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Über die Bedeutung der psychologischen Begriffsanalyse [2/2]
Zweiter Abschnitt WIRKUNG DER ANALYSE Nach meiner zweiten These ist die Regeneration der Philosophie bedingt durch die Enthüllung gewisser Fehler, über welche bisher alle Kritik hinweg gegangen ist. Ich schließe mich zunächst an die Reihenfolge der analysierten Begriffe an, und werde nachher noch zwei Fragen besonders behandeln. Die Substanz führte auf den Begriff der Identität. Angebliche Widersprüche, zu welchen eigentümliche Wege geführt haben, werden keiner besonderen Rektifizierung [Korrektur - wp] bedürfen, wenn wir nur den folgenden gewöhnlichen Fehler in Betracht ziehen. Die Übereinstimmung steht zur Identität von zwei Seiten in Beziehung: erstens ist sie der häufigst gebrauchte Anhaltspunkt zu deren Auffindung; zweitens wird durch Begriffserweiterung jene unter diese subsumiert. Infolge beider Umstände hat sich die unbegründete, nie in Frage gestellte Voraussetzung gebildet, daß Identität auf Übereinstimmung beruth. Nimmt man in letzterer den Ausgangspunkt, so sind gar manche Irrwege möglich, auf die wir nicht einzugehen brauchen: unter anderen gelangt man leicht zu der falschen Folgerung, daß, wo die Übereinstimmung des Identischen nicht einleuchtet, das wahre Wesen der Sache nicht erkannt wird. Wir können uns jedoch auf die eine Folge beschränken, daß es unmöglich ist, aus irgendeiner Übereinstimmung den Begriff der substantiellen, namentlich der materiellen Identität abzuleiten. Ein zirkulierender Strom homogener Flüssigkeit, als Kontinuum gedacht, würde nicht existieren, d. h. der ruhenden Masse gleichbedeutend sein, wenn die vollständige Übereinstimmung der räumlich sukzedierenden Teile deren Identität begründen würde. Andererseits hört in der Verwandlung innerhalb materieller Identität oft alle Übereinstimmung auf, z. B. beim Wechsel der Aggregatzustände und der chemischen Verbindung. Wenn es den Anschein hat, als ließe sich überhaupt kein anderer Grund der Identität finden, so liegt die Schuld daran, daß man sich mit dem Resultat der Begriffsbildung begnügt und die Genesis beiseite läßt. Identisch ist eine tatsächlich gegebene Mehrheit, die durch Erkenntnis in eine Einheit verwandelt wird. Bleibt man bei der Einheit stehen und negiert die Mehrheit, so überspringt man die empirischen Bedingungen, welche die Einheit möglich machen. In diesen Bedingungen, deren Herstellung sehr mannigfaltig aus Beobachtung und Schlüssen zusammengesetzt ist, liegt aber der Kern des Begriffs, und mit ihrer Antiquierung geht der wesentliche Inhalt verloren. Für die substantielle Identität ist die Kontinuität die Bedingung des Wissens. Die Identität einer Substanz in zwei getrennte Zeiten kann immer nur vermutet, nie festgestellt werden, wenn über die Zwischenzeit die Kunde fehlt. Hiernach ist die Bedingung, welche das Wissen der Identität herstellt, der Substanz eigentümlich, und jede weitere Bedeutung kann nur durch Ableitung aus der substantiellen Identität ihre volle Bestimmung erhalten. Der wichtigste Punkt zur Erledigung betrifft die Täuschungen, welche aus der Vorstellung der objektiven Wirklichkeit hervorgehen. Sie fangen vornehmlich durch KANT an, in der Philosophie Bedeutung zu gewinnen. Sein Fehler war es, ohne alle Begründung einen Gegensatz zwischen "objektiv" und "subjektiv" anzunehmen und trotz der eben gewonnenen Einsicht, mit welcher er in Widerspruch getreten ist, festzuhalten. Ist es einmal deutlich geworden, daß alle Erkenntnis nur Gegenstände umfassen kann, welche dem erkennenden Subjekt eigen sind, so kann man nicht einen Begriff zu haben behaupten, der allem subjektivem Eigentum gegenübersteht. In einer solchen Behauptung wird vergessen, daß sie direkt aus einem Subjekt hervorgeht und daher ihrem ganzen Inhalt nach nur gelten kann von der eigenen Idee des Subjekts. Daß der Fehler KANTs, an dem sich Tausende beteiligt haben, kein formeller Fehler war, der dialektisch beseitigt werden könnte, sondern ein sachlicher Irrtum im vollen Sinn, dafür ist entscheidend seine Lehre, daß mit aller Erkenntnis die Dinge nicht erkannt werden, wie sie wirklich sind, weil die Erkenntnis subjektiv ist. Das Resultat dieses falschen Schlusses, die behauptete Zweiheit des Objekts, wehrt jeder Berichtigung durch Interpretation. Die Zweiheit bleibt bestehen, man mag die Abweichung kategorisch behaupten oder als möglich zulassen. Daß die Strenge Durchführung des Satzes: "Alle Erkenntnis ist subjektiv" - keiner Zweiheit begegnet, ist ansich leicht zu begreifen, doch um der starken Vorurteile willen nicht als selbstverständlich außer Acht zu lassen. Zunächst darf man den Satz nicht auf Erkenntnis beschränken, muß vielmehr sagen: Alles Denken und Reden kann nur Gegenstände betreffen, die dem Subjekt eigen sind. Dann ist auch alle Objektivität entweder subjektiv oder nichts, d. h. entweder subjektiv zu begründen oder subjektive Fiktion; denn nur als von Subjekten gedacht kann sie in Frage kommen. Leugnet man ihre Subjektivität, so hebt man allen Inhalt des Begriffs auf. Dieses Verschwinden der Objektivität wird in der Tat gewöhnlich - nämlich von denen, welche den Gedankengang beginnen ohne ihn zu vollenden - als Ergebnis vorempfunden, jedoch irrigerweise der idealistischen Betrachtung als solcher zur Last gelegt, während es nur Folge einer Inkonsequenz derselben ist. Aus Furcht die Objektivität zu verlieren wehrt man sich gegen die Anerkennung des obigen Satzes und wagt seinen Konsequenzen nicht ins Gesicht zu sehen, bleibt jedoch eben darum blind gegen das, was uns allein den positiven Begriff der Objektivität in seiner vollen Bedeutung zum vollen Bewußtsein geben kann. Die subjektive Idee der Objektivität hat einen positiven Inhalt, wie oben dargelegt ist. Hat die Bearbeitung einer Idee den Erfolg, daß diese unberührt von den wechselnden Lagen des Subjekts fortbesteht und mit gleich gebildeten Ideen anderer Subjekte übereinstimmt, so daß sie zum gemeinsamen dauernden Gebrauch tauglich ist, so ist sie objektiv. Liegt hierin die ganze Bedeutung der Objektivität, so ist ersichtlich, daß die idealistische Betrachtung nicht zu ihrer Vernichtung führt, daß aber auch andererseits keine Zweiheit der objektiven Welt daraus hervorgeht, wie bei KANT, indem die Dinge, welche wir erkennen, und nur sofern wir sie erkennen, objektiv sind. Das kantische Resultat idealistischer Betrachtung wird dadurch beseitigt und bildet eine nicht wegzudisputierende Scheidung zwischen dem konsequenten Idealismus und dem KANTs, welche letztere sich demgemäß als ein halber Idealismus darstellt. Alles kommt daher darauf an, ob im aufgestellten Begriff der Objektivität ein nicht ergänzbares Desideratum [etwas, das fehlt - wp] bleibt. Im Grunde ist diese Frage schon entschieden. Fehlt in der Bestimmung etwas von Bedeutung, so muß die Bedeutung für ein Subjekt gelten; ein Subjekt muß daran etwas vermissen, ein Bedürfnis haben, welches durch jene unbefriedigt bleibt. Die gesuchte Befriedigung ist selbst ein subjektiver Vorgang. Niemand kann durch ferne Vorgänge beruhigt und zufrieden gestellt werden; erst die Neukunde davon wirkt so. Wenn also eine subjektive Objektivität jemandem nicht genügt, so würde eine hinzukommende dem Subjekt fremde Objektivität den Mangel auch nicht ausfüllen. Liegt ein solcher Mangel vor, so gibt es nur ein korrektes Verfahren: man ziehe alles, was in diesem Desideratum dunkel ist, ins Bewußtsein, ergänze, sobald man klar unterscheidet, wieviel vom Bedürfnis auf Erkenntnis gerichtet ist, aus letztem den Begriff, und behandle das Übrige als psychisches Phänomen. Dem gegenüber sind zwei entgegengesetzte Fehler zu nennen. Der eine ist die Abweisung wegen vermißter Klarheit. Das Bedürfnis als subjektive Tatsache verlangt Berücksichtigung, mag das Desideratum deutlich sein oder nicht. Die Folgen der Vernachlässigung sind Konflikte. Der zweite, weit schlimmere Fehler besteht in der Verwechslung dieser Tatsache mit dem Urteil, welches sie konstatieren will, indem man sie trotz mangelnder Klarheit als ein intellektuelles Element zur Rechtfertigung von Schlüssen anwendet. Der folgende falsche Schluß ist bisher stets ohne Argwohn angenommen worden:
Es ist nicht meine Absicht, über einen Punkt, der Vielen Schwierigkeit zu machen scheint, leicht hinweg zu gehen, und ebensowenig, unhaltbare Schlüsse zu rügen, um schließlich alles unentschieden zu lassen. Der vorliegende Punkt aber ist derart, daß nichts weiter als unbefangene Betrachtung dazu gehört, um ihn zum völlig klaren Abschluß zu bringen. Ich rüge daher den Trugschluß, um zur Entscheidung zu drängen; doch kommt diese noch früh genug, wenn alle erdenklichen Einwände Berücksichtigung gefunden haben. Was zunächst jenen Schluß betrifft, so ist die Prämisse in dem Sinne richtig, daß zwar das Denken des einzelnen Objekts frei ist, und die Fähigkeit, dasselbe anders zu denken, nicht überhaupt dem Geist abgesprochen werden kann, daß aber namhafte intellektuelle Momente, auf denen alle Begriffsbildung beruth, die Auscheidung der Objektsidee aus dem Zubehör des Ich fordern. Die Notwendigkeit dieser ansich freien Tat wird durch den Gang der ersten sinnlichen Erkenntnis vollständig erklärt; es bedarf dazu keines außerdem existierenden Objekts, ein solches ist zur Erklärung durchaus unfähig und steht damit in keiner logischen Verbindung. Hiernach stellt sich folgender einfache Zusammenhang der Sache und der darüber entstandenen Meinungen heraus. Wenn das Subjekt das Bedürfnis hat, das Objekt so oder so zu denken, so wird es die Idee dem Bedürfnis gemäß gestalten und mit Bildern ausstatten; ein ihm fremdes Objekt kann dazu nichts beitragen und fühlt das Bedürfnis nicht mit. Fragt man aber weiter nach der Motivierung des Bedürfnisses im Einzelnen, so findet man in Bezug auf alle Punkte leicht Antwort, nur nicht auf die Frage, warum die Subjektivität negiert werden müßte. Das gemeine Denken negiert sie nicht, sondern läßt sie außer Acht und entwöhnt sich der Erinnerung daran. Die gelegentlichen Versuche des Philosophierens fassen nun den Umstand, daß das Objektive vom Subjektiven abgeschieden vorgefunden wird, auf und machen irrtümlich das unterscheidende Merkmal daraus, weil es ihnen in Ermangelung eines tieferen Einblicks notwendig ist. Die ernste Philosophie nimmt wieder diese vorgefundene Notwendigkeit, deren Bedingendes ihr unbekannt ist, irrtümlich für absolut, und macht die Negation des Subjektiven zur ursprünglichen Forderung, weil sie die Begriffe nicht auflösend prüft, sondern bloß schematisiert. Wird sie nun die Subjektivität im Objektiven doch einmal gewahr, so entsteht, wenn die Orientierung fehlt, nur ein neuer Irrtum: sie zieht den Spezialinhalt des Objektiven, in der Meinung, zu berichtigen, wieder auf die subjektive Seite, läßt aber die leere Hülle mit dem Namen des Objektiven stehen. Während sie nur entdeckt hat, daß die Erkenntnis subjektiv ist, meint sie irrigerweise gezeigt zu haben, daß sie nicht objektiv ist und schafft sich durch diesen Trugschluß eine eingebildete Diskrepanz zwischen der Erkenntnis und dem Wesen der Dinge, die allein auf der Inkonsequenz beruth, daß die Entdeckung der Subjektivität nicht auch auf die Idee dieses Wesens der Dinge angewandt worden ist. Zwei Schritte sind nun nötig, um aus der Verwicklung heraus zur Klarheit zu gelangen: zuerst die Korrektur des kantischen Fehlers, der Vollzug der Konsequenz, wodurch wir auf den Standpunkt BERKELEYs gelangen; dann die Hervorziehung des spezifischen Inhalts der Objektivitätsidee, enthalten in deren Genesis, wodurch eine mit der gemeinen Vorstellung und den Realwissenschaften harmonierende Stellung, aber auf subjektivistischem Grund, gewonnen wird. Was Vielen die Befreiung aus dem kantischen Gedankengleis schwer macht, ist die gewohnte Vorstellung, daß die Sinneseindrücke von den Dingen zur Seele einen Weg machen. Daraus entspringt nämlich der Einwand, daß, wenn wir aus den Sinneseindrücken das Objekt konstruieren, letzteres vorher da sein und seine Eigenschaft der Seele kundgeben muß. Hier hat man sich zu vergegenwärtigen, daß diese Voranstellung der physischen Vorgänge der Zeit nach eine Anordnung ist, die wir erst nach dem tatsächlichen Eintreten der Empfindung vornehmen. Scheinbar kommt dadurch ein widersprechendes Doppelurteil zustand. Aufgrund unserer Konstruktion urteilen wir in der gemeinen und physikalischen Praxis stets so, daß die Dinge das Erste, die Empfindungen eine Folge sind. Diese Urteile sind richtig nach vollendeter Objektivierung, aber nicht anwendbar, wenn die Objektivität und deren Genesis selbst in Frage gestellt werden. Die Dinge sind nur dadurch das Erste geworden, daß durch die Objektivierung alles dem Subjekt eigene eliminiert ist: sie sind nicht das Erste im tatsächlichen Hergang; denn sie werden nicht erlebt, sondern aus dem Erlebten konstruiert. Zur klaren Auffassung dieser zwei Beziehungen, deren Ausdruck zu einer formellen Kollision führt, ist demnach vor allem die bewußte Freiheit des Denkens gegenüber der sprachlichen Fixierung und den gewohnten Vorstellungen durchaus nötig. Die theoretisch gemeinte Lehre KANTs, daß die Eigenschaften der Dinge bei ihrer Wahrnehmung durch die subjektiven Anschauungsformen verändert werden, ist ein Beispiel der Irrtümer, zu welchen das gewohnheitsmäßige Festhalten bildlicher Vorstellungen verleiten kann. Um der genannten Phantasietheorie wirksam entgegenzutreten, müssen wir ihr noch ein Asyl versperren. Aus der kantischen Betrachtungsweise heraus kann man sehr leicht inne werden, daß das Ding-ansich, von dem wir nichts wissen, darum auch als bedeutungslos außer Acht gelassen werden könnte; Gerade diese Möglichkeit muß aber bestritten werden, weil sich darin die ganze Unklarheit verbirgt und bei allen anderen Fragen ihren verwirrenden Einfluß wieder geltend macht. Die Möglichkeit, daß vieles existiert, wovon wir nichts wissen, räumen wir ein, sofern keine Nachfrage nach diesem Unbekannten stattfindet. Hier aber soll die Identität des Unbekannten mit einem Bewußtsein gedacht werden, und dazu ist uns nichts gegeben, was nicht im Widerspruch mit der Forderung steht. Fehlt der Gedanke der Identität, so kann auch keine Nachfrage stattfinden, weil man nicht fragen kann: "Was ist was?" In jener Möglichkeit wird demnach nichts gedacht; es ist nur ein geduldiges Wort. Andere Einwürfe gehen aus der Verschmelzung der Begriffe der Wirklichkeit und Objektivität hervor. Meine Begriffsbestimmung der Objektivität läßt die Wirklichkeit unberührt und macht darum bei denen, welche beides als unzertrennlich betrachten, den Eindruck, als ob sie die Wirklichkeit leugnet. Beruhten diese Einwürfe bloß auf logischem Grund, so wäre ihre Widerlegung leicht. Es genügt zu zeigen, daß Objektivität und Wirklichkeit gesondert bestehen können und daß die gesamte Bedeutung der Wirklichkeit durch ihre besondere Begriffsbestimmung dargestellt wir, worin zugleich ihr Verhältnis zur Objektivität enthalten sein muß. Die Trennung beider Begriffe zeigt, vielleicht deutlicher als irgendein anderes Beispiel, die Mathematik, welche, vollkommen objektiv, doch nichts von der Wirklichkeit aussagt. Sie behandelt idealisierte Figuren, isolierte Wirkungen, imaginäre Größen usw., die in der Wirklichkeit nicht vorkommen, und alle Thesen haben erklärtermaßen nur bedingte Gültigkeit. Bei jeder Anwendung auf die Wirklichkeit müssen Data aus der Wirklichkeit entnommen hinzugefügt werden. Hieraus erhellt sich zunächst, daß die Objektivität ohne die Wirklichkeit gedacht werden kann und daß die Wirklichkeit der objektiven Wissenschaft vorausgeht. Die zur Anwendung daraus entlehnten Data, z. B. die Messungsresultate, sind jedoch selbst schon objektiv. Man muß die Geschichte der Entstehung der objektiven Ideen weiter zurück verfolgen, um gewahr zu werden, daß die Wirklichkeit ihnen allen vorausgeht und schon besteht, ehe irgendeine Idee die Grenzen des Subjekts überschritten hat. Bei der ersten Reproduktion der unmittelbar gegeben, passiv erlebten Sinnesempfindung finden wir den Unterschied zwischen dieser als wirklichen Tatsache, die durch keinen Gedanken geändert wird und der freien Nachbildung. Derselbe Unterschied bleibt im ganzen Gebiet des Denkens in Geltung und gewinnt keine neue Bestimmung hinzu. Die Erkenntnis darf um ihrer selbst willen die Tatsache nicht ändern, und wenn die Tatsache durch den Willen vorausbestimmt wird, so muß ihm, um seines Erfolges willen, die Erkenntnis und in ihr die Unterscheidung der Wirklichkeit als einer früher passiv erlebten vorausgehen. In der objektiven, namentlich substantiellen Wirklichkeit bildet noch immer die einfache Tatsache die letzte Kontrolle und Entscheidung; nur geht man selten bis zu dieser Instanz, weil ihre systematische Verbindung so unbezweifelt feststeht, daß man sich an der Entscheidung durch das System genügen läßt, und den darin enthaltenen hypothetischen Tatsachen gleiches Recht einräumt. Man verhandelt daher in der Regel nur mit einer objektiv gewordenen Wirklichkeit, wenn man ihre Kontrolle sucht, die individuelle Tatsächlichkeit, als ursprüngliches Kriterium der Wirklichkeit, wird vergessen. Dadurch geht für die gewöhnliche Praxis nichts, für die strenge Logik hingegen der begriffliche Unterscheidungsgrund der Wirklichkeit verloren und läßt sich im objektiven Ideenbereich nicht wiederfinden. Dieser Mangel erklärt mancherlei Täuschungen, in welche die gelegentlichen Versuche des Philosophierens verfallen, die jedoch von der ernsten Philosophie nicht aufgeklärt, sondern in der einmal begonnenen irrtümlichen Richtung bis zum äußersten weitergeführt zu werden pflegen. Die ernste Philosophie findet Differenzen zwischen der vorgestellten Objektivität und der Wirklichkeit, sieht aber in der objektiven Erkenntnis eine Annäherung an letztere, so daß konsequenterweise erst die vollkommene Erkenntnis die Wirklichkeit erreicht. So wird die Wirklichkeit zu ihrem geraden Gegenteil, zu einem Nichtseienden, erst zu erringenden und doch nie erlangten gemacht. Anders stellt sich die Beziehung der Erkenntnis zur Wirklichkeit dar, wenn man die dem einzelnen Subjekt gegebene Wirklichkeit, welche die gewöhnliche Praxis liegen läßt, ans Licht zieht. Wir jagen dann mit der Erkenntnis nicht der Wirklichkeit nach, sondern lassen sie hinter uns, nehmen immer entferntere Standpunkte ein, um größere Gesichtskreise auf dem Boden der Wirklichkeit zu gewinnen und kehren nach freier Wahl zu jedem Punkt desselben zurück. Der Erfolg eines Objektivitätsbegriffs auf rein subjektivem Grund ist demnach das Entgegengesetzte von dem, was der anfängliche Eindruck verspricht. Er nimmt uns nicht die Wirklichkeit, sondern gibt sie erst zu vollem unterscheidendem Bewußtsein. Was den Eindruck einer Einbuße hervorbringt, ist nur die Tyrannei der Denkgewohnheit, die eine viel geübte Verbindung zu zerreißen verbietet. Ohne das Recht der Übung anzugreifen oder die Fertigkeit zu beeinträchtigen, müssen wir doch diese Tyrannei in allen ihren Phasen bekämpfen, und haben ihr darum jetzt in die äußersten Schlupfwinkel der Argumentation zu folgen. Die Gewohnheit, um die es sich handelt, ist die, alles Denken als Nachkonstruktion einer objektiven Wirklichkeit zu betrachten.Ihre Tyrannei besteht darin, daß sie auch bei einer Untersuchung ihrer subjektiven Quelle Geltung verlangt, und dadurch die Täuschung erhält, als ob auch der ersten Entstehung der Idee der objektiven Wirklichkeit die objektive Wirklichkeit vorausgeht. Sie fordert diese Annahme trotz des Widerspruchs, der im Denken eines Nichtgedachtwerdenden liegt, und ist erfinderisch in Ausflüchten und Scheinargumenten, die das Widersprechende annehmbar machen sollen. Wir die subjektive Quelle aller Attribute der Dinge nachgewiesen, so hält sie die Substanz als außerhalb derselben ursprünglich existierend fest. Zeigt sich, daß die nicht subjektive Substanz nicht im Einzelnen mit der gedachten identisch sein kann, so gibt sie die Identität im Einzelnen auf, und behauptet die Ursprünglichkeit entweder des substantiellen Alls oder des inhaltlosen Seins. Erweist sich beides als unhaltbar, indem vom All dasselbe gilt wie vom Einzelnen, das leere Sein aber seine subjektive Entstehung durch Abstraktion kund gibt, so gewinnt sie noch weiteren Raum dadurch, daß sie die Frage zum Problem erklärt, und durch Gelegenheit zu unzähligen dialektischen Lösungsversuchen den Abschluß fern hält. Es bedarf nun bloß einiger Besinnung, wodurch die Frage hervorgerufen wird, um zu finden, daß ein wissenschaftliches Problem darauf bezüglich nicht mehr existiert, sobald mit Berücksichtigung aller gegebenen Tatsachen der Inhalt des Begriffs der "objektiven Wirklichkeit" psychologisch ermittelt ist. Die Unmöglichkeit, den Begriff anders als subjektiv aufzufassen, beweist weder eine absolute noch eine zeitweilige Schranke der Erkenntnis, sondern die Erledigung der Frage, sofern diese durch keine Tatsachen mehr gefordert wird. Mit der entgegenstehenden scheinbaren Möglichkeit fällt zugleich das Bedenken weg, welches ein weiteres Suchen überflüssigerweise veranlaßt hat. Man stelle nur die Notwendigkeit, die Objektivität als ursprünglich zu denken, selbst in Frage, und es ergibt sich, daß jede rationale Begündung fehlt, die Vorstellung ihrer Unabhängigkeit vielmehr erst durch die Praxis motiviert wird. Doch sind es nicht die rationalen Mittel allein, welche jene Tyrannei stützen; insbesondere müssen zwei Mächte genannt werden, die sich hier mit ihr vereinigen: die Neigung, Gegenstände zu dämonisieren und die Chimäre [Mischwesen - wp], welche sich an den gehofften Einblick in den Urgrund des Seins knüpft. Gleich wie sich im Altertum mit der Vorstellung des sichtbaren Baums die einer Dryade [Baumgeist - wp] verbunden hat, welcher das unbegriffene Leben desselben vertrat, so zeigt sich auch noch jetzt das entsprechende Bedürfnis, die Gesamtheit des Unbegriffenen am Ding durch ein besonders hinzugedachtes Wesen zu ersetzen. Ist dies der Fall, geht die Annahme und das Festhalten aus dem mangelnden Verständnis, aus der unbeantworteten Frage: Woher? hervor, so ist das Ding ein Dämon, an welchem das Vertrauen haftet, weil der Verstand unzureichend scheint. Wir haben es dann mit einem Aberglauben zu tun, der nur umso schwerer zu bekämpfen ist, weil er dem Dämon keine menschliche Gestalt erteilt, und sich so den Verfolgern unkenntlich macht. Die Aufklärung als Gegenmittel hat sich dann gegen die dunkle Frage: Woher? zu kehren und erst Auskunft darüber zu verlangen, was dieselbe sucht. Ist es der Hergang, so wird die psychologische Analyse des Begriffs der Eigenschaft sie beantworten. Ist es die physische Ursache, so hat deren Auffassung die Frage erst veranlaßt, und die vollkommenste Darlegung des Konnexes würde sie nur steigern. Die Angabe beruth demnach auf Selbsttäuschung. Ist es der Urheber, so muß dies zunächst eingestanden und offen erklärt werden, daß die Frage den wollenden Geist sucht, der nach freiem Entschluß die physischen Gesetze auferlegt. Dann tritt es zutage, daß sie ganz außerhalb der Naturerklärung liegt und nicht mit dieser vermischt werden darf. Geht man von da aus auf den Gesichtspunkt ein, unter dem dieser Geist mit dem Ding oder der Welt identifiziert wird, so liegt es nahe, darin das Streben zu vermuten, die wegen Nichtbefriedigung überschrittenen Grenzen der Natur dennoch scheinbar zu behaupten, um nicht die Kompetenz innerhalb derselben einzubüßen. Stellt man den Widerspruch ans Licht, der dies verbietet, so verliert die Identität allen Boden. Sollte nun die Frage: Woher? noch eines anderen Sinnes fähig sein, so erhellt sich wohl zur Genüge, daß dieser nicht als selbstverständlich verschwiegen werden darf. Gehen wir nun zum zweiten Gefühlsgrund über so ist es leicht, dessen Irrationalität bloßzustellen. In der Quelle kann man die Größe des Stroms der von ihr herkommt nicht erblicken; im Innern der Erde findet man nichts von der organischen Gestaltung der Vegetation, die aus ihr hervorwächst. Im gleichen Sinn darf man auch bei einer Aufsuchung des Ursprungs des Seins nicht erwarten, darin die reiche Entfaltung des Seins, wie sie uns im Leben ohne tiefes Denken entgegentritt, wiederzufinden. Allein, je unbekannter eine Quelle ist, destor reicher stattet sie die Phantasie aus, und wehrt sich nachher gegen die Anerkennung, wenn bei der Entdeckung keine ausgeprägte Form der Gegenstände ihres Interesses zutage kommt. So widerfährt es auch der Analyse des Seins. Obgleich zu der darin aufgewiesenen Entwicklung jeder weitere Zufluß unmöglich ist, indem jedes neue Element der Weltvorstellung zuerst als subjektive Tatsache auftreten und so in der Analyse aufgehen müßte, so widerstrebt es doch der Phantasie, die Welt aus den bisher ausgeachteten subjektiven Sinnesempfindungen allein herzuleiten; sie wendet sich widerwillig von einer Darlegung ab, welche ihre lebensvolle Chimäre nicht verwirklicht, und behauptet dieser entgegen, daß sie ihre Frage nicht trifft. Sie hat, wenn man ihren mutmaßlichen Plan deuten darf, gehofft, im Urgrund des Seins die volle Erkenntnis des entfalteten Seins selbst zu gewinnen; sie wollte in die Tiefe steigen, um die Früchte, welche auf der Oberfläche nur allmählich geerntet werden, mit einem Mal aus dem Inneren heraufzuholen. Diese Hoffnung bleibt unerfüllt. Wir kehren von der Betrachtung des Ursprungs, d. h. des ärmsten Zustandes, befreit von Trugbildern, zur Gegenwart zurück, um auf dem erlangten Standpunkt der Entwicklung des Seins auf gewöhnliche Weise, nur besser orientiert, die Arbeit fortzusetzen. Alles Leben blüht nur auf der Oberfläche; die Tiefen, wenn man sie aufsucht, sollen nicht zur Heimat werden. Die Täuschungen, welche aus der Idee der Kausalität stammen, geben Veranlassung zur Erörterung zweier Gegenstände: der absoluten Notwendigkeit und des Zweckes in der Natur. Es ist bei einer Besprechung der bildlichen Vorstellungen darauf hingewiesen, daß der Sinn der Notwendigkeit dunkel wird, wenn man das Bedingende in Vergessenheit fallen läßt. Hält man fest, daß, so oft eine Sache durch Erkenntnis als notwendig erscheint, das gesamte Wissen oder ein Teil desselben darauf ruht, so ist die einfache Folge ein Nichtwissen, wenn die Tatsachen der Bedingung entsprechen. So oft wir nun auch in dem Fall sind, einen Teil vermeintlichen Wissens in dieser Weise einzubüßen und aufs Neue suchen zu müssen, so ist doch tatsächlich weder die Gesamtheit noch der Hauptinhalt des Wissens je umgeworfen worden, und der Glaube, daß dies nie geschehen wird, ist dadurch vollkommen gerechtfertigt, daß wir nur die Wahl haben, ein immer belohntes Vertrauen fortzusetzen, oder es zu versagen und leer auszugehen. Wir glauben darum an die hypothetischen und künftig zu erlebenden Tatsachen, deren wir zum Wissen bedürfen. Allein die Gewohnheit das Bedürfnis stets erfüllt zu sehen, und hinzukommende bildliche Vorstellungen geben dem Verhältnis einen ganz veränderten Anschein. Es entsteht die Einbildung, daß im Wissen ein verbürgtes Recht des Verstandes über das Objekt liegt, daß die Natur der erkannten Gegenstände dieselben zwingt, die Gesetze zu halten und dadurch dem Recht Geltung verschafft. Diese Meinung möchte ich Niemandem andichten; ich glaube aber, daß der Umstand sehr bereitwillig von Vielen eingeräumt wird. Das unvermerkte Aufkommen der Vorstellung erklärt sich leicht: der Verstand sieht sich nicht als bedürftig an, weil er das Notwendige nie entbehrt hat; der Zwang und die Bürgschaft beruhen auf bereits erörterten Gleichnissen. Schwerer aber ist es zu begreifen, wie die Meinung bei ernstem Nachdenken festgehalten werden kann. Fragt man: wem hat die Natur ein Pfand gegeben? Wo ist das Gericht, welches Klagen des Verstandes gegen naturwidrige Tatsachen annimmt? Welche Zwangsmittel stehen gegen sie zu Gebote? - so zeigt sich, daß das Behauptete nirgends aufgewiesen werden kann. Nur wir selbst geben im Vertrauen auf die Natur das Ganze zum Pfand für den Teil; wir selbst sind gezwungen um des Erfolges willen die Bahnen zu betreten, welch die Natur eröffnet, so daß man im Gegenteil von einem Recht des Objekts über den Verstand sprechen kann, welches sich auch bei jeder Untersuchung geltend macht. Ebensowenig läßt sich nachweisen, was durch das substituierte Verhältnis gewonnen wird. An eine Verbürgung zu glauben, um einer Sache gewiß zu sein, ist ein überflüssiger Umweg. Einen Zwang anzunehmen, um sich die Befolgung von Gesetzen zu erklären, heißt: die Erde auf Säulen stellen. Man entdeckt darin keinen vernünftigen Fortschritt, sondern nur eine Befriedigung der Gewohnheit. Es entsteht keine Lücke, wenn wir die genannten Vorstellungen ganz fallen lassen. Das apodiktische Urteil würde, selbst wenn es zur Gewißheit der speziellen Gegenstände nichts beiträgt, seine volle Bedeutung behalten in seiner verbindenden Wirkung, von welcher jene erst sekundäre Folge sein kann, indem dadurch der Wert und die Sicherheit des Systems auf seine notwendigen Glieder übertragen wird. Es würde dann kein elementares Problem und keine Widerspruchsrecht zurückbleiben. Warum man im Begriff der Kausalität die absolute Notwendigkeit trotz ihrer Unverständlichkeit festhält, scheint die Jllusion eingewurzelter Vorstellungen nicht genügend zu erklären, weil die Analyse jeder einzelnen nicht gerade unbekannt ist. Man beachte aber, daß auf diese Analysen bisher kein so großer Wert gelegt worden ist, um sie zum Ganzen zu verbinden und sie die gesamte Weltanschauung durchdringen zu lassen. Das einzelne Bild wird durchschaut, solange die Aufmerksamkeit darauf gerichtet ist; es wird aber nicht vermerkt, wie viele noch dahinterstehen und mit dem Anschein der Wirklichkeit täuschen. Die Analyse jeder Vorstellung läßt dann die Gesamtheit der damit verflochtenen Ideen als einen nicht zum Bewußtsein gezogenen Hintergrund zurück, der für den in der Gewohnheit Befangenen die vermeintliche Analyse im Einzelnen die Täuschung, als gäbe es hinter allem Denken noch ein Sein, ein Wesen der Dinge, das sich auf keine Seelenphänomene zurückführen läßt. Sie ist in neuerer Zeit noch mehr befestigt worden durch die Reaktion gegen einen Irrtum nach anderer Seite hin, welcher das Wesen der Dinge allerdings in den Geist setzt, aber in den reflektierenden, der Sinnlichkeit abgewandten, statt sie in der die ganze Sinnlichkeit als Erlebnisse umfassenden Seele zu suchen. Von ihm aus ist man in den Dualismus des Denkens und Seins zurückverfallen, der sich nun mit umso größerer Beharrlichkeit gegen alle Aufklärung wehrt. Er ist einesteils höchst populär, weil er dem gemeinen Verstand die größte Bequemlichkeit bietet, sich alle einzelnen Lehren zurecht zu legen, andernteils anziehend für den konsequenten Denker, weil er sich auf alle Verhältnisse ausdehnen läßt, hier insbesonere von der Substanz auf die Kausalität. Ist man einmal in der Vorstellung befangen, daß die Substanzidee einen Gegensatz gegen eine objektiv wirkliche Substanz bildet, so wird man sich auch der Ansicht nicht erwehren können, daß der Idee der Ursache und dem auf sie gegründeten, sowie jedem anderen apodiktischen Urteil eine objektive Sachverbindung gegenübersteht. Alle Anforderungen an das Wissen reduziert sich dadurch sehr einfach auf die Übereinstimmung der Idee mit der Objektivität. Obwohl der Irrtum in beiden Fällen derselbe ist, so möchte es doch nicht überflüssig sein, ihn auch in letzterer Form besonders aufzudecken, weil er sonst immer gegen die Aufklärung auf der einen Seite einen Einwand von der andern hervorzieht. In der Praxis des Denkens, welche darauf angewisen ist, die Erfordernisse des Wissens aus den einzeln zu Gebote stehenden Mitteln herbeizuschaffen, ist der objektive Sachverhalt ein Name, auf dessen zugeschriebene Bedeutung nichts ankommt, weil die ganze Tätigkeit und Aufmerksamkeit außerhalb liegt. Er vertritt hier tatsächlich die Erfordernisse des Wissens, und alle bildliche Vorstellung, die sich daran hängt, kann dieselben nicht beeinträchtigen. Die Praxis befindet sich demnach hier in keinem universellen Irrtum, läßt jedoch die Fähigkeit unentwickelt, über die eigentliche Bedeutung des objektiven Sachverhalts Rechenschaft zu geben. Verläßt man nun aber die praktischen Gesichtspunkte und richtet absichtlich die Aufmerksamkeit auf letztere Frage, so wird es unerläßlich die bildliche Vorstellung auf die tatsächliche Bedeutung zurückzuführen, damit sich nicht die Phantasie an die Stelle des Verstandes setzt. So bequem es auch für die Praxis ist, die einzig richtige Sachverbindung, welche erst gefunden werden soll, als eine schon vorhandene zu betrachten, und so sicher sie auch ist, dadurch in ihren Bezirken in keinen Irrtum verstrickt zu werden, so wird doch die Vorstellung sogleich zu einer Quelle von Irrtümern, wenn die Philosophie auf sie den Begriff des Wissens und der Richtigkeit bauen will. Es ist zunächst irrig, wenn man meint, die Richtigkeit eines Gedankens habe erst Sinn, sobald es etwas gibt, womit das Gedachte übereinstimmen soll. Vielmehr wird sie durch den Erfolg vollkommen bestimmt, wie oben gezeigt ist, und in der wissenschaftlichen Praxis zutage tritt. Der Begriff der Richtigkeit, auf Übereinstimmung zwischen zwei Dingen basiert, involviert diesen Irrtum. Ferner werden durch eine solche Begriffsaufstellung die wirklichen unabweisbaren Bedingungen des Wissens umgangen: die durch Tatsachen vorher geforderte Erkenntnis und der Erfolg. Daß diese im Merkmal der Übereinstimmung nicht enthalten sind, leuchtet ein. Hiermit ist eine zweifache Quelle von Irrtümern nachgewiesen. Erstens können, wenn sich die durch Tatsachen geforderten Fragen nicht von den willkürlichen unterscheiden, Probleme aufgestellt werden, die in keinem Zusammenhang mit dem Zweck der Erkenntnis stehen. Erweisen sich diese, wie der Fall öfters gewesen ist, unlösbar, so schließt man irrigerweise auf Schranken der Fähigkeit der Erkenntnis und verfällt in einen Skeptizismus. Zweitens fehlt, wenn das im Erfolg, in der teilweisen Zweckerfüllung liegende Kennzeichen der Richtigkeit unbeachtet bleibt, im Grunde jedes Kennzeichen. Der Glaube an eine vorher vorhandene objektive Sachverbindung hilft zu keiner Gelegenheit die gedachte damit zu vergleichen. Diesen Mangel hat man nun bisher stets durch die Methode ausfüllen wollen. Alles Wissen sollte durch einen strengen Zusammenhang mit einer engen, unbezweifelten Basis gesichert werden. Die Schwäche irgendeines Gliedes der Kette schien alles darauf beruhende Wissen in Zweifel zu ziehen. So ungünstig aber auch diese Lage war, in welche die Philosophie infolge eines falschen Begriffs geraten ist, so erweist sich doch selbst der geringe Haltepunkt, an den sie ihre Hoffnung knüpfte, nach allen Seiten hin als illusorisch. Das erstere betreffend, war die vorausgehende Sorge um die Gewißheit überflüssig, der Anschein also schlimmer als die Wirklichkeit. Während in der Philosophie System auf System folgte, um den Grundsatz der strengen Notwendigkeit in der Erkenntnis zu verwirklichen, und doch nur immer größere Zweifel hervorbrachte, sind die Fachwissenschaften von ungewissen Anfängen durch vielfach ungewisse Zwischenglieder zu einer zufriedenstellenden Gewißheit durchgedrungen. Doch das zeitige Mißlingen allein würde die Hoffnung nicht entkräften, daß die rechte Methode noch gefunden werden soll; das Verfehlte muß verständlich im Gedanken selbst liegen. Der Gesichtspunkt war: Was notwendig ist, ist wirklich; gibt es nur einen objektiven Sachverhalt, und läßt sich nur einer denken, so müssen beide übereinstimmen. Es hat sich bewährt, überall, wo ein gewichtvolles System des Wissens vorhanden war, und die Frage zum Gebiet desselben gehörte, nämlich darum, weil es in der Tat für immer unmöglich war, ein anderes System an seiner Stelle zu schaffen. Diesen Fall müssen wir hier ausschließen; die Philosophie will und kann sich nicht auch schon durchforschte Gebiete beschränken; die Methode soll die Notwendigkeit zugleich mit der neuen Erkenntnis bringen. Dann aber bedeutet die Unmöglichkeit anders zu denken, nichts weiter als eine zeitweilige Unfähigkeit. Das Wissen verleiht Fähigkeiten; vor dem Wissen ist daher manches unmöglich, was durch das Wissen möglich wird. Was demnach heute notwendig erscheint, ist der fortgeschrittenen Erkenntnis später keine Schranke mehr. Ist nun der Zusammenhang eines Systems auf eine solche Evidenz a priori gebaut, so ruht es in unzähligen Punkten auf der Voraussetzung einer niederen intellektuellen Entwicklungsstufe, deren Niveau natürlich dem, welcher sich darin befindet, sich als Gesetz des Geistes darstellt; der eine oder andere wird bald durch reiferes Wissen hinfällig, und mit ihm würde, der obigen Rechnung zufolge, jedesmal das System fallen. Die Hoffnung jedoch, von der hier die Rede ist, zu schwächen, ist heutzutage keine Veranlassung mehr. Sie hat einst das auf die Methode gelegte Gewicht gerechtfertigt. Nach wiederholter äußerster Anregung jedoch und jedesmal folgender Enttäuschung ist sie einer resignierten Interesselosigkeit gewichen, in welcher das Aufgeben ideeller Anforderungen an die Philosophie als die eigentliche zu verhütende Gefahr liegt. Nicht um jener Hoffnung willen sucht man jetzt die Gewißheit in der Methode, sondern weil man keinen Ausweg sieht, der Bestimmung der Philosophie anders gerecht zu werden. Der positive Ersatz hat gefehlt; um auf diesen hinzuweisen, habe ich im Vorstehenden gezeigt, wie die irrige Meinung, nur die Methode könne die Gewißheit geben, aus dem Dualismus der gedachten und objektiven Sachverbindung entspringt, und wie mit der Lossagung von diesem Dualismus die Scheidewand fällt, welche die echten Bedingungen der Gewißheit bisher verborgen hat. Die aus jener Meinung stammende Reihe weiterer Irrtümer und Mißerfolge namhaft zu machen, möchte nun wohl kaum etwas Wesentliches zur Verdeutlichung beitragen. Sie können sich nicht erneuern und bieten darum kein Interesse mehr, sobald die gänzliche Unhaltbarkeit des Dualismus ans Licht gestellt ist. Zu diesem Zweck, auf welchen alle Sorgfalt zu konzentrieren ist, darf ein Punkt nicht unbesprochen bleiben, dessen unzureichende Zergliederung der Täuschung viel Vorschub leistet, nämlich die Fähigkeit der gegebenen Tatsachen kausal erkannt zu werden. Daß bei beliebig abweichendem Auftreten der Tatsachen deren Kausalverbindung unmöglich gewesen sein würde, leuchtet ein. Es war also vor der Erkenntnis etwas da, was wir fragend ins Auge fassen können, und was mit dem Wort Fähigkeit bezeichnet wird. Eine bekannte Wendung des Ausdrucks: "Die Kausalverbindung war der Fähigkeit nach oder unentwickelt da." Sie ist aber namentlich darum abzuweisen, weil sie durch Benennung ein Urteil einzuschmuggeln sucht, das ohne diese als leere Behauptung erscheinen würde. Zunächst ist nun zu beachten, daß die Anerkennung der Fähigkeit keinen Dualismus mit sich bringt. Die Tatsachen sind der Gegenstand, die mit Fähigkeit bezeichneten Umstände die Bedingungen der nachfolgenden Erkenntnis. Bedingung kann etwas nur sein in Bezug auf das dadurch Bedingte. Gäbe es keine Erkenntnis, so wären die Umstände keine Bedingungen, obwohl sie unverändert stattfinden würden und die Fähigkeit hätte keinen Sinn. Die Tatsachen sind ohne Verbindung, wenn sie von niemandem verbunden gedacht werden. Erst durch die Idee der Verbindung wird die Idee der vorausgehenden Fähigkeit möglich; das Vorausgehen ist eine nachfolgende Anordnung der Idee. Mit der objektivierenden Voranstellung der Fähigkeit wird aber auch die notwendig darin enthaltene Idee der Verbindung vorangestellt, und so entsteht der Schein, als ob das verbindende Urteil schon vor seiner Bildung dagewesen wäre, während es in der Tat nur auf eine frühere Zeit übertragen ist. Wir können jedoch weit mehr einräumen, ohne einen Dualismus herbeizuführen. Das verbindende Urteil kann schon vorher gebildet sein, und die Vorbildung in klarer Beziehung zur Fähigkeit stehen; nur kann es nicht eine kausale Beziehung sein, weil dieselben Tatsachen nicht zwei Kausalverbindungen zulassen. Es ist schon früher von der gewohnheitsmäßigen Konfundierung der Begriffe der Kausalität und Urheberschaft die Rede gewesen. Ihre Scheidung hat die natürliche Folge, daß die Frage der Urheberschaft unberührt stehen bleibt, wo Kausalität undenkbar ist, und macht es zugleich begreiflich, wie die stehen gebliebene Frage irrtümlich für eine kausale gehalten werden konnte. Dieser Fall findet bei der Fähigkeitsidee statt. Es ist eine Begriffsverwechslung, wenn diejenigen, welche eine Erklärung der Fähigkeit suchen, eine Frage nach der Ursache zu erheben meinen: sie fragen nach Urheber und Zweck und nach einer Offenlegung dieses Ziels wird die Frage auch klar gerechtfertigt. Das Kriterium liegt in den das Bedürfnis herbeiführenden Daten. Die Frage nach der Ursache wird erhoben, sobald uns ein Vorgang außerhalb der Verbindung entgegentritt, die Frage nach Zweck und Urheber, sobald eine fertige Verbindung vorgefunden wird, wie z. B. beim Lesen einer Schrift. Jeder liegt ein besonderes Interesse zugrunde; sogar der Zweck läßt sich ohne Bezugnahme auf den Urheber verfolgen, und zu dieser Sonderung werden wir auch hier veranlaßt sein. Vorher jedoch müssen wir noch einen alle jene Beziehungen umfassenden Gegensatz beleuchten und vom beirrenden Einfluß jener Begriffsverwechslung befreien. Nach gewöhnlichen Gebrauch bezeichnet das Wort "zufällig", was in keiner bewußten Beziehung steht. An die Beschränkung auf die eine, augenblicklich allein betonte Beziehung und die damit verbundene Relativität des Begriffs wird aber selten gedacht, vielmehr scheint in dem Attribut die Behauptung zu liegen, daß der Gegenstand frei von aller Beziehung ist. Da nun überdies die Sprache und der vulgäre Gebrauch fast alle Beziehungen in kausale umwandelt, so wird die Meinung begünstigt, daß zufällig ist, was in keiner Kausalverbindung steht; daher streng genommen nichts zufällig ist und der Anschein der Zufälligkeit eine Lücke im Wissen kundgibt. Gesetzt nun, in einem Bezirk sinnlicher Tatsachen ist der Kausalnexus derart vollständig bekannt, daß die letzte Ursache nichts an Einfachheit vermissen läßt und wir beachten den Umstand, daß die Gesamtheit der Tatsachen nur "wie sie war" das kausale Prinzip zuläßt, daß also ein Zusammentreffen in unzähligen Stücken nötig war, damit überhaupt eine Idee der Ursache gefaßt werden kann - dann scheint es, als ob unser Satz, daß die Kausalität allein in der Idee existiert, indem er die Frage: "Wie kommen die Tatsachen dazu, gerade so aufzutreten?" - überspringt, einen wunderbaren Zufall statuiert und in der Erklärung eine enorme Lücke läßt. Hierüber geben die vorstehenden Begriffsscheidungen vollständig Auskunft und beseitigen jedes Dunkel. Zunächst ist zu bemerken, daß der genannte Satz nicht, wie Manche behaupten, auf die Voraussetzung des wunderbaren Zusammentreffens basiert ist. Erlebte Tatsachen lassen sich nicht voraussetzen, sondern müssen um der Wahrheit willen so aufgenommen werden, wie sie sind. Ihre Harmonie tritt uns aber erst nach Bildung der Kausalität entgegen; jede sie betreffende Frage liegt also außerhalb der Grenzen der Ableitung des Begriffs. Wir räumen daher nicht ein, daß unser Satz den Zufall statuiert. Stellt sich nun in weiterer Konsequenz des Satzes, was nicht in Abrede gestellt werden soll, die Harmonie der Tatsachen als Zufall dar, so ist die erste Frage: Welche erwartete Beziehung wird vermißt? Die kausale kann es nicht sein; denn, je vollkommener sie erkannt ist, desto gewichtvoller wird nur die Frage: Woher? Es soll nichts verbunden, keine Anordnung geschafft werden, sondern die Verbindung, der ordnende Gedanke ist da und regt die Frage an. Das ist aber dem Obenbemerkten gemäß genau der Fall, welcher stets der Frage nach Urheber und Zweck zugrunde liegt. Letztere hat hier in vollem Sinn Platz; einen anderen Kern wird man schwerlich darin entdecken. Die Harmonie der Tatsachen ist demnach nicht zufällig in ursächlicher Beziehung; sie bleibt aber, sofern diese allein erkannt ist, zufällig nach Zweck. Es ist nicht unsere Sache, die Frage, welche das Desideratum hervorruft, als eine notwendige darzulegen, sondern aus demselben, wenn es empfunden wird, jedes Dunkel zu entfernen. Kurz zusammengefaßt ist der Sachverhalt folgender. Infolge der Gewohnheit, bei vorgefundener Ordnung zur Idee eines Urhebers überzugehen, erscheint die rein subjektive Idee der Kausalität als unvollständig und den Zufall statuierend. Infolge der Gewohnheit, den Urheber als Ursache, jeden Zufall als Mangel ursächlicher Beziehung zu betrachten, wird das Desideratum der Kausalität zugerechnet. Infolge dieses Irrtums erscheint wieder die einzig klare Deutung durch Urheberschaft als unwissenschaftliche Einmischung eines fremdartigen Elements (deus ex machina), weil sie die vermeintliche kausale Lücke durch Annahme eines Urhebers ausfüllen will. Der Kern des logischen Fehlers, durch welchen schließlich die Sachlage in ihr Gegenteil verkehrt wird, liegt demnach in dem falschen Schluß von einem Desideratum neben der Kausalitätsidee auf ein solches innerhalb derselben. Diese Verwechslung wurde ermöglicht durch eben jene heterogene Begriffsmischung von Ursache und Urheberschaft, die man später abwehren will. Hält man die Begriffe von Anfang an auseinander, so erledigt sich alles auf die einfachste Weise. Die Kausalität hat keine Lücke außer denjenigen, welche die Naturforschung auszufüllen auf dem Weg ist. Gäbe es eine andere, so würde keine Urheberschaft oder Zweckbetrachtung sie ausfüllen. Die Kausalität ist aber nur ein Element der Erkenntnis, eine besondere Art der Verbindung, die, so groß auch der Vorzug ihres Erfolges ist, Beziehungen außerhalb seiner selbst hat, die sie nicht ersetzen kann. Dazu gehört die Beziehung des Zweckes, welche hier zunächst die Frage erläutert, warum die Tatsachen in solcher Weise auftreten, daß die Menschen daraus die Ideen der Substanz, Kausalität usw. bilden können, die wir jedoch in ihrer Bedeutung weiter verfolgen müssen, soweit die Berichtigung gewöhnlicher Ansichten Wichtigkeit hat. Die Zweckidee ist die Verbindung einer begehrten Tatsache mit einer Sukzession objektiver Vorgänge, welche einander ursächlich bedingen. In den Bestandteilen findet demach kein Unterschied zwischen aitiologischer [nachträgliche Erfindung eines Ursprungs - wp] und teleologer Verbindung statt. Ganz verschieden hingegen ist die Begrenzung und der einheitliche Gesichtspunkt des zusammengehörigen Systems von Vorgängen. Beim Zweck liegt der maßgebende Vereinigungspunkt in der Wirklichkeit, bei der Ursache in einer objektiven Idee, die selbst da, wo sie mit der Wirklichkeit zusammenhängt, die Nachbildungen gleicherweise umfaßt. Die Zweckverbindung ist nur in ihren Zwischengliedern notwendig objektiv; in Anfang und Ende kann sie auf ein Subjekt beschränkt sein, und diesen Fall wollen wir als den allgemeinen annehmen. Dann ist die Erkenntnis eines (fremden) Zwecks hauptsächlich auf die Beobachtung der objektiven partiellen Zwecke angewiesen, welche sich durch das Zusammenlaufen der Kausalketten auf gemeinsame Wirkungen kundgeben, welche aber erst durch einen geglaubten Endzweck als Willen einer Person ihren deutlichen Abschluß finden. Anleitung dazu gibt einerseits die analoge Verknüpfung eigener Zwecke mit ihren Mitteln, andererseits oft die substantielle Vereinigung der Zweckfäden, wie z. B. in einer Maschine, in einem Buch usw. Das letztere ist nun in der Natur der Fall bei den organischen Wesen, sofern sich in ihnen die Mittel und deren beständige Anwendung zur Erhaltung des Individuums und der Gattung zusammen vorfinden, und über die Erhaltung hinaus auf eine Bestimmung jedes Lebens für die gemeinsame objektive Welt hinweisen. Die bekannte Frage nach diesem Naturzweck ist es, was wir mit der gesuchten Erklärung der Harmonie der Tatsachen als vollkommen homogen und entsprechend zusammenstellen, weil eine die andere erläutert und ergänzt und weil die Gesichtspunkte, unter denen man die eine betrachtet, auch für die andere geltend gemacht werden können. Die praktische Stellung des Naturzwecks als eines wissenschaftlichen Gegenstandes braucht uns hier nicht zu beschäftigen. Aus dem Begriff des Zwecks überhaupt geht hervor, daß eine besondere teleologische Untersuchungsweise neben der aitiologischen nicht existiert. Der aufgefaßte Zweck stellt das Problem; die Lösung aber kann nur durch ein Eingehen ins Spezielle angestrebt werden, und hier hört die spezifische Bedeutung des Zwecks auf. Die Bestandteile der Zweckverbindung sind ursächliche, ohne deren Kenntnis jedes Endurteil über den Zweck trügerisch ist. Daß in dieser Hinsicht oft gefehlt wurde, ist bekannt und hat zu Verurteilungen Anlaß gegeben, die gewöhnlich über ihr Ziel hinausgehen. Andererseits könnte man die Notwendigkeit des Begriffs aus der praktischen Brauchbarkeit ableiten wollen, indem der Zweck in der Tat öfters Fingerzeige für die Untersuchung gibt. Beides übergehen wir hier gänzlich. Die Notwendigkeit des Begriffs folgt aus der Möglichkeit. Ist die Idee des Naturzwecks vorhanden, so muß sie auf einen klaren Begriff zurückgeführt oder der Irrweg, auf dem sie entstanden ist, aufgedeckt werden. Es handelt sich dabei um die Klarheit der Frage; woher die Antwort kommen, und was der Begriff leisten soll, gehört nicht dazu. Die Frage nach der Möglichkeit aber lautet so: Können wir den Begriff des Zwecks, welcher aus der Auffassung der tatsächlichen Verfolgung eigener Zwecke gebildet ist, auf diejenigen Tatsachen anwenden, welche die Idee des Naturzwecks erregen? Seine Anwendbarkeit auf Veranstaltungen anderer Menschen wird nicht bezweifelt. Der Zweck geht hier nicht in der Ursache auf; denn das Verständnis des Kausalnexus führt für jedes vermittelnde Glied auf besondere Kräfte, deren höchster physikalischer Begriff in keiner Verbindung steht mit dem als Zweck auf gefaßten Vorgang, vielmehr erst der Spezialisierung und Kombinierung, folglich einer wesentlich neuen Erfindung bedarf, um den Zweck zu ergeben. Bei den natürlichen Organismen findet offenbar das Gleiche statt. Die Kombination der Organe, wie sie der Ernährung usw. entspricht, ergibt sich aus keiner ursächlichen Forschung; denn diese führt von der dazu nötigen Spezialisierung ab und muß im Gegenteil darauf gerichtet sein, die organische und anorganische Physik unter gemeinsame Prinzipien zu bringen. In beiden Fällen ist der Zweck von der Ursache durch ein Feld der freien Wahl getrennt und bildet einen neuen Einheitspunkt. Ihr Unterschied ist ein vollkommen objektiver, und beruth nicht erst auf der Idee des Urhebers, welchem die Wahl der Kombination und die Erfindung zugeschrieben wird. Letztere bildet demnach eine zweite Frage, die wir jedoch gleichfalls nur in Bezug auf die Möglichkeit des Begriffs betrachten. Bei menschlichen Werken ist sie oft ein notwendiges Zwischenglied für eine weitere objektive Untersuchung, und kann es sein, weil hier jede Aktion in bestimmter Zeit vom Leib des Urhebers ausgeht. Dieser Umstand fehlt, wenn der Zweck in der Natur einem Urheber beigelegt wird. Dadurch werden wesentliche Unterschiede im intellektuellen Gebrauch des Begriffs bedingt, auf den ich nicht eingehe, weil die Erörterung zu weit führen würde. Falsche Anwendungen haben ein Vorurteil gegen den Begriff selbst erzeugt. Die Scheidung des Inhalts vom Gebrauch soll es durchbrechen. Der Begriff des Urhebers hat einen Inhalt, auch wo der Beginn der Aktion unbekannt bleibt, und man an Folgerungen noch nicht denkt, nämlich in der persönlichen Identität des Geistes, auf dessen Willen eine Mannigfaltigkeit in Werken manifestierter Zwecke zurückgeführt wird. Die Umstände beim Beginn der menschlichen Aktion, deren Vorstellung sich mit der des Urhebers nach Gewohnheit verbindet, fügen zum Begriff keine Bestimmung hinzu, sondern spezialisieren nur den Weg zur Erreichung der Zwecke. Die Frage nach dem Urheber der Organismen ist demnach dadurch begründet, daß sie die darin manifestierten Zwecke sowohl unter sich als auch mit den in allen Vorgängen (physischen, historischen, ethischen usw.) erkennbaren Zwecken im Wollen ein und desselben Geistes zu verbinden sucht. Sie ist einesteils auf die Tatsache des persönlichen Selbstbewußtseins dieses Geistes, andernteils auf die Harmonie der Zwecke gerichtet. Ihre objektive, der Erkenntnis offene Seite ist allein die letztere. Die einzige Entwicklung, deren die erstere fähig ist, besteht in der Zunahme des Wertes der Tatsache,, auf welchem der Glaube an dieselbe für das einzelne Subjekt beruth, und welcher teilweise vom Erfolg der ersteren abhängig sein kann. Auf die Beantwortung der Frage in beiden Beziehungen kommt es hier nicht an. Sollte sich an sie allein auch das natürliche Interesse knüpfen, der erste Schritt dazu muß doch die Entfernung jedes Zweifels über den Grund und Gegenstand der Frage selbst sein; wie wenig man berechtigt ist darüber hinweg zu gehen, wird sich sogleich erhellen. In den genannten Punkten ist der Inhalt der Frage begrifflich derselbe für die Organismen wie für menschliche Anordnungen. Das Gleiche ist in Bezug auf die sie hervorrufenden Wahrnehmungen schon oben gezeigt. Hält man also an den vorstehenden Begriffsbestimmungen fest, so ist die Frage nach dem Urheber der Organismen eine reine logische Subsumtion. Bevor dies anerkannt oder bestritten wird, sind Schritte zur Beantwortung bedeutungslos. Der Entscheidung treten aber zwei Vorurteile in den Weg und lenken die Aufmerksamkeit von der Disjunktion [Unterscheidung - wp] ab. Das eine entspringt aus der gewohnten Anschauung, macht die in die Augen fallenden Umstände zum maßgebenden Merkmal des Begriffs und erklärt ohne Diskussion und Besinnen dessen Anwendung auf den Naturzweck zur bildlichen Übertragung. Das andere reagiert gegen Argumentationen, welche die Person Gottes zum Mittelglied des Urteils über die Natur machen und verwirft ohne Rechenschaft den Begriff zugleich mit seinem Gebrauch. Solange diesen Vorurteilen Geltung eingeräumt wird, ist der Sinn der Frage nach dem Urheber nicht frei von Zweifel, also die notwendige Vorbedingung der Antwort nicht erfüllt. Daß nun die Harmonie der Tatsachen ganz unter die Gesichtspunkte des Naturzwecks fällt, wird wohl kaum bestritten werden. Sie ist die geeignete Kombination der Mittel zur Entstehung und Erhaltung des Verstandes, insbesondere des Kausalitätsbegriffs, den wir als erreichtes Ziel vorfinden, daher in gleichem Sinn als partiellen Zweck auffassen und mit den übrigen Naturzwecken im Willen eines gemeinsamen Urhebers zu vereinigen versuchen können. Daß keine Kausaluntersuchung mit dieser Frage zu tun hat, ist gleichfalls deutlich. Ob letztere außer der Kausalfrage notwendig ist, soll die Zusammenstellung ergeben. Es zeigt sich nämlich im gewöhnlichen Zuwerkegehen folgende Abweichung. In den Organismen findet das gemeine Denken bei geringer Kenntnis der Ursachen sogleich einen Zweck; die Wissenschaft erklärt ihn für nichtig und behauptet sein Aufgehen in der Kausalerkenntnis. Umgekehrt scheint dem gemeinen Denken in der Idee der Ursache die ursächliche Einsicht selbst alles zu enthalten. Hier ist es gerade die Philosophie, welche die dort unterdrückte Frage aufwirft, indem sie die Kausalitätsidee durch ihren eigenen empirischen Erfolg nicht für begründet erachtet (denn darauf reduziert sich der bis heute noch nicht unumwunden abgetane Zweifel HUMEs). Wir brauchen daher nur Konsequenz zu fordern. Schließt sich die Philosophie auf der einen Seite gegen die Zweck- und Urheberfrage ab, so kann sie nicht auf der anderen fragen, woher die Fähigkeit der Tatsachen, kausal erkannt zu werden, stammt. Die Fähigkeit ist dann durch den erworbenen, empirisch gerechtfertigten Begriff vollständig erklärt, und das Auftreten der Tatsachen ist darum nicht zufällig, weil eine weitere Beziehung nicht gesucht wird. Genügt der Philosophie hier der einfache Genuß des Vorgefundenen nicht, so muß sie auf beiden Seiten eine Frage außerhalb der Kausalität zu lassen. Indem wir diese näher bezeichnet haben, ist gezeigt, daß wir die Harmonie der Tatsachen auch dann nicht als zufällig betrachten müssen, daß wir vielmehr die durch ihre Auffassung angeregte, der Kausalität fremde Frage in distinkten Erfahrungsbegriffen darlegen können. In Bezug auf Fragen, welche Raum und Zeit betreffen, will ich mich hier kurz fassen, weil sie eher als die übrigen eine gesonderte Behandlung gestatten. Die Eigenschaften des Raumes, seine unendliche Ausdehnung und Teilbarkeit, seine Kapazität, d. h. die Fähigkeit voll oder leer zu sein, und seine drei Dimensionen mögen schwer begreiflich scheinen, solange man bei der fertigen Raumvorstellung stehen bleibt, behalten hingegen nichts Undeutliches mehr, sobald man Tatsächliches und Geisteswerk voneinander scheidet. Die Kapazität ist das erstrebte und gelungene Resultat der Konstruktion der tatsächlichen Räumlichkeit. Die Unendlichkeit, extensiv und intensiv, besteht in der noch dauernden Fähigkeit des Geistes sein Werk zu wiederholen oder fortzusetzen, und ist dem tatsächlichen Raum fremd. Die Dreizahl der Dimensionen ist notwendig zur Umfassung aller gegebenen Raumverhältnisse. Weil sie aber dazu genau hinreicht, folglich das Konstruktionswerk plötzlich zu einem Abschluß kommt, so wird, wie in erwähnten analogen Fällen, durch den Eindruck der Wahrnehmung die Frage Warum? angeregt, welche unbewußt den Naturzweck sucht, irrigerweise jedoch für ein Desideratum innerhalb des Konstruktionsproblems selbst genommen zu werden pflegt. Der Begriff der Bewegung erhält durch den der substantiellen Identität sofort vollkommene Klarheit. Bei der Zeit ist die unendliche Ausdehnung im gleichen Fall wie beim Raum. Die Ewigkeit des Stoffes ist Bedingung des Substanzbegriffs; ihr steht, weil der Stoff nicht tatsächlich gegeben, sondern Geisteswerk ist, nichts entgegen, solange die Bestätigung der Idee durch die Tatsachen dauert. Mit der Ewigkeit des Stoffes scheint die Idee einer Weltschöpfung im Widerspruch zu stehen. Letztere bedarf der Analyse hinsichtlich der Zeit und des Aktes. Der objektive Zeitbegriff, welcher in den meisten Fragen bei der Analyse anderer Begriffe unzergliedert beibehalten werden kann, ist in der vorliegenden von keiner Anwendung; man muß auf die Tatsachen zurückgehen. Da nun in der Zeit nur die Gegenwart tatsächlich ist, so ist auch die Tatsache der Erschaffung der Welt eine gegenwärtige. Zur Gegenwart gehört, gleichfalls tatsächlich und mit erschaffen, die Tradition der Vergangenheit, welche erst durch die Anordnung des Geistes in die Ferne gerückt wird. Dieser Akt der Entfaltung der Vergangenheit zum Zweck sie zu überschauen berührt die Idee der Schöpfung nicht und läßt sich ohne Unterbrechung durch sie, also auch ohne Widerspruch gegen sie, ohne Ende fortsetzen, die Möglichkeit der materiellen Erfüllung der unendlichen Vergangenheit ist gleichfalls davon unabhängig. Ihre Beziehung zur Schöpfung ist demnach nur die folgende: Die Tatsachen werden gemäß den Bedingungen der von Ewigkeit her bestehenden Substanz und Kausalität gegenwärtig geschaffen. Setzt man nun die Schöpfung in einen bestimmten Zeitpunkt der Vergangenheit, so ist dies ein Akt teilweiser Objektivierung, welcher im Anschluß an die gewohnte Vorstellung eines Schaffens mit nachher selbständig fortdauerndem Erzeugnis die gleiche Zeitordnung für die neuere Genesis herstellt, da es für die ganze nicht möglich ist. Eine solche Objektivierung genügt der Bestimmung für das Wissen nicht und darf daher keinem Urteil zur Grundlage dienen. Ihre Rechtfertigung liegt in der Wiedergabe der durch sie nicht alterierten Tatsache. Diese bedarf einer gewissen objektiven Form, die sich jedoch allein nach dem Augenmerk der Aufnahme richtet, wozu die Form der vorgefundenen Anschauung am sichersten führt. Die gleiche Unterscheidung, d. h. die zwischen objektiver Richtigkeit und tatsächlicher Wahrheit ist in vielen analogen Fällen notwendig; ihre allgemeine Erörterung gehört zu einem der folgenden Themata. Was ferner den Akt der Schöpfung betrifft, so stammt der Begriff aus der Erfahrung des menschlichen Schaffens, welches sich vom Schaffen aus nichts als durch die Präzedenzen [Vortritten - wp] des Willens, seine Vorbildung am Gegebenen, nicht aber im Erzeugnis oder dessen momentanen Verhältnis zum Willen unterscheidet. Die kausale Kontinuität im Erschaffenen wird bei keinem von beiden durch den Akt aufgehoben; sie begründet daher keinen Einwand gegen die Subsumtion. In der Reihe der analysierten Ideen folgte die des lebendigen Leibes. Hier scheint insbesondere die Verbindung zwischen Leib und Seele der Erklärung bedürftig. Die vermeintliche Schwierigkeit beruth jedoch allein auf dem Fehler, daß man mit einer Vernachlässigung des Tatsächlichen von der objektiven Form, also vom Resultat einer großen Transformation, ausgeht. Es ist das Werk aller Objektivierung, das Ich zu eliminieren und die Verbindung der darin wurzelnden Ideen abzulösen. Mit dem Ich wird das eigentliche Wesen der Seele eliminiert. Von der objektiven Form, von der fertig ausgebildeten Idee des Leibes aus dessen Verhältnis zur Seele zu begreifen, ist daher ebenso unmöglich, wie aus der Gleichung ax + b = ax + c den Wert von x zu finden. Das ganze Verhältnis ist aber in der Art und Weise enthalten, wie die Seele aus den gegebenen Tatsachen die Idee ihres Leibes konstruiert, und läßt sich durch die Analyse vollständig darlegen. Das Nähere ist schon oben besprochen; ich erwähne daraus nur noch einen Punkt, an den sich Fehler anderer Art knüpfen. Das Verhältnis des Urhebers zur Tat und zu seinen Bestimmungsgründen ist kein kausales in einem physischen Sinn. Wird es bildlich als ein solches betrachtet, so kann dies nur Erkanntes veranschaulichen, aber keinen neuen Schluß rechtfertigen. Dennoch begegnet man noch fast überall der Ansicht, daß zwischen der Einwirkung auf den Willen und der ihm folgenden Handlung ein ununterbrochener Kausalnexus derart stattfindet, daß, wenn auch noch so bedingt durch problematische Erkenntnis, die letztere aus der ersteren folgt. Daß positive Resultate die Ansicht schon jetzt hinreichend zur Überzeugung feststellen, wird wohl kaum beansprucht; vielmehr beschränkt sich die Verteidigung gewöhnlich darauf, den Schein des Gegenteils zu bekämpfen, als wenn er auf einem bloßen Vorurteil der Gewohnheit beruhen würde. Auf diesem Standpunkt des Streites muß jedoch in Rechnung kommen, daß nicht bloß die Anerkennung der Willensfreiheit, sondern auch die bildliche Anschauung der Wirkung auf den Willen als anhängende Gewohnheit der unbefangenen Prüfung entgegensteht. Ein Vorurteil zugunsten einer Sache ist kein Argument gegen sie. Welches Motiv nun nach der Abweisung jener gewohnheitsmäßigen Vorstellungen bleibt, einen Kausalnexus überhaupt zu suchen, wird gewöhnlich nicht erklärt. Man hält es für selbstverständlich, daß alle Erkenntnis auf die Erforschung von Ursachen gerichtet sein muß, und für eine unausfüllbare Lücke des Wissens, wenn eine nicht durch Ursachen bestimmte Erscheinung statuiert werden soll. Dieses Axiom stammt aus der schon früher erwähnten Neigung, die Mittel und Wege der Erkenntnis von einer glücklicher situierten Wissenschaft zu borgen, statt sie dem neuen Gegenstand gemäß produktiv zu erfinden, der zufolge die Psychologie Physik werden müßte, um einen gleich wissenschaftlichen Standpunkt zu erreichen. Nur sofern man in den Begriff des Wissens alle Beschränkungen seiner historischen Manifestation aufnimmt, kann die Erforschung der Ursache als unumgänglich erscheinen. Wird einmal das Axiom in Frage gestellt, so kann man sehr leicht zur Überzeugung des Gegenteils kommen. Die erkannte Kausalität gibt nur dem freien Subjekt eine Überlegenheit. Wäre das Handeln des Erkennenden selbst durch Ursachen bestimmt, so würde das Wissen wertlos und überflüssig, wie für eine Pflanze, die durch kein Wissen mehr oder weniger ihrer Bedürfnisse teilhaft werden könnte, als sie es ohne dasselbe ist. Die Antwort auf die noch übrig bleibende Frage, welchen Ersatz die Kausalität hat, wenn die Allseitigkeit des Wissens selbst ihre Beschränkung fordert, läßt sich leicht im Allgemeinen geben. Der freie Wille wird nicht wie physische Vorgänge durch die Beherrschung und Unterordnung, sondern durch Beteiligung erkannt. Die Objektivität wird hier durch die harmonische Gestaltung des Willens der Zusammenlebenden erstrebt und teilweise erreicht. Die treibende Idee des objektiven Willens der Menschheit ist vorhanden und durch die Erzeugung unzähliger ethischer Begriffe offenbar. Es soll an dieser Stelle nur das Verhältnis der besprochenen Ansichten zu ihr erörtert werden. Die Reduktion der Ethik auf Physik ist, obwohl manchmal proklamiert, als wäre sie in nuce [im Kern - wp] vollendet, nie in Angriff genommen worden. Dagegen steht ein Prinzip, das von Vielen mit Konsequenz geübt wird, in naher Verbindung mit ihr, nämlich das Prinzip, in der Beurteilung der Charaktere jedes Motiv, wie in der Physik jede Ursache, auf das Einfachste zurückzuführen, ein Prinzip, das, wie leicht zu sehen ist, und von den zahlreichen Anhängern anerkannt zu werden pflegt, in jenem Pessimismus gipfelt, der die Erkenntnis der Charaktere im Nachweis ihrer Unechtheit, Schwäche und Beschränktheit sieht. Proben seiner Überlegenheit gelten häufig als Belege des Fortschritts anthropologischer Erkenntnis basiert auf die Hypothese der Unfreiheit. Man achte jedoch auf folgende zwei Umstände, welche den Anschein wohl genügend widerlegen:
2) Er behauptet nur Phantome zu vernichten; doch die wertgeschätzten Lebenselemente sind großenteils in vollendeten Tatsachen eingelöst; er kann daher nur durch Ignorierung der wertvollen Seite des Lebens, die für ihn stets unbegriffen bleibt, bestehen. Im ersten Abschnitt ist der Grund der Vermischung beider Begriffe kurz genannt: Der Glaube muß die Form des Wissens annehmen, um mitgeteilt zu werden. Keine Tatsache nämlich läßt sich ohne Objektivierung aussprechen; sie muß erst in Verbindung mit anderen zum Urteil gestaltet werden. Es ist daher unvermeidlich, daß man als Gegenstand und Inhalt des Glaubens oder der, Glauben beanspruchenden Zeugenaussage angibt, was nicht geglaubt werden kann, was nur dem Hörer zur Leitung der Gedanken auf die zu glaubenden Tatsachen dienen soll. Oft nun ist letzterer Zweck unvereinbar mit den theoretischen Anforderungen umfassenden Wissens, oft das Wissen ansich mangelhaft vorhanden; immer muß man im Auge behalten, daß weder die objektive Richtigkeit des Urteils noch seine Begründung notwendig ist für die Wahrheit des tatsächlich Ausgesagten. Die Versäumnis dieser Scheidung ist die Quelle von zweierlei Irrtümern, sofern nämlich entweder der theoretische Mangel die Tatsache in Zweifel stellt, oder umgekehrt die Gewißheit der geglaubten Tatsache auf das zu ihrem Ausdruck dienende Urteil übertragen wird. Im ersten Fall führt die Unkenntnis dessen, was dem Glauben positiv und ausschließlich eigen ist, zu der gewöhnlichen falschen Begriffsbildung, welche die unzureichende Begründung zum spezifischen Merkmal macht. Daß ein solcher Begriff, der nur durch Negation unterschieden wird, zur Lösung eines Konflikts mit der durch Definition negierten Sache untauglich ist, liegt auf der Hand. Die tatsächliche Geltung des Glaubens als einer festen, unbedingten Überzeugung ist nach Voraussetzung ungerechtfertigt, ihr Recht kann daher ohne Inkonsequenz nicht in Frage gestellt werden. Wichtiger ist der zweite Fall. Solange die Objektivierung der Tatsachen die Erlebnisse und den Verkehr der Zusammenlebenden ununterbrochen begleitet, verfehlt die Ausdrucksform selten den Zweck tatsächlicher Übermittlung, weil sie entsprechende Erfahrung verhindert; sie wird dann nicht leicht als theoretische Behauptung mißdeutet. Bei einem Zeugnis aus ferner Zeit hingegen fehlt die Stetigkeit der Formbildung im Anschluß an die Erlebnisse; die der Meinung entsprechende Erfahrung ist oft nicht vorhanden, wohl aber die objektiven Begriffe und Vorstellungen, die das Zeugnis anwendet. An diese allein hält sich dann die Auffassung und verfällt leicht in die Täuschung, als sei das objektive Urteil der Gegenstand des Glaubens, an dem unzählige Menschen Jahrhunderte lang festgehalten haben. Die Bedeutung der Autorität wird dann in der Forderung gesehen, das Urteil auch ohne befriedigendes Verständnis und Begründung als gültig anzuerkennen, worin gleichsam selbstverständlich die volle Verwendbarkeit zu Schlüssen zu liegen scheint. So verwandelt sich der Begriff des Glaubens in den eines examinierten Wissens, dem keine Erkenntnis vorhergeht, das in Ansprüchen und Behauptungen dem Wissen nebengeordnet, von dessen Bedingungen aber und dem Gebrauch seiner natürlichen Organe dispensiert wird. Aus dieser Begriffsentstellung ist nun der so tief in das Leben und die Geschichte eingreifende Krieg zwischen Dogmatismus und Vernunft hervorgegangen. Obgleich derselben größtenteils zwischen verschiedenen Vertretern verschiedener Tendenzen geführt wird, so müssen wir ihn doch, um die Wurzel des Streites zu erfassen, als einen solchen betrachten, der erst in einer Person mit Vertretung aller Interessen zum Abschluß zu bringen ist. Es handelt sich darum, den ideellen Zustand ans Licht zu stellen, in dem jedes berechtigte Element ohne Beeinträchtigung durch das andere frei seiner Bestimmung folgen und jede Entwicklungsstufe erreichen kann. Als berechtigt hat man das anzusehen, worin die Rechtfertigung des Strebens in letzter Instanz gesucht wird. In diesem Sinne ist die Lösung in der Tat vielfach in Angriff genommen worden. Daß im Dogmatismus eine Verkennung der Religion gelegen ist, wurde man mehr und mehr inne. Die Urkunden sollten nicht nach dem Buchstaben, sondern nach dem Geist aufgefaßt werden. Doch solange die Frage nicht gelöst war: Was ist das Dauernde, und was das Entwicklungsbedürftige im Dogma? trat jeder Deutungsversuch in Widerspruch mit dessen Bestimmung; die Verwicklungen häuften sich, und die Schwierigkeit einen gemeinsamen festen Standpunkt zu gewinnen wuchs. Durch die strenge Scheidung der Begriffe von Glauben und Wissen fällt jeder Widerspruch weg, und es wird eine klare, unabänderlich haltbare Stellung gewonnen, welche jene unbeeinträchtigte Entwicklungsfreiheit in voller Idealität gewährt. Die Bestimmung des Dogmas, die Gemeinsamkeit des Glaubens im Bewußtsein zu erhalten, ist unbestritten eine berechtigte. Solange jede Anwendung nur diesem Zweck dient, harmoniert sie nach allen Seiten, soweit es beim Glauben der Fall ist. Der Glaube ohne Anspruch eines Urteils steht keinem Wissen entgegen. Begrifflich ist also das Verhältnis beiderseitiger Freiheit völlig klar. Der Vergleich mit der Sachlage, wie sie ist, begegnet noch zwei zu diskutierenden Punkten. Doch sind vorher einige andere durch Erinnerungen an frühere Aufstellungen zu erledigen, welche bei den gewöhnlichen Vorstellungen Bedenken erregen können. Erstens: wenn es scheint, als bliebe nach der Verzichtleistung auf ein Urteil nichts übrig, als leere Einbildung, so ist nur die Gewohnheit daran schuld, alle Tatsachen erst von ihrem Objektivwerden an als solche zu rechnen. Dadurch werden aber hier die gewichtvollsten Tatsachen gestrichen. Zweitens: wenn es scheint, als wäre durch die geforderte Scheidung auch jede Verbindung des religiösen Glaubens mit der Lebenstätigkeit aufgehoben, so beruth dies auf einer bisher sehr begünstigten Verwechslung. Nur die sehr gewöhnlich mystische Behandlungsweise wird dadurch abgeschnitten, nicht aber die rationale, welche die Tatsache als reinen Gegenstand des Verlangens der Einsicht aufnimmt, diese unter beständiger Kontrolle des Verstandes sucht, und jedes Urteil auf das Erkannte beschränkt. Die erste nicht mit einem Mal zu erledigende Frage ist aber die: Enthält der Begriff des Glaubens in der aufgestellten Beschränkung alles, was die Religion fordert? Ich werde von den zahlreichen Belegen dafür keinen anführen, sondern nur die Gegensätze, auf welche es bei der Beantwortung ankommt, darlegen. Was hier entgegengesetzt wird, ist die unmittelbare, auf die einzelne Seele bezügliche Tatsache als Gegenstand des Glaubens, durch welchen sie dann eine neue, auf ein persönliches Verhältnis bezügliche wird, und die objektive Idee, welche sie den gemeinsamen allgemeinen Begriffen unterordnen soll, die ich aber nicht dem Glauben, sondern allein der Verstandestätigkeit zugerechnet wissen will. Es ist die Frage: Kann jemand die Notwendigkeit der Objektivität des zu Glaubenden irgendwo im Geist der Religion begründet finden? Ohne Besinnen werden das Viele bejahen; ich meine aber, daß es jemand eingehend verteidigen wird. Unter allen zur Lösung des Konflikts versuchten Scheidungen ist die hier geforderte noch nie in Betracht gezogen worden, weil die Zusammengehörigkeit der Objektivität mit der Tatsache in allen Dingen, darum auch in der Religion selbstverständlich schien. Gelangt nur das zur Anerkennung, daß sie in klarer, entschiedener Weise möglich ist, so ist für jetzt genug erreicht: der Streit kann auf seinem bisherigen Angelpunkt nicht stehen bleiben; die usurpatorischen Tendenzen auf beiden Seiten verlieren ihre bisherige Rechtfertigung; das Weitere hängt von den nachher zutage tretenden Meinungsverschiedenheiten ab. Zur Verdeutlichung des Ergebnisses knüpfe ich hieran noch folgenden Hinweis auf Bekanntes. In der Geschichte der verschiedenen Religionen lassen sich zwei in ihrer Quelle entgegengesetzte, in ihrer Erscheinung aber sich nahe berührende Ausartungen wahrnehmen, Dogmatismus und Aberglaube. Der erstere geht vom Glauben aus, vertauscht aber seinen Inhalt mit der objektiven Form; der letztere nimmt seinen Anfang in einem unreifen objektiven Wissen, geht aber von da mit Sinkenlassen der Verstandeskontrolle zu einem religiösen Vertrauen an das Objektive über. Die Entfremdung der Religion vom Geist der ursprünglichen Stiftung durch beide im Laufe der Jahrhunderte pflegt deutlich zu werden; daß aber die Objektivität die Schwelle der Ausartung ist, liegt der gewöhnlichen Vermutung fern. In ihr ist eine rationale Unterscheidung des reinen Glaubens vom Aberglauben gegeben, die auf keinem Mehr oder Weniger beruth und die bisher gefehlt hat. Damit aber das Kriterium zur Anerkennung gelangen kann, muß erst der Nimbus verschwinden, den die Objektivität noch immer für die Philosophie behauptet. Die Objektivität muß als ein Werk des menschlichen Geistes auch ganz in dessen Hände gegeben werden, und darf nicht als unnahbarer und unauflösbarer Grund allen Denkens und Tuns dastehen. Die zweite Frage ist: Kann das Wissen die Tatsache dem Glauben frei überlassen? Ihrer Entscheidung mögen einige Erläuterungen vorausgehen. Der Glaube hängt vom Wert der Tatsache für das Subjekt ab. Dieser wird durch das Wissen, in welches die Tatsache als notwendiges Glied eintritt, erhöht, oft sogar ganz ausgemacht. Die Tatsache wird dann wegen ihrer Notwendigkeit für das Wissen geglaubt, und dies bezeichnet der Ausdruck "eine Tatsache wissen". Beim Wissen künftig zu erlebender Tatsachen ist die Wertverleihung eine gegenseitige. Hierher gehören die unzähligen partikularen Zwecke, welche die Praxis des gemeinen Lebens leiten. Daher hat der durch Verschmelzun entstandene Begriff des Wissens die ausgedehnteste praktische Bedeutung. Er ist dagegen untaulich für die Logik, wenn nicht seine heterogenen Elemente geschieden im Bewußtsein erhalten werden. Der häufigste und folgenreichste daraus entspringende Fehler besteht darin, daß man die Festigkeit des Glaubens der Tüchtigkeit des Wissens zurechnet. Die wiederholte Wahrnehmung wiederkehrender Vorgänge reicht oft ohne alle Einsicht in den Zusammenhang für eine sichere Behauptung aus und gilt dann gewöhnlich als vollkommenes Wissen. In einem ähnlichen Fall ist der in Resultaten mitgeteilte, im Vertrauen auf die Autorität aufgenommene Lehrstoff. Er bringt die Meinung eines sicheren eigenen Wissens hervor, wo nur der Glaube an das Wissen eines Andern vorhanden ist. Beide Umstände wirken in so ausgedehntem Maß auf die Entstellung des Wissensbegriffs, daß der verderbte den echten ganz zu verdrängen vermag. Das Wissen wird als ein sicherer Besitz angesehen; es fehlt ihm aber das Bewußtsein der Fähigkeit zur Erwerbung und Fortbildung, die Selbstkontrolle, die Bekanntschaft mit den Grenzen und der restierenden Aufgabe der Wissenschaft. Diese Meinung des sicheren Besitzes verhält sich ganz anders zur gegenwärtigen Frage als die fortschreitende Erkenntnis. Letztere schätzt die Begegnung abweichender Tatsachen als leitende Instanz, erstere empfindet sie als Verkürzung und Entwertung des Wissens und wehrt sich gegen die Anerkennung einer jeden, die sich den gewohnten Begriffen nicht fügt. Fragt es sich nun, ob nach der Herstellung der echten Begriffe von Glauben und Wissen das letztere bei voller Anerkennung der Freiheit des ersteren bestehen kann, so würden die Begriffe in ihrer Allgemeinheit ein weit ungünstigeres Resultat ergeben, als es der wirklichen Sachlage entspricht. Es muß hier auf einen oben nur beispielsweise erwähnten Unterschied zwischen den Tatsachen Gewicht gelegt werden. Die distinkten sinnlichen Tatsachen machen zwar nicht das alleinige vom Wissen beherrschte Gebiet aus; doch fallen seine Anfänge, seine Organe und seine auf sein Bestehen gerichtete Tätigkeit ganz in deren Bereich, so daß dieses Bestehen von außerhalb nie in Frage gestellt, seinem intensiven Fortschritt kein Hindernis bereitet werden kann. Keine sinnliche Tatsache hat aber als einzelne einen hinreichenden Wert, daß ein reiner, unmittelbarer Glaube daran festhalten könnte. Hier ist der Glaube immer durch ein Wissen bedingt, und nur durch Verirrungen, wie sie oben näher bezeichnet sind, kann es geschehen, daß er sich außerhalb desselben festsetzt. Zieht man alles Vorstehende in Betracht, so reduzieren sich alle angeblichen Proteste des Wissens gegen den Glauben auf folgende zwei Fälle: entweder protestiert ein reiferes Wissen gegen einen Aberglauben, oder die Meinung sicheren Besitzes gegen die Unterbrechung der Gewohnheit. Endlich ist noch ein Wort zu sagen über die Chimäre der absoluten Erkenntnis. Es ist leicht, ein unerreichtes Ziel des Strebens Chimäre zu nennen, wenn damit nur gesagt sein soll, daß wir nicht an seine Erreichung glauben. Die Hauptsache aber ist - und so verstehe ich es auch hier - daß das Streben in Verkennung der Natur des Gegenstandes am höheren Ziel vorbeigeht, dem es seine Rechtfertigung entlehnt. CARTESIUS wollte ein Gebiet des reinen Geistes schaffen, in welchem Irrtum unmöglich wäre, und hoffte es vom geringsten Umfang allmählich über das ganze Gebiet des vermeintlichen Wissens zu erweitern. Dieses Ziel war ein Chimäre, nicht weil es ferner und ferner zu rücken scheint, sondern weil das darauf gerichtete Streben am höheren Ziel, der Befriedigung des Wissensbedürfnisses, in falscher Auffassung des Wesens der Erkenntnis vorbeigeht. Die Frage: Haben wir eine im festen Fortschritt begriffene, jeden Irrtum ursprünglich ausschließende Erkenntnis erlangt? - bedarf keiner Erörterung; ihr kommen zwei historische Erscheinungen zuvor. Erstens: der kartesische Gedanke ist Jahrhunderte lang verfolgt worden, philosophische Systeme, durch ihn hervorgerufen, haben Anhänger in Menge erworben, die mit CARTESIUS in der vorgefaßten Meinung einig waren, daß nur Erkenntnis mit absoluter Gewißheit befriedigen kann; aber die befriedigende Gewißheit ist nicht eingetreten. Zweitens: auf einem entgegengesetzten Weg sind inzwischen empirische Wissenschaften emporgewachsen, die sehr fern von ursprünglicher Gewißheit in festem Fortschritt allseitig anerkannte Resultate mit befriedigender Gewißheit geben. Das kartesische Ziel ist umgangen und hat sich dadurch als Chimäre erwiesen. Es lag abseits vom natürlichen Weg. Der isolierte Geist erlangt weder absolute noch befriedigende Gewißheit; der vielfach irrende, aber zweckbewußte und achtsame Geist hingegen gewinnt stufenweise die Fähigkeiten und Mittel zu seiner richtigen Leitung, das im wachsende Gewicht seiner Schöpfungen verleiht ihnen die erforderliche Sicherheit. Die Wahrnehmung der genannten Erscheinungen ist nicht ohne Einfluß auf die Gestaltung der Philosophie gewesen, aber sie hat bis heute nicht dazu geführt, daß man eine falsche Grundansicht über das Wesen der Erkenntnis aufgegeben hätte. Wenn der Zweifel und die Verzweiflung an der Fähigkeit zur absoluten Erkenntnis dazu genügen würde, daran hat es nicht gefehlt; sollte daraus eine bessere Einsicht hervorgehen, so hätte zumindest das negative Resultat zur offenen Erklärung gelangen müssen, statt daß man sich bemüht, es zu verhüllen. Auch die positive Seite der Wahrnehmung ist gewürdigt worden, indem man der Erfahrung eine Stelle in der Erkenntnis eingeräumt hat. Doch dem Zugeständnis wurde sogleich die Spitze abgebrochen. Bewährte Resultate und Methoden der Empirie erkannte man an; daß aber die Philosophie selbst empirisch produktiv werden, am speziell Gegebenen die entsprechenden Methoden suchen und erfinden, überhaupt mit ungewissen Anfängen beginnen sollte, das schien ihrem Wesen zuwider. An den Verheißungen der reinen Deduktion wurde man irre und fragte, was die Induktion zu bieten hätte. Doch diese war nur ein weiterer machtloser Götze. Die Verbürgung des Wissens, eine Versicherung der Ernte war es immer, was man suchte, und hierzu taugte die Induktion noch weniger. Der entscheidende Schritt, welcher von der Geschichte immer dringender gefordert wird, ist noch nicht geschehen: die offene und gänzliche Lossagung vom abergläubischen Vertrauen, welches an der Abstammung des Wissens hängt, und welches der freien Forschung noch überwältigend entgegensteht. Der herrschenden Strömung gegenüber, welche in philosophischen Dingen bei fehlendem absoluten Wissen selbst die Behauptung absoluten Unvermögens der Untersuchung ohne Garantie vollzieht, sind halbe Schritte erfolglos. Die Empirie gibt das nicht, was die Menge sucht; will man sich nicht mit Zuständen befreunden, in denen Anhänger nur durch immer neue Täuschungen gewonnen werden, so muß man von Grund auf dem verbreiteten Irrtum entgegentreten, welcher die Gewißheit zur selbstverständlichen Voraussetzung des Wissens macht und für produktiv ansieht. Die Gewißheit erzeugt nicht Gewißheit, sondern ist eine Frucht der Leistung, der sie auch ungesucht, wenngleich oft spät nachfolgt. ![]() |