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Pierre Bayle
V o r w o r t Allerdings. Aber wenn anders BAYLE noch einer Erwähnung und Behandlung wert ist, so kann so ein eigenes Wesen auch nur auf eigene Weise behandelt werden: mit einzelnen, noch dazu nicht näher bestimmten, Sätzen aus seinen Schriften ist hier gar nichts gesagt. Noli me tangere, [Rühr mich nicht an - wp] oder, wenn du das Tasten nicht lassen kannst, so berühre das paradoxe Gewächs an seiner empfindlichen Stelle, berühre es so, daß der Kern davon dir in die Augen springt, der Grund seines eigentümlichen Namens und Wesens offenbar wird. Es fragt sich daher nur: ob BAYLE - abgesehen vom Interesse, das er als Antiquar und literarischer Spezereienhändler für den Gelehrten hat - auch ein Interesse für die Geschichte der Philosophie und Menschheit noch jetzt darbiete? Noch jetzt? Ach leider! jetzt unendlich mehr, als in einer anderen besseren und vernünftigeren Zeit. Die entscheidende Antwort auf diese Frage liegt übrigens in der Schrift selbst. Hier wird vorläufig nur Folgendes bemerkt: BAYLE ist überhaupt schon dadurch ein interessantes Objekt des Denkens, daß er voller Widersprüche ist. Nur diese Widersprüche in seinem intellektuellen Charakter waren es dann auch, welche dem Verfasser die Veranlassung zu dieser Schrift gaben. Es fragt sich daher nur: ob BAYLE - abgesehen vom Interesse, das er als Antiquar hat - auch ein Interesse für die Geschichte der Philosophie und Menschheit noch jetzt darbietet? Noch jetzt? Ach leider! jetzt unendlich mehr, als in einer anderen besseren und vernünftigeren Zeit. Die entscheidende Antwort auf diese Frage liegt übrigens in der Schrift selbst. Hier wird vorläufig nur Folgendes bemerkt: BAYLE ist überhaupt schon dadurch ein interessantes Objekt des Denkens, daß er voller Widersprüche ist. Nur diese Widersprüch ein seinem intellektuellen Charakter waren es dann auch, welche dem Verfasser die Veranlassung zu dieser Schrift gaben. Er hatte daher anfänglich einen ganz speziellen, literarisch psychogischen Zweck im Auge: er wollte nichts weiter, als über BAYLEs Widersprüche ins Reine kommen, den Quecksilberflüssigen Franzosen zum Geständnis bringen. Aber der wesentlichste und interessantest Widerspruch in BAYLE ist der Widerspruch zwischen Glaube und Vernunft. Zwar ist dieser Widerspruch allen Denkern und selbst Orthodoxen der neueren Zeit anzutreffen, ja er ist sogar der charakteristische Widerspruch der christlichen Welt überhaupt, und es wäre daher ebenso interessant, als nützlich, diesen Widerspruc durch die ganze Geschichte des Christentums hindurch zu verfolgen hinein bis in die verborgensten Winkel der orthodoxesten Seelen, wo er freilich vertuscht ist, und nachzuweisen, wie hier von jeher der Glaube die Vernunft und hinwiederum die Vernunft den Glauben und sich selbst hintergangen hat. Allein die Bedeutung dieses Widerspruchs ist wesentlich verschieden, je nach Verschiedenheit der Personen und Zeiten - eine andere in der Seele eines Orthodoxen, eine andere in der Seele eines Philosophen. Namentlich bietet die Art und Weise, wie sich dieser Gegensatz in BAYLE ausgesprochen hat, ein besonderes Interesse dar, zeichnet ihn, als den Kulminationspunkt dieses in der Geschichte der Philosophie und Menschheit unumgänglichen Zwiespalts, vor allen anderen verwandten Erscheinungen der neueren Zeit aus. Der Darstellung und Entwicklung dieses Widerspruchs von allgemeiner Bedeutung subordinierte daher oder opferte vielmehr BAYLE seine anfänglich nur spezielle Tendenz auf, und zwar so, daß er sich nicht enthalten konnte, selbst auch ein Wörtchen mit zu schwatzen. Aber er bittet, nicht außer Acht zu lassen, daß er die von ihm besprochenen Materien, beengt durch die Schranken einer historischen Arbeit, keineswegs erschöpfen konnte und mochte, - so weit er überhaupt aus seinen eigenen beschränkten Kräften und Mitteln etwas erschöpfen kann. Diese Bemerkung gelte besonders freien, unbefangenen Denkern, deren Urteil allein BAYLE ein berücksichtigungswertes ist. Dem Urteil aller derjenigen, deren Urteil er schon im Voraus kennt, namentlich dem Verdammungsurteil des theologischen Dünkels und einer gewissen spekulativen Superstition [Mißtrauen - wp] ist er absolut impenetrabel [undurchdringlich - wp]. Einige Worte, die, wie z. B. "Religion", "irreligiös", einen vieldeutigen, unbestimmten, oder, wie "Menschlich", "Idee", selbst einen doppelten, entgegengesetzten Sinn haben, sind auch hier ein oder ein paarmal unwillkürlich so gebraucht worden. Die hieraus sich ergebenden Widersprüche entschuldige die Willkür des Sprachgebrauchs, die auch den gewissenhaftesten Schriftsteller in Verlegenheiten und Widersprüche verwickelt. Der Katholizismus oder der Gegensatz von Geist und Fleisch Einheit war das Wesen des klassischen Heidentums, Dualismus, Zwiespalt ist das Wesen des klassischen Christentums. Woh treffen wir auch im Heidentum genug Gegensätze an - wo sollten auch überhaupt keine Gegensätze zu finden sein? - und infolge derselben genug Kämpfe, Leiden, Übel; allein diese Gegensätz waren notwendige, diese Kämpfe organisch begründete, diese Leiden und Übel natrüliche, unvermeidlich. Aber das Christentum gesellte zu den unvermeidlichen Übeln ansich überflüssige Übel, zu den notwendigen und immanenten Kämpfen geistzerrüttende, transzendente Kämpfe, zu den körperlichen Leiden Seelenleiden, zu den natürlichen Gegensätzen unnatürliche Gegensätze - den Zwiespalt von Gott und Welt, von Himmel und Erde, von Gnade und Natur, von Geist und Fleisch, von Glaube und Vernunft. Der Kampf zwischen Kirche und Staat war nur der äußere, politische Ausdruck dieser im Innern der Menschheit wühlenden Gegensätze. Wo die Menschheit mit sich selbst Eins ist, da kann auch ihre Welt nicht in zwei Welten zerfallen. Der charakteristische innere Gegensatz der christlichen Welt im katholischen Zeitalter war besonders der Gegensatz von Natur und Gnade, Sinnlichkeit und Über- oder Widersinnlichkeit, Menschlichkeit und Heiligkeit, oder, kürzer und in der Sprache der Kirche, der Gegensatz von Geist und Fleisch. Dem bürgerlichen und politischen Leben entsagen, alle sogenannten weltlichen Dinge und Beschäftigungen als eine bloße Eitelkeit verwerfen, um, so viel als möglich, ungestört mit zerknirschtem Herzen und tränenvollen Augen nach dem Himmel zu schmachten, alle natürliche Triebe und Neigungen ertöten, sich kasteien und martern - das war Religion, das Tugend, und zwar höchste Tugend, die Tugend des Heiligen. Nicht die Liebe, so sehr sie auch rhetorisch gefeiert wurde, - denn die Natur hat offenbar nicht den Haß, sondern die Neigung zur Liebe den Menschen eingepflanzt - nicht der Glaube - denn auch zum Glauben hat schon der Mensch von Natur einen starken Hang - nein! nur die Keuschheit oder vielmehr die Virginität, die Jungfernschaft - denn nur zu ihr hat uns die Natur keine Neigung gegeben, sondern vielmehr einen ihr geradezu widerstrebenden, höchst mächtigen Trieb - war und ist in Wahrheit, als die wider- und übernatürlichste Tugend, die spezifische Tugend des Katholizismus. Leicht ist der Glaube, noch leichter die Liebe, aber schwer die Keuschheit. Übermenschlich ist nicht die Liebe, nicht der Glaube, aber die Keuschheit. Der Begriff des Opfers ist der höchste Begriff des Katholizismus; aber welches Opfer ist größer für den natürlichen Menschen, als das Opfer der Keuschheit, der Jungfernschaft? Der Himmel ist das letzte, das einzige Ziel des Katholizismus; aber welche Tugen macht schon auf Erden den Menschen himmlich, engelreich und engelsgleich? Die Keuschheit.
Die Liebe zur BEATRICE begeisterte DANTE zum Dichter. Aber eine solche Liebe, auch wenn sie noch so rein und ideal ist, widerspricht dem Wesen und selbst den ausdrücklichen Lehren des Katholizismus. "Nicht den Menschen, sondern Gott im Menschen liebe," sagt ein katholischer Heiliger. Und der fromme PASCAL: " Es ist unrecht, an uns sich zu hängen, wenn man's auch mit Vergnügen und gern tut ... wir sind niemandes Endzweck ... Wir müssen sie daran erinnern, daß sie sich nicht an uns hängen dürfen; denn sie sollen ihr Leben damit hinbringen, Gott zu gefallen und ihn zu suchen." Aber die Liebe liebt eben den Menschen im Menschen und fesselt den Menschen an den Menschen. Der Liebe ist das Irdische das Himmlische, die Seligkeit, die sie in sich selbst findet, die höchste Seligkeit. Die Liebe erhebt das Endliche zum Unendlichen. DANTE identifiziert seine BEATRICE mit der Theologie. PETRARCA feiert die LAURA in seinen Sonetten und Canzonen als seine allgegenwärtige Göttin; nur die Liebe zu ihr ist der Puls seiner poetischen Ader. Sang er diese Lieder als Katholik? Kamen sie aus seinem katholischen Glauben, oder stimmten sie mit ihm zusammen? Ja wohl seine Reue über diese Gedichte, seine Bitte an den heiligen AUGUSTIN, d. h. an die Personifikation seines katholischen Gewissens, dieselben ihm zu vergeben, aber nicht der Geist, der diese Lieder schuf, kam aus dem Katholizismus. So wenig LEO X., obwohl Papst, in seinen Neigungen, seiner Denkart, kurz in seinem Wesen, dem Wesen des Katholizismus entsprach, so wenig entspricht diesem die Kunst als solche, so sehr sie auch von der katholischen Kirche gehegt und gepflegt wurde. Die Schönheit ist die wesentliche Kategorie, die Gattung der Kunst - heidnische Kraft und christliche Demut sind ihr als Arten untergeordnet - auch der christliche Künstler muß das Christliche nicht als ein Christliches, sondern als ein Schönes aus sich herausgebären und darstellen; sein Werk wird und muß auch den Nicht-Christen, sofern er nur Kunstsinn und Verstand hat, ansprechen. Ein Werk, das nur für einen Christen schön wäre, das wäre auch kein vollendetes Werk. Die Kunst erhebt ihrer Gegenstände über die Schranke der besonderen Religion in die Sphäre der allgemeinen Menschlichkeit. Was ein wahres Kunstwerk ist, gehört keiner Kirche, keiner besonderen Religion mehr an. Das wahre Kunstwerk ist ein Vereinigungspunkt der gesamten Menschheit. Der Künstler verherrlicht auch in den Werken, welche er ausdrücklich der Verherrlichung seiner Kirche bestimmt, die Kunst, nicht die Kirche. Der Künstler überwindet seinen Glauben, indem er die Gegenstände seines Glaubens zu Gegenständen der Kunst macht. Die Kunst ist nur Kunst, wo sie sich Selbstzweck, wo sie absolut frei, sich selbst überlassen ist, wo sie keine höheren Gesetze kennt, als ihre eigenen, die Gesetze der Wahrheit und Schönheit. Der Künstler unterwirft nicht die Kunst der Religion, sondern die Religion der Kunst. Das Religiöse in seinem Kunstwerk hat nur eine untergeordnete Bedeutung: das Wesen ist das Wahre, das Schöne. Der frommgläubige Katholik, der keinen von seinem katholischen Sinn und Glauben unterschiedenen, ästhetischen Sinn hat, erbaut sich auch am schlechtesten Heiligenbild, fällt demütig vor dem schlechtesten Kruzifix nieder; denn es ist ihm, was es als ein religiöses Bild sein soll, ein Erinnerungszeichen an diesen Heiligen, diesen CHRISTUS, der ihm hier sinnlich vergegenwärtigt wird. Die Kunstbeschaffenheit ist ihm gleichgültig und ansich auch für die Religion gleichgültig. Ja, nur solche Bilder, welche keinen Kunstwert haben, sind Bilder in Sinn und Geist des echten Katholizismus, eben deswegen, weil sie bloß religiöse, aber keine Kunstbedeutung haben, weil sie den Menschen nicht abziehen von der frommen Betrachtung des heiligen Standes, nicht den Sinnen schmeicheln, sondern vielmehr, mit Ziel und Widerwillen an allem Irdischen und Menschlichen ihn erfüllend, nur hinaus zum Himmel seine Blicke ziehen. Ein Heiligenbild dagegen, das Kunstwert hat, das zieht das Auge auf sich als Kunstwerk, das stellt, sozusagen, nur sich, nicht den Heiligen dar, das ist kein Augenglas, durch das wir nur den frommen Gegenstand erblicken, sondern ein Diamant, der mit eigenen Farben funkelt, der für sich selbst, daher auch den Nicht-Katholiken entzückt. Vor einem religiösen Bild kann nur der Nichtkenner eine rein religiöse Andacht empfinden; der Kenner empfindet es nur oder doch zugleich als ein ästhetisches Werk. Wohl ist der Eindruck eines Madonnenbildes ein heiliger Eindruck; aber ihr täuscht euch, wenn ihr dem religiösen Gegenstand als solchem und dem Glauben des Künstlers daran diese Wirkung zuschreibt. Dem Künstler war die Kunst als solche heilig; er hatte sie im höchsten Sinne erfaßt und getrieben. Das Höchste war darum seinem hohen Sinn nicht zu hoch; er konnte sich an die Gegenstände der Religion wagen, weil ihm die Kunst als solche zur Religion geworden war. Die Kunst war die Madonna seiner Seele: der entsprechende Ausdruck, das bezeichnendste Bild, welches er dafür vorfinden konnte, was die Madonna des religiösen Volksglaubens. Der Himmelsglanz, der sie im Werk des Künstlers umfließt, ist nur ein Schein von der heiligen Flamme seiner Kunstbegeisterung. Die Bilder der katholischen Kirche also, welche auch den Nichtkatholiken, ja den, der einen ihr entgegengesetzten Geist hat, ansprechen, sind notwendig auch aus einem freien, allgemeinen, von ihr unabhängigen, aus einem ihrem wahren Wesen entgegengesetzten Geist entsprungen. Doch wozu Beweise? Wo die Mönchstugend im Ruf der höchsten Tugend, der Heiligkeit steht, da ist die Kunst notwendig in Verruf. Wo der Genuß überhaupt Sünde, wo der Mensch so unnatürlich, so kleinlich, so unfrei, so furchtsam, so sich selbst gram ist, daß er sich keine Freude, keinen guten Bissen gönnt, wie PASCAL, der, nach dem Bericht seiner Schwester im Leben desselben, als ihm in seiner Krankheit feine, wohlschmeckende Speisen verordnet wurden, sich alle nur erdenkliche Mühe gab, nicht zu schmecken, was er aß wie der heilige IGNATIUS von Loyola, der sich durch seine Büßungen und Kasteiungen selbst um den Geschmack gebracht hatte: da ist auch kein Sinn, kein Geschmack für die Kunst, das sind auch die Genüsse der Kunst verbotene Früchte; denn wenn auch der Gegenstand eines Kunstwerks ein religiöser ist, so gewährt es doch immer zugleich einen Augen- oder Ohrengenuß. Wo die widernatürlichste Tugend für die höchste Tugend, die Krankheit für den natürlichen Zustand des Christen oder Menschen, wie PASCAL sagt, oder wie SALVIAN, die Krankheit des Leibes für die Gesundheit der Seele gilt, wo die Mortifikation, die Tötung und zwar selbst die unmittelbare, die sinnliche Tötung des Leibes Gesetz, Norm, Prinzip ist: da ist der ästhetische Sinn, die Basis der Kunst, in die Acht erklärt, die Kunst selbst außer allem sittlichen und rechlichen Verband mit dem obersten, dem religiösen Prinzip. Wählt die Kunst häßliche, abscheuerregende oder nicht vielmehr liebliche, schöne Gesichter zu ihren Madonnenbildern? Wird also der, dem es seine Religion zur Pflicht macht, den Anblick des Weibes zu flieben, jede Gelegenheit zur Pflicht macht, den Anblick des Weibes zu fliehen, jede Gelegenheit zu unkeuschen Gedanken zu meiden, sich aller und jeder Sinnesreize zu enthalten, sich mit gutem Gewissen am Anblick eines schönen Madonnenbildes weiden? Kann nicht auch ein Madonnenbild sinnliche Liebe einflößen? Hat sich nicht einst eine Jungfrau selbst in eine Statue bis zum Sterben verliebt? Wenn wir daher gleichwohl die Kunstschönheit in Verbindung mit dem Katholizismus, selbst in der Gesellschaft von Mönchen antreffen, so hat diese Erscheinung keinen anderen Grund, als wenn wir in der Nähe von Mönchsklöster Nonnenklöster antreffen, welche mit jenen durch illegitime, unterirdische Gänge in Verbindung standen. Nicht weniger als die Kunst, widerspricht die Wissenschaft dem inneren, wahren Wesen des Katholizismus. "Wieso? Wer wird die großen Verdienste der Klöster und Päpste um die Wisssenschaften leugnen wollen?" Niemand, der wenigstens bei Verstand ist, wird diese Tatsache leugnen, aber wohl die gewöhnliche Erklärung derselben. Was die Päpste alles getan und gewirkt haben, das taten sie deswegen noch nicht immer als heilige Väter, im Einklang mit ihrem ursprünglichen Beruf. Oder war LEO X. als leidenschaftlicher Jäger und Liebhaber des Lustspiels usw. auch der heilige Vater? Was sich innerhalb des Katholizismus entwickelte, das hat sich deswegen noch nicht aus dem Katholizismus entwickelt. Es war der im Menschen unaustilgbare, von den Schranken historischer, überhaupt äußerer Zustäne und Verhältnisse unabhängige Wissens- und Bildungstrieb; es war ein der ursprünglichen Bestimmung der Klöster, ein dem Geist und Wesen, woraus sie hervorgegangen, entgegengesetzter Geist und Trieb, welcher die Wissenschaften in die Klöster aufnahm und hier verpflegte.
Der wissenschaftliche Geist widerspricht dem Geist des Katholizismus. Es sind daher nur zwei Fälle möglich: wird die Wissenschaft wirklich innerhalb des Katholizismus aus einem Wissenstrieb, also mit einem dem Wesen der Wissenschaft entsprechenden Geist getrieben, so wird sie - sei es nun mit oder ohne Bewußtsein - im Widerspruch mit dem Wesen des Katholizismus betrieben, oder sie wird auf eine, und zwar die allein noch dem Katholizismus entsprechende Weise getrieben, aber dann wird sie auf eine der Wissenschaft widersprechende Weise getrieben. So trieb der Jesuitenorden die Wissenschaft. Er macht die wissenschaftliche Beschäftigung zu einer Hauptbeschäftigung: aber die Wissenschaft war ihm nur ein Mittel - der Zweck heiligt die Mittel - zur Verteidigung und Ausbreitung seines Glaubens. Dem frommen Stifter des Jesuitenordnens, dem heiligen IGNATIUS war daher das Studieren eine wahre Marter, weil er es nur aus äußerlichen Gründen, nur im Widerspruch und zwar in bewußtem, gefühlten Widerspruch mit seiner katholischen Frömmigkeit trieb. Damit nicht von den Flammen seiner heiligen Inbrunst, seines geistlichen Propagierungstriebes seine Studienpläne ergriffen und verzehrt würden, mußte er sich die größten Torturen auferlegen, die strengste gesitliche Diät beachten, sich selbst im Umgang mit seinen Freunden aller Gespräche über geistliche Dinge enthalten. Was daher die Klöster namentlich für die Wissenschaften taten, das war im Sinne des Mönchtums, im Geist des Katholizismus - wenn auch allerdings snicht im Sinne Einzelner, in denen der wissenschaftliche Geist und Trieb den Glauben der Zeit übermannt hatte - höchstens nur ein Almosen, das aus Gnade und Barmherzigkeit dem wissenschaftlichen Geist, der nun einmal da war, man wußte nicht woher, gespendet wurde - Brosamen, die von der mit himmlischen Speisen überladenen Tafel der Geistlichkeit übrig blieben. Und dieses Almosen wollt ihr so hoch veranschlagen? Die Wissenschaftn beginnen in Wahrheit erst da, wo wissenschaftlicher Geist beginnt, und dieser beginnt gerade da, wo die Wissenschaften aus den Klöstern hinaus in die Hände freier Menschen übergehen, solcher Menschen, welche nicht genötigt waren, das Licht der Wissenschaft unter den Scheffel des Glaubens zu stellen. ERASMUS ist ein schönes Beispiel dieses Übergangs. In ihm emanzipierte sich der wissenschaftliche Trieb in seinem Brief an den Prior seines Klosters - aber eben deswegen entfloh er aus seinem Kloster. Das Klosterleben widersprach ebenso seinem geistigen, als seinem physischen Menschen. Die Körper revolutionieren ebensogut, wie die Geister. Der Protestantismus oder der Gegensatz von Glaube und Vernunft Der Widerspruch des Katholizismus mit dem Wesen des Menschen war der innere Grund der Reformation. Der Protestantismus hob den falschen Gegensatz von Fleisch und Geist auf. Er führte unter Sang und Klang den Menschen aus dem Kirchhof des Katholizismus wieder ins bürgerliche und menschliche Leben ein. Er verwarf daher vor allem auch das Zölibat als eine dem Naturrecht des Menschen widersprechende, gottlose, willkürliche Satzung. Aber der Protestantismus befreite und errettete den Menschen nur von seiner praktischen, nicht von seiner theoretischen oder intelligenten Seite: die höheren Ansprüche, die Rechte des Erkenntnistriebes, die Ansprüche der Vernunft anerkannte und befriedigte er nicht. Er blieb hierin in der alten Barbarei befangen, Glaubensartikel im Widerspruch mit der Vernunft aufzustellen, und doch als wahr festzuhalten. Es wäre ein unvernünftiges Sophisma, wenn man erwidern wollte, der Protestantismus habe das Zölibat deswegen verworfen, weil die Bibel das Gebot: "Mehret euch", aufstellt, dagegen die Ansprüche der Vernunft nicht berücksichtigt, weil die Bibel kein ausdrückliches Gebot dazu enthalte, vielmehr uns nur den Glauben anpreise; denn wenn sich der Protestantismus in Bezug auf die Ehe nur auf die Bibel gestützt hätte, so hätte er das Zölibat zwar nicht gebieten, aber auch nicht, wenigstens nicht unbedingt, verwerfen dürfen - da der Apostel PAULUS so sehr den ehelosen Stand verherrlicht und anpreist, und sollen denn nicht die bloßen Anpreisungen eines vom heiligen Geist inspirierten Apostels, wenn sie auch keine förmlichen Gebote sind, für uns Gesetzeskraft haben? - so hätte er sich überhaupt nicht entscheiden können, sondern diesen, wie so manchen anderen Punkt, dahingestellt sein lassen müssen, bis zu dem glücklichen Zeitpunkt, wo die Herren Exegeten die dunklen und widersprechenden Stellen der Bibel auf die vollkommen befriedigende und entscheidende Weise erklärt haben würden. Aber es entschied auch hier, wie in so manchen anderen Fällen, das heilige Natur- und Vernunftrecht, die sicherste Instanz in allen zweifelhaften Fällen, der natürliche Wahrheitssinn, der, unabhängig von den Zweideutigkeiten der Schrift, unmittelbar durch sich selbst, das Falsche als Falsches, das Wahre als Wahres erkennt. Es wäre aber nicht nur ein unvernünftiges, sondern ein wahrhaft lächerliches Sophisma, wenn man LUTHERs Verheiratung nicht auf das Vernunft- und Naturrecht, sondern auf ein positives Gebot, einen Ausspruch der Bibel gründen und zurückführen wollte, man müßte denn nachweisen, daß in der Bibel die KATHARINA von Bora als die LUTHER bestimmte Gemahlin vorkommt, daß LUTHER aufgrund einer Bibelstelle KATHARINA heiratete. Ein Mensch, der sich nicht aus sich selbst, sondern aufgrund der Bibel hin zur Ehe entscheidet, der wird sich auch nicht aus sich selbst zu dieser oder jener Person entscheiden. Die Person ist in der Ehe nicht gleichgültig; es ist vielmehr nur eine, welche gewählt wird. Welche soll ich wählen? das ist hier die Hauptsache. Die Heirat ist erlaubt, ist unsündlich, ist christlich; gut; aber sie wird sie nicht oft durch den Gegenstand der Heirat sündlich? Nur die von Gott mir bestimmte Braut ist die rechte, ist die, welche ich nehmen darf. Aber welche ist diese? meine Nachbarin, meine ehemalige Schulgefährtin und Jugendbekannte, oder die, welche ich auf eine ganz seltsame Weise kennen lerne und auf der Stelle liebe, wie ich sie erblicke? Aber verlasse ich mich hier nicht auf meinen augenblicklich entscheidenden subjektiven Geschmackssinn? Wie trüglich sind diese Kennzeichen! Gebraucht nicht auch oft der Verführer - ach! nur zu oft - die nämlichen Wege, wie z. B. einen ganz seltsamen Zufall, der uns ein Frauenzimmer, dem wir selbst auf alle mögliche Weise auswichen, plötzlich entgegenführt? Können wir unterscheiden, ob das gute oder böse Prinzip uns diese Person geschickt hat? Selbst wenn ich christliche Eigenschaften, christlichen Glauben zur unerläßlichen Bedingung meiner Wahl mache, was hilft das? Ist denn die Christin nicht vielleicht auch nebenbei reich, oder vornehm, oder angenehm im Umgang, oder auch schon von Körper, oder gar alles, oder doch mehreres zusammen? Heirate ich denn nur die fromme Christin, abgetrennt von diesen reizenden Nebenbeis? Ist nicht vielleicht die Person an und für sich die Hauptsache, die Christin nur die - wenn auch ausbedungene - Nebensache in meiner Wahl? Vermischen sich wenigstens nicht vielleicht auf diesem dunklen Gebiet, dem Gebiet der Neigung, des Gefühls, ganz unbewußt unreine, unchristliche Gründe mit meinem christlichen Sinn? Kann ich also gewiß sein, daß meine Heirat eine christliche, gottwohlgefällige ist? Nein! Untrüglich ist nur, was in der Schrift steht. Gewiß ist mir diese Person nur dann die von Gott bestimmte Person, wenn ich aus der Apokalypse oder sonst einer biblischen Schrift ihren Namen, ihren Stand, ihre Person bis aufs Haar herausbringe. Ich heirate solange nicht mit Gottes Willen, solange ich nicht diese Person - denn das ist die Hauptsache - mit Gottes ausdrücklichem Willen heirate. Ich entscheide mich so lange aus mir selbst zur Heirat, so lange ich mich aus mir selbst zu dieser Person entscheide, denn ich hätte mich vielleicht nie verheiratet, ungeachtet des Gebotes: Mehret euch, wenn ich nicht diese Person kennen gelernt hätte. Der Grund der Verheiratung LUTHERs, der Verwerfung des Zölibats überhaupt, war daher nicht die Bibel, sondern der gesunde Menschenverstand, die philosophia naturalis, die an der Reformation einen größeren Anteil hatte, als manche glauben wollen. Aber gerade dadurch machte sich der Protestantismus eines umso größeren Widerspruchs schuldig, daß er die Ein- und Ansprüche der Vernunft nicht berücksichtigte, unter dem Vorwand, daß sie in geistlichen Dingen kein Wort mitzusprechen haben, weil diese über ihren Horizont gingen, während er doch die Ein- und Ansprüche der Natur anerkannte; denn derselbe Grund, welcher für oder gegen die Einsetzung der Natur in ihre ursprünglichen Rechte sprach, derselbe sprach für oder gegen die Befreiung der Vernunft. Wenn du die Vernunft unter die Herrschaft des Glaubens gefangen nimmst; warum nimmst du dann nicht auch deine Natur unter die Herrschaft der christlichen Tugend gefangen? Wenn du die Vernunft verwirfst, die nichts anders als die geistige Natur ist, weil ihr die Glaubenslehren unbegreifliche Geheimnisse sind, warum verwirfst du dann nicht auch die Natur, die nichts anderes ist als die körperliche Vernunft und sich vielleicht nur deswegen gegen das Zölibat empört, weil ihr die christliche Tugend überhaupt, so auch die Tugend der Ehelosigkeit ein zu hohes und deswegen widerwärtiges Geheimnis ist? Wenn der Christ nicht den praktischen Bedürfnissen widerspricht, warum soll er dann den theoretischen Bedürfnissen widersprechen, die doch ebenso notwendig, ebenso unabweislich, ebenso von uns unabhängig in uns sind, wie die praktischen Bedürfnisse? Allerdings ist der Protestantismus dadurch hinlänglich entschuldigt - falls eine welthistorische Erscheinungen einer Entschuldigung bedarf - daß überhaupt in der Entwicklung der Menschheit sich die praktischen Bedürfnisse eher regen, als die theoretischen, eher daher auch befriedigt werden müssen, als diese, und daß er zunächst, in Beziehung auf seine Zeit, auch genug für die Freiheit der Intelligenz getan, indem er einen unendlichen Wust von geist- und gemütsbeschwerendem Aberglauben über Bord geworfen hat. Aber der Grund mag sein, welcher er wolle: der Protestantismus war in theoretischer Beziehung ebensowenig wie der Katholizismus in praktischer, ein Prinzip des Friedens, der Versöhnung. Der Katholik hatte sogar noch diesen Vorzug dem Protestanten voraus, daß er, um seinen Kampf zu lindern oder gar zu stillen, zu solchen Mitteln seine Zuflucht nehmen konnte, wie ORIGENES, der sich selbst entmannte, wie HIERONYMUS, der in die Einsamkeit, in dunkle Höhlen floh, wie der heilige FRANZISKUS, der die Glut seiner Begierden in der Kälte des Schnees löschte, wie PASCAL, der einen stachligen Gürtel um den Leib trug, um jede ihm mißfällige Regung sogleich in ihrer Geburt zu ersticken. Die Vernunft hingegen ist an ein Organ gebunden, dessen Verlust mit dem Verlust des Lebens, oder wenigstens, wenn gelindere Mittel angewandt werden, mit dem Verlust der Besinnung, des Bewußtseins, der Menschheit im Menschen verbunden ist. Der Protestant hat kein äußeres, kein natürliches Mittel zur Linderung seiner Kämpfe und Seelenleiden: er muß zu künstlichen Mitteln, zu Produkten seiner eigenen Erfindungsgabe seine Zuflucht nehmen: er ist sich selbst anheim gegeben - ein Patient, der sein eigener Arzt sein soll. Der Arme! er hat als Heilquelle nur die Quelle des Übels. Mag er sich nämlich auch noch so sehr durch Gebet und Bibellesen beschwichtigen und stärken: er kann doch nicht unterlassen, er muß zuletzt immer wieder die Zweifel, die aus der Vernunft kommen, durch Gründe, die gleichfalls aus der Vernunft kommen, zu beruhigen suchen, um so die Vernunft durch sich selbst zu täuschen und gleichsam zum Narren zu halten. Was aber das Schlimmste ist: die Begierden des Fleisches gleichen den Insekten, die nur zu gewissen Zeiten kommen und dann wieder verschwinden; aber die Begierden des Erkenntnistriebes, die Zweifel der Vernunft sind Eingeweidewürmer. So trägt der orthodoxe Protestant seinen ärgsten Feind in seinem eigenen Busen stets mit sich herum; er kann keine Stunde sicher sein, daß nicht die Vernunft, wie ein böser Geist, ihm die schreckliche Frage in die Ohren flüstert:
Der Gegensatz von Glaube und Vernunft, der uns zunächst an BAYLE auffällt und allerdings auch das historisch bedeutsamste Moment BAYLEs ist, gibt, als ein allgemeiner Gegensatz, noch kein spezifisches Merkmal seines Wesens ab. BAYLE zitiert selbst zur Bestätigung seiner Behauptung, daß der Glaube der Vernunft widerspricht, die oben erwähnten und noch viele andere unbestritten orthodoxen Theologen. Es kommt daher auf die nähere Bestimmung dieses Gegensatzes an, wenn er BAYLE charakterisieren soll. Eine spezifische Verschiedenheit stellt sich nun aber schon auf den ersten gesunden Blick heraus, wenn wir nämlich darauf merken, daß der Gegensatz von Glaube und Vernunft dort von Theologen, hier von einem Weltweisen oder Gelehrten überhaupt ausgesprochen wird, dort von Theologen von Professoin, von Stand und Geist, hier von einem Mann, der als Gelehrter mit der Masse seiner Polyhistorie auch die theologische Gelehrsamkeit verbindet, als Mensch unter seinen übrigen Qualitäten auch die Qualität eines Mitgliedes der reformierten Kirche hat, deren Glauben er teilt. Mehr als der Mensch sich selbst bewußt ist, hat der Stand, der Beruf, Einfluß auf seine Denkart, sein Inneres, seinen Glauben. Fast in den meisten Fällen läßt sich nicht mehr die amtspflichtmäßige Gesinnung von der freien Gesinnung, das, was aus dem Menschen selbst kommt, von dem, was aus dem äußeren Beruf in ihn kommt, unterscheiden. Nehmt Unzähligen ihren Stand und ihr nehmt ihnen ihren Glauben. Ihr Glaube ist Berufspflicht. Nicht die Gesinnung erhält den Stand, sondern der Stand die Gesinnung. Mit dem Moralischen ist es ebenso, wie mit dem Religiösen. Darum wird da die Tugend mit der Wurzel ausgerissen, wo sie zu einer äußerlichen Notwendigkeit gemacht, die Freiheit auf eine ungebührliche, ihrem Begriff widersprechende Weise beschränkt wird. Wenn nun aber der Stand oder Beruf so den Menschen bezwingt - seht! wie falsch ist es, wenn man die Persönlichkeit allein, nicht die Natur der Dinge, die innere Qualität und Notwendigkeit der sittlichen Verhältnisse für tätige, bestimmende, wirksame Prinzipien hält - so ihn innerlich qualifiziert, daß die amtliche und innere Persönlichkeit ein ununterscheidbares Wesen wird: so muß auch umgekehrt die Freiheit von einem bestimmten Stand, die Amt- und Standeslosigkeit eine innerliche Freiheit, eine größere Ungebundenheit erzeugen, bedingen oder schon voraussetzen. BAYLE war kein Theologe von Profession, ja er gehörte überhaupt keinem bestimmten Stand und Fach an - er war wohl früher Professor für Philosophie in Sedan, später eine ziemliche Zeit lang Professor für Geschichte und Philosophie in Rotterdam; aber auch dieses Amt entsprach nicht seinem innersten Wesen, daher wir auch BAYLE am allerwenigstens aus seinen Vorlesungen über die Logik, Ethik, Physik und Metaphysik erkennen können. Er schreibt selbst an einen Freund aus Sedan, wohl scherzhaft übertreibend, aber doch bezeichnend, daß ihm das Professorenamt eine unerträgliche Last ist. Aler er daher seine Professur verlor, war er im Geringsten nicht darüber betrübt, vielmehr entzückt über seine jetzt völlig unabhängige Lage. Sein wahres Wesen bezeichnen die Gesinnungen, die er bei dieser Gelegenheit in einem (später folgenden) Brief an seinen Freund MINUTOLI ausdrückt. Der vollkommen freie und unbeschränkte Privatgelehrte allein lag BAYLE im Sinne. Schon aus diesem Unterschied des Standes und Berufes könnte man daher, ohne anderweitige Data, schließen, daß jener Gegensatz im Mund von Theologen eine andere Bedeutung haben müsse, als im BAYLEs Mund und diese unterschiedene Bedeutung also aussprechen: die Zweifel in den Seelen der Theologen waren Amtsverstöße, die sich jeder Mensch hie und da zuschulden kommen läßt, standeswidrige Handlungen, in BAYLEs Seele aber seinem Stand, dem Stand der Freiheit, der stets auch der Stand der Kritik ist, gemäße Handlungen, Zweifel von Profession. Aber Menschen von Genie, wenn auch nur von Fachgenie oder richtiger entschiedenem Talent, sind gewöhnlich auch in der Wahl ihrer Wirkungssphäre Talente, d. h. sie wählen nicht und vergreifen sich auch darum nicht - die Wahl macht Mißgriffe notwendig, denn sie drückt die schlechte Freiheit, die Freiheit der Unbestimmtheit und Unentschiedenheit, also die Freiheit des Irrtums aus - sie werden unwillkürlich vom inneren Trieb ihres Geistes in die entsprechende Sphäre hineingestoßen. So gut mir daher von jenen großen Theologen - solche waren wenigstens unstreitig CALVIN, LUTHER - annehmen können, ja müssen, daß sie Theologen von Herzen waren, Theologen nicht aus Wahl oder Zufall, sondern aus innerer Notwendigkeit, so gut müssen wir auch gleich von vornherein von BAYLE, der, wenn auch kein Genie, doch ein großes Talent war, annehmen, daß er aus innerem Trieb kein Theologe war, annehmen folglich, daß die Zweifel, die dem Beruf der Theologen widersprachen, auch ihrem Inneren widersprachen, dagegen die Zweifel BAYLEs dem Inneren BAYLEs entsprachen. So ist es auch in der Tat. Die Zweifel der Theologen waren Zweifel wohl mit Wissen, aber wider Willen, die Zweifel BAYLEs aber auch (wenigstens im Vergleich zu jenen) mit Willen, dort im Widerspruch mit dem Wesen, hier im Einklang damit, dort schmerzensreiche Kinder, Kinder der Qual und Not, hier Kinder der Lust und Liebe, wenn auch nicht unmittelbar, doch indirekt, insofern als sie dem mit Lust und Liebe gewählten Stand oder wenigstens dem entschiedenen Trieb der Ungebundenheit gemäß waren. BAYLE war kein Theologe, aber er hatte auch kein theologisches Interesse, keinen theologischen Geist und Sinn. |