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Der Rechtsbegriff als Relationsbegriff [2/2]
II. Mit dieser "Relationserkenntnis" haben wir in unserer Betrachtung nur den ersten Schritt gemacht. Es gilt, den gewonnenen und erkannten Begriff auch anzuwenden; mit anderen Worten: es gilt die Punkte zu finden, von denen aus die Beziehungen geknüpft und die miteinander verbunden werden müssen. Und auch hier sind wieder größere methodologische Schwierigkeiten zu überwinden, denn größer als irgendwo ist an dieser Stelle die Gefahr, in den Bereich der philosophischen Spekulation überzugreifen. Relationen können ja mannigfache Art haben, z. B. räumliche, zeitliche, logische, kausale, modale (57) Gemeinsam ist ihnen allen, daß sie die Vorstellung von Objekten oder zumindest einem Objekt voraussetzen (58). Von diesem Objekt aus müssen sich die Beziehungen knüpfen lassen. Nun ist gegen die Anwendung irgendeiner der genannten Relationen für unseren Stoff, das Recht, an und für sich nichts einzuwenden. Ich wüßte nur nicht, wozu hier die Anwendung der Relation von Raum und Zeit helfen könnte; fruchtbarer ist schon die Anwendung als logische Relation im engeren Sinne, als "zusammenfassendes, sonderndes und vergleichendes Denken" (59), das ja wohl, wie die Logik beim Aufstellen des Begriffs überhaupt, auch für die Anwendung anderer Relationen eine technische Voraussetzung und Hilfe bieten muß. Auch die Anwendung der Beziehungen von Ursache und Wirkung, von Mittel und Zweck" (60) ist natürlich möglich, allerdings erheben sich hiergegen große und schwerwiegende Bedenken! Zunächst ist die innige Verwandtschaft der "Unterrelationen" von Kausalität und Telos heftig geleugnet und bekämpft worden! (61) Aber diese Beziehung ist unstreitig vorhanden, ja man muß sagen, daß insbesondere das Zweckprinzip geradezu die Kausalität in sich einschließt. Diese Feststellung erscheint deshalb als so bedeutungsvoll, weil das "Substratobjekt" für die teleologisch-kausale Vorstellung stets als Mittel zur Wirkung betrachtet werden muß, an dieses Substratobjekt aber nunmehr Beziehungen geknüpft werden, die auf einem Grund und Boden verankert sind, von dem ich glaube, daß ihn der Jurist nun einmal nicht betreten darf. Immer wieder hören wir von Juristen (nicht von Theologen!), daß das Recht für einen Zweck gehört (62), daß dieses und jenes im Recht aus jenen Zweckgründen soundso normiert usw. Ohne weiteres erklären wir, daß diese Art des beziehenden Denkens möglich ist, für den Spekulanten, der sie anstellt, in mancher Hinsicht nützlich sein kann, vorausgesetzt, daß hinter all diesen Zweckrelationen eine sie wollende Macht: Gott, die Natur, die Vorsehung oder sonst was steht (63). Im Bannkreis rein juristischer Anschauung können wir aber diese Macht, geschweige denn ihr Zweckwollen nimmermehr erblicken; denn das ganze Problem ist mit Recht als ein "metajuristisches" bezeichnet worden (64). Die "historische Schule" und der "Positivismus" operieren hier vor allem mit dem Begriff der "Rechtsordnung", d. h. einer Ordnung, welche die Lebensverhältnisse in einer bestimmten Weise, eben in "juristischer" zu leiten und zu regeln hat. Obwohl nun an dieser Stelle noch nicht auf derartige juristische "Grundbegriffe" eingegangen werden soll, so mag doch gesagt sein, daß eine solche "Rechtsordnung" keineswegs in dem Sinne "vorausgesetzt" oder "gegeben" zu sein scheint (65), daß "aus ihr" auf die formale Natur oder Struktur des Rechtsbegriffs irgendwelche Schlüsse überhaupt gezogen werden könnten (66). Anders natürlich bei einer gewissen psychologischen Betrachtungsweise. Jetzt ist diese "Rechtsordnung", weit davon entfernt, ein logisches a priori zu sein, Gebilde einer kausalen Denkweise. Das objektive Recht als Grund und Ursache von Einzelrechtsbegriffen, von Rechtssätzen und Rechtsnormen ... das ist immer die "rein geistige Schöpfung von uns" (67), mittels derer wir die rein empirischen Erscheinungen der Rechtswelt in einem von vornherein gefaßten Urteil als "Folge" und "Wirkung" erkennen wollen. Ob wir aber ein derartiges "Urteil von vornherein" als Juristen fassen sollen und dürfen, bleibt mehr wie fraglich. Freilich, soweit wir es mit Tatsachen, mit "äußerem Geschehen" im Recht zu tun haben - und dies ist ja nicht selten - haben wir das Kausalgesetz anzuwenden und mit ihm als einem Naturgesetz zu rechnen. Soweit wir dies unter "juristischer Kausalität" verstehen, ist gegen den Begriff und seine Verwendung nichts einzuwenden; aber dieses Problem hat nichts mit dem von ZITELMANN, SCHLOSSMANN und uns aufgeworfenen zu tun. Wir protestieren lediglich vom juristischen Standpunkt aus (68) gegen die "übertragende Anwendung des Kausalgesetzes" auf eine bestimmte Form des beziehenden Denkens, das á tout prix [um jeden Preis - wp] einen Oberbegriff schaffen will, der, für die juristische Denkweise unkontrollierbar, etwas Außenstehendes, Höheres und - für gläubige Herzen - deshalb auch Souveränes bildet. - Nur exempli causa [beispielsweise - wp] ist die mit Zuhilfenahme der Kausalbetrachtung entstandene "Rechtsordnung" von mir angeführt worden und ich selbst mußte, um darzutun, unter welchen Voraussetzungen ein bestimmtes Resultat (die Rechtsordnung!) in einer bestimmt gegebenen Denkweise erreicht wurde, psychologisch zu Werke gehen, nicht etwa um zu einem positiven Endziel meinerseits zu gelangen, sondern bloß um zu zeigen, daß das psychologische Ziel durchaus kein juristisch wirkliches ist und daß es uns hierum ganz besonders zu tun ist, muß von Anfang an mit Schärfe betont werden. Die von juristischer Seite aus nur als irrig anzusehende psychologische Betrachtungsweise des Rechts unternimmt es auch an dieser Stelle immer wieder, den Willensbegriff in die Erörterung zu ziehen und auch hierbei wird und muß - fälschlicherweise - die Kausalrelation verwendet werden. Wenn wir uns zunächst fragen, woher es denn kommt, daß man immer wieder psychologische und juristische Betrachtung kombiniert (69) und geglaubt hat, insbesondere auf psychologische Weise zu für die Jurisprudenz unbedingt gültigen Resultaten zu gelangen, wie ein Forscher von der Denk- und Gestaltungskraft ERNST ZITELMANNs seine grundlegende Untersuchung über "Irrtum und Rechtsgeschäft" eine "psychologisch-juristische" nennen konnte, wie man neuerdings sogar von den "psychologischen Grundlagen des Rechts" (70) und von "panpsychologischen" (71) Methoden der Jurisprudenz gesprochen hat, so ist wohl zu beachten, daß der Jurist wie auch der Psychologe bei ihren wissenschaftlichen Spaziergängen von demselben Terrain ausgehen. Das Versuchsobjekt ist zunächst immer das tatsächliche Geschehen, Tatbestand, Handlungen und Bewegungen, eben die Wirklichkeit. Wir haben nun aber schon in der Einleitung konstatiert, daß der Jurist diese "Wirklichkeit" nicht so ohne weiteres verarbeitet. Anders der Psychologe, der seine "Gesetze" unmittelbar aus der "Wirklichkeit", aus dem psychischen "Sein" schöpft. Denn auch die Psychologie ist eine Naturwissenschaft wie die Geometrie und die Zoologie, und auch die psychologischen "Gesetze" sind echte Naturgesetze, alle psychologischen Begriffe "Naturbegriffe", deren Bildung nur auf dem Weg eben naturwissenschaftlicher Methodik möglich ist. (72) Die psychologischen Gesetze sind niemals zu identifizieren mit Rechtssätzen und umgekehrt! Freilich habe "psychologische Gesetze" und "Rechtssätze" das gemeinsam, daß sie auch keine "Normen", etwa im Sinne von Ethik oder Ästhetik sind (73). Mit der Erklärung von Naturproblemen, von äußeren Geschehnissen, Tatbeständen und Handlungen als solchen gibt sich das Recht nicht ab; die Tatsachen existieren für den Juristen nicht um ihrer selbst willen, sondern sie werden von ihm in einer spezifischen Weise verwendet, gleichviel, ob seine "Analyse" in dem Sinne richtig oder falsch ist, daß ihr im Seelenleben des Menschen konkrete Vorgänge entsprechen oder nicht. Wenn nun die Psychologie vom "Willen" spricht, so meint sie doch damit nichts anderes als die bestimmte Erklärung eines Vorgangs in der Psyche des Menschen, eines Vorgangs, der sich bis zur Handlung, der Willenshandlung verdichten oder auch bloß in einem emotionalen Reiz bestehen kann. Der Wille ist hier nichts weiter als die Ursache der Bewegung (kausal !) und man wird in der Regel auch sagen können, daß er die Erklärung eines gewissen Erfolges ist (teleologisch!). Beides ist für die Jurisprudenz irrelevant, zumindest in dem Sinn, daß sie aus psychologischen Willenshandlungen als solchen niemals etwas rein Juristisches folgern kann, wenn sie auch den "Willen" im psychologischen Sinn wie ein anderes Tatsachen- oder Tatbestandsmaterial zu begreifen und zu benutzen Gelegenheit hat. Eine andere Bezugnahme und eine anders geartete Auswertung des "Wollens als inneren Seelenzustand" (74) für juristische Zwecke kann für die Rechtswissenschaft nur von bedenklichen Konsequenzen sein, wie nicht nur ein Einblick in unsere Strafrechtslehre, sondern auch die Betrachtung des berühmten zivilistischen Streits über Willens- und Erklärungstheorie dartut. (75) Nach der Ablehnung der Verwendung der Kausalrelation für die Jurisprudenz ist uns, da wir SIGWARTs Einteilung der Relationen gefolgt sind, nur mehr die letzte Gruppe übrig geblieben. Es sind diejenigen Relationen, die SIGWART zuletzt aufführt (76), und "mit einer Erweiterung des kantischen Sprachgebrauchs" die "modalen" nennt. In der Tat scheint die gedankliche Tiefe dieser Art von Verhältnisbetrachtung Schätze zu bergen, die zu heben es auch den Juristen verlocken vermag! Wird der Erfolg die Mühe lohnen? Die schwierige und meines Wissens von Juristen nur ganz vereinzelt versuchte Behandlung der Frage darf ein ausführlicheres Eingehen im Rahmen einer Skizee rechtfertigen, deren endliches Problem mit ihrer Lösung, wie wir sehen werden, auf das Engste zusammenhängt.
Neuestens für PHILIPP HECK (82) aus:
![]() Man sieht schon auf den ersten Blick bei der nüchternen Aufzählung von Anschauungen, daß die "modalen Relationen" von großer Verwendungsmöglichkeit sein können und daß sie bewußt und unbewußt zur Aufdeckung und Lösung der schwierigsten und größten Probleme, vor allem zur Erforschung der Rechtsbedeutung von Wille und Ursache, Zweck, Interesse, von Norm, Rechtssatz, objektivem und subjektivem Recht verwendet wurden. - Um mit SIGWART, dem Vater des Gedankens der modalen Relation oder zumindest seinem Stiefvater (84), zu beginnen (85), so ist zu beachten, daß er für die Rechtsbegriffe, die er, wie schon erwähnt, zu den "komplexen Relationsbegriffen" zählt, mehrere Relationen angewendet wissen will (86). Daß er hiermit das Recht als ein besonderes und äußerst kompliziertes Gebilde erkennt, darauf soll an dieser Stelle nur verwiesen werden. Natürlich finden auch die modalen Relationen auf das Recht Anwendung. Die Abgrenzung, die SIGWART für die modalen gegenüber den kausalen Relationen sucht, ist für das "Recht" durchaus verwendbar.
Ist er das aber noch in dem Teil seines Buches, in dem MAIER das volitive Denken und insbesondere die Rechtssätze bespricht? Keineswegs! Hier ist der Mittelpunkt der Betrachtung, sozusagen erste Voraussetzung für die Relationsvorstellung der "Gebotsteller". Funktion ist das Begehren (des Gebotstellers!), Funktionsobjekte niemand anderes als die Rechtsunterworfenen, die Begehrungsobjekte, die Menschen! Nun ist es ja denkbar, daß der "Gebotsteller" ein den psychologischen Gesetzen unterworfener Mensch sein kann (etwa der autokratische Herrscher) oder daß sich, was allerdings schon schwieriger ist und ein Spiel des Zufalls bleibt, die Begehrungsvorstellungen der Menschen, die kollektiv den Gebotsteller bilden, auf die nämlichen Objekte vereinen . . . Aber der prinzipielle Ausgang vom "Begehrungsvorstellen" eines recht mystischen Gebotstellers wird selbst auf psychologischem Gebiet eine eigenartige und kühne Spekulation bleiben, die sich in der Tat in Regionen bewegt, zu denen aufzuschwingen sich mancher Psychologe, geschweige denn der an der Erde haftende Rechtswissenschaftler nicht getrauen wird. Meiner Auffassung nach ist MAIER geradezu zu einer Umkehrung von SIGWARTs Idee, zumindest auf dem Gebiet der Rechtssätze gelangt. Er betrachtet wohl die Wirkungen der Gebotsvorstellungen auch von der anderen Seite aus, von der der Gebotsadressaten. Im Bewußtsein der letzteren wird die Gebotsvorstellung in normaler Weise als Reiz wirken, ja sie wird sogar eine sofortige Willenshandlung veranlassen (87). Jedenfalls aber wird sich eine Begehrungstendenz entwickeln, die sich "normalerweise" auf die Erfüllung des Willens des Gebotstellers richtet und als Mittel hierzu wird begehrt: "die Realisierung der gebotenen Handlungen". Es stellt sich also auch ein Begehren im Gebotsadressaten ein! Der ganze Vorgang ist mit einem Ballspiel zu vergleichen; denn der Gebotsteller wirft den Ball, der Ball fliegt und der Adressat springt hinzu und hebt ihn auf! Nur daß ein solches Ballspiel in der Regel, d. h. im Vertrag der Spieler, ihre jeweiligen Begehrungstendenzen in einer bestimmten Weise auf den Ball zu vereinen, seine psychologische Begründung findet. Wo aber ist diese Regel für den Gebotsteller zu finden, dessen "Objekt" zunächst ja nur ein gewünschtes, begehrtes ist, der seine Gebote, nach MAIER, ohne Rücksicht auf irgendeine Wirkung, die über die bloße Beziehung und Anknüpfung des Adressaten hinausgeht, erläßt? Und wie kommt es, daß sich - normalerweise - das Begehren des Adressaten mit dem Willen des Gebotstellers deckt!? - Es ist kein Zweifel, daß das Begehren ZITELMANNs dagegen vom "erlebenden Ich" ausgeht und daß es, grob gesprochen, der "Mensch als Subjekt" ist, ja die Seele des Menschen, die einzig der Lust- und Unlustgefühle teilhaftig werden kann, aus denen sich dann "Begehrungen" entwickeln. Und es ist weiter klar - eine Folgerung, die ZITELMANN zwar nicht unmittelbar zieht, die aber für unsere Zwecke zu ziehen ist -, daß das begehrte Objekt, weil es eben die Möglichkeit der Aufhebung der Unlust bietet, das Funktionsobjekt ist, das eine von uns herbeigesehnte Wirkung ohne jeden Einfluß eines Kausalgesetzes eintreten läßt - eine Wirkung, deren Endpunkt in ihrem Anfangspunkt, wie ZITELMANN ganz richtig behauptet, gesetzt ist, so daß es eben nur im Begehrungsvermögen des Subjekts und einer schon im Vornhinein von diesem begehrten und bewerteten Eigenschaft des Objekts besteht. Dieses "Begehren" ZITELMANNs ist die "Modalrelation" SIGWARTs in reinster Form. In ihr schließt sich der "Reigen", der von der Ausgangsperson, dem "Subjekt", dem psychologischen metron [Maß - wp] über die Funktion zum Objekt und von diesem direkt auf das Subjekt zurückführt. Ebenso wie das Begehren ZITELMANNs ist aus dasjenige PHILIPP von HECKs ein psychischer Vorgang, der nicht der Seele eines fernen "übergeordneten" Gebotstellers imputiert [hineinversetzt - wp] wird, sondern sich in der Brust eben desjenigen Individuums vollzieht, welches Recht begehrt! Von psychologischer Seite aus erscheinen mir ZITELMANNs und HECKs Darlegungen als kaum anfechtbar, wenngleich es auch ein leises Bedauern erwecken mag, daß der ansich so fein und scharf geschliffene Gedanke der Begehrungstendenz bei den Gelehrten dadurch abgestumpft wird, daß ZITELMANNs Begehren in die "Kategorie" von Zweck und Mittel, HECKs Begehrungsdisposition auf ein sehr prosaisches Interesse einmündet. Zugegeben, daß die von ZITELMANN gefundene Zweckkategorie etwas anderes bedeutet als die von mir oben erwähnte schlechthin kausale (88), daß der nicht im Endpunkt, dem Ziel von ZITELMANNs "Begehrungsreihe" liegende Erfolg das wichtige Moment bildet, also nicht die Funktion und noch weniger das Funktionsobjekt, sondern das Funktionieren, so ist trotzdem wiederum zu überlegen, daß es sich letztlich ja doch nur um die "Kategorien von Zweck und Mittel" handelt, gegen welche sich schon alle früher geäußerten Bedenken ungeschmälert erheben. Allerdings ist hier sowohl das eine wie das andere Beziehungsglied im Wesen des erlebenden Objekts gefunden: "In seiner Brust, in seines Schicksals Sterne!" Und es mag die vornehmste Aufgabe der Psychologie bleiben, aus dem Schicksal, dem äußeren Geschehen, mit möglichster Abstraktion des Kausalgesetzes das "Wollen, Wünschen und Begehren" der Menschenseele aufzudecken. - Beim Problem der Schuld und manch anderen wird sich die Jurisprudenz gern von der Psychologie beraten lassen und sich ihrer Kunst erfreuen, in der Methodik wird sie ihr aber nach wie vor ablehnend zu begegnen haben (89). ![]() Wird es nun gar keine unmittelbare Verwendung der Modalrelation im Recht geben? Wird sich diese immer nur als psychologisch fruchtbar erweisen? Da ist zunächst, ohne an dieser Stelle die Frage schon endgültig beantworten zu wollen, zu sagen, daß die Modalrelationen, worauf schon in der Einleitung hingewiesen wurde, gewiß auch auf dem allgemeinen Gebiet der "historischen Wissenschaften" ihre ausgezeichnete Verwendung finden. Was die Rechtsbegriffe anbelangt, so genügt uns einstweilen die Vorstellung, daß es ja gar nicht notwendig wäre, daß wir Objekte "wollen, wünschen und begehren"; es wäre hinreichend, wenn wir uns vergegenwärtigen: wenn wir vom Recht sprechen oder auch nur an Recht denken, so drücken wir damit unseren Vorstellungen, den vorgestellten Objekten einen gewissen Stempel auf, insofern wir von Rechtsbeziehungen, Rechtsobjekten, Rechtssubjekten usw. sprechen. Es ist dies die primäre Denkweise, die die "Kulturwissenschaft" und der "Kulturwissenschaftler" mit dem "Recht" anstellt. Diese Betrachtung ist weit entfernt von einer psychologischen Analyse; sie fragt nicht, wie man - psychologisch - zum Begriff "Recht" gelangt ist und gleichgültig sind ihr die Lust- und Unlustgefühle in der Brust des Menschen. Es handelt sich vielmehr hier um eine besondere Art der Denkweise, mit anderen Worten: Es sind die Beziehungen des subjektiven Wertens (90), die sich für die logisch-kulturwissenschaftliche Untersuchung ergeben. Wir sehen also: der Logiker und der Psychologe wird in der Tat die Rechtsbeziehung als "modale" erkennen, insofern "sie das Verhältnis einer Vorstellung zu dem Ding, auf welches sie sich bezieht", als Rechtsverhältnis erkennen will, oder insofern sie "die Relation dieses Verhältnisses, einer Vorstellung zum Maßstab der Wertschätzung" ausdrücken will, indem sie etas als "rechtlich" bezeichnet (91). Von dieser letzten Art der "modalen Relation" wird im folgenden Abschnitt ausführlich zu handeln sein. Resümieren wir aber noch einmal kurz das bislang Erörterte im Hinblick auf die Methodik der Rechtswissenschaft, so hat uns die versuchte Anwendung aller möglichen Relationen, wie sie die bisherige Logik oder die Logik allein aufführt, nicht zu den Punkten geführt, welche die Rechtsbeziehungen verknüpfen. Es hängt dies nicht zuletzt damit zusammen, daß alle Logiker ihre Einteilung nur behaupten und nicht begründen können (92), und daß wir nicht wissen können, ob nicht etwa die Rechtsrelationen eine besondere Art logischer Relationsbegrachtungen sind, die der Index der Logiker nicht erschöpft; es ist ja darauf hingewiesen worden, daß die Modalrelation SIGWARTs, die funktionelle MAIERs eine Rechtbetrachtung liefern kann, die sowohl den Logiker wie den Psychologen zufriedenstellen mag. Dasselbe ließe sich auch von gewissen "realen" Beziehungen BENNO ERDMANNs behaupten (93) und dasselbe wird sich von den Relationseinteilungen anderer Logiker sagen lassen. Was uns aber die Erforschung der Modalrelation SIGWARTs für die Jurisprudenz so wertvoll macht, ist, daß eine Beschäftigung mit ihr gewisse methodologische Grenzen in ein besonders scharfes Licht rückt, vor allen Dingen nach der Seite der Psychologie und der Ethik hin, woduch bisher von der Rechtswissenschaft mit diesen Disziplinen gemeinsam benützte Begriffe und Vorstellungen, wie vor allem die der "Norm" und der "Persönlichkeit", ein anderes - und wie wir bald sehen werden - unserer Fachwissenschaft abgekehrtes Gesicht erhalten. ![]() ![]()
57) Ich folge hier Sigwart, Logik I, Seite 30f. Eine andere Gruppierung bei Maier, a. a. O., Seite 26f. Wie jede Klassifizierung hat auch die von Sigwart ihre Vorzüge und Mängel. Ich denke aber, daß sie für unsere Zwecke genügend und brauchbar ist. Für uns ist sie, um ein Wort Lotzes zu gebrauchen, einstweilen "das gleichgültige Tor, um eine Ansicht des Innenwesens und des Zusammenhangs des Klassifizierten zu eröffnen". 58) Sigwart I, Seite 36; Maier, Seite 218. - Die Vorstellung von mindestens zwei Objekten, die aufeinander bezogen werden müssen, ist - notabene allgemein gefaßt! - nicht notwendig. Freilich handelt es sich dann um eine recht komplizierte Vorstellung, die mindestens zwei Bestandteile hat, nämlich die des Substratobjekts (Maier) und die der Beziehung selbst! 59) Maier, Seite 226; Sigwart I, Seite 40. 60) Welche beiden Relationen Maier unter "die Beziehungen der realen Dependenz" [Abhängigkeit - wp] unterbringt, während Sigwart die der "Zwecke" offenbar zu den "modalen" rechnet, welche - mit einiger Abweichung - wieder mit den "funktionellen Relationen" von Maier zusammenfallen. - Rechnet man den "Zweck als Wertkategorie" zu den "modalen" [möglich/notwendig - wp] Relationen, so gilt für die Zweckbeziehungen einfach das später bei der Erörterung der "Modalrelationen" Ausgeführte. Wenn Lask (a. a. O. Seite 35) auch für die Jurisprudenz von einer "wert- und zweckbeziehenden Methode" spricht und das "teleologische Prinzip" auch in der methodologischen Besinnung ausdrücklich zum Bewußtsein gebracht haben will, so glaube ich ihn dahin verstehen zu können, daß er die Zweck-Wertbeziehung nur zur Durchdringung des "vorwissenschaftlichen" Rechtsmaterials angewandt wissen will (bei der Umformung der "Wirklichkeit" zur "Bedeutung"!) Es ist dies dasselbe Phänomen, von dem ich in der Einleitung gesprochen habe, als die Rede von der Umbildung der "Realität" zu einer "Kulturrealität" war. Allein hier ist nicht mehr von "vorwissenschaftlicher", sondern von einer "fortgeschrittenen wissenschaftlichen Begriffsbildung" die Rede und da kann und muß man die Eigenart der juristischen Begriffe meines Erachtens sehr wohl erkennen, ohne "daß die dem Recht zugänglichen Gegenstände gleichsam mit einem teleologischen Gespinst überzogen" zu sein scheinen. - Siehe auch die folgenden Ausführungen bei Lask, a. a. O., Seite 40 und das im Laufe dieser Abhandlung Dargelegte! 61) So besonders von Stammler, Wirtschaft und Recht, Seite 349f. Hiergegen vergleiche die treffenden Ausführungen bei Kelsen, a. a. O., Seite 57f; siehe ferner hierüber auch Zitelmann, Irrtum und Rechtsgeschäft, Seite 148f; Maier, Seite 240f und die Stellungnahme der Strafrechtstheoretiker, die sehr abweichend ist; vgl. z. B. von Liszt (verschiedenen Orts, z. B. "Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, Bd. 26, Seite 553f und Bd. 27, Seite 91f); Beling (Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, Bd. 26, Seite 693f); Wassermann (Rechtsvergleichung und Strafrechtsreform, Seite 32f). 62) Statt vieler anderer vgl. Schwarz, Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 32, Seite 56 und 58. 63) vgl. Maier, a. a. O., Seite 245. 64) So von Kelsen, a. a. O., Seite 89 und früher bereits von Laband in "Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht", Bd. 30 (Beiträge zur Dogmatik der Handelsgesellschaften). Auf die große, seit Jherings berühmten Buch entstandene Literatur und die Stellungnahme fast aller Theoretiker auf systematischem und leider nur vereinzelt auf methodologischem Boden zum "Zweck im Recht" kann hier nur verwiesen werden. - Übrigens hat Jhering selbst von der "Theorie der Mittel" gesprochen und ausgeführt, daß wir "die Mittel nach Momenten, die ihnen immanent sind", bestimmen müssen. Vgl. Jhering, Geist des römischen Rechts, Bd. 2, Seite 365; Kelsen, a. a. O., Seite 90. 65) Hiergegen Kelsen, a. a. O., Seite 92. 66) Vgl. das in der Einleitung über das "subjektive Recht" Ausgeführte. 67) Vgl. Zitelmann, a. a. O., Seite 200 und zu den obigen Ausführungen auch Schloßmann, Vertrag, Seite 172f, 247f, 270f; Kelsen, Seite 116f. 68) Natürlich ist zu bedenken, daß sowohl Zitelmann wie Schloßmann etwas anderes als eine formal-juristische Konstruktion geben wollen: doch dürfen im Bereich juristischer Untersuchungen eben psychologische wie auch rechtsphilosophische Denkmethoden nicht verwandt werden. 69) siehe Lask, Rechtsphilosophie, Seite 40. 70) So Sturm, "Die psychologischen Grundlagen des Rechts", und "Die Materie des Rechts", 1911. Ähnliche Anschauungen vertritt schon früher Berolzheimer in seinem "System der Rechts- und Wirtschaftsphilosophie" u. a. Vgl. jetzt die treffende Kritik bei Wielikowski, Die Neukantianer in der Rechtsphilosophie, München 1914; früher wurde diese Richtung schon von Binder kritisiert im Januarheft 1912 des "Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie", Seite 268, ferner von Kelsen u. a. 71) Wielikowski, a. a. O., Seite 103. 72) Vgl. Rickert, Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft, erste Auflage, Seite 32: "Auch die psychischen Gesetze sind Naturgesetze, d. h. unbedingt allgemein gültige Urteile über die psychische Wirklichkeit", und Seite 36: "Auch die Gesetze des psychischen Lebens müssen Naturgesetze sein. Die Psychologie ist also, logisch betrachtet, eine Naturwissenschaft." 73) Davon wird ausführlich erst im Folgenden zu handeln sein. 74) Windscheid, vgl. Kelsen, Seite 156. 75) Über den Unterschied zwischen Naturgesetzen und Rechtssätzen siehe weiter unten. 76) Vgl. Sigwart, Logik, Bd. 1, Seite 44 - jedoch auch Anmerkung 57; ob und wie erschöpfend eine Einteilung von Relationen ist, bleibt natürlich immer problematisch. 77) Heinrich Maier, Psychologie des emotionalen Denkens, Seite 253. 78) ebd. Seite 257. 79) ebd. Seite 677f 80) Es ist nicht leicht, die Quintessenz der sehr breiten Untersuchungen des Verfassers herauszuschälen, namentlich da die Terminologie der Begriffe dem philosophisch weniger geübten Leser des Buches nur schwer verständlich ist. Mit folgendem Satz hoffe ich noch die endliche Ansicht Maiers veranschaulichen zu können (vgl. a. a. O., Seite 684): "Die Rechtsnormen sind nach ihrer ganzen Natur Imperative, in denen Begehrungsvorstellungen des Gebotstellers zum Ausdruck kommen. Die logischen Akte aber, die in den Gebots-, in den Begehrungsvorstellungen des Gebotstellers wirksam sind, sind volitive [gewollte - wp] Denkakte" ... usw. 81) Zitelmann, Irrtum und Rechtsgeschäft, Seite 139f. 82) Philipp von Heck, Das Problem der Rechtsgewinnung, Tübinger Rede am Geburtstag des Königs 1912, Seite 29f. Die dort naturgemäß nur aphoristisch ausgeführten Gedanken hat Heck neuestens in einem Aufsatz der Tübinger Vierteljahrsschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft erweitert, der nunmehr auch als Buch erschienen ist. Leider war es mir nicht mehr möglich dasselbe für diese Arbeit zu benützen. 83) Natürlich habe ich die Autoren, die sich mit diesem Problem befassen, nicht erschöpfend aufgeführt. - Über den Begriff des Begehrens vgl. besonders von Kirchmann, Die Grundbegriffe des Rechts und der Moral, Seite 42f; Zitelmann, a. a. O., Seite 133 Anmerkung und Seite 123. Zu den folgenden Erörterungen siehe auch Kelsen, a. a. O., vorzüglich Seite 57 und 97f. 84) Sofern man nämlich die "modalen Relationen" schon viel früher, bei Mill und bei Kant findet, worauf hier nicht näher eingegangen werden kann. 85) Sigwart, Logik, Bd. 2, Seite 243 und 244. 86) Sigwart, ebd. 87) Letzteres ist ganz unrichtig und entspricht keineswegs den Tatsachen. Weder die Normen noch die Gesetze erzeugen alle sofort Willenshandlungen. 88) siehe Zitelmann, a. a. O., Seite 143 und 144. 89) Mit einigen nicht näher zu erörternden Modifikationen wird auch ähnlich psychologisch das aus Begehrungsdispositionen gegebene "Interesse" Hecks und seiner Vorgänger aufzufassen sein. 90) vgl. die Einleitung und die dort zitierten Autoren! 91) Hier könnten wir statt "rechtlich" sofort "gerecht" sagen. In der Wortbildung "rechtlich" liegt schon das Eigenartige, das Kennzeichen der Einzeldisziplin! Es gibt kein Adjektivum, das dem Wort "Recht" vollkommen entspricht, kein "recht", wie "wahr", "falsch", "schön", "häßlich", "gut", "böse". "Unrecht", "gerecht", "richtig" entsprechen nicht dem Substantivum "Recht", sie sind der sprachliche Ausdruck von logischen, psychologischen und ethischen Begriffen. Ich weiß nun wohl, daß der Sprachgeist willkürlich verfährt und will seine Gebilde nicht mit einem Nimbus umgeben, den sie nicht verdienen, noch auf eine sprachpsychologische Erörterung eingehen; aber der Fingerzeig, den uns eine gute oder schlechte Terminologie zur Analytik von Grundbegriffen bietet, darf von uns sehr wohl benutzt werden, wenn wir uns auch bewußt bleiben, daß es sich eben nur um einen Fingerzeig handelt (vgl. hierzu Bergbohm, Jurisprudenz und Rechtsphilosophie, Seite 46f. 92) Benno Erdmann, Logische Elementarlehre, Seite 58. 93) ebd. Seite 51 und 301. |