![]() |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
|||
Zu Kants Widerlegung des Idealismus [2/3]
II. Zur Widerlegung des Idealismus durch Kant 1. Kant spricht sich gegen den Idealismus aus: 1755, 1766, 1770 Welche Stellung nahm KANT diesen Fragen und Diskussionen gegenüber ein? Hier scheint es nicht unerheblich, einige Äußerungen desselben aus seinen früheren Schriften zusammenzustellen. In denselben hat sich KANT mehrfach, abgesehen von indirekten Stellen, direkt gegen den Idealismus erklärt, ganz wie alle seine Zeitgenossen, von denen KANT nicht isoliert werden darf: im Gegenteil erst durch die Kenntnis des Zusammenhangs mit den zeitgenössischen Bestrebungen und mit den früheren Erscheinungen gewinnt man das volle Verständnis der kantischen Lehren überhaupt, aber ganz besonders in diesem Punkt. In der "Dilucidatio nova" vom 1755 (47) heißt es gegen die Idealisten: "realem corporum existentiam, quam contra idealitas non alia nisi probabilitatis via tueri hucusque sanio philosophie potuit, es assertis nostri principii primo liquidissime consequi reperio." [Die wirkliche Existenz von Körpern, die gegen den Idealismus mit keinem anderen Mittel als der Wahrscheinlichkeit und einer vernünftigen Philosophie verteidigt werden konnte, geht meiner Meinung nach aus den Behauptungen meines ersten Prinzips am deutlichsten hervor. - wp] Dieses Prinzip, auf das KANT hier die "Widerlegung des Idealismus" aufbaut, ist der Satz, daß keine Substanz Veränderungen haben kann, ohne daß diese Substanz von anderen Substanzen abhängig ist. Der LEIBNIZ-WOLFFische Satz, daß der Ursprung der Veränderungen einer Substanz in einem inneren Aktivitätsprinzip liegen könnte, wird ausdrücklich abgewiesen. Auf jenes Prinzip gründet sich der Beweis der Existenz der Außenwelt: denn die Seele, heißt es, ist inneren Veränderungen unterworfen, die aus ihrer Natur allein, ohne Verbindung mit anderen Substanzen, nach dem obigen Satz nicht folgen können. Es müssen also noch mehrere Dinge außer der Seele vorhanden sein, mit denen sie mutuo nexu [gegenseitige Verbindung - wp] verbunden ist. Speziell wird dann noch die Existenz des eigenen Körpers bewiesen oder, wie sich KANT vorsichtig ausdrückt - eines compositum, quod corpus nostrum vocamus [was wir unseren Körper nennen - wp]. Auch dieser Beweis beruth auf demselben Prinzip. Es ist unschwer zu erkennen, daß KANT in dieser Stelle genau denselben Unklarheiten verfällt, wie seine Zeitgenossen. Was sein Beweis (die Richtigkeit der Prämisse vorausgesetzt) leistet, ist nur der Erweis einer vom Ich überhaupt unabhängigen Welt von Dingen (streng genommen, nicht einmal dieser; denn auch Gott könnte die Ursache jener Veränderungen sein). Aber diese objektive Welt von Substanzen braucht deshalb nicht eine räumliche zu sein, und so ist nicht die realis corporum existentia [die wirkliche Existenz von Körpern - wp] erwiesen, sondern nur die eines Substanzenkomplexes, der dem Körperphänomen zugrunde liegen kann, ohne selbst körperlich zu sein. Das compositum, quod corpus nostrum vocamus muß nicht notwendig körperlich sein - und ist es auch im Sinne KANTs nicht, denn er ist ja hier noch ganz Monadist; allerdings Monadist mit allen Unklarheiten der gewöhnlichen Monadologie über das Verhältnis der Monaden zum Raum und zur Körperwelt. KANT erhebt sich hier also nicht im Mindesten über die Mängel seiner Zeitgenossen; im Gegenteil, seine Stelle enthüllt diese Mängel ganz offen und charakteristisch: am Anfang derselben verspricht er den ersten stichhaltigen Beweis der realis corporum existentia, und am Ende spricht er von der Existenz des compositum, quod corpus nostrum vocamus. Zum zweiten Mal erwähnt KANT den Idealismus in den "Träumen eines Geistersehers" (1766) (48). Er schildert die "Phantasterei" SWEDENBORGs:
Eine dritte Stelle, die sich wieder direkt gegen den Idealismus wendet, findet sich in der Inauguralschrift vom Jahr 1770 (50). Da heißt es: Die phaenomena, quatenus sensuales conceptus, ceu causata testantur de praesentia objecti, quod contra idealismum. [Phänomene, sofern sie sinnliche Vorstellungen oder Ursachen sind, zeugen von der Anwesenheit eines Objekts, was dem Idealismus widerspricht. - wp] Diese praesentia objecti wird vorher (51) dahin erläutert, daß den sinnlichen Erscheinungen ein intelligibles Ding zugrunde liegt, das Noumenon; dieses stellt sich unserer Sinnlichkeit als Phaenomenon dar. Das "präsente Objekt", welches gegen den Idealismus ausgespielt wird, ist daher nicht etwas Körperliches, - Körper sind ja nur Phänomene - sondern das intelligible Ding, das der Verstand erkennen kann. Gegen den Idealismus wird also hier nicht das Vorhandensein einer dreidimensionalen körperlichen Außenwelt, sondern das Vorhandensein von Substanzen überhaupt außerhalb des vorstellenden Geistes behauptet. Wir sehen, daß hzier die Unklarheit aus dem Jahr 1755 vermieden ist: als Idealismus wird nicht die Leugnung der körperlichen Außenwelt gefaßt, sondern die Leugnung einer von den vorstellenden Geistern unabhängigen Welt von Substanzen überhaupt. KANT ist unterdessen über die Halbheiten der landläufigen Monadologie hinausgekommen: mit vollster Entschlossenheit verlegt er den Raum vollständig in das Subjekt hinein, wozu sich die Leibnizianer niemals konsequent bekannt hatten. Damit gewinnt der Begriff des Idealismus für ihn eine andere Bedeutung: das Körperliche wird ganz aus dem Spiel gelassen, es bleibt nur die Existenz intelligibler Substanzen in Frage, und diese Frage entscheidet KANT mit dem Hinweis auf die Affektion, welche einer außerhalb des vorstellenden Geistes liegenden Ursache bedarf. den bisherigen Idealismus als problematischen und dogmatischen. So einfach nun bis hierher die Sachen liegen, so verwickelt werden sie vom Jahr 1781 an. Während KANT im Jahr 1770 den Ausdruck "Idealismus" von seinem damaligen System fern gehalten hatte, wendet er ihn im Jahr 1781 auf seine neue Position an, allerdings mit dem weittragenden Zusatz: "transzendentaler Idealismus" (52). Schon in der "Ästhetik" spricht er von der "transzendentalen Idealität" des Raums und der Zeit:
Damit gibt KANT dem Ausdruck "Idealismus" eine weitere allgemeine Bedeutung, als derselbe bis dahin gehabt hatte, und findet es überhaupt notwendig, durch scharfe Klassenbezeichnungen verschiedene Arten zu unterscheiden. Schon im bisherigen Idealismus unterscheidet er zwei Arten, den skeptischen und den dogmatischen. Der dogmatische ist derjenige, der das Dasein der Materie leugnet, der skeptische, der dasselbe für unerweislich hält. In den Stellen aus den Jahren 1755, 1766, 1770 hatte KANT immer nur den dogmatischen Idealismus treffen wollen, den Idealismus in jener Bedeutung, wie ihn das ganze 18. Jahrhundert verstanden hat, an dessen Anfang COLLIER und BERKELEY ihn vertreten hatten. Es ist schon eine Erweiterung des bis dahin üblichen gemeinen Begriffs des Idealismus, daß KANT auch die Behauptung, das Dasein der Außenwelt sei keines strengen Beweises fähig, als Idealismus bezeichnet - mit dem Zusatz des skeptischen oder problematischen. Diese letztere Ausdehnung des Terminus "Idealismus" verdankte KANT vermutlich unterdessen getriebenen historischen Studien, speziell wohl der Beschäftigung mit CARTESIUS, den er vor der Abfassung des Abschnitts von den Paralogismen sichtlich zu diesem Zweck genau studiert hat. Die Behauptung des CARTESIUS, die Außenwelt müsse erst bewiesen werden, und die Lehre des MALEBRANCHE, daß ein solcher Beweis eigentlich nicht möglich ist, bezeichnet nun KANT auch als Idealismus, eine erweiterte Anwendung, welche, wie bemerkt, wohl erst von KANT gemacht worden ist. und des dogmatischen Idealismus in den "Vorlesungen über Metaphysik". Die Unterscheidung des problematischen und des dogmatischen Idealismus findet sich auch in den von PÖLITZ herausgegebenen Vorlesungen über die Metaphysik, (55) jedoch in seinem ganz abweichenden Sinn. Zuerst wird der Idealismus (ohne Zusatz) definiert als die Meinung dessen,
Als dogmatischer Idealismus erscheint ihm daselbst "der platonische, mystische, schwärmerische", dem auch LEIBNIZ anhing.
Diese interessante, bis jetzt ganz unbeachtete, Stelle scheint (56) mir den Übergang zu bilden vom Jahr 1770 zum Jahr 1781. KANT bezeichnet dann hier seine eigene Ansicht zum ersten Mal als Idealismus, als einen Idealismus, der nicht das Dasein der Dinge leugnet, wohl aber vorsichtig behauptet, daß wir nur deren Erscheinung kennen. Die Ansicht, die er im Jahr 1770 selbst geteilt hat - Erkenntnis der Dinge-ansich - bezeichnet er hier als dogmatischen Idealismus. Den Idealismus, den er auch 1770 bekämpft hat (Leugnung von Substanzen, welche dem Körper zugrunde liegen), bezeichnet er auch hier schlechthin als "Idealismus", in Übereinstimmung mit dem gewöhnlichen Sprachgebrauch seiner Zeitgenossen. Für seine eigene Stellung gibt er den Namen: "problematischer Idealismus". Ist es richtig, daß diese Bestimmungen vor 1781 fallen, so würde man sich die weitere Entwicklung so zu denken haben: bei der Ausbildung und Fixierung seiner Gedanken mußte KANT das Thema genauer bearbeiten; seine bisherigen Bestimmungen erschienen ihm nun mangelhaft; für seinen eigenen Idealismus erscheint ihm der Ausdruck transzendentaler Idealismus als der richtigere; für das, was er dogmatischen oder mystischen Idealismus nannte, setzt er richtiger Intellektualismus (57). Nun blieb noch die Aufgabe übrig, für den eigentlichen Idealismus jetzt einen spezifischen Zusatz aufzufinden, um ihn dadurch scharf von dem seinigen zu unterscheiden. Er nennt ihn (im Gegensatz zum transzendentalen) den empirischen Idealismus, aber er versteht jetzt nicht mehr wie 1770 darunter denjenigen, der die Dinge-ansich leugnet, sondern denjenigen, der die räumliche Außenwelt leugnet oder wenigstens bezweifelt, - wohl weil ihm die Leugnung der Dinge-ansich als so etwas Ungeheuerliches erscheint, daß er diese Seite der Frage ganz ignorieren zu können glaubt. Aber dieser empirische Idealismus hat, wie er jetzt zu erkennen glaubt, zwei Formen: eine mildere und eine härtere. Die schlimmere Form besteht in der Leugnung des Daseins der Materie, die leichtere in der bloßen Bezweiflung desselben. Jenen nennt er jetzt den dogmatischen, diesen den problematischen. Er findet es jetzt notwendig, si mit den beiden Formen auseinanderzusetzen. von Descartes (erste Auflage der Kr. d. r. V.). Im Abschnitt über den 4. Paralogismus setzt sich KANT zunächst mit dem problematischen Idealismus auseinander. Bei genauerem Zusehen finden wir aber, daß bei KANT wiederum zwei verschiedene Formen durcheinander spielen: Am Anfang spricht er von derjenigen Meinung, wonach das Dasein der räumlichen Außenwelt zweifelhaft ist. Im Verlauf aber kommt er auch auf diejenige Meinung zu sprechen, wonach das Dasein der räumlichen Außenwelt nicht selbst bezweifelt wird, sondern nur als nicht unmittelbar gewiß gilt. Nach jener ersteren Meinung gibt es keine Möglichkeit, uns von jener Existenz jemals zu vergewissern und uns so vom ernsthaften Zweifel an der Wirklichkeit der Außenwelt zu befreien. Nach der anderen Meinung kann diese Existenz nur nicht als unmittelbar gewiß gelten, sondern muß erst auf mittelbare Weise bewiesen werden. Man erkennt unschwer, daß für diese Typen MALEBRANCHE und CARTESIUS die historischen Vertreter sind. Beide Typen hält KANT nicht streng auseinander, sondern er vermischt beide, und seine Widerlegung trifft auch beide zugleich. Was KANT gegen den so bestimmten problematischen Idealismus einwendet, ist bekannt. Dieser Idealismus ist eine "falsche Bedenklichkeit wegen der objektiven Realität unserer äußerer Wahrnehmungen";
"In unserem System sind die äußeren Dinge, die Materie nämlich, in allen ihren Gestalten und Veränderungen nichts als bloße Erscheinungen, d. h. Vorstellungen in uns, deren Wirklichkeit wir uns unmittelbar bewußt werden." "Die idealistischen Einwürfe treiben uns mit Gewalt dahin . . . alle Wahrnehmungen, sie mögen nun innere oder äußere heißen, bloß als ein Bewußtsein dessen, was unserer Sinnlichkeit anhängt, und die äußeren Gegenstände derselben nicht für Dinge-ansich, sondern nur für Vorstellungen anzusehen, deren wir uns wie jeder anderen Vorstellung unmittelbar bewußt werden können." "Also nötigt uns der skeptische Idealismus, die einzige Zuflucht, die uns übrig bleibt, nämlich zur Idealität aller Erscheinungen zu greifen, welche wir in der transzendentalen Ästhetik unabhängig von diesen Folgen, die wir damals nicht voraussehen konnten, dargetan zu haben." (Kr. d. r. V., Ausgabe A, Seite 366-380) des problematischen Idealismus (Seite 377 in der ersten Auflage). So deutlich und klar dieser Gedankengang ist, so undeutlich, unklar und geradezu rätselhaft bleibt Folgendes: KANT spricht nun auch vom "dogmatischen Idealismus", der das Dasein der Materie leugnet. Er spricht von ihm so, daß man vermuten muß, er halte diesen Idealismus für falsch. Er verspricht, im folgenden Abschnitt "dieser Schwierigkeit abzuhelfen". Er hat das nicht getan: er hat dieses Versprechen nicht gehalten (58), und wahrlich: er konnte es auch nicht halten. Denn das Dasein der Materie hat er ja in den oben mitgeteilten Sätzen selbst geleugnet. Er hat ja den skeptischen Idealismus, welcher behauptet, man müsse das Dasein der Materie erst beweisen, damit widerlegt, daß er dieses Dasein als ein Vorurteil aufdeckt. Er hat den "problematischen" Idealismus durch den "dogmatischen" geschlagen. Wohlgemerkt, der "dogmatische Idealismus" ist hier nicht etwa derjenige, der die Realität der Dinge-ansich leugnet, sondern schlechterdings nur derjenige, "der das Dasein der Materie leugnet". Ich frage: Wie kann sich KANT gegen diesen "dogmatischen Idealismus" aussprechen, da er ihn doch in den oben mitgeteilten Stellen ausdrücklich selbst vertritt? Auf diese Frage müssen wir eine Antwort haben. KANT lehrt den "transzendentalen Idealismus"; er versteht darunter
Diesen, in diesem Fall unwesentlichen Differenzen gegenüber bleibt als gemeinsam bestehen die Behauptung: Die gesamte Körperwelt ist bloßes Phänomen, aber ein phaenomen bene fundatum. Das System LEIBNIZ, in seiner strengen Form, nimmt (natürlich nicht historisch, sondern systematisch) den ganzen Idealismus BERKELEYs in sich auf, ergänzt ihn aber durch die fundamental neue Bestimmung: dem Phänomen der Außenwelt liegt eine noumenale, intelligible Welt zugrunde. Genau dies ist KANTs Meinung (60): und in Bezug auf unsere Frage ist es unwesentlich, daß KANT jene Dinge ansich für unerkennbar hält, während sie LEIBNIZ für erkennbar hält. Und wie der Idealismus BERKELEYs in dem von LEIBNIZ enthalten ist, so auch nach den Seite 120 mitgeteilten Stellen im kantischen. KANT hat nicht das mindeste Recht, denjenigen Standpunkt, "der das Dasein der Materie leugnet", von sich zu weisen. Es muß anerkannt werden, daß in jenen Stellen KANT mit BERKELEY in Bezug auf die räumliche Außenwelt im Wesentlichen übereinstimmt (61). Dinge-ansich nimmt KANT an, welche BERKELEY nicht statuiert hat; aber das Dasein der Materie leugnet er, das BERKELEY auch geleugnet hatte. An BERKELEY muß KANT beim "dogmatischen Idealismus" gedacht haben (62); wenn er sich also gegen denselben erklärt, so ist er inkonsequent, und die Frage bleibt bestehen: Wie kam KANT dazu? Von diesem Standpunkt aus erscheint auch die Einteilung des empirischen Idealismus in den problematischen und dogmatischen verfehlt; diese Einteilung setzt ja voraus, daß KANT selbst das Dasein der Materie unabhängig von unseren Vorstellungen annimmt, während der problematische Idealist dasselbe bezweifelt, der dogmatische es leugnet. Da aber KANT faktisch den problematischen Idealismus dadurch widerlegt, daß er dessen Zweifel auf die falsche Annahme einer von der Vorstellung unabhängigen Außenwelt zurückführt und diese letztere selbst offenbar leugnet, so fällt auch jene Einteilung als ganz ungenau und irreführend weg. Mit seinem in den für uns hier wesentlichen Zügen an das System LEIBNIZ sich anschließenden "transzendentalen Idealismus" kann KANT wohl den "skeptisch-problematischen Idealismus" eines CARTESIUS, MALEBRANCHE, LOCKE widerlegen, - eben durch den Nachweis, daß ihre Zweifel auf der falschen Annahme einer unabhängigen räumlichen Außenwelt beruhen, und daß nach dem Wegfall dieses realistischen Vorurteils unsere Vorstellungen selbst unmittelbar die Außenwelt beruhen, und daß nach dem Wegfall dieses realistischen Vorurteils unsere Vorstellungen selbst die Außenwelt ausmachen, - aber nimmermehr den "dogmatischen Idealismus" eines COLLIER und BERKELEY! Der "dogmatische Idealismus" in diesem Sinne ist ein integrierender Bestandteil des "transzendentalen Idealismus". Dieser fügt allerdings noch die Dinge-ansich hinzu. Aber nicht um des Fehlens dieser willen erklärt sich KANT gegen den "dogmatischen Idealismus", sondern - um seiner "Leugnung der Materie" willen. Zum dritten Mal: Wie ist diese seltsame Desavouierung [Leugnung - wp] möglich? Die weitere äußere Entwicklung unserer Frage bei KANT setze ich als bekannt voraus. Ich verweise hierüber auf ERDMANNs vortreffliche und erschöpfende Behandlung dieses Gegenstandes. In dem ursprünglichen Auszug, in § 49, wiederholte KANT die wesentlichen Grundzüge (63) des Abschnitts der ersten Auflage, der den sogenannten vierten Paralogismus behandelt. Aber in den späteren Zusätzen macht KANT einen Schwenk (64). Man hatte ihm in einer scharfen Rezension von BERKELEYs Idealismus vorgeworfen. Er wird über diesen Vorwurf äußerst ungehalten und macht mehrere Versuche, diesen ihm lästigen Vorwurf abzuschütteln. Er verrät dabei eine starke Unkenntnis BERKELEYs. Das Wichtigste, was für uns in Betracht kommt, ist eine Äußerung über den Begriff des "wirklichen Idealismus". Nach der Anmerkung II zum ersten Teil der Prolegomena besteht der "wirkliche Idealismus" in der
"Die Existenz des Dings, was erscheint, wird dadurch (durch Kants System) nicht wie beim wirklichen Idealismus aufgehoben, sondern nur gezeigt, daß wir es, wie es ansich ist, durch Sinne gar nicht erkennen können." Der Grund dieser Frontveränderung liegt in jener bekannten Rezension. Diese Rezension mußte bei denjenigen, welche das Werk nicht selbst gekannt haben, den Eindruck erwecken, als leugne KANT die Dinge-ansich, als gehe alles für ihn auf in unseren Vorstellungen, und gegen eine solche Auslegung allerdings mußte KANT protestieren; war doch für ihn eine Vielheit von Dingen-ansich eine ganz unzweifelhafte Voraussetzung von jeher gewesen (66). Nach der ersten Auflage der Kr. d. r. V. ist dogmatischer Idealismus das System, das das Dasein der Materie leugnet, nach den Prolegomenen dagegen dasjenige, das die Dinge-ansich leugnet. Beides geht auf BERKELEY. Dies scheint ein Widerspruch zu sein, ist aber faktisch keiner. Man kann das System BERKELEYs wirklich vom kantischen Standpunkt aus unter diesen beiden Gesichtswinkeln betrachten. BERKELEY hatte gelehrt: Es gibt nur denkende Geister, keine materielle Außenwelt; für die Vorstellung dieser Außenwelt in uns rekurrierte er auf den mystischen Einfluß eines übergeordneten Gottes, nicht auf koordinierte Substanzen. Solange man das System des LEIBNIZ und das in dieser Hinsicht mit diesem verwandte kantische System nicht berücksichtigt, läßt sich BERKELEYs Position nur in der einfachen Formel ausdrücken: Berkeley leugnet die von uns unabhängige räumliche Außenwelt. Vom Standpunkt des LEIBNIZ-Systems und des kantischen aus mußte sich dagegen eine doppelte Formulierung für das System BERKELEYs ergeben. LEIBNIZ und KANT betrachten die räumliche Außenwelt als Phänomen, aber als Phänomen bene fundatum, als Erscheinung von Dingen-ansich; die Erscheinung ist in uns, die Dinge-ansich sind absolut außerhalb von uns, sie sind auch außerhalb Gottes. Die Dinge-ansich sind eine intelligible Welt von "Substanzen" für LEIBNIZ, von unerkennbaren, unsagbaren X für KANT. Von da aus läßt sich BERKELEYs Position (oder vielmehr Negation) doppelt formulieren:
2) Berkeley kennt aber aber auch keine dieser Vorstellung zugrunde liegende Welt von Noumena. zweiten Auflage der Kr. d. r. V. 1787 widerspricht den sub 4 betrachteten Stellen der ersten Auflage. Nach diesen verschiedenen Vorbereitungen wenden wir uns zu jenem vielumstrittenen Abschnitt der zweiten Auflage der Kr. d. r. V., welcher "Widerlegung des Idealismus" überschrieben ist. KANT hat diesen Abschnitt bei "den Postulaten des empirischen Denkens überhaupt" eingeschoben. Er hat dafür die oben behandelte Stelle in den Paralogismen weggelassen. Man hat ganz treffend bemerkt, daß die Widerlegung des problematischen Idealismus an letzterer Stelle fehlplatziert war; und KANT hat dahin in der zweiten Auflage den Abschnitt auch mit den Worten eingeleitet, daß die Widerlegung des Idealismus "hier an der rechten Stelle ist" - sie war also vorher an der unrichtigen Stelle. KANT teilt wiederum den Idealismus ein in den problematischen und in den dogmatischen. Der problematische des CARTESIUS hält das "Dasein der Gegenstände außerhalb von uns im Raum" (68) für zweifelhaft und unerweislich, der dogmatische des BERKELEY für falsch und unmöglich. Der Gund zum dogmatischen Idealismus sei in der transzendentalen Ästhetik gehoben, d. h. widerlegt. Der problematische ist es, dem das Folgende gilt (69). Wir erwarten somit eine Rekapitulation der Widerlegung dieses problematischen Idealismus, die wir in der ersten Auflage kennen lernten. Aber obgleich einzelne Wendungen an jene ältere, in der zweiten Auflage weggelassene, Stelle anklingen, so finde ich doch eine ganz neue "Beweisart". Das ließe sich schon annehmen, obwohl die Beweisart der ersten Auflage mir schon sehr klar und treffend erschienen war. Aber was sich nicht annehmen läßt, das ist die stupende Tatsache, daß der neue Beweis genau das Gegenteil dessen enthält, was die erste Auflage gelehrt hat. Zwar insofern ist der Gedankengang in beiden Auflagen identisch, als KANT beidemale nachweisen will, daß wir von der Außenwelt ein unmittelbares Bewußtsein haben und dieselbe nicht erst mittelbar zu beweisen brauchen. Das Beweisziel scheint insofern dasselbe. Aber wenn auch KANT beidemale beweisen will, "daß äußere Erfahrung eigentlich unmittelbar ist", so ist doch diese "unmittelbare äußere Erfahrung" selbst das zweite Mal etwas ganz Anderes, ja das Gegenteil; und weil das Beweisziel insofern doch ein ganz anderes geworden ist, so ist auch die Beweisart eine ganz andere geworden. Das Beweisziel ist ein Anderes: Die Außenwelt, deren unmittelbares Bewußtsein die erste Auflage aufweist, ist eben identisch mit der - äußeren *Wahrnehmung; jene von der Vorstellung unabhängige Außenwelt der Cartesianer weist ja KANT zurück; die Cartesianer jagen nach der Darstellung der ersten Auflage einer Chimäre [Trugbild - wp] nach: sie suchen einen (mittelbaren) Beweis für jene Außenwelt; jene Außenwelt existiert aber nicht; sie geht vollständig in unseren Wahrnehmungen auf; und von diesen haben wir ein unmittelbares Bewußtsein, weil sie eben nichts sind als unsere Wahrnehmungen. Aber die Außenwelt, deren unmittelbares Bewußtsein die zweite Auflage nachweisen will, ist - gerade die Cartesianische Außenwelt, welche jetzt KANT selbst annimmt. Und jetzt will er von dieser zeigen, daß wir auf sie nicht mittelbar zu schließen brauchen, sondern daß wir mit ihr eine unmittelbare Fühlung haben. daher schließt der Beweis des "Lehrsatzes" mit den Worten: "Das Bewußtsein meines eigenen Daseins ist zugleich ein unmittelbares Bewußtsein des Daseins anderer Dinge außerhalb von mir". Man hat also kein Recht, ein "Unvermögen" zu behaupten, "ein Dasein außerhalb des unsrigen durch unmittelbare Erfahrung zu beweisen". KANT will beweisen, daß man das Dasein äußerer Dinge im Raum nicht erst zu beweisen braucht; daß dieses Dasein vielmehr unmittelbar gewiß ist (70). Insofern ist das scheinbar identische Beweisziel doch faktisch ein Anderes: gemeinsam ist wohl die Unmittelbarkeit der Außenwelt, welche nachzuweisen ist, aber verschieden ist diese unmittelbar gewisse Außenwelt selbst: in der ersten Auflage ist es die Außenwelt, welche nichts ist als unsere Vorstellung; in der zweiten Auflage ist es die von der Vorstellung unabhängige Außenwelt. Um den Beweis der unmittelbaren Gewißheit jener ersten Außenwelt zu liefern, braucht KANT bloß auf die fundamentale Behauptung seines transzendentalen Idealismus hinzuweisen: daß die ganze Außenwelt bloße Vorstellung ist; denn dieser Vorstellung sind wir ja unmittelbar gewiß; aber um den Beweis der unmittelbaren Gewißheit der Außenwelt im zweiten Sinn zu liefern, dazu bedarf es offenbar eines ganz anderen Beweisapparates. So ist mit dem Beweisziel auch die Beweisart eine andere geworden: der Beweis verläuft bekanntlich so, daß die Zeitbestimmung des empirischen inneren Geschehens etwas Beharrliches voraussetzt; da dieses nicht in uns zu finden ist (und jene Zeitbestimmung doch getroffen wird), so ist ein Beharrliches außerhalb von uns selbst und unseren Vorstellungen (welche ja zum inneren Geschehen gehören) vorhanden. Das besagt der bekannte Satz:
Zweite Auflage (Seite 275): "Also ist die Wahrnehmung dieses Beharrlichen nur durch ein *Ding (d. h. einen Gegenstand außerhalb unser im Raum) außerhalb von mir und nicht durch die bloße Vorstellung eines Dinges außerhalb von mir möglich", usw. So ist also der cartesianische Idealismus widerlegt auch in der zweiten Auflage, aber diese neue Widerlegung gibt den Haupteinwand gegen denselben vollständig auf, den die erste Auflage geltend gemacht hatte. Dieser Haupteinwand, durch den CARTESIUS zurückgewiesen wurde, war, daß seine Voraussetzung einer von der Vorstellung unabhängigen Außenwelt ein bloßes dogmatisches, realistisches Vorurteil ist. Jetzt aber wird die von der Vorstellung unabhängige Dingwelt ausdrücklich poniert [als wahr angenommen - wp]. Damit wird nun aber auch die Stellung KANTs zum sogenannten Idealismus des BERKELEY eine ganz andere. In der ersten Auflage hatte, so fanden wir, KANT kein Recht, gegen diesen dogmatischen Idealismus sich auszusprechen, weil er im Hauptpunkt, auf den es hier allein ankommt, mit BERKELEY gemeinsame Sache gemacht hat: alle anderen erkenntnistheoretischen Unterschiede, z. B. bezüglich der Apriorität oder Aposteriorität der Raumvorstellung kommen jener Übereinstimmung gegenüber nicht in Betracht. Jetzt aber stellt sich KANT in diesem Hauptpunkt geradezu auf die Seite des CARTESIUS: er nimmt eine von uns unabhängige Außenwelt im Raum an. Es ist sogar für diesen Hauptpunkt nebensächlich, ob nun dies von uns unabhängige Außenwelt mittelbar (CARTESIUS) oder unmittelbar (KANT) erkannt wird. Allerdings bleibt im ersteren Fall das Dasein der Außenwelt bis zu einem gewissen Grad immer zweifelhaft, während dasselbe im zweiten Fall absolut sicher ist. Allein das Dasein in der Außenwelt wird von CARTESIUS und seinem problematischen Idealismus nicht geleugnet. Indem KANT in seiner neuen Widerlegung die unmittelbare Gewißheit der Außenwelt gegenüber den immer unzulänglichen mittelbaren Beweisversuchen der Cartesianer behauptet, ist so diese neue Widerlegung der Form nach der alten Widerlegung in der ersten Auflage gleichgestellt. Aber sie greift vermöge ihres neuen Inhaltes viel weiter hinaus als die alte: Die neue Widerlegung trifft nämlich den Idealismus Berkeleys mit." Daß das die alte nicht konnte, wissen wir. Aber daß´die neue das kann und muß, ist klar. Den num die unmittelbare Gewißheit der Gegenstände im Raum nachzuweisen, zeigt KANT, daß unser empirisch bestimmtes Bewußtsein das von unseren Vorstellungen unabhängige Dasein von Gegenständen im Raum involviert. KANT beweist, daß wir von der Außenwelt im Raum eine unmittelbare Gewißheit haben können, aber er beweist vorher, daß eine solche von der Vorstellung unabhängige Außenwelt existiert. Daher ist auch der "Lehrsatz" so formuliert:
ist derselbe Widerspruch enthalten. Dieser Widerspruch ist oft genug hervorgehoben worden: seine Ableugnung ist niemals gelungen. So weit befinde ich mich in Übereinstimmung mit KUNO FISCHER. Es scheint, daß das Zugeständnis unumgänglich ist, die zweite Auflage sei korrumpiert, daß sich KANT selbst untreu geworden ist. Aber dieses Zugeständnis bin ich nicht imstande zu machen, sondern ich behaupte im Gegenteil: Niemals war KANT konsequenter, als indem er diese "Inkonsequenz" beging. KUNO FISCHER sagt:
2. "Den empirischen Idealismus, als eine falsche Bedenklichkeit wegen der objektiven Realität unserer äußern Wahrnehmungen zu widerlegen, ist schon hinreichend: daß äußere Wahrnehmung ein Wirklichkeit im Raum unmittelbar beweist, welcher Raum, obgleich er ansich nur bloße Form der Vorstellungen ist, dennoch in Anbetracht aller Erscheinungen . . . objektive Realität hat; ingleichen: daß ohne Wahrnehmung selbst die Erdichtung und der Traum nicht möglich sind, unsere äußeren Sinne also, den datis nach, woraus Erfahrung entspringen kann, ihre wirklich korrespondierenden Gegenstände im Raum haben."
2. der ihr korrespondierende wirkliche Gegenstand im Raum. Im philosophischen Denken ist die Gleichung 2 = 1 nicht erlaubt. Entweder also wollen wir annehmen: Vorstellung und Ding im Raum, oder: bloße Vorstellung; (entweder: die Außenwelt noch außer der Wahrnehmung, oder: die Außenwelt nur als Wahrnehmung - aber beides zugleich geht nicht an. Diese beiden diametral entgegengesetzten Darstellungen finden sich, was man bis jetzt seltsamerweise nicht bemerkt hat, im Text der ersten Auflage unmittelbar in demselben Abschnitt nebeneinander. Dieses Resultat kann diejenigen nicht überraschen, welche durch ein genaues unbefangenes Eindringen in die kantischen Schriften die Überzeugung gewonnen haben, daß die "Kritik der reinen Vernunft" zugleich das genialste und das widerspruchsvollste Werk der gesamten philosophischen Literatur ist. Jene beiden entgegengesetzten Auffassungen sind also nicht, wie man bisher behauptet hat, auf die erste und auf die zweite Auflage verteilt, sondern sie finden sich schon in der ersten Auflage nebeneinander, wie auch in der zweiten, da ja in letzterer noch Stellen genug erhalten sind, in denen die Außenwelt = bloße Vorstellung ist. Wenn sich, wie viele Freunde der kantischen Philosophie selbst zugeben, der Widerspruch in der zweiten Auflage findet, warum sollte er sich nicht auch in der ersten finden können? SCHOPENHAUER hat einen ganz ungerechtfertigten Nimbus über die erste Auflage verbreitet. Der Unterschied besteht nur darin, daß KANT in der zweiten Auflage die, wie ich sie jetzt nennen will, realistische Seite seiner Lehre - Realismus hier genau im Sinne der Anerkennung einer von der Anschauung unabhängigen Außenwelt im Raum - ausdrücklich stärker hervorkehrte, aus Rücksicht auf die geschehenen Angriffe. Aber ein absolut neues Element führte er damit in seinen Kritizismus nicht ein, er ließ nur ein schon vorhandenes sehr viel mehr hervortreten. Es ist also unrichtig, den Sachverhalt ganz allgemein so zu formulieren: KANT erschrak infolge der vielen Vorwürfe, welche ihm gemacht wurden, vor seinem eigenen konsequenten Idealismus in der ersten Auflage; die innere Konsequenz seiner Gedanken hatte ihn in der ersten Auflage weiter getrieben, als er nachher verantworten mochte, und so schob er in der zweiten Auflage den ganz heterogenen und mit dem Übrigen nicht zusammenstimmenden Absatz zugunsten des gemeinen *naiven Realismus* ein. In solcher Weise ausgesprochen, ist die Differenz falsch angegeben. Sondern man muß die Differenz so formulieren, wie oben geschehen: KANT schob in der zweiten Auflage eine schon vorhandene, aber bisher mehr im Dunkeln liegende Seite seines System plötzlich und unvermittelt in die hellste Beleuchtung vor. Dieser Unterschied der beiden Auflagen ist begleitet von einer Reihe feinerer Nuancen, auf die ich aber hier nicht näher einzugehen brauche. Nunmehr wird auch, zumindest zum Teil, verständlich, wie KANT schon in der ersten Auflage sich gegen den dogmatischen Idealismus erklären konnte. Er konnte es, weil in den angegebenen Stellen der ersten Auflage eben das Dasein einer materiellen "korrespondierenden" Außenwelt neben der Anschauung poniert wurde. Er konnte jene seltsame Erklärung gegen den dogmatischen Idealismus erlassen, mit dem er doch, wie wir gesehen haben, gemeinsame Sache machte, wer er andererseits, im vollsten Widerspruch mit sich selbst, das Gegenteil vertreten hat - in demselben Abschnitt! Dadurch erklärt sich auch, daß selbst in jenen zwei oben mitgeteilten Stellen wieder Wendungen eingeschoben sind, durch welche der Inhalt des Satzes selbst geradezu negiert wird. Ich habe diese Wendungen oben weggelassen, um hier umso mehr die Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. In der ersten Stelle heißt es: "oder ist vielmehr das Wirkliche selbst"; in der zweiten Stelle: "die auch nichts Anderes, als bloße Vorstellungen sind". Man füge diese Worte in jene Sätze ein und die Sätze widersprechen sich, wie sich der ganze Abschnitt widerspricht. Dieser von SCHOPENHAUER als so klar ausgegebene Abschnitt enthält im Gegenteil diesen schreienden Widerspruch in sich. Dieser Widerspruch geht durch das ganze Werk. Es ist aber hier nicht der Ort, das weiter ins Einzelne zu verfolgen, wie ich auch darauf verzichte, auf weitere sehr interessante Details der uns beschäftigenden Abschnitte selbst einzugehen. Nur auf eine Stelle der ersten Auflage sei noch aufmerksam gemacht. Im Abschnitt der Antinomienlehre, in welchem der transzendentale Idealismus nochmals dargelegt wird (erste Auflage, Seite 490f; zweite Auflage, Seite 518f) wendet sich KANT wiederum gegen den
"Unser transzendentale Idealismus erlaubt es dagegen, daß die Gegenstände der äußeren Anschauung, ebenso wie sie im Raum angeschaut werden, auch wirklich sind." Selbstverständlich kann man Stellen genug beibringen, in welchen KANT eine solche räumliche Außenwelt, unabhängig von der Vorstellung, leugnet. Solche sind ja oben selbst mitgeteilt. Man kann damit der Sache KANTs nicht aufhelfen. Der unbefangene und nicht voreingenommene Leser sieht sich zu der, wenn auch noch so schmerzlichen Anerkennung gezwungen, daß dieser Widerspruch, wie so viele anderen Widersprüche, auf KANTs Rechnung zu setzen ist. ![]()
47) Sectio III, Propos. XII: Usus. 48) Zweiter Teil, zweites Hauptstück, in der Mitte. 49) vgl. Teil I, Hauptstück 1 über die "einfachen Substanzen". 50) *De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis*, § 11. 51) ebd. § 3 und 4. 52) Ulrich, Institutiones (1785) § 322 wundert sich vom Standpunkt des bis dahin üblichen Sprachgebrauchs über diese Namensgebung Kants mit Recht, da diese Benennung zu Mißverständnissen führen mußte. Kants Idealismus unterschied sich ja von traditionellen "Idealismus" wesentlich. 53) Diese richtige Bemerkung hat Erdmann gemacht in "Kants Prolegomena", Einleitung XLIV und in "Kants Kritizismus", Seite 66. 54) Dies geschieht übrigens auch schon in der "transzendentalen Ästhetik", erste Auflage, Seite 38, zweite Auflage, Seite 55. 55) Seite 100-102. Der betreffende Abschnitt stammt nach Pölitz' Aussage (Vorrede, Seite IV) aus einem älteren Heft. Es ist zu vermuten, daß dieses ältere Heft aus der Zeit vor 1781 stammte. Die Stelle ist wie das ganze Buch korrupt, doch kann man den eigentlichen Sinn Kants leidlich eruieren. 56) Der Hauptgrund, weshalb mir diese Stelle vor 1781 zu fallen scheint, liegt in dem Umstand, daß der Terminus "transzendentaler Idealismus" fehlt und daß Kant seine eigene Stellung "problematischen" Idealismus nennt. - Nachtrag. Erst während des Druckes ist mir die einschlägige Abhandlung von Benno Erdmann, Eine unbeachtet gebliebene Quelle zur Entwicklungsgeschichte Kants, in Bd. 19 der "Philosophischen Monatshefte", Seite 129-144 zugänglich geworden. Zu meiner Genugtuung finde ich, daß dieser beste Kenner der Entwicklungsgeschichte Kants aus ganz anderen Gründen dieselbe Zeitbestimmung für diesen Teil der "Vorlesungen" festgelegt hat. 57) So besonders in der "Anmerkung zur Amphibolie der Reflexionsbegriffe" (erste Auflage, Seite 270; zweite Auflage, Seite 320) und in der "Geschichte der reinen Vernunft" (erste Auflage, Seite 853; zweite Auflage, Seite 881) 58) Darauf hat Frederichs in seinem Programm "Der phänomenale Idealismus Berkeleys und Kants" aufmerksam gemacht (Seite 12-14). Das punctum saliens [springende Punkt - wp] aber hat derselbe nicht bemerkt, daß nämlich diese Stelle den oben mitgeteilten Stellen einfach widerspricht. Treffende Bemerkungen hierüber bei Erdmann, Kants Kritizismus, Seite 64. 59) Kant hat trotz mannigfacher Polemik gegen Leibniz doch auf seine nahe Verwandtschaft in der hier besprochenen Frage mit demselben mit Vorliebe mehrfach hingewiesen, so besonders in der gegen *Eberhard gerichteten "Entdeckung" usw. Auch in den "*Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaften", II. Hauptstück, Lehrsatz 3, Anmerkung 2, fin. Vgl. auch Nolen, La Critique de Kant et la Métaphysique de Leibniz, Paris 1875. Daß die Dinge ansich eine sehr nahe Beziehung zu Leibniz' Monaden haben, hat mit Recht Benno Erdmann mehrfach nachgewiesen, z. B. in der Einleitung zu Kants "Prolegomena", Seite LXV, und mit glücklich gewähltem Ausdruck spricht er trefend vom "monadologischen Hintergrund" des kantischen Kritizismus. 60) Die transzendentale Ästhetik ist nur in der Beweisart, nicht in der Thesis neu. Teils der durchdringende Scharfsinn Kants in jener neuen Beweisart, teils die Unbekanntschaft seiner Leser mit den früheren Systemen ließ (und läßt) die Lehre von der Phänomenalität der Welt als etwas Neues erscheinen. In der Aufklärungszeit war eben das Verständnis der streng metaphysischen Auffassung der Monadologie fast ganz verloren gegangen. 61) Darauf hat Zimmermann mit Recht und Glück energisch hingewiesen in der Schrift "Über Kants Widerlegung des Idealismus", Wien 1871, Seite 13, 14, 20f. Ähnlich Frederichs, a. a. O. und Janitsch, "Kants Urteile über Berkeley", Straßburg 1879, Seite 5f. 62) Frederichs, a. a. O., Seite 12, 15 hält das für zweifelhaft. An wen aber sollte dann Kant sonst gedacht haben? An Collier? Wenn er diesen kannte, mußte er auch Berkeley kennen und mit seinem Vorwurf treffen. Kant kannte beide wohl aus der bekannten Übersetzung Eschenbachs. Von Collier scheint Kant stark beeinflußt, besonders in der Antinomienlehre. 63) Die betreffende Stelle enthält jedoch auch die unten sub 8 aufgewiesenen Widersprüche des Textes der ersten Auflage, die sogar in der gedrängten Darstellung noch stärker hervortreten. 64) Auf diese hat auch Zimmermann aufmerksam gemacht in der vorzüglichen Abhandlung "Über Kants Widerlegung etc." Wien 1871, Seite 16f. 65) Kant stellt außerdem Berkeley mit Platon zusammen als schwärmerischin Idealisten hin. Über diese Bezeichnung und die Zusammenstellung vgl. oben. Berkeleys Lehre ist für Kant insofern Intellektualismus und Schwärmerei, als er (nach Kant "durch reine Vernunft") zu wissen vorgibt, daß Gott die Ursache unserer Vorstellungen der Welt im Raum ist. 66) Ich stimme hierin dem überzeugenden Beweis Erdmanns vollständig zu. Diese Auffassung " ein groteskes Mißverständnis Kants" zu nennen, (Staudinger, *Noumena, Seite 50) ist eine mehr als kühne Behauptung. Daß der Ausdruck Kants "Dinge-ansich" "keine numerische Vielheit bedeutet", (Fischer, a. a. O., Seite 569) ist eine Auslegung, die mein Fassungsvermögen gänzlich übersteigt. 67) Ebenso war in den "Vorlesungen zur Metaphysik" der Idealismus auf die Dinge-ansich bezogen. Demnach griff Kant mit dieser Beziehung im Jahre 1783 auf seine frühere Auffassung zurück. Dies tat er auch, indem er nunmehr wieder den schwärmerischen Idealismus Platons einführte, den er in der Kritik des Intellektualismus genannt hatte, und mit dem er ganz unhistorisch den Idealismus Berkeleys vermischt hat. Vgl. Erdmann, Kants Prolegomena, Vorrede, Seite LXXII usw. 68) Es handelt sich in dieser Widerlegung um "das Dasein der Gegenstände im Raum außerhalb von mir", genau so wie in der Widerlegung in der ersten Auflage, nicht um die Dinge ansich. Das geht aus dem Zusammenhang wie aus dem Wortlaut mit Sicherheit hervor. Die Beziehung des Idealismus auf die Dinge ansich in den Prolegomena hat auf diesen Abschnitt keinen Einfluß ausgeübt, sondern findet sich erst wieder in der Anmerkung zur *Vorrede der zweiten Auflage*. Die Stelle darf weder nach den früheren Abschnitten der Prolegomena, noch nach der später geschriebenen Anmerkung in der Vorrede der zweiten Auflage, sondern muß aus sich selbst heraus erklärt werden. - Ob die "Widerlegung" sich auf Dinge-ansich oder Dinge im Raum bezieht, war schon früher mehrfach Gegenstand der Kontroverse, so zwischen Neeb (Niethammers Philosophisches Journal, Nr. 6, 1795) und Jakob (Philosophische Annalen, 1796, Seite 174). 69) Kuno Fischer hatte in der zweiten Auflage seines Werkes über Kant die "Widerlegung des Idealismus" auf Berkeley bezogen. In der scharfsinnigen Abhandlung über diesen Gegenstand hat Zimmermann dies als einen Irrtum nachgewiesen. Danach hat Fischer in der 3. Auflage seine Darstellung korrigiert. 70) Es sei hier bemerkt, daß der hergebrachte Text einen scheinbaren argen Druckfehler enthält; Kant leitet die neue "Widerlegung des Idealismus" mit den Worten ein: "Einen mächtigen Einwurf aber wider diese Regeln, "das Dasein mittelbar zu beweisen, macht der Idealismus". Ich stimme Frederichs nicht bei, der in seinem schon erwähnten Programm Seite 19 statt mittelbar "unmittelbar" verlangt. Denn es ist im vorhergehenden Passus von einem mittelbaren Beweis empirischer Gegenstände die Rede, der so zu führen ist, daß wir die nicht unmittelbar wahrnehmbaren Gegenstände durch ihren notwendigen Zusammenhang, mit unmittelbar wahrnehmbaren beweisen; und es werden die "Regeln" für diesen mittelbaren Beweis angegeben. Diese Regeln aber bestehen eben in der angegebenen Reduktion der zweifelhaften Gegenstände auf die der wirklichen Wahrnehmung. Die Letzteren aber sind unmittelbar gewiß. Daß durch diese Wendung der Text nicht gerade an Klarheit gewinnt, ist unleugbar. 71) Auf die bekannte nachträgliche Anmerkung in der Vorrede zur zweiten Auflage gehe ich nicht näher ein, aus dem einfachen Grund, weil in ihr eine große Konfusion herrscht. In dieser Anmerkung nämlich erreich die eigene Verwirrung Kants ihren Gipfel; er selbst vermischt nämlich mit seiner "Widerlegung des Idealismus", der sich auf die "Gegenstände im Raum außerhalb von uns" bezieht, die Frage nach der Existenz der Dinge ansich! (Daher kommt es, daß man auch die ganze "Widerlegung des Idealismus" im Text der zweiten Auflage auf die Dinge-ansich bezogen hat.) Wenigstens spricht Kant "vom Dasein der Dinge außerhalb von uns, von denen wir doch den ganzen Stoff zu Erkenntnissen selbst für unseren inneren Sinn her haben". So werden aber immer die Dinge-ansich definiert. Von den Dingen-ansich ist aber im Text der zweiten Auflage gar nicht die Rede, sondern von den "Gegenständen im Raum außerhalb von uns". |