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Über die Religion
Apologie Was das letzte betrifft, so könnte ich Euch wohl fragen: wie es denn komme, daß, da Ihr über jeden Gegenstand, er sei wichtig oder gering, am liebsten von denen belehrt sein wollt, welche ihm ihr Leben und ihre Geisteskräfte gewidmet haben, und Eure Wißbegierde auch die Hütten des Landmannes und die Werkstätten der niederen Künstler nicht scheut, Ihr nur in Sachen der Religion alles für so verdächtig haltet, wenn es von denen kommt, welche die Virtuosen derselben zu sein behaupten, und von Staat und Volk dafür angesehen werden! Ihr werdet gewiß nicht beweisen können, daß sie es nicht sind, und daß sie eher alles andere haben und predigen, als Religion. Ein solches unberechtigtes Urteil also wie billig verachtend bekenne ich vor Euch, daß auch ich nie Mitglied dieses Ordens bin, und ich wage es auf die Gefahr, wenn ihr mich nicht aufmerksam anhört, mit dem großen Haufen desselben unter eine Benennung geworfen zu werden. Es ist wenigstens ein freiwilliges Geständnis, denn meine Sprache sollte mich nicht verraten haben, und die Lobsprüche meiner Zunftgenossen auch nicht; was ich will, das liegt so gut als völlig außer ihrem Kreis, und möchte dem wenig gleichen, was sie gern sehen und hören wollen. In das Hilferufen der Meisten über den Untergang der Religion stimme ich nicht ein, denn ich wüßte nicht, daß irgendein Zeitalter sie besser aufgenommen hätte als das gegenwärtige, und ich habe nichts zu schaffen mit dem altgläubigen und barbarischen Wehklagen, wodurch sie die eingestürzten Mauern ihres jüdischen Zions und seiner gothischen Pfeiler wieder emporschreien möchten. Ich bin mir bewußt, daß ich in allem, was ich Euch zu sagen habe, meinen Stand völlig verleugne, warum solte ich ihn also nicht wie irgendeine andere Zufälligkeit bekennen? Die ihm erwünschten Vorurteile sollen uns nicht hindern, und seine heilig gehaltenen Grenzsteine allen Fragens und Mitteilens sollen nichts gelten zwischen uns. Als Mensch rede ich zu Euch von den heiligen Mysterien der Menschheit nach meiner Ansicht, von dem was in mir war als ich noch in jungendlicher Schwärmerei das Unbekannte suchte, von dem was seitdem ich denke und lebe die innerste Triebfeder meines Daseins ist, und was mir auf ewig das Höchste bleiben wird, auf welche Weise auch noch die Schwingungen der Zeit und der Menschheit mich bewegen mögen. Daß ich rede rührt nicht her aus einem vernünftigen Entschluß auch nicht aus Hoffnung oder Furcht, noch geschieht es einem Endzweck gemäß oder aus irgendeinem willkürlichen oder zufälligen Grund: es ist die innere unwiderstehliche Notwendigkeit meiner Natur, es ist ein göttlicher Beruf, es ist das was meine Stelle im Universum bestimmt, und mich zu dem Wesen macht, welches ich bin. Sei es also weder schicklich noch ratsam von der Religion zu reden, dasjenige was mich also drängt, erdrückt mit seiner himmlischen Gewalt diese kleinen Begriffe. Ihr wißt daß die Gottheit durch ein unabänderliches Gesetz sich selbst genötigt hat, ihr großes Werk bis ins Unendliche hin zu entzweien, jedes bestimmte Dasein nur aus zwei entgegengesetzten Kräften zusammenzuschmelzen, und jeden ihrer ewigen Gedanken in zwei einander feindseligen und doch nur durch einander bestehenden und unzertrennlichen Zwillingsgestalten zur Wirklichkeit zu bringen. Diese ganze körperliche Welt, in deren Inneres einzudringen das höchste Ziel eures Forschens ist, erscheint den Unterrichtetsten und Denkendsten unter Euch nur als ein ewig fortgesetztes Spiel entgegengesetzter Kräfte. Jedes Leben ist nur das Resultat eines beständigen Zuneigens und Abstoßens, jedes Ding hat nur dadurch sein bestimmtes Dasein, daß es die beiden Urkräfte der Natur, das durstige an sich ziehen und das rege und lebendige Selbst verbreiten, auf eine eigentümliche Art vereinigt und festhält. Es scheint mir als ob auch die Geister, sobald sie auf diese Welt verpflanzt werden, einem solchen Gesetz folgen müßten. Jede menschliche Seele - ihre vorübergehenden Handlungen sowohl als die inneren Eigentümlichkeiten ihres Daseins führen uns darauf - ist nur ein Produkt zweier entgegengesetzter Triebe. Der eine ist das Bestreben alles was sie umgibt an sich zu ziehen, in ihr eigenes Leben zu verstricken, und womöglich in ihr innerstes Wesen ganz einzusaugen. Der andere ist die Sehnsucht ihr eigenes inneres Selbst von innen heraus immer weiter auszudehnen, alles damit zu durchdringen, allen davon mitzuteilen, und selbst nie erschöpft zu werden. Jener ist auf den Genuß gerichtet, er strebt die einzelnen Dinge an, die sich zu ihm hinbeugen, er ist gestillt so oft er eines von ihnen ergriffen hat, und wirkt nur mechanisch immer auf das nächste. Dieser verachtet den Genuß und geht nur auf immer wachsende und erhöhte Tätigkeit; er übersieht die einzelnen Dinge und Erscheinungen, eben weil er sie durchdringt, und findet überall nur die Kräfte und Wesenheiten an denen sich seine Kraft bricht; alles will er durchdringen, alles mit Vernunft und Freiheit erfüllen, und so geht er gerade aufs Unendliche und sucht und wirkt überall Freiheit und Zusammenhang, Macht und Gesetz, Recht und Schicklichkeit. So wie aber von den körperlichen Dingen kein einziges allein durch eine von den beiden Kräften der materiellen Natur besteht, so hat auch jede Seele einen Teil an den beiden ursprünglichen Funktionen der geistigen Natur, und die Vollkommenheit der intellektuelle Welt besteht darin, daß alle möglichen Verbindungen dieser beiden Kräfte zwischen den beiden entgegengesetzten Enden, da hier die eine dort die andere fast auschließend alles ist, und der Gegnerin nur einen unendlich kleinen Teil übrig läßt, nicht nur wirklich in der Menschheit vorhanden seien, sondern auch ein allgemeines Band des Bewußtseins sie alle umschlinge, so daß jeder Einzelne, ungeachtet dessen, daß er nichts anderes sein kann, als er sein muß, dennoch jeden anderen ebenso deutlich erkenne wie sich selbst, und alle einzelnen Darstellungen der Menschheit vollkommen begreife. Diejenigen, welche an den äußersten Enden dieser großen Reihe liegen, sind heftige ganz in sich selbst gekehrte und sich vereinzelnde Naturen. Den Einen gebietet die unersättliche Sinnlichkeit eine immer größere Masse irdischer Dinge um sich her zu sammeln, die sie gern aus dem Zusammenhang des Ganzen herausrisse, um sie sich ganz und allein einzuverleiben; im ewigen Wechsel zwischen Begierde und Genuß kommen sie nie über die Wahrnehmungen des Einzelnen hinaus, und immer mit selbstsüchtigen Beziehungen beschäftigt, bleibt ihnen das Wesen der übrigen Menschheit unbekannt. Die Anderen treibt ein ungebildeter, sein Ziel überfliegender Enthusiasmus rastlos im Universum umher; ohne irgendetwas wirklich besser zu gestalten und zu bilden, schweben sie um leere Ideale herum und ihre Kraft ohne Nutzen verdünnend und verzehrend kehren sie tatenlos und erschöpft auf ihren ersten Punkt zurück. Wie sollen diese äußersten Entfernungen zusammengebracht werden, um die lange Reihe in jenen geschlossenen Ring zu gestalten, der das Sinnbild der Ewigkeit und der Vollendung ist? Es gibt freilich einen gewissen Punkt, wo ein fast vollkommenes Gleichgewicht beide vereint, und diesen pflegt Ihr weit öfter zu überschätzen, als daß er zu niedrig gewürdigt würde, indem er gemeinhin nur ein Zauberwerk der mit den Idealen der Menschen spielenden Natur, und nur selten das Resultat einer angestrengten und durchgeführten Selbstbildung ist. Ständen aber alle, die nicht mehr an den äußersten Enden wohnen, auf diesem Punkt, so wäre gar keine Verbindung jener Ende mit dieser Mitte möglich, und der Endzweck der Natur wäre gänzlich verfehlt. In die Geheimnisse einer solchen zur Ruhe gebrachten Mischung dringt nur der gedankenvolle Kenner ein; für jedes gemeine Auge sind die einzelnen Elemente darin gänzlich verborgen, und es würde nie weder sein eigenes noch das ihm entgegengesetzte erkennen. Darum sendet die Gottheit zu allen Zeiten hie und da Einige, in denen beides auf eine fruchtbare Weise verbunden ist, rüstet sie aus mit wunderbaren Gaben, ebnet ihren Weg durch ein allmächtiges Wort, und setzt sie ein zu Dolmetschern ihres Willens und ihrer Werke, und zum Mittlern desjenigen, was sonst ewig geschieden geblieben wäre. Seht auf diejenigen, welche einen hohen Grad von jener anziehenden Kraft, die sich der umgebenden Dinge tätig bemächtigt, in ihrem Wesen ausdrücken, zugleich aber auch von einem geistigen Durchdringungstrieb der nach dem Unendlichen strebt, und in alles Geist und Leben hineinträgt, so viel besitzen, daß sie ihn in den Handlungen äußern, wozu jener sie antreibt; diesen genügt es nicht eine rohe Masse irdischer Dinge zerstörend zu verschlingen, sondern sie müssen etwas vor sich hinstellen, es in eine kleine Welt, die das Gepräge ihres Geistes trägt, ordnen und gestalten, und so herrschen sie vernünftiger, genießen bleibender und menschlicher, so werden sie Helden, Gesetzgeber, Erfinder, Bezwinger der Natur, gute Dämonen, die eine edlere Glückseligkeit im Stillen schaffen und verbreiten. Solche beweisen sich durch ihr bloßes Dasein als Gesandte Gottes und als Mittler zwischen dem eingeschränkten Menschen und der unendlichen Menschheit. Sie zeigen dem untätigen bloß spekulativen Idealisten, der sein Wesen in einzelnen leeren Gedanken zersplittert, dasjenige tätig, was in ihm bloß träumend war, und in dem was er bisher verachtete, den Stoff den er eigentlich bearbeiten soll; sie deuten ihm die verkannte Stimme Gottes, sie söhnen ihn aus mit der Erde und mit seinem Platz auf derselben. Noch weit mehr aber bedürfen die bloß Irdischen und Sinnlichen solcher Mittler, die ihnen jede höhere Grundkraft der Menschheit begreifen lehren, indem sie ohne ein Treiben und Tun wie das ihrige beschauend und erleuchtend alles umfassen, und keine anderen Grenzen kennen wollen als das Universum, welches sie gefunden haben. Gibt Gott einem, der sich in dieser Laufbahn bewegt, zu seinem Streben nach Ausdehnung und Durchdringung auch jene mystische und schöpferische Sinnlichkeit, die allem Inneren auch ein äußeres Dasein zu geben strebt, so muß er nach jedem Ausflug seines Geistes ins Unendliche den Eindruck den es ihm gegeben hat, außer sich hinstellen, als einen mitteilbaren Gegenstand in Bildern oder Worten, um ihn selbst aufs Neue in eine andere Gestalt und in eine endliche Größe verwandelt zu genießen, und er muß also auch unwillkürlich und gleichsam begeistert - denn er täte es, wenn auch niemand da wäre - das was ihm begegnet ist, für andere darstellen, als Dichter oder Seher, als Redner oder als Künstler. Ein solcher ist ein wahrer Priester des Höchsten, indem er ihn denjenigen näher bringt, die nur das Endliche und Geringe zu fassen gewohnt sind; er stellt ihnen das Himmlische und Ewige dar als einen Gegenstand der Genusses und der Vereinigung, als die einzige unerschöpfliche Quelle desjenigen, worauf ihr ganzes Dichten gerichtet ist. So strebt er den schlafenden Keim der besseren Menschheit zu wecken, die Liebe zum Höchsten zu entzünden, das gemeine Leben in ein höheres zu verwandeln, die Söhne der Erde auszusöhnen mit dem Himmel, der ihnen gehört, und das Gegengewicht zu halten gegen die schwerfällige Anhänglichkeit des Zeitaltrs an den gröberen Stoff. Das ist das höchste Priestertum, welches das innere aller geistigen Geheimnisse verkündet, und aus dem Reich Gottes herabspricht; das ist die Qelle aller Gesichte und Weissagungen, aller heiligen Kunstwerke und begeisterten Reden, welche ausgestreut werden aufs Ungefähre, so daß ein empfängliches Gemüt sie finde und bei sich Frucht bringen lasse. Möchte es doch geschehen, daß dieses Mittleramt aufhörte, und das Priestertum der Menschheit eine schönere Bestimmung bekäme! Möchte die Zeit kommen, die eine alte Wissenschaft so beschreibt, daß keiner bedürfen wird, daß man ihn lehre, weil alle von Gott gelehrt sind! Wenn das heilige Feuer überall brennte, so bedürfte es nicht der feurigen Gebete, um es vom Himmel herabzuflehen, sondern nur der sanften Stille heiliger Jungfrauen um es zu unterhalten, so dürfte es nicht in gefürchtete Flammen ausbrechen, sondern das einzige Bestreben desselben würde sein, die innige und verborgene Glut ins Gleichgewicht zu setzen bei allen. Jeder leuchtete dann in der Stille sich und den Anderen, und die Mitteilung heiliger Gedanken und Gefühle bestände nur in dem leichten Spiel, die verschiedenen Strahlen dieses Lichts jetzt zu vereinigen, dann wieder zu brechen, jetzt es zu zerstreuen, und dann wieder hie und da auf einzelne Gegenstände zu konzentrieren. Das leiseste Wort würde verstanden, da jetzt die deutlichsten Äußerungen der Mißdeutung nicht entgehen. Man könnte gemeinschaftlich ins Innere des Heiligtums eindringen, da man sich jetzt nur in den Vorhöfen mit den Elementen beschäftigen muß. Mit Freunden und Teilnehmern vollendete Ideen tauschen, wieviel erfreulich ist das, als mit kaum entworfenen Umrissen herausbrechen müssen in den leeren Raum! Aber wie weit sind jetzt diejenigen, zwischen denen eine solche Mitteilung stattfinden könnte, voneinander entfernt, mit solch weiser Sparsamkeit in der Menschheit verteilt wie im Weltenraum die verborgenen Punkte aus denen der elastische Urstoff sich nach allen Seiten verbreitet, so nämlich, daß nur eben die äußersten Grenzen ihrer Wirkungskreise zusammenstoßen - damit doch nichts ganz leer sei - aber wohl nie einer den andern antrifft. Weise freilich: denn umso mehr richtet sich die ganze Sehnsucht nach Mitteilung und Geselligkeit allein auf diejenigen, die ihrer am meisten bedürfen, umso unaufhaltsamer wirkt sie dahin, sich die Mitgenossen selbst zu verschaffen, die ihr fehlen. Eben dieser Gewalt unterliege ich, eben diese Natur ist auch mein Beruf. Vergönnt mir von mir selbst zu reden: Ihr wißt, was Religion sprechen heißt, kann nie stolz sein; denn sie ist immer voll Demut. Religion war der mütterliche Leib in dessen heiligem Dunkel mein junges Leben genährt und auf die ihm noch verschlossene Welt vorbereitet wurde, in ihr atmete mein Geist, ehe er noch seine äußeren Gegenstände, Erfahrung und Wissenschaft gefunden hatte, sie half mir als ich anfing den väterlichen Glauben zu sichten und das Herz zu reinigen vom Schutt der Vorwelt, sie blieb mir, als Gott und Unsterblichkeit dem zweifelnden Auge verschwanden, sie leitete mich ins tätige Leben, sie hat mich gelehrt mich selbst mit meinen Tugenden und Fehlern in meinem ungeteilten Dasein heilig zu halten, und nur durch sie habe ich Freundschaft und Liebe gelernt. Wenn von anderen Vorzügen und Eigenschaften der Menschen die Rede ist, so weiß ich wohl, daß es vor Eurem Richterstuhl, Ihr weisen und Verständigen des Volks, wenig beweist, wenn einer sagen kann, wie er sie besitzt; denn er kann sie kennen aus Beschreibungen, aus Beobachtungen anderer, oder wie alle Tugenden gekannt werden, aus der gemeinen alten Sage von ihrem Dasein; aber so liegt die Sache der Religion und so selten ist sie, daß wer von ihr etwas ausspricht, muß es notwendig gehabt haben, denn er hat es nirgends gehört. Von allem was ich als ihr Werk preise und fühle steht wohl wenig in heiligen Büchern, und wem der es nicht selbst erfuhr, wäre es nicht ein Ärgernis oder eine Torheit? Wenn ich so von ihr durchdrungen endlich reden und ein Zeugnis von ihr ablegen muß, an wen soll ich mich damit wenden als an Euch? Wo anders wären Hörer für meine Rede? Es ist nicht blinde Vorliebe für den väterlichen Boden oder für die Mitgenossen der Verfassung und der Sprache, was mich so reden macht, sondern die innige Überzeugung, daß ihr die einzigen seid, welche fähig und also auch würdig sind, daß ihnen der Sinn aufgeregt werden für heilige und göttliche Dinge. Jene stolzen Insulaner, welche viele unter Euch so ungebührlich verehren, kennen keine andere Losung als gewinnen und genießen, ihr Eifer für die Wissenschaften, für die Weisheit des Lebens und für die heilige Freiheit, ist nur ein leeres Spiegelfechten. So wie die begeistertsten Verfechter der letzteren unter ihnen nichts tun, als die nationale Orthdoxie mit Wut verteidigen, und dem Volk Wunder vorspiegeln, damit die abergläubische Anhänglichkeit an alte Gebräuche nicht verloren gehe, so ist es ihnen eben nicht mehr Ernst mit allem übrigen, was über das Sinnliche und den nächsten unmittelbaren Nutzen hinausgeht. So gehen sie auf Kenntnisse aus, so ist ihre Weisheit nur auf eine jämmerliche Empirie gerichtet, und so kann ihnen die Religion nichts anderes sein, als ein toter Buchstabe, ein heiliger Artikel in der Verfassung in welcher nichts reelles ist. Aus anderen Ursachen wende ich mich weg von den Franken, deren Anblick ein Verehrer der Religion kaum erträgt, weil sie in jeder Handlung, in jedem Wort fast ihre heiligsten Gesetze mit Füßen treten. Die frivole Gleichgültigkeit mit der Millionen des Volks, der witzige Leichtsinn mit dem einzelne glänzende Geister der erhabensten Tat des Universums zusehen, die nicht nur unter ihren Augen vorgeht, sondern sie alle ergreift und jede Beweung ihres Lebens bestimmt, beweist zur Genüge wie wenig sie einer heiligen Scheu und einer wahren Anbetung fähig sind. Und was verabscheut die Religion mehr als den zügellosen Übermut womit die Herrscher des Volkes den ewigen Gesetzen der Welt Trotz bieten? Was schärft sie mehr ein als die besonnene und demütige Mäßigung, wovon ihnen auch nicht das leiseste Gefühl etwas zuzurufen scheint? Was ist ihr heiliger als die hohe Nemesis [vergeltende Gerechtigkeit - wp], deren furchtbarste Handlungen sie im Taumel der Verblendung nicht einmal verstehen? Wo die wechselnden Strafgerichte, die sonst nur einzelne Familien treffen durften, um ganze Völker mit Ehrfurcht vor dem himmlischen Wesen zu erfüllen, und auf Jahrhunderte lang die Werke der Dichter dem ewigen Schicksal zu widmen, wo diese sich tausendfältig vergeblich erneuern, wie würde da eine einsame Stimme bis zum Lächerlichen ungehört und unbemerkt verhallen? Hier im väterlichen Land ist das beglückte Klima, das keine Frucht gänzlich versagt, hier findet Ihr alles zerstreut was die Menschheit ziert, und alles was gedeiht bildet sich irgendwo, im Einzelnen wenigstens, zu seiner schönsten Gestalt; hier fehlt es weder an weiser Mäßigung noch an stiller Betrachtung. Hier also muß sie eine Freistadt finden vor der plumpen Barbarei und dem kalten irdischen Sinn des Zeitalters. Nur verweist mich nicht ungehört zu denen auf die Ihr als auf Rohne und Ungebildete herabseht, gleich als sei der Sinn für das Heilige wie eine veraltete Tracht auf den niederen Teil des Volkes übergegangen, dem es allein noch geziemt in Scheu und Glauben vom Unsichtbaren ergriffen zu werden. Ihr seid gegen diese unsere Brüder sehr freundlich gesinnt, und mögt gern, daß zu ihnen auch von anderen höheren Gegenständen, von Sittlichkeit und Recht und Freiheit geredet, und so auf einzelne Momente wenigstens ihr inneres Streben dem besseren entgegengehoben, und ein Eindruck von der Würde der Menschheit in ihnen geweckt werde. So rede man dann auch mit ihnen von der Religion, man durchgrabe bisweilen ihr ganzes Wesen bis der Punkt getroffen wird, wo dieser heilige Instinkt verborgen liegt; man entzücke sie durch einzelne Blitze, die man aus ihm hervorlockt; man bahne ihnen aus dem innersten Mittelpunkt ihrer engen Beschränkung eine Aussicht ins Unendliche, und erhöhe auf einen Augenblick ihre tierische Sinnlichkeit zu hohem Bewußtsein eines menschlichen Willens und Daseins; es wird immer viel gewonnen sein. Aber ich bitte Euch, wendet Ihr Euch dann zu ihnen, wenn Ihr den innersten Zusammenhang und den höchsten Grund jener Heiligtümer der Menschheit aufdecken wollt? wenn der Begriff und das Gefühl, das Gesetz und die Tat, bis zu ihrer gemeinschaftlichen Quelle sollen verfolgt, und das Wirkliche als ewig und im Wesen der Menscheit notwendig gegründet soll dargestellt werden? Wäre es nicht glücklich genug, wenn Eure Weisen dann nur von den Besten unter Euch verstanden würden? Eben das ist aber mein Endzweck mit der Religion. Nicht einzelne Empfindungen will ich aufregen, die vielleicht in ihr Gebiet gehören, nicht einzelne Vorstellungen rechtfertigen oder bestreiten; in die innersten Tiefen möchte ich Euch geleiten, aus denen sie zuerst das Gemüt anspricht; zeigen möchte ich Euch aus welchen Anlagen der Menschheit sie hervorgeht, und wie sie zu dem gehört was Euch das Höchste und Teuerste ist; auf die Zinnen des Tempels möchte ich Euch führen, daß Ihr das ganze Heiligtum übersehen und seine innernsten Geheimnisse entdecken möget. Könnt Ihr mir im Ernst zumuten, zu glauben, daß diejenigen, die sich täglich am mühsamsten mit dem Irdischen abquälen, am vorzüglichsten dazu geeignet seien so vertraut mit dem Himmlischen zu werden? daß diejenige, die über dem nächsten Augenblick bange brüten und an die nächsten Gegenstände fest gekettet sind, ihr Auge am weitesten zum Universum erheben können? und daß, wer im einförmigen Wechsel einer toten Geschäftigkeit sich selbst noch nicht gefunden hat, die lebendige Gottheit am hellsten entdecken werde? Nur Euch also kann ich zu mir rufen, die Ihr fähig seid Euch über den gemeinen Standpunkt der Menschen zu erheben, die Ihr den beschwerlichen Weg in das Innere des menschlichen Wesens nicht scheut, um den Grund seines Tuns und Denkens zu finden. Seitdem ich mir dieses gestand, habe ich mich lange in der zaghaften Stimmung desjenigen befunden, der ein liebes Kleinod vermissend, es nicht wagen wollte, noch den letzten Ort wo es verborgen sein könnte, zu durchsuchen. Es gab Zeiten wo Ihr es noch für einen Beweis besonderen Mutes hieltet, Euch teilweise von der Religion loszusagen, und gern über einzelnen Gegenstände last und hörtet, wenn es nur darauf ankam einen hergebrachten Begriff auszutilgen; wo es Euch gefiel eine schlanke Religion im Schmuck der Beredtsamkeit einhergehen zu sehen, weil Ihr gern dem holden Geschlecht wenigstens ein gewisses Gefühl für das Heilige erhalten wolltet. Das alles ist nicht mehr, es soll gar nicht mehr von ihr die Rede sein, und auch die Granzien selbst sollen mit unweiblicher Härte die zarteste Blume der menschlichen Phantasie verderben. An nichts anderes kann ich also das Interesse, welches ich von Euch fordere, anknüpfen, als an Eure Verachtung selbst; ich will Euch nur auffordern in dieser Verachtung recht gebildet und vollkommen zu sein. Laßt Uns doch, ich bitte Euch, untersuchen, wovon sie eigentlich ausgegangen ist, vom Einzelnen oder vom Ganzen? von den verschiedenen Arten und Sekten der Religion, wie sie in der Welt gewesen sind, oder vom Begriff selbst? Ohne Zweifel werden Einige sich zm Letzteren bekennen, und das pflegen immer die mit Unrecht rüstigen Verächter zu sein, die ihr Geschäft aus sich selbst treiben, und sich nicht die Mühe genommen haben eine genaue Kenntnis der Sache wie sie liegt zu erwerben. Die Furcht vor einem ewigen Wesen und das Rechnen auf eine andere Welt, das, meint Ihr, seien die Angel aller Religion, und das ist Euch im Allgemeinen zuwider. Sagt mir doch also, Ihr Teuersten, woher habt Ihr diese Begriffe von der Religion, die der Gegenstand Eurer Verachtung sind? Jede Äußerung, jedes Werk des menschlichen Geistes kann aus einem doppelten Standpunkt angesehen und erkannt werden. Betrachtet man es von seinem Mittelpunkt aus nach seinem inneren Wesen, so ist es ein Produkt der menschlichen Natur, gegründet in einer von ihren notwendigen Handlungsweisen oder Trieben, oder wie Ihr es nennen wollt, denn ich will jetzt nicht über Eure Kunstsprache richten; betrachtet man es von seinen Grenzen aus, nach der bestimmten Haltung und Gestalt, die es hier und dort angenommen hat, so ist es ein Ereignis der Zeit und der Geschichte. Von welcher Seite habt Ihr nun dieses große geistige Phänomen betrachtet, daß Ihr auf jene Begriffe gekommen seid, welche Ihr für den gemeinschaftlichen Inhalt all dessen ausgebt, was man je mit dem Namen der Religion benannt hat? Ihr werdet schwerlich sagen, daß dieses eine Betrachtung der ersten Art sei; denn, Ihr Guten! alsdann müßtet Ihr doch zugeben, daß etwas in diesen Ideen wenigstens der menschlichen Natur angehört und wenn Ihr auch sagen wolltet, daß sie so wie man sie jetzt antrifft, nur aus Mißdeutungen oder falschen Beziehungen eines notwendigen Strebens der Menschheit entstanden seien, so würde es Euch doch geziemen Euch mit uns zu vereinigen, um das was davon wahr und ewig ist, herauszusuchen, und die menschliche Natur von dem Unrecht zu befreien, welches sie allemal erleidet, wenn etwas in ihr verkannt oder mißleitet wird. Bei allem was Euch heilig ist - und es muß diesem Geständnis zufolge etwas Heiliges für euch geben - beschwöre ich Euch, verabsäumt dieses Geschäft nicht, damit die Menschheit, die Ihr mit uns verehrt, Euch nicht als solchen, die sie in einer wichtigen Angelegenheit verlassen haben, mit dem größten Recht zürnt. Und wenn Ihr dann findet, daß dieses Geschäft schon getan sei, so kann ic hdoch auf Euren Dank und Eure Billigung rechnen. - Wahrscheinlich aber werdet Ihr sagen, Eure Begriffe vom Inhalt der Religion seien nur die andere Ansicht dieser geistigen Erscheinung, und sie sei eben deswegen leer, und werde von Euch verachtet, weil das, was im Mittelpunkt liegt, ihr ganz heterogen sei, daß es gar nicht Religion genannt werden könne, und sie also von dort gar nicht ausgegangen und überall nichts anders sein könne als ein leerer und falscher Schein, der sich wie eine trübe und drückende Atmosphäre um einen Teil der Wahrheit herumgelagert habe. Dies ist gewiß Eure wahre und eigentliche Meinung. Wenn Ihr aber jene beiden Punkte für den Inhalt der Religion haltet, in allen Formen unter denen sie in der Geschichte erschienen ist, so ist mir doch vergönnt zu fragen, ob Ihr auch alle ihre Erscheinungen richtig beobachtet und ihren gemeinschaftlichen Inhalt richtig aufgefaßt habt? Ihr müßt Euren Begriff, wenn er so entstanden ist, aus dem Einzelnen rechtfertigen, und wenn Euch jemand sagt, daß er unrichtig und verfehlt sei, und auf etwas anderes hinweist in der Religion was nicht hohl ist, sondern einen Mittelpunkt hat, so gut als jedes andere, so müßt Ihr doch erst hören und urteilen, ehe Ihr weiter verachten dürft. Laßt es Euch also nicht verdrießen dem zuzuhören, was ich jetzt mit denen sprechen will, welche gleich anfangs richtiger aber auch mühsamer vom Einzelnen ausgegangen sind. Ihr seid ohne Zweifel bekannt mit der Geschichte menschlicher Torheiten, und habt die verschiedenen Gebäude der Religion durchlaufen, von den sinnlosen Fabeln wilder Nationen bis zum verfeinertsten Deismus, von der rohen Superstition [Aberglauben - wp] unseres Volkes bis zu den übelzusammengenähten Bruchstücken von Metaphysik und Moral, die man vernünftiges Christentum nennt, und habt sie alle ungereimt und vernunftwidrig gefunden. Ich bin weit davon entfernt Euch darin widersprechen zu wollen; vielmehr, wenn Ihr es damit nur aufrichtig meint, daß die ausgebildetsten Religionssysteme diese Eigenschaften nicht weniger an sich tragen als die rohesten, wenn Ihr es nur einseht, daß das Göttliche nicht in einer Reihe liegen kann, die auf beiden Seiten in etwas Gemeinem und Verächtlichem endet, so will ich Euch gern die Mühe erlassen, alle die dazwischen liegen näher zu würdigen. Sie erscheinen alle als Übergänge und Annäherungen zu den letzteren; jedes kommt etwas geschliffener aus der Hand seines Zeitalters bis endlich die Kunst zu jenem vollendeten Spielwerk gestiegen ist, womit unser Jahrhundert sich so lnge die Zeit verkürzt hat. Aber diese Vervollkommnung ist eher alles andere, nur nicht Annäherung zur Religion. Ich kann nicht ohne Unwillen davon reden; denn jammern muß es jeden, der Sinn hat für alles was aus dem Innern des Gemüts hervorgeht, und dem es Ernst ist, daß jede Seite des Menschen gebildet und dargestellt werde, wie die Hohe und Herrliche von ihrer Bestimmung entfernt ist, und ihre Freiheit verloren hat, um von einem scholastischen und metaphysischen Geist barbarischer und kalter Zeiten in einer verächtlichen Sklaverei gehalten zu werden. Wo sie ist und wirkt, muß sie sich so offenbaren, daß sie auf eine eigentümliche Art das Gemüt bewegt, alle Funktionen der menschlichen Seele vermischt oder vielmehr entfernt; und alle Tätigkeit in ein staunendes Anschauen des Unendlichen auflöst. Wird Euch so zumute bei diesem System der Theologie, diesen Theorien vom Ursprung und Ende der Welt, diesen Analysen von der Natur eines unbegreiflichen Wesens? wo alles auf ein kaltes Argumentieren hinausläuft, und nicht anders als im Ton eines gemeinen Schulstreites behandelt werden kann? In allen diesen Systemen, die Ihr verachtet, habt Ihr also die Religion nicht gefunden und nicht finden können, weil sie nicht da ist, und wenn Euch gezeigt würde, daß sie anderswo wäre, so wäret Ihr immer noch fähig sie zu finden und zu ehren. Warum seid ihr aber nicht mehr zum Einzelnen herabgestiegen? Ich bewundere Eure freiwillige Unwissenheit, Ihr gutmütigen Forscher, und Eure allzu ruhige Beharrlichkeit bei dem was eben da ist und Euch angepriesen wird! Was Ihr in diesen Systemen nicht gefunden hat, das würdet Ihr in den Elementen eben dieser Systeme haben sehen müssen, und zwar nicht des einen oder des anderen, sondern gewiß Aller. In Allem liegt etwas von diesem geistigen Stoff gebunden, denn ohne ihn hätten sie gar nicht entstehen können; aber wer es nicht versteht ihn zu entbinden, der behält, wie fein er sie auf zersplittere, wie genau er auch alles durchsuche, immer nur die tote kalte Masse in Händen. Die Anweisung, das Wahre und Richtige, welches Ihr in der großen Masse nicht findet, in den ersten dem Anschein nach ungebildeten Elementen zu suchen, kann Euch allen, die Ihr Euch mehr oder minder um die Philosophie bekümmert, und mit ihren Schicksalen vertraut seid, doch nicht fremd scheinen. Erinnert Euch doch wie wenige von denen, welche auf einem eigenen Weg in das Innere der menschlichen Natur und der Welt hinabgestiegen sind, und ihr gegenseitiges Verhältnis ihre innere Harmonie in einem eigenen Licht angeschaut und dargestellt haben, ein eigenes System der Philosophie bildeten, und ob nicht alle in einer zarteren - sollte es auch sein zerbrechlicheren - Form ihre Entdeckungen mitgeteilt haben. Man hat aber doch Systeme von alten Schulen? Ja eben von den Schulen, die nichts anderes sind als der Sitz und die Pflanzstätte des toten Buchstabens, denn der Geist läßt sich weder in Akademien festhalten, noch der Reihe nach in bereitwillige Köpfe ausgießen, er verdampft gewöhnlich auf dem Weg aus dem ersten Mund in das erste Ohr. Würdet Ihr nicht dem, welcher die Verfertiger dieser großen Körper von Philosophie für die Philosophen selbst hielt, und in ihnen den Geist der Wissenschaft wollte, belehrend zurufen: nicht also guter Freund! in allen Dingen haben die, welche nur nachtreten und zusammentragen, und bei dem was ein anderer gegeben hat, stehen bleiben, nicht den Geist der Sache, dieser ruht nur auf den Erfindern, und zu ihnen mußt du gehen. Ihr werdet aber gestehen müssen, daß es mit der Religion umso mehr dieselbe Sache ist, da sie sich ihrem ganzen Wesen nach von allem Systematischen ebenso weit entfernt, als die Philosophie sich von Natur dazu hinneigt. Bedenkt doch von wem diese künstlichen Gebäude herrühren, deren Wandelbarkeit Ihr verspottet, deren schlechtes Ebenmaß Euch beleidigt, und deren Mißverhältnis gegen ihre kleinliche Tendenz Euch so lächerlich ist? Etwa von den Heroen der Religion? Nennt mir doch unter all denen, die irgendeine neue Offenbarung heruntergebracht haben zu uns, einen Einzigen, von dem an, der zuerst die Eine und Allgemeine Gottheit dachte - gewiß der systematischste Gedanke im ganzen Gebiet der Religion - bis zum neuesten Mystiker, in dem vielleicht noch ein ursprünglicher Strahl des inneren Lichtes glänzt, (denn, daß ich die Buchstabentheologen nicht erwähne, welche glauben, das Heil der Welt und das Licht der Weisheit in einem neuen Kostüm ihrer Formeln, oder in neuen Stellungen ihrer figurierenden Beweise zu finden, das werdet ihr mir nicht verdenken) nennt mir unter ihnen allen einen Einzigen, der es der Mühe wert geachtet hätte, sich mit dieser Sisyphos-Arbeit zu befassen. Nur einzelne erhabene Gedanken durchzucken ihre von einem ätherischen Feuer sich entzündende Seele, und der magische Donner einer zauberischen Rede begleitete die hohe Erscheinung, und verkündete dem anbetenden Sterblichen, daß die Gottheit gesprochen habe. Ein Atom von einer überirdischen Kraft geschwängert, fiel in ihr Gemüt, verähnlichte sich dort alles, dehnte es allmächtig aus, und es zersprang dann wie durch ein göttliches Schicksal in einer Welt deren Atmosphäre ihm zu wenig Widerstand leistete, und brachte noch in seinen letzten Momentenn eines von jenen himmlischen Meteoren, von jenen bedeutungsvollen Zeichen der Zeit hervor, deren Ursprung niemand verkennt, und die alle Irdischen mit Ehrfurcht erfüllen. Diese himmlischen Funken müßt Ihr aufsuchen, welche entstehen, wenn eine heilige Seele vom Universum berührt wird, Ihr müßt sie belauschen in dem unbegreiflichen Augenblick, in welchem sie sich bildeten, sonst ergeht es Euch wie dem, der zu spät mit dem brennbaren Stoff das Feuer aufsucht, welches der Stein dem Stahl entlockt hat, und dann nur ein kaltes unbedeutendes Stäubchen groben Metalles findet, an dem er nichts mehr entzünden kann. Ich fordere also, daß Ihr von allem, was sonst Religion genannt wird, absehend Euer Augenmerk nur auf diese einzelnen Andeutungen und Stimmungen richtet, die Ihr in allen Äußerungen und edlen Taten Gottbegeisterte Menschen finden werdet. Entdeckt Ihr denn auch in diesem Einzelnen nichts neues und treffendes, wie ich es ungeachtet Eurer Gelehrsamkeit und Eurer Kenntnisse dennoch zur guten Sache hoffe, erweiter und verwandelt sich dann nicht Euer enger Begriff, der nur von einer übersichtigen Beobachtung erzeugt wurde, könnt Ihr dann diese Richtung des Gemüts auf das Ewige noch verachten, kann es Euch noch lächerlich scheinen, alles was dem Menschen wichtig ist, auch aus diesem Gesichtspunkt betrachtet zu sehen, so will ich glauben, daß eure Verachtung der Religion Eurer Natur gemäß ist, und habe Euch weiter nichts zu sagen. Fürchtet nur nicht, daß ich am Ende doch noch zu jenen gemeinen Mitteln meine Zuflucht nehmen möchte, Euch vorzustellen, wie notwendig sie sei, um Recht und Ordnung in der Welt zu erhalten, und mit dem Andenken an ein allsehendes Auge und eine unendliche Macht der Kurzsichtigkeit menschlicher Aufsicht und den engen Schranken menschlicher Gewalt zu Hilfe zu kommen; oder wie sie eine treue Freundin und eine heilsame Stütze der Sittlichkeit sei, indem sie mit ihren heiligen Gefühlen und ihren glänzenden Aussichten den schwachen Menschen den Streit mit sich selbst und das Vollbringen des Guten gar mächtig erleichtern. So reden freilich diejenigen, welche die besten Freunde und die eifrigsten Verteidiger der Religion zu sein vorgeben; ich aber will nicht entscheiden, gegen wen in dieser Gedankenverbindung, die meiste Verachtung liege, gegen Recht und Sittlichkeit, welche als einer Unterstützung bedürftig vorgestellt werden, oder gegen die Religion, welche sie unterstützen soll, oder gegen Euch, zu denen also gesprochen wird. Mit welcher Stirn könnte ich Euch wohl zumuten, wenn anders Euch selbst dieser weise Rat gegeben werden soll; daß Ihr mit Euch selbst in Eurem Innern ein loses Spiel treiben, und durch etwas, das Ihr sonst keine Ursache hättet zu achten und zu lieben, Euch zu etwas Anderem solltet antreiben lassen, was Ihr ohnehin schon verehrt, und dessen ihr Euch befleißigt? Oder wenn Euch etwa durch diese Reden nur ins Ohr gesagt werden soll, was Ihr dem Volk zuliebe zu tun habt, wie solltet dann Ihr, die Ihr dazu berufen seid, die andern zu bilden und sie Euch ähnlich zu machen, damit anfangen, daß Ihr sie betrügt, und ihnen etwas für heilig und wirksam hingebt, was Euch selbst höchst gleichgültig ist, und was sie wegwerfen sollen, sobald sie sich auf dieselbe Stufe mit Euch erhoben haben? Ich kann zu einer solchen Handlungsweise nicht auffordern, sie enthält die verderblichste Heuchelei gegen die Welt und gegen Euch selbst, und wer die Religion so empfehlen will, muß nur die Verachtung vergrößern, die sie schon unterliegt. Zugegeben, daß unsere bürgerlichen Einrichtungen noch unter einem hohen Grad der Unvollkommenheit seufzen, und noch wenig Kraft bewiesen haben, der Unrechtlichkeit zuvorzukommen oder sie auszurotten, welche strafbare Verlassung einer wichtigen Sache, welcher zaghafte Unglaube an die Annäherung zum Besseren wäre es, wenn deshalb nach der Religion gerufen werden müßte! Hättet Ihr denn einen rechtlichen Zustand, wenn seine Existenz auf der Frömmigkeit beruhte? Verschwindet Euch nicht, so bald Ihr davon ausgeht, der ganze Begriff unter den Händen, den Ihr doch für so heilig haltet? Greift die Sache unmittelbar an, wenn sie Euch so übel zu liegen scheint; bessert an den Gesetzen, rüttelt die Verfassungen untereinander, gebt dem Staat einen eisernen Arm, gebt ihm hundert Augen, wenn er sie noch nicht hat, nur schläfert nicht die, welche er hat, mit einer trügerischen Leier ein. Schiebt nicht ein Geschäft wie dieses in ein anderes ein, Ihr habt es sonst gar nicht verwaltet, und erklärt nicht zum Schimpf der Menschheit ihr erhabenstes Kunstwerk für eine Wucherpflanze die nur von fremden Säften sich nähren kann. Nicht einmal der Sittlichkeit, die ihm doch weit näher liegt, muß das Recht bedürfen, um sich die unumschränkte Herrschaft auf seinem Gebiet zu sichern, es muß ganz für sich allein stehen. Wer der Verwalter desselben ist, der muß es überall hervorbringen können, und jeder, welcher behauptet, daß dies nur geschehen kann, indem Religion mitgeteilt wird - wenn anders dasjenige sich willkürlich mitteilen läßt was nur existiert, indem es aus dem Gemüt hervorgeht - der behauptet zugleich, daß nur diejenigen Verwalter des Rechts sein sollten, welche geschickt sind, der menschlichen Seele den Geist der Religion einzugießen, und in welche finstere Barbarei unheiliger Zeiten würde uns das zurückführen! Ebensowenig aber darf die Sittlichkeit mit der Religion zu teilen haben; wer einen Unterschied macht zwischen dieser und jener Welt, betört sich selbst, alle wenigstens welche Religion haben, glauben nur an eine. Ist also das Verlangen nach Wohlbefinden der Sittlichkeit etwas fremdes, so darf das Spätere nicht mehr gelten als das Frühere, und die Scheu vor dem Ewigen nicht mehr als die vor einem weisen Mann. Wenn die Sittlichkeit durch jeden Zusatz ihren Glanz und ihre Festigkeit verliert, wieviel mehr durch einen solchen, der seine hohe und ausländische Farbe niemals verleugnen kann. Doch dies habt Ihr genug von denen gehört, welche die Unabhängigkeit und die Allgewalt moralischer Gesetze verteidigen, ich aber setze hinzu, daß es auch die größte Verachtung gegen die Religion beweist, sie auf ein anderes Gebiet verpflanzen zu wollen, daß sie da diene und arbeite. Auch herrschen möchte sie nicht in einem fremden Reich: denn sie ist nicht so eroberungssüchtig das ihrige vergrößern zu wollen. Die Gewalt, die ihr gebührt, und die sie sich in jedem Augenblick aufs neue verdient, genügt ihr, und ihr, die alles heilig hält, ist noch vielmehr das heilig, was mit ihr gleichn Rang in der menschlichen Natur behauptet. Aber sie soll ganz eigentlich dienen, wie jene es wollen, einen Zweck soll sie haben, und als nützlich soll sie sich erweisen. Welche Erniedrigung! und ihre Verteidiger sollten geizig darauf sein, ihr diese zu verschaffen? Daß doch diejenigen, die so auf den Nutzen ausgehen, und denen doch am Ende auch Sittlichkeit und Recht um eines anderen Vorteils willen da sind, daß sie doch lieber selbst untergehen möchten in diesem ewigen Kreislauf eines allgemeinen Nutzens, in welchem sie alles Gute untergehen lassen, und von dem kein Mensch, der selbst für sich etwas sein will, ein gesundes Wort versteht, lieber als daß sie sich zu Verteidigern der Religion aufwerfen möchten, deren Sache zu führen sie gerade die ungeschicktesten sind. Ein schöner Ruhm für die Himmlische, wenn sie nun die irdischen Angelegenheiten der Menschen so leidlich versehen könnte! Viel Ehre für die Freie und Sorglose, wenn sie nun etwas wachsamer und treibender wäre als das Gewissen! Für so etwas steigt sie Euch noch nicht vom Himmel herab. Was nur um eines außer ihm liegenden Vorteils willen geliebt und geschätzt wird, das mag wohl Not tun, aber es ist nicht in sich notwendig, es kann immer ein frommer Wunsch bleiben, der nie zur Existenz kommt, und ein vernünftiger Mensch legt keinen außerordentlichen Wert darauf, sondern nur den Preis, der jener Sache angemessen ist. Und dieser würde für die Religion gering genug sein, ich wenigstens würde kärglich bieten, denn ich muß es nur gestehen, ich glaube nicht, daß es so arg ist mit den unrechten Handlungen welche sie verhindert, und mit den sittlichen, welche sie erzeugt haben soll. Sollte das also das Einzige sein, was ihr Ehrerbietung verschaffen könnte, so mag ich mit ihrer Sache nichts zu tun zu haben. Selbst um sie nur nebenher zu empfehlen, ist es zu unbedeutend. Ein eingebildeter Ruhm, welcher verschwindet wenn man ihn näher betrachtet, kann derjenigen nicht helfen, die mit höheren Ansprüchen umgeht. Daß sie aus dem Inneren jeder besseren Seele notwendig von selbst entspringt, daß ihr eine eigene Provinz im Gemüt angehört, in welcher sie unumschränkt herrscht, daß sie es wert ist, durch ihre innerste Kraft die Edelsten und Vortrefflichsten zu bewegen, und von ihnen ihrem innersten Wesen nach gekannt zu werden; das ist es was ich behaupte, und was ich ihr gern sichern möchte, und Euch obliegt es nun, zu entscheiden, ob es der Mühe wert sein wird, mich zu hören, ehe Ihr Euch in Eurer Verachtung noch mehr befestigt. |