cr-4ra-1Ferdinand TönniesLeviathanMauthner - Hobbes    
 
CARL GRUBE
Der Nominalist Thomas Hobbes
[ 2/8 ]

"So sind denn die Fähigkeiten des Geistes nur Künste der Worte und die Vernunft ist nichts anderes als Rechnen mit Allgemeinnamen..."

§ 6.THOMAS HOBBES nimmt einen göttlichen Ursprung der Sprache an; Gott selbst erdachte die Namen oder doch Adam auf Gottes Eingebung; jedoch waren anfangs nur die einzelnen Dinge benannt. Aber nach dem Turmbau von Babel vergaßen die Menschen jene frühere Sprache und erfanden sich willkürlich eine neue; jetzt benannten sie nicht bloß die existierenden Dinge, sondern überhaupt jede Sache, die vorgestellt oder beim Überlegen betrachtet werden konnte, und zwar oft dieselbe Sache verschieden je nach ihrer eigenen Stimmung oder einer zufälligen Veränderung der Sache.

Der Vorteil dieser Benennung war ein gewaltiger; denn der menschliche Geist, welcher außer der Wahrnehmung und Phantasie und Gedankenreihen keine Bewegung hatte, wurde durch die Fähigkeit der Rede so gestärkt, daß er sich dadurch von allen anderen Wesen unterscheidet. Diese Stärkung beruht vor allem auf der Bildung eines guten, stets zur Verfügung stehenden Gedächtnisses dank diesen Namen.

Denn zur Erinnerung bedürfen wir dieses Hilfsmittels, ohne welches alles, was die Menschen im Geiste durch Nachdenken gesammelt haben, sofort entschwinden würde und nur durch wiederholte Mühe zurückgerufen werden könnte. Darum sind besonders zur Erwerbung der Philosophie irgendwelche wahrnehmbare Merkmale nötig, durch welche frühere Vorstellungen zurückgeführt und je nach ihrer Ordnung registriert werden können. Aus dieser durch feste und bestimmte Namen erweckten Erinnerung an die Dinge entspringt die Kenntnis der Wahrheit.

So dienen also die Namen in erster Linie als Merkmale für das eigene Denken  (notae)  zweitens als  signa,  d.h. als Zeichen von Vorstellungen zur Verselbständigung mit den Mitmenschen.

Daher definiert HOBBES endlich den Namen als ein menschliches Wort, nach menschlichem Gutdünken gegeben, damit er ein Merkmal sei, durch welches ein dem vorhergehenden Gedanken ähnlicher Gedanke im Geiste hervorgerufen werden könne, und damit er in der geordneten und geäußerten Rede den Zuhörern ein Zeichen davon sei, welcher Gedanke im Redenden vorhanden oder nicht vorhanden war.

Nach den Arten der benannten Dinge unterscheidet HOBBES vier Arten von Namen:  nomina corporum, accidentum, phantasmum, nomimum. 

Aus einigen Beispielen, die er gibt, geht hervor, daß er versteht unter:
    nomina corporum: corpus, ens, album, callidum;
    nomina accidentium: magnitudo, quantitas, extensio, essentia, albedo.
    nomina phantasmatum: spectrum, soni, color, idea.
    nomina nominum: genus, planta, animal, homo, saxum.
Von den genannten Arten ist die letztere die wichtigste, denn ohne dieselbe können wir nicht überlegen, d.h. die Eigenschaften der Körper zusammenrechnen. Das sind die mehreren Dingen gemeinsamen Namen wie "Mensch, Baum, Pferd", - welche, weil sie für mehrere Dinge einzeln genommen, aber nicht für alle ingesamt gelten - der "Mensch" ist nicht die "Menschheit" -allgemeine Namen heißen. Ein solcher allgemeiner Name ist nicht Name eines in der Welt existierenden Dinges noch einer Vorstellung oder eines Phantasiebildes, sondern nur immer Name andrer Namen.

Wenn man also sagt, "Tier" oder "Stein" sei etwas Allgemeines, so ist nicht irgend ein Tier oder Stein gemeint als allgemein seiend, sondern nur, daß die Wörter "Tier", "Stein" Allgemeinnamen sind, welche mehreren Dingen gemeinsam sind. Ihnen entsprechen im Geiste Vorstellungen von einzelnen lebenden Wesen oder Bilder anderer Dinge oder Begriffe. Denn es gibt in der Welt nichts Allgemeines, außer den Namen der Dinge; alle benannten Dinge sind Individuen und Einzeldinge, und niemand kann etwas begreifen, das nicht zeitlich und örtlich von bestimmter Größe und in Teile teilbar ist.

Daher ist, um die Bedeutung "allgemein" zu verstehen, nur ein Vorstellungsvermögen, 'facultas imaginativa,' nötig, durch welches wir uns erinnern, daß solche allgemeinen Worte bald die eine bald die andere Vorstellung hervorrufen. So sind also 'genus species definitio' nicht Namen von Dingen, sondern Namen anderer Namen. Wesen, welchen der Gebrauch dieser Namen fehlt, können unmöglich einen Begriff oder Gedanken, der dem Schluß aus einem allgemeinen Satz entspräche, besitzen, weil man beim Schließen nicht nur über die Sache, sondern abwechselnd an die verschiedenen Namen der Sache, welche wegen der verschiedenen Gedankenbeziehungen sich boten, denken muß. In jedem Satz aber müssen zwei Namen, welche derselben Art benannter Dinge angehören, miteinander verbunden sein und beide im Geiste dieselbe Vorstellung erregen; alle anderen Verbindungen sind falsch und nur Töne, denen im Geiste keine Reihe von Begriffen entspricht. Es ist daher zum richtigen Gebrauch der Namen beim *Denken und Sprechen* das Bewußtsein ihrer Art und die Prüfung des Gesagten nötig.

Mit diesen Wortvorstellungen der Namen operiert nun der Verstand denkend ganz ähnlich wie mit Zahlen rechnend: wie man das Ganze aus der Addition der Teile oder den Rest aus der Substraktion eines Teiles von einem andern sucht, so fügt der Logiker zwei Namen zusammen zum Satze, zwei Sätze zum Schlusse, mehrere Schlüsse zum Beweise, - andererseits zieht er vom Endergebnis oder Schlußsatze einen Satz ab, um einen andern zu finden. So sind denn die Fähigkeiten des Geistes nur Künste der Worte und die Vernunft ist nichts anderes als Rechnen mit Allgemeinnamen, welche man als Merkmale für das eigene Denken und als Zeichen zur Mitteilung angenommen hat.

§ 7. Die dargelegten Ansichten von HOBBES zeigen alle wesentlichen Züge des modernen Nominalismus: die Erfindung der Namen zum Nutzen des eigenen Denkens, die nominalistische Natur der Gattungsbegriffe und das meist mit Worten rechnende Denken.

Doch sei es uns gestattet, diese Fragen insoweit, als ihre Beantwortung nicht 'HOBBES allein eigentümlich ist, nicht gleich erschöpfend Der von HOBBES gelehrte göttliche Ursprung der Sprache hat für seine Lehre weiter keine Bedeutung, sondern scheint nur aus Konvenienz [Übereinkunft - wp] gegen die Lehren der Kirche zugegeben zu sein; denn in Wahrheit nimmt doch HOBBES damit, daß er nach dem Turmbau von Babel die Menschen alles aufs neue benennen läßt, einen Ursprung der Sprache aus der Erfahrung der Menschen an. Doch besteht immerhin der Unterschied von den späteren ähnlichen Theorien, daß nach HOBBES die erste Anregung zur Benennung und Benutzung von Namen direkt von Gott selbst ausgegangen ist, so daß die Menschen, als sie nach dem Turmbau die Dinge benannten, sich noch von früher her bewußt waren, Namen zu verwenden und sie erfinden zu müssen.

Abgesehen von dieser Theorie, welche uns hier nur nebensächlich interessiert, stellt sich HOBBES doch jenen zweiten Benennungsakt gewiß verkehrt vor, wenn er glaubt, man habe mit den Dingen zugleich auch alle möglichen andern Vorstellungen benannt. Es finden sich in älteren Perioden der Sprachen deutliche Hinweise auf ein rein konkretes Denken an Stellen, wo wir jetzt mit Abstrakten operieren, und aus der Sprachgeschichte ist der spätere Ursprung vieler Abstrakten ersichtlich.

Freilich aber mußten schon früh die Namen für Gegenstände der Natur bei der Gleichförmigkeit vieler Dinge allgemeinere Bedeutung erhalten. So haben sicher die Gattungsnamen nur allmählich ihren weiten Umfang gewonnen - wie später ausführlicher darzulegen sein wird. Überhaupt zeigt sich erst im weiteren Wachstum der Sprachen eine zahlreichere Entwicklung der Abstrakten, welche auf feinerer Beobachtung und genauerer Zergliederung der Wahrnehmungen und Vorstellungen beruht.

Während daher die ältere Sprache, wie HOBBES richtig bemerkt, oft mehrere Benennungne für dieselbe Sache, je nach zufälligen Veränderungen, hatte, drängt die weitere Entwicklung der Sprachen darauf hin, dieselbe Sache auch gleichmäßig zu bezeichnen und die besonderen zufälligen Bedeutungsunterschiede isolierend für sich zu benennen.

§ 8. An die Ansicht vom Ursprunge der Sprache knüpft sich eng an die Theorie HOBBES von der ursprünglichen Verwendung der Namen als Merkmalen des eigenen Denkens. Freilich kann darüber kein Zweifel bestehen, daß die Namen uns nicht nur zur Mitteilung, sondern auch beim Denken große Dienste leisten; hat doch schon PLATO das Denken ein leises Zwiegespräch der Seele mit sich selbst genannt, und noch heute kann jeder in sich erfahren, daß, sobald man aufmerksam denkt, man die Worte in sich gleichsam vernimmt.

Diese Beobachtung verleitete nun die Nominalisten zu zwei Folgerungen, erstens daß der ursprüngliche Zweck der Namen überhaupt sei, dem menschlichen Denken, erst in zweiter Linie der Mitteilung zu dienen, - zweitens daß alles Denken nur ein Sprechen sei und sich einzig und allein in Worten vollziehe.

Die zweite Folgerung hat HOBBES noch nicht streng durchgeführt, dagegen sucht er die erste wirklich zu beweisen.

Zunächst meint er, die Namen hätten schon darum dem Menschen, obgleich er allein in der Welt lebte, zum Gedächtnis gedient, weil sie zur Mitteilung und Beweis nicht dienen konnten; "denn es war eben niemand da, dem man etwas beweisen konnte".

Aber die Annahme eines allein lebenden Menschen, der die Dinge für sich benannte, ist eine höchst zweifelhafte Stütze der ganzen Hypothese; vielmehr sind wir gewiß berechtigt, uns das Erwachen des geistigen Lebens schon unter einer Zahl gemeinsam lebender Menschen zu denken, und für diese lag es gewiß näher, daß sie in Hinsicht ihrer Lebensbedürfnisse sich miteinander zu verständigen suchten, um sich gegenseitig zu helfen, als daß sie die Welt betrachtend und über sie nachsinnend eben zum Zwecke ihres Denkens die Dinge benannten.

Den zweiten Beweisgrund nimmt HOBBES aus der hier einzig zu benutzenden Erkenntnisquelle, dem heutigen Zustande unseres Denkens; zeigt sich nämlich, daß die Sprache heutzutage bei allen geistigen Vorgängen ganz unentbehrlich ist, so ist damit freilich für die ältesten Zeiten nichts Sicheres bewiesen, denn die Menschheit kann ja durch eine Jahrtausende währende Gewohnheit die Fähigkeit anders als in Worten zu denken verloren haben, - aber die Nominalisten haben doch dann die größtmögliche Wahrscheinlichkeit für ihre Behauptung.

HOBBES tritt nun allerdings den Beweis in diesem Umfang nicht an, er weist nur auf die Notwendigkeit der Namen für das Gedächtnis hin, so daß er in der Definition der Namen sagt, es könnten durch Wahrnehmung der Merkmale d.h. der Namen Gedanken in den Geist zurückgerufen werden, welche denjenigen Gedanken ähnlich seien, um deren willen die Merkmale gebraucht wurden.

Diese Definition scheint nur auf die Allgemeinnamen zu passen, welche ja nach nominalistischer Auffassung oft viele ähnliche Vorstellungen zusammenfassen. Die Beurteilung dieser Funktion der Namen ergibt sich also aus der Kritik über HOBBES Auffassung der Gattungsbegriffe; jedenfalls aber ist der Nutzen der Namen für das Denken nur ein sehr zweifelhafter, wenn dieselben immer nur Vorstellungen herbeiführen, welche bereits vorhandenen Vorstellungen ähnlich sind. Daß aber Verknüpfung von Vorstellungen und somit auch die Erinnerung nicht durch die Namen allein herbeigeführt wird, werden wir weiter unten darlegen.

HOBBES kann uns also nicht die Unentbehrlichkeit der Namen für das einsame Denken und daher auch nicht die ursprüngliche Funktion der Namen im Denken glaublich machen.

Wie wäre es auch möglich gewesen, daß zahlreiche Menschen sich eben dieselben Merkmale für ihr Denken bildeten? Denn dies wäre ja die Voraussetzung der Verwendung der Namen zur Mitteilung, wofern man sich wirklich verständigen wollte. Dagegen ist es leicht begreiflich, wie die Namen erst als Zeichen zur Mitteilung dienend endlich aufs engste mit den Vorstellungen assoziiert Merkmale derselben wurden, während es unerklärlich bleibt, wie Namen, welche dem einzelnen als Merkmale seiner Vorstellungen dienten, zu Verständigungszeichen einer großen Zahl von Menschen hätten werden können.

Berechtigter scheint jedoch die hohe Wertschätzung der Namen als Merkmalen der Vorstellungen in der gemäßigteren Fassung, in welcher sie sich ebenfalls bei HOBBES findet, daß die Namen zur Ausbildung der Philosophie nötig gewesen seien; denn die einzelnen, abstrakten Merkmale der Dinge werden durch die Namen mehr isoliert und in der Vorstellung gestärkt; hierin liegt ein bedeutender Vorteil für das abstrakte Denken, den wir später mehr würdigen wollen.

Wir können also der Definition, welche HOBBES vom Namen gibt, uns nicht völlig anschließen: Die Namen sind nicht ursprünglich nur Hilfsmittel des eigenen Denkens gewesen, sondern waren anfangs Verständigungszeichen; doch soll damit nicht geleugnet werden, daß sie heute wesentliche Hilfsmittel des Denkens sind. Auch die Willkürlichkeit der Benennung, welches HOBBES annimmt, war jedenfalls bei der Entstehung der Sprache nicht sehr groß, weil man sicherlich bereits vorhandene unwillkürliche Zeichen oft willkürlich zur Mitteilung benutzte; heutzutage aber besteht allerdings insofern völlige Willkür, als die Bedeutung der Wörter rein konventionell geworden ist. Daher ist aber auch heute die Sprache kein unfehlbares Zeichen dessen, was in den redenden Menschen gedacht wird, sondern nur dessen, was der Redende vom Hörenden gedacht wissen will.

§ 9. Die Namen der Sprache teilt HOBBES nach den vier Arten benannter Dinge ein, deren wichtigste die letzte, nämlich die Namen von Namen, sei. Darunter versteht HOBBES die Allgemeinnamen oder Gattungsnamen, welche mehrere Namen, wie er sagt, benennen und von Einzelvorstellungen begleitet werden. Unser Vorstellungsvermögen  (facultas imaginativa)  meint er weiter, verursache, daß man, obgleich Einzelvorstellungen vorstellend, doch von einem abstrakten Begriffe reden könne.

Nach der Auffassung von HOBBES faßt also z.B. der Name "Pferd" die Namen "Schimmel, Stute, Hengst u.a." zusammen; vorgestellt werden bei dem Namen "Pferd" mehrere Pferde doch mit dem Bewußtsein, daß man alle ähnlichen Individuen meint. Wir müssen betonen, daß HOBBES selbst seine Auffassung weder durch Beispiele noch sonst weiter erläutert; ist aber unsere Deutung der HOBBESschen Worte richtig, so behauptet er also dreierlei:
  • daß den Allgemeinnamen keine allgemeinen Vorstellungen, sondern nur die Vorstellungen mehrerer Einzelwesen der durch den jedesmaligen Allgemeinnamen bezeichneten Gattung enstsprechen;
  • daß der Allgemeinname mehrere andere Namen benennt;
  • daß die Verwendung dieser Einzelvorstellungen an Stelle einer allgemeinen Vorstellung nur durch den Allgemeinnamen und die an ihn geknüpfte  facultas imaginativa  möglich sei.
Den ersten Teil des ersten Satzes, daß es keine allgemeinen Vorstellungen im Geiste gäbe, unternimmt HOBBES nicht weiter zu beweisen; es steht ihm einfach fest, daß es nichts Allgemeines gibt außer den Namen der Dinge; er weist nur darauf hin, daß alle Begriffe örtlich und zeitlich bestimmt sein müßten.

Hiermit kommt er allerdings dem ausführlichen Beweise, wie HUME ihn später gab, nahe; denn die Forderung der Bestimmtheit läßt eben Allgemeinbegriffe unmöglich erscheinen; nur handelt es sich nicht um eine örtliche und zeitliche, sondern um qualitative und quantitative Bestimmtheit.

Aber auch über die den Allgemeinnamen begleitende Vorstellung ist HOBBES sich durchaus nicht klar. Das geht schon daraus hervor, daß der Allgemeinname nach HOBBES nicht die dabei vorgestellte Vorstellung, sondern eine Anzahl anderer Namen benennt; eine widerspruchsvolle Ansicht; denn die Bedeutung eines Namens liegt doch in der Vorstellung, welche er benennt; wie kann denn der Name, bei dem mehrere Einzelwesen vorgestellt werden, andere Namen benennen sollen, also etwas anderes bedeuten als er eigentlich bedeutet? Doch betrachten wir zunächst den geistigen Inhalt der Allgemeinnamen!

Dieser wird nach HOBBES von mehreren Einzelvorstellungen oder vielmehr von einer Einzelvorstellung mehrerer Wesen derselben Gattung gebildet. Allerdings kann z.B. der Name "Baum" für viele Einzelvorstellungen und Namen wie "Linde, Apfelbaum, Eiche" usw. gebraucht werden, aber darum benennt doch der Name  Baum  weder aller diese Einzelvorstellungen noch Namen.

Ich stelle mir keineswegs bei dem Namen "Baum" alle möglichen Bäume oder auch nur mehrere derselben vor; ich will keineswegs alle diese Einzelvorstellungen damit zusammenfassen, sondern nur gewisse allen Einzelvorstellungen gemeinsamen Merkmale. Wenn ich z.B. im allgemeinen von den Vorteilen rede, welche einer Gegend aus der Nähe eines Flusses erwachsen, so will ich durchaus nicht von allen möglichen, großen und kleinen, tiefen und flachen Flüssen reden, sondern nur zeigen, welchen Vorteil ein Land aus den allen Flüssen gemeinsamen Eigenschaften ziehen kann.

Daher scheint die Annahme mehrerer vorgestellten Einzeldinge bei einem Allgemeinnamen unhaltbar zu sein.

Wie aber sollen wir uns nun die Ansicht HOBBES, daß der Allgemeinname mehrere andere Namen benenne, erklären?

Es umfaßt also z.B. der weite Allgemeinname "Tier" vielleicht zunächst die Namen: "Säugetiere, Fische, Vögel" u.a., unter diese fallen wieder andere Namen je nach den Klassen der Tiere, und selbst der untersten Stufe der Gattung entsprechen noch mehrere untereinander verschiedene Einzelwesen. Es baut sich also über der zahllosen Menge der Einzeldinge stockwerkartig ein Gefüge verschiedener Zusammenfassungen, d.h. Namen von Arten, Klassen, Gattungen auf.

Aber dringen wir tiefer ein in das Wesen der Namen und fragen: was heißt denn benennen und Namen benennen? Man benennt ein Ding, indem man demselben einen Namen beilegt, sei es willkürlich, sei es aus besonderen Gründen. Wenn man aber mehrere Dinge gemeinsam benennt, so tut man das nach ganz bestimmten Gesichtspunkten, nämlich nach einer gewissen Gemeinsamkeit der Dinge untereinander; denn was sollte sonst ihre Zusammenfassung veranlassen?

Eine Benennung bloßer Namen könnte also auch nur nach dem, was sie selbst gemeinsam haben, also vielleicht nach lautlichen oder anderen formellen Gemeinsamkeiten geschehen; es liegt aber offenbar einem solchen Schema, wie dem oben stehenden, eine andere Gemeinsamkeit zu Grunde, nämlich Gemeinsamkeit unter den von den Namen bezeichneten Vorstellungen. Denn unsere Namen von Klassen, Gattungen und Arten bezeichnen stets das Beisammensein bestimmter, abstrakter Eigenschaften der vorgestellten Dinge.

Somit benennt der allgemeine Name weder andere Namen, wie HOBBES meint, noch zahlreiche Einzelvorstellungen, sondern eben das, wofür er gegeben ist, nämlich eine gewisse Zahl von mehreren Dingen gemeinsamen Eigenschaften. Es liegt also die allgemeine Verwendung des Namens nicht in dem Namen selbst begründet, sondern darin, daß mehrere Dinge gewisse Eigenschaften gemeinsam besitzen.

Nun meint allerdings HOBBES, daß den Allgemeinnamen noch ein Bewußtsein begleite, daß er bald diese bald jene Vorstellung hervorrufe  (facultas imaginativa)  und so die vorgestellten Einzeldinge nicht die allein möglichen Vorstellungen seien. Wenn ich also nach HOBBES mir bei dem Namen "Pferd" einen Schimmel und einen Rappen vorstelle, so soll ich mir zugleich bewußt sein, daß ich ebensogut auch irgen andere Pferde vorstellen könnte.

Aber von einem solchen Bewußtsein finde ich in mir keine Spur; dasselbe ist auch nicht nötig, weil mit dem Namen "Pferd" nicht alle möglichen Pferde rein äußerlich zusammengefaßt, sondern wegen der Gemeinsamkeit gewisser Eigenschaften benannt sind. Eben weil der Name eine Vereinigung gewisser Eigenschaften bezeichnet, welche sich in jeder unter den Allgemeinnamen fallenden Einzelvorstellung finden, so kann jede Einzelvorstellung der Gattung bei dem Allgemeinnamen vorgestellt werden, wenn nur ihre wesentlichen Merkmale besonders beachtet werden. Hierzu aber ist eine Fähigkeit des Geistes erforderlich, vielleicht aber schon von HOBBES unter dem Namen jener  facultas imaginativa  geahnt wurde.

Die Auffassung HOBBES vom Wesen der Allgemeinnamen und ihrer allgemeinen Verwendung leidet an einer oberflächlichen Ansicht vom Wesen der Benennung, an einem Haften an den Zeichen, welches HOBBES auch veranlaßte, den ganzen Denkprozeß als ein dem Rechnen ähnliches Operieren aufzufassen.

§ 10. HOBBES wie auch die ihm folgenden Philosophen standen unter dem Banne der Mathematik, deren staunenswerte Erfolge die Hoffnung erregten, daß auch die übrigen Wissenschaften, nach mathematischer Methode behandelt, gleich große Fortschritte machen würden. Stellte daher später CONDILLAC direkt den Grundsatz auf, alle Wissenschaften und besonders die Philosophie seien nach mathematischer Methode fortzuführen, so hält auch schon HOBBES das vernünftige Denken für ein Addieren und Subtrahieren der Wörter im Satze, der Sätze im Urteil, der Urteile im Schlusse.

Wir werden bei CONDILLAC näher auf das Verhältnis des gewöhnlichen Denkens zum mathematischen Operieren eingehen; hier sei nur darauf hingwiesen, daß doch auch in der Mathematik nicht rein äußerlich Zeichen zusammengesetzt werden. Denn nicht die Zeichen 3 und 2 geben zusammen 5, sondern 3 Dinge und 2 Dinge sind zusammen 5 Dinge; ebensowenig kann von einem einfachen Zusammenfügen und Trennen von Wörtern gesprochen werden, sondern Vorstellungen werden vereint oder getrennt.

Nun kann man freilich in der Rechnung von der speziellen Bedeutung der Zahlen darum absehen, weil man irgend eine beliebige Größe sich bei denselben denken darf, und man kann mit den Zahlen ohne Rücksicht auf die Beschaffenheit der gezähltlen Dinge operieren, weil die Größenverhältnisse von allen Dingen gelten und einfache Größen stets beliebig vereint oder getrennt werden können. Aber die Wörter besitzen nicht diese gleichartige Geltung wie die Zahlen, sondern bezeichnen teils Dinge, teils Eigenschaften usw., welche keineswegs beliebig zusammengesetzt oder getrennt werden können.

Allerdings glaubt HOBBES eine Regel für die Zusammenstellung der Wörter gefunden zu haben, welche ihn zugleich veranlaßt, doch noch ein gewisses Bedeutungsbewußtsein beim Wortdenken anzunehmen, nämlich im Satze stets nur Namen von derselben Art benannter Dinge zusammengestellt werden dürften, und daß man sich stets bewußt bleiben müßte, welcher Art benannter Dinge die Namen angehörten, die man gerade verwendete.

Aber einmal würde diese Regel wenig nützen, weil, wie HOBBES selbst sagt, die meisten wichtigsten Namen der vierten Art benannter Dinge angehören, vielmehr würde sie sogar zu falschen Sätzen füren, weil weder alle Namen der vierten Art benannter Dinge angehören, vielmehr würde sie sogar zu falschen Sätzen führen, weil weder alle Namen der vierten Art beliebig verbunden werden können, noch alle Verbindungen zwischen Namen von verschiedenen Arten benannter Dinge falsch sind.

Daß man nicht alle Namen derselben Art beliebig verbinden kann, leuchtet ein. Sowenig also das Denken ein einfaches Operieren mit Namen ist, so wenig sind alle Fähigkeiten des Geistes Künste der Worte; lassen sich doch alle Fälle nachweisen, in denen eine gewisse Unabhängigkeit des Denkens von der Sprache zutage tritt.

Heute zweifelt wohl niemand mehr an der Tatsache, welche freilich von HOBBES noch geleugnet wird, daß die Kinder schon vor dem Besitze der Sprache denken können; die Kinder haben Gedächtnis, besonders für die Personen ihrer Umgebung, sie sammeln Erfahrungen über Lust- und Unlusteindrücke und suchen selbst erstere herbeizuführen, letztere zu meiden; sie verstehen Gebärden und auch Worte eher, als sie selbst sich verständlich machen können.

Dazu kommt ferner, daß sich dieselben Ideen und Gedankengänge in verschiedenen Sprachen, ja innerhalb derselben Sprache verschieden ausdrücken lassen, je nach der Erfahrung und augenblicklichen Lage des Sprechenden. Andererseits hat ein jeder an sich erfahren, wie schwer es oft ist, den richtigen Ausdruck für das, was man wirklich ausdrückt, hinter dem, was man ausdrücken möchte, zurückstehen fühlt.

Endlich operieren wir doch öfter einfach mit konkreten Bildern, z.B. im Traume, wo sich die Vorstellungen meist ohne Worte mit großer Schnelligkeit aneinanderreihen, oder sogar wachend, wenn wir z.B. an einen Gegenstand denken, dessen Vorstellung, aber nicht dessen Namen wir kennen.

Geht aus dem Angeführten die Existenz eines vorauseilenden und begleitenden, ja bisweilen ganz selbständigen Denkens gegenüber der Sprache hervor, so soll keineswegs der ungeheure Wert der Sprache für das Denken geleugnet werden, zumal für das abstrakte Denken, dessen Art, die Worte zu benutzen, wir später eingehender betrachten werden.
LITERATUR, Carl Grube, Über den Nominalismus in der neueren englischen und französischen Philosophie, Halle 1889