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(1724-1804) Prolegomena ... Vorerinnerung vom Eigentümlichen aller metaphysischen Erkenntnis [2/9]
§. 1 Von den Quellen der Metaphysik Wenn man eine Erkenntnis als Wissenschaft darstellen will, so muß man zuvor das Unterscheidende, was sie mit keiner anderen gemein hat und was ihr also eigentümlich ist, genau bestimmen können; widrigenfalls die Grenzen aller Wissenschaften ineinander laufen und keine derselben, ihrer Natur nach, gründlich abgehandelt werden kann. Dieses Eigentümliche mag nun im Unterschied des Objekts oder der Erkenntnisquellen oder auch der Erkenntnisart oder einiger, wo nicht aller dieser Stücke zusammen bestehen, so beruht darauf zuerst die Idee der möglichen Wissenschaft und ihres Territoriums. Zuerst, was die Quellen einer metaphysischen Erkenntnis betrifft, so liegt es schon in ihrem Begriff, daß sie nicht empirisch sein können. Die Prinzipien derselben (wozu nicht bloß ihre Grundsätze, sondern auch Grundbegriffe gehören), müssen also niemals aus der Erfahrung genommen sein; denn sie soll nicht physische, sondern metaphysische, d. i. jenseits der Erfahrung liegende Erkenntnis sein. Also wird weder äußere Erfahrung, welche die Quelle der eigentlichen Physik, noch innere, welche die Grundlage der empirischen Psychologie ausmacht, bei ihr zum Grunde liegen. Sie ist also Erkenntnis a priori oder aus reinem Verstand und reiner Vernunft. Hierin aber würde sie nichts Unterscheidendes von der reinen Mathematik haben; sie wird also reine philosophische Erkenntnis heißen müssen; wegen der Bedeutung dieses Ausdrucks aber beziehe ich mich auf Kritik der reinen Vernunft, Seite 712f (1), wo der Unterschied dieser zwei Arten des Vernunftgebrauchs einleuchtend und genugtuend dargestellt worden ist. - Soviel von den Quellen der metaphysischen Erkenntnis. Von der Erkenntnisart, die allein metaphysisch heißen kann a) Vom Unterschied synthetischer und analytischer Urteile überhaupt Metaphysische Erkenntnis muß lauter Urteile a priori enthalten, das erfordert das Eigentümliche ihrer Quellen. Allein Urteile mögen nun einen Ursprung haben, welchen sie wollen oder auch ihrer logischen Form nach beschaffen sein, wie sie wollen, so gibt es doch einen Unterschied derselben dem Inhalt nach, vermöge dessen sie entweder bloß erläuternd sind und zum Inhalt der Erkenntnis nichts hinzutun oder erweiternd und die gegebene Erkenntnis vergrößern; die ersteren werden analytische, die zweiten synthetische Urteile genannt werden können. Analytische Urteile sagen im Prädikat nichts, als das, was im Begriff des Subjekts schon wirklich, obgleich nicht so klar und mit gleichem Bewußtsein gedacht war. Wenn ich sage: alle Körper sind ausgedehnt, so habe ich meinen Begriff vom Körper nicht im mindesten erweitert, sondern ihn nur aufgelöst, indem die Ausdehnung von jenem Begriff schon vor dem Urteil, obgleich nicht ausdrücklich gesagt, dennoch wirklich gedacht war; das Urteil ist also analytisch. Dagegen enthält der Satz: einige Körper sind schwer, etwas im Prädikat, was im allgemeinen Begriff vom Körper nicht wirklich gedacht wird; er vergrößert also meine Erkenntnis, indem er zu meinem Begriff etwas hinzutut und muß daher ein synthetisches Urteil heißen. b) Das gemeinschaftliche Prinzip aller analytischen Urteile ist der Satz des Widerspruchs. Alle analytischen Urteile beruhen gänzlich auf dem Satz des Widerspruchs und sind ihrer Natur nach Erkenntnisse a priori, die Begriffe, die ihnen zur Materie dienen, mögen empirisch sein oder nicht. Denn weil das Prädikat eines bejahenden analytischen Urteils schon vorher im Begriff des Subjekts gedacht wird, so kann es von ihm ohne Widerspruch nicht verneint werden, ebenso wird sein Gegenteil, in einem analytischen, aber verneinenden Urteil notwendig vom Subjekt verneint und zwar auch zufolge dem Satz des Widerspruchs. So ist es mit den Sätzen: jeder Körper ist ausgedehnt und: kein Körper ist unausgedehnt (einfach), beschaffen. Eben darum sind auch alle analytischen Sätze Urteile a priori, wenngleich ihre Begriffe empirisch sind, z. B. Gold ist ein gelbes Metall; denn um dieses zu wissen, brauche ich keiner weiteren Erfahrung, außer meinen Begriff von Gold, der enthielt, daß dieser Körper gelb und Metall sei; denn dieses machte eben meinen Begriff aus und ich durfte nichts tun, als diesen zergliedern, ohne mich außer demselben woanders umzusehen. c) Synthetische Urteile bedürfen ein anderes Prinzip, als den Satz des Widerspruchs. Es gibt synthetische Urteile a posteriori, deren Ursprung empirisch ist; aber es gibt auch deren, die a priori gewiss sind und die aus reinem Verstand und Vernunft entspringen. Beiden kommen aber darin überein, daß sie nach dem Grundsatz der Analysis, nämlich dem Satz des Widerspruchs allein nimmermehr entspringen können; sie erfordern noch ein ganz anderes Prinzip, ob sie zwar aus jedem Grundsatz, welcher er auch sei, jederzeit dem Satz des Widerspruchs gemäß abgeleitet werden müssen, denn nichts darf diesem Grundsatz zuwider sein, obgleich eben nicht alles daraus abgeleitet werden kann. Ich will die synthetischen Urteile zuvor unter Klassen bringen.
2) Mathematische Urteile sind insgesamt synthetisch. Dieser Satz scheint den Bemerkungen der Zergliederer der menschlichen Vernunft bisher ganz entgangen, ja allen ihren Vermutungen gerade entgegengesetzt zu sein, ob er gleich unwidersprechlich gewiß und in der Folge sehr wichtig ist. Denn weil man fand, daß die Schlüsse der Mathematiker alle nach dem Satz des Widerspruchs fortgehen, (welches die Natur einer jeden apodiktischen [logisch zwingenden, demonstrierbaren - wp] Gewissheit erfordert,) so überredete man sich, daß auch die Grundsätze aus dem Satz des Widerspruchs erkannt würden, worin sie sich sehr irrten; denn ein synthetischer Satz kann allerdings nach dem Satz des Widerspruchs eingesehen werden, aber nur so, daß ein anderer synthetischer Satz vorausgesetzt wird, aus dem er gefolgert werden kann, niemals aber an sich selbst. Man sollte anfänglich wohl denken, daß der Satz 7 + 5 = 12 ein bloß analytischer Satz sei, der aus dem Begriff einer Summe von Sieben und Fünf nach dem Satz des Widerspruchs erfolge. Allein wenn man es näher betrachtet, so findet man, daß der Begriff der Summe von 7 und 5 nichts weiter enthalte, als die Vereinigung beider Zahlen in eine einzige, wodurch ganz und gar nicht gedacht wird, welches diese einzige Zahl sei, die beide zusammenfaßt. Der Begriff von Zwölf ist keineswegs dadurch schon gedacht, daß ich mir bloß jene Vereinigung von Sieben und Fünf denke und ich mag meinen Begriff von einer solchen möglichen Summe noch so lange zergliedern, so werde ich doch darin die Zwölf nicht antreffen. Man muß über diese Begriffe hinausgehen, indem man die Anschauung zu Hilfe nimmt, die einem von beiden korrespondiert, etwa seine fünf Finger, oder (wie SEGNER in seiner Mathematik) fünf Punkte und so nach und nach die Einheiten der in der Anschauung gegebenen Fünf zum Begriff der Sieben hinzutut. Man erweitert also wirklich seinen Begriff durch diesen Satz 7 + 5 = 12 und tut zum ersteren Begriff einen neuen hinzu, der in jenem gar nicht gedacht war, d. i. der arithmetische Satz ist jederzeit synthetisch, welches man desto deutlicher inne wird, wenn man etwas größere Zahlen nimmt; da es denn klar einleuchtet, daß wir möchten unseren Begriff drehen und wenden, wie wir wollen, wir, ohne die Anschauung zu Hilfe zu nehmen, vermittels der bloßen Zergliederung unserer Begriffe die Summe niemals finden könnten. Ebensowenig ist irgendein Grundsatz der reinen Geometrie analytisch. Daß die gerade Linie zwischen zwei Punkten die kürzeste sei, ist ein synthetischer Satz. Denn mein Begriff vom Geraden enthält nichts von Größe, sondern nur eine Qualität. Der Begriff des Kürzesten kommt also gänzlich hinzu und kann durch keine Zergliederung aus dem Begriff der geraden Linie gezogen werden. Anschauung muß also hier zu Hilfe genommen werden, vermittels derer allein die Synthesis möglich ist. Einige andere Grundsätze, welche die Geometer voraussetzen, sind zwar wirklich analytisch und beruhen auf dem Satz des Widerspruchs, sie dienen aber nur, wie identische Sätze, zur Kette der Methode und nicht als Prinzipien, z. B. a = a, das Ganze ist sich selber gleich oder (a + b) > a, d. i. das Ganze ist größer, als sein Teil. Und doch auch diese selbst, ob sie gleich nach bloßen Begriffen gelten, werden in der Mathematik nur darum zugelassen, weil sie in der Anschauung dargestellt werden können. Was nun hier gemeiniglich glauben macht, als läge das Prädikat solcher apodiktischen Urteile schon in unserem Begriff und das Urteil sei also analytisch, ist bloß die Zweideutigkeit des Ausdrucks. Wir sollen nämlich zu einem gegebenen Begriff ein gewisses Prädikat hinzudenken und diese Notwendigkeit haftet schon an den Begriffen. Aber die Frage ist nicht, was wir zum gegebenen Begriff hinzu denken sollen, sondern was wir wirklich in ihnen, obzwar nur dunkel denken und da zeigt sich, daß das Prädikat jenen Begriffen zwar notwendig, aber nicht unmittelbar, sondern vermittels einer Anschauung, die hinzukommen muß, anhänge. Anmerkung zur allgemeinen Einteilung der Urteile in analytische und synthetische. Diese Einteilung ist in Ansehung der Kritik des menschlichen Verstandes unentbehrlich und verdient daher in ihr klassisch zu sein; sonst wüßte ich nicht, daß sie irgend anderwärts einen beträchtlichen Nutzen hätte. Und hierin finde ich auch die Ursache, weswegen dogmatische Philosophen, die die Quellen metaphysischer Urteile immer nur in der Metaphysik selbst, nicht aber außer ihr, in den reinen Vernunftgesetzen überhaupt suchten, diese Einteilung, die sich von selbst darzubieten scheint, vernachlässigten und wie der berühmte WOLFF oder der seinen Fußstapfen folgende scharfsinnige BAUMGARTEN den Beweis vom Satz des zureichenden Grundes, der offenbar synthetisch ist, im Satz des Widerspruchs suchen konnten. Dagegen treffe ich schon in LOCKEs Versuchen über den menschlichen Verstand einen Wink zu dieser Einteilung an. Denn im vierten Buch, dem dritten Hauptstück, §9 u. f., nachdem er schon vorher von der verschiedenen Verknüpfung der Vorstellungen in Urteilen und deren Quellen geredet hatte, wovon er die eine in der Identität oder Widerspruch setzt (analytische Urteile), die andere aber in der Existenz der Vorstellungen in einem Subjekt (synthetische Urteile), so gesteht er §. 10, daß unsere Erkenntnis (a priori), von der letzteren sehr eng und beinahe gar nichts sei. Allein es herrscht in dem, was er von dieser Art der Erkenntnis sagt, so wenig Bestimmtes und auf Regeln Gebrachtes, daß man sich nicht wundern darf, wenn niemand, sicherlich nicht einmal HUME daher Anlaß genommen hat, über Sätze dieser Art Betrachtungen aufzustellen. Denn dergleichen allgemeine und dennoch bestimmte Prinzipien lernt man nicht leicht von anderen, denen sie nur dunkel vorgeschwebt haben. Man muß durch eigenes Nachdenken zuvor selbst darauf gekommen sein, hernach findet man sie auch anderwärts, wo man sie gewiß nicht zuerst würde angetroffen haben, weil die Verfasser selbst nicht einmal wußten, daß ihren eigenen Bemerkungen eine solche Idee zum Grunde liege. Die, so niemals selbst denken, besitzen dennoch die Scharfsichtigkeit, alles, nachdem es ihnen gezeigt worden in demjenigen, was sonst schon gesagt worden, aufzuspähen, wo es doch vorher niemand sehen konnte. allgemeine Frage: Ist überall Metaphysik möglich? § 4. Wäre Metaphysik, die sich als Wissenschaft behaupten könnte, wirklich, könnte man sagen: hier ist Metaphysik, die dürft ihr nur lernen und sie wird euch unwiderstehlich und unveränderlich von ihrer Wahrheit überzeugen; so wäre diese Frage unnötig und es bliebe nur diejenige übrig, die mehr eine Prüfung unserer Scharfsinnigkeit, als den Beweis von ihrer Existenz der Sache selbst beträfe, nämlich: wie sie möglich sei, und wie Vernunft es anfange, dazu zu gelangen? Nun, ist es der menschlichen Vernunft in diesem Fall so gut nicht geworden. Man kann kein einziges Buch aufzeigen, so wie man etwa einen EUKLID vorzeigt und sagen: das ist Metaphysik, hier findet ihr den vornehmsten Zweck dieser Wissenschaft, das Erkenntnis eines höchsten Wesens und einer künftigen Welt, bewiesen aus Prinzipien der reinen Vernunft. Denn man kann uns zwar viele Sätze aufzeigen, die apodiktisch gewiß sind und niemals bestritten worden; aber diese sind insgesamt analytisch und betreffen mehr die Materialien und das Bauzeug zur Metaphysik, als die Erweiterung der Erkenntnis, die doch unsere eigentliche Absicht mir ihr sein soll. (siehe §. 2) Ob ihr aber gleich auch synthetische Sätze (z. B. den Satz des zureichenden Grundes) vorzeigt, die ihr niemals aus bloßer Vernunft, mithin, wie doch eure Pflicht war, a priori bewiesen habt, die man euch aber doch gerne einräumt; so geratet ihr doch, wenn ihr euch derselben zu eurem Hauptzweck bedienen wollt, in so unstatthafte und unsichere Behauptungen, daß zu aller Zeit eine Metaphysik der anderen entweder in Ansehung der Behauptungen selbst oder ihrer Beweise widersprochen und dadurch ihren Anspruch auf dauernden Beifall selbst vernichtet hat. Sogar sind die Versuche, eine solche Wissenschaft zustande zu bringen, ohne Zweifel die erste Ursache des so früh entstandenen Skeptizismus gewesen, einer Denkungsart, darin die Vernunft so gewalttätig gegen sich selbst verfährt, daß diese niemals, als in völliger Verzweiflung an Befriedigung in Ansehung ihrer wichtigsten Absichten hätte entstehen können. Denn lange vorher, ehe man die Natur methodisch zu befragen anfing, befrug man bloß seine abgesonderte Vernunft, die durch gemeine Erfahrung in gewissem Maße schon geübt war; weil Vernunft uns doch immer gegenwärtig ist, Naturgesetze aber gemeiniglich mühsam aufgesucht werden müssen und so schwamm Metaphysik oben auf, wie Schaum, doch so, daß, so wie der, den man geschöpft hatte, zerging, sich sogleich ein anderer auf der Oberfläche zeigte, den immer einige begierig aufsammelten, wobei andere, anstatt in der Tiefe die Ursache dieser Erscheinung zu suchen, sich damit weise dünkten, daß sie die vergebliche Mühe der Ersteren belachten. Das Wesentliche und Unterscheidende der reinen mathematischen Erkenntnis vor aller anderen Erkenntnis a priori ist, daß sie durchaus nicht aus Begriffen, sondern jederzeit nur durch die Konstruktion der Begriffe (Kritik Seite 713) vor sich gehen muß. Da sie also in ihren Sätzen über den Begriff zu demjenigen, was die ihm korrespondierende Anschauung enthält, hinausgehen muß; so können und sollen ihre Sätze auch niemals durch Zergliederung der Begriffe d. i. analytisch entspringen und sind daher ingesamt synthetisch. Ich kann aber nicht umhin, den Nachteil zu bemerken, den die Vernachlässigung dieser sonst leichten und unbedeutend scheinenden Beobachtung der Philosophie zugezogen hat. HUME, als er den eines Philosophen würdigen Beruf fühlte, seine Blicke auf das ganze Feld der reinen Erkenntnis a priori zu werfen, in welchem sich der menschliche Verstand so große Besitzungen anmaßt, schnitt unbedachtsamerweise eine ganze und zwar die erheblichste Provinz derselben, nämlich reine Mathematik, davon ab, in der Einbildung, ihre Natur und so zu reden ihre Staatsverfassung, beruhe auf ganz anderen Prinzipien, nämlich lediglich auf dem Satz des Widerspruchs und ob er zwar die Einteilung der Sätze nicht so förmlich und allgemein oder unter den Benennung gemacht hatte, als es von mir hier geschieht, so war es doch gerade so viel, als ob er gesagt hätte: reine Mathematik enthält bloß analytische Sätze, Metaphysik aber synthetische a priori. Nun irrte der hierin gar sehr und dieser Irrtum hatte auf seinen ganzen Begriff entscheidend nachteilige Folgen. Denn wäre das von ihm nicht geschehen, so hätte er seine Frage, wegen des Ursprungs unserer synthetischen Urteile, weit über seinen metaphysischen Begriff der Kausalität erweitert und sie auch auf die Möglichkeit der Mathematik a priori ausgedehnt; denn diese mußte er ebensowohl für synthetisch annehmen. Alsdenn aber hätte er seine metaphysischen Sätze keineswegs auf bloße Erfahrung gründen können, weil er sonst die Axiome der reinen Mathematik ebenfalls der Erfahrung unterworfen haben würde, welches zu tun er viel zu einsehend war. Die gute Gesellschaft, worin Metaphysik alsdenn zu stehen gekommen wäre, hätte sie wider die Gefahr einer schnöden Mißhandlung gesichert; denn die Streiche, welche der letzteren zugedacht waren, hätten die erstere auch treffen müssen, welches aber seine Meinung nicht war, auch nicht sein konnte; und so wäre der scharfsinnige Mann in Betrachtungen gezogen worden, die denjenigen hätten ähnlich werden müssen, womit wir uns jetzt beschäftigen, die aber durch seinen unnachahmlich schönen Vortrag unendlich würden gewonnen haben. Eigentlich metaphysische Urteile sind insgesamt synthetisch. Man muß zur Metaphysik gehörige von eigentlich metaphysischen Urteilen unterscheiden. Unter jenen sind sehr viele analytisch, aber sie machen nur die Mittel zu metaphysischen Urteilen aus, auf die der Zweck der Wissenschaft ganz und gar gerichtet ist und die allemal synthetisch sind. Denn wenn Begriffe zur Metaphysik gehören, z. B. der von der Substanz, so gehören die Urteile, die aus der bloßen Zergliederung derselben entspringen, auch notwendig zur Metaphysik, z. B. Substanz ist dasjenige, was nur als Subjekt existiert etc. und vermittels mehrerer dergleichen analytischen Urteile suchen wir der Definition der Begriffe nahe zu kommen. Da aber die Analysis eines reinen Verstandesbegriffs (dergleichen die Metaphysik enthält), nicht auf andere Art vor sich geht, als die Zergliederung jedes anderen auch empirischen Begriffs, der nicht in die Metaphysik gehört, (z. B. Luft ist eine elastische Flüssigkeit, deren Elastizität durch keinen bekannten Grad der Kälte aufgehoben wird), so ist zwar der Begriff, aber nicht das analytische Urteil eigentümlich metaphysisch; denn diese Wissenschaft hat etwas Besonderes und ihr eigentümliches in der Erzeugung ihrer Erkenntnisse a priori; die also von dem, was sie mit allen anderen Verstandeserkenntnissen gemein hat, muß unterschieden werden; so ist z. B. der Satz: alles, was in den Dingen Substanz ist, ist beharrlich, ein synthetischer und eigentümlich metaphysischer Satz. Wenn man Begriffe a priori, welche die Materie der Metaphysik und ihr Bauzeug ausmachen, zuvor nach gewissen Prinzipien gesammelt hat, so ist die Zergliederung dieser Begriffe von großem Wert; auch kann dieselbe als ein besonderer Teil (gleichsam als philosophia definitiva), der lauter analytische zur Metaphysik gehörige Sätze enthält, von allen synthetischen Sätzen, die die Metaphysik selbst ausmachen, abgesondert vorgetragen werden. Denn in der Tat haben jene Zergliederungen nirgend anders einen beträchtlichen Nutzen, als in der Metaphysik, d. i. in Absicht auf die synthetischen Sätze, die aus jenen zuerst gegliederten Begriffen erzeugt werden sollen. Der Schluß des Paragraphs ist also: daß Metaphysik es eigentlich mit synthetischen Sätzen a priori zu tun habe und diese allein ihren Zweck ausmachen, zu welchem sie zwar allerdings mancher Zergliederungen ihrer Begriffe, mithin analytischer Urteile bedarf, wobei aber das Verfahren nicht anders ist, als in jeder anderen Erkenntnisart, wo man seine Begriffe durch Zergliederung bloß deutlich zum machen sucht. Allein die Erzeugung der Erkenntnis a priori sowohl der Anschauung, als Begriffen nach, endlich auch synthetischer Sätze a priori und zwar in der philosophischen Erkenntnis, machen den wesentlichen Inhalt der Metaphysik aus. Überdrüssig also des Dogmatismus, der uns nichts lehrt und zugleich des Skeptizismus, der uns gar überall nichts verspricht, auch nicht einmal den Ruhestand einer erlaubten Unwissenheit, aufgefordert durch die Wichtigkeit der Erkenntnis, derer wir bedürfen und mißtrauisch durch lange Erfahrung in Ansehung jeder, die wir zu besitzen glauben oder sie sich uns unter dem Titel der reinen Vernunft anbietet, bleibt uns nur noch eine kritische Frage übrig, nach deren Beantwortung wir unser künftiges Betragen einrichten können: ist überall Metaphysik möglich? Aber diese Frage muß nicht durch skeptische Einwürfe gegen gewisse Behauptungen einer wirklichen Metaphysik, (denn wir lassen jetzt noch keine gelten), sondern aus dem nur noch problematischen Begriff einer solchen Wissenschaft beantwortet werden. In der Kritik der reinen Vernunft bin ich in Absicht auf diese Frage synthetisch zu Werke gegangen, nämlich so, daß ich in der reinen Vernunft selbst forschte und in dieser Quelle selbst die Elemente sowohl, als auch die Gesetze ihres reinen Gebrauchs nach Prinzipien zu bestimmen suchte. Diese Arbeit ist schwer und erfordert einen entschlossenen Leser, sich nach und nach in ein System hinein zu denken, was noch nichts als gegeben zum Grunde legt, außer die Vernunft selbst und also, ohne sich irgend auf ein Faktum zu stützen, die Erkenntnis aus ihren ursprünglichen Keimen zu entwickeln sucht. Prolegomena sollen dagegen Vorübungen sein; die sollen mehr anzeigen, was man zu tun habe, um eine Wissenschaft, wo möglich, zur Wirklichkeit zu bringen, als sie selbst vortragen. Sie müssen sich also auf etwas stützen, was man schon als zuverlässig kennt, von da man mit Zutrauen ausgehen und zu den Quellen aufsteigen kann, die man noch nicht kennt und deren Entdeckung uns nicht allein das, was man wußte, erklären, sondern zugleich einen Umfang vieler Erkenntnisse, die insgesamt aus den nämlichen Quellen entspringen, darstellen wird. Das methodische Verfahren der Prolegomenen, vornehmlich derer, die zu einer künftigen Metaphysik vorbereiten sollen, wird also analytisch sein. Es trifft sich aber glücklicherweise, daß, ob wir gleich nicht annehmen können, daß Metaphysik als Wissenschaft wirklich sei, wir doch mit Zuversicht sagen können, daß gewisse reine synthetische Erkenntnisse a priori wirklich und gegeben seien, nämlich reine Mathematik und reine Naturwissenschaft; denn beide enthalten Sätze, die teils apodiktisch gewiß durch bloße Vernunft, teils durch die allgemeine Einstimmung aus der Erfahrung und dennoch als von Erfahrung unabhängig durchgängig anerkannt werden. Wir haben also einige, wenigstens unbestrittene synthetische Erkenntnisse a priori und dürfen nicht fragen, ob sie möglich sei, (denn sie ist wirklich,) sondern nur: wie sie möglich sein, um aus dem Prinzip der Möglichkeit der gegebenen auch die Möglichkeit aller übrigen ableiten zu können. Allgemeine Frage: Wie ist Erkenntnis aus reiner Vernunft möglich? §. 5 Wir haben oben den mächtigen Unterschied der analytischen und synthetischen Urteile gesehen. Die Möglichkeit analytischer Sätze konnte sehr leicht begriffen werden; denn sie gründet sich lediglich auf dem Satz des Widerspruchs. Die Möglichkeit synthetischer Sätze a posteriori, d. i. solcher, welche aus der Erfahrung geschöpft werden, bedarf auch keiner besonderen Erklärung; denn Erfahrung ist selbst nichts anderes, als eine kontinuierliche Zusammenfügung (Synthesis) der Wahrnehmungen. Es bleiben uns also nur synthetische Sätze a priori übrig, deren Möglichkeit gesucht oder untersucht werden muß, weil sie auf anderen Prinzipien, als dem Satz des Widerspruchs beruhen muß. Wir dürfen aber die Möglichkeit solcher Sätze hier nicht zuerst suchen, d. i. fragen, ob sie möglich seien. Denn es sind deren genug und zwar mit unstreitiger Gewißheit wirklich gegeben und da die Methode, die wir jetzt befolgen, analytisch sein soll, so werden wir davon anfangen, daß dergleichen synthetische, aber reine Vernunfterkenntnis wirklich sei; aber alsdenn müssen wir den Grund dieser Möglichkeit dennoch untersuchen und fragen: wie diese Erkenntnis möglich sei, damit wir aus den Prinzipien ihrer Möglichkeit die Bedingungen ihres Gebrauchs, den Umfang und die Grenzen desselben zu bestimmen in Stand gesetzt werden. Die eigentliche mit schulgerechter Präzision ausgedrückte Aufgabe, auf die alles ankommt, ist also: Wie sind synthetische Sätze a priori möglich? Ich habe sie oben, der Popularität zu Gefallen, etwas anders, nämlich als eine Frage nach der Erkenntnis aus reiner Vernunft, ausgedrückt, welche ich diesesmal ohne Nachteil der gesuchten Einsicht wohl tun konnte, weil, da es hier doch lediglich um die Metaphysik und deren Quellen zu tun ist, man nach den vorher gemachten Erinnerungen, sich, wie ich hoffe, jederzeit erinnern wird, daß, wenn wir hier von Erkenntnis aus reiner Vernunft reden, niemals von der analytischen, sondern lediglich von der synthetischen die Rede sei. (2) Auf die Auflösung dieser Aufgabe nun kommt das Stehen und Fallen der Metaphysik und also ihre Existenz gänzlich an. Es mag jemand seine Behauptungen in derselben it noch so großem Schein vortragen, Schlüsse auf Schlüsse bis zum Erdrücken anhäufen, wenn er nicht vorher jene Frage hat genugtuend beantworten können, so habe ich Recht zu sagen: es ist alles eitle grundlose Philosophie und falsche Weisheit. Du sprichst durch reine Vernunft und maßest dir an, a priori Erkenntnisse gleichsam zu erschaffen, indem du nicht bloß gegebene Begriffe zergliederst, sondern neue Verknüpfungen vorgibst, die nicht auf dem Satz des Widerspruchs beruhen und die du doch so ganz unabhängig von aller Erfahrung einzusehen vermeinest; wie kommst du nun dazu und wie willst du dich wegen solcher Anmaßungen rechtfertigen? Dich auf Beistimmung der allgemeinen Menschenvernunft zu berufen, kann dir nicht gestattet werden; denn das ist ein Zeuge, dessen Ansehen nur auf dem öffentlichen Gerücht beruth.
(Alles, was du mir so zeigst, glaube ich nicht und hasse es.) - Horaz - Wernn der Leser sich über Beschwerde und Mühe beklagt, die ich ihm durch die Auflösung dieser Aufgabe machen werde, so darf er nur den Versuch anstellen, sie auf leichtere Art selbst aufzulösen. Vielleicht wird er sich alsdenn demjenigen verbunden halten, der eine Arbeit von so tiefer Nachforschung für ihn übernommen hat und wohl eher über die Leichtigkeit, die nach Beschaffenheit der Sache der Auflösung noch hat gegeben werden können, einige Verwunderung merken lassen; auch hat es Jahre lang Bemühung gekostet, um diese Aufgabe in ihrer ganzen Allgemeinheit (in dem Verstand, wie die Mathematiker dieses Wort nehmen, nämlich hinreichend für alle Fälle) aufzulösen und sie auch endlich in analytischer Gestalt, wie der Leser sie hier antreffen wird, darstellen zu können. Alle Metaphysiker sind demnach von ihren Geschäften feierlich und gesetzmäßig so lange suspendiert, bis sie die Frage: wie sind synthetische Erkenntnisse a priori möglich? genugtuend beantwortet haben. Denn in dieser Beantwortung allein besteht das Kreditiv, welches sie vorzeigen mußten, wenn sie im Namen der reinen Vernunft etwas bei uns anzubringen haben; in Ermangelung desselben aber können sie nichts anderes erwarten, als von Vernünftigen, die so oft schon hintergangen worden, ohne alle weitere Untersuchung ihres Anbringens, abgewiesen zu werden. Wollten sie dagegen ihr Geschäft nicht als Wissenschaft, sondern als eine Kunst heilsamer und dem allgemeinen Menschenverstand anpassender Überredungen treiben, so kann ihnen dieses Gewerbe nach Billigkeit nicht verwehrt werden. Sie werden alsdann die bescheidene Sprache eines vernünftigen Glaubens führen, sie werden gestehen, daß es ihnen nicht erlaubt sei, über das, was jenseits der Grenzen aller möglichen Erfahrung hinaus liegt, auch nur einmal zu mutmaßen, geschweige etwas zu wissen, sondern nur etwas (nicht zum spekulativen Gebrauch, denn auf den müssen sie Verzicht tun, sondern lediglich zum praktischen) anzunehmen, was zur Leitung des Verstandes und Willens im Leben möglich und sogar unentbehrlich ist. So allein werden sie den Namen nützlicher und weiser Männer führen können, umso mehr, je mehr sie auf den der Metaphysiker Verzicht tun; denn diese wollen spekulative Philosophen sein und da, wenn es um Urteile a priori zu tun ist, man es auf schale Wahrscheinlichkeit nicht aussetzen kann, (denn was dem Vorgeben nach a priori erkannt wird, wird eben dadurch als notwendig angekündigt,) so kann es ihnen nicht erlaubt sein, mit Mutmaßungen zu spielen, sondern ihre Behauptung muß Wissenschaft sein, oder sie ist überall gar nichts. Man kann sagen, daß die ganze Transzendental-Philosophie, die vor aller Metaphysik notwendig vorhergeht, selbst nichts anderes, als bloße die vollständige Auflösung der hier vorgelegten Frage sei, nur in systematischer Ordnung und Ausführlichkeit und man habe also bis jetzt keine Transzendental-Philosophie. Denn was den Namen davon führt, ist eigentlich ein Teil der Metaphysik; jene Wissenschaft soll aber die Möglichkeit der letzteren zuerst ausmachen und muß also vor aller Metaphysik vorhergehen. Man darf sich also auch nicht wundern, da eine ganze und zwar aller Beihilfe aus anderen beraubte, mithin an sich ganz neue Wissenschaft nötig ist, um nur eine einzige Frage hinreichend zu beantworten, wenn die Auflösung derselben mit Mühe und Schwierigkeit, ja sogar mit einiger Dunkelheit verbunden ist. Indem wir jetzt zu dieser Auflösung schreiten und zwar nach analytischer Methode, in welcher wir voraussetzuen, daß solche Erkenntnisse aus reiner Vernunft wirklich seien, so können wir uns nur auf zwei Wissenschaften der theoretischen Erkenntnis (als von der allein hier die Rede ist,) berufen, nämlich reine Mathematik und reine Naturwissenschaft, denn nur diese können uns die Gegenstände in der Anschauung darstellen, mithin, wenn etwa in ihnen eine Erkenntnis a priori vorkäme, die Wahrheit oder Übereinstimmung derselben mit dem Objekt in concreto d. i. ihre Wirklichkeit zueigen, von der alsdann zum Grund ihrer Möglichkeit auf dem analytischen Weg forgegangen werden könnte. Dies erleichtert das Geschäft sehr, in welchem die allgemeinen Betrachtungen nicht allein auf Fakta angewandt werden, sondern sogar von ihnen ausgehen, anstatt daß sie in synthetischen Verfahren gänzlich in abstracto aus Begriffen abgeleitet werden müssen. Um aber von diesen wirklichen und zugleich gegründeten reinen Erkenntnissen a priori zu einer möglichen, die wir suchen, nämlich einer Metaphysik als Wissenschaft, aufzusteigen, haben wir nötig, das, was sie veranlaßt und als bloß natürlich gegebene, obgleich wegen ihrer Wahrheit nicht unverdächtige Erkenntnis a priori jener zum Grunde liegt, deren Bearbeitung ohne alle kritische Untersuchung ihre Möglichkeit gewöhnlicher Maßen schon Metaphysik genannt wird, mit einem Wort die Naturanlage zu einer solchen Wissenschaft unter unserer Hauptfrage mit zu begreifen und so wird die transzendentale Hauptfrage in vier andere Fragen zerteilt nach und nach beantwortet werden.
2) Wie ist reine Naturwissenschaft möglich? 3) Wie ist Metaphysik überhaupt möglich? 4) Wie ist Metaphysik als Wissenschaft möglich?
1) Diese Seitenzahl bezieht sich auf die erste Ausgabe der Kritik der reinen Vernunft. Die betreffende Stelle ist der 1. Abschnitt des 1. Hauptstücks der "transzendentalen Methodenlehre". 2) Es ist unmöglich zu verhüten, daß, wenn die Erkenntnis nach und nach weiter fortrückt, nicht gewisse schon klassisch gewordene Ausdrücke, die noch vom Kindheitsalter der Wissenschaft her sind, in der Folge sollten unzureichend und übel passend gefunden werden und ein gewisser neuer und mehr angemessener Gebrauch mit dem alten in einige Gefahr der Verwechslung geraten sollte. Analytische Methode, sofern sie der synthetischen entgegengesetzt ist, ist ganz was anderes, als ein Inbegriff analytischer Sätze; sie bedeutet nur, daß man von dem, was gesucht wird, als ob es gegeben sei, ausgeht und zu den Bedingungen aufsteigt, unter denen es allein möglich. In dieser Lehrart bedient man sich öfters lauter synthetischer Sätze, wie die mathematische Analysis davon ein Beispiel gibt und sie könnte besser die regressive Lehrart, zum Unterschied von der synthetischen oder progressiven, heißen. Noch kommt der Name Analytik auch als ein Hauptteil der Logik vor und da ist es die Logik der Wahrheit und wird der Dialektik entgegengesetzt, ohne eigentlich darauf zu sehen, ob die zu jener gehörigen Erkenntnisse analytisch oder synthetisch seien. |