Johannes FallatiJulius FrauenstädtWilhelm OstwaldHermann Schwarz | ||||||||||||||
Kritik des Materialismus [1/2]
Nicht nur der orthodoxe Kirchenglaube nimmt begreiflicherweise Partei gegen eine Richtung, die ihn für kindischen Aberglauben erklärt, nicht nur jede Weltanschauung, die in irgendeinem der bisherigen philosophischen Systeme wurzelt, welche der Materialismus nicht einmal der Mühe wert hält, sie zu kennen, sondern auch das einfache natürliche Bewußtsein, welche sich nicht entschließen kann, im Widerspruch mit einer auf einem unbezwinglichen Gefühl beruhenden Überzeugung, seine innere Welt als der mechanischen äußeren Einwirkung unterworfen zu betrachten. Aus dem Zusammenstoßen all dieser Richtungen mit dem Materialismus ist eine große Zahl von Streitschriften hervorgegangen, die, so verschieden auch der Wert und Gehalt derselben ansicht ist, doch allzumal demjenigen, der unbefangenen Sinnes diesem Streit folgt, dasselbe unbehagliche Gefühl erregen, daß nämlich der Streit dadurch nicht gefördert und überhaupt kein Resultat erzielt wird. Indem jeder der Streitenden von einem mehr oder weniger einseitigen und fertigen Standpunkt aus operiert, ohne irgendeinen Berührungspunkt mit dem Gegner, ist es nicht anders, als ob die Streitenden sämtlich in verschiedenen Sprachen diskutierten, von denen jeder nur die seinige versteht, und inmitten einer solchen babylonischen Verwirrung mag man es demjenigen, der frei von den Fesseln irgendeiner bestimmten Lehrart die Wahrheit sucht, nicht verdenken, wenn er sehnsüchtig das alte dos moi pou sto [Gib mir einen Punkt, (auf dem ich sicher stehen kann und ich hebe die Welt aus den Angeln) - wp] ausruft. Dieses nun aufzufinden oder mindestens die Richtung, in der es zu suchen ist, nachzuweisen, ist es, was wir uns in der vorliegenden Arbeit vorgenommen haben, und den Weg zu diesem Ziel soll uns eine kritische Betrachtung der materialistischen Philosophie bahnen. Freilich ist dies nicht der einzige Weg zu einem solchen Ziel, wie dies in der Natur der wissenschaftlichen Erkenntnis überhaupt liegt. Führte der Weg zur Wahrheit in gerader Richtung von einem festen Punkt aus zum Ziel, so wäre nichts einfacher, als die wissenschaftliche Methode, und es könnte nur eine geben. Aber der forschende Sinn befindet sich gleichsam in der Peripherie eines Kreises von unbekannter Ausdehnung, und die Wahrheit liegt im Mittelpunkt. So gibt es dann unzählige Ausgangspunkte und Wege, und unzählige werden auch wirklich genommen. Vielleicht ist auch der Weg, den wir einschlagen, nicht einmal der nächste, aber wir halten ihn für denjenigen, der nicht umgangen werden kann, ohne eine der Sache nachteilige Entfernung vom lebendigen Wirken der Gegenwart. Der Materialismus stellt sich dar als die notwendige Konsequenz, als das letzte Ergebnis jener glänzenden Resultate, welche die Naturwissenschaften in den letzten Jahrzehnten erreicht haben, und, umgeben vom Glanz dieser Forschungen, der einen großen Teil der Zeitgenossen blendet, und abhält ihn scharf ins Auge zu fassen, darf er nicht ignoriert werden, umso weniger als im naturwissenschaftlichen Lager selbst nur selten eine dissentierende [von Dissenz - wp] Stimme sich gegen ihn erhebt, die Heroen ihn aber meistens durch ihr Schweigen decken, schwankend wie es scheint, ob er die Wissenschaft mehr verherrlicht oder mehr kompromittiert. So muß die wissenschaftliche Forschung, wenn sie sich auf die Beachtung der Zeitgenossen Hoffnung machen will, den Materialismus entweder bekämpfen oder mit ihm gehen. Der Materialismus wird in den wesentlichen Lehrsätzen von seinen Vertretern übereinstimmend vorgetragen, und wenn wir uns im Nachfolgenden vorzugsweise an die Schrift des Dr. BÜCHNER, "Kraft und Stoff" halten, so geschieht es, um den Gang der Untersuchung nicht durch eine zerstreuende Bezugnahme auf verschiedene Autoren zu stören, und dann, weil gerade dieses Buch in weiten Leserkreisen bekannt ist. Wo wir also in der Folge Sätze der materialistischen Philosophie, ohne eine besondere Angabe eines Autors, zitieren, sind dieselben überall der eben bezeichneten Schrift von BÜCHNER entnommen, und entweder seine eigenen, oder von ihm ausdrücklich in Bezug genommenen Aussprüche von MOLESCHOTT, VOGT, DUBOIS-REYMOND usw. Was die Art der Untersuchung betrifft, so ist zuerst zu bemerken, daß wir der Empirie so vollkommen zugetan sind, wie die materialistischen Philosophen es nur immer sein können. Wir halten dafür, daß das Denken durchaus nicht stattfinden kann ohne die Beziehung auf ein Objekt, d. h. ein Gegebenes, nicht durch das Denken selbst Gesetztes. Sodann werden wir der materialistischen Philosophie, ohne abzuweichen, auf dem Weg folgen, den sie selber geht, nämlich ausgehen von der einzigen Grundlage, die sie anerkennt, der sinnlichen Wahrnehmung, den sinnlichen Tatsachen, und keine Folgerungen ziehen, die sich nicht aus dieser ergeben. Darüber aber, daß dies in der Tat die Grundlage und die Methode der materialistischen Philosophie ist, darüber ist kein Zweifel möglich. So sagt Herr BÜCHNER Seite XXXIV: "Die empirische Philosophie dagegen zieht jede ihrer Folgerungen nur mittelbar aus den Tatsachen selbst", und Seite XLII: "Wir dagegen behaupten: So weit menschliches Denken und menschliche Kenntnisse reichen, konnte nie etwas Übersinnliches entdeckt, erfaßt, gewußt werden, und niemals wird es geschehen können;" Seite XXXV: "Das Wesen des Naturalismus besteht in der Leugnung des Übersinnlichen und Übernatürlichen auf dem Gebiet menschlicher Erkenntnis und menschlichen Denkens." Hierin ist der Materialismus sogar so entschieden, daß er alle Auffassungen, die sich von dieser Grundlage entfernen, wenn nicht als Altweibergewäsch, so doch als Phrasen oder leere Abstraktionen kennzeichnet. Wir denken nicht in diesen Fehler zu verfallen. Vielmehr soll unsere kritische Aufgabe darauf gerichtet sein, zu prüfen, was aus den reinen sinnlichen Tatsachen folgt und was nicht, und insbesondere, inwiefern die von der materialistischen Philosophie daraus gezogenen Folgerungen in der Tat daraus herzuleiten sind, oder nicht. Die Tatsachen selbst, sofern sie wirklich solche, nicht aber Schlußfolgerungen sind, werden wir völlig unangefochten lassen, und nicht einmal diejenigen anzweifeln, welche in den Fachwissenschaften selbst noch nicht als unumstößliche gelten. Wir werden schließlich an keiner Stelle irgendeinen positiven Satz zu Hilfe rufen, zumindest nicht, ohne ihn unmittelbar aus den Tatsachen zu rechtfertigen, oder auf irgendein System oder irgendeine Lehrart zu rekurrieren, weil wir uns dadurch nur den Vorwurf der leeren Abstraktion oder Phrasenmacherei zuziehen, unsere kritische Aufgabe aber nicht fördern würden, auch nicht zum letzten Rätsel unsere Zuflucht nehmen - obwohl Dr. BÜCHNER es schmeichelhaft findet, wenn er seine Gegner so weit zurück zu weichen genötigt sieht - denn der weite Weg vom Materialismus bis zum letzten Rätsel ist in den engen Grenzen dieser Schrift nicht zurück zu legen. Wir werden uns überall nur desselben Mittels bedienen, das auch die materialistischen Philosophen nicht entbehren können, nämlich des Denkens, und was entscheiden soll, ist - die gesunde Vernunft. 1. Kraft und Stoff Kraft und Stoff bedingen einander gegenseitig dergestalt, daß keines ohne das andere zu denken ist. Die Kraft ist eine bloße Eigenschaft des Stoffes, und zwar eine von ihm unzertrennliche, ihm von Ewigkeit innewohnende Eigenschaft. Die Welt oder der Stoff mit seinen Eigenschaften, die wir Kräfte nennen, ist von Ewigkeit her. Diese Eigenschaften (Kräfte) sind unveräußerlich, unübertragbar. Dem Stickstoff, Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, dem Schwefel und Phosphor wohnen ihre Eigenschaften (Kräfte) von Ewigkeit bei. Die Bewegung des Stoffs erfolgt nach den in ihnen selber tätigen Kräften, und die Erscheinungsweisen der Dinge sind die Produkte der verschiedenen Kombinationen und stofflicher Bewegungen untereinander. Dies sind die Fundamentalsätze der materialistischen Philosophie. DUBOIS-REYMOND sagt sogar: "Geht man auf den Grund, so erkennt man bald, daß es weder Kräfte noch Materie gibt. Beides sind von verschiedenen Standpunkten aus aufgenommen Abstraktionen der Dinge, wie sie sind. Sie ergänzen einander und sie setzen einander voraus. Vereinzelt haben sie keinen Bestand." Und Herr Büchner drückt dies so aus: "Keine Kraft ohne Stoff - kein Stoff ohne Kraft! Eines für sich ist so wenig denkbar, als das andere für sich: auseinander genommen zerfallen beide in leere Abstraktionen." Seltsam genug, daß das System, welches sich ausschließlich auf sinnliche Wahrnehmung, auf sinnliche Tatsachen gründet, mit zwei leeren Abstraktionen beginnt, zwei Dinge, die es ansich beide nicht gibt, zu den Fundamentsteinen des Baus wählt. Herr BÜCHNER macht freilich von der leeren Abstraktion, die er an andern so rücksichtslos verfolgt, für sich einen durchaus unverhohlenen Gebrauch, indem er z. B. (Seite 3) die Elektrizität, ohne die Körper gedacht, an denen sie zur Erscheinung kommt, einen formlosen Begriff, eine leere Abstraktion nennt, der wir nur darum einen eigenen Namen gegeben hätten, um uns besser über diesen Begriff verständigen zu können, und er scheint danach der Meinung zu sein, daß man durch formlose Begriffe und leere Abstraktionen (d. h. wenn sie innerhalb des materialistischen Systems verwendet werden) die Sachen deutlicher machen kann. Indessen kann es formlose Begriffe gar nicht geben, weil die Form so sehr Essentiale des Begriffs ist, daß ohne dieselbe ein Begriff nicht sein kann, und durch leere Abstraktionen kann man das Verständnis einer Sache nicht fördern, sondern sie höchstens verwirren. Was sind denn das nun aber für zwei Begriffe, die beide ansich leer sind, von denen keiner für sich gedacht werden kann, die aber zusammen etwas geben, was gedacht werden kann? Solange Menschen denken, hat man einen Begriff, der nicht für sich gedacht werden kann, niemals als einen Begriff geachtet, und nimmermehr angenommen, daß aus der Verbindung von zweierlei Undenkbarem sich ein Denkbares ergeben könnte. Wenn doch aber überhaupt nur eins vorhanden ist, was gedacht werden kann, warum nennt man es nicht, und unterhält uns statt dessen mit zwei leeren Begriffen, mit denen wir nichts anfangen können? Und was sind das für zwei Dinge, die beide nichts sind, sich aber ergänzen und voraussetzen, dergestalt, daß dann etwas ist? Materie ist für sich nichts, und Kraft ist für sich nichts, aber die Ergänzung beider ist etwas, und zwar etwas sinnlich Wahrnehmbares, denn etwas anderes darf als "etwas" in der materialistischen Philosophie nicht vorkommen. Das sinnlich wahrnehmbare Etwas kann demnach, da es weder in der Materie, noch in der Kraft, deren jedes für sich Nichts ist, gefunden werden kann, nur im Verhältnis beider zueinander liegen. Da aber das Verhältnis zweier nicht sinnlicher Dinge zueinander durchaus nicht sinnlich wahrgenommen werden kann, so würde folgen: die materialistische Philosophie hat durchaus nicht, wie sie behauptet, eine sinnliche tatsächliche Grundlage, sondern ist reine Ideologie. So ernsthaft dürfen wir es jedoch mit den Worten der materialistischen Philosophie nicht nehmen, da sonst der Weg, den wir mit ihr zusammen zurückzulegen uns vorgenommen haben, gar zu kurz sein, und schon an der Schwelle die Trennung erfolgen würde. Die materialistische Philosophie nimmt es auch selbst mit ihren Worten nicht so genau. Ein weiterer Satz belehrt uns des Näheren über das Verhältnis von Stoff und Kraft, und diesmal in den sehr klaren Worten: die Kraft ist eine Eigenschaft des Stoffs. Also die Kraft sinkt herab zu einem bloßen Moment des Stoffs, und es bleibt uns nunmehr bloß noch der Stoff, dieser aber wird bleiben, und auch als etwas für sich Seiendes gedacht werden müssen, zwar nicht ohne die Kraft, denn diese gehört ja als seine unveräußerliche Eigenschaft wesentlich zu ihm, wohl aber als Träger der Kraft, denn wenn er in der Tat nichts wäre, so könnte er keine Eigenschaft haben, und die großen Worte, die wir vorhin gehört haben, laufen am Ende darauf hinaus, daß die Kraft den Stoff zur Voraussetzung hat, weil sie, als ein bloßes Moment desselben, nicht für sich sein kann und daß der Stoff niemals ohne die Kraft erscheint, weil dieselbe eine wesentliche Eigenschaft von ihm ist, und somit sind dann die Begriffe "Stoff und Kraft" auch im Sinne der materialistischen Philosophie keineswegs leere Abstraktionen, denn der erstere drückt ein Ding aus, das Eigenschaften hat, und der letztere die Eigenschaft des Dings. Der Stoff bildet also das Fundament der materialistischen Philosophie, und wir werden zunächst zu untersuchen haben, was man, von der alleinigen Grundlage sinnlicher Wahrnehmung ausgehend, sich unter diesem Begriff denken kann - eine Aufgabe, die freilich zu allererst vielmehr der materialistischen Philosophie selbst oblegen hätte. Der sinnliche Eindruck beruth in einer durchaus subjektiven Empfindung, welche in den verschiedenen Sinnesnerven oder vielmehr durch dieselben entsteht, und es ergibt sich daraus von selbst die Frage, wie ein solcher Vorgang geeignet sein kann, uns das Vorhandensein von Dingen außer uns und deren Eigenschaften zu Bewußtsein zu bringen. Die Materialisten werden darauf erwidern, daß die Frage eine gar nicht aufzuwerfende ist, indem wir uns bei jeder Sinnesempfindung gleichzeitig und unmittelbar eines zweiten, von uns selbst oder doch vom empfindenden Organ verschiedenen Gegenstandes bewußt würden, dem wir dasjenige, was das Besondere in unserer Sinnesempfindung ausmacht, als eine ihm an sich selbst zukommende und nicht die Wirkung, sondern die Ursache unserer Sinnesempfindung bildenden Eigenschaft zuschrieben und daß diese beiden Momente dergestalt in eins zusammenfielen, daß sie durchaus nicht als getrennte betrachtet werden könnten und beide zusammen eben in ihrer ungetrennten Einheit die sinnliche Wahrnehmung darstellten. In dieser Auffassung sind aber mehrere, sehr wesentliche Unterschiede verwischt. Zunächst sind sinnliche Empfindung und Bewußtsein schon verschiedene Lebenserregungen, der bloße Sinneseindruck aber genügt zur Erklärung weder der einen noch der andern. Empfindung und Bewußtsein sind verschieden. denn im Zustand der äußerlich erregten Empfindung, welche der Mensch mit dem Tier teilt, erfährt er nur eine subjektive Modifikation, infolge deren er etwas Bestimmtes sieht, fühlt, hört usw., im Bewußtsein aber, durch welches der Mensch sich vom Tier unterscheidet, ist offenbar mehr, eine über die Empfindung hinausgehende Tätigkeit enthalten, denn im Bewußtsein setzt der Mensch ein außer ihm, ein ansich seiendes Ding, und stellt sich mit seiner subjektiven durch das Ding erregten Empfindung diesem Ding als ein anderes gegenüber. Daß also im Bewußtsein ein Prozeß, eine Tätigkeit liegt, die über den Sinneseindruck hinausgeht, und durch diesen überhaupt nicht erklärt werden kann, ist ohne Zweifel. Aber auch die bloße Empfindung kann durch den Sinneseindruck nicht gedeutet werden, auch diese enthält offenbar schon eine Tätigkeit. Denn das empfindende Subjekt muß, wenn auch nicht bewußt, so doch tatsächlich dem von außen kommenden Eindruck Widerstand leisten, sich gegen ihn behaupten, und nur aus diesem Widerstand kann die Empfindung und aus den Modalitäten dieses Widerstandes jede besondere Empfindung hervorgehen, weil - diesen Widerstand weggedacht - die äußere Wirkung das Subjekt überwältigen, und, je nachdem sie die Sphäre desselben ganz oder teilweise erfüllte, sich ganz oder teilweise an seine Stelle setzen, in demselben Maß also mit dem Subjekt selbst die Möglichkeit ein an ihm hervortretenden Empfindung vernichten würde. Aber noch mehr. Es tritt in der sinnlichen Empfindung nicht bloß überhaupt eine Tätigkeit des Subjekts, indem es sich gegen den äußeren Eindruck behauptet, sondern eine ganz bestimmte Tätigkeit hervor, denn welchem anderen Umstand, als einer solchen Tätigkeit des Subjekts sollen wir es zuschreiben, wenn wir Gegenstände außer uns sehen, fühlen usw. Die vom Gegenstand ausgehend gedachte Wirkung geht lediglich in der Richtung von außen nach innen, und bringt einen Eindruck, eine im Subjekt verharrende Modifikation desselben hervor, dasjenige aber, was den auf unsere Sehnerven hervorgebrachten Eindruck als Bild vor uns hinstellt, dasjenige, welches die Glätte, die wir durch den tastenden Finger empfinden, auf die Oberfläche des berührten Körpers verlegt, dasjenige, welches den Ton, der eine durch die in unser Ohr eindringenden Schallwellen in uns erregte Empfindung ist, uns draußen vernehmen läßt, kann nichts anderes sein, als ein von der äußeren Einwirkung verschiedener, ein subjektiver Prozeß, ein innerer Impuls, der in gerade entgegengesetzter Richtung von innen nach außen wirksam ist, nicht von Äußerem herrührt, sondern ihm Widerstand leistet. Es ist also eine Schande da, an der die den Sinneseindruck hervorrufende Bewegung sich bricht, eine Kraft, welche durchaus verschieden ist vom Impuls, der jene von außen nach innen gehende Bewegung erzeugt, in gerade entgegengesetzter Richtung ihre Wirkung äußert, und ohne dieses zweite, von einem Sinneseindruck ansich ganz verschiedene, Moment ist die sinnliche Wahrnehmung nicht zu denken. Die materialistischen Philosophen werden einräumen müssen, daß diese Auffassung ohne Hinzutragung irgendeines anders woher entnommenen Begriffs auf der reinen Tatsache und einer einfachen Zerlegung der sinnlichen Wahrnehmung in ihre Momente beruth. Wenn sie dies aber tun, so verlieren sie die Basis ihrer Philosophie, welche allein in den äußerlichen Dingen und den durch dieselben hervorgerufenen Sinneseindrücken besteht, denn die äußerlichen Dinge mögen wohl die Sinneseindrücke erklären, aber nicht die sinnliche Wahrnehmung, und die sinnliche Wahrnehmung ist es doch allein, durch die wir erst von äußerlichen Dingen wissen. Es erhellt sich also, daß für diese Philosophen die sinnliche Wahrnehmung nur ein nomineller Ausgangspunkt ist, in Wahrheit gehen sie von diesem Punkt nicht aus, sondern drehen sich im Kreis darum. Wenn man sie fragt, woher sie etwas von den äußeren Dingen wissen, so sagen sie: durch die sinnliche Wahrnehmung, und wenn man sie fragt, woher die sinnliche Wahrnehmung kommt, so sagen sie: durch die Einwirkung der äußeren Dinge auf unsere Sinne. Und, will man sich dabei nicht beruhigen, so würde man, wenigstens von Dr. BÜCHNER, der in besonders delikaten Fällen gern auf die zukünftigen Leistungen der Wissenschaft verweist, wahrscheinlich die Antwort erhalten, daß man auch nicht verlangen muß, alles auf einmal zu erfahren, und daß die Naturwissenschaft schon noch dahin gelangen wird, diesen Hexenzirkel aufzulösen. Wir jedoch wollen nicht darauf warten, sondern ziehen es vor, den Nachweis zu führen, daß auf dem Standpunkt der unmittelbaren Wahrnehmung, der Empfindung, überhaupt von äußerlich seienden realen Dingen nicht gesprochen werden kann. Unterwerfen wir nämlich die subjektive Tätigkeit, die im unmittelbaren Lebensakt der Empfindung, und diejenige, die sich im Bewußtsein zeigt, einer näheren Betrachtung, so findet sich, daß beide identisch sind, nur mit dem Unterschied, daß im Bewußtsein das Subjekt von dem, was in der Empfindung bloß eine tatsächliche Bewegung ist, als seiner eigenen Tätigkeit weiß. Der Akt der Empfindung ist die subjektive Bewegung, in welcher das Subjekt auf einen ihm fremden Widerstand stößt, und mittels der auf sich selbst gerichteten Reflexionsbewegung diese ihm widerfahrende Modifikation gewahr wird. Dies ist der unmittelbare, am Subjekt sich geltend machende Gegensatz von Tun und Leiden, in welchem die Empfindung allein besteht. Im Bewußtsein reproduziert das Subjekt seine im Akt der Empfindung enthaltene Bewegung, aber ohne eine äußere Nötigung, mit freier Selbstbestimmung. Es setzt sich selbst dasjenige vor, was ihm in der Empfindung durch einen äußerlichen Eindruck gegeben wurde, in zwecktätiger Art, durch eine Selbstbeschränkung seiner ansich unendlichen Tätigkeit, hervorzubringen. So erhebt es die einfache natürliche Bewegung zur Tat und wird sich auf diese Weise ihrer bewußt. Denn die Tat ist die selbstbewußte Bewegung, sie hat alles in sich selbst, das Ziel (den Zweck) schon im Anfang (dem Motiv). Der Zweck ist das ausgeführte Motiv, und die Reflexionsbewegung, in der das Subjekt vom ausgeführten Zweck zu sich selbst, dem Motiv, zurückkehrt, und beides zusammenschließt, ist die Vollendung des Bewußtseins. So erzeugt das Subjekt in der freien zwecktätigen Hervorbringung des ihm äußerlich gegebenen Inhalts der Empfindung die Vorstellung, und in der Zusammenschließung dieser mit sich selbst den Begriff. Erst in dieser Tätigkeit ist das Subjekt für sich allein, in sich abgeschlossen, und kann sich demjenigen, wodurch es im Akt der Empfindung modifiziert wird, entgegen setzen und von ihm unterscheiden. Damit ist dann aber auch das andere, welches das Subjekt empfinden macht, nicht mehr bloß als diese Modifikation des Subjekts, sondern ansich gesetzt, es hat die beiden Momente, die in der Empfindung nur am Subjekt und im Gegensatz sind, an sich selbst und in Einheit. Denn diese in der subjektiven Tat des Begriffs vollzogene Einheit, dieses bloß Insichselbstsein ist es, was das Subjekt, und mit diesem zugleich das Objekt erst als für sich bestehend setzt, und beide einander gegenüberstellt. Dieser erste, lediglich aus einer subjektiven, wiewohl auf der Grundlage der Empfindung beruhenden Tat hervorgehende Begriff ist das Sein. Es erhellt sich also folgendes: eine unmittelbare Offenbarung des Gegenstandes gibt es nirgendwo. Alle Erfahrung wird am Subjekt und durch das Subjekt vermittelt. In der Empfindung aber ist das Objekt bloß Erscheinung, d. h. bloß in seiner Beziehung zum Subjekt, insofern dieses dadurch modifiziert wird. Es ist nichts, als diese Modifikation des Subjekts; als seiend dagegen, als Ding-ansich, wird es erst durch eine fernere subjektive Vermittlung, durch die freie Tat, vermöge der Bildung des Begriffs, gesetzt, also keineswegs angeschaut, oder überhaupt irgendwie unmittelbar wahrgenommen, sondern bloß begriffen, gedacht. Wir haben hiermit konstatieren wollen, daß das Vorgeben des Materialismus, daß uns unmittelbar durch die Sinne die Existenz äußerer Dinge offenbart wird, nicht auf Wahrheit beruth und wir sehen uns jetzt genötigt, um weiter zu kommen, mit ihm eine Stufe tiefer hinabzusteigen, und uns mit den äußeren Dingen, wie sie uns durch die sinnliche Wahrnehmung, den Lebensakt der unmittelbaren Empfindung, dargestellt werden, den sinnlichen Erscheinungen, als der alleinigen Wahrheitsquelle, zu begnügen. In diesen nun wollen wir nach dem Stoff suchen. Wenn wir die Gegenstände der Sinnenwelt betrachten, so stellt sich uns eine durchgängige Verschiedenheit unter denselben dar. Es ist keiner dem andern gleich, und diese Verschiedenheit ist es allein, durch welche wir mehrere Gegenstände wahrnehmen. Sollten auch zwei Dinge unserem Auge völlig gleich erscheinen, so sind sie doch dem Ort nach voneinander verschieden, sie sind räumlich nicht gleich, sondern nebeneinander, fiele aber in einem solchen Fall auch die räumliche Verschiedenheit fort, so würden wir überhaupt nicht mehr zwei Dinge wahrnehmen, sondern nur noch einen. Suchen wir nun in dieser ausnahmslosen Verschiedenheit nach einer Einheit, so finden wir, wenn wir zunächst beim Sehen stehen bleiben, daß allen Dingen, die gesehen werden, durchaus zweierlei gemeinsam ist, Ausdehnung und Farbe. Ohne Ausdehung und Farbe kann ein Ding nicht gesehen werden, andererseits ist es aber die Verschiedenheit der Ausdehnung und der Farbe allein, nach der wir die gesehenen Dinge unterscheiden, und welche als die alleinigen charakteristischen Kennzeichen derselben, insofern sie gesehen werden, zu betrachten sind. Will man, um in das Innere eines Dings zu dringen, um zu sehen, was dahinter ist, ihn zerbrechen, oder zerschneiden, so wird man dann allerdings etwas sehen können, was man vorher nicht gesehen hat, aber dieses andere wird wiederum nichts sein, als Ausdehnung und Farbe. Ausdehnung und Farbe sind aber Eigenschaften, Erscheinungsweisen von Dingen, keineswegs aber Dinge-ansich, also können wir auch darin den Stoff, der doch ein Ding-ansich, ja vorzugsweise das Ding, welches der Grund von allem andern ist, sein soll, nicht entdecken. Ebensowenig gelingt dies durch die übrigen Sinneswahrnehmungen, die in ihrer durchgängigen Verschiedenheit keine anderen Einheitspunkte darbieten, als beim Gefühl solche wie rauh, glatt, hart, weich; beim Geruch solche wie laut, leise, hell und dumpf, also lauter Eigenschaften, Erscheinungsweise von Dingen, die für sich allein ebensowenig wie Ausdehnung oder Farbe, ein Ding ausmachen können. Wir haben im Vorhergehenden die Ausdrücke "Erscheinungsweisen und Eigenschaften" ohne Unterscheidung gebraucht. Es besteht aber zwischen ihnen ein sehr wesentlicher Unterschied. Eigentlich waren wir nur berechtigt von "Erscheinungsweisen" zu reden. Denn wir haben es hier ja nur mit den Gegenständen der unmittelbaren Sinnlichkeit, den Erscheinungen, d. h. den Dingen, wie sie in Beziehung auf das empfindende Subjekt sind, und lediglich eine Modifikation desselben darstellen, zu tun. Es ist also natürlich, daß wir im Einzelnen nichts anderes an ihnen entdecken können, als sie im Ganzen sind, nämlich nichts als Beziehungen zum Subjekt, Erscheinungsweisen. Der Standpunkt aber, auf dem wir die Erscheinungsweise Eigenschaft nennen, d. h. als den Ausdruck von etwas begreifen, was dem Ding ansich zukommt, geht über die bloße Sinnlichkeit im Einzelnen ebensoweit hinaus, wie im Allgemeinen die Handlung des Bewußtseins, welche überhaupt und zuerst die Realität der Dinge setzt. Die Eigenschaft als solche erscheint nicht, sondern wird nur gedacht. Auf diesem Weg können wir an den Stoff nicht herankommen, vielleicht gelingt es auf einem anderen. Wenn wir ein und denselben Gegenstand wiederholt und zu verschiedenen Zeiten betrachten, so wird es sein können, daß wir dabei allemal denselben Eindruck haben, und, obwohl jeder dieser Sinneseindrücke ein neuer, ein anderer ist, bleibt sich der Inhalt all dieser Sinneseindrücke doch gleich. Hier scheint sich nun das Verhältnis zu ändern, und in dem Gegenstand, der zu verschiedenen Zeiten Sinneseindrücke von gleicher Art hervorzurufen geeignet ist, sich etwas Festes, Dauerndes zu offenbaren. So scheint es, aber die näher prüfende Naturwissenschaft belehrt uns, daß es nicht so ist. Sie zeigt uns, daß jeder sinnliche Gegenstand in jedem Augenblick Veränderungen erleidet, die zum Teil in so kleinen Verhältnissen vor sich gehen, daß sie der einfachen sinnlichen Wahrnehmung nicht bemerkbar sind, und sich erst vor der wissenschaftlichen Betrachtung und ihren Hilfsmitteln enthüllen. Sie zeigt uns, daß die Erscheinungen sich in einem beständigen Fluß befinden, und die anscheinende Fixierung einzelner Gegenstände in dieser Strömung nur auf einer Täuschung der Sinne beruth. Die sinnliche Wahrnehmung vermag uns demnach so wenig im zeitlichen Nacheinander, wie im räumlichen Nebeneinander irgendetwas Festes, Einheitliches, aufzuweisen. Vielleicht aber vermag die Wissenschaft, die die Jllusion der Sinne zerstört, durch ihre Forschungen Ersatz dafür zu bieten, die Wissenschaft, welche mittels chemischer Analyse den Entwicklungsgang der Erscheinungen rückwärts verfolgt, und das Einfache aufsucht, was ihnen allen zugrunde liegt. In der Tat will die Wissenschaft an einer solchen Grenze - ob an einer unwiderruflichen oder nur zeitweiligen, mag dahingestellt bleiben - angelangt sein, und nennt uns eine Zahl von Stoffen, den Kohlenstoff, den Stickstoff, den Phosphor, den Schwefel, das Gold, das Silber usw. als diejenigen, die sich auf ein Einfacheres nicht mehr zurückführen ließen, als die Grundstoffe. Damit haben wir nun statt eines Einfachen ein sehr Mannigfaltiges, und dazu geht einstweilen, wie es scheint, die Richtung der Wissenschaft vielmehr auf die Entdeckung neuer Grundstoffe, als auf die Vereinfachung der vorhandenen. Vielleicht könnte die materialistische Philosophie ihre Vergötterung des Stoffs dennoch retten, indem sie sich zum Polytheismus bekehrte, und jedem der Grundstoff einen Tempel erbaut, wenn nur diese Grundstoffe von anderen Objekten der sinnlichen Wahrnehmung sich irgendwie unterschieden, wenn sie nur nicht auch der sinnlichen Wahrnehmung bloß die bekannten Erscheinungsweisen, Ausdehnung und bzw. Farbe, usw. zeigten, wenn sie nur nicht auch der strömenden Bewegung aller Erscheinungen und den durch dieselbe hervorgerufenen Veränderungen unterworfen wären, wenn sie mit einem Wort etwas Einheitliches hätten, was als der "Stoff" angesehen werden könnte. Wir haben bei den Grundstoffen zugleich die zugestandene Grenze der Wissenschaft erreicht, und, wenn LALANDE gesagt hat: "Ich habe den Himmel überall durchsucht und nirgends die Spur Gottes gefunden", - was, beiläufig gesagt, nicht verwundern sollte, da der große Astronom Gott ganz an der unrichtigen Stelle gesucht hat, - so dürfen wir nun mit vollem Recht sagen: wir haben das ganze Gebiet der sinnlichen Erscheinungen durchsucht, und nirgends den "Stoff" gefunden. Die materialistischen Philosophen dagegen nehmen in dieser Verlegenheit keinen Anlaß, sich über die Grenzen der Wissenschaft hinwegzusetzen, und greifen zu einer zwar nicht neuen, aber dafür umso ungenügenderen Erfindung, den Atomen oder Molekülen, d. h. den kleinsten nicht mehr teilbaren Stoffteilchen. Seltsam, denn sie teilen den Stoff den sie gar nicht haben. Hervorgebracht aber kann er durch das Teilen nicht werden. Denn was heißt Teilen? Teilen ist eine Operation, durch welche in einer Erscheinung bestimmte Veränderungen und dadurch mehrere neue Erscheinungen bewirkt werden, die aber wiederum durchaus den allgemeinen Bedingungen sinnlicher Erscheinungen unterliegen, so daß eben deshalb der Stoff nicht daraus hervorgehen kann. Dann aber auch kann es in der sinnlichen Welt etwas Kleinstes, etwas Unteilbares nicht geben, denn es gibt nichts Sinnliches ohne Ausdehnung, wo aber Ausdehnung, also eine gewisse Größe ist, ist auch noch eine Teilung und ein Kleineres möglich. Das Atom ist daher nicht bloß etwas, was bisher niemals sinnlich wahrgenommen worden ist, sondern ein Unding, das überhaupt nicht sinnlich wahrgenommen werden kann, welches dem Begriff sinnlicher Wahrnehmung widerstrebt. Und dieses Unding macht die Lehre, welche mit besonderer Prätension [Berechtigung - wp] als ihren Hauptgrundsatz verkündet, daß nie etwas Übersinnliches entdeckt, erfaßt, gewußt werden konnte, und daß dies nie wird geschehen können, ohne jede tatsächliche oder wissenschaftliche Rechtfertigung zum Fundament ihres Systems. Sehr bezeichnend für diese ganze Art und Weise zu philosophieren ist das Verhalten des Herrn Dr. BÜCHNER zum Atombegriff. Er sagt darüber (Seite 8): "Ein Atom nennen wir einen kleinsten Stoffteil, den wir uns als nicht mehr teilbar, oder doch nicht mehr sich teilend vorstellen, und denken uns allen Stoff aus solchen Atomen zusammengesetzt und durch gegenseitige An- und Abstoßung derselben existierend und seine Eigenschaften erhaltend. Aber das Wort Atom ist nur ein Ausdruck für eine uns notwendige und von uns äußerlich an den Stoff herangebrachte Vorstellung, eine Vorstellung, welcher wir für gewisse äußere Zwecke bedürfen. Ein wirklicher Begriff von dem Ding, das wir Atom nennen, geht uns vollkommen ab; wir wissen nichts von seiner Größe, Form, Zusammensetzung usw. Niemand hat es gesehen." Wir bekennen, durchaus nicht zu wissen, wie wir es anfangen sollten, eine Vorstellung "äußerlich" an etwas heranzubringen, und wie es uns notwendig sein möchte, so etwas Absonderliches vorzunehmen, und ebensowenig, was für äußere Zwecke das sein können, für welche wir einer solchen Vorstellung bedürften. Die äußeren Zwecke können hier wohl nichts anderes sein, als die Begründung und der Aufbau der materialistischen Lehren, denn zu welchen anderen Zwecken sollten wohl so fabelhafte Dinge wie die Atome gebraucht werden? Es ist doch aber ein gar zu naives Geständnis, daß, wenn man gar nicht mehr weiter weiß, man ohne weiteres zu einem Ding greift, das weder sinnlich wahrgenommen, noch überhaupt nur irgendwie gedacht werden kann. Denn Herr BÜCHNER fügt noch ausdrücklich hinzu: "Und die spekulativen Philosophen leugnen die Existenz der Atome, weil sie nicht zugeben, daß ein Ding existieren kann, das man sich nicht weiter als teilbar vorstellen kann. Somit führen uns weder Beobachtung noch Nachdenken in der Betrachtung des Stoffs im Kleinsten an einen Punkt, an dem angelangt wir Halt machen könnten, und es fehlt uns alle Aussicht, daß dies jemals geschehen wird." Man sollte nun glauben, daß Herr BÜCHNER, nachdem er solchergestalt die Atome vollständig in das Reich der Mythologie verwiesen hat, von denselben keinen Gebrauch machen wird. Stattdessen bedient er sich ihrer aber ganz ungeniert, gerade so, als ob sie eine völlig ausgemachte Sache wären; er spricht Seite 2 von den Molekularkräften der Kohäsion und der Affinität, er bezeichnet Seite 3 die Moleküle des Eisens als dasjenige, woran die magnetischen Kräfte haften, er nennt Seite 11 die Atome unveränderlich, unzerstörbar, und die Verschiedenartigkeit ihres Zusammentritts ist ihm die Ursache, aus welcher die unzählig verschiedenen Gestalten des Stoffs entstehen und sich unseren Sinnen darstellen, ja er sieht die Atome sogar in einem ewigen, unaufhaltsamen Wechsel und Fluß dahineilen und belehrt uns, daß die Menge der Atome eines einfachen Grundstoffes im großen und ganzen unveränderlich dieselbe bleibt. Wenn man sich in solchen Widersprüchen und Unklarheiten bewegt, sollte man bescheidener sein, als die bei den materialistischen Philosophen anzutreffen ist, und, wer an die Atome glaubt - denn Atome kann man nur glauben, da sie weder sinnlich wahrzunehmen sind, noch von der Wissenschaft nachgewiesen werden, oder jemals nachgewiesen werden können - der sollte es sich zum Anlaß nehmen, diejenigen, welche sich zu einer "Gottes-Idee" bekennen, als eine Art weiße Kaffern zu betrachten. Das Resultat unserer bisherigen Untersuchung ist, daß die sinnliche Wahrnehmung uns nichts zeigt, was wir Stoff nennen können, und daß daher die materialistischen Philosophen, welche allein von der sinnlichen Wahrnehmung ausgehen, kein Recht haben, diesen Begriff zu gebrauchen. Es bleibt uns nur das sinnlich Wahrnehmbare. Dies aber zeigt uns im Besonderen eine unüberwindliche Verschiedenheit aller einzelnen Erscheinungen und im Allgemeinen nur eine überall durchgreifende Einheit: räumliche und zeitliche Ausdehnung, welche jedoch in einer solchen Einheit nur im Begriff, nicht aber in den Erscheinungen selbst ist. Fragen wir nun, was gemeinhin und auch wohl von den materialistischen Philosophen unter "Stoff" gedacht wird, so werden wir kaum etwas anderes darunter verstehen können, als die Einheit, unter der wir im Denken alle sinnlichen Erscheinungen zusammenfassen, die Einheit, die wir als den dauernden Grund all dieser Erscheinungen betrachten. Dann aber erhellt sich auch zuglech, daß dieser Begriff nicht aus der sinnlichen Wahrnehmung hervorgegangen sein kann, weil er in einem geraden Gegensatz zu derselben steht. Das Wesen des sinnliche Wahrnehmbaren ist, wie wir gesehen haben, die Verschiedenheit, und zwar dergestalt, daß auf der Verschiedenheit desselben die Möglichkeit einer sinnlichen Wahrnehmung überhaupt beruth, es ist also unmöglich, von ihm aus zur Einheit zu gelangen. Haben wir nun dennoch diese Einheit im Begriff "Stoff", so muß sie aus einer anderen Quelle Stammen, als aus dem sinnlich Wahrgenommenen, und die Frage, was der Begriff "Stoff" eigentlich bedeutet und inwiefern er in unserem Denken eine berechtigte Stelle hat, ist nicht zu beantworten, solange wir die Quelle nicht kennen, aus welcher er stammt, und nicht wissen inwiefern diese Quelle eine Wahrheitsquelle ist. Wir gehen über zur Betrachtung der "Kraft". Die Kraft, sagt der Materialismus, ist eine Eigenschaft des Stoffes, oder auch: die Kräfte sind Eigenschaften der Stoffe, wobei dahin gestellt bleibt, ob die Kraft als etwas Einheitliches zu denken ist oder nicht; und weiter; die Kraft ist eine unzertrennliche, dem Stoff von Ewigkeit innewohnende Eigenschaft desselben. Im Grunde ist hier von der Sache nicht weiter zu reden, nachdem sich für uns herausgestellt hat, daß der Begriff "Stoff" ganz außerhalb des Bereichs der materialistischen Philosophie fällt. Kann die materialistische Philosophie den "Stoff" nicht aus der sinnlichen Wahrnehmung nachweisen, so darf sie auch nicht von Eigenschaften des Stoffes sprechen. Ja, sie darf überhaupt, da sie bloß sinnliche Erscheinungen kennt und nichts Übersinnliches statuiert, von Eigenschaften nicht sprechen, sondern nur von Erscheinungsweisen, denn die Eigenschaften erscheinen nicht, sondern werden nur gedacht. Wenn aber die materialistische Philosophie Kräfte annimmt, so gerät sie in einen offenbaren Widerspruch mit sich selbst, denn von den Kräften muß sie selber zugeben, daß sie übersinnlich sind und nur in den Wirkungen erscheinen. So sagt dann auch Herr BÜCHNER Seite 4:
Die Kraft ist also lediglich etwas Gedachtes, die Erscheinungen zeigen bloß Wirkungen. Natürlich, denn die Erscheinungen selbst sind ja nichts als Wirkungen, die Wirkungen, welche die realen, aber bloß gedachten und niemals unmittelbar erscheinenden Dinge auf das empfundene Subjekt hervorbringen. Die Veränderungen, die in den sinnlichen Erscheinungen hervortreten, sind immer andere, immer neue Wirkungen, von denen wir auf entsprechende Ursachen schließen. Der Übergang von der Ursache zur Wirkung aber, das Werden, und dasjenige, was sich als kräftig betätigt und die Wirkung hervorbringt, tritt überall nicht in Erscheinung. Sie sind jetzt Wasserstoff und Sauerstoff in der Erscheinung, sie verbinden sich und es entsteht Wasser, d. h. zwei Erscheinungen, die vorhanden waren, sind verschwunden, und eine neue ist an die Stelle getreten. Wir schließen auf eine Kraft, die diese Veränderung hervorgebracht hat, aber es ist höchst seltsam, diese Kraft dem Wasserstoff oder dem Sauerstoff, oder beiden zuzuschreiben, denn diese beiden haben sich in diesem Vorgang selbst ja bloß als solche gezeigt, die eine Veränderung nicht hervorgebracht, sondern sie erfahren haben, denn sie sind verschwunden, sie haben sich als nicht tätig, sondern einer Tätigkeit unterliegend erwiesen. Wir kommen wir dann aber nun überhaupt dazu, Kräfte und Dinge, welche Kraft äußern, anzunehmen, wenn die sinnliche Erscheinung nichts der Art aufweist? Ganz auf dieselbe Weise, wie wir dazu gelangen, reale Dinge außer uns zu setzen. Das Subjekt wird sich seiner selbst durch die freie selbstbestimmte Tätigkeit, in der es nur bei sich ist, und nichts Fremdes ansich hat, bewußt. So setzt es sich für sich und damit zugleich den äußeren Gegenstand, der dadurch, daß es sich von ihm losgelöst hat, zugleich mit selbständig geworden ist. Nun aber erkennt das Subjekt sich bloß mittels seiner Tätigkeit, mithin auch bloß als ein Tätiges. Es ist nichts weiter, als das nach einer bestimmten Regel Tätige. Ferner setzt es ein äußeres Ding nur deshalb, weil es seine Tätigkeit durch eine entgegengesetzte beschränkt, bestimmt findet, mithin ist ihm dieses äußere Ding ein ihm selber Identisches, ein Subjekt, ein an und für sich Tätiges, und das allein ist es, weshalb die realen Dinge als kraftäußernde betrachtet werden, und wir die Wirksamkeit von Kräften außer uns annahmen. Weshalb wir aber außer uns verschiedene Kräfte annehmen, und wie wir diese Kräfte von der subjektiven, die sich im Vorstellen und Empfinden entfaltet, unterscheiden, erhellt sich auf folgende Art. Das Subjekt setzt die äußere Kraft der subjektiven nicht bloß identisch, sondern unterscheidet sie zugleich von ihr. Die subjektive nämlich enthält allemal einen Gegensatz, im Akt der Empfindung in der Art, daß sie unmittelbar durch die äußere Kraftwirkung bestimmt, beschränkt wird, in der Vorstellung so, daß sie sich selbst beschränkt, indem sie das Entgegengesetzte, den Inhalt ihres Leidens, wie es bei der Empfindung unmittelbar stattfindet, zum Gegenstand ihrer Tätigkeit macht. Dieser Gegensatz nun wird im Denken, im Begriff, der die Einheit der beiden Momente des Gegensatzes bildet, aufgehoben, und diese Begriffseinheit hat ihren realen Gegenstand in der äußeren Kraftwirkung, denn diese erfährt kein Leiden, ihr kommt ansich nicht nur das Allgemeine zu, worin sie mit der subjektiven identisch ist, sondern auch das Besondere, in welchem sie auf das Subjekt modifizierend einwirkt, sie ist ansich die Einheit des Allgemeinen und des Besonderen, d. h. bestimmte Kraft von besonderem Inhalt, von spezieller Wirkung. Die subjektive Tätigkeit ist die allgemeine, welche bloß die Regel aller Kraftäußerung enthält und das Besondere nur in der Form des Gegensatzes von draußen empfängt, die reale dagegen ist die ansich bestimmte, welche im Besonderen nur ihren eigenen Inhalt, nur sich selbst entwickelt. Daher, von der Verschiedenheit der Erscheinungsweisen, als Wirkungen, auf die Verschiedenheit der Ursachen schließend, nehmen wir außer uns verschiedene Kräfte an. Wirkung - im Unterschied von Ursache gedacht - ist aber das reale Ding nur in Bezug auf das Subjekt, nicht ansich. Ansich ist es in der Ursache und der Wirkung ein und dasselbe. Die Wirkung ist nur die entfaltete Ursache, die Kraft nichts anderes, als Selbstbestätigung. Die Kraft bringt niemals etwas vom kraftäußernden Subjekt Verschiedenes, eine separate Wirkung, hervor, sondern nur dieses Subjekt selber, den entfalteten Ausdruck seines Wesens, sie ist das ihm Immanente, sein sin sich selbst bewegendes Leben. Nun erhellt sich, daß, wenn der Materialismus vom Stoff spricht, dabei nichts anderes zu denken ist, als der Begriff des Subjekts (oder der Substanz oder des Dings ansich, welches Alles nur gleichbedeutende Ausdrücke sind) und daß, wenn er die Kraft eine Eigenschaft des Stoffes nennt, damit bloß etwas Tautologische gesagt ist. Denn Eigenschaft, d. h. das einem Ding ansich seiner Natur nach Zukommende, kann nur als spezifische Kraft gedacht werden, das Ding ansich ist seinem Wesen nach bloß ein kraftäußerndes, die Erscheinungsweisen aber sind keine Eigenschaften, sondern nur die Merkmale von solchen. Wie willkürlich und oberflächlich die materialistische Philosophie den Begriff "Kraft" behandelt, wird recht ersichtlich aus dem Ausspruch von VOGT:
Im Ganzen also stellt sich heraus, daß die Begriffe "Stoff und Kraft" durchaus metaphysischen Ursprungs sind, daß sie aus der sinnlichen Erscheinung, als solcher, nicht herzuleiten und auf dem Gebiet des Materialismus nichts sind, als unaufgelöste Widersprüche, welche den Verstand verwirren und durchaus falsche Vorstellungen erzeugen. Sie beruhen auf dem dialektischen Schein, welchem der Materialismus überhaupt sein Dasein verdankt, auf der Auffassung nämlich, welcher die Erscheinungen mit den Dingen ansich verwechselt. |