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Über die Grenzen des Naturerkennens [Bemerkungen zum Vortrag von Emil Dubois-Reymond]
"Mechanische Weltanschauung und Willensfreiheit, somit auch Ethik stehen in unlösbarem Widerspruch. Aber dem Begehren, welches den Anstoß zum Handeln und somit erst Gelegenheit zum Tun und Lassen gibt, geht notwendig Sinnesempfindung voraus. Es ist also das Problem der Sinnesempfindung und nicht, wie ich einst sagte, das der Willensfreiheit bis zu dem die analytische Mechanik führt." (zweite Auflage, Seite 25 und 28)
Außerdem darf ich wohl hinweisen, wie ich selbst bereits in meinem Vortrag "Galilei und Darwin" (Antimaterialismus, Bd. 2) ähnlich wie DUBOIS-REYMOND, ausgehend vom Gesetz der Trägheit und der darin gründenden Erhaltung der Kraft zu beweisen suchte, daß Mechanik in Mechanik aufgeht und daß daher in diesem Spiel träger Mechanik der Grund fehlt zum Auftreten von Empfindung und Bewußtsein. Freilich war in diesem Vortrag meine Hauptaufgabe zu zeigen, wie schon das Auftreten des Lebens eine Neues ist, kein Spiel träg verharrender Atome. Und während DUBOIS-REYMOND (Seite 15) sagt:
Nicht das Neue ist daher wohl, was dem Vortrag von DUBOIS-REYMOND solche Bedeutung gegeben hat. Die Bedeutung liegt vielmehr darin, daß sein Beweis: "Die Mechanik gibt keinen Grund ab zur Erklärung vom Entstehen des Empfindens", zu einer Zeit geschehen ist, wo ein den Wundern gram gewordener Theologe alles natürlich und begreiflich behauptet hat und namentlich die Empfindung aus der Erhaltung der Kraft als nachweisbar erklärte. Diesem Bekenntnis von STRAUSS trat die Bescheidung des Naturforschers gegenüber, der gerade da, wo der Theologe Erklärbarkeit gefunden hat, das Statthaben eines Wunders, d. h. die Unerklärbarkeit des Bewußtseins aus dem mechanischen Spiel der Atome behauptete. Umso bedeutender war diese Bescheidung, als sie von einem Mann kam, der einer der eifrigsten und wissenschaftlich tiefsten Verfechter einer materialistischen Anschauung war und ist. Aber eben deshalb auch weil DUBOIS-REYMOND, trotz der von ihm bewiesenen Unerklärbarkeit der geistigen Empfindungen aus dem Spiel der Atome, stehen bleibt auf dem Boden des Materialismus; eben deshalb weil ihm immer noch alle Naturerkenntnis heißt: die Zurückführung aller Naturerscheinungen auf die Mechanik der Atome, eben deshalb ist es umso notwendiger zu fragen, ob die Grenzen, welche DUBOIS-REYMOND aufstellt einem objektiven oder subjetkiven Boden entspringen. Und da will es uns dann scheinen, als ob der Mann, welcher in seinem Werk über tierische Elektrizität ein ewig klassisches Muster experimenteller Forschung gegeben hat, weniger sorgfältig im Zurückhalten subjektiver Annahmen gewesen ist bei der Aufstellung seiner Grenzen des Naturerkennens. Wir können nicht wissen, was Kraft und Materie ist, sagt er mit dem heutigen Materialismus. Und doch soll mit Kraft und Stoff alles erklärt werden! Mit Recht sagt DUBOIS-REYMOND, die Naturerkenntnis geht darauf aus, alles in Ursache und Wirkung aufzulösen, "das Kausalitätsbedürfnis" zu befriedigen". Aber auch auf geistigem Gebiet herrscht der Trieb das Kausalitätsbedürfnis zu befriedigen. Man ist befriedigt seit KOPERNIKUS, KEPLER, NEWTON die Mechanik der Planeten nach Form und Ursache, nach Ellipse und Gravitation, als ein System bewegter und bewegender Massen kennen lehrten, so daß man jetzt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Einzelbewegungen berechnen kann. Man ist befriedigt den letzten deutschen Krieg zurückzuführen auf die gehätschelte Eitelkeit der Franzosen. Aber damit ist nicht alles erklärt. Die anziehenden, gravitierenden Weltmassen, die kraftübenden Materien, was sind sie? Der hätschelnde und sich selbst oft gering achtende Deutsche, der sich groß dünkende Franzose, ja der menschliche Geist überhaupt: was ist er? Hier tritt also die Frage auf: Was ist Kraft? Was ist Materie oder Stoff? und da ist es DUBOIS-REYMOND selbst, der in seiner tierischen Elektrizität das anschaulichste Wort sagt: Die Kraft ist nichts, das wie Rosse an einen Wagen gespannt ist." Für DUBOIS-REYMOND ist also, wie für den Materialismus überhaupt, Kraft und Stoff nichts voneinander Getrenntes. Beide sind hiernach keine zweierlei Substanzen, von denen die eine, die Materie, das Eigenschaftslose, "Träge oder Tote", die andere, die Kraft, das Eigenschaftgebende, zur Wirkung oder Arbeit Hinreißende wäre, wie die lebende Pferdekraft den toten Wagen zur Arbeit zieht. Kraft und Stoff sind hiernach nichts Geschiedenes, und es ist gerade ein Verdienst des Materialismus, dieser Auffassungsweise größere Anerkennung in der Wissenschaft verschafft zu haben. Aber eben deshalb muß man auch sagen: Wir wissen recht gut, was Kraft und Stoff sind. Die zweierlei Namen sind nur verschiedene Bezeichnungen für dieselbe eine Substanz, für dasselbe Ding oder Wesen. Die Sonne nenne ich Stoff oder Materie, wenn ich sie als Ding für sich betrachte, als feurige, aus chemischen, atomistischen Elementen bestehende Masse, von solcher Größe, solcher Dichte usw. Die Sonne nenne ich Kraft, wenn ich sie in ihrer Wechselwirkung zu den übrigen Himmelskörpern, als Ursache von Bewegung, oder wenn ich sie in ihrer Beziehung zu den Tieren als Ursache von Licht- und Wärmeempfindung betrachte. Kraft und Stoff sind also menschliche Abstraktionen, sind Namen für dasselbe Ding. Stoff ist das Ding in seiner Arbeitslosigkeit gedacht und erforscht, Kraft ist dasselbe Ding, aber im Hinblick auf seine Arbeitstätigkeit und als Ursache einer Wirkung. Kein Ding aber existiert, weder an irgendeinem Ort, noch zu irgendeiner Zeit, welches ohne Kraftäußerung ist, d. h. welches nicht in tätiger, arbeitender Wechselbeziehung zur Umgebung steht. Die Frage ist daher, in welche Beziehungen ein Ding treten, welche Arbeiten es verrichten, welche Kräfte es äußern kann. Wir nennen die Sonne "Schwerkraft oder Anziehung wirkend" in ihrer Wechselbeziehung zu den Himmelskörpern; wir nennen sie "Leuchtkraft und Wärmkraft" in ihrer Beziehung zu Auge und Gefühl oder dem Ausdehnungsvermögen der Körper. Nimmer aber werden wir die Sonne "ein selbstempfindendes, Bewußtsein übendes und ein mit diesem Bewußtsein seine Himmelsbahn bewahrendes Wesen" nennen. Die Frage ist daher: wie unterscheiden sich die, bald Stoff bald Kraft genannten, Wesen der Welt nach der Art ihres Bezogenseins auf die Außenwelt, wie unterscheiden sie sich nach der Art ihrer Kraftwirkung, d. h. nach der Art ihrer Arbeits- oder Leistungsmöglichkeit. Und mag es nun sein, daß wir nie das Ding-ansich, das Wesen ansich, erkennen, so können wir doch das Wesen der Dinge in seinem inneren Bestimmtsein, in seiner Natur erkennen, aus der Art und Weise seines Bezogenseins zur Umgebung, aus der Art und Weise seiner Wirkungs- und Leistungsmöglichkeit. Diese Erkenntnis, welche die Wesen der Welt nach ihrer Unterschiedenheit und Ähnlichkeit in Wirkungsweise und Form begreifen lehrt, ist die Summe der Naturerkenntnis. Hier ist es daher, wo ich sage, DUBOIS-REYMOND steht vor selbstgemachten Grenzen. Doch ist es notwendig, vor dem Weitergehen darauf aufmerksam zu machen, wie der Sprachgebrauch und philosophische Entwicklung das Wort Materie oder Stoff im Gegensatz zu Geist fixiert hat. Man nennt Stoff oder Materie eigentlich nur das, wodurch das körperlich Erscheinende gebildet wird. Stoff ist das Substrat der Körperwelt, welche in luftige, flüssige und feste Massen unterschieden ist. Das von einem Andern Unterschiedene hebt sich ab durch eine Begrenzung, und erscheint somit je nach der Größe seiner Begrenzung als ein mehr oder weniger großes, räumlich ausgedehntes Ding. Da nun diese räumliche Ausdehnung das am Ersten in die Augen Fallende, ja sogar bei entfernten Gegenständen, außer der Farbe, oft das allein sinnlich Wahrnehmbare ist; da überdies die am frühesten ausgebildete Wissenschaft, die mathematisch geometrische, nur diese Erscheinungsweise des Körperlichen, nur die räumliche Ausdehnung, in Betracht gezogen hat, so wurde die Erklärung aufgestellt: der Körper ist das räumlich Ausgedehnte. Da überdies das den Körper bildende Substrat "Stoff, Materie" genannt wurde, so machte man auch den Stoff zum räumlich Ausgedehnten. Ähnlich aber, wie wir oben Kraft und Stoff als verschiedene Bezeichnungen desselben Wesens erkannten, und zwar Kraft als Bezeichnung für das Ding in seiner Arbeitstätigkeit, in seinem Bezogensein auf anderes, Stoff aber als Bezeichnung für das Ding in seiner Arbeitslosigkeit, ähnlich sind auch noch bei dieser räumlichen Betrachtung Stoff und Körper Bezeichnungen desselben Dings nach verschiedenen Seiten hin. Stoff ist das Raumerfüllende in seiner Begrenzung betrachtet, Kraft aber ist das Raumerfüllende in seiner Tätigkeit, Arbeitsleistung betrachtet. Es ist klar wie diese Hervorhebung des Räumlichen, der Raumbeziehung, nur eine durch Auge und Geometrie veranlaßte Einseitigkeit und Willkür war, da ja jedes Körperliche noch durch andere Beziehungen, wie Härte, Dichte, Farbe usw., von anderem Körperlichen unterschieden ist. Aber so ungekannt, oder gar so selbstverständlich war diese Einseitigkeit, daß man namentlich wieder seit CARTESIUS diese Abstraktion zu einer Wesensbestimmung des Körperlichen machte und sagte, der Körper ist das räumlich Ausgedehnte, der Geist aber das Unräumliche, das Nichtausgedehnte. Und wenn man auch in der Philosophie über eine religiöse Trinität gespottet hat, bei welcher Eins gleich Drei ist, so hieß es doch kinderleicht, sich Geist und Gott als den unräumlichsten, raumlosesten Punkt, aber doch zugleich durch alle Räume hindurch, als allgegenwärtig, sich erstreckend vorzustellen. Es ist aber das einseitig betrachtende Auge des Geometers, das sich hier überall vordrängte; und so sehr herrschte diese geometrische Gewohnheit, daß SPINOZA sogar seinen Gottesbeweis ins Kleid geometrischer Lehrsätze brachte; freilich gerade dadurch es zu Bewußtsein bringend, daß eben die Lehrsätze nur ein Kleid sind, bei welchem der schon vorhandene, es ausfüllende Gedanken die Hauptsache ist. Aber selbst KANT war noch vielfach Geometer, und daher rührt auch seine berühmte Erklärung: Ich kann von allem abstrahieren, nur nicht vom Raum. Tatsächlich ist eine solche Abstraktion die Beschäftigung für den Lebensunterhalt der Geometer; aber KANT selbst sprach als Physiker anders und sagte: "Ich kann beim Raumerfüllenden (vielleicht sagte er besser: beim Raumbildenden) von allem abstrahieren, nur nicht von der Anziehung." Diese Behauptung stammt aus NEWTONs Gesetz der Gravitation, wonach alles Körperlich anziehend wirkt und die Größe der Masse zugleich die Größe der Anziehung bestimmt. Von jetzt an konnte man sagen: das Körperlich ist das anziehend Wirkende, ist das Wägbare. Man nennt dies eine physische Bestimmung des Körperlichen, im Gegensatz zu jener mathematisch-geometrischen; und der Physiker sagt oft gerade umgekehrt wie der Geometer KANT: "Man kann von allem Raum abstrahieren, indem man alle Anziehungskraft als in einem Punkt wirkend ansehen kann." Auch in anderer Hinsicht glaubte man eine Zeitlang, umgekehrt wie KANT, von allem Raum abstrahieren zu können, nur nicht vom Gewicht. Es war dies zur Zeit als man die Tatsache der Atomgewichte in der Chemie entdeckt hat. Denn als kurz nachher von GAY-LUSSAC und ALEXANDER von HUMBOLDT entdeckt wurde, daß sich die Elemente nicht nur in bestimmten Gewichtsverhältnissen verbinden, sondern auch in bestimmten Raum- oder Volumenverhältnissen, da sagte DALTON und seine Anhänger: die Raumverhältnisse sind das unwesentliche, nur die Gewichte, die Zugkräfte, verdienen Beachtung. Dieser einseitige Physikerstandpunkt hielt sich glücklicherweise nicht lange; wenn auch in allerneuester Zeit HARTMANN in seiner Oppositionsmanie die Materie zum Unräumlichen machen zu müssen meinte, weil CARTESIUS berühmt geworden ist mit der Behauptung: die Materie ist das Ausgedehnte. Der Fortschritt der Zeit zieht jetzt geometisch Räumliches und physisch Wirkendes gleichmäßig in Betracht; ja schon sucht man sogar die Raumgröße der einzelnen Atome zu bestimmen, und mit Recht. Denn was als ein nach Außen wirkendes Ding auftritt, kann es nur als ein sich begrenzend Hervorhebendes, also nur als ein räumlich Unterschiedenes, ein Raumbildendes. Das Atom aber als unveränderliche Kraftgröße, muß deshalb auch ein von andern unterschiedenes, raumbildendes Ding sein. Natürlich hat man auch diese Bestimmung der Körper benutzt, um einen Gegensatz zum Geist zu haben. Man sagte, der Körper, das Materielle ist das Wägbare, der Geist das Unwägbare. Eine Erklärung, die freilich gerade in der Naturwissenschaft lebhaften Widerspruch gefunden hat und zum Gespött wurde. Denn seit LAVOISIER die Waage in der Chemie eingeführt hat, seit man die Gase entdeckte und das Gewicht des flüchtigsten und scheinbar gewichtslosesten Gases erkannte, da hieß es allzu unwissenschaftlich, etwas Gewichtsloses, Imponderables anzunehmen. Das Gespött über einen imponderablen, oder auch, da ja Gewicht und Materie stets zusammengehören, über einen immateriellen Geist wurde daher auf Seiten der Naturwissenschaft sehr groß. Und doch hatte gerade sie die kleinste Ursache dazu; denn tatsächlich ist ihr Äther imponderabel, unwägbar. Und die Elektrizität wie den Magnetismus hat man immer ungeniert aus unwägbaren Fluiden erklärt. Das Gespött ist aber namentlich von Seiten des Materialismus umso auffallender als ja gerade nach ihm die Begriffe "Materie" und "Körper" nur einseitige Abstraktionen derselben Sache sind. Die Sonne ist ein Körper als ein Ding von so und so großer Ausdehnung, sie ist "Materie" als ein so und so beschaffenes Ding, feurig, flammend, aus Atomen bestehend usw., sie ist "Kraft" als anziehendes Ding, bei dem ich, absehend von der räumlichen Ausdehnung, alle Wirkung als von einem Punkt, dem Mittelpunkt ausgehend, betrachten kann. Der Geist nun freilich hat seine Begrenzung nur je nach der Größe des geistigen Horizonts den er beherrscht, aber diese Begrenzung entgeht unserer sinnlichen Wahrnehmung, deshalb nennen wir ihn unkörperlich und ebenso auch unwägbar; aber Materie ist er, als ein so und so beschaffenes Ding, als ein mit Freiheit oder doch mit der Einbildung derselben handelndes usw., und Kraft ist er seiner Selbstbestimmung, seines Handelns wegen, eine Kraft, deren volle Wirkung man so gut wie die der Sonne in einen kleinsten Punkt verlegen kann. Eine Eigenschaft nur hat man unbeanstandet der Materie allein zugelegt, nicht dem Geist, dies ist die Anziehung; denn der von NEWTON gegebene Begriff der Anziehung, als eine Kraft kontinuierlich wirkend im Verhältnis der Größe der Masse und umgekehrt dem Quadrat der Entfernung, ließ sich unmöglich der freitätig liebend anziehenden und hassend abstoßenden Geisteskraft zuschreiben. Da nun freilich die Anziehung, die Gravitation es ist, welche die Schwere, das Gewicht der Massen bewirkt, so hätte man eigentlich gerade zugeben müssen zu sagen: Materie ist das gravitierend Wirkende, das Wägbare; Geist das nicht Gravitierende, das nicht Wägbare. Ehe ich nun zu anderen Bestimmungen von Körper und Geist übergehe, ist es nötig, noch zu erwähnen, wie das räumlich Begrenzte, das Körperliche, sich mächtig unterscheidet nach der Art und Weise der Begrenzung, d. h. nach der Form oder Gestalt. Während bei der Luft die Grenzen verschwimmen, so daß es lange gedauert hat, bis man die Luft als Körper erkannte, zeigt das Wasser bei kugliger Tropfengestalt und horizontaler Oberfläche eine schärfere Begrenzung; aber auch das Wasser hat, so wenig wie Luft, eine selbständige Gestalt. Diese richtet sich bei beiden nach der Form des dem Zerfließen widerstehenden Raums oder Gefäßes. Nur die festen Körper sind solche, welche bei größerem inneren Halt ihrer Teile als selbständig abgegrenzte Massen erscheinen. Aber auch hier ist ein wichtiger Unterschied in der Art der selbständigen Gestalt. Die einen Körper zeigen eine zufällige, unwesentliche, durch äußere Umstände gewordene Gestalt, wie ein Haufen Erde, wie ein Felsblock, ein Feldstein. Die anderen Körper dagegen erscheinen mit einer ursprünglichen, durch innere Natur gewordenen, ihnen wesentlich und eigentümlich zukommenden Gestalt. Man nennt solche Gestalten "Individuen" und es gehören dazu die leblosen Kristalle, wie die lebenden Pflanzen und Tiere. Während nun die lebenden Wesen stets als Individualitäten, als individuell bestimmte Einzelwesen auftreten, tritt bei den leblosen Körpern zufolge des Gesetzes der Massenanhäufung oder Aggregation das Individuelle zurück und statt kristallisierter Einzelwesen treten mehr bloß kristallinische oder gar nur amorphe Massen auf. Man hat daher in der Körperwelt Atome und Individuen zu unterscheiden. Beide Worte bezeichnen dem Wortlaut nach ein Unteilbares und doch hat die räumliche, die mechanische Teilbarkeit am wenigsten damit zu tun. Die als Zentralkörper mit unveränderlicher Kraft wirkende Sonnenmasse ist als Mittelpunkt des Planetensystems so gut ein Atom, wie das unveränderlich wirkende Eisenatom im Kristall. Der Baum als selbständig abgegrenzt wirkende Einzelgestalt ist ein Individuum, und mag man noch so viele Äste abschneiden können, die dann wieder zu einem selbständigen Ganzen erwachsen. Aber das Individuum ist eine höhere Einheit als ein Atom; es besteht stets aus einer Vielheit von Atomen. Während sich aber im leblosen Kristall gleichwertige Atome zu einer homogenen, gleichartigen Masse verbinden, erscheinen die lebendigen Individuen als Vereinigungen ungleichwertiger Massen zu einem ungleichartigen Ganzen. Diese ungleichwertigen Teile, die sogenannten Glieder, Organe dienen zur Erhaltung des Ganzen, wie die Wurzel, die Blätter bei Pflanzen, wie der Magen, die Beine bei Tieren. Aber selbst die einfachsten lebenden Körper, die einfachsten Organismen, die man Zellen nennt, und die nur eine kuglige Gestalt oder wie Monere [Einzeller ohne Zellkern - wp] und Bathybius [irrtümlich als lebendig angenommener Urschleim - wp] sogar eine kaum festbegrenzte Gestalt haben, sie zeigen eine ungleichwertige Zusammensetzung eine ungleichartige Masse von Festem und Flüssigem. Und zu erwähnen ist noch, daß selbst der komplizierteste Baum, das vollkommenste Tier aus einem Zellenindividuum entstanden ist und aus einer Vielheit ungleichwertiger Zellen besteht. Hier nun, wo es mir nur darauf ankommt, die Unterschiedenheit der erscheinenden Körperwelt zu untersuchen, kann ich die weitere Ausführung unterlassen, wie die Arbeit des leblosen, unorganischen Individuums, des Kristalls, nur darin besteht, die mechanische, ruhende Gleichgewichtslage seiner vorhandenen und bleibenden Atome zu erhalten, wie dagegen die lebenden Körper, die Organismen, Stoffwechselmechanismen sind, so daß die Arbeit des Individuums darin besteht, durch Nahrungsaufnahme diesen individuellen Stoffwechselprozeß zu erhalten und wie diese Organismen zugleich neben der Erhaltung ihres Selbst die Arbeit haben, diesen individuellen Prozeß fortzupflanzen, zu vermehren, oder, wie man sagt: ihre Art, ihre Gattung zu erhalten. Während nun die pflanzlichen Organismen in diesen zwei Arbeitsleistungen, der Erhaltung des Individuums und der Erhaltung der Art, aufgehen, erscheinen bei den tierischen Organismen noch zwei weitere Arbeitsleistungen, die der Empfindung und die der willkürlichen Gliederbewegung. Nachdem wir also die Unterschiedenheit in der Gestaltung oder der Art und Weise der Begrenzung bei der Körperwelt betrachtet haben, nachdem wir hinwiesen auf die Verschiedenartigkeit der Arbeitsleistungen der Einzelwesen, gehen wir wieder über zu einer weiteren Bestimmung des körperlich Materiellen. Wir haben gesehen, daß die allen Körpern, mögen sie unorganische oder organische sein, zukommenden Bestimmungen waren: räumliche Ausdehnung und Wägbarkeit oder Schwere, Zugkraft. Neben diesen Eigenschaften zeigen die Körper noch andere, die zwar ebenfalls allen Körpern allgemein zukommen, die man aber oft nur als besondere Eigenschaften gelten läßt, da sie weniger Interesse haben und vor den Raum- und Gewichtsverhältnissen in den Hintergrund treten. Es gehören hierher Farbe, Klang, Wärme, Geruch, Geschmack, Härte usw., Eigenschaften, bei welchen freilich leicht zu erkennen war, wie sie nur auftreten oder wahrnehmbar sind bei der Wechselwirkung der Körper mit den Menschen. Aber nicht allein Farbe, Ton, Geruch usw. sind bedingt durch den sehenden, hörenden, riechenden, schmeckenden, fühlenden Menschen, auch die Wägbarkeit, die Anziehung, sowie die Ausdehnung, die Begrenzung der Körper sind Sinneswahrnehmungen, Empfindungen des Gefühls-, des Tast- und des Augensinnes. Nicht auffallen kann es daher, wenn sich eine Lehre gebildet hat, die da sagt:
Das Einseitige dieser Lehre war eigentlich jederzeit erkannt, und doch sind selbst in der Naturwissenschaft die Folgen dieser Lehre noch vorhanden; selbst bei DUBOIS-REYMOND, wie wir sehen werden. Man möchte nämlich allgemein eine eigenschaftslose Materie auffinden, weil die Eigenschaften durch die Sinne eingetragen werden. Aber war die Materie nicht ein Anziehendes längst ehe Menschen waren? Hat der sich verdichtende Nebelball nicht seine räumliche Ausdehnung gehabt, längst ehe Menschen sie betrachten und beschreiten konnten? Sind die Körper nur deshalb so hart, weil der Mensch Widerstand findet beim Nüsseknacken? Oder sprengten nicht längst ehe Menschen waren vulkanische Dämpfe die feste Erdrinde? Ein Beweis, daß ein Unterschied von Festem und Flüssigem tatsächlich vorhanden ist. Sind die Körper nur farbig, weil der Mensch sie betrachtet? Was ist die Farbe? Wellenschwingung des Äthers, hervorgebracht durch die Wechselwirkung von Atomen und Äther. Nun, existiert eine solche Wechselwirkung, solche Wellenschwingungen nicht, wenn keine Menschen sind? Hören die Luftschwingungen auf, wenn kein diese Schwingungen als Ton wahrnehmendes Trommelfell mehr da ist? Hört die Wechselwirkung von Äther und Atomen auf, welche die Wärmeschwingungen verursacht, wenn keine Menschen mehr leben? Hört die auflösend zerteilende Wirkung des Flüssigen auf das Feste auf, wenn keine solche Auflösung wahrnehmenden, schmeckenden Zungenpapillen mehr da sind? Und so ist zu sagen, daß auch ohne die Existenz von Menschen die als Körperwelt erscheinende Materie ihre Eigenschaften, ihre Eigenart zu wirken hat. Diese spezifische Art des Wirkens können wir erkennen, ja die Erkenntnis dieser wesentlichen Wirkungsweise der Materie bildet eben die Erkenntnis des Wesens der Materie. Da nun aber nach dem Vorherigen im Allgemeinen unter Stoff das verstanden wird, was durch die fünf Sinne wahrgenommen wird, was namentlich dem Tastsinn und Gefühlssinn Widerstand leistet, wobei noch zu erinnern ist, daß dieser Stoff nur eine Kraft, also n diesem Fall eine widerstandleistende Kraft ist, so sagt man auch: Stoff oder Materie ist das sinnlich Wahrnehmbare. Und man stellt danach den Stoff in einen Gegensatz zum Geist, von dem man sagt: der Geist ist das Unsinnliche, das sinnlich nicht Wahrnehmbare. Aber ist denn der Stoff in Wirklichkeit das sinnlich Wahrnehmbare? Niemals! Ja sogar so wenig ist "der Stoff" das sinnlich Wahrnehmbare, daß noch heute der lebhafteste Streit in der Wissenschaft geführt wird über die Beschaffenheit des Stoffes, wenn auch der atomistische Dynamismus Sieger bleiben wird und durch die AVOGADRO'sche Unterscheidung von Atom und Molekül eine gewisse Klarheit begonnen hat. Niemand hat also bis jetzt den Stoff, die Materie, sinnlich wahrgenommen; nur dessen Arbeitsleistung, die erscheinende Körperwelt ist sinnlich wahrnehmbar. Wir sehen und fühlen eine Stange Eisen, wir sagen und wissen, daß sie aus gleichartigen Elementaratomen besteht; aber die gleichartigen Atome, wer hat sie sinnlich wahrgenommen? Wir sagen, der Zucker besteht aus ungleichartigen Atomen, aber diese ungleichartigen Atome, wer hat sie sinnlich gesehen? Niemand! Und so ist der Stoff, so gut wie der Geist, das sinnlich nicht Wahrnehmbare. Es ist vom Stoff, so gut wie vom Geist, nur durch seine Wirkungsweise zu wissen; es ist der Stoff, wie der Geist, nur durch seine Leistungsmöglichkeit zu erkennen. Aber ich sage deshalb auch: der Geist ist so gut wie der sogenannte Stoff als arbeitsleistendes Wesen eine Substanz, die man Kraft oder Materie nennen kann, je nachdem man dieses Wesen in seiner arbeitenden Tätigkeit oder in seiner Ruhe betrachtet. Fragt man nun, was man sich von dieser Geistmaterie für eine Vorstellung zu machen hat, so weise ich hin auf die Wissenschaft, welche mit der Bildung der Vorstellung über die sogenannte Materie auch noch nicht zu Ende gekommen ist. Ich sage also: Beide, Geist und sogenannte Materie, sind Materien, aber wir nennen nur eine solche Materie Geist, deren Arbeit sich in Selbstempfindung, Selbstbewußtsein, Selbstbestimmung bewegt. Und wir bezeichnen nur diejenige Materie vorzugsweise als Materie, die im Gesetz der Gravitation verharrt und deren Arbeit in der Bildung unorganischer Massen und mechanisch verharrender Bewegung besteht. Ja, ich finde es daher nur konsequent, auch eine "Materie" anzunehmen, deren Arbeit es ist, Organismen, Lebewesen zu bilden. Es gibt auch Physiologen und JOHANNES MÜLLER gehörte dazu, welche angenommen haben, daß sich der Geist den Leib bildet. Verlangt man nun freilich wieder eine Vorstellung, wie Geisteskraft oder Lebenskraft mit Hilfe unorganischer Materie den Leib, das geistige, oder das lebende Individuum, aufgebaut haben, so frage ich nach der Vorstellung, wie die Kristallisationskraft das unorganische Individuum bilden kann, aber auch dies weiß noch Niemand zu sagen. DUBOIS-REYMOND freilich rechnet auch die organischen Arbeitsleistungen zur Möglichkeit der unorganischen Materie. Ihm ist Leben oder Organismus nur eine komplizierteste Mechanik. Begreiflich ist ihm daher der Übergang des Unorganischen ins Organische. Unbegreiflich ist ihm nur die Entstehung des empfindenden, bewußten Geistes aus der unorganischen, nicht empfindenden, nicht bewußten Materie. Unbegreiflich ist ihm diese Entstehung, obgleich er selbst dem berühmten Ausspruch von CARL VOGT darin beistimmt, daß er die Seelentätigkeit als Erzeugnis der materiellen Bedingungen im Gehirn hinstellt; fehlerhaft erscheint ihm bei diesem Ausspruch nur, daß er die Vorstellung erweckt, als sei die Seelentätigkeit aus dem Bau des Gehirns ihrer Natur nach so begreifbar, wie die Absonderung aus dem Bau der Drüse". (Seite 32) Durch diese behauptete Unbegreiflichkeit unterscheidet sich DUBOIS-REYMOND wesentlich von STRAUSS, BÜCHNER, VOGT, HÄCKEL, HARTMANN, DARWIN u. a., denen das Entstehen des empfindenden Geistes sehr begreiflich ist, da sie dabei nur eine noch kompliziertere Mechanik auftreten sehen, als bei den Organismen herrscht. Aber in der Tat, es scheint, als ob BÜCHNER, HARTMANN usw. konsequenter sind mit ihrer Annahme, daß Alles, daß Unorganisches, Organisches und Geistiges Mechanik sind. Denn wenn DUBOIS-REYMOND trotz seinem Satz: "Mechanik geht in Mechanik auf", plötzlich die unorganische Bewegungsweise von selbst in die veränderte, die kompliziertere Bewegungsweise organischer Mechanik übergehen läßt, so ist nicht einzusehen, warum er nicht auch das Geistige als eine noch kompliziertere Bewegung und Mechanik annehmen und somit begreiflich finden will. Es ist jedoch zu fragen, ob nicht vielleicht diese behauptete Unbegreiflichkeit des Übergehens der materiellen Atombewegung in Empfindung ein Rätsel ist, das in solcher Weise überhaupt in der Welt nicht existiert; ein Rätsel, welches DUBOIS-REYMOND aus subjektiven Annahmen selbst erfunden hat. Er will alles aus mechanischen, materiellen Bedingungen erklären; das heißt, aus mechanischen, atomistischen, aus unorganischen Bedingungen. Er sagt (Seite 2):
Wer aber gibt DUBOIS-REYMOND das Recht zu sagen: Das Bewußtsein entsteht aus bewußtseinsloser, atomistischer Materie? Sehen wir nicht freiheitlich und sittlich selbst sich bestimmende Geisteskräfte, so gut wie wir mechanische, in notwendiger Bewegung verharrende Atomkräfte sehen? Wissen wir uns nicht als fühlende Wesen oder Substanzen den "unfühlenden Atomen", den "nicht empfindenden Wesen" gegenüberstehend? Wer gibt nun DUBOIS-REYMOND das Recht, zu sagen, daß im Grund der Welt nur mechanisch wirkende Kräfte, nur Atome sind mit den Arbeitsleistungen der Sonne, d. h. nur anziehend wirkende, gravitierende, beweglich bewegende, in ruhendem oder schwingendem Zustand befindliche Atome? Nirgends hat er es begründet, daß es nur Atome gibt. Und so erscheint dann willkürlich oder nur der Mode der Zeit entlehnt, seine Formel: "Naturerkennen ist die Zurückführung der Veränderung in der Körperwelt auf die Bewegung der Atome." Willkürlich ist diese Formel und zu eng; denn in Wahrheit ist eine solche Zurückführung nur so weit möglich, als sich die Arbeitsleistung der Atome erstreckt; d. h. diese Zurückführung ist nur möglich für die unorganische Welt. DUBOIS-REYMOND rechnet freilich, was ich, wie gesagt, nicht zugebe, die organische Welt ebenfalls ins Gebiet der Leistungsmöglichkeit der Atome; aber jedenfalls bleibt er stehen vor dem Empfinden und dem Bewußtsein. Er begreift nicht, wie aus den Atomen ein empfindendes Wesen entsteht. Nun gut, wenn denn wirklich, wie DUBOIS-REYMOND sagt, das Mechanische im Mechanischen aufgeht, und wenn es wirklich unbegreiflich ist, wie die Atome eine Leistung machen sollen, zu der sie unfähig sind, weil sie nich in ihnen begründet ist: warum dann nicht annehmen, daß man selbst diese Unbegreiflichkeit in die Sache hineingetragen hat? Worin liegt denn der Zwang der Notwendigkeit, anzunehmen, daß der Grund der Welt wirklich nur aus mechanischen Atomen besteht? Wir sehen geistige und mechanische Arbeitsleistungen in der Welt, warum soll ich nun nicht das Recht haben, den Grund der Welt als einen geistigen zu begreifen? Warum soll ich nicht das Recht haben, auf eine geistige Kraft alles zurückzuführen, zumal ich diese Mechanik der Atome nach Raum- und Gewichtsgröße, in Maß, Gesetz und Ordnung sich vollziehen sehe; und zumal die menschliche Erfahrung allüberall eine festbestimmte Ordnung nur von einer geistigen Kraft ins Dasein gerufen sieht, nirgends aber als Resultante blind wirkender Kräfte. Soll ich aus dem Grund nicht das Recht dazu haben, weil ich den Geist nicht sinnlich wahrnehme? Nun so nehme ich doch die Arbeitsleistungen des Geistes wahr, und überdies, wie schon gesagt, sehe ich auch die Atome nicht selbst, sondern nur deren Arbeitsleistungen. So daß also, mag ich mit dem Geist oder mit Atomen anfangen, der Grund der Welt das sinnlich nicht Wahrnehmbare ist. Bei der Fraglichkeit aber, ob Geist oder Atome als Anfang zu nehmen sind, dürfte es einstweilen zweckmäßiger, d. h. wissenschaftlicher sein, die Erklärung des Naturerkennens weniger eng zu fassen, als DUBOIS-REYMOND es getan hat. Schon die Existenz der Atome ist eine, leider noch zu oft bestrittene Annahme. Lassen wir aber deshalb die Atome aus der Erklärung weg, sagen wir einfach: Naturerkennen heißt, die Natur, d. h. die innere Bestimmtheit der Einzelwesen, sowohl nach ihrer räumlich verharrenden Gestaltung, als nach ihrer tätigen Wechselbeziehung zur Umgebung erforschen und begreifen. Stellt sich dann bei einer solchen Erforschung heraus, daß es Atome gibt - und sie gibt es - dann gut; versuchen wir alsdann weiter wie weit wir mit ihnen gelangen. Jedoch der Versuch des Begreifens ist schon gemacht und der wissenschaftlich nüchterne DUBOIS-REYMOND, trotz seinem Eifer für ein materialistisches Begreifen der Welt, spricht das Wort der Bescheidung aus: Mit Mechanik kommen wir aus der Mechanik nicht heraus, wir können nicht begreifen, wie das Bewußtsein wie die Empfindung entsteht. Nun, da die Atome mich nicht aus der Mechanik herausführen, so versuche ich das Begreifen der Welt mit einer geistig tätigen Urkraft und behaupte, daß DUBOIS-REYMOND selbst mir das Recht zu diesem Anfang gibt. Sagt er doch mit dem Materialismus: "Was Materie und Kraft ist, wissen wir nicht." Bildet ihm doch sogar dieses Nichtwissen die andere Grenze der Naturerkenntnis. Nun, wenn diese Grenze ihre Richtigkeit hat, so hat doch wohl das Zurückführen aller Naturveränderungen auf eine "unbegreifliche Materie" kein Vorrecht vor der Zurückführung aller Naturbestimmtheit auf einen "unbegriffenen Gott". Im Gegenteil bei diesem Ausgehen von einem unbegriffenen Urgrund hat der Materialismus so viel Wert für eine wissenschaftliche Begründung als jene indische Lehre, daß die von einem Elephanten getragene Welt auf einer Schildkröte ruht; aber die Schildkröte, worauf ruht diese? Wir sahen bereits, wie die Worte "Materie" und "Kraft" nur verschiedene Namen, nur verschiedene Betrachtungsweisen für dasselbe Ding, für dasselbe Wesen sind, und wie in dieser Wesensbestimmung die Aufgabe der Naturerkenntnis liegt. Macht aber DUBOIS-REYMOND Ernst mit seinen Worten: wir wissen nicht, was Materie ist? Nach dem bis jetzt Gesagten nicht. Denn läßt er nicht die Materie aus Atomen bestehen? Macht er sie nicht zu einem bloß mechanisch wirkenden, unempfindenden Etwas, so daß ihm nur, eben weil er die Materie als das "Mechanische, Unempfindende" begreift oder weiß, nachher das Rätsel auftauch: "Wie kommt das Nichtempfindende zur Empfindung?" Gehen wir aber dieser seiner Materie, von der wir nichts wissen sollen, noch weiter nach. Der Materialismus strebt danach alles in eine mathematische Formel zu bringen und so sagt auch DUBOIS-REYMOND (Seite 5):
Diese Theorie "eigenschaftsloser Materie" hat freilich auch, wie oben gesagt, ihren Ursprung in einem einseitigen subjektiven Idealismus, in der Behauptung KANTs, daß wir nicht wissen könnten, ob es Zeit und Raum in der Welt gibt, denn es sind menschliche Anschauungsformen. Und doch hat die Wissenschaft gerade längst das Irrtumsvolle der Behauptung nachgewiesen. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit von Licht und Schall, Elektrizität beweist das Dasein von Zeit und Raum in der Welt. Denn die Wellenschwingung pflanzt sich fort, mögen Menschen sein oder nicht. Ja, wäre überhaupt Mechanik möglich, wenn die Materie eigenschaftslos wäre? wenn sie nicht zumindest ein Zugkraft übendes, ein anziehendes Etwas wäre? Die Eigenschaft der Anziehung kommt also jedenfalls den Atomen zu, so daß wir auch sagen können: Die Natur, die Bestimmtheit des Atoms, seine Eigenschaft ist es, Zugkraft zu üben. Seit ältester Zeit sagt man: die Rose ist rot. Neuerdings liebt man nun, zu sagen, die Rose hätte nicht die Eigenschaft des Rotseins; nur uns, den sehenden Menschen, kommt es so vor, als sei die Rose rot. Nun freilich wir sehenden und sprechenden Menschen nennen die Rose rot, aber wenn keine Menschen existieren würden, würde dann die Rose ohne Eigenschaft existieren? Gewiß nicht! Die Rose ist Ursache von Ätherschwingungen, mögen nun Menschen sein, welche die mit den Sehnerven wahrgenommenen Schwingungen als rote Farbe bezeichnen oder nicht. Jedenfalls ist ein Organismus da, der die Eigenschaft, die Eigentümlichkeit hat, diese oder jene Schwingungen von sich ausgehen zu lassen, d. h. in dieser oder jener Weise auf den Äther zu wirken. In früherer Zeit machte man sich freilich eine falsche Vorstellung von den Eigenschaften der Körper. Man nahm gleichsam an, die Farbe sei den Körpern eigentümlich wie der Farbanstrich dem Wegweiser. Jetzt ist die Vorstellung berichtigt, hört aber mit dieser Berichtigung auch die Eigenschaft auf? Gewiß nicht! Nichts ist ohne Eigenschaft, denn kein Ding steht ohne Beziehung zur Umgebung und die Art seiner Beziehung, die Möglichkeit seines Verhaltens bildet seine Eigenart, ist seine Eigenschaft. Fragt man nun freilich, ja, was ist die Sonne ohne Planeten, was ein Atom ohne die andern? Ziehen sie auch an, wenn sie allein sind? Da sage ich dann: Hier ist die Grenze des Naturerkennens; wir sollen das tatsächlich Gegebene untersuchen und nicht das Einzelne auf abstrakte Gedankenisolierschemen, oder, wie einen gedachten Menschen auf eine gedachte Inseleinsamkeit versetzen. Gegeben ist tatsächlich eine in unendlicher Wechselbeziehung stehende Vielheit, und da es ein psychologisches Bedürfnis ist diese Vielheit auf einen Urgrund zurückzuführen, so ist eben die Frage, wie ist dieses Eins, dieser Urgrund zu fassen? Nach DUBOIS-REYMOND soll dieses Eins, d. h. der seiner berechnenden Weltformel vorliegende Urgrund ein substantiell unterschiedsloses, folglich eigenschaftsloses Substrat sein, und die objektive Betrachtung einer mechanischen Anschauung habe auch diese Eigenschaftslosigkeit erwiesen. Aber in Wahrheit, diese Behauptung entspringt mehr der subjektiven Theorie "eigenschaftsloser Materie" als der objektiven Weltgestaltung. Daß die der mechanischen Betrachtung zugrunde liegende Materie im Weltraum überall dieselbe ist, hat die Philosophie längst behauptet; hat NEWTON durch sein Gravitationsgesetz gezeigt, da alle Massen im Weltraum in gleicher Weise anziehend wirken, und haben BUNSEN und KIRCHHOFF durch die Spektralanalyse induktiv nachgewiesen. Aber ist nun dieses eine Substrat eigenschaftslos? Niemals! Gleichartig zu wirken, gleichartige Anziehung zu leisten, das ist seine Eigenschaft. Und ist dieses eine Substrat unterschiedslos? Niemals! Sehen wir doch nirgends, daß dieses eine Substrat besteht, wie eine gleichartige, homogene, eine unterschiedslose Glasplatte. Im Gegenteil, unterschieden sehen wir dieses gleichartig Wirkende in getrennte Massen, in Festes, Flüssiges und Luftiges. Ja, die ganze astronomische Mechanik ist nur vorhanden bei dieser Wechselbeziehung getrennter und sich durch Raumgröße, sowie durch die davon abhängige Wirkungsgröße unterscheidenden Massen. Ist also dieses Substrat eigenschaftslos? Nein! Denn es ist gleichartig wirkend, Schwerkraft leistend und ist geschieden in verschiedengroße, verschiedenkräftige Massen. Oder ist diese Eigenschaftsbestimmung eine von mir subjektiv hineingetragene? Niemals! Lange ehe Menschen waren, lange wenn bei völligem Verdichtetsein und Erkaltetsein der Sonne die Lebensmöglichkeit auf Erden geschwunden ist, war und wird fortdauern das mechanische Spiel dieser so eigenartig wirkenden, eigenartig beschaffenen Materie. Von diesen "unendlich" großen Himmelsmassen, die wir als Weltatome betrachten können, da sie getrennte Massen sind, jede mit einer unveränderlich großen Kraftgröße nach außen tätig, gehen wir zu den "unendlich" kleinen materiellen Massen, den chemischen Atomen über. Hat die Erfahrung nicht festgestellt, daß das in allen Welträumen gleichartig wirkende Substrat in unterschiedene, in elementar verschiedene Atome zerfällt ist? Solcher Art, daß wenn Wasserstoff = 1 ist, das Sauerstoffatom 16 mal, das Eisenatom 56 mal, das Kohlenstoffatom 12 mal so schwer ist usw.; so daß also dieses ganze gleichartig wirkende Substrat in ungleichartige Atome geschieden ist? Gewiß, sie hat es! und nach DUBOIS-REYMOND ist ja das ganze Naturerkennen nichts anderes als die Zurückführung aller Erscheinungen auf diese Eigenschaft des atomistischen Zerfälltseins des Substrates. Oder will man keine Unterschiedenheit gelten lassen, weil die verschiedenen Gewichtsverhältnisse der Atome nur quantitative und nicht qualitative Unterschiede sind? Nun freilich, in der Philosophie stellt man oft die Quantität der Qualität entgegen, obgleich der Grund davon nicht einzusehen ist. Die Qualität ist zwar meist eine von den spezifischen Sinnesempfindungen des Menschen abhängige Erscheinung, während die Quantität sich auf alle Qualitäten erstreckt. Die Körper sind farbig, durchsichtig usw. in ihrer Beziehung zur Sehempfindung; tönend in Bezug zur Hörempfindung, schwer, hart, schmeckend, riechend, je nach der Wirkung auf den betreffenden Gefühlsnerven. Unrichtig aber wäre es, zu sagen, daß alle Qualitäten oder Eigenschaften subjektive Erscheinungen sind. Denn das subjektive ist bedingt durch die Wechselwirkung mit dem Objektiven. Dieses Objektive aber hat, wie gesagt, auch seine Qualität, seine objektiven Eigenschaften, denn es ist ein Schwerkraft übendes, raumerfüllendes, widerstandleistendes Wesen. Das Objektive hat aber auch wie das Subjektive seine Quantität; denn alle einzelnen Eigenschaften lassen sich nach Größenverhältnissen betrachten. Und so ist ein quantitativer Unterschied auch ein qualitativer. Ein dicker Mann ist anders qualifiziert als ein dünner. Der quantitative Unterschied der Körper in Bezug auf die Absorption und Zurückwerfung des Lichts bedingt die Qualität der Farbe des Körpers. Der quantitative Unterschied der Weltkörper nach Raum- oder Volumengröße bedingt, kann man sagen, die Qualität der Fixsterne und Planeten; die letzteren sind dunkel, weil sie bei ihrer Kleinheit schon verdichtet sind; der quantitative Unterschied nach Gewichtsgröße bedingt ihre Qualität als Zentralkörper oder als peripherisch kreisende Massen. Und so zeigt dann die Betrachtung, daß in der Welt tatsächlich kein eigenschaftsloses, unterschiedsloses Substrat ist; ein eigenschaftsloses wäre überdies auch kein kraftübendes, kein anziehendes Etwas und wäre deshalb nicht einmal ein Objekt der Mechanik. Hat aber DUBOIS-REYMOND selbst sein Substrat als eigenschaftsloses angenommen? Man sollte es denken, da er ja für eine mechanische Weltanschauung eine solche Forderung erhebt. Er hat es aber nicht getan, weil es überhaupt eine Unmöglichkeit ist. Er sagt, der Weltformel muß ein eigenschaftsloser Urstoff zugrunde liegen, der dort zur wägbaren, hier zur unwägbaren Materie geworden ist. Nun die wägbare Materie bildet wohl die Sauerstoff-, Eisen-, Silberatome usw.; die unwägbare bildet den Äther, das vermeintlich existierende elektrische Fluidum; und dann kann man auch sagen, die unwägbare Materie bildet das Lebenssubstrat, die seelische und die geistige Substanz. Aber jedenfalls, um das Eine oder Andere werden zu können, muß dieser Urstoff zumindest eine Eigenschaft haben: er muß die Eigenschaft der Tätigkeit haben, er muß eine Kraft sein, als Ursache einer Wirkung, als Ursache des Wägbaren und des Unwägbaren. Wir sehen, DUBOIS-REYMOND denkt sich also seinen Urstoff keineswegs ohne Eigenschaft, er nimmt ihn im Gegenteil sofort als ein tätiges Ding, als eine Urkraft, als ein hier zu Wägbarem, dort zu Unwägbarem Werdendes an, wie er es ja auch, gemäß seines oben zitierten Wortes: "Die Kraft ist kein an einen Wagen gespanntes Ross", nicht anders kann. Als eine in Wägbares und Unwägbares sich sondernde Urkraft denkt sich DUBOIS-REYMOND also seinen mit Unrecht eigenschaftslos genannten Urstoff; ja er erteilt dieser Urkraft sogar ganz bestimmte Eigenschaften, indem er sie nur ein mechanisch wirkendes, ein chemisch-physikalisches arbeitendes Wesen sein läßt, dem er geistige Bestimmungen völlig abspricht. Und eben deshalb, wie gesagt, weil er seiner Urkraft nur eine gewisse Zahl von Eigenschaften zuschreibt, steht DUBOIS-REYMOND schließlich vor dem Rätsel: "Wie kommt in die mechanische Welt das Bewußtsein herein?" Es ist klar, wer im Gegenteil von einer Urkraft ausgeht, welcher er geistige Bestimmungen beilegt, der würde vielleicht das Rätsel haben: "Wie kommt die freitätig geistige Urkraft zum Produkt mechanisch unfreier Atombewegung?" Und in der Wirklichkeit sind diese beiden Rätsel längst vorhanden. Der Materialismus steht vor der Frage der Menschwerdung, d. h. der Empfindungs- und Bewußtseinsentstehung. Der Idealismus steht vor der Stoffwerdung, vor der Schöpfung der Welt. Das Verdienst des materialistischen DUBOIS-REYMOND ist daher kein geringes; denn er rief denn im Begreifen schnell fertigen STRAUSS, BÜCHNER, VOGT, HARTMANN usw. ein Halt! zu, indem er die Grenze zeigte, wie weit man mit Mechanik reicht. Das Verdienst ist kein geringes, denn indem der eifrigste Kämpfer für den Materialismus jetzt selbst durch sein Halt! denselben zur Besinnung ruft, so ist zu hoffen, daß der Materialismus wieder mit freierer Wissenschaftlichkeit den Idealismus betrachtet, um zu prüfen, auf welcher Seite die größte Schranke der Unbegreiflichkeit liegt. Bei diesem Verdienst DUBOIS-REYMONDs vermute ich dann auch, daß seine Forderung eines eigenschaftslosen Urstoffs nicht dem Wortlaut nach zu nehmen ist. Die Forderung will wohl nichts anderes als was einst die, von der Naturwissenschaft so oft bespöttelte, Forderung HEGELs nach einem voraussetzungslosen Anfang in der Philosophie will. HEGEL wollte damit hauptsächlich sagen, daß man frei von vorgefaßten Meinungen, Vorurteilen, Parteistimmungen usw. an die Philosophie herantreten soll. DUBOIS-REYMOND will haben, man soll einen Urstoff zugrunde legen, dem man keine subjektiven, keine durch die fünf Sinne bedingten, keine willkürlichen Bestimmungen beigelegt hat. HEGELs Forderung hat sich bis jetzt nicht verwirklicht; denn jeder, der anfängt zu philosophieren, bringt von Haus aus eine Summe von Anschauungen und Vorstellungen mit, die eine gewisse Schattierung bereits erhalten hat, so daß der Anfänger bewußt oder unbewußt, sofort im materialistischen oder idealistischen Fahrwasser schwimmt, aus dem er sich freilich durch freie Geisteskraft erheben kann. Und daß DUBOIS-REYMOND selbst seine Forderung nach eigenschaftsloser Materie nicht erfüllt hat, zeigt seine Schrift, in welcher ja geradezu gesagt ist: Naturerkennen ist die Zurückführung von Allem auf mechanische Atombewegung. Er setzt es also geradezu voraus, daß es die Eigenschaft des Urwesens ist: in mechanische Atome zerfällt zu sein. DUBOIS-REYMOND, der seinem eigenschaftslosen Urstoff Wirkungsweisen und Beschaffenheiten zuschreibt, welche er will, macht es daher nicht anders als der Bibelmann, der vom Idealismus ausgehend, ebenfalls seinem geheimnisvollen, wunderbaren Gott Eigenschaften und Kraftwirkungen zuschreibt, welche er will. Wer hat nun recht? Vielleicht beide. Und so wird mir die Naturerkenntnis wird mir zur Erkenntnis des Wesens der Dinge. Ich frage nach dem Wesen der Urkraft. Da mir diese aber nicht, wie ein kristallinisches, pflanzliches, tierisches Individuum gegenübersteht, das ich nach seinem eigenartigen Verhalten erkennen kann, so frage ich nach den Bedingungen, welche diese Urkraft erfüllen muß, um die erscheinende Welt aus ihr zu begreifen. Ich gestehe gern, daß diese Bedingungen mich dahin geführt haben, eine geistige Urkraft an den Anfang zu setzen, doch verweise ich hier des Näheren auf meinen "Alten und neuen Glauben" als Antwort auf DAVID FRIEDRICH STRAUSS, wie auf meinen "Antimaterialismus". Zum guten Zeichen nehme ich jedoch den Vortrag von DUBOIS-REYMOND; zum guten Zeichen, daß die Zeitstimmung sich wieder allgemeiner einer philosophischen Betrachtung der Welt, sowie der Annahme eines geistigen Prinzips, als Schoß der Welt, hinneigt. Denn in den fünfziger Jahren, zur Zeit der Göttinger Versammlung, wo CARL VOGTs und RUDOLPH WAGNERs Streitigkeiten lebten, wo VOGTs "Köhlerglaube" erschien; da hätte DUBOIS-REYMOND seinen Vortrag in einer Naturforscherversammlung wohl kaum halten dürfen. Man hätte seine sich bescheidenen Fragen als Zweifel an der allmächtigen Allweisheit der Naturwissenschaft gar nicht, oder nur als unpraktische Träumereien rabulierender [spitzfindiger - wp] Spekulation angehört. Ja, ein homerisches Gelächter über kindliche Anschauungsweisen würde ihn unterbrochen haben, wenn er, wie er im Vortrag es ausführt, die Zuhörer nach dem Voranschreiten von LAPLACE einen Geist hätte denken lassen, der in einer mathematischen Formel das ganze Geschehen der Welt nach Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vor sich liegen hat. In der Tat, ein solches Bild ist doch wohl nichts anderes als eine etwas mathematische Fassung jenes Geistes, von dem HERDER sagt: "Er wär' ein Gott, der da wüßte alle Zukunft, die auch, die sein könnend doch nicht sein wird." Oder es ist nur eine mathematische Fassung für jenen Gott der Religion, der alles nach Maß, Gesetz und Ordnung vorherbestimmt und so allwissend ist des Fernsten und des Nächsten in Zeit und Raum - von dem schon HIOB sagte, daß
Die Grenze der Naturwissenschaft zeichnet aber ebenfalls dieser Geist mit der LAPLACEschen Weltformel scharf. Kraft unserer Erkenntnis können wir wie dieser Geist "dem wir gleichen", das Wesen der Dinge, das Gesetz ihrer Wechselbeziehung wissen; aber wie dieser wissende Geist gebildet, beschaffen ist, wie das Denken, Fühlen, Wollen sich vollzieht: das sind Rätsel, die uns verbleiben. Wir sehen die Himmelsmassen in Planetensystemen verbunden, wir sehen Eisen- und Sauerstoffatome Rost bilden, wir sagen die Massen, die Atome ziehen sich an; aber wie geht diese Anziehung vor sich? Hier ist ein Rätsel, das uns wohl immer verbleibt. DUBOIS-REYMOND findet es einen Irrtum, eine geistige Materie und eine mechanische Materie anzunehmen, denn die Versuche, ihre Wechselwirkung zu erklären, sind alle mißglückt; weder des CARTESIUS Annahme der steten Dazwischenkunft Gottes, noch LEIBNIZ' Annahme einer prästabilierten Harmonie ist gelten zu lassen. Aber wenn CARTESIUS, LEIBNIZ, MALEBRANCHE u. a. Unrecht haben, ist dann auch die Annahme der zweierlei Substrate falsch? Notwendig ist es nicht. Warum auch sollen sie nicht aufeinander wirken können, da sie doch zwei Stufen von Arbeitsleistungen, da sie zweierlei Wesensentfaltungen einer Welt sind? Ist die Anziehung schwerkräftiger Sonnen auf die schwerkräftige Erde begreiflich? Gewiß nicht! Nur die Tatsache der Anziehung, nur das Gesetz derselben ist uns erforschbar. Und so stehen wir auch hier wieder wie oben an der Grenze des Naturerkennens. Wir erkennen das Wesen der Urkraft oder Gottes, wir erkennen die wesentliche Verschiedenheit der Dinge und ihre gesetzmäßige Wechselbeziehung; aber das Erkannte sind nur die dem sinnlich wahrnehmende Menschen erscheinenden Arbeitsleistungen von Substraten, von arbeitenden Wesen, aber diese Wesen selbst, diese "Dinge-ansich" sind unserem Sinn verborgen, sind sinnlich nicht wahrnehmbar. |