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War Nietzsche Pragmatist?
Vorwort Ein verwegener Versuch der Klassifikation um jeden Preis, der "Ableitung" eines Genies aus seinen Vorgängern und Lehrern dürfte gewiß schwer zu finden sein. Mit Recht wendet in der "Revue" (vorm. "Revue des Revues") der bekannte Journalist EMILE FAGUET dem Verfasser ein, auf NIETZSCHE sei diese bequeme Schulmethode nicht anwendbar, weil er "mehr als Quelle als als Derivat" zu nehmen sei; - was bei ihm etwa an die deutsche Romantik oder an die englischen Utilitaristen á la SPENCER und MILL anklingt, hat in NIETZSCHEs als einen Ausfluß seiner Lektüre auffassen dürfe; insbesondere sei sein "Romantismus" wohl weit mehr seinem dichterischen Temperament zu verdanken, als - wie BERTHELOT will - seiner romantischen Lektüre! [...] Das Unzulängliche einer solchen Ableitungsmethode springt in die Augen. Dieselbe mag als literarhistorische Schulmethode viel Gutes haben, besonders gegenüber solchen Schriftstellern, deren Originalität das mittlere Maß nicht übersteigt, und deren Lebenswerk von Anfang bis Ende eine Grundidee als "Leitmotiv" durchzieht. Wie wenig das für NIETZSCHE zutrifft, dürfte ohne weiteres einleuchten. Aus demselben Grund führt die von BERTHELOT zur Klassifikation NIETZSCHEs aus seinem Ideenschatz herausgegriffene Grundidee, daß das Leben wichtiger ist, als das Philosophieren, notwendig zu einer argen Einseitigkeit. Dieselbe nimmt in NIETZSCHEs Welt- und Lebensanschauung durchaus keine wichtigere Stelle ein als hundert andere sogenannte "Leitmotive", die dem so herauskonstruierten Pragmatismus aufs entschiedenste widersprechen. BERTHELOTs Behauptungen, NIETZSCHE sei der "Champion le plus intransigeant peut-être du paradoxe pragmatiste" [der kompromißloseste Meister des pragmatischen Paradox - wp], man atme bei ihm von Anbeginn "die Atmosphäre, aus der später durch Kondensation der Pragmatismus entstanden ist", der "Wille zur Macht" sei eine systematische Darlegung desselben usw., werden daher noch manches Kopfschütteln veranlassen. BERTHELOT stützt seine Theorie auf die weitgehende Analogie zwischen der Erkenntnistheorie NIETZSCHEs und der Vernunftkritik, die WILLIAM JAMES seinem "Pragmatismus" voranschickt. Bei JAMES heißt es dem Sinn nach etwa folgendermaßen: Die "Wahrheit" existiert nicht außerhalb unseres Denkens (die Zweideutigkeit des Satzes wird niemand entgehen!); wir nennen Wahrheit gewisse unserer Überzeugungen; dieselben sind aber nicht Überzeugungen reiner Vernunftwesen, sondern von fühlenden, wünschenden und wollenden Personen. Somit tragen auch diese Glaubenssätze den Stempel unserer Gefühle, Wünsche und Wollungen. - Die "Wahrheit" existiert nirgends; es existieren nur Wahrheiten, in deren Bejahung immer unbewiesene Postulate mit hineinspielen. So sehr auch diese Beobachtungen mit den Betrachtungen NIETZSCHEs über die "Herkunft der Logik", über den "Ursprung der Erkenntnis" usw. übereinstimmen, so steht doch JAMES im ganzen positiven Teil seiner Lhre zu dem an Nichts glaubenden NIETZSCHE im schroffsten Gegensatz. Gemeinsam ist beiden der Ausgangspunkt: Eine entschiedene Ablehnung des alten Rationalismus, der im Menschen ein rein logisches Geschöpf sah und das ganze Triebleben ins Bewußte übersetzen und gewissermaßen "wissenschaftlich organisieren" und nachkonstruieren wollte. Beide, NIETZSCHE und JAMES, beginnen ihre Lehre mit der Feststellung der unentrinnbaren Gewalt der Gefühle, Wünsche, Vorurteile, Gewohnheiten, kurz der unbewußten Sphäre unserer Psyche über unser gesamtes Denken und Wollen; beiden halten die menschliche Vernunft noch für zu jung und zu unerfahren, als daß sie uns in den meisten Lebenslagen ein sicherer Führer sein könnte, als der seit Jahrtausenden eingeübte Instinkt es ist. Im Gegensatz zu dem weit verbreiteten rationalistischen Vorurteil, daß die Kenntnis der objektiven Wahrheit dem Menschen in allen Fällen nützlicher sein muß, als der Irrtum, bestehen sie beide auf der Notwendigkeit vieler Jllusionen und scheuen sich nicht, den Nützlichkeitswert der Wahrheit selbst in Frage zu stellen, - wenn auch von zwei grundverschiedenen Gesichtspunkten aus. - "Wemm die Jllusion dem Leben unter Umständen nützlicher ist, als die Wahrheit, weshalb halten wir dann unbedingt an der Wahrheit fest? Weshalb nicht lieber am Irrtum?" - Das Weitere wird uns zeigen, wie sehr NIETZSCHE und JAMES in der Antwort voneinander abweichen. Die Übereinstimmung hört jedoch vollständig auf, sobald die beiden Denker von der bloßen Kritik der landläufigen Erkenntnislehre zum aufbauenden, positiven Teil ihrer Lehre übergehen, und zur so getadelten Irrationalität des Menschen Stellung nehmen. Gemeinsam ist ihnen lediglich der kritische, negative Teil ihrer Philosophie; denn während sich bei JAMES die gerügte Irrationalität des Menschen alsbald in ein "Du sollst", in eine moralische Vorschrift verwandelt, - nach dem Satz: Niemand ist rein objektiv, seien wir also bewußt subjektiv! - hält NIETZSCHE der "intellektuellen Reinlichkeit" zuliebe durchaus am Ideal einer möglichst objektiven und unparteiischen Erkenntnis fest. - Als guter Theologe schließt JAMES aus der Unvollkommenheit der reinen Vernunft sofort auf die - Vollkommenheit der Unreinen, das heißt der traditionellen Dogmen und Vorurteile. Anstelle der Feststellung, der Mensch sei (leider) nie ganz objektiv, läßt er durch ein gewandtes Taschenspielerstück unversehens das moralische Postulat treten: der Mensch soll subjektiv urteilen, soll schöne Gefühle für Argumente und starke Überzeugungen für Wahrheiten halten! Scheinbar finden wir zwar auch bei NIETZSCHE da und dort einen Anklang an diese Lehre (besonders da, wo er sich über die Objektivität der "wissenschaftlichen Asketen" lustig macht!), doch ist zu bemerken, daß es sich dabei niemals um eine Erkenntnistheorie, sondern stets nur um Ratschläge für das praktische Leben handelt. Das Eigentümmliche an NIETZSCHE ist eben gerade, daß er Lebensweisheit und Erkenntnislehre streng auseinanderhält, und uns für beide ganz getrennte und zum Teil widersprechende Rezepte gibt. Die Dichtung vom "Übermenschen", der im Unterschied zum modernen Gelehrten all seine Triebe gleichmäßig wachsen läßt, enthält durchaus kein Rezept zur Erkenntnis der Wahrheit. Obwohl NIETZSCHE selbst der "Wille zur Macht" und der Erkenntnistrieb beinahe zusammenfielen, hat er mit keinem Wort angedeutet, daß sein "Übermensch" ein Philosoph, oder gar der vollkommenste Erkenntnistheoretiker sein müsse. Er wird im Gegenteil nie müde, uns den Abgrund, der die beiden Ideale trennt, vor Augen zu führen. Die Tendenz JAMES' aber, den im Menschen festgestellten Hang zur Unvernunft zu einer ethischen Vorschrift oder gar zu einem Wahrheitskriterium zu erheben, liegt ihm ebenso fern, wie die Vermengung von Wahrheit und Opportunität. Während NIETZSCHE der Menschheit gerade ihrer geringen "intellektuellen Reinlichkeit" wegen ins Gewissen redet und unverrückt am Ideal einer objektiven, von unserer Auslegung und "Anmenschlichung" unabhängigen Wirklichkeit festhält, schließt der Pragmatismus: Können wir nicht rein vernünftig sein, so seien wir eben - rein unvernünftig. Wen errinnert das nicht an die Lebensweisheit gewisser Südländer, die da meinen. Wozu uns waschen? Morgen sind wir ja wieder schmutzig! BERTHELOT stützt seine Lehre, NIETZSCHE sei der erste und entschiedenste Pragmatiker gewesen, auf eine große Zahl von Zitaten aus "Jenseits von Gut und Böse", aus der "Fröhlichen Wissenschaft", aus "Zarathustra" usw., aus denen allerdings mit voller Klarheit hervorgeht, daß NIETZSCHE so gut wie JAMES an keine notwendigen und schlechthin allgemeingültigen Denkgesetze glaubte, sondern auch die Sätze der Logik als geworden, als Ergebnisse der menschlichen Zuchtwahl auffaßt. Richtig ist, daß er damit die philosophische Grundlage des Pragmatismus, nämlich die Kritik eines einseitigen Rationalismus (oder "Intellektualismus") schärfer und gründlicher formuliert hat, als irgendein anderer Denker. Erwähnt seien vor allem die berühmten Aphorismen 110, 111 und 112 der "Fröhlichen Wissenschaft":
"Endlich aber wurde nicht nur der Glaube und die Überzeugung, sondern auch die Prüfung, die Leugnung, das Mißtrauen, der Widerspruch eine Macht . . . Die Erkenntnis wurde also zu einem Stück Leben selber, und als Leben zu einer immerfort wachsenden Macht, bis endlich die Erkenntnisse und jene alten Grundirrtümer aufeinanderstießen, beide als Leben, beide als Macht, beide in denselben Menschen. Der Denker, das ist jetzt das Wesen, in dem der Trieb zur Wahrheit und jene lebenerhaltenden Grundirrtümer ihren ersten Kampf kämpfen, nachdem auch der Trieb zur Wahrheit sich als eine lebenerhaltende Macht erwiesen hat." "Herkunft des Logischen. - Woher ist die Logik im menschlichen Kopf enstanden? Gewiß aus der Unlogik, deren Reich ursprünglich ungeheuer gewesen sein muß. Aber unzählig viele Wesen, welche anders schlossen, als wir jetzt schließen, gingen zugrunde: Es könnte immer noch wahrer gewesen sein! - Wer z. B. das Gleiche nicht oft genug aufzufinden wußte, in betreff der Nahrung oder in betreff der ihm feindlichen Tiere, wer also zu langsam subsumierte, zu vorsichtig in der Subsumtion war, hatte geringere Wahrscheinlichkeit des Fortlebens als der, welcher bei allem Ähnlichen sofort auf Gleichheit riet. Der überwiegende Hang aber, das Ähnliche als gleich zu behandeln, ein unlogischer Hang - denn es gibt ansich nichts Gleiches -, hat erst alle Grundlage der Logik geschaffen. Ebenso mußte, damit der Begriff der Substanz entstehe, der unentbehrlich für die Logik ist, ob ihm gleich im strengsten Sinne nichts Wirkliches entspricht, lange Zeit das Wechselnde an den Dingen nicht gesehen, nicht empfunden worden sein. Die nicht genau sehenden Wesen hatten ein Vorsprung vor denen, welche alles im Flusse sahen. An und für sich ist schon jeder hohe Grad von Vorsicht im Schließen, jeder skeptische Hang eine große Gefahr fürs Leben. Es würden keine lebenden Wesen erhalten sein (?), wenn nicht der entgegengesetzte Hang, lieber zu bejahen, als das Urteil auszusetzen, lieber zu irren und zu dichten, als abzuwarten, lieber zuzustimmen, als zu verneinen, lieber zu urteilen als gerecht zu sein, - außerordentlich stark angezüchtet worden wäre. - Der Verlauf logischer Gedanken und Schlüsse in unserem jetzigen Gehirn entspricht einem Prozeß und Kampf von Trieben, die ansich einzelne alle sehr unlogisch und ungerecht sind. Wir erfahren gewöhnlich nur das Resultat des Kampfes: so schnell und so versteckt spielt sich jetzt dieser uralte Mechanismus in uns ab."
Der Vollständigkeit halber hätte BERTHELOT seine Zitate unbedingt durch den kurz darauf folgenden Aphorismus 122 ergänzen sollen, wo es heißt:
Natürlich mußte eine so grundverschiedene Lebensauffassung auch zu zwei ganz verschiedenen Glücksrezepten führen. Wer von der Erkenntnislehre nur verlangt, daß sie ihn ruhig schlafen lasse, ihm seinen Glauben lasse und ihn nicht mit Zweifeln störe, der wird sich am besten mit der - "unbewußten Philosophie der Sprache" begnügen und in jede Lücke einer Weltanschauung ein möglichst wohltönendes Wort ("life", "action", "use", "humanism") treten lassen, während derjenige, dem Philosophie vor allem Zweifel und Kritik bedeutet, auch auf sprachlichem Gebiet ein großer Zweifler und Revolutionär sein wird. Und in der Tat ist den in unserer Sprache und Grammatik verewigten Vorurteilen ("Substanz", "Kausalität", "Identität" und "Widerspruch" usw.) bisher niemand so unerbittliche zu Leibe gegangen, wie gerade NIETZSCHE, wie die von BERTHELOT zitierten Stellen zur Genüge dartun. Im Gegensatz dazu können wir die Lehre JAMES' geradezu eine - philosophische Umschreibung der englischen Sprache nennen, dieser erzutilitaristischen, für Priester und Geschäftsmänner gleich praktischen Sprache, die dann auch die berühmtesten Stellen aus JAMES' und SCHILLERs Werken so gut wie unübersetzbar macht. Die Oberflächlichkeit dieser Philosophie tritt am deutlichsten zutage, wenn wir beachten, welche Vorliebe ihre Vertreter für möglichst vage und volltönende Abstraktionen und übereilte Verallgemeinerung an den Tag legen. Die soziale oder moralische Nützlichkeit zum Kriterium der Wahrheit zu machen, ist ja auf jeden Fall nur ausnahmsweise, nur in einzelnen Fällen, und auch da nur teilweise möglich. Jedes Räsonnement, das theoretische wie das praktische, bleibt notgedrungen immer noch zum größten Teil den Gesetzen der Logik und der Erfahrung unterworfen. Denn selbst um festzustellen, welche von zwei Theorien uns die nützlichere ist und sich mit unserem Handeln oder unseren ererbten Anschauungen am besten verträgt, bedarf es logischer Schlüsse und empirischer Daten, die ihrerseits nicht wieder pragmatischer Herkunft sein können. Das pragmatische Wahrheitskriterium kann also nur ausnahmsweise, nur beiläufig auf unser Denken einwirken, und bleibt völlig unbrauchbar, solange sich die Pragmatisten nicht die Mühe machen, uns zu sagen, wo und wieweit wir uns seiner zu bedienen haben. Dazu wäre aber voraussichtlich eine lange und überaus komplizierte Kasuistik erforderlich, von der uns die Pragmatisten auch nicht das erste Wort liefern. Sie finden es bequemer, dieses auch vor ihnen in engen Grenzen zugelassene sogenannte Wahrheitskriterium (man denke an KANT!) in ganz unsinniger Weise zu verallgemeinern. Daraus, daß in einzelnen Fällen zu allen Zeiten unsere Gefühle, Wünsche und Vorurteile in unsere philosophischen Betrachtungen hineingespielt haben, schließen sie nicht nur, daß es nun ein für alle mal so sein müsse, sondern erheben diesen Schnitzer zur Regel, die nun überall unser Denken leiten soll! Wie würde NIETZSCHE selbst den Pragmatismus beurteilen, wenn er ihm heute vor Augen käme? - Die Antwort scheint uns leicht auszurechnen: Alles was NIETZSCHE über und wider den "Theologen-Instinki", die mangelnde "intellektuelle Rechtschaffenheit der Deutschen" - oder gar der Engländer geschrieben hat, ist, so übertrieben es manchem erscheinen mag, buchstäblich auf den Pragmatismus anwendbar und deckt sich zum Teil wörtlich mit den Anklagen, die SCHINZ seinem "Anti-Pragmatismus" voranschickt.
"Woher das Frohlocken, das beim Auftreten KANTs durch die deutsche Gelehrtenwelt ging, die zu drei Vierteln aus Pfarrers- und Lehrerssöhnen besteht? Woher die deutsche Überzeugung, daß mit KANT eine Wendung zum Besseren beginne? Der Theologen-Instink im deutschen Gelehrten erriet, was nun wieder möglich war. . . . Ein Schleichweg zum alten Ideal stand offen, der Begriff wahre Welt, der Begriff der Moral als Essenz der Welt war jetzt wieder dank einer verschmitzt-klugen Skepsis, wenn nicht beweisbar, so doch nicht mehr widerlegbar. Die Vernunft, das Recht der Vernunft reicht nicht so weit . . . Man hatte aus der Realität eine scheinbare Welt gemacht, man hatte eine vollständig erlogene Welt, die des Seienden, zur Realität gemacht. Der Erfolg KANTs ist bloß ein Theologenerfolg: KANT war, gleich LUTHER, gleich LEIBNIZ, ein Hemmschuh mehr in der ansich nicht taktfesten deutschen Rechtschaffenheit." "Ich nehme ein paar Skeptiker beiseite, den anständigen Typus in der Geschichte der Philosophie: Aber der Rest kennt die ersten Forderungen der intellektuellen Rechtschaffenheit nicht. Sie machen es allesamt wie die Weiblein, alle diese großen Schwärmer und Wundertiere, - sie halten die schönen Gefühle bereits für Argumente, den gehobenen Busen für einen Blasebalg der Gottheit, die Überzeugung für ein Kriterium der Wahrheit. Zuletzt hat noch KANT (und JAMES?) in deutscher Unschuld diese Form der Korruption, diesen Mangel an intellektuellem Gewissen unter dem Begriff Praktische Vernunft zu verwissenschaftlichen gesucht; er erfand eigens eine Vernunft dafür, in welchen Fällen man sich nicht um die Vernunft zu bekümmern habe, nämlich wenn die Moral, wenn die erhabene Forderung Du sollst laut wird!" Das Charakteristische an NIETZSCHEs Philosophie liegt eben darin, daß für ihn Lebensweisheit und Erkenntnistheorie nicht zusammenfallen. Und daß er dem ein möglichst vollständiges Leben auslebenden Idealmenschen wesentlich andere Ratschläge erteilt, als die, die nach ihm zur objektiv richtigsten Erkenntnis führen. Selbst wenn er sich darin da und dort eines kleinen Widerspruchs oder einer Zweideutigkeit schuldig macht, so berechtigt uns das durchaus nicht dazu, seine sehr kategorischen Erklärungen, daß das Leben kein Argument für die Wahrheit ist, und daß sie der Philosoph nie fragen darf, ob die Wahrheit nützt, einfach zu ignorieren. Seine vermeintlichen Widersprüche werden indessen niemals an die Bedeutung der großen Inkonsequenz heranreichen, die das Wesen des Pragmatismus ausmacht, und der bewirkt, daß sich der Pragmatismus praktisch selbst aufhebt. Denn da dem von ihm verfochtenen subjektiven Wahrheitskriterium in allen Fällen nur eine beiläufige, dreinpfuschende Rolle zukommen kann, so wird das pragmatistische Wahrheitsrezept in seiner allgemeinen Form praktisch zu einer bloßen Phrase, der wir mit dem besten Willen keinen deutlichen Sinn entnehmen können. Die Regel bleibt in Wirklichkeit auch für den pragmatischen Denker immer noch das objektive Wahrheitskriterium, ob er es sich nun eingestehe oder nicht. Das subjektive kommt immer erst an zweiter Stelle, nämlich, wenn der Pragmatist zum folgerichtigen Denken aus irgendeinem Grund zu träge oder zu furchtsam ist. ![]() |