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Das Handeln
Einleitung 2. Die in der Lehre vom Wissen dargelegten Mittel und Gesetze des Erkennens gelten auch für die Erkenntnis der sittlichen Welt. Dieser Satz ist bereits dort begründet worden; hier ist die Aufgabe, diese Mittel anzuwenden und durch den Erfolg eine Bestätigung derselben zu liefern. Die Wissenschaft hat deshalb auch auf sittlichem Gebiet nicht mit Ideen oder sachlichen Prinzipien zu beginnen, aus denen sich der besondere Inhalt zu erzeugen oder dialektisch zu entwickeln hätte, sondern sie hat, gleich der Naturwissenschaft, mit der Beobachtung des einzelnen Seienden zu beginnen, daraus durch begriffliches Trennen und durch Induktion das Allgemeine und die Gesetze zu gewinnen, und sodann die Ergebnisse in eine übersichtliche Ordnung zu stellen. - Die wissenschaftliche Darstellung kann die zahllosen Untersuchungen des Einzelnen, aus denen das Allgemeine gewonnen worden ist, nicht in sich aufnehmen; sie beschränkt sich in der Regel auf die Ergebnisse dieser Untersuchungen; aber sie ist jederzeit imstande, die Ableitung dieser Ergebnisse aus der Beobachtung des Seienden nachzuweisen und damit zu begründen. 3. Die nachfolgende Darstellung wird daher mit den Elementen des menschlichen Handelns beginnen. Unter diesen Elementen treten die Gefühle der Lust und der Achtung als besonders bedeutsam hervor und werden zum Gegenstand einer besonderen Untersuchung. An diese schließt sich die Frage der Freiheit. Von den Elementen wendet sich dann die Darstellung zunächst zu den einfachen Verbindungen des Handelns und sodann zu den reichen und verwickelten Gestaltungen der sittlichen Welt, welche deren Gliederung darstellen und die Bewegung in ihr vermitteln. Dann folgt die Untersuchung des Verhältnisses, welches auf sittlichem Gebiet zwischen Wissenschaft und Gegenstand besteht und eine Rückwirkung jener auf diesen herbeiführt. Den Schluß bildet die Untersuchung der geschichtlichen Bewegung innerhalb des Sittlichen und der dafür geltenden Gesetze. 1. Das Ziel 1. Die sittliche Welt kann in einzelne Handlungen aufgelöst werden, welche eine unerschöpfliche Mannigfaltigkeit zeigen. Eine umfassende Betrachtung derselben läßt zuletzt überall vier Bestandteile erkennen, welche in jeder Handlung wiederkehren und als die wesentlichen oder begrifflichen Bestimmungen derselben gelten müssen. Es sind
2. der Beweggrund, 3. das Wollen und 4. die Ausführung 3. Das Ziel kann ein äußerliches oder innerliches sein, und das innerliche Ziel kann dem Handelnden des Wildes für den Jäger, die Ankunft im Hafen für den Schiffer sind äußerliche Ziele; das Lernen der Vokabeln für den Schüler ist sein eigenes innerliches Ziel; die Erbauung der Zuhörer ist für den Kanzelredner ein innerliches Ziel in anderen; ebenso für den Lehrer die Vermehrung des Wissens seiner Schüler. 4. Alle Ziele gehen auf die Zukunft; in dieser wird ihre Verwirklichung erwartet. Das bereits Gegenwärtige oder schon Vergangene kann kein Ziel abgeben. Der Geschichtsschreiber, der Richter beschäftigt sich zwar mit Vergangenem; aber das, was er erzielen will, ist die Erkenntnis dieses Vergangenen oder deren Verbreitung; diese fallen in die Zukunft. 5. Die Vorstellung des Zieles kann bestimmt oder unbestimmt sein. Das bestimmte Ziel umfaßt alle Eigenschaften und Folgen des begehrten Gegenstandes, welche sich zur Zeit überblicken lassen; bleiben hierbei Lücken, so ist die Vorstellung unbestimmt. Die große Mehrzahl der Ziele wird nur unbestimmt vorgestellt; der Mensch neigt dazu, die angenehmen Seiten des Zieles lebendiger und bestimmter vorzustellen als die unangenehmen; deshalb findet er sich bei der Erreichung des Zieles so oft in seinen Erwartungen getäuscht. 6. Die Ziele sind ihrem Inhalt nach bald einfach, bald mehr oder weniger umfassend. Das Ziel des in die Stadt zur Abhlung eines Briefes gesandten Boten ist einfach; umfassender wird sein Ziel, wenn er mehrere Besorgungen zu machen hat; am umfassendsten sind die Ziele eines Feldherrn, eines Staatsmannes, eines Religionsstifters. Deshalb müssen für die Verwirklichung umfassender Ziele die Kräfte mehrerer Menschen eintreten. 1. In die Seele treten viele Vorstellungen ein, welche ansich zum Ziel einer Handlung genommen werden könnten; dennoch geschieht dies nicht bei allen. Dies zeigt, daß das bloße Vorstellen und Denken nicht ausreicht, das Wollen zu wecken; sondern daß noch ein anderes hinzutreten muß. Dies ist der Beweggrund. Der Beweggrund kommt nicht aus dem reinen Vorstellen, auch nicht aus dem Begehren, sondern er entspringt den Gefühlen. 2. Die Gefühle sind zweifacher Art; entweder Gefühle der Lust und des Schmerzes oder Gefühl der Achtung. Das Wollen des Menschen wird nur durch diese Gefühle bestimmt. Ein gegenwärtiger Schmerz erweckt das Begehren nach seiner Aufhebung; eine vorgestellte Ursache der Lust erweckt das Begehren nach ihrer Verwirklichung; eine Handlung, vorgestellt als von einer sittlichen Autorität geboten, erweckt das Wollen, sie zu tun. In all diesen Fällen ist es also nie die Vorstellung des Gegenstandes oder des Gebotes ansich, welches das Wollen erweckt, sondern ein gegenwärtiger Schmerz oder eine zukünftige, mit der Verwirklichung verbundene Lust oder sittliche Befriedigung. 3. Dieser Grundsatz ist von großer Bedeutung. In vielen Systemen wird er übersehen und das Denken als ein unmittelbarer Bestimmungsgrund des Wollens behauptet. Schon bei den Stoikern galt die Vernunft als eine solche unmittelbare Macht über den Willen, und die idealistischen Systeme seit KANT haben das Wesen der Sittlichkeit gerade darin gesetzt, daß bei das Wollen und Handeln nur durch das Denken, ohne Beimischung eines Gefühls bestimmt wird. KANT ist hier noch schwankend; bald soll das Allgemeine unmittelbar den Willen bestimmen; bald schiebt KANT die Achtung vor dem Gesetz als Vermittlerin ein; allein die Späteren, wie FICHTE und SCHLEIERMACHER, setzten das Sittliche in die Macht der Vernunft über das Natürliche, und bei HEGEL verwandelt sich diese Macht des Denken zu einer Identität von Denken und Wollen. 4. Bestände eine solche unmittelbare Bestimmbarkeit des Wollens durch das Denken, so müßte das bloße Wissen des Sittengesetzes auch den sittlichen Charakter und ein ausnahmsloses sittliches Leben zur Folge haben, und der gründlichste Kenner der Moral wäre allemal auch der sittlichste Mensch. Ebenso müßte jede bloße Vorstellung eines sittlichen Gebotes den Gedankengang unterbrechen und die Verwirklichung der Vorstellung oder das sittliche Handeln herbeiführen. Indem nach diesen Systemen die Vernunft immer vermag, den Trieben der Lust zu widerstehen, also die höhere Macht darstellt, wäre bei einer unmittelbaren Wirksamkeit derselben auf den Willen das Unsittliche überhaupt unmöglich; die bloße Vorstellung des sittlichen Gebots würde genügen, um das stärkere Wollen zu erwecken und den Trieb zu überwinden. Das alles widerspricht aber der Erfahrung; schon das Sprichwort erkennt an, daß der Mensch das Bessere einsieht und doch das Schlechtere tut. 5. Das Denken bedarf also noch einer Hilfe, um den Willen zu bestimmen, und diese Hilfe kommt nur von den Gefühlen, welche im Beweggrund zur Wirksamkeit gelangen. Dieses Gesetz gilt ausnahmslos; für das sittliche, wie für das unsittliche Wollen. Deshalb begnügt man sich auch bei der Erziehung nicht mit der Ausbildung des Wissens, sondern fordert die Bildung des Charakters und die Pflege des sittlichen Gefühls. Die Untersuchung des Beweggrunds führt hiernach zu einer Untersuchung der Gefühle, welche bei ihrem reichen Inhalt den folgenden Abteilungen vorbehalten bleibt. 1. Das Wollen gehört, wie das Vorstellen und das Gefühl, zu den elementaren Zuständen der Seele, welche nicht definiert, sondern nur durch Selbstwahrnehmung kennen gelernt werden können. Auf diesem Weg ist auch jeder damit vollkommen damit vertraut. Das Wollen besondert sich nicht, wie das Vorstellen und das Gefühl, zu unterschiedenen Arten, sondern es ist überall, wo es auftritt, ein und dasselbe einfache Streben, Begehren, Verlangen, welche die zur Ausführung des Zieles nötigen Kräfte oder Bewegungen erweckt. Es besteht deshalb auch kein Unterschied zwischen Wollen und Begehren. Wenn einzelne Systeme beide unterscheiden, oder ein höheres und niederes Begehrungsvermögen annehmen, so setzen sie den Unterschied derselben nur in den Bestimmungsgrund; je nachdem die Vernunft oder die Lust als solche auftritt. Dieser Unterschied trifft also nicht das Wollen selbst, sondern nur seine Ursache. Auch das Verabscheuen ist nur das Wollen eines Nicht-Seins; der Unterschied trifft nicht das Wollen, sondern das Ziel. 2. Das Wollen ist auch nicht die Kraft oder die Bewegung selbst, welche sich in der Ausführung darstellt, sondern nur die Erweckerin derselben. Es kann das Wollen da sein und die Ausführung unterbleiben, weil die Kraft fehlt; umgekehrt kann die Kraft da sein und mitunter selbst die Bewegung, wie bei Krämpfen, ohne das Wollen. 3. Das Wollen ist auch nicht identisch mit dem Denken; derselbe Gedanke ist bald mit, bald ohne das Wollen. Der Gesättigte hat den Gedanken des Essens so bestimmt und so stark wie der Hungrige, aber ohne das Begehren des Letzteren. Das Wollen ist auch kein Gefühl; vielmehr geht das Wollen der Lust voraus und erlischt mit dem Eintritt derselben. Umgekehrt geht der Schmerz dem Begehren nach seiner Aufhebung voraus. Ähnliches gilt für das sittliche Gefühl. 4. Die einzigen Unterschiede, welche am Wollen hervortreten, betreffen den Grad und die Dauer des Wollens. Die Stärke des Wollens wird hauptsächlich durch die Stärke der Gefühle bestimmt, welche sich im Bewegungsgrund geltend machen. Auch wirkt eine wahrgenommene Ursache der Lust stärker als eine bloß vorgestellte. Das Wollen gehört mit den Gefühlen zu den seienden Zuständen der Seele und bildet deshalb mit diesen den Gegensatz zu den wissenden Zuständen oder Vorstellungen. Letztere wechseln in der Regel weit schneller als jene, und nur, wenn sich die Vorstellungen mit Gefühlen oder mit dem Wollen verbinden, nehmen sie an der längeren Dauer und beharrlichen Natur derselben Teil. 5. Das Wollen vermittelt die Ausführung des Ziels. Diese Vermittlung geschieht immer auf ein und dieselbe Weise. Das Wollen steigert
2) die motorischen Nerven der betreffenden Gliedmaßen, soweit die Ausführung eine körperliche Bewegung erfordert. 6. Bei der Mannigfaltigkeit des Inhalts und der Folgen eines Zieles kann es kommen, daß mit der Ausführung und Verwirklichung desselben sich nicht bloß Lust, sondern auch Schmerz, nicht bloß sittliche Billigung, sondern auch sittliche Mißbilligung verknüpft. Mit der Erkenntnis dieser Verbindungen entwickeln sich daher schon vor der Ausführung entgegengesetzte Beweggründe, und diese erwecken entgegengesetzte Wollen, von denen das eine das will, was das andere nicht will. Dieser Kampf des Wollens gehört zu den wunderbarsten Zuständen der Seele; er zerreißt gleichsam die Einheit derselben und spaltet die eine Seele in zwei Seelen, welche beide die Kräfte derselben und des Körpers in ihren Dienst ziehen, um den Sieg über das entgegengesetzte Wollen und damit die Ausführung ihres Zieles zu gewinnen. Diese Erschütterung der Einheit der Seele ist deshalb schon als solche mit einem peinlichen Gefühl verbunden. 7. Während des Kampfes wechselt vielfach die Stärke der sich bekämpfenden Begehren; bald wird dieses, bald jenes das stärkere; allein trotz dieser Ungleichheit bleibt doch, solange der Kampf dauert, die auf die Ausführung gerichtete Wirksamkeit beider Begehren gehemmt. Merkwürdig ist es, daß dies nur für die unmittelbare Ausführung gilt; dagegen zeigen beide Begehren eine Wirksamkeit auf Nebensächliches, was aber mittelbar dazu dienen kann, den Sieg des einen oder anderen Begehrens herbeizuführen. So kann eine sinnliche Regung oft nicht unmittelbar durch das sittliche Wollen niedergehalten und vertrieben werden; aber das letztere vermag wenigstens so viel, daß der Mensch ein Buch zur Hand nimmt oder zur Stube hinausgeht und so mittelbar ihm den Sieg verschafft. Hierauf beruth auch die Dialektik der Triebe, welche allerhand Gründe auffindet, um das sittliche Wollen mittelbar zu beseitigen, wenn es geradezu nicht beseitigt werden kann. 8. Dieses Schwanken der Seele, dieser Zustand der Unentschlossenheit kann lange Zeit andauern; er kann auch auf eine Zeit lang durch andere Gedanken und Handlungen unterbrochen werden, um in einer späteren Zeit wieder hervorzutreten. Das Ende des Kampfes wird mit Entschluß bezeichnet. Er tritt dann ein, wenn das eine Begehren ganz erlischt und damit seine Hemmung der Wirksamkeit des andern aufhört. - Die bloße Überlegung des Inhalts und der Folgen eines Zieles enthält noch keinen solchen Kampf; diese Überlegung ist als solche eine bloße Bewegung innerhalb des Denkens; erst wenn das Wollen durch die erkannten Beziehungen zur Lust und zum sittlichen Gefühl erwacht, tritt der Kampf ein, welcher der ruhigen und besonnenen Überlegung meist hinderlich wird. 9. Da nicht leicht ein Handeln gefunden werden kann, was nicht in seiner Ausführung oder in seinen Folgen diesen Zwiespalt des Begehrens zu erwecken geeignet wäre, und da die Gründe für und gegen sich ohne Ende fortspinnen, so würde der Mensch kaum zu einem Entschluß gelangen, und sein Zustand würde ein unerträglicher werden, wenn sich nicht allmählich die Sitten gebildet hätten, welche gleichsam den rechten Weg aus diesem Labyrinth der Zweifel zeigen und die beste Lösung darstellen. Indem der größte Teil des Handelns des Menschen innerhalb dieser Sitten fällt, ist ihm selbst jene endlose Erwägung erspart, welche viele Generationen vor ihm und für ihn gemacht und durch die mannigfachsten Versuche erprobt haben, ehe sich die beste Lösung zur Sitte gestaltete. Indem der Einzelne diesen Sitten bewußt oder unbewußt folgt, bleibt der in seinem Handeln ansich enthaltene Gegensatz ihm selbst verborgen; man meint, daß keine Kollision besteht, und selbst die Systeme beschränken daher die sogenannten Kollisionen der Pflichten auf einzelne, als Ausnahmen auftretende Fälle, ohne zu bemerken, daß diese Kollisionen für den Menschen ununterbrochen und in jeder seine Handlungen bestehen. 10. In vielen Systemen wird dieser Widerstreit des Begehrens als ein Widerspruch behandelt. Wäre dies richtig, so würde dieser Widerstreit unmöglich sein; vielmehr ist er gleich dem aus entgegengesetzten Bewegungen und Kräften hervorgehenden Druck ein Wirkliches, bei dem nur die Wirkung des einen durch die des andern aufgehoben ist. Deshalb ist die in diesen Systemen und auch bei KANT auftretende Beweisführung falsch, welche die Unzulässigkeit des einen Begehrens damit widerlegt, daß es zu einem logischen Widerspruch mit dem andern führt. Wäre dies richtig, so bedürfte es dieser Sorge um das bessere Begehren nicht; der Widerspruch würde das Eintreten des Andern ohne weiteres unmöglich machen. Indem es dennoch eintritt, erhellt sich, daß es sich hier nur um einen Widerstreit handelt, und daß die Lösung dafür auf einem anderen Weg, als dem des logischen Widerspruchs gesucht werden muß. 11. Dies gilt auch vom Prinzip der Wahrheit, welches WOLLASTON für die Sittlichkeit aufgestellt hat. Es wird dabei das einzelne Wollen als das Denken eines allgemeinen Satzes aufgefaßt und dadurch der Kampf entgegengesetzter Begehren zu einer Behauptung widersprechender Sätze umgewandelt, welche als eine Unwahrheit nicht stattfinden darf. Ähnlich verhält es sich mit HEGELs absoluter Strafrechtstheorie. Auch hier wird die einzelne verbrecherische Handlung als eine Negation der sittlichen Regel, und die Strafe als eine Negation dieser Negation, oder als die Bejahung dieser Regel behauptet, welche deshalb, wenn die Regel bestehen soll, der ersteren Negation nachfolgen muß. Diesen Auffassungen unterliegt eine Vermischung des Wollens mit dem Denken. Das Wollen ist aber nie ein Denken; es ist mit der Vorstellung eines Ziels nur verbunden; aber selbst dieses Ziel ist immer nur ein Einzelnes und nie ein allgemeiner Satz oder eine Regel. Es kann deshalb eine Handlung einer Regel wohl widerstreiten, aber nie dieselbe verneinen oder ableugnen. Indem der Verbrecher seine Handlung verheimlicht, ja, vor sich selbst möglichst verhehlt, erkennt er vielmehr die Geltung der sittlichen Regel selbst in seinem Verbrechen an. 12. Derselbe Fehler kehrt bei HEGEL wieder, wenn er (VIII. Seite 36) im Willen
b) das Element der Bestimmtheit (Endlichkeit, Besonderung) und c) die Einheit dieser beiden Momente (Einzelheit, Freiheit) 13. Auch SPINOZA verwechselt das Wollen mit dem Bejahen und Verneinen (Ethik II, Lehrsatz 39). Nur dadurch wird es ihm so leicht, das Denken und Wollen als identisch zu erklären und die Freiheit des Willens* zu beseitigen. Das Bejahen einer Vorstellung ist nichts als die Wissensart des Fürwahrhaltens oder die Gewißheit. Diese ist auch schon nach der gewöhnlichen Meinung nicht vom Belieben abhängig, sondern an bestimmte Umstände nach festen Gesetzen geknüpft. Allein dieses Bejahen ist kein Wollen, und SPINOZA ist deshalb in der Lehre von den Affekten genötigt, das wirkliche Wollen unter dem Namen des Strebens (Conatus) wieder einzuführen. 1. Die Ausführung setzt das bloß vorgestellte Ziel in ein seiendes oder wirkliches um. Dies gilt selbst für Ziele, deren Verwirklichung sich innerhalb des Vorstellens hält, wie z. B. die Überdenkung einer Predigt, das Kopfrechnen, das Raten eines Rätsels. Das Wissen löst sich hierbei in eine zeitlich verlaufende Bewegung der Gedanken auf; es bleibt deshalb kein reines Wissen, sondern wird als Wissensart mit seienden Elementen gemischt. 2. Die Ausführung kann eine geistige oder eine körperlich oder beides sein. Das Ausrechnen eines Exempels im Kopf ist eine geistige Ausführung des Ziels. Das Aufstehen von einem Stuhl, die Bewegung der Hand, das Aussprechen der Worte ist eine körperliche Ausführung. Alle verwickelteren Handlungen erfordern beide Arten der Ausführung. In vielen Systemen wird fälschlich infolge einer Vermischung des Willens mit dem Denken nur die körperliche Ausführung als Ausführung behandelt. 3. Der geistige Teil der Ausführung geschieht nur im Denken, was aber durch Wahrnehmungen und Mitteilungen unterstützt werden kann. Es bewegt sich entweder in der näheren Bestimmung des Zieles nach seinem Inhalt und seinen Folgen oder in der Aufsuchung der Mittel, welche zu seiner Verwirklichung führen. Das Denken kann deshalb in allen seinen fünf Richtungen hierbei auftreten; der Künstler braucht vorzüglich das verbindende Denken (Phantasie); der Naturforscher das trennende und beziehende Denken (Scharfsinn); der Schüler das wiederholende Denken (Gedächtnis) für die Verwirklichung ihrer Aufgaben. 4. Die körperliche Ausführung beginnt mit der Bewegung eines vom Willen abhängigen Körpergliedes; mit einem Gehen, Schlagen, Drücken, Sprechen, Schreiben usw. Der weitere Verlauf braucht dann nicht in dieser Weise fortzugehen, sondern kann von den Kräften der Natur oder anderen Menschen übernommen und beendet werden. Der Wollende behält dabei die Leitung, oder er kann sie an Andere übertragen. Diese Leitung besteht wesentlich im Eintritt neuer, vom Willen ausgehender Kausalreihen, welche sich mit den vorigen in den Wirkungen verbinden und den Fortgang jener beeinflussen. 5. Wenn andere Personen die Ausführung mit übernehmen, so werden sie damit Gehilfen des Handelnden, der ihnen gegenüber als Urheber gilt. Die Gehilfen kennen das Ziel und helfen zu seiner Verwirklichung; aber es ist dennoch nicht ihr Ziel, vielmehr haben sie ihr eigenes Ziel in den besonderen Vorteilen, die sie erwarten. Haben sie dasselbe Ziel mit dem Handelnden, so gelten sie als gemeinsame Urheber, wobei es im Recht gleichgültig ist, welcher Teil der Ausführung des Einzelnen geschehen ist, indem die Handlungen Aller Jedem zugerechnet werden. Der, welcher den geistigen Teil der Handlung ausführt, gilt als intellektueller Urheber, Anstifter, Rädelsführer; der Andere als physischer Urheber. 6. Hieran schließen sich die Unterschiede der unmittelbaren und der vermittelten Ausführung. Jene besteht in einem einfachen Akt, der das Ziel verwirklicht; diese zerfällt in eine Reihe von Akten oder Ereignissen, welche in ursächlicher Verbindung miteinander stehen und aus denen, als letztes Glied der Reihe, die Verwirklichung des Ziels hervorgeht. Diese Zwischenglieder heißten die Mittel, und das Ziel in diesem Fall Zweck oder Endzweck. Es erhellt sich, daß eine solche vermittelte Ausführung die Kenntnis der Gesetze der Wirksamkeit der einzelnen Glieder voraussetzt; es muß daher der körperlichen Ausführung hier eine geistige vorausgehen. 7. Infolge dieser Kenntnis geht das Wollen nicht bloß auf ein Ziel, sondern auch auf die dafür nötigen Mittel, und wo diese Mittel eine eigene Tätigkeit fordern, löst sich die eine Handlung in mehrere auf. Die Mittel werden damit selbst zu Zielen, und das eigentliche Ziel wird zu einem Endziel oder Endzweck. Die Mittelziele und das Endziel werden zwar beide gewollt, jene jedoch nicht um ihretwillen, sondern nur um dieses willen. Der Vorsatz bezeichnet das Wollen der Mittel, die Absicht das Wollen des Endzwecks. 8. Die Scholastiker haben deshalb nach dem Voranschreiten des ARISTOTELES das Ziel überhaupt die Causa finalis genannt und von der Causa efficiens oder reinen Ursache unterschieden. In den idealistischen Systehem ist man noch weiter gegangen und hat dem Zweck als solchem eine eigene Macht beigelegt, vermöge deren er sich selbst verwirklicht. Das Wollen ist dabei aus der menschlichen Seele abgetrennt und dem Gedanken oder Begriff als eine ihm innewohnende Macht eingefügt worden. Auf diese Weise ist die Entwicklung der Pflanzen und Tiere, sowie der Organismen überhaupt aus einem ihnen innewohnenden und sich selbst verwirklichenden Zweck abgeleitet worden. Dieser Zweck ist dann bis zu der sich wissenden und verwirklichenden Idee gesteigert worden. 9. Ein solcher Zweck ist jedoch nur ein Gebilde des verbindenden Denkens; er ist zuvor aus einzelnen Elementen des Wahrgenommenen zusammengesetzt und dient dann, um dieses aus ihm wieder abzuleiten. Deshalb führt eine solche Kategorie in der Erkenntnis des Seienden uns seiner Gesetze keinen Schritt weiter; sie ist nur eine Zusammenfassung des bereits Gekannten; um ein Neues zu gewinnen, muß immer auf die Beobachtung des Einzelnen zurückgegangen werden. Im Organischen ist ein solcher Zweck nur ein anderes Wort für die Lebenskraft, während die neuere Wissenschaft gerade ihren Fortschritt der Überwngung und Beseitigung dieses Begriffes verdankt. Ebenso nutzlos, ja, schädlich zeigt sich dieser sogenannte lebendige Zweck innerhalb des Sittlichen, wo er sich als die Idee der sittlichen Gestaltungen anmaßt, als Soll über das Seiende zu Gericht zu sitzen, während doch unter diesem hochklingenden Namen sich nur persönliche Gefühle und Wünsche des Darstellenden verhüllen. 10. HEGEL hält neben der Identität von Wollen und Denken an einem Unterschied beider insofern fest, als das Denken das Seiende in Gewußtes, das Wollen aber Gewußtes in Seiendes umsetzt. Diese Auffassung stimmt insofern mit dem Realismus, als auch dieser den Inhalt des Seins und des Wissens als identisch annimmt und den Unterschied nur in die Form setzt. Die Umsetzung des Gewußten in ein Seiendes ist jedoch eine durchaus andere als die Umsetzung des Seienden in ein Gewußtes. Letztere wird durch das Wahrnehmen vermittelt, erstere durch das Wollen. Die Vermittlung des Wahrnehmens ist aber weit umfassender und unmittelbarer als die des Wollens. Jene führt allen Inhalt der Welt und der seienden Seelenzustände unmittelbar dem Wissen zu; das Wollen kann aber diesen ganzen Inhalt nicht in derselben unmittelbar und leichten Weise wieder in ein Seiendes umsetzen. Das Wollen hat, wie erwähnt, nur eine zweifach unmittelbare Wirksamkeit, entweder auf die Steigung der Vorstellung oder auf die Erregung der motorischen Nerven. Alles andere kann das Wollen nicht unmittelbar in Seiendes umsetzen, wie das Wahrnehmen in umgekehrter Richtung es kann, sondern es muß zu dessen Verwirklichung den mühsamen Weg durch die Kausalreihen des Seienden einschlagen. 11. Jener Vergleich HEGELs ist nur deshalb im geringsten Maß zutreffend. Übrigens ist die Art und Weise, wie das Wollen seine Wirksamkeit auf das Vorstellen und die motorischen Nerven ausübt, der Erkenntnis des Menschen ebenso entzogen, wie die Art, in welche das Wahrnehmen den Seinsinhalt in das Wissen überführt; selbst mit Hypothesen ist hier bei diesem unvertilgbaren Gegensatz zwischen Geistigem und Körperlichen nicht weiter zu kommen. 12. Die Tätigkeit, welche in der Ausführung enthalten ist, verwandelt sich, wenn sie oft in der gleichen Richtung geübt wird, in Fertigkeit. Dies gilt sowohl für die geistie, wie für die körperliche Ausführung. Das Gedächtnis, das Urteilen, das Vergleichen kann ebenso in einzelnen Richtungen zur Fertigkeit ausgebildet werden wie das Reiten, Tanzen und Musizieren. Bei der Fertigkeit laufen die kausalen Reihen bis zum Ziel schneller ab, und die Wirksamkeit des Willens für den ersten Anstoß vollzieht sich schneller und sicherer. Hierauf beruth der Gegensatz des Technischen und Sittlichen. Bei jenem kommt es nur auf die Geschicklichkeit und Fertigkeit zur Erreichung eines Ziels an, während das Sittliche den Wert des Handelns ansich bemißt. Das technische Handeln nimmt sein einzelnes Ziel als das Feste, als das Maß; der Wert des Handelns wird nur an diesem Ziel gemessen; das Sittliche unterwirft auch die Ziele des Technischen seinem Urteil. Deshalb können die einzelnen Künste und Wissenschaften die vollendete Darstellung ihrer Ziele und der dazu führenden Mittel enthalten, und dennoch kann das Handeln danach in das Unsittliche gerade, wie die Nationalökonomie die Beispiele dazu liefert. 1. Weitere Elemente des Handelns, als die vier dargelegten, bestehen nicht. Insbesondere kann die Freiheit nicht als ein solches gelten, wie später dargelegt werden wird. Indem sich nun im einzelnen Handeln diese Elemente als verbunden darstellen, fragt es sich, welche Einheitsformen hierfür wirksam sind. 2. Die Elemente des Handelns stehen zunächst in einer zeitlichen Reihe. Die Vorstellung eines Zukünftigen ist das Erste; verbindet sich damit eine Beziehung auf Lust oder sittliche Befriedigung, so erweckt diese als Beweggrund das Wollen, und als Letztes folgt die Ausführung. Folgen sich in einem solchen Fall diese Elemente ohne Unterbrechung, so sind sie schon durch dieses Aneinander geeint. Es ist jedoch nicht notwendig, daß dem Wollen sofort die Ausführung folgt, wie SCHOPENHAUER ("Die Welt als Wille und Vorstellung", Bd. 1, Seite 119) behauptet. Die Ausführung kann trotz des festen Wollens oder Entschlusses auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. So haben die Verlobten den festen Willen, sich zu heiraten; aber dieses selbst bleibt noch ausgesetzt. Es ist kein Grund vorhanden, ein solches Wollen nicht als wahres Wollen gelten zu lassen, wie SCHOPENHAUER meint; ebensowenig wird in einem solchen Fall die Ausführung durch ein anderes Wollen gehemmt; vielmehr liegt in jenem Wollen selbst die Verschiebung der Ausführung, und es bleibt nur der Gefahr ausgesetzt, daß in der Zwischenzeit ein Gegenwollen auftreten kann, welches die spätere Ausführung hindert. 3. Wenn der Beweggrund ein gegenwärtiger Schmerz ist, so ändert sich die Ordnung der Reihe: Dann ist der Schmerz als Beweggrund das Erste; ihm folgt das Wollen seines Nichtseins; das bestimmtere Ziel folgt erst diesem Wollen, und nur die Ausführung bleibt auch hier das Letzte. Beim sittlichen Handeln besteht die gleiche Folge, wie beim Handeln aus Lust. 4. Die Einheit der Elemente enthält aber auch eine ursächliche Einheit; der Beweggrund ist kausal mit dem Wollen und das Wollen kausal mit der Ausführung verknüpft. Nur der Eintritt des Beweggrundes steht mit der bloßen Vorstellung des Ziels in keiner festen kausalen Verbindung; vielmehr tritt hier der Gedankenlauf, das Gedächtnis und die Empfänglichkeit für bestimmte Ursachen der Gefühle mitbestimmend hinzu. So verbindet sich mit der Vorstellung des Bettes nur beim Müden der Beweggrund, welcher ihn zum Hineinlegen treibt. 5. Die volle Einheit der Elemente des Handelns tritt erst mit der Ausführung ein; deshalb wird auch erst diese Ausführung "Handlung" genannt. Während der Ausführung müssen alle vier Elemente des Handelns gegenwärtig sein: Vorstellung, Beweggrund, Wollen, Ausführung; sowie eines fehlt, würde die Handlung stocken und nicht zustande kommen. Hier findet also auch die Einheitsform des Ineinander oder der Durchdringung statt; durch diese stellen diese Elemente, auch wenn sie bei ihrem ersten Entstehen zeitlich getrennt sind, doch mit dem Eintritt der Ausführung eine Einheit sehr inniger Art dar. 6. Diese Betrachtungen können zugleich als eine Vorbereitung auf die Frage der Freiheit gelten, insofern sie nicht mit SPINOZA und HEGEL als eine besondere Art der Notwendigkeit, sondern als die Willkür oder Wahlfreiheit aufgefaßt wird, welche SPINOZA ganz leugnet, während HEGEL sie anerkennt und nur nicht als die wahre Freiheit gelten läßt. Man kann fragen, wo. wenn diese Willkür besteht, sie zu suchen ist. Ziwschen allen Elementen des Handelns oder nur zwischen den einzelnen? Diese Willkür ist nur die Verneinung des notwendigen Bandes zwischen den Elementen des Handelns. Nun ist man darin einverstanden, daß das Auftreten einer Vorstellung ansich nach den festen Gesetzen der Bewegung oder des Wechsels der Vorstellungen (Ideen-Assoziation) erfolgt; ebenso hat das Eintreten des Beweggrundes seine Ursache in der Empfänglichkeit der Person und im Gedankengang; ebenso wird auch anerkannt, daß jeder Beweggrund mit Notwendigkeit das ihm entsprechende Begehren erweckt. Auch hier ist also noch kein Platz für die Freiheit. 7. Es bliebe also nur noch die Stelle zwischen Wollen und Ausführung für die Freiheit übrig. Aber auch hier kann niemand die Ursächlichkeit zwischen Wollen und Erregung der motorischen Nerven oder Steigerung der Vorstellung leugnen; dem wirklichen Wollen folgt beides mit Notwendigkeit. Wenn man dennoch die Freiheit des Wollens festhält, so kann also die Freiheit nur im Wollen selbst liegen. Allein ein bestimmtes Wollen kann nicht zugleich das Nichtwollen des Bestimmten sein, wie HEGEL meint; das einzelne Wollen kann vielleicht erlöschen; allein in der Freiheit gibt es kein solches Erlöschen, sondern es ist eine Fortdauer des Wollens gesetzt; deshalb müßte vom Wollen das Nichtwollen ausgehen. 8. Soll dies kein Widerspruch sein, so kann damit nur ein Widerstreit mehrerer Wollen gemeint sein, bei welchem das erste durch ein anderes gehemmt und so die Ausführung desselben gehindert wird. Allein auch ein solcher Kampf mehrerer Wollen kann nicht die Freiheit darstellen, sondern, wenn jedes einzelne Wollen in der Notwendigkeit befangen ist, so kann durch den Hinzutritt mehrerer Wollen zwar die Art des Ergebnisses, aber niemals die Notwendigkeit desselben aufgehoben werden. 9. Dies ist der Mangel des Freiheitsbegriffs von LOCKE. Er findet die Freiheit in der Macht des Menschen, zu überlegen, bevor er seinen Willen ausführt, und sich dadurch von der Ausführung selbst abhalten zu lassen. Allein alle diese Elemente des Denkens, der mehreren Wollen und des Ausführens bewegen sich nach dem Obigen innerhalb der Notwendigkeit kausaler Reihen; es kann also niemals eine Freiheit des Ergebnisses, sondern nur eine Veränderung desselben daraus hervorgehen, die aber gleich notwendig bleibt. Dies wird genügen, die Bedeutung dieser Elementarlehre für die späteren Untersuchungen darzulegen. Die umfassende Untersuchung der Freiheit wird ebenso, wie die Lehre von der Verbindung mehrerer Handlungen, später folgen. 1. Ein Handeln ist dann mangelhaft, wenn eines seiner Elemente nicht voll vorhanden ist oder nicht im richtigen Zusammenhang mit den anderen steht. Man kann fragen, wozu die Untersuchung sich auf ein solches mangelhaftes Handeln richtet? So wie die Naturwissenschaft sich nur mit den richtig ausgebildeten Bäumen und Pflanzen beschäftigt und die Krüppel, als Störungen in der Entwicklung des Keimes, beiseite läßt, so muß dasselbe auch für die Wissenschaft des Handelns gelten. Diese Analogie würde begründet sein, wenn nur die natürlichen Folgen des menschlichen Handelns hier in Frage kämen; allein durch die sittlichen Mächte sind mit den Handlungen auch künstliche Folgen verbunden worden, deren Eintritt nur geboten ist, aber nicht durch Naturkräfte bewirkt wird. Dahin gehören die Fragen, ob eine Handlung ein Recht oder eine Pflicht begründet, ob eine Belohnung oder eine Strafe ihr folgen soll, ob überhaupt eine andere Handlung mit ihr verbunden werden soll oder nicht. 2. Indem diese Gebote in der sittlichen Welt bestehen, tritt von selbst die Frage auf, wie weit eine solche künstliche Verbindung auch dann gelten soll, wenn die Handlung nicht alle Bedingungen einer vollständigen Handlung enthält, und ob durch einen Mangel in der Handlung auch eine Veränderung (Minderung oder Steigerung der Strafe, des Lohnes, der Entschädigung) in der gebotenen Folge einzutreten hat. Mitunter enthalten die Gebote selbst einen Anhalt für die Antwort, aber vielfach auch nicht. Deshalb hat die Untersuchung des mangelhaften Handelns ihre notwendige Stelle in der Ethik. Diese Untersuchung kann jedoch hier nur nach dem natürlichen Gesichtspunkt erfolgen; die Frae, welchen Einfluß einzelne Mängel auf den Eintritt der gebotenen Folgen und auf ihre Art und Höhe haben, bleibt hier ausgesetzt und kann überhaupt aus einem allgemeinen Grundsatz nicht erledigt werden. 3. Beim ersten Element des Handelns, dem Ziel, kann ein Mangel eintreten, wenn das Ziel ganz fehlt. Dies ist beim instinktiven Handeln der Tiere und Kinder der Fall, was für gewisse Bewegungen, wie das Schließen der Augen, auch bei Erwachsenen bestehen bleibt. Der Instinkt hat ein Wissen von seinem Wollen und seiner Ausführung im Einzelnen; er hat nur kein Wissen des Zieles. Dies gilt auch vom Handeln der Nachtwandler, Mondsüchtigen und der in magnetische Zustände Versetzten. Ferner kann in der Vorstellung des Zieles ein Irrtum beim Handelnden bestehen. Dieser Irrtum ist entweder ein Mangel im Wissen oder ein falsches Wissen und kann entweder den Inhalt des Zieles selbst betreffen oder die Folgen desselben, oder die Mittel, welche zu ihm führen sollen. Der Irrtum kann aber auch den Beweggrund betreffen, d. h. die Verknüpfung mit dem Gefühl. Es kann irrtümlich eine Lust oder ein Schmerz daraus erwartet werden, oder es kann eine wirkliche Verbindung solcher Gefühle übersehen werden. Der Irrtum kann auch die sittliche Natur der Handlung betreffen; sie kann fälschlich für recht oder unrecht oder für gleichgültig gehalten werden. Hierauf bezieht sich die Unterscheidung der Juristen zwischen Rechtsirrtum, und Irrtum im Tatsächlichen. Die Handlungen der Kinder gelten deshalb im Recht bis zu einem gewissen Alter nicht als Handlungen. 4. Der Irrtum kann aus der Natur und dem Umfang des Wissens und Wahrnehmens der handelnden Person hervorgehen; er kann auch durch dritte Personen absichtlich bewirkt sein; daraus bildet sich der Unterschied von Irrtum im engeren Sinn und von Betrug. Der Betrug kann im Interesse des Betrügers geschehen; er kann aber auch den Nutzen eines Anderen, ja des Betrogenen selbst bezwecken, wie bei Jähzornigen und Betrunkenen leicht nötig werden kann. Es bilden sich daraus die Unterschiede von dolus malus [schlechter Vorsatz - wp] und bonus [guter Vorsatz - wp]. 5. Wenn sich mit einer Handlung ein Umstand verbindet, welcher weder als Mittel noch als Zweck gewollt worden ist, so gehört ein solcher Umstände nicht zur Handlung. Dennoch bestimmten die sittlichen Gebote oft, daß auch ein solcher Umstand zur Handlung gerechnet und deshalb vom Handelnden vertreten werden soll. Dies gibt den Begriff der kulposen oder fahrlässigen (unvorsichtigen) Handlung, im Gegensatz zur vorsätzlichen und absichtlichen. Die fahrlässige Handlung ist dem Wortsinn nach ein Widerspruch, weil keine Handlung ohne ein gewolltes Ziel möglich ist. In dem hier entwickelten Sinn wird vorausgesetzt, daß der Handelnde die Folge hätte vermeiden können, wenn er sein Ziel und die Mittel vollständiger überdacht oder die Ausführung vorsichtiger bewirkt hätte. War diese Möglichkeit nach den obwaltenden Verhältnissen und Sitten des Landes nicht vorhanden, so gelten diese Folgen als zufällige. Bei fahrlässigen Handlungen lassen die sittlichen Gebote meist eine gelindere Strafe, die Belohnung aber gar nicht eintreten, die für die absichtliche Handlung verordnet ist. Die zufälligen Folgen werden in der Regel nicht zugerechnet. Doch herrscht hier nach der Besonderheit der Verhältnisse ein großer Unterschied, und bei der Fahrlässigkeit wird oft noch zwischen grober und leichter unterschieden, und das Maß bald nach dem Durchschnitt, bald nach der Persönlichkeit des Handelnden bestimmt. 6. Im zweiten Element, dem Beweggrund, ist dann ein Mangel vorhanden, wenn derselbe der Natur des Menschen oder den Sitten des Landes ganz widerspricht, oder wenn er gar nicht aufgefunden werden kann. Die Handlung gilt dann als das Zeichen einer Störung des Geistes, der Verrücktheit und fixer Ideen. Ein anderer Mangel wird durch die am Handelnden geübte Gewalt oder gefährliche Drohung bewirkt. Es wird durch eine solche Gewalt die Ausführung entweder zu einer rein mechanischen, welche nicht vom Willen ausgeht, oder der natürliche Beweggrund wird durch einen künstlich gesetzten verdrängt. Das Recht und die Moral lassen meist ein solches Handeln nicht als Handeln gelten, indem sie es nicht als ein freies ansehen. 7. Im dritten Element, dem Wollen, ist dann ein Mangel vorhanden, wenn das Wollen entweder zu schwach bleibt, um während der Ausführung anzudauern und Widerstände zu überwinden, oder wenn das Wollen so heftig it, daß die aus den Umständen sich erhebenden widerstreitenden Begehren die Macht verlieren, jenes Wollen zu hemmen. Dahin gehörten die Zustände des Wahnsinns, der Raserei, der heftigen Trunkenheit, des heftigen Zorns. Eine solche Handlung wird im Recht meist nicht als Handlung angesehen. Die Morals ist jedoch hier strenger als das Recht. 8. Die Mängel im vierten Element, in der Ausführung, treffen die vollständige oder richtige Ausführung. Bleibt die Ausführung unvollständig, so ist nur ein Versuch der Handlung vorhanden, welcher vom Beginnen der Ausführung bis zu ihrer Vollendung die mannigfachsten Grade durchlaufen kann und im Strafrecht in den nahen und entfernten Versuch eingeteilt wird. Bei strafbaren Handlungen gilt in der christlichen Moral der Versuch, ja schon das bloße ernste Wollen als gleich strafbar mit der ausgeführten Handlung; im Recht beginnt die Strafe erst, nachdem die Ausführung den ersten Anfang überschritten hat und bleibt auch dann eine gelindere gegen die Strafe der vollendeten Handlung. Doch bestehen hier mannigfache Unterschiede im Recht und der Moral der einzelnen Länder und verschiedenen Zeitalter. Im bürgerlichen Recht wird dagegen die unvollendete Handlung nichtals eine solche betrachtet. Sind Belohnungen mit einer Tat verknüpft, so wird meist der Versuch gleich der vollendeten Handlung belohnt, wenn die Vollendung nicht durch den eigenen Willen des Handelnden gehindert worden ist. In der Moral gilt meist der gute Wille der Tat gleich; ein Satz, den KANT sogar a priori beweist. 9. Die im Recht und der Moral bei mangelhaften Handlungen auftretenden Fragen werden unter den Begriff der Zurechnung zusammengefaßt. Eine Handlung wird dem Urheber zugerechnet, heißt, daß die Folgen für ihn eintreten sollen, welche das Recht oder die Moral an solche Handlungen geknüpft hat; seien es Rechte oder Pflichten, Strafen oder Belohnungen, in dieser oder jener Welt. Ist die Handlung vollständig, so versteht sich diese Folge von selbst; die Frage der Zurechnung wird erst zweifelhaft, wenn die Handlung mangelhaft ist. In dieser Form gestellt, läßt die Frage nur eine bejahende oder verneinende Antwort zu, und so wird sie im bürgerlichen Recht auch meist entschieden. Die Handlung ist entweder rechtsgültig, wirksam oder nicht. Allein bei den Strafen und Belohnungen kann der Mangel der Handlung auch eine Wirkung auf das Maß jener haben, und in diesem Sinne kann man von Graden der Zurechnung sprechen. Der in der Rechtswissenschaft bestehende Streit über Zurechnungs fähigkeit und Zurechnung ist daher nur ein Wortstreit. 10. Insofern die vollständige Handlung zugleich als eine freie gilt, fällt ein großer Teil der mangelhaften Handlungen unter den Begriff der unfreien; insbesondere gilt dies von den Mängeln im Beweggrund und im Wollen. Dieser Begrif ist aber erst aus den Bestimmungen über die einzelnen Fälle gebildet und kann deshalb nicht umgekehrt benutzt werden, um aus ihnen die Frage nach der Zurechnung zu entscheiden; vielmehr muß immer auf die vorhandenen positiven Gebote für die einzelnen Verhältnisse zurückgegangen werden. Überhaupt ist es ein Irrtum der Rechtswissenschaft und der Moral, wenn gemeint wird, die Fragen der Zurechnung aus der Natur der Sache entscheiden zu können; es sind immer die positiven Gebote des Rechts oder der Moral, aus denen im letzten Grund die Entscheidung entlehnt werden muß, wie in der Abteilung VII. näher dargelegt werden wird. Die Moral und das Recht der verschiedenen Völker und Zeiten zeigen hier für die gleichen Fragen die verschiedensten und entgegengesetzten Bestimmungen. HEGEL hat daraus ein besonderes Heroenrecht gemacht. ![]() |