem die absolute Position in einen Gegensatz zur relativen, von anderem abhängigen Position gesetzt wurde. Denn der Begriff des Seins als solcher verhält sich zu jedem Gegensatz, auch dem zwischen absolutem und relativem Sein völlig indifferent; das Relative, der Schein, ja sogar das Nichtseiende, insofern es ein Gegenstand unseres Denkens ist, ist ein Seiendes nicht weniger als das Absolute. Wir haben oben bemerkt, daß dieses auch schon im platonischen  Sophistes  anerkannt ist; daß aber in der  Republik  und dem  Timaeus  eine andere Auffassung hervortritt, indem die Ideenwelt als  to pantelos on, to eilikrinos on, ousia (10), der Sinnenwelt als dem Mittleren zwischen Sein und Nichtsein entgegengesetzt wird. Und dieses nicht einmal so, daß jenes Mittlere nur eine scheinbare Existenz hätte; vielmehr wird der Schein und die Unfähigkeit, das rein Seiende zu erkennen, ausdrücklich aus der Verbindung der Seele mit jenem Mittleren abgeleitet (11). Nach der in den letztgenannten Dialogen ausgesprochenen Ansicht gibt es also ein doppeltes Sein; das vollkommene, das jedes Nichtsein ausschließt, und das unvollkommene sinnliche, das von Sein und Nichtsein gemischt ist. Diese Ansicht wurde unter Mitwirkung des Neuplatonismus auf die Philosophie des Mittelalters und der neueren Zeit fortgepflanz; und neben der aristotelischen, rein logischen und für die exakten Wissenschaften allein gültigen Auffassung des Widerspruchs, nach welcher dieser weder sein noch gedacht werden konnte, ging also noch eine andere, ontologische, nach welcher jede Verknüpfung des Seins und des Nichtseins aus dem absolut Seienden ausgeschlossen war, während dagegen das Endliche, als aus Sein und Nichtsein bestehend, ein existierender Widerspruch war. Folgerecht durchgeführt, mußte freilich diese letztere Ansicht dahin führen, nicht weniger das Sein als das Nichtsein von Gott zu negieren; und diese Wendung begegnet uns im Satz des PROKLUS, daß das ursprüngliche Eine kein  on,  sondern ein  epekeina tou ontos (12) ist, und ferner in den Schriften des (Pseudo-)DIONYSIUS AREOPAGITA, wo sich die christliche Mystik mit neuplatonischer Spekulation vermählte. Hier wird Gott ausdrücklich als das Überseiende und als die Einheit aller Gegensätze bestimmt. Wir werden später sehen, wie diese Auffassungsweise, die zunächst nur bei einigen Mystikern Beifall fand, sich auch in der eigentlichen Philosophie geltend machte.

Ein Beispiel der ursprünglich von PARMENIDES stammenden Auffassung, nach welcher jedes Nichtsein von dem in Wahrheit Seienden ausgeschlossen war, gibt uns der Begriff des  ens realissimum  in der alten Metaphysik - "ein Wesen, in dessen Bestimmung von allen entgegengesetzten Prädikaten eines angetroffen wird, nämlich das, was zum Sein schlechthin gehört". (13) Die Gesamtheit denkbarer Eigenschaften und Bestimmtheiten wird hier in zwei große Klassen eingeteilt, von denen die eine ein Sein, die andere ein Nichtsein ausdrückt. Die Beobachtung, daß gewisse in der Erfahrung vorkommende Eigenschaften, z. B. Licht, Wärme, Leben, eine Vollkommenheit, andere dagegen, wie Finsternis, Kälte, Tod nur den Mangel oder die Abwesenheit jener Vollkommenheit zu enthalten scheinen, hat ohne Zweifel dazu beigetragen, diese Auffassungsweise zu erhalten. Es zeigt sich jedoch bei näherer Betrachtung, daß auch diese letzteren Bestimmtheiten nicht ausschließlich negativ sind, sondern eine, nur der vorigen entgegengesetzte, Realität enthalten. Die Finsternis z. B. ist nur dadurch da, daß die Lichtstrahlen von einem Körper (z. B. der Erde) abgesperrt oder zumindest in einem nicht leuchtenden Medium verbreitet werden. Und noch mehr; das Licht selbst würde uns unsichtbar bleiben ohne die  camera obscura  des Auges. Zählt man noch die Fälle hinzu, wo entgegengesetzte Erscheinungen sich in keinerlei Weise auf einen bloßen Mangel der Realität zurückführen lassen, so zeigt es sich offenbar, daß die oben genannte Einteilung keineswegs durch die Erfahrung bestätigt wird. Für die Reflexion war sie jedoch ein allzu bequemes Mittel, alle Gegensätze in der Welt auf ein Mehr oder Weniger von Realität zu reduzieren, zumal da man durch diese Reduktion ein Mittel fand, das Dasein Gottes zu beweisen. Wenn aller Gegensatz in der Welt nur aus einem Mangel an Sein oder Realität herrühren würde, so bräuchte man nur jenen Mangel zu ergänzen, um den Begriff Gottes zu erreichen. Daß diesem Begriff die Realität nicht abgehen konnte, war eine selbstverständliche Folge, da er eben der Inbegriff aller Realität war. Schwieriger war es allerdings, diesem Gott eine Persönlichkeit, ein Denken und Wollen zuzuschreiben; jedoch half man sich gewöhnlich mit der Annahme, daß diese Bestimmtheiten Realitäten seien, ohne die also das  ens realissimum  nicht ohne Widerspruch gedacht werden kann. Noch weniger fand man irgendeine Schwierigkeit darin, aus dem  ens realissimum  die beschränkte Realität der endlichen Welt abzuleiten; denn diese mußte ja schon in der Realität Gottes enthalten sein.

Ein interessantes Beispiel der Anwendung jenes Begriffs der absoluten Realität in der Philosophie gibt uns das System SPINOZAs. Man hat mehrfach darüber gestritten, wie Attribute und Modi im System SPINOZAs als mit der unendlichen (d. h. nach SPINOZA absolut indeterminierten) Natur der Substanz vereinbar und aus ihr folgend gedacht werden können, wobei man Attribute und Modi bald als Eigenschaften und Teile der göttlichen Substanz, bald als nur subjektiv, in unserem Verstand und unserer Einbildung existierend erklärt hat. Jede dieser Erklärungsweisen ist aber in einem offenbaren Widerspruch gegen die Äußerungen SPINOZAs; und eine neuerdings versuchte Erklärung, nach welcher die Attribute als die besonderen Kräfte der Substanz und die Modi als Folgen oder Wirkungen dieser Kräfte zu bestimmen wären, läßt eben die Hauptschwierigkeit ungelöst, nämlich wie die absolut indeterminierte Substanz dazu kommt, sich zur Wirksamkeit zu determinieren (14). Nur die schon erwähnte Auffassung der Begriffe der Realität und der Negation scheint uns über die Denkweise SPINOZAs einen genügenden Aufschluß zu geben. Ganz ähnlich wie die Zeitgenossen, CARTESIUS, MALEBRANCHE u. a. nahm SPINOZA Gott als das Wesen an, das in sich alle Realität vereinigt. Zugleich sah er aber richtig ein, daß sich keine Bestimmtheit ohne Beschränkung (Negation) denken läßt. Darum setzte er Gott oder die Substanz als absolut indeterminiert, und wenn er gleich der Substanz ausdrücklich Denken und Ausdehnung neben unzähligen anderen Attribute beilegte, so hob er jedoch wieder diese Bestimmtheit auf, indem er dem göttlichen Denken Verstand und Willen und der Ausdehnung Teilbarkeit absprach. Hierdurch war in der Tat jede Ableitung des Endlichen aus der Substanz von vornherein abgeschnitten, und SPINOZA selbst scheint nicht fern davon, dies anzuerkennen, indem er schon im dritten Axiom sagt: "si nulla datur determinata causa, impossibile est, ut effectus sequatur." [Wenn keine bestimmte Ursache gegeben ist, kann unmöglich eine Wirkung folgen. - wp] Dessen ungeachtet trägt SPINOZA kein Bedenken, Gott eine unendliche Wirksamkeit zuzuschreiben oder "infinita infinitis modis" aus ihm folgen zu lassen, aus dem ausdrücklich angegebenen Grund, daß er alle Realität in sich befaßt (Eth. 1, prop. 9, 16 und öfter). Hier ist der Schlüssel gegeben zu der sonst unerklärlichen Inkonsequenz SPINOZAs. Ihm gilt jede Bestimmtheit nur als Negation und gehört als solche nicht dem Sein, sondern dem Nichtsein der determinierten Sache an; das Nichtseiende ist aber nicht und bedarf daher keiner Ableitung und Erklärung. Ist Gott als Inbegriff aller Realität bestimmt, so enthält er schon in sich alles, was in den Attributen und Modis real ist und ist also der zureichende Grund all dessen, was existiert. Nun liegt zwar hier der Einwurf nahe, daß die Determination doch kein reines Nichts ist, sondern etwas Positives enthalten muß, weil sie sonst nicht einmal eine Determination wäre, sondern unterschiedslos in das allgemeine indeterminierte Sein zusammenfließen würde; aber wie unwiderlegbar auch dieser Einwurf ansich sein mag, so gilt er nicht für SPINOZA, weil er sich einmal in der Voraussetzung befestigt hatte, daß die Negation nichts Reales wäre. Aus demselben Grund leugnete SPINOZA die Realität des Bösen und des Übels, da diese als bloße Negationen nicht für die Dinge als solche, sondern nur für unser vergleichendes Denken einige Bedeutung haben.

Es läßt sich ohne Schwierigkeit zeigen, daß uns der Begriff der Realität, wie wir ihn bei SPINOZA gefunden haben, auch bei CARTESIUS, MALEBRANCHE und LEIBNIZ begegnet, wenn auch in modifizierter Form; aber um unseren Aufsatz nicht allzu sehr zu verlängern, müssen wir dies weiter zu verfolgen hier aufgeben. Schon zwei Jahrhunderte vor SPINOZA hatte jedoch NIKOLAUS von KUES, durch das Studium des (Pseudo-)DIONYSIUS und der Mystiker veranlaßt, sein  principium coincidentiae oppositorum [Prinzip der zusammenfallenden Gegensätze - wp] aufgestellt. Auch nach dem Cusaner ist Gott der Inbegriff allen Seins, aber in der Weise, daß er nicht einmal dem Nichtsein entgegengesetzt ist; er steht sogar dem Nichtsein näher als dem Sein. Der Satz des Widerspruchs oder wie der Cusaner sich ausdrückt, der Satz der Bejahung und Verneinung, gilt überhaupt nach ihm nur für die Vernunft, welche im mathematischen Wissen kulminiert; und schon die Mathematik muß, indem sie zum Unendlichen fortgeht, die Koinzidenz der Gegensätze anerkennen. Jene Koinzidenz ist der eigentliche Gegenständ des Verstandes, der mystischen Intuition, die sich dadurch zum Erkennen Gottes erhebt. Die Funktion der Vernunft besteht im Trennen und Unterscheiden, aber der Verstand verbindet, was die Vernunft getrennt hat. Wir begegnen hier zum ersten Mal der Lehre, daß die Gültigkeit des Satzes des Widerspruchs auf das Endliche zu beschränken ist. Die Ansicht des Cusaners ist in dieser Hinsicht eine bemerkenswerte Antizipation [Vorwegnahme - wp] der HEGELschen Philosophie; nur muß man dabei beachten, daß was HEGEL Verstand nennt, von CUSANUS Vernunft (ratio) genannt wird und vice versa [umgekehrt - wp], indem die Bedeutung dieser Worte in der späteren Philosophie geradezu umgekehrt worden ist.

Wenn man von allem Traditionellen absieht, das NIKOLAUS als gläubiger Christ und als Kardinal der römischen Kirche noch festhielt, wogegen SPINOZA es verwarf, so ist der Gottesbegriff des ersteren nur eine mehr folgerechte Ausführung desselben Gedankens, welcher auch der Philosophie des letzteren zugrunde lag. Auch dem Cusaner ist Gott das  ens realissimum,  der Inbegriff allen Seins; weil aber den Negationen nicht weniger als den Affirmationen [Bejahungen - wp] ein Sein zukommt, so macht er geltend, daß auch jene in ihm enthalten sind. Nach ihm ist daher Gott alles, aber auch nichts, insofern in ihm nichts Abgesondertes ist; er ist über jeder Affirmation und Negation, während er zugleich jede Affirmation und Negation in sich schließt; oder, wie es der Cusaner anderswo ausdrückt, er ist das Sein selbst, dem keine Negation oder Privation zukommt, wohl aber die Negation der Negation, welche eben die Spitze der reinsten Affirmation ist (15). (In diesen letztangeführten Worten glaubt man fast HEGEL zu hören.) Nach SPINOZA ist Gott das  ens absolute indeterminatum,  und nur durch Inkonsequenze kann er ihm eine Wirksamkeit zuschreiben; nach NIKOLAUS besteht dagegen die Determination Gottes eben in seiner Allmacht. Ein streng wissenschaftliches Ausführen dieser Gedanken darf man freilich nicht beim Cusaner suchen; bisweilen streift sein Absolutes nah an die absolute Indifferenz SCHELLNGs, wo die Gegensätze nicht sowohl erhalten als verwischt sind. Aber durch sein  principium coincidentiae oppositorum  hat er nichtsdestoweniger die wahre Einheit der Gegensätze angedeutet, die kein Verwischen derselben, sondern ihre lebendige Durchdringung ist.

Dieses Hervorheben der Gegensätze, als in der Einheit nicht verwischt, sondern erhalten, tritt noch kräftiger hervor beim  Theosophus Teutonicus  JAKOB BÖHME. Von ihm wird der Gegensatz (Gegenwurf) als die notwendige Beendigung allen Seins, selbst des göttlichen, ausgesprochen.
    "Alle Dinge bestehen in Ja und Nein; ohne Gegensatz wird nichts offenbar; kein Bild erscheint im klaren Spiegel, so eine Seite nicht verdunkelt wird. Wer weiß von Freuden zu sagen, der kein Leid empfunden, oder von Frieden, der keinen Streit gesehen."
Darum gehört der Zorn nicht weniger als die Liebe zum ewigen Wesen Gottes, jedoch
    "nicht so, daß in Gott Böses neben dem Guten wäre, sondern so, daß der Zorn oder die bittere Qualität in Gott eine ewig währende Kraft, ein erheblicher, triumphierender Freudenquell ist."

    "Denn im Reich Gottes hat das Licht das Regiment und die anderen Qualen und Eigenschaften sind alle heimlich" (latent); "darum wird die grimmige Essenz im Licht verwandelt in eine Begierde des Lichts und der Liebe." (16)
Bei allem Unklaren und Phantastischen, das die Theosophie BÖHMEs kennzeichnet, gibt ihm jedoch jenes Hervorheben der Negation als eines Moments selbst des göttlichen Wesens einen rechtmäßigen Anspruch auf philosophische Bedeutung. Weder der Rationalismus noch der Empirismus vermochte indessen diese Bedeutung einzusehen; auch der Kritizismus stand dem Standpunkt BÖHMEs zu fern, um darin etwas Schätzbares anzuerkennen, und so blieb es SCHELLING und HEGEL vorbehalten, ihn zu Ehren zu bringen.

Unter den älteren vorkritischen Schriften KANTs verdient jedoch eine als Beitrag zur Lehre über die Negation und den Satz des Widerspruchs angeführt zu werden, nämlich sein "Versuch, den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen": KANT unterscheidet hier zwischen logischer und realer Opposition. Die logische Opposition besteht darin, daß von eben demselben Ding etwas zugleich bejaht und verneint wird. Die Folge dieser logischen Verknüpfung ist gar nichts (nihil negativum irrepraesentabile), wie der Satz des Widerspruchs aussagt. Die reale Opposition ist dagegen diejenige, da zwei Prädikate oder Tendenzen eines Dings entgegengesetzt sind; die Folge ist, daß die entgegengesetzten Tendenzen einander aufheben, also auch Nichts, aber in einem anderen Verstand (nihil privativum repraesentabile); KANT benennt dieses Nichts  Zero.  Nur de logische Opposition ist widersprechend und darum undenkbar; die reale ist dagegen denkbar und wirklich. Wenn z. B. entgegengesetzte Bewegungstendenzen von gleicher Stärke in einem Körper zusammentreffen, so heben sie einander auf und der Körper bleibt in Ruhe; aber sie sind beide wirklich. Die Privation oder die reale Verneinung ist nicht nur ein Mangel (defectus, absentia), sondern etwas Positives, das ein anderes Positives aufzuheben vermag. So ist Unlust nicht nur ein Mangel an Lust, sondern das positive Gegenteil der Lust oder negative Lust, der Haß negative Liebe, Untugen negative Tugend usw. Mit dieser Untersuchung über den Unterschied zwischen logischer und realer Opposition verbindet KANT ferner einige Betrachtungen über die Anwendung des letztgenannten Begriffs. Er stellt dabei zwei allgemeine Sätze auf, nämlich:
    1) in allen natürlichen Veränderungen der Welt wird die Summe des Positiven, insofern sie dadurch geschätzt wird, daß einstimmige Positionen addiert und real entgegengesetzte voneinander abgezogen werden, weder vermehrt noch vermindert;

    2) alle Realgründe des Universums geben nach derselben Schätzung ein Fazit, das = Zero ist.
Und schließlich erörtert er den für seinen späteren kritischen Standpunkt so wichtigen Kausalitätsbegriff, indem er den Unterschied zwischen logischem Grund und Realgrund mit dem zwischen logischer und realer Entgegensetzung zusammenstellt. Die erstere ist mittels des Satzes vom Widerspruch deutlich einzusehen, die letztere dagegen nicht. Eine logische Folge wird eigentlich nur darum gesetzt, weil sie einerlei ist mit dem Grund; eine reale Folge ist dagegen etwas anderes als der Grund, wird jedoch durch den Grund gesetzt.

Ein Physiker der Jetztzeit würde gegen das Beispiel, das KANT von der Bewegung hergeholt hat, einwerfen, daß entgegengesetzte Bewegungstendenzen gleicher Stärke nur oberflächlich betrachtet ein Resultat = Zero geben, in Wahrheit aber etwas Positives leisten, indem der Körper durch sie innerlich erschüttert oder erwärmt wird. Und dieser Einwurf kann noch dahin erweitert werden, daß überhaupt entgegengesetzte Zustände oder Tätigkeiten eben in ihrem Zusammentreffen ein positives Resultat geben. Aber nichtsdestoweniger hat KANT durch die hier angeführte Schrift einen schätzbaren Beitrag zur Einsicht in das wahre Wesen der Negation geliefert. Während sonst die Philosophen diesen Begriff entweder als selbstverständlich behandelten oder mit SPINOZA als "mera carentia seu modus cogitandi, quem formamus, cum res inter se comparamus" [ein Mangel im Denken, der entsteht, wenn wir die Dinge miteinander vergleichen - wp] betrachteten, hat dagegen KANT dessen reale Bedeutung hervorgehoben. Indessen hat KANT diesen Gedanken nicht weiter entwickelt. In seiner "Kritik der reinen Vernunft" bemerkt er nur bei der sogenannten Amphibolie [Mehrdeutigkeit - wp] der Reflexionsbegriffe, daß, wenn Realität durch den reinen Verstand (als realitas noumenon) gedacht wird, kein Widerstreit zwischen Realitäten sich denken läßt, daß aber Realitäten in der Erscheinung allerdings untereinander in Widerstreit sein können. Da nach KANT die reinen Verstandesbegriffe außerhalb des Gebietes der Erscheinung nur leere Formen sind, so ist offenbar nach ihm der Satz, daß  Realitäten,  durch den reinen Verstand gedacht, nicht im Widerstreit untereinander sein können, völlig nutzlos zur Erweiterung unserer Erkenntnisse. Indessen läßt ihn KANT innerhalb (des freilich illusorischen) Gebietes der Vernunftideen gelten und erkennt sogar dem Begriff des  ens realissimum  eine gewisse Gültigkeit zu als einer transzendentalen Idee, welche die oberste Bedingung allen Bestimmens der Gegenstände durch das Denken ausmacht. Noch mehr erweitert sich die Bedeutung dieser Idee auf dem praktischen Gebiet, indem die Existenz des allerrealsten Wesens, wenn auch nicht als Gegenstand objektiver Erkenntnis, so doch als subjektiv unumstößliche, in unserem sittlichen Bewußtsein fest gegründete Gewißheit hervorgehoben wird. Wir sind weit davon entfernt, mit den Neukantianern unserer Zeit dem Gottesbegriff jede Wahrheit abzusprechen oder es als ein unwirkliches Ideal zu setzen, das nur als imaginäres Ziel unserer Handlungen einige Wahrheit besitzt. Das aber behaupten wir, daß der leere Gedanke eines Inbegriffs aller Realität ganz und gar unzureichend ist, um eine spekulative Theologie zu begründen. Noch mehr - dieser Gedanke ist sogar zu schlecht, um als Ideal unseres sittlichen Strebens zu dienen - mag jener Inbegriff ganz äußerlich als eine Summe vorgestellt werden (wonach er also nichts anderes bedeuten würde als die Welt) oder als das Reale, das übrig bleibt, nachdem alle Gegensätze durch gegenseitiges Substrahieren aus der Welt eleminiert wären, d. h. nach der vorher erwähnten kantischen Schrift nichts anderes als das Zero. KANT selbst scheint das einzusehen, indem er seine Rede vom Inbegriff aller Realitäten als rohen Schattenriß bezeichnet und dann die höchste Realität nicht als Inbegriff, sondern als  Grund  bestimmt, so daß also
    "die Mannigfaltigkeit der Dinge nicht auf der Einschränkung des Urwesens selbst, sondern seiner vollständigen Folge beruhen, zu welcher dann auch unsere ganze Sinnlichkeit samt aller Realität in der Erscheinung gehören, die zur Idee des höchsten Wesens als ein Ingredienz [Zutat - wp] gehören kann."
Es ist nicht zu leugnen, daß der kantische Gottesbegriff durch diese Korrektur eine höhere Bedeutung gewinnt als die früher erwähnte; aber diese höhere Bedeutung ist von ihm nicht wissenschaftlich gerechtfertigt, sondern nur durch einen Machtspruch statuiert worden - sei es auch nur als eine für unsere Vernunft notwendige Idee. Denn KANTs Deduktion der teleologischen Idee enthält nichts, was über den rationalistischen Begriff des  ens realissimum  hinaus führen könnte. Sie wird ausschließlich aus der Form des disjunktiven Schlusses abgeleitet; insofern dabei ein Verhältnis zwischen Grund und Folge hervortritt, kann also auch dieses nur rein formal sein. Durch die logische (nur formale) Folge wird aber, wie KANT in der Schrift über die negativen Größen ausdrücklich hervorgehoben hatte, nichts anderes gesetzt, als was  einerlei  ist mit dem Grund. Nur durch das Vergessen dieser wichtigen Bestimmung wurde es ihm möglich, jenes nur formale, analytische Verhältnis zwischen Grund und Folge in ein reales zu verwandeln.

Es wird vielleicht Manchem als eine überflüssige Arbeit erscheinen, die kantische Deduktion des Gottesbegriffs zu kritisieren, da der Philosoph selbst diesen Begriff nur als notwendige Idee betrachtet, aus welcher wir keineswegs berechtigt sind, auf die Wirklichkeit ihres Gegenstandes zu schließen. Aber die Sache wird in der Tat nicht dadurch verbessert, daß KANT, was er sozusagen mit der einen Hand unrechtmäßig gegeben hat, mit der andern ebenso unrechtmäßig zurücknimmt. Während er in der Aufstellung des Gottesbegriffs sich ganz unkritisch dem früheren Dogmatismus anschließt, ist dagegen hier seine Skepsis in der Tat ebenso unkritisch. Er läßt den Gottesbegriff als notwendiges Erzeugnis unseres Denkens gelten, leugnet aber den Schluß von dieser ihrer Notwendigkeit auf die Existenz ihres Gegenstandes. Hatte der Dogmatismus sich zugetraut, die Existenz Gottes aus dem Begriff des  ens realissimum  zu beweisen, weil das Sein oder die Existenz eine Realität ist, die also dem Begriff aller Realität nicht ohne Widerspruch abgehen kann, so bemerkte KANT dagegen, daß Sein oder Existenz kein reales Prädikat ist, sondern nur das Setzen des Subjekts mit allen seinen Prädikaten bezeichnet. Der Begriff des  ens realissimum  wird darum weder ärmer noch reicher dadurch, daß ihm die Existenz abgesprochen oder zugefügt wird. Ein Widerspruch ist es allerdings, das Subjekt als existierend zu setzen, während man die Existenz eines Prädikats leugnet, das seinem Begriff notwendig inhäriert [innewohnt - wp]; dagegen entsteht kein Widerspruch, wenn das Subjekt selbst mit all seinen Prädikaten aufgehoben wird. Dies ist allerdings insofern richtig, als das Gesetz des Widerspruchs, wie wir schon bemerkt haben, rein formal ist und also nichts unbedingt, sondern nur unter der Bedingung eines vorausgesetzten Inhalts etwas bestimmt; in diesem Sinne wäre es sogar ansich kein Widerspruch, wenn gar nichts existieren würde, zumal, da es in diesem Fall kein Denken und keinen Widerspruch gibt. Da aber das Denken tatsächlich existiert, so wäre es allerdings in einem Widerspruch mit dieser Tatsache, wenn man behaupten wollte, daß nichts existiert. Ebenso ist auch ansich, unabhängig von allem tatsächlich Existierenden, das Nichtsein Gottes kein Widerspruch. Dagegen läßt es sich allerdings denken, daß es unter der Voraussetzung eines tatsächlich gegebenen Daseins widersprechend ist. Und dies müßte eben nach KANTs Deduktion der Fall sein, insofern, als er die Idee des  ens realissimum  als eine notwendige Vernunftidee statuiert hatte. Freilich wäre dadurch der alte ontologische Beweis insofern modifiziert worden, als ein empirisches Moment, nämlich das Dasein überhaupt hineingetragen wäre; aber auch die alten Scholastiker hatten wahrscheinlich nicht geglaubt die Existenz Gottes unabhängig von allem tatsächlich Gegebenen beweisen zu können, und namentlich hatte CARTESIUS die Tatsache des Denkens als die Voraussetzung allen Wissens hervorgehoben. Im ontologischen Beweis liegt also in der Tat implizit auch der kosmologische. KANT hat dagegen in seiner Kritik den ontologischen Beweis so behandelt, als wenn jedes kosmologische Moment davon ausgeschlossen wäre und nachdem er ihn dadurch ohne Schwierigkeit abgefertigt hat, findet er im kosmologischen Beweis gerade den Hauptfehler, daß er den ontologischen voraussetzt und auch mit ihm fällt. Eben diese Trennung der beiden Beweise raubt ihnen die Beweiskraft, die sie jedenfalls nur im Verein haben können. Daß übrigens diese Beweiskraft nicht jedes Moment des Glaubens oder der durch keinen Beweis zu ersetzenden persönlichen Überzeugung überflüssig macht, muß allerdings zugegeben werden; dasselbe gilt aber von aller Wissenschaft, höchstens mit Ausnahme der reinen Zahlenlehre; denn sogar in der Geometrie drängt sich etwas Unbeweisbares hinein, wie sich durch die Untersuchungen über die Parallellinien ergeben hat.

Daß KANT richtig den Satz des Widerspruchs nur als negatives Kriterium der Wahrheit aufgefaßt hat, ergibt sich schon aus seiner Kritik des ontologischen Beweises. Weniger glücklich ist er dagegen in seinem Versuch, die aristotelische Formel zu verbessern und zu berichtigen. Gegen die Formel: es sei unmöglich, daß etwas zugleich sei und nicht sei, bemerkt er nämlich, daß dieselbe eine Einmischung der Zeit enthält, die einem bloß logischen Grundsatz nicht zukommen kann. Wir haben schon oben bemerkt, daß die Zeitbestimmung sowie die übrigen Beschränkungen, die der Formel bei ARISTOTELES beigefügt sind, eigentlich nur beabsichtigten, gegen die sophistischen Kunstgriffe die strenge Identität festzuhalten, und daß sie als selbstverständlich wegfallen können, wenn nur diese festgehalten wird. Übrigens ist es allerdings ganz richtig, daß das Gesetz des Widerspruchs auch unabhängig von jeder Zeitbestimmung gültig ist; diese tritt nur dann hinein, wenn ein Prädikat einem Subjekt mit einer zeitlichen Beschränkung beigelegt wird, wobei in diesem Fall die Anwendung des Gesetzes derselben Beschränkung unterliegt. Indessen ist der Sinn des aristotelischen Satzes ganz richtig, und die Veränderung, die KANT in der Formulierung desselben vornahm, war keineswegs geeignet, diesen Sinn deutlicher zu machen. Es gibt dem Satz folgenden Ausdruck: Keinem Ding kommt ein Prädikat zu, das ihm widerspricht. Hier ist der Inhalt des Satzes durch das Wort "widerspricht" eher versteckt als angegeben; alles kommt darauf an, was man mit diesem Wort versteht. Soll  widersprechen  dasselbe bedeuten als nicht zukommen, so haben wir wieder den alten aristotelischen Satz (keinem Ding kommt ein Prädikat zu, das ihm nicht zukommt), nur mit dem Unterschied, daß die von ARISTOTELES gegebenen Beschränkungen ausgelassen sind, was jedoch eher Verwirrung als Klarheit in die Philosophie gebracht hat, indem die "logischen Schwierigkeiten", die ARISTOTELES durch sie wegräumen wollte, eben durch jenes Weglassen von Neuem Nahrung gefunden haben. Keine bessere Auskunft erhält man, wenn man den Widerspruch durch den Gegensatz zwischen  A  und und  non-A  erklärt (nach der bekannten und auch von KANT selbst angeführten Formel:  A  ist nicht  non-A);  denn der sogenannte Begriff  non-A  ist völlig leer und läßt es noch dabei unentschieden, ob darunter alles, was nicht mit  A  genau identisch ist oder nur alle dem Begriff  A  konträr entgegengesetzte Bestimmtheiten inbegriffen werden sollen. Im ersteren Fall wären wir wieder zum Satz des STILPO zurückgekehrt, daß man sagen darf: der Mensch ist gut oder das Pferd läuft; im letzteren Fall hat man nur die leere Tautologie, daß das Unvereinbare nicht vereinbar ist, wobei jedoch verschwiegen wird, daß, was in  einer  Hinsicht unvereinbar ist, in einer  anderen  Hinsicht vereinbar sein kann. Daß diese Unklarheit nicht ohne Wirkung auf die nachkantische Philosophie geblieben ist, zeigt sich schon an FICHTE, vor allem aber an HERBART und HEGEL.

HEGEL bemächtigte sich des großen Gedankens HERAKLITs, daß alles Leben und alle Wirklichkeit sich in Gegensätzen bewegt. Und zwar war dieses für HEGEL nicht nur eine in aller Erfahrung gegebene Tatsache, sondern ebenso sehr eine im Wesen des Gedankens begründete apriorische Notwendigkeit. Ein schlechthin gegensatzloses, ein jedes Nichtsein ausschließendes Sein ist nach HEGEL undenkbar oder es verkehrt sich, indem wir es denken, in sein Gegenteil, das reine Nichtsein. Die absolute Idee ist so nach HEGEL nicht das starre  ens realissimum,  das jede Bewegung und folgercht jede Tätigkeit ausschließt, sondern sie ist eben die ewige Tätigkeit, sich in sich zu unterscheiden, ihr Anderes, die Natur, zu setzen, um sich aus ihr als freier Geist zurückzunehmen. Indem so die Welt als das Selbstverwirklichen der absoluten Idee aufgefaßt wird, sucht HEGEL in allen Gebieten der Wirklichkeit den allgemeinen Rhythmus der Idee aufzuzeigen: das Zerfallen des Identischen in Gegensätze und das Zurücknehmen der Gegensätze in eine höhere Identität. Das Gesetz der Entwicklung beherrscht also das ganze System. Hierdurch hat HEGEL über alle Gebiete der Wirklichkeit ein verklärendes Licht verbreitet; und mit Recht hat HARTMANN (17) bemerkt, daß der Geist von HEGELs Philosophie beinahe das ganze Leben der modernen Wissenschaft durchdrungen und in seine Bahnen gelenkt hat. Während aber so der reiche Gedankeninhalt von HEGELs Philosophie eine tiefgreifende Einwirkung auf die Wissenschaft geübt hat, ist dagegen ihre logische Form fast einstimmig von deren Vertretern verworfen worden. Scheint doch schon der erste Satz von HEGELs "Logik", von der Identität des Seins und des Nichts, jede Wissenschaft und jedes mit sich übereinstimmende Denken zu vernichten. Und weit entfernt, das Gesetz des Widerspruchs als das höchste gelten zu lassen, erklärt HEGEL vielmehr ausdrücklich, daß alle Dinge in sich widersprechend sind. Es ist den Logikern nicht zu verdenken, daß sie diese und ähnliche Ausdrücke absurd gefunden haben. Und ebensowenig darf man sich wundern, wenn die Vertreter der modernen Wissenschaft sich gegen eine Philosophie sträuben, welche die Grundvoraussetzung jeder exakten Wissenschaft aufzuheben scheint.

Es wäre unerklärlich, daß ein solcher Antagonismus, wie der zwischen der aristotelischen und der hegelschen Logik, hätte entstehen können, wenn der Begriff des Widerspruchs bei ARISTOTELES und bei HEGEL genau dieselbe Bedeutung hätte. Es ist aber nicht schwierig zu zeigen, daß dies nicht der Fall ist. Der aristotelische Widerspruch besteht, wie wir mehrfach bemerkt haben, darin, daß dasselbe demselben in derselben Hinsicht und derselben Bedeutung zukomme und nicht zukomme, bzw. beigelegt und abgesprochen wird; Beispiele dieses Widerspruchs geben die Urteile:  A  ist (in gewisser Hinsicht und in gewisser Bedeutung)  B,  und  A  ist (in derselben Hinsicht und derselben Bedeutung) nicht  B.  HEGEL drückt dagegen im Anschluß an KANT den Widerspruch immer so aus, daß einem Gegenstand  A  ein Prädikat  B  und zugleich dessen Gegenteil, nicht-B, zukommt, oder noch einfacher so, daß das  A  selbst ebensosehr  Nicht-A (-A)  ist. Dies ist aber mit dem aristotelischen Widerspruch nur unter der Bedingung identisch, daß  Nicht-A  oder  -A  nichts anderes bedeutet, als das Leugnen oder die Abwesenheit des Prädikats  A.  Stattdessen gibt aber HEGEL dem  Nicht-A  ausdrücklich eine positive Bedeutung; es ist sogar eine Hauptsache seiner Philosophie, daß das Negative ebensosehr positiv ist. Wir werden später sehen, daß dies in Bezug auf die  reale  Negation ganz richtig ist, wie übrigens schon aus der Betrachtung der kantischen Schrift über die negativen Größen hervorgeht. Aber der Satz des ARISTOTELES gilt ausdrücklich nur der formalen Negation; er wird also nicht umgestoßen dadurch, daß z. B. das Eine ebensosehr ein Vielfaches, das Sein für sich ebensosehr ein Sein für Anderes ist, oder wie sonst die vielfachen Wendungen heißen, durch welche HEGEL die Ungültigkeit des Satzes des Widerspruchs zu beweisen sucht (18). Vielmehr muß ihn HEGEL selbst  nolens volens [wohl oder übel - wp] festhalten, um überhaupt etwas zu beweisen oder auch nur zu behaupten, denn indem er behauptet, daß das Eine ein Vielfaches ist, leugnet er dadurch die Annahme, daß es eine Einheit ohne alle Vielheit geben könnte.

Ganz im diametralen Gegensatz zu HEGEL hielt HERBART die Gültigkeit des Satzes vom Widerspruch (oder nach seiner Terminologie des Nicht-Widerspruchs) unverbrüchlich fest; indem er ihm aber dieselbe falsche Deutung gab wie HEGEL, so büßte er dadurch die materiale Wahrheit ein, die jedenfalls durch HEGELs scheinbar paradoxe Sätze überall durchschimmert. Schon seine Formulierung des genannten Satzes: Entgegengesetztes ist nicht einerlei, ist von der aristotelischen Formel weit verschieden. Denn nach dieser kann das in gewisser Hinsicht Entgegengesetzte sehr wohl in anderer Hinsicht einerlei sein. Noch deutlicher tritt die Verschiedenheit der beiden Formeln hervor, indem behauptet wird, ein Widerspruch sei vorhanden, wenn auf die Frage: was oder welcherlei ist dieses Eine, geantwortet werden muß: es ist ein solches und auch ein anderes, folglich kein solches. (19) Hier zeigt sich offenbar die Verwirrung, welche durch den zweideutigen Ausdruck  non-A  in die Lehre vom Widerspruch gebracht worden ist. Statt des negativen Urteils: "es  ist nicht  ein solches", wir hier das limitative: "es ist ein  nicht-solches"  ohne weiteres untergeschoben, und dann wird wieder dieses  nicht-solches  als gleichdeutig mit "ein anderes" gesetzt. Nur durch diese falsche Deutung des Satzes des Widerspruchs kommt HERBART zu dem für seine Philosophie charakteristischen Postulat, daß die Qualität des Seienden absolut einfach ist, ohne alle Negation und Relation, indem sich der Beweis aus dem Begriff der absoluten Position auf einen offenbaren Paralogismus gründet. (20) Ganz wie HEGEL, sieht auch HERBART in der Welt der Erfahrung lauter Widersprüche, weil in ihr entgegengesetzte Bestimmungen vereinigt sind. Er beruft sich sogar ausdrücklich auf HEGEL, der nach seiner Meinung auf jene Widersprüche ein so grelles Licht geworfen hat, daß auch das blödeste Auge sie wird sehen müssen (21). Dagegen sind die Folgerungen, die beide daraus ziehen, ganz verschieden und verhalten sich wie  modus ponens [abtrennendes Verfahren - wp] und  modus tollens [aufhebendes Verfahren - wp] des hypothetischen Schlusses. Mit anderen Worten: HEGEL findet in den empirisch gegebenen Widersprüchen eine Bestätigng seiner Ansicht, daß alles Seiende widersprechend ist; HERBART dagegen, der jeden Widerspruch im Seienden leugnet, folgert im Gegenteil, daß die Welt der Erfahrung nicht das wahre Seiende, sondern nur Schein ist.

Da also HERBART nicht weniger als HEGEL den Satz des Widerspruchs mißverstanden hat, so ist sein Festhalten desselben weit mehr als HEGELs Verwerfen der wahren philosophischen Einsicht hinderlich. Auch zeigt es sich, daß HERBART ihn nur festhalten kann, solange er sich mit seinen abstrakten "Realen" herumtreibt. Sobald er dagegen zum Erklären der Erscheinung fortgeht, treten nicht nur fingierte, sondern wirkliche Widersprüche überall hervor, indem er stets dasselbe annimmt, was er ausdrücklich geleugnet hat. Die Realen, die absolut einfach sein sollen, werden jetzt (durch die sogenannten zufälligen Ansichten) als zusammengesetzt betrachtet; sie sollen jede Negation und Relation ausschließen, und dessen ungeachtet werden sie jetzt nicht nur in Relation gesetzt, sondern geradezu in einen Gegensatz. Freilich soll all das nur für uns gelten bei dem Versuch, die Realen im Denken zusammenzufassen. Die zufälligen Ansichten sowie der intelligible Raum und was HERBART noch alles in seine Metaphysik hineinbringt, sollen nicht als Bestimmtheiten des Seienden gelten, sondern nur als nicht-reale Hilfsbegriffe für das Denken. (22) All das sind aber nur leere Worte, um den offenbaren Widerspruch zu verbergen. Wäre das Seiende so beschaffen wie HERBART es annimmt, so wäre jedes Denken und jedes Zusammenfassen der Realen schlechthin ausgeschlossen. Eben das Vorhandensein eines Denkens hebt also HERBARTs Metaphysik ganz und gar auf, und wenn diese dennoch in der Geschichte der Philosophie einen bleibenden Wert behaupten wird, so liegt dieser nur darin, daß sie gegen die Absicht ihres Urhebers die Unhaltbarkeit ihrer Voraussetzungen schlagend beweist. Die Welt der Erfahrung zu begreifen, ist also vom Standpunkt des HERBARTschen Systems geradezu unmöglich. Wenn dessen ungeachtet dieses System bei den Vertretern der exakten Wissenschaft mehr Anerkennung gefunden hat als das HEGELsche, so liegt der Grund darin, daß die einfachen Realen HERBARTs sich der mathematischen Berechnung leicht unterwerfen, an der es jenen vor allem gelegen ist, während sie sich um die metaphysische Richtigkeit wenig bekümmern.

Aus dem Vorigen ergibt sich, daß es dem richtig nach ARISTOTELES bestimmten Satz des Widerspruchs nicht widerstreitet, alles Seiende als Einheit entgegengesetzter Bestimmungen zu begreifen. Diese große Wahrheit, daß es ein Sein ohne Gegensatz, ohne Negation nicht gibt, wird durch die gesamte Erfahrung bestätigt. Indessen sind noch zwei wichtige Entwürfe zu berücksichtigen, von denen der eine vorzugsweise dem Rationalismus, der andere dem Empirismus gehört, wobei jedoch zu bemerken ist, daß einerseits der Rationalismus immer in letzter Instanz auf die Erfahrung verweisen muß, während andererseits der Empirismus, wie sehr er sich auch gegen jede Metaphysik sträubt, nichtsdestoweniger sich von metaphysischen Voraussetzungen niemals gänzlich losmachen kann, so daß in der Tat die entgegengesetzten Standpunkte einander vielfach kreuzen.

Zugegeben also - so ungefähr lautet das rationalistische Argument - daß die Welt der Erfahrung uns immer eine Einheit entgegengesetzter Bestimmungen zeigt, so beweist doch dies niemals, daß auch das wahrhaft Seiende einen Gegensatz und Widerstreit enthält. Die Aufgabe der Philosophie ist eben, sich durch das Denken über die Welt der Erfahrung zum Absoluten zu erheben, und was vom Denken als wahr erkannt wird, das ist wahr, unabhängig von jeder Erfahrung. Freilich möchten Wenige zu unserer Zeit dieses unbedingte Vertrauen zum Gedanken hegen; indessen liegt darin nicht nur etwas Erhabenes, sondern auch etwas Wahres. Denn wie hoch man auch die Erfahrung schätzen mag, so steht es doch fest, daß ohne die Gewißheit des Gedankens von sich selbst wir niemals weiter als bis zu Sammlungen einzelner Beobachtungen oder vielmehr einzelner Empfindungen gelangen können. Aber wie sehr man andererseits die Bedeutung und die Wahrheit des Denkens schätzen mag, so wird dadurch nicht die Behauptung umgestoßen, daß alles Sein durch Gegensätze bedingt ist, sondern sie wird vielmehr dadurch bestätigt. Denn das ist eben die Größe HEGELs als Metaphysiker, bewiesen zu haben, daß ein Sein ohne Gegensatz, ohne Nichtsein nicht denkbar ist. Selbst indem wir es so denken wollen, müssen wir es in einem Gegensatz zum Nichtsein setzen oder dieses von ihm negieren; die Negation, die eben ausgeschlossen werden sollte, heftet sich also eben im Ausschließen fest an den Gedanken. Versuchen wir endlich sogar von diesem Ausschließen zu abstrahieren und das Sein unabhängig von allem Gegensatz, selbst den gegen das Nichtsein aufzufassen, so entwindet es sich unserem Denken oder mit anderen Worten: wir denken in der Tat - Nichts. (23)

Wir wenden uns jetzt zum zweiten Argument, das im Gegensatz zum vorigen eine empirische Basis hat, was jedoch nicht daran hindert, daß es auch von rationalisten Denkern benutzt worden ist, wenn ihr Rationalismus eine realistische (d. h. im Sinne des Mittelalters eine nominalistische) Färbung angenommen hat. Die sinnliche Empfindung ist (abgsehen von ihrem Verhältnis zu unserem Selbstgefühl) immer positiv, d. h. es wird darin etwas Seiendes, niemals aber etwas Nichtseiendes empfunden, und in diesem Sinne sagt der Cusaner mit Recht, daß der Sinn nur bejaht, niemals aber verneint. Erst die vergleichende Reflexion, die in einem Objekt oder Zeitmoment vermißt, was sie im anderen findet, geht dadurch zum Begriff des Nichtseins fort, und dieser zeigt sich insofern, als nicht in den Gegenständen als solchen, sondern nur in unserem vergleichenden Bewußtsein existierend. Die Annahme liegt hier ganz nahe, daß die Negation überhaupt nur eine subjektive Gültigkeit hat. So bestimmt schon SPINOZA die Privation (und damit die Negation überhaupt) als "ens rationis vel modus cogitandi, quem formamus, quum res invicem comparamus." [Der Verstand oder die Art des Denkens, die Form, in der Dinge geschehen, entsteht durch Vergleich. - wp] (24) Und ganz in demselben Sinn sagt HERBART (25): "die Negationen sind bloß in der Vorstellung dessen vorhanden, der in einem Gegenstand etwas sucht, was er nicht findet; der Mangel  selbst  ist Nichts." Und auch SIGWART hat in seiner 1873 erschienen "Logik" (26) jene ausschließlich subjektive und nominalistische Auffassung der Negation ausführlich entwickelt. Nach ihm hat die Verneinung keinen anderen Sinn als die subjektive und individuell zufällige Bewegung des Denkens, die in ihren Einfällen, Fragen und Vermutungen, irrtümlichen Behauptungen über das objektiv Gültige hinausgreift, in die ihr durch die Natur der gegebenen Vorstellungen gesteckten Schranken zu weisen. Das Allgemeine und das Einzelne ,das Prädikat und das Subjekt finden überhaupt in ihrer Trennung und Vereinigung schlechthin kein Gegenstück im Seienden; was im Objekt, realiter, getrennt wäre, würde nämlich keine Beziehung aufeinander haben, und es läßt sich nicht von einem Prädikat sagen, daß es irgendwo vorhanden ist, um sich mit dem Subjekt zu vereinigen oder von ihm getrennt zu bleiben. Was die Dinge nicht sind, gehört niemals zu ihrem Sein und Wesen; es ist nur vom vergleichenden Denken von außen an sie herangebracht.

Ehe wir zur Entgegnung dieser Ansicht fortschreiten, ist es zuzugeben, daß sie eine gewisse Wahrheit enthält. Wenn auch, wie schon WUNDT (27) bemerkt hat, das verneinende Urteil von SIGWART ungehörig unterschätzt wird, indem er dessen Bedeutung allein in der Abwehr eines möglichen Irrtums sieht, so ist doch wahr, daß die Negation als bewußter Denkakt nur im bewußten Denken existiert; dies ist sogar ein analytischer Satz. Dasselbe gilt selbstverständlich auch von der Realität und jedem anderen Begriff; als abstrakte Begriffe existieren sie niemals unabhängig vom Akt der Abstraktion. Diese hindert jedoch nicht, daß sie objektive Existenz besitzen, wenngleich nicht als abgesondert, sondern als immanente Bestimmungen des Wirklichen. Sonst wäre es überhaupt unbegreiflich, wie wir irgendeinem Urteil eine objektive Gültigkeit zuschreiben könnten; noch weniger könnte von Naturgesetzen die Rede sein. Selbst Männer, die sich dem Positivismus anschließen oder annähern (28), geben es zu, daß es in der Natur Unterschiede der  Art  gibt, und daß diese Arten, weit entfernt sind,  nur  subjektive Hilfsmittel unserer Gedanken zu sein, vielmehr ihre Wirkungen über das Gebiet hinaus erstrecken, wo unsere Gedanken folgen können. Wer aber dies zugesteht, gibt damit auch die Realität der allgemeinen Begriffe zu. Der Grundirrtum des Nominalismus SIGWARTs ist in den Worten angegeben, daß, was in den Objekten realiter getrennt ist, keine Beziehung aufeinander hat, sowie in der mit dieser im Grunde gleichbedeutenden, daß zum Wesen der Dinge niemals das gehört, was sie nicht sind. Diese Behauptungen widersprechen nicht nur der wahren Metaphysik, sondern ebensosehr der Erfahrung, die uns immer und überall eine reale und wesentliche Beziehung des Getrennten aufeinander offenbart. Ohne diese Beziehung gäbe es keine Denken und keine Bewegung; alles wäre tot und starr. Selbst wenn man das Unmögliche versuchen wollte, alles Leben, jede chemische Verwandtschaft und vor allem die durch die ganze Natur gehende Attraktion auf eine äußere mechanische Bewegung zurückzuführen, so wäre dadurch der Ansicht SIGWARTs nicht geholfen, denn schon damit die Bewegung eines Atoms sich einem anderen mitteilen kann, wird eine reale Beziehung der Getrennten erfordert. Wenn ein herabfallender Stein einen anderen zermalmt, so sind es nicht nur wir, die wir den einen vom andern negieren; die Negation ist tatsächlich gegeben ohne unser Zutun. Freilich läßt es sich einwenden, daß diese reale Negation ganz anderer Art ist, als die rein formale und harmlose, die ausgesprochen wird, wenn wir einfach urteilen:  A  ist nicht  B.  Der Unterschied zwischen beiden ist auch schon von KANT angegeben worden, und kann näher so bestimmt werden, daß wir im Denken Gegenstände unmittelbar aufeinander beziehen können, die, zumindest soweit sich unsere Beobachtungen erstrecken, in keiner näheren Beziehung zueinander stehen. Aber andererseits, wäre nicht im Wesen des Objektiven selbst ein Unterschied und eine Beziehung des Unterschiedenen aufeinander, so würden wir niemals dazu kommen, das Getrennte aufeinander zu beziehen. Wer jede Beziehung der Unterschiedenen im realen Sein leugnet, der muß, insofern er sich treu bleiben will, entweder mit PARMENIDES jede Vielheit für nur scheinbar erklären, oder auch mit HERBART eine Menge völlig beziehungsloser Realen als das einzig Wirkliche annehmen, welche höchsten durch unser zusammenfassendes Denken aufeinander bezogen werden können. Diese beiden Auswege haben sich aber als widersprechend und ungereimt erwiesen: jener, weil schon der  Schein  der Vielheit eine Trennung zwischen dem wahren Sein und dem nur scheinbar Seienden involviert, dieser, weil das zusammenfassende Denken selbst eine Beziehung des Gedachten zum Denkenden voraussetzt, die nicht wieder durch ein neues zusammenfassendes Denken (usw. in infinitum) erklärt werden kann und folglich in der eigenen Natur des Seienden enthalten sein muß. Die Ansicht des SPINOZA würde im Grunde mit der des PARMENIDES zusammenfallen, wenn er seine Auffassung der Negation als eines bloß subjektiven  Modus cogitandi  konsequent durchgeführt hätte. In diesem Fall hätte er nämlich (ganz wie ihn ERDMANN, obgleich unrichtig, interpretiert) die Attribute und Modi als nur unsere subjektiven Auffassungsweisen erklären müssen, da sich diese nur durch ihre Determination von der absoluten Substanz unterscheiden, jede Determination aber nach der ausdrücklichen Erklärung SPINOZAs eine Negation ist. (29)

Wenn es dem Vorigen zufolge anerkannt werden muß, daß die formale Negation, die wir in unseren Urteilen aussprechen, nur unter der Voraussetzung einer realen, im objektiven Wesen immanenten Negation zu denken ist, so ergibt sich auch die Wahrheit des hegelschen Satzes, daß das Negative ebensosehr positiv ist. Dieselbe Wahrheit ist auch von TRENDELENBURG ausgesprochen worden in dem Satz, daß jede Verneinung sich in ihrem Grund als die ausschließende, zurücktreibende Kraft einer Bejahung darstellen muß (30). Wir können freilich negative Urteile aussprechen, ohne dadurch etwas Positives von einem Gegenstand zu bestimmen; aber die reale Negation ist immer ebensosehr positiv. Nur könnte es noch zweifelhaft erscheinen, inwiefern diese reale Negation der Logik angehört. KANT scheint dies zu leugnen, indem er ausschließlich die formale Negation als logische Negation bezeichnet. Ist aber das Aberkennen der realen Negation, wie ich zu beweisen versucht habe, eine notwendige Bedingung jeder widerspruchsfreien Auffassung der Wirklichkeit, so fällt auch sie, zumindest in ihrer Allgemeinheit, innerhalb der logischen Betrachtung. Aus diesem Grund ziehe ich es vor, was KANT  logische Negation  genannt hat, mit dem Namen "formale Negation" zu bezeichnen, um dadurch dem Mißverständnis vorzubeugen, als wäre die reale Negation aus der logischen Betrachtung ganz und gar auszuschließen.

HARTMANN, der in seiner Schrift über die dialektische Methode ebensowohl die Existenz als auch die Denkbarkeit des Widerspruchs ausdrücklich leugnete, hat in den späteren Auflagen seiner "Philosophie des Unbewußten" dieses Urteil gewissermaßen modifiziert. Freilich gilt ihm der Widerspruch noch immer als unlogisch (also wohl auch als undenkbar); aber dieses Unlogische wird doch als existierend anerkann vermöge des der logischen Idee entgegengesetzten Prinzips des Willens (31). Das Zugeständnis, das somit dem hegelschen System gemacht wird, enthält einerseits zu viel, andererseits zu wenig. Der Widerspruch im aristotelischen Sinn kann ebensowenig existieren wie gedacht werden - ich möchte fast sagen noch weniger; denn denken läßt sich, wenn nicht der Widerspruch, doch zumindest die Aufgabe, den Widerspruch zu denken (32); wogegen der Existenz als solcher keine solche Aufgabe zugeschrieben werden kann. Dagegen enthält allerdings die Existenz den Widerstreit und die Einheit Entgegengesetzter, und diese sollten also nach HARTMANN nicht im Wesen der Idee, sondern in einem unlogischen Prinzip gegründet sein. Daß nun der Wille in HARTMANNs System ganz und gar unlogisch und widersprechend ist, geben wir ohne Bedenken zu - ein Wille, der mit der Vollendung in einer untrennbaren Einheit ist, der nichts wollen kann, was nicht vorgestellt wird, und der doch keine Vorstellung als Inhalt hat, sondern nur seine eigene unendliche Unlust, ein Wille ferner, der nur durch den bestimmten Inhalt die Möglichkeit der Existenz erhält, und der doch schon vor Erreichung dieses Inhalts will, ohne zu sein und ohne etwas zu wollen, ein Wille schließlich, der, indem er um zu existieren, einen Inhalt ergreift, nur eben dieselbe "Vorstellung", ergreift, die schon ursprünglich mit ihm in einer untrennbaren Einheit verbunden ist (33) - ein solcher Wille ist ohne Zweifel nicht nur in einem hegelschen, sondern ebensowohl im aristotelischen Sinn unlogisch und widersprechend, d. h. widersinnig; daraus darf man aber nicht folgern, daß dieses Widersinnige das wahre Wesen der Welt ist, sondern nur, daß das System HARTMANNs unwahr ist. Übrigens ist das logische Prinzip HARTMANNs, die Vorstellung, ebenso unlogisch und widersinnig, wie der Wille. Es soll ohne den Willen gleich Nichts sein, und gibt doch dem Willen allen Inhalt, den er jemals besitzen kann. Und dann soll es wieder  nicht  alles enthalten, was vom Willen gewollt wird; denn nach Abzug des Logischen gibt es in der Erscheinung einen unlogischen Rest, das Zufällige, der also vom Willen gewollt wird, ohne jedoch von einem Logischen bestimmt zu sein. Das Unbewußte ist selbst der größte Widerspruch. Es soll die absolute Einheit und Harmonie seiner Attribute sein, so daß ihm gegenüber das Bewußtsein als Friedensstörer erscheint; und doch soll es sich ganz unabhängig von der Welt in einem Zustand absoluter Unseligkeit befinden, die wieder eben durch das Bewußtsein gehoben werden soll. In ihm sollen die Attribute in ewiger absoluter Einheit und doch wieder nicht ewig vereinigt sein, da sie sich erst im Akt vereinigen, durch welchen die Welt entsteht (34). Aus diesem Grundwiderspruch im Begriff des Unbewußten fließen alle übrigen Widersprüche des HARTMANNschen Systems her. Daß "ein bloß und schlechterdings Eines ein sich selbst aufhebender Unbegriff ist", hat HARTMANN richtig eingesehen (35); aber während er also mit Recht einen relativen, immanenten Dualismus als unentbehrliche Voraussetzung für die Wahrheit eines absoluten Monismus bestimmt hat, fehlt er selbst gegen diesen Grundsatz. Denn in einem  immanenten  Dualismus müßten die beiden Attribute nicht gleichgültig nebeneinander bestehen, um nur durch einen zufälligen Anlauf sich zu verbinden, sondern sie müßten ewig und wesentlich vereinigt sein. Und zufolge dieser Wesenseinheit müßte auch unbeschadet des Gegensatzes eine wirkliche  communicatio idiomatum  stattfinden, so daß die Vernunft durch ihre Einheit mit dem Willen energisch und der Wille durch seine Einheit mit der Vernunft vernünftig wäre. Der Wille, oder wie man sonst das der Idee entgegengesetzte Moment nennen wollte, wäre dann kein absolut Unlogisches oder Unvernünftiges, sondern vielmehr die von der logischen Idee selbst vorausgesetzte Bedingung ihrer Realisation. Andererseits müßte die Idee vermöge ihrer wesentlichen Verbindung mit dem Entgegengesetzten den Gegensatz in sich selbst enthalten. Dadurch wäre auch der Pessimismus, der eben in der vorausgesetzten absoluten Gegensätzlichkeit der beiden Prinzipien gegründet ist, aufgehoben oder vielmehr zu einem höheren und wahrhaften Optimismus verklärt, der nicht wie der eines SPINOZA oder LEIBNIZ das Böse zu einem bloßen  modus cogitandi  oder einem niedrigeren Grad von Realität reduziert, sondern seine Wirklichkeit anerkennt, ohne jedoch die Überzeugung aufzugeben, daß es sich am Ende als Mittel zur Realisierung der Idee erweisen muß. In der Tat muß auch nach HARTMANN der unvernünftige Wille dazu dienen, die Idee zu realisieren und ihr zum Bewußtsein ihrer selbst zu verhelfen; nur wäre es nach ihm besser gewesen, wenn diese Realisierung ewig ausgeblieben wäre. Aber diese Behauptung setzt ein völliges Verkennen des Geistigen voraus (man könnte sie die eigentliche Sünde gegen den Geist nennen) und würde ohnedies, ernsthaft festgehalten, unausbleiblich zum Selbstmord führen. (36)

Mit jener Anerkennung des Gegensatzes eines notwendigen Moments der Idee selbst wäre also der Grundgedanken HEGELs wieder in erneuerter Gestalt aufgenommen. In ihrer ursprünglichen Form kann freilich die Philosophie HEGELs nicht mehr festgehalten werden; der Satz des Widerspruchs muß ebensowohl in der Philosophie wie in der Wissenschaft überhaupt anerkannt und nur auf seine wahre Bedeutung zurückgeführt werden. Ferner wird man nunmehr schwerlich mit HEGEL all das, was sich nicht in das logische Schema einfügen läßt, geringschätzen, noch "die Ohnmacht der Natur, die Begriffsbestimmungen festzuhalten" zu Hilfe nehmen, um sich dessen zu entledigen. Es muß nämlich anerkannt werden, daß wir weder die Idee, noch die Erscheinungen hinlänglich durchschauen, um bei jeder Erscheinung zu erkennen, was in ihr von der Idee bestimmt ist oder nicht. Und selbst wenn wir es entscheiden könnten, würde doch immer ein zufälliger Rest, ich möchte mit HARTMANN sagen, etwas Unlogisches, zurückbleiben. Aber es gehört eben zur Unendlichkeit der Idee, daß sie sich selbst in diesem ihr entgegengesetzten Element realisiert oder daß dieses nur da ist, um von der Idee überwältigt und beherrscht zu werden.

Wir haben gesehen, daß der Satz des Widerspruchs nur eine rein formale oder analytische Bedeutung hat und daß durch ihn nichts bestimmt werden kann ohne die Hilfe eines gegebenen Inhalts. Es könnte scheinen, als wäre dadurch jede Möglichkeit abgeschnitten, durch dessen Hilfe eine Metaphysik zu gewinnen, da diese nicht ohne einen synthetischen Inhalt a priori denkbar ist. Allerdings wird in der gewöhnlichen Logik neben dem Satz des Widerspruchs und dem mit diesem im Grunde gleichgeltenden Satz der Identität auch der Satz des zureichenden Grundes als allgemeines Denkgesetz angeführt. Aber es kann in Frage gestellt werden, ob nicht dieser Satz, sofern er sich vom Satz des Widerspruchs unterscheidet, eigentlich nur eine aus der Erfahrung abstrahierte, also nicht denknotwendige Tatsache ist. Dies ist nicht nur die allgemeine Ansicht des Empirismus, dem jeder Inhalt nur als empirisch vorgefundener gilt; auch LOTZE scheint sich ihr gewissermaßen anzuschließen (37). Er leugnet freilich nicht, daß das Denken einen Trieb besitzt, der auch unabhängig von aller wirklichen Erfahrung zur Voraussetzung eines Zusammenhangs von Gründen und Folgen führen würde. Aber daß diese Voraussetzung sich bestätigt, daß das Denken in einem denkbaren Inhalt, den es selbst nicht macht, sondern empfängt und vorfindet, solche Identitäten oder Äquivalenzen des Verschiedenen antrifft, das ist nach LOTZE eine glückliche Tatsache, ein glücklicher Zug in der Organisation der Welt des Denkbaren, der tatsächlich besteht, aber nicht mit derselben Notwendigkeit bestehen müßte, wie die Geltung des Identitätsprinzips. Denkunmöglich wäre eine Welt gar nicht, in welcher jeder einzelne Inhalt mit jedem anderen so unvergleichbar wäre, wie  süß  und  dreieckig,  in welcher mithin jede Möglichkeit fehlen würde, Verschiedenes zur Begründung eines Dritten zusammenzufassen; wäre diese Welt, so würde zwar das Denken nichts mit ihr anzufangen wissen, aber es würde sie als eine nach seinem eigenen Urteil mögliche anerkennen müssen. Es ist nicht zu leugnen, daß in diesen Worten LOTZEs etwas Wahres liegt. Gegen die Möglichkeit einer solchen Welt wie die von LOTZE angedeutete läßt sich vom Standpunkt des rein formalen Satzes des Widerspruchs ebensowenig etwas einwenden, wie gegen die Möglichkeit dessen, daß überhaupt nichts wäre. Das aber muß behauptet werden, daß im einen wie im anderen Fall das Denken nicht nur "nichts anzufangen wissen" würde, sondern gar nicht existieren könnte, es sei denn als eine Anlage ohne jede Möglichkeit sich zu verwirklichen. Denn das Denken ist wesentlich ein Beziehen und Zusammenfassen von Unterschiedenem; wird jede Möglichkeit dieses Zusammenfassens aufgehoben, so ist damit das Denken selbst unmöglich gemacht. Wenn ferner JOHN STUART MILL (38) die soeben erwähnte zusammenhanglose Welt sogar vorstellbar findet, so ist auch dies insofern zuzugeben, als wir alle im Traum, zumindest partiell, eine solche besitzen. Aber auch  nur  partiell; denn bei totaler Zusammenhanglosigkeit der Vorstellungen würde sich der Traum nicht vom tiefsten Schlaf unterscheiden. Ferner können wir auch wachend eine solche Welt vorstellen, aber nur indem wir sie der wirklichen, "dem Satz des Grundes unterworfenen" Welt entgegenstellen; dagegen sie unabhängig von diesem Gegensatz vorstellen oder denken, ist ganz und gar unmöglich, weil jedes Vorstellen ein Beziehen von Unterschiedenem ist. Wenn also der Satz des Widerspruchs sich als rein formal erwiesen hat und daher unvermögend ohne Hilfe eines gegebenen Inhalts irgendeine Erkenntnis zu begründen, so haben wir im Denken selbst einen solchen Inhalt, der jedoch nicht empirisch ist, weil er die Voraussetzung jeder Empirie bildet. Daß sich auch das Denken zunächst als empirische Tatsache kund gibt, soll hiermit nicht geleugnet werden; aber diese Tatsache ist ganz apriorischer Natur als die notwendige Bedingung, ohne welche keine andere Tatsache erkannt werden könnte. Als a priori notwendige Wahrheit ergibt sich somit all das, ohne welches das Denken und das Erkennen nicht möglich wäre und die Aufgabe der Metaphysik ist eben, dieses Apriorische zu erforschen.

Daß schon die Möglichkeit der Erfahrung ein apriorisches Element in unserem Bewußtsein voraussetzt, hat KANT richtig eingesehen, und dadurch hat er den Empirismus im Grunde überwunden. Aber jenes richtige Hervorheben des Apriorischen in jeder Erkenntnis wurde von KANT wieder verfälscht, indem er zufolge seiner scharfen Entgegensetzung des Dings-ansich und der Erscheinung das Apriorische als nur subjektive Form bestimmte, die in das vom Ding-ansich stammende Material der Erkenntnis gleichsam von außen hineingelegt wurde, um es zum Gegenstand einer Erkenntnis zu machen. Während also KANT gegen den Empirismus die Möglichkeit einer Metaphysik festhielt, setzt er doch wieder als dessen Gegenstand nur das Apriorische in der  Erscheinung das nach ihm, eben weil es unserem Erkenntnisvermögen wesentlich angehörte, jede Erkenntnis des Dings-ansich verhinderte.
    "Die Ordnung und Regelmäßigkeit an den Erscheinungen, die wir Natur nennen, bringen wir selbst hinein, und würden sie auch nicht darin finden können, hätten wir sie nicht oder die Natur unseres Gemütes ursprünglich hineingelegt." (39)
Nach diesen Worten sollte man glauben, das ansich seiende Wesen der Welt sei ganz ordnungs- und regellos, so daß nur unser Erkenntnisvermögen durch die ihm eigentümlichen Formen Ordnung und Gesetz bringt in das ansich ganz ungeordnete Material unserer Erkenntnis, etwa wie die Spiegel eines Kaleidoskops die unregelmäßig durcheinander geworfenen Glasscherben regelmäßig geordnet erscheinen lassen. Diese Ansicht ist jedoch nicht einmal von KANT selbst genau festgehalten worden; denn wo er (auf praktischem Gebiet) dem Noumenon eine positive Bedeutung gibt, setzt er es stets als vernunftgemäße Ordnung. Daraus folgt aber offenbar, daß die Regelmäßigkeit, die wir in den Erscheinungen finden, nicht ausschließlich unsere subjektive Zutat, sondern ebensosehr im Wesen des Erkannten gegründet ist. So gewiß es ist, daß wir Ordnung und Regelmäßigkeit in der Natur immer finden würden, wenn nicht ein Streben, das Getrennte zur Einheit zu verbinden, schon ursprünglich unserem Geist innewohnen würde, ebenso gewiß ist es andererseits, daß jene Tendenz sich niemals realisieren würde, wenn nicht der gegebene Inhalt unserem Streben entgegenkäme. Diese Berichtigung der Ansicht KANTs scheint auch der eigentliche Sinn der oben zitierten Äußerung LOTZEs zu sein, die insofern ganz richtig ist, wenn man dabei nur bemerkt, daß der in den Erscheinungen gegebene Zusammenhang nicht bloße eine glückliche Tatsache ist, sondern vor Allem eine notwendige Bedingung des Denkens und Erkennens. Daß diese Bedingung auch als Tatsache gegeben und als ein Denken möglich ist, das beweist eben, daß die Formen unseres Erkennens nicht ausschließlich subjektiv, sondern ebensosehr im Wesen der objektiven Wirklichkeit gegründet sind. Indem dies zugegeben wird, gewinnt auch die Metaphysik eine höhere Bedeutung als bei KANT; wenn sie auch unmittelbar nur die notwendigen Bedingungen der Erscheinung zu entwickeln hat, so muß sie doch am Ende zu der Einsicht führen, daß die Erscheinung selbst nur denkbar ist unter der Voraussetzung, daß sich ein Wesen in ihr betätigt und offenbart.

Eine Metaphysik in der hier angegebenen Bedeutung würde sich der spekulativen Logik HEGELs insofern anschließen, als sie die notwendigen Denkbestimmungen des Seienden dialektisch zu untersuchen und zu entwickeln hätte, d. h. die Bestimmungen, welche dem Seienden, insofern es denkbar sein soll, notwendig und wesentlich zukommen müssen. Dagegen würde sie umso weniger den Satz des Widerspruchs in dessen echter, aristotelischen Bedeutung leugnen, als dieser Satz das notwendige formale Kriterium aller Denkbarkeit ist. Andererseits würde sie ebensowenig Anspruch darauf machen, aus einer leeren Form wie dem leeren Begriff des Seins oder dem Satz  A = A  herauszukonstruieren. Nicht das leere Sein oder die Identität als solche, sondern die in der Natur des Denkens gegebene Tatsache, daß wir jenes leere Sein nur denken können, indem wir es einem (relativ) Nichtseienden, jene Identität nur, indem wir sie dem Unterschied gegenüberstellen und daß also jene Begriffe für das Denken wesentlich durch die Entgegengesetzten vermittelt und bedingt sind, kann ein dialektisches Fortgehen zu reicheren Denkbestimmungen begründen. Es kann in Zweifel gezogen sein, was wir nicht schon ohne sie besitzen. Aber schon dies, zu wissen, was man besitzt und mit welchem Recht man es besitzt, ist, zumindest in der Wissenschaft, nicht geringer zu schätzen als der Besitz selbst.
LITERATUR - Jacques Borelius, Über den Satz des Widerspruchs und die Bedeutung der Negation, Philosophische Monatshefte, Bd. 17, Leipzig 1881
    Anmerkungen
    1) ARISTOTELES, Metaphysik 1010 a. 35.
    2) MULLACH, Fragmenta, Seite 119
    3) Der letztere Satz wird im Folgenden ausführlicher entwickelt werden.
    4) PLATO, Sophistes, Seite 256
    5) Daß PLATO in seinen Schriften stets die Gültigkeit des Satzes des Widerspruchs voraussetzt (wie besonders HARTMANN in seiner "Kritik der dialektischen Methode", Seite 7, bemerkt hat), ist keineswegs zu leugnen; aber die Stellen, auf welche sich HARTMANN beruft, enthalten zum Teil eine Einmischung des Satzes vom zureichenden Grund oder der Ideenlehre, wodurch die wahre Bedeutung des Satzes verunreinigt wird. So z. B. die auch von HERBART (Werke I, Seite 80) angeführte Stelle im  Phaedo (103. C): medepote enantion heauto to enantion esesthai. Hier deutet schon das Futur  esesthai  an, daß nicht nur das Seine, sondern auch das  Werden  des Entgegengesetzten aus dem Entgegengesetzten geleugnet wird; und dieses geht noch deutlicher hervor aus den vorhergehenden Worten: hoti auto to enantion heauto enantion ouk an pote genoito. Ferner aber wird in diesen Worten  auto to enantion  ausdrücklich vom  pragma enantion  unterschieden. Nur in Bezug auf das Erstere wird hier ausdrücklich und unbedingt behauptet, daß es niemals sein Gegenteil werden oder darin übergehen kann: die Wärme ansich kann niemals kalt, das Leben ansich niemals tot werden. Dagegen können die Dinge, die wegen ihrer Teilnahme an der Wärme oder dem Leben warm oder lebendig genannt werden, ins Gegenteil übergehen, wenn sie nicht etwa so beschaffen sind, daß sie, so lange sie sind, eine gewisse Form behalten, wie z. B. das Feuer die Wärme und die Seele das Leben. Eine andere, ebenfalls von HARTMANN angeführte Stelle (Republik 436 B) bezieht sich ausdrücklich auf ein  poiein he paskein,  also auf das Verhältnis der Kausalität und setzt also allerdings den Satz des Widerspruchs voraus, ohne ihn jedoch bestimmt zu formulieren.
    6) ARISTOTELES, Metaphysik Γ 3. 1005 b. 19f.
    7) ARISTOTELES, a. a. O. 1005 b. 27
    8) Scholia in Aristotelem ed. Acad. Boruss. 651 b. 23. Vgl. "De sophisticis elenchis", Seite 167 und 23.
    9) Nach SIGWART (Logik I, Seite 146) hat ARISTOTELES mit dem Satz des Widerspruchs unmittelbar nur die Natur unseres Denkens treffen wollen; dieses soll sich sogar schon daraus ergeben, daß die Verneinung nur in einer über das Seiende hinausgehenden Bewegung unseres Denkens wurzelt. Wir lassen vorläufigt diese nominalistische Auffassung des Begriffs der Negation dahingestellt sein; so viel ist doch gewiß, daß sie nicht die des ARISTOTELES ist, wie schon aus dem Begriff der  steresis  hervorgeht. Nach ARISTOTELES ist überdies die Wahrheit unserer Urteile wesentlich dadurch bedingt, daß sie das verbinden, was in den Sachen verbunden, und das trennen, was in ihnen getrennt ist (Metaphysik Θ 10. 1051. b. 2); in den Sachen selbst ist also die Getrenntheit, die wir im negativen Urteil von ihnen prädizieren. Und er setzt ausdrücklich hinzu: "nicht weil wir richtig glauben, jemand sei weiß, ist er weiß, sondern weil jemand weiß ist, reden wir wahr, wenn wir sagen, er sei weiß." Die Übereinstimmung mit der objektiven Natur der Dinge ist es also nach ARISTOTELES, was unseren Gedanken ihre Wahrheit gibt. Übrigens bemerkt SIGWART richtig, daß bei ARISTOTELES die subjektive (logische) und die objektive (metaphysische) Ausdrucksweise für den Satz des Widerspruchs im Grunde dasselbe sagen; dieses ist aber nur denkbar unter der Bedingung, daß die Bedeutung des Satzes ebensosehr objektiv wie subjektiv ist.
    10) PLATON, Republik 477 A; Tim. 29 C.
    11) PLATON, Phädo 66 B. Vgl. ZELLER, Philosophie der Griechen II, dritte Auflage, Seite 618.
    12) PROCLI commentarii in Parmenidem VI. 44
    13) KANT, Kr. d. r. V. (Ausgabe ROSENKRANZ), Seite 450
    14) Die erste dieser drei Erklärungsweisen war unter den Zeitgenossen SPINOZAs die gewöhnliche und hat offenbar den Vorwurf des Atheismus veranlaßt; sie findet sich nicht nur bei BAYLE (vgl. KUNO FISCHERs Geschichte der Philosophie, Bd. I, Seite 325), sondern auch bei MALEBRANCHE, der, je näher er in seiner ganzen Denkrichtung SPINOZA stand, umso mehr es nötig fand, sich (freilich ohne SPINOZA ausdrücklich zu nennen) gegen die Gottlosigkeit zu verwahren, nach welcher die Dinge in der Welt "Teile oder Modifikationen Gottes" sein sollten (Entret. XI, Seite 2). Die zweite ist zu unserer Zeit von ERDMANN versucht worden; ihre Unvereinbarkeit mit den eigenen Worten SPINOZAs hat aber K. FISCHER schlagend nachgewiesen. Aber auch die dritte von FISCHER selbst gegebene Erklärung drückt sehr unvollkommen die Denkweise SPINOZAs aus. Denn  1)  ist es ganz unspinozistisch, wie FISCHER es tut (Seite 284), die eine Substanz in eine Vielheit von Attributen sich  entfalten  zu lassen; von einer Entfaltung der Substanz weiß SPINOZA gar nicht.  2)  Ebenso unspinozistisch ist es, das Wesen der Attribute aus dem Begriff der Kraft zu erklären; vielmehr, wenn bei SPINOZA Ausdrücke vorkommen, die auf diesen Begriff bezogen werden können, z. B.  potentia (Eth. I. prop. 34),  conatus (IV. prop. 22),  vis (IV, 5, 6), wird immer die Kraft durch das Wesen (die Essenz) erklärt.  3)  So gewiß es ist, daß SPINOZA der Substnz Wirksamkeit zuschreibt, so gewiß ist es auch, daß keine Wirksamkeit ohne Determination zu denken ist. Nach SPINOZA ist aber die Substanz absolut indeterminiert und folglich kann er nur durch eine unbewußte Subreption [bewußt fehlerhafter Schluß auf falsche Voraussetzungen - wp] die Wirksamkeit von ihr prädizieren.
    15) NIKOLAUS von KUES, Opera Basileae 1865, Seite 252, 125, 144, 262, 570
    16) JAKOB BÖHME, Der Weg zu Christo VII. 1. Quaest. theos. 3. Drei principia, And. der Titelfig. Aurora 2; 36-40. Von sechs Punkten, 3, 1.
    17) EDUARD von HARTMANN, Gesammelte Studien und Aufsätze gemeinverständlichen Inhalts, Seite 568
    18) Wir erinnern in dieser Hinsicht an eine Stelle in der "Phänomenologie des Geistes" (Werke II, Seite 89-93), wo HEGEL die Ansicht widerlegen will, daß der Widerspruch im Begriff des Dings durch das Hervorheben verschiedener Rücksichten oder verschiedener "Insofern" vermieden werden kann. Das Resultat der Erörterung ist, daß alle diese Unterschiede am Ende wegfallen, und daß der Gegenstand vielmehr in  ein und derselben Rücksicht das Gegenteil seiner selbst ist: für sich, insofern er für Anderes, und für Anderes, insofern er für sich ist. Es ist offenbar, daß hier statt der nur formalen Negation des Seins für sich eine reale untergeschoben ist. Daß etwas in derselben Bedeutung und derselben Hinsicht für sich ist und nicht für sich ist, das ist ein Widerspruch im aristotelischen Sinn, und folglich widersinnig; dagegen läßt es sich sehr gut denken, daß es ebenso sehr für Anderes als für sich ist. Will man ferner festhalten, daß jedoch auch in diesem Fall der Widerspruch nur durch das Geltendmachen verschiedener Rücksichten vermieden werden kann, die eben von HEGEL verleugnet worden sind, so bemerken wir, daß eben dieses Leugnen der verschiedenen Rücksichten durch einen Paralogismus hervorgebracht wird, indem das Wort  insofern in zweifacher Bedeutung benutzt wird. "Insofern" kann eine notwendige Verknüpfung bedeuten, und in dieser Bedeutung ist es kein Widerspruch im aristotelischen Sinne, daß der Gegenstand nur für sich sein kann, insofern er zugleich für Anderes ist, d. h. daß sein Sein für sich und sein Sein für Anderes sich einander gegenseitig bedingen. Soll dagegen "insofern" dasselbe bedeuten, wie in ein und derselben Hinsicht oder in ein und derselben Beziehung, so ist es freilich nicht nur widersprechend, sondern auch widersinnig, zu behaupten, daß er für sich ist, insofern er für Anderes ist; denn schon in den Worten  für sich und  für Anderes ist die Verschiedenheit der Rücksichten (Beziehung auf sich und Beziehung auf Anderes) ausgesprochen.
    19) HEGEL, Werke I, Seite 80 und 81
    20) Der Begriff der absoluten Position wird bei HERBART dadurch gewonnen, daß es sich als unmöglich zeigt, alles Sein zu leugnen, weil ohne ein Sein auch kein Schein existieren könnte. Indem also das Anerkennen des Seins mit dem Anerkennen eines absolut zu ponierenden zusammenfällt, wird das Sein als absolute Position bestimmt. Nachdem aber so einmal das Wort gefunden ist, wird dessen Bedeutung plötzlich ganz verkehrt. Während es zunächst nur das Anerkennen bezeichnet, daß Etwas überhaupt als seiend gesetzt werden muß, verwandelt es sich für HERBART in eine Bestimmung der Qualität des Seienden und nur durch diese Subreption gelant er zu dem Resultat, daß diese Qualität absolut einfach, ohne jede Quantität, Relation und Negation ist.
    21) HERBART, Werke IV, Seite 7 (vgl. Werke II, Seite 240).
    22) HERBART, Werke I, Seite 264
    23) Dieses ist meines Erachtens der Sinn des verrufenen hegelschen Satzes, daß das reine (d. h. abstrakte) Sein = Nichts ist. Derselben Gedanke findet sich übrigens schon im platonischen  Sophistes 245 C, D.
    24) SPINOZA, Epistolae, XXXIV, 8.
    25) HERBART, Werke III, Seite 123
    26) SIGWART, Logik I, Seite 120, 79, 127, 128.
    27) WUNDT, Logik, Seite 190.
    28) Vgl. JOHN STUART MILL, System of Logic II, Seite 278 (deutsche Übersetzung Seite 301). HIPPOLYTE TAINE, Der Verstand II, Seite 255.
    29) Vgl. SPINOZA, Briefe 41, 50.
    30) TRENDELENBURG, Logische Untersuchungen II, zweite Auflage, Seite 147. Daß SIGWART nichtsdestoweniger (Logik I, Seite 128) die Erörterung TRENDELENBURGs zugunsten seiner Ansicht gedeutet hat, ist nur durch ein Übersehen dieser und ähnlicher Äußerungen zu erklären.
    31) EDUARD von HARTMANN, Philosophie des Unbewußten, sechste Auflage, Seite 780 und 803. Eine Andeutung dieser letzteren Ansicht tritt schon in der Abhandlung über die dialektische Methode Seite 74 hervor, aber nur hypothetisch, unter der (in derselben Schrift ausdrücklich bestrittenen) Voraussetzung, daß der Widerspruch wirklich existiert. - Nachdem dieser Aufsaz schon für den Druck gesetzt war, erschien in den "Philosophischen Monatsheften" (1881, IV und V) eine Abhandlung von HARTMANN, wo er (Seite 256) ausdrücklich erklärt, daß der Widerspruch in der Wirklichkeit ebenso unmöglich ist, wie im Denken. Es scheint also, daß wir die oben angeführten Stellen in der "Philosophie des Unbewußten" mißverstanden haben und daß er die in seiner Schrift über die dialektische Methode ausgesprochene Ansicht über den Widerspruch noch immer festhält. Was bedeutet aber dann der Ausdruck, daß "der Widerspruch des Logischen sich immer nur an einem vorgefundenen Unlogischen entzünden kann?" Mir ist es zumindest unbegreiflich, wie ein Unmögliches "sich entzünden" oder irgendeine andere Wirksamkeit ausüben kann.
    32) Wie HARTMANN selbst bemerkt hat. (Über die dialektische Methode, Seite 73)
    33) Vgl. von HARTMANN, Philosophie des Unbewußten, achte Auflage, Seite 101-103, 370, 793-95.
    34) HARTMANN, a. a. O., Seite 780, 537, 753, 795, 796, 814.
    35) HARTMANN, a. a. O., Seite 815
    36) HARTMANN versucht freilich, diese Konsequenz seines Systems zu vermeiden, indem er Seite 759 bemerkt, der alleinige Wille finde sich nach dem Selbstmord in keiner anderen Situation, als wenn ein Mensch durch einen Dachziegel totgeschlagen werde; er fahre nach wie vor fort, das Leben zu packen, wo er dasselbe findet; denn Erfahrungen machen und durch Erfahrungen klüger werden, kann er nicht. Ganz dasselbe gilt aber von jener universellen Willensverneinung, die HARTMANN als das Ziel des Weltprozesses setzt. Auch nach dieser Willensverneinung bleibt ja der Wille ebenso unselig wie vorher, und für diese unendliche absolute Unseligkeit des leeren Wollens ist es ganz gleichgültig, ob neben ihrer durch keine noch so geringe Lust gemilderten Unseligkeit eine Welt von Qual und Lust besteht oder nicht (Seite 796). Das Unbewußte fällt also nach HARTMANN selbst rettungslos der Unseligkeit anheim; nur für das Individuum gibt es eine Rettung durch den Tod. Hierdurch zeigt sich die Vernichtung des Individuums als das einzige Ziel, das erstrebt werden kann, wogegen die allgemeine Erlösung als nur illusorisch gesetzt werden muß.
    37) HERMANN LOTZE, System der Philosophie I, Logik, Seite 90
    38) MILL, System of Logic II, Seite 98 (deutsche Übersetzung, Seite 108).
    39) KANT, Kr. d. r. V. (Ausgabe Rosenkranz) Seite 112