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Identität und Einzelwesen
Ebensowenig aber, wie die Behauptung "Etwas ist mit sich identisch" und der Satz "A ist A", hat der Satz "Etwas ist mit Anderem teilweise identisch" einen Sinn, sondern ist, wie jene, ein Widerspruch in sich. Denn "identisch sein" heißt "dasselbe sein", diese Bestimmung schließt selbstverständlich die des "Anderssein" schlechtweg aus, die doch, wenn von Etwas und Anderem die Rede ist, jenem Etwas in seiner Beziehung zum Anderen als Bestimmung auch zukommen muß. Darum gibt es aber überhaupt nur die Alternative "identisch oder nicht-identisch" und das, was man als scheinbares Drittes unter dem widerspruchsvollen Titel "teilweise identisch" einzuschieben sucht, ist nichts anderes, als was wir "gleich" zu nennen gewohnt sind. Wir müssen es aber als von großer Bedeutung erachten, in unserem Sprachgebrauch die Worte "Identität" und "Gleichheit", sowie "identisch" und "gleich" sauber auseinanderzuhalten; ist es doch ganz verfehlt, "Identität" durch "völlige Gleichheit" und "Gleichheit" durch "teilweise Identität" zu erläutern, den "völlige Gleichheit" ist nicht weniger als "teilweise Identität" ein Widerspruch in sich. Gewiß geibt es Grade der Gleichheit, und darin eben unterscheidet sich "Gleichheit" von "Identität", die ihrerseits keine Grade, kein Mehr oder Weniger aufzuweisen hat, aber es gibt keine Gleichheit bei Verglichenem, die nicht auch eine Verschiedenheit der Verglichenen neben sich hätte. Niemals erweisen sich zwei Verglichene daher völlig gleich, niemals gibt es "völlig Gleiches". Wäre dies der Fall, so würde sich auch dem Satz "Etwas ist mit sich selbst identisch" ein Sinn abgewinnen lassen. Denn "völlig Gleiches" böte eben nichts Verschiedenes mehr in sich sich selbst und stellte darum auch nicht "Etwas und ein Anderes", sondern nur "ein Etwas" vor. "Völlig Gleiches" ließe sich also auch gar nicht vergleichen, da Vergleichen auf alle Fälle "Etwas und ein Anderes", als Zwei voraussetzt. Die Behauptung "völlig Gleiches" will das Kunststück fertig bringen, Zwei Eins sein zu lassen, wie die Behauptung "Etwas mit sich selbst Identisches" Eines Zwei sein lassen will: jede von beiden erweist sich dadurch als ein Widerspruch in sich. Wie wichtig es ist, die Worte "gleich" und "identisch" sorgfältig auseinanderzuhalten, lehrt auch ein Blick auf ihre Verwendung. Wir sagen richtig: "Zwei Dinge sind in etwas gleich" und "etwas ist in zwei Dingen identisch (dasselbe)"; sinnlos und widerspruchsvoll aber ist, zu sagen: "Zwei Dinge sind in etwas identisch (dasselbe)" und "Etwas ist in zwei Dingen gleich oder das Gleiche," denn von Zweien ist niemals Identität und von Einem niemals Gleichheit, die ja immer Zwei voraussetzt, auszusagen. In beiden Fällen allerdings - und dieser Umstand verführt eben dazu, "gleich" und "identisch" zu vertauschen, sowie auch von "teilweiser Identität" und "völliger Gleichheit" zu reden - in beiden Fällen des richtigen Gebrauchs von "gleich" und von "identisch" werden wir auf eine Vergleichung stoßen müssen: "Zweie sind in Etwas gleich, wenn dieses Etwas in ihnen identisch d. h. in beiden ist"; und "Etwas ist in Zweien identisch, wenn beide in ihm gleich sind". Diese wahren Sätze zeigen klar, daß also "Gleiches" niemals "Identisches" ist, wohl aber daß "Identisches" sich in Gleichem findet. "Gleiches" setzt immer wenigstens zwei Besondere voraus, und das "Identische" findet sich sowohl in dem einen als auch im anderen. Darum läßt sich in der Tat von "Identität" ebensowenig, wie von "Gleichheit", dann reden, wenn nicht mindestens zwei Besondere vorliegen. Ein "Identitätsurteil", das will sagen, ein Satz, der Identität aussagt fordert demnach mindestens zwei zu vergleichende Besondere, und schon hieraus ist ersichtlich, daß ein Satz wie "A ist A", der doch nur A voraussetzt, völlig sinnlos sein muß und nicht Identität aussagen kann. Demselben Gericht aber, wie "A ist A", verfällt der Satz "A = A" d. h. "A ist gleich A": auch er ist nichtssagend. Wir müssen demgemäß rundweg ablehnen, den Satz "A = A" eine Gleichung zu nennen, er ist tatsächlich nur ein Zeichengebilde als Ausdruck des sinnlosen grammatischen Gebildes "A ist gleich A". Dasselbe gilt von 1 = 1, 5 = 5, denn jede Gleichung setzt, wie wir wissen, zwei Besondere voraus, Eines und ein Anderes (Jenes ist anders als Dieses), ohne diese wäre Vergleichen nicht möglich; die angebliche Gleichung aber setzt nicht zwei A oder zwei 1 oder zwei 5, sondern nur A oder 1 oder 5 voraus. Wer hier stutzt oder die letzte Behauptung gar abweisen möchte, der überlege doch nur, wodurch sich wohl "A" von "A", "1" von "1", "5" von "5" in jener "Gleichung" unterscheidet, so daß zwei besondere A oder 1 oder 5 gegeben wären. Verglichenes aber, das gar nicht irgendwie durcheinander selbst verschieden ist, ist ein Widerspruch in sich: daran kann niemand rütteln. Man beachte hierbei wohl: das Unterscheidende, also das, worin das Verglichene verschieden ist, muß immer zum Verglichenen selbst gehören. Ist "A = A" oder "1 = 1" in Wahrheit eine Gleichung, so muß es zwei A oder zwei 1 geben, die dann an sich selbst etwas aufzuweisen haben, durch das sie sich voneinander unterscheiden. Daß aber nicht etwa die verschiedenen "Stellen", an denen sich, sei es "im Raum, sei es in der Zeit" A oder 1 findet, dieses gesuchte Unterscheidende sein können, wie allerdings RICKERT meint (3), liegt auf der Hand. "A hier" und "A dort", "A früher" und "A später", ebenso "1 hier" und "1 dort" usw., biete ein und dasselbe A, ein und dieselbe 1, nur an verschiedener "Stelle", nämlich "hier" und "dort, "früher" und "später". Das Verschiedene im "A hier" und "A dort", oder im "1 hier" und "1 dort", nämlich das "hier" und "dort" gehört doch zweifellos nicht zu A, nicht zu 1, und darum liegen auch nicht zwei A oder zwei 1, sondern tatsächlich nur A oder 1 vor, allerdings an verschiedenen "Stellen in Raum oder Zeit", also als mehrmalig Gegebenes. Immerhin jedoch wird dadurch nichts geändert: dasselbe A oder dieselbe 1 ist hier und ist dort, ist früher und ist später, A gehört ein Mal mit "hier", und das andere Mal mit "dort", oder einmal mit "früher", das andere Mal mit "später" zusammen, jedoch, wohl gemerkt, weder "hier" oder "dort" noch "früher" oder "später" gehört zu A selbst, gehört zu 1 selbst, darum liegen auch nicht zwei besondere A, oder zwei besondere 1, sondern nur A zwei Mal oder 1 zwei Mal vor. Nur wer in solchen Fällen das Zusammengehören und das Zugehören nicht auseinanderzuhalten weiß und beides in einen Topf wirft, kann der Behauptung, A = A oder 1 = 1 usw. sei eine Gleichung, trauen: er greift eben in jenen Topf und holt zunächst das Zugehören von "hier" und "dort" zu A oder 1 heraus; dann aber läßt er das Zugehören wieder im Topf verschwinden und holt anstatt dessen das Zusammengehören von "hier" und "dort" mit A oder 1 heraus, ohne sich klar zu machen, daß er jetzt etwas anderes in der Hand hat. "Zusammengehören mit" und "Zugehören zu" nämlich fallen nicht zusammen und gehören nicht in einen Topf. Aber freilich, wenn man zunächst "hier" und "dort" irrtümlicherweise zu A oder zu 1 gehören läßt, so hat man damit die Voraussetzung für die Möglichkeit einer Vergleichung, nämlich die zwei Besonderen (dieses A, zu dem dann "hier", und jenes A, zu dem "dort" gehören soll und gleicherweise diese 1 mit "hier" und jene 1 mit "dort") verschafft. Um jedoch nun das "A = A" oder "1 = 1" als vermeintliche Gleichung mundgerecht machen zu können, sieht man sich, da doch das zu A oder zu 1 gehörende "hier" und "dort" zwei besondere, eben durch ihr "hier" und "dort" voneinander unterschiedene A oder 1 begreifen läßt, genötigt, das Zugehören des "hier" und "dort" fallen zu lassen, indem man anstatt dessen ihr "Zusammengehören mit A oder mit 1" einsetzt. Dadurch ist dann die Möglichkeit gegeben, das A oder 1 vom "hier" und "dort" gesondert zu betrachten, mithin von "hier" und "dort" ganz abzusehen, ohne doch A oder 1 selbst nicht mehr zu haben. Während man so aber vom "hier" und "dort" abzusehen sucht, wirkt immer noch still die erste Auffassung, in der das "hier" und "dort" A oder 1 zugehören sollen, nach und erweckt den Anschein, als ob trotz des Absehens von "hier" und "dort" doch noch zwei A oder zwei 1 zurückbleiben. Nur diesem Anschein aber hat die trügerische Behauptung, "A = A" oder "1 = 1" sei eine Gleichung, ihr Dasein zu verdanken. Denn es sei noch hervorgehoben: wenn "hier" und "dort" nicht zu A oder zu 1 gehören, so läßt sich nimmermehr von zwei A oder zwei 1, sondern nur schlechtweg von A oder von 1 reden, andererseits aber, wenn "hier" und "dort" zu A oder zu 1 gehören, so läßt sich nimmermehr von "A = A" oder "1 = 1" als einer "Gleichung", sondern vielmehr nur von zwei verschiedenen A und zwei verschiedenen 1 reden. Sicherlich ist im Sinne des Zusammengehörens von "hier" und "dort" mit A oder mit 1 zu sagen: "A hier und A dort" oder "hier 1 und dort 1" nicht aber, wenn wir anders genau sprechen wollen: "ein A hier und ein A dort" oder "hier eine 1 und dort eine 1". Denn hier und dort, an diesen beiden "Stellen" findet sich dasselbe, nämlich A oder 1, also nicht etwa Zwei haben wir, also Verschiedenes, von dem eines hier und ein anderes dort wäre. Sprächen wir aber von "zwei A" oder "zwei 1", so wäre diese Rede nur sinnvoll, wenn eben das "hier" und das "dort" je einem der Zweie zugehörte. Und wäre dies der Fall, so bliebe selbstverständlich ausgeschlossen, daß die Zwei, deren einem also die Stelle "hier" und dem anderen hingegen die Stelle "dort" zugehören soll, "völlig gleich" sein könnten, da in ihrem "hier" und "dort" ihre Ungleichheit doch sichtlich zutage treten würde. Wie kommt es aber, daß man so leicht versucht wird, gerade in solchen Fällen "Zusammengehören" und "Zugehören" miteinander zu verwechseln und gegeneinander einzutauschen, und somit der Schein des Rechtes auf die Behauptung fällt, die Sätze A = A oder 1 = 1 drückten eine Gleichung aus. Der Grund liegt darin, daß man erstens irrigerweise die "Stelle" d. h. den Ort, wo ein Ding, also das räumliche Einzelwesen, sich findet, nicht als diesem Ding zugehörig, sondern als mit ihm zusammengehörig zu begreifen pflegt, und daß man zweitens, wie vom Ort eines Dings, so auch in demselben Sinn vom Ort seiner Bestimmtheit (z. B. seiner Größe oder seiner Gestalt) redet, ohne zu bedenken, daß sich der "Ort" einenfalls in die "Zugehörigkeit zum Ding", andernfalls dagegen in einer "Zusammengehörigkeit mit der Dingbestimmtheit" (Größe oder Gestalt) befindet. Daß man aber diesen Unterschied in der Beziehung von "Ort" zum Ding und zu jenen Dingbestimmtheiten übersieht, erklärt sich vor allem aus der Nichtbeachtung des grundlegenden Unterschiedes "Einzelwesen und Allgemeines" im Gegebenen überhaupt, so daß es dahin kommt, das eine Mal das Allgemeine wie ein Einzelwesen, das andere Mal das Einzelwesen wie ein Allgemeinges zu behandeln. (4) Die Rede von "völlig gleichen Dingen" ist bekannt; sie hätte aber nur Sinn, wenn man Ortsbestimmtheit, d. h. den zugehörigen Ort dem Ding überhaupt absprechen dürfte, was dann eben dieses Einzelwesen wie Allgemeines behandeln hieße, also das Ding wohl "an einem Ort" sein, aber diesen Ort dem Ding, wie dem Allgemeinen "Größe" "Gestalt", nicht zugehören, sondern auch mit ihm, wie mit diesem Allgemeinen, zusammengehören ließe. Jene Rede "völlig gleiche Dinge" fällt nun aber überhaut schon in sich zusammen, sobald man erwägt, daß das, was "völlig gleiche Dinge" genannt wird, tatsächlich gar nicht Mehreres, sondern ein und dasselbe an verschiedenen Orten ist, d. h. mit verschiedenen Orten zusammengehört. Was sich so bietet, kann also dem klaren Beschauer nimmermehr "völlig Gleiches", sondern muß ihm "ein und dasselbe" sein. Dieses jedoch, da es an verschiedenen Orten zugleich ist, kann darum auch nicht Einzelwesen, also eben nicht Ding bedeuten, sondern muß Allgemeines sein. Wir sagen dann wohl in ungenauer Rede: "Dieses A hier und jenes A dort ist ein und dasselbe A", während wir genauer sprechen müssen: was hier und dort sich bietet, ist ein und dasselbe A, odder hier und dort ist dasselbe, nämlich dasselbe besondere Allgemeine "A". Selbstverständlich gibt es daher nicht so etwas, wie "völlig gleich Dinge", was sich auch schon daraus feststellen läßt, daß, daß jedem Ding ein besonderer Ort zugehört, zwei zugleich gegebene Dinge sich mindestens in ihrem Ort unterscheiden werden, wie es dann ja auch feststeht, daß zwei Dinge nicht zugleich ein und denselben Ort haben. Selbstverständlich aber gibt es umgekehrt auch nicht "völlig gleiches" Allgemeines, darum insbesondere auch nicht "völlig gleiche" Dingbestimmtheiten. Jedoch, während zwei Dinge nicht zugleich an ein und demselben Ort sein können, müssen sogar zwei Dingbestimmtheiten (Größe und Gestalt schlechthin) an ein und demselben Ort sein, und während ein Ding nicht an verschiedenen Orten zugleich sein kann, kann eine Dingbestimmtheit (besondere Größe oder besondere Gestalt) auch sehr wohl an verschiedenen Orten sein, dank dem, daß sie nicht Einzelwesen, sondern Allgemeines ist. Wenn man sich in den schweren und verhängnisvollen Irrtum verfangen hat, daß zum Ding "sein" Ort nicht gehört und sein Übriges ohne die Ortsbestimmtheit doch noch ein Einzelwesen ist, so liegt sofort auch der andere Irrtum zur Hand, daß man Allgemeines, so z. B. A oder 1, wie jenes angeblich ortlose "Ding", also schlechtweg wie ein Einzelwesen behandelt. Und wie man sich aufgrund der Wahngebilde "ortlose Dinge" zu der widerspruchsvollen Behauptung von "völlig gleichen" Dingen versteigen kann, so hält man sich nicht weniger berechtigt, wenn man hier und dort A oder 1 findet, von "diesem A und jenem A", von "dieser 1 und jener 1" nicht nur als Zweien zu reden, indem man in ihnen Einzelwesen vor sich zu haben meint, gleichwie man von dieser weißen Kugel und jener weißen Kugel als zwei Einzelwesen mit Fug und Recht spricht, sondern auch von zwei völlig gleichen A oder 1 zu reden, wie man ja eben auch mißverständlich von zwei "völlig gleichen" Kugeln spricht. Es wird sich freilich nichts dagegen einwenden lassen, daß man von zwei in "allen" ihren Bestimmtheiten und Eigenschaften (einzig die Ortsbestimmtheit selbstverständlich ausgeschlossen) gleichen - dies ist die Wahrheit des "völlig gleich" - Kugeln spricht, und im gewöhnlichen Verkehr werden wir es schon bestehen lassen, daß es "zwei völlig gleiche Kugeln" heißt. Jedoch erheben wir in der wissenschaftlichen Sprache gegen die Behauptung "völlige Gleichheit zweier Kugeln", sofern man die Ortverschiedenheit damit beiseite schiebt, weil angeblich Ort den Kugeln selbst überhaupt nicht zugehört, Einspruch. Will man nämlich von der Ortsbestimmtheit der Kugeln, also davon, daß Ort einer jeden Kugel zugehört, nichts wissen, so läge, wenn Ort nicht mit in Frage komt, überhaupt in unserem Fall gar nicht Verschiedenes, also auch nicht etwa "völlig Gleiches" vor, sondern das, was man nun unter Abzug der Orte von den Kugeln noch als "Kugel" bezeichnen möchte, ist tatsächlich an diesem Ort und an jenem Ort ein und dasselbe. Und dieses, was sowohl "hier" als auch "dort" ist, sich also mehrmalig findet, kann demnach nicht Einziges, darum auch nicht Einzelwesen sein, sondern ist zweifellos Allgemeines, womit sich dann herausstellt, daß nicht von Gleichheit, sondern von Identität, darum nicht von zwei "völlig gleichen" Kugeln, sondern von ein und demselben Etwas, das sich als "Allgemeines" an den verschiedenen Orten zugleich findet, zu reden ist. Wenn jemand aber niht zu diesem Ergebnis gelangt, so liegt es daran, daß er von dem ganz richtigen Gedanken, die "Kugel"sei ein Ding, als ein Einzelwesen (Einziges), nicht loskommen kann und sich ihm "die Kugel hier" und "die Kugel dort" auch tatsächlich als zwei besondere Einzelwesen bieten. Nur macht er sich nicht klar, daß die, allein die Verschiedenheit dieser (sonst völlig gleichen) Kugeln begründenden Orte (hier und dort) zu den Kugelns selbst als deren Ortsbestimmtheiten gehören müssen, wenn überhaupt die Tatsache, daß ihm zwei Kugeln gegeben sind, verstanden werden soll. Fällt es doch niemandem ein, angesichts zweier weißer Kugeln zu behaupten, daß "das Weiß hier" und "das Weiß dort" zwei Weiß sind, sondern Jeder wird verstehen, daß sich ein und dasselbe Weiß hier und dort findet. Warum aber wird im letzten Fall von ein und demselben Weiß, und nicht auch, wie im ersten Fall von zwei Kugeln, so von zwei Weiß, "ein Weiß hier", "ein Weiß dort" gesprochen? Die Antwort ist einfach und klar: weil "hier" und "dort" nicht zu Weiß, das freilich "hier" und "dort" ist, gehört, sondern eben mit ihm zusammengehört, während dasselbe "hier" und dasselbe "dort" zu je einer Kugel gehört. Es muß nun genau beachtet werden, wie immer nur von Einzelwesen oder Einzigen [stirn] gelten kann, daß sie bis auf ihre, sei es örtliche, sei es zeitliche Besonderheit "völlig gleich" sind. Wer darum von "einem A hier" und "einem andern A dort", oder von "einer 1 früher" oder "einer anderen 1 später" spricht, der wird dies, sofern jene "zwei A" und diese "zwei 1", wie es nach üblicher Sprechweise heißt, sich "völlig gleichen" sollen, nur sinnvoll tun, wenn er unter "A" und unter "1" Einzelwesen begreift, zu denen "hier" und "dort", "früher" und "später" gehört, so daß sich demgemäß die zwei sonst "völlig gleichen" A oder 1 tatsächlich durch sich selbst, nämlich durch ihre örtliche oder zeitliche Besonderheit (hier - dort, früher - später) unterscheiden. Es ließe sich darum der Satz "ein A hier und ein anderes A dort" immerhin verstehen, wenn zwei Einzelwesen je ein besonderes "A" bedeuten würden, wenn, mit anderen Worten: der Buchstabe "A" uns das Zeichen für eine besondere Gattung von Einzelwesen wäre, wie es z. B. das Wort "Kugel" ist. Dann allerdings hätte auch der Satz "das A hier und jenes A dort sind völlig gleich" seine ortsübliche Berechtigung, wenn er nämlich sagen will, "diese beiden A sind abgesehen von ihrem, d. h. dem, einem jeden A zugehörigen Ort völlig gleich". Ist aber in dem Satz "ein A hier und ein A dort" das "A" der Buchstabe A und nichts weiter gemeint, so wird keine Kunst der Auslegung diesen Satz von dem in ihm liegenden Widerspruch, der in einer Vertauschung von Gleichheit und Identität wurzelt, befreien. Oder man sage mir doch, welche Besonderheit das A hier von einem A dort unterscheidet, so daß zwei A behauptet werden könnten? Ist es doch unbestreitbar, daß zum Buchstaben A, der hier und zugleich dort ist, nun und nimmer ein Ort (hier und dort) gehört, wenn er auch selbstverständlich mit einem Ort, ja sogar mit mehreren Orten zusammengehört. Aber "an mehreren Orten zugleich sein", kann der Buchstabe A nur, weil er kein besonderes Einzelwesen, sondern ein besonderes Allgemeines ist. So gehört z. B. auch zum zweifellosen Allgemeinen "rund" oder "rot nun und nimmer ein Ort, während selbstverständlich, "rund" oder "rot" im Gegebenen mit dem Ort zusammengehört. Läßt sich nun, angesichts des Buchstabens "A" hier und des Buchstabens "A" dort, weil "hier" und "dort nicht Unterscheidendes für A selbst sein können, da weder "hier" noch "dort" zu A selbst gehört, auch nicht das geringste aufweisen und vorführen, das uns berechtigen würde, zwei, d. h. selbstverständlich, besondere oder verschiedene - diese beiden Worte haben ja ein und denselben Sinn - A, "ein A hier und ein anderes A dort", zu behaupten, so kann "A hier und A dort" sinnvoll nur dahin verstanden werden, daß sich ein und dasselbe A sowohl hier (mit diesem Ort zusammen) als auch dort (mit jenem Ort zusammen) findet. Auf diesen Sinn ist also die ortsübliche, aber irreführende Redensart "ein A hier und ein A dort" zu deuten. Dasselbe gilt von dem Satz "eine 1 hier und eine 1 dort": nicht zwei 1 finden sich, sondern nur ein und dieselbe 1 an verschiedenen "Stellen", und wie der Buchstabe "A", so ist auch die Zahl "1" nicht Einziges, nicht Einzelwesen, sondern eben Allgemeines, von dem überall bekannt ist, daß es sich mehrmalig findet, während alles Einzige eben nur einmal Gegebenes ist. Der Hinweis, daß wir doch von mehreren A, von mehreren 1 zu reden gewohnt sind, erledigt sich leicht durch die Bemerkung, daß wir in dieser Redewendung die so gewöhnliche Irrung, Allgemeines und Einziges (Einzelwesen) zu behandeln, - früher hießt diese Irrung "Verobjektivierung eines Begriffs" - vor uns haben. Wer dieser Irrung nicht verfallen ist, sieht ein, daß nicht gesagt werden darf, es finden sich mehrere A (Buchstabe) oder mehrere 1 (Zahl), sondern es findet sich A oder 1 mehrere Male. Sagen wir doch auch nicht, es finden sich mehrere "rund" oder mehrere "rot", sondern es findet sich "rund" oder "rot" mehrere Male. Die Einsicht, daß der Buchstabe A oder die Zahl 1 etwas Allgemeines ist, zu dem daher "Ort" oder "Stelle" nun und nimmer gehören kann, reimt sich durchaus mit der Tatsache, daß A oder 1 "an verschiedenen Stellen", mit anderen Worten, daß sich an verschiedenen Orten ein und dasselbe, nämlich A oder 1, findet. Aber es heißt Zusammengehörigkeit der verschiedenen "Stellen" (Orten) mit A oder 1 und die Zugehörigkeit zu A oder 1 verwechseln, mit anderen Worten, das Allgemeine A oder 1, das "an verschiedenen Stellen" ist, irrigerweise für zwei, "durch ihre Orte verschiedene A-Dinge oder 1-Dinge" ausgeben, wenn erklärt wird, A oder 1 an verschiedenen Orten bedeuten "zwei völlig gleiche A oder 1 an verschiedenen Orten, die nur durch ihre Stellen (Orte) verschieden sind" (5). Wie ist es möglich, "absolute Gleichheit" und darum "Vertauschbarkeit" zu verkünden und zugleich Verschiedenheit vom "absolut Gleichen" zu behaupten? (6) Man betrachte doch nur das mehrmalig gebgene A oder 1. Niemand wird aus dem Umstand, daß sich A oder 1 an verschiedenen Stellen bietet, heraussehen und herausstellen können, daß ein A oder eine 1 und ein anderes A eine andere 1 vorliegt, die, wie man erklärt, durch die "Stellen voneinander verschieden sind." (7) Wer eine solche Verschiedenheit behauptet, der hat sich das Wort "an einer Stelle (Ort) sein" nicht in seiner Zweideutigkeit klar gemacht (8). Wir sagen, "Weiß ist an dieser Stelle" und auch "die Kugel ist an dieser Stelle"; im ersten Fall heißt "an der Stelle sein" soviel wie "diese Stelle gehört mit Weiß zusammen", im zweiten Fall aber soviel wie "diese Stelle gehört zur Kugel". Niemals nun ist der Buchstabe A oder die Zahl 1 "an einer Stelle" im zweiten Sinn dieses Wortes, niemals gehört ein Ort zu A oder zu 1, niemals also kann mehreres A oder mehrere 1 d. h. also ein A und ein anderes A, eine 1 und eine andere 1 aufgrund dessen, daß sich A oder 1 "an verschiedenen Stellen" findet, also mehrmalig Gegebenes ist, widerspruchlos behauptet werden. So bleibt es also dabei: der Buchstabe A und die Zahl 1 sind Allgemeines oder, wie man wohl auch zu sagen pflegt, Begriffe. Es ist darum eine bedenkliche Verirrung, die eben wieder in der Blindheit gegen jene Zweideutigkeit des Wortes "an einer Stelle (Ort) sein" ihren Grund hat, wenn man zwischen der "Zahl 1" und dem "Begriff 1" unterschieden wissen möchte und schreibt: "Die Verwechslung der Zahl mit ihrem Begriff ist bedenklich." (9) Man zeige uns doch, wie und worin sich "die Zahl 1" vom "Begriff 1" unterscheidet. Sagt man uns, es gebe "selbstverständlich nur einen Begriff 1, aber doch beliebig viele 1", so stelle man doch die Besonderheiten heraus, in denen sich die angeblichen "beliebig vielen 1" voneinander unterscheiden! Die verschiedenen Stellen, an denen sich die Zahl 1 zeigt, können dies nicht sein, denn sie gehören nicht zu 1, können also auch nicht die verschiedenen Besonderheiten der angeblichen "1-Zahlen" sein. Wer eben nur hinsehen will, findet "an den verschiedenen Stellen" ein und dasselbe, und daraus ergibt sich unwidersprechlich, daß "die Zahl 1" ein Allgemeines, d. h. ein Begriff ist, und daß "Zahl 1" und "Begriff 1" nichts weiter als zwei besondere Bezeichnungen für ein und dasselbe, nämlich für 1 bedeuten, indem 1 das eine Mal als "Zahl", das andere Mal als "Begriff", d. h. als logisches Allgemeines gezeichnet ist. Nun hat man noch gesagt: "gäbe es nur eine 1, so hätte der Satz 1 = 1 keinen Sinn und ebenso wäre es unmöglich, die eine 1 zur anderen 1 und noch eine 1 und noch eine 1 hinzuzufügen, denn eine andere 1 wäre dann gar nicht vorhanden." (10) Ich unterschreibe diese Worte mit freudiger Zustimmung, ohne aber von der Behauptung, daß die "Zahl 1" und der "Begriff 1" ein und dasselbe, nämlich die 1, bedeuten, irgendeinen Deut abzuweichen. Daß der Satz "1 = 1" keinen Sinn macht, ist von mir selbst schon ausgeführt, so daß ich nur noch besonders auf das Zweite eingehe, daß wir in der Tat niemals eine 1 zur anderen 1 hinzufügen und hinzufügen können. Allerdings sage ich mir, daß die Möglichkeit, "1 zu 1 hinzuzufügen" noch für gar Viele nach alter Überlieferung feststehen wird, und von dieser ihnen zweifellos sicheren Voraussetzung aus halten sie sich dann, wie durchaus verständlich ist, völlig berechtigt, nun auch wiederum zu erklären: "Also kann der Begriff der Zahl 1 nicht mit der Zahl 1 zusammenfallen." (11) Es ist aber ratsam, sich in dieser Streitfrage zuerst anhand der Tatsache von mehrmalig gegebener 1 darüber klar zu werden, ob mit Sinn von mehreren 1 d. h. also besonderen oder unterschiedenen 1 zu reden sei oder nicht. Zeigt sich, wie wir gesehen haben, daß sich eine mehrmalig gegebene 1 nicht "mehrere" 1, sondern nur 1 an mehreren Stellen, als ein und dasselbe, nicht aber "völlig und absolut Gleiches an verschiedenen Stellen" findet, so ist damit der Irrtum, daß der "Begriff 1" und die "Zahl 1" nicht zusammenfallen, erledigt, und wir erkennen, daß das Wort "Begriff der Zahl 1" nicht weniger, aber auch nicht mehr, sondern dasselbe trifft, wie das Wort "Begriff 1" oder das Wort "Zahl 1". Zu etwas läßt sich freilich - das bezweifeln wir nicht - Anderes zählenderweise hinzufügen, aber immerhin doch nur solches, das entweder an sich selbst Gemeinsames (Identisches) mit jenem Etwas bietet oder doch in einer gemeinsamen (identischen) Beziehung zu einem dritten steht. Ohne überhaupt Gemeinsames (Identisches) aufzuweisen, kann Anderes zu Etwas nicht zählenderweise hinzugefügt werden. "Zählen" aber ist überhaupt kein Hinzufügen von Anderem zu Etwas, sondern es ist ein Feststellen, also ein Bestimmen, wie viel Mal sich ein Allgemeines im vorliegenden Unterschiedenen findet. Gezählt im eigentlichen Sinne wird demnach das Gemeinsame, Identische im Unterschiedenen, so daß das "wie viel Mal" des Allgemeinen festgestellt wird. Ohne Unterschiedenes zu haben, ist darum das Zählen überhaupt nicht möglich, aber gezählt wird doch niemals das Unterschiedene selbst, sondern nur das Gemeinsame, also Identische im Unterschiedenen. Es widerspricht ferner den Tatsachen die Behauptung, daß "Gleiches" gezählt wird; denn, weil doch "völlig Gleiches" ein Widerspruch in sich ist, so wäre immer unter dem "Gleichen", das angeblich gezählt werden kann, nur solches "Unterschiedene" das Gemeinsames aufzuweisen hat, zu verstehen; Unterschiedenes aber läßt sich nicht zählen, sondern nur das Identische in Unterschiedenem. "Gleiches zählen" heißt also tatsächlich soviel wie "Unterschiedenes zählen" und ist demnach ein ebenso sinnloses Wort, wie dieses. Besonders ist freilich - dagegen läßt sich nichts sagen - zu Besonderem zählenderweise hinzufügen, was eben besagt, daß diese eigentümliche "Hinzufügung" möglich wird, indem ein Gemeinsames, also Identisches in diesem und jenem Besonderen gezählt wird, d. h. eben festgestellt wird, wie viel Mal es sich im Unterschiedenen bietet. Die Zahlen bezeichnen immer die Male, die ein Allgemeines als Identisches in Unterschiedenem gegeben ist; also wir zählen das identische Allgemeine mit den Zahlen, jede Zahl aber ist selbst auch ein Allgemeines. Wer nun meint, es wäre wissenschaftlich sinnvoll, von einer 1 und noch einer 1 und noch einer 1" zu reden, der ist in derselben Täuschung befangen, wie derjenige, den es wissenschaftlich sinnvoll dünkt, "vom Hinzufügen einer 1 zu einer 1" sprechen. Nur wenn Mehreres, also Unterschiedenes vorliegt, läßt sich ein "Hinzufügen" behaupten, und nur wenn dieses Mehrere ein Gemeinsames aufweist, läßt sich das Hinzufügen zählenderweise, d. h. durch ein Zählen des im Unterschiedenen Gemeinsamen oder Identischen verstehen. Da es aber nicht mehrere 1, sondern nur die mehrmalog sich bietende 1 gibt, so ist das Wort vom "Hinzufügen einer 1 zu einer 1" ein leeres Wort, weil "Hinzufügen" überhaupt nur unter der Voraussetzung von Mehrerem, also Unterschiedenem einen Sinn haben kann. Es kann nicht mehrere 1 ("eine 1 und noch eine 1") geben, wohl aber die 1, dieses Allgemeine, mehrere Male. Wer hier die 1 und dort die 1 hinschreibt, wird, indem er das Geschriebene betrachtet, hier und dort ein und dasselbe, nämlich die 1 finden, und wenn er gefragt wird "wie viel Zahlen?", die Antwort geben: nicht mehrere Zahlen, sondern die Zahl 1 mehrere Male. Aus diesem Befund läßt sich so recht einleuchtend belegen, daß wir mit Recht die Unterscheidung von "der Zahl 1" und "dem Begriff 1" schlechtweg abgewiesen haben. Man beachte auch, daß das Wort "Mehrzahl" nicht "gezähltes Mehreres" - so etwas gibt es ja nicht, - heißen kann, sondern immer Mehreres (Unterschiedenes) meint, das ein Zählen ermöglicht, weil es ein gemeinsames Allgemeines - und Allgemeines kann ja überhaupt nur gezählt werden - aufweist. Diese gemeinsame Allgemeine, das einzig das Zählbare ist, kommt darum stets und notwendig mit zum Ausdruck, sobald das Wort "Mehrzahl" gebraucht wird. Wir sagen nämlich, wenn wir sinnvoll reden, nie etwa nur "eine Mehrzahl", sondern stets eine Mehrzahl Kugeln oder Farben oder Eigenschaften oder Einzelwesen usw., so daß das identische Allgemeine als die gemeinsame Bestimmung (Kugel, Farbe, Eigenschaft, Einzelwesen) der "Mehrzahl" klar zum Ausdruck kommt. So sprechen wir dann auch sogar sinnvoll von einer "Mehrzahl Zahlen", was also immer Mehreres, dessen gemeinsames Allgemeines "Zahl schlechtin" ist, meint: eine solche Mehrzahl Zahlen ist z. B. "1, 2, 3, 4". Dagegen wird niemand "1, 1, 1, 1" eine "Mehrzahl Zahlen" deren gemeinsames Allgemeines dann "1" sein müßte, nennen, da doch auf der Hand liegt, daß das "Allgemeine" (Begriff 1) sich mehrmalig, nämlich 4 Mal bietet oder, mit anderen Worten, dieselbe Zahl 1 vier mal gedruckt steht. Also "Zahl 1" und "Begriff 1" fallen zweifellos zusammen, die Worte "Zahl 1" und "Begriff 1" müssen ein und dasselbe Allgemeine meinen, wenn sie den Tatsachen die Ehre geben, also Sinn haben sollen. v Wein nun 1 ein Allgemeines ist, wie jede andere Zahl auch, so können wir es weiter verstehen, daß wir, da jedes "Zählen doch ein Zählen mit Zahlen" ist, nicht nur sonstiges Allgemeines (mit Zahlen) zählen", sondern insbesondere auch eine Zahl (mit Zahlen) zählen können, d. h. die Möglichkeit haben, auch von einer Zahl feststellen zu können, wieviel mal sie sich in einem besonderen Fall bietet. Dieses Gezähltwerdenkönnen läßt sich für jede Zahl behaupten, da sich jede Zahl als Allgemeines mehrmalig finden kann. Fragt man aber, welches denn das Unterschiedene ist, indem sich eine Zahl (1 oder 2 oder 3 usw.) als Gemeinsames mehrmalig findet, so wäre es verfehlt zu fordern, das gemeinsame Allgemeine, sofern es zählbar ist, müsse die Gattung des Mehreren (Unterschiedenen) bedeuten, wie dies allerdings in Beispielen, wie zwei Kugeln, zwei Farben, zwei Bewegungen, zutrifft. Denn was für das Zählbarsein gefordert werden muß ist nur, daß das zählbare Allgemeine zu jedem von dem Mehreren gehört, einerlei ob es die Gattung, oder eine Bestimmtheit usw. oder etwa auch das eine Stück eines besonderen Zusammens bedeutet. Das letzte aber trifft nun gerade beim Zählen der Zahl (1 oder 2 oder 3 usw.) zu. Sobald sich nämlich dieselbe Zahl hier und dort findet, haben wir unterschiedene (mehrere) Zusammen, z. B. "1 hier" und "1 dort", mit dem gemeinsamen Allgemeinen 1 dieser beiden Zusammen; und somit kann hier eben gezählt, kann nämlich diese Zahl 1 gezählt, d. h. das "wieviel Mal" dieses Allgemeinen festgestellt werden. Es ist aber ein irrtümliches Lesen solcher, mehreren Zusammen, die aus ein und derselben Zahl, z. B. 1 und je einem besonderen Ort bestehen, wenn man in ihnen "eine 1 und noch eine 1, als zwei 1" zu haben meint, während man doch nur "die 1 zwei Mal, (einmal 1 und noch einmal 1") hat. Auf dieser Möglichkeit des Zahlzählens d. h. auf einer solchen "Mehrzahl" besonderer Zusammen, deren gemeinsames Allgemeines eine besondere Zahl ist, beruth ja alles Rechnen, denn Rechnen ist, ganz allgemein bestimmt, in jedem Fall Zählen einer Zahl. "1 = 1" sagten wir, stellt keine Gleichung dar, sondern ist ein sinnloser Satz; 1 + 1 = 2 dagegen ist eine Gleichung. Die Glieder jeder Gleichung müssen, wie wir darlegten, Unterschiedenes sein, eben darum stellt "1 = 1" keine Gleichung dar, dagegen wir niemand behaupten wollen, daß "1 + 1 = 2" keine Gleichung ist. "1 + 1" und "2" sind zweifellos Unterschiedenes, aber sie sind gleich in ihrem Zahlwert, und aufgrund dieses Identischen rechnungsmäßig austauschbar, aber auch sie sind keineswegs "völlig Gleiches", wie schon der Augenschein lehrt: das eine Glied ist die "zweimal gesetzte Zahl 1", das andere dagegen die Zahl "2". "Identitätsurteil" in der hergebrachten Auffassung gibt es nicht; Identitätsurteil aber in dem Sinne, daß die Bestimmung in diesem Urteil durch das Wort "identisch" gegeben wird, läßt sich nicht leugnen: Etwas in Unterschiedenem (Mehreren) ist identisch d. h. ein und dasselbe ist zu jedem der Unterschiedenen (Mehreren) gehörig. Von einem "identischen Etwas" zu reden hat nur dann Sinn, wenn Mehreres, also Unterschiedenes, dem Etwas gemeinsam ist, vorliegt. Darum ist aber auch der Satz "Etwas ist mit sich selbst identisch", da nichts mehreres vorliegt, sinnlos; er ist augenscheinlich aber dem sinnvollen Satz: "Etwas ist Einem gleich" nachgeformt, indem dabei das Irrwort "völlig gleich" den Vermittler spielte. "Identisches" gibt es, d. h. Etwas, das sich z. B. sowohl mit diesem Ort oder Zeitpunkt, als auch mit jenem Ort oder Zeitpunkt zusammengehörig oder auch zum Unterschiedenem gehörig bietet, so daß demnach hier und dort oder früher und später oder in diesem und in jenem Besonderen ein und dasselbe vorgefunden wird. Diese "Identität" aber kommt ausschließlich dem Allgemeinen allein und nicht auch dem Einzigen d. h. dem Einzelwesen oder der Wirkenseinheit von Einzelwesen zu (12). Das logische Subjekt für das logische Prädikat "ein und dasselbe (identisch)" ist in allen Fällen ein Allgemeines, was schon aus der Überlegung hervorgeht, daß nur Allgemeines mehrmalig Gegebenes sein, also z. B. sich hier und dort zugleich finden, oder dem Einen und auch dem Anderen von Mehreren zugehören kann usw. Wie läßt sich aber mit dem, daß Identität nur von Allgemeinem und zwar selbstverständlich auch nur in der von mir dargelegten besonderen Beziehung mit Recht auszusagen ist, jenes vielgebrauchte Wort "Identitätsnachweis", das anscheinend doch auf Einziges geht, und ferner die beliebte Wendung, daß z. B. ein und dieselbe Kugel, ein und derselbe Mensch hier und dort war, oder anders gewendet, daß, was hier und dort sich fand, ein und dieselbe Kugel, ein und derselben Mensch gewesen ist? Nehmen wir jenes Wort und diese Wendungen beim Wort, so ist für beides kein Sinn zu finden, auch niht, wenn wir dem "hier und dort" noch ein "früher und später" hinzufügen. Denn wir wissen wohl, daß das "hier" und auch das "dort" in diesem Fall der besonderen Kugel oder dem Leib des besonderen Menschen zugehört, aber freilich nur so, daß das, was sich früher hier, und was sich später dort bietet, nicht ein und dasselbe ist, sondern zumindest in der besonderen Ortsbestimmtheit sich als ungleich erweist. Das Wahre aber, das trotz alledem in der Rede "ein und dieselbe Kugel oder ein und derselbe Mensch war früher hier uns später dort" eingeschlossen liegt, ist, daß das Besondere, was sich früher hier, und das Besondere, was sich später dort bot und in der besonderen Ortsbestimmtheit wenigstens verschieden ist, doch beides zu ein und demselben Einzigen, nämlich zu dieser Kugel oder zu diesem Menschen gehört. Dieses Zugehören des Unterschiedenen zu ein und demselben Einzigen ist es, was das Wahre an jener Rede ausmacht. Wobei ich noch darauf aufmerksam mache, daß das Unterschiedensein der beiden besonderen Augenblickeinheiten der Kugel oder des Menschen, wenn wir sie gegeneinander halten, nicht etwa im "früher" oder "später" ihres Gegebenseins begründet sein kann, denn zur Augenblickseinheit als besonderem Gegebenen gehört keineswegs etwa Zeitbestimmtheit (13), so daß als verschiedene Augenblickeinheiten eines Einzelwesens niemals an sich selbst durch das "früher" oder "später", mit dem sie im Einzelwesen freilich zusammengehören, Unterschiedenes sein können. Zeit gehört, wie die Zergliederung des Einzelwesens lehrt, nicht zu jener Einheit, die wir im Blick auf das Einzelwesen dessen besondere Augenblickeinheit nennen, wohl aber gehört Zeit zum betreffenden Einzelwesen, und darum ist auch leicht verständlich, daß eine Einheit, die mit dem "früher", und eine andere, die mit dem "später" zusammengehört, ein und demselben Einzelwesen (als dessen frühere und spätere Augenblickeinheit) zugehören können. Aber auch diese Rede von ein und demselben Einzelwesen, dem verschiedene Augenblickeinheiten im Nacheinander zugehören, muß noch vor einem Mißverständnis geschützt werden, da, wie wir zeigen können, die Neigung besteht, sie dahin zu verstehen, daß sich ein und dasselbe Einzige sowohl früher als auch später vorgefunden hat und somit vom Einzelwesen selbst "Identität", also ein mehrmaliges Gegebensein zu behaupten ist. Wir betonen gegen dieses Mißverständnis, daß nur Allgemeines mehrmalig gegeben, daher auch nur von Allgemeinem in der von uns dargelegten besonderen Beziehung "Identität" auszusagen ist. Wer aber der üblichen hergebrachten Redewendung, daß ein und derselbe Mensch gestern im Konzert gespielt hat und heute bei uns zu Mittag speist, nicht den Sinn gibt, dieses Beides gestern und heute gehöre zu ein und demselben Einzelwesen, sondern vielmehr die Meinung genau dem Wort nach verficht, ein und dasselbe Einzelwesen habe gestern im Konzert gespielt und speise heute bei uns zu Mittag, dieses Einzelwesen sei als das Identische in den verschiedenen Augenblicken - der trägt sich mit einer Auffassung von "Einzelwesen", die als Hirngespinst schlechtweg abzuweisen ist. Die Meinung freilich ist leider eine althergebrachte, daß das Veränderliche gar nicht zu verstehen sei, wenn "man nicht etwas in der Veränderung Beharrendes annimmt". Ohne eine Beharrendes in der Veränderung ist, so heißt es in einer klugen Rezension (14) meiner Philosophie als Grundwissenschaft, "nicht recht einzusehen, woran sich die Grundwissenschaft halten will, wen sie ein Nacheinander von Dingaugenblicken als Einheit, als Ding ansprechen soll". Dieses Bedenken fordert also, daß in einem mannigfaltigen Nacheinander, das die Zergliederung im Ding aufweist, sich ein Beharrendes findet, also Etwas, das all den verschiedenen Dingaugenblickeinheiten des Dings gemeinsam (identisch) ist. Diese Auffassung zieht von altersher durch die Geschichte. Überlegen wir jene Forderung, so versteht sich von selbst, daß ihr das in den verschiedenen Dingaugenblicken angeblich bestehende Identische (Beharrende und mithin Unveränderliche) keineswegs ein Allgemeines sein könnte, sondern Einziges sein müßte. Denn wäre das geforderte "Beharrende" nicht Einziges, so würde auch das Veränderliche, d. h. hier das in die verschiedenen Augenblickseinheiten zergliederte Ding selbst nicht als Einziges (Einzelwesen) ausgegeben werden können, da doch jenes "Beharrende" gerade nach der Meinung deren, die diese Auffassung vertreten, erst die besondere Einheit, die wir "dieses Ding" zu nennen pflegen, als nur einmalig Gegebenes, d. h. als Einziges verstehen lassen soll. Wir stehen hier vor jener irreführenden Aufteilung des Veränderlichen in "Beharrendes und Wechselndes", oder, wie es früher lautete, in "Substanz und Akzidenz". Nach dieser besteht eben im veränderlichen Einzigen ein unveränderliches Einziges gleichsam als bleibender Kern; nur wird man sich hierbei nicht bewußt, daß die Behauptung "unveränderliches Einziges", wie doch "der beharrende Kern des Veränderlichen" begriffen werden muß, ein Widerspruch in sich ist, weil nur das mehrmalig Gegebene ein Unveränderliches ist, der angebliche Kern des Dings aber nur ein einmalig Gegebenes sein soll, und weil andererseits alles einmalig Gegebene Veränderliches ist, der angebliche "Kern" aber ein Beharrendes d. h. Unveränderliches sein soll. Ist es nun richtig, daß jene, die vom Beharrenden in jedem Veränderlichen als dem Kern, der die Einzigkeit dieses Veränderlichen geradezu allein begründet, reden, jenes Beharrende in der Tat als "unveränderliches Einziges" ansprechen müssen, so liegt in dieser Ansprache der Widerspruch klar auf der Hand: wenn wir hier "Einziges", wie wir ja durchaus berechtigt seind, durch "Veränderliches" und "Unveränderliches", wozu wir ebenfalls berechtigt sind, durch "Allgemeines" ersetzen, dann hätten wir im ersten Fall das Wort "unveränderliches Veränderliches", im zweiten Fall das Wort "allgemeines Einziges" gewonnen: zwei Widersprüche, die so offensichtlich wir nur möglich sind. Sicherlich kann an jedem, selbst an einem allseitig sich verändernden Ding "etwas in der Veränderung Beharrendes" nachgewiesen werden, aber dieses ist nur eine mehr oder weniger große Summe eines besonderen Allgemeinen, sei es nur von Dingbestimmtheiten schlechthin, sei es, wie es nicht selten ist, auch von wenigstens einer solchen Dingbestimmtheit, die aus einer Dingbestimntheit schlechthin und einer Besonderheit besteht (15). Aber ein solches beharrendes Allgemeines könnte es in keinem Fall sein, aus dem das Ding, das ja selbstverständlich Veränderungen aufzuweisen hat, als eine besondere Einheit verschiedener Augenblickeinheiten im Nacheinander d. h. sich als ein besonderes Einziges (Einzelwesen) verstehen lassen würde, denn auch andere Dinge könnten zugleich dieselben beharrenden Dingbestimmtheiten aufweisen und würden demnach, wenn dieses beharrende Allgemeine, die besondere Einheit, nämlich ein besonderes Ding begründete, gar nicht andere Dinge sein, sondern es müßte dann nur ein Ding da sein. Der sogenannte "Kern" in einem Ding ist nun bei Licht betrachtet, soweit die Tatsachen die Unterlage geben, nichts anderes als die nur widerspruchsvoll zu einem Einzelwesen aufgeputzte Summe des in allen Augenblickeinheiten des Dings beharrenden, also "identischen" Allgemeinen, d. h. jener besagten Dingbestimmtheiten. Diesem beliebten Mummenschanz muß zumindest in der Wissenschaft endlich der Abschied gegeben werden. Wer sich bei dieser Kerntheorie nur selber einmal auf die Finger sieht, muß rasch erkennen, daß er in der Tat nur mit jenem beharrenden Allgemeinen als mit einem Einzigen spielt, indem ihm der angebliche "Dingkern" eben das, als was das Wort "Kern" immer auch ohne weiteres verstanden wird, bedeutet, nämlich selbst ein Ding in einem veränderlichen Ding, nur daß diesem Kernding, das doch, weil es "Ding" sein soll, als Veränderliches begriffen werden müßte, der Mantel des Unveränderlichen d. h. Allgemeinen, da es ja ein Beharrendes sein soll, umgehängt wird und er damit dann selbst dem Widerspruch "unveränderliches Veränderliches" verfallen ist: ein Ding und doch kein Ding. An ein solches Gespenst: "identischer Kern im Ding" klammert man sich aber, wenn man sagt: es ist ein und dieselbe Kugel, die du und ich gebraucht haben, es ist ein und derselbe Kutscher, der früher bei Peter und später bei Paul in Stellung war. Man bewegt sich dabei eben stets in dem Widerspruch, daß ein und dieselbe Kugel und doch nicht ein und dasselbe, ein und derselbe Kutscher und doch nicht ein und dasselbe sowohl hier als auch dort, sowohl früher als auch später gewesen ist. Dieser Widerspruch löst sich sofort durch die Preisgabe jenes Wahns "identischer (beharrender) Kern im veränderlichen Ding" dahin auf, daß das Besondere, was hier und früher, und das Besondere, was dort und später war, zwar nicht ein und dasselbe, sondern vielmehr Unterschiedenes ist, aber doch beides zu ein und demselben Einzelwesen (der besonderen Kugel, dem besonderen Kutscher) gehört. Diese Zugehörigkeit allein dürfen wir also meinen, wenn wir uns der altgewohnten, vom Widerspruch gezeichneten Wendung bedienen, daß es ein und dieselbe Kugel, ein und derselbe Kutscher ist, was sich hier und dort als Besonderes, was früher und später als Besonderes gefunden hat. Wie aber verfällt man doch immer wieder, um sich das Ding als besondere Einheit von verschiedenen Augenblickeinheiten im Nacheinander, d. h. als ein besonderes Veränderliches klar zu machen, darauf, ein "in der Veränderung Beharrendes" zu fordern, das aber selber auch Einziges, nicht Allgemeines sein soll: der besondere Kern im besonderen Ding. Der Grund ist die Verwechslung der (logischen) Zergliederung (Analyse) mit der (realen) Teilung (Analyse), was dann zur Folge hat, daß man meint, auch die logische Analyse z. B. des Dings sei nur möglich, weil das Ding zuvor durch eine Synthese des in dieser Analyse dargelegten Mannigfaltigen geworden ist. Das Wort: "wenn eine Analyse des Mannigfaltigen möglich sein soll, muß eine Synthese dieses Mannigfaltigen vorausgegangen sein", ist abzulehnen; es könnte in dieser uneingeschränkten Form nur wahr sein, wenn jede Analyse eine "Teilung" wäre. Das aber ist tatsächlich nicht der Fall! Chemische Analyse und logische Analyse eines Dings sind Zweierlei, jene bedeutet die Teilung des Dings, diese aber nicht, jene "analysiert" ein Einzelwesen (Ding) in Einzelwesen (Dinge), diese aber in Allgemeines; durch jene wird das Ding vernichtet, so daß es nicht mehr besteht, durch diese wird das Ding in seinem Fortbestehen nicht irgendwie berührt, sondern bleibt trotz ihrer bestehen. Angesichts der chemischen Analyse ist der Gedanke an eine voraufgehende Synthese, durch die das chemisch analysierte Ding aus seinen Teildingen geworden ist, selbstverständlich nicht von der Hand zu weisen; darum verstehen wir es auch, wenn die Chemie nach der Analyse eines Dings sich die Aufgabe stellt, die Synthese eines solchen Dings wieder selbst zu schaffen. Gerade dieser Gedanke aber fällt bei der logischen Analyse eines Dings schlechtweg aus. Die durch die Zergliederung des Dings gewonnenen verschiedenen Augenblickeinheiten sind nicht auch, wie die durch die chemische Analyse gewonnenen Einheiten, als Teildinge des Dings zu begreifen, denn sie sind nicht selbst auch Dinge, also nicht selbst auch Einziges, sondern Allgemeines (16). Allgemeines aber gibt es überall nicht, außer es gehört zu einem Einzigen (Einzelwesen); darum ist der Gedanke auch unmöglich, daß jemals ein Einzelwesen aus Allgemeinem durch Synthese entsteht, denn die Behauptung einer solchen Synthese würde den Widersinn enthalten, daß Allgemeines vor dem Einzelwesen, also überhaupt schon für sich gegeben ist, da es doch nur als einem Einzelwesen zugehöriges gegeben ist. Somit bleibt auch ganz und gar ausgeschlossen, daß der logischen Analyse oder Zergliederung des Dings eine Synthese des Dings aus dem durch eine Zergliederung gewonnenen mannigfaltigen Allgemeinen zur Seite gestellt werden kann. Haben wir eingesehen, daß eine Zergliederung (logische Analyse) eines Dings in seine Dingaugenblicke keine Teilung des Dings (Analyse in seine "Teildinge") bedeutet, da jeder Dingaugenblick selbstverständlich Allgemeines, jedes "Teilding" aber ein Ding, also Einziges (Einzelwesen) ist, so werden wir auch weiter bei der Betrachtung des Dings als der Einheit von besonderen Dingaugenblicken im Nacheinander gar nicht auf den Gedanken und die Forderung jenes "Beharrenden im Ding" geführt, wenn wir uns daran machen, das Ding als solche Einheit, d. h. als ein Veränderliches zu verstehen. Ist man aber auch etwa davon abgekommen, das Ding als Synthese von Dingaugenblicken zu behaupten, so pflegt doch der Versuch, das Ding angesichts des Nacheinander von besonderen in der logischen Analyse gewonnenen Dingaugenblicken noch als besondere Einheit klarzulegen, immer wieder von demselben alten Standpunkt aus unternommen zu werden, indem man eben vom ersten Dingaugenblick der logischen Analyse aus anhebt, die Reihe der gewonnenen Dingaugenblicke von ihm durchlauft und nun allerdings, um von einem bloßen Nacheinander zur Einheit der verschiedenen Dingaugenblicke zu gelangen, um also von der zeitlichen Reihe der Augenblickeinheiten zu einer Einheit des jene Einheiten in sich fassenden Dings zu kommen, eines besonderen Etwas, das erst die Einheit jener Reihe begründet, benötigt: denn aus der zeitlichen Reihe von Einheiten läßt sich nicht deren Einheit begreifen. So sucht man dieses die Einheit des Dings angeblich erst Begründende entweder in einem "Zusammenhang" oder in der "Stetigkeit des Wechsels" der Augenblickeinheiten oder in "etwas, das in der Veränderung beharrt". Der "Zusammenhang" jedoch, sei es ein zeitlicher, sei es ein zeitlicher und räumlicher, leistet selbst doch nichts, um ein Einzelwesen als die besondere Einheit von mannigfaltigen Augenblickseinheiten zu verstehen; ebenso leistet die "Stetigkeit des Wechsels" nichts; schließlich leistet aber auch ein "in der Veränderung Beharrendes" nichts, da dieses doch immer nur ein Allgemeines sein könnte, nicht aber Einzelwesen, denn das, was als solches ausgegeben wird, der "Kern", ist ja dem Widerspruch mit Haut und Haar verfallen. Ist aber einzig und allein Allgemeines das Beharrende überhaupt, so ist auch die Hoffnung auf ein brauchbares Beharrendes verloren, da Allgemeines niemals den hier geforderten Dienst, eine zeitliche Reihe von Allgemeinem als eine veränderliche Einheit zu verstehen, leisten könnte. Alle die vergeblichen Versuche, die Dingeinheit aus dem Nacheinander von Augenblickseinheiten, wie ein solches die logische Analyse eines Dings herausstellt, zu verstehen, setzen irrigerweise immer voraus, daß ein jeder der Dingaugenblicke auch selbst wieder ein Ding ist, dem sich der folgende als ein anderes Ding anreiht, wie eine Perle an die andere auf einer Schnur. Aus dieser Voraussetzung des Dingaugenblicks als eines Dinges selbst ergibt sich dann freilich mit Notwendigkeit, als welche die Dingaugenblicke fälschlich angesehen werden, zu finden, durch diese überhaupt erst zu einer besonderen Einheit zusammengebunden würden. Aber die durch eine logische Zergliederung des Dings festgestellten besonderen Dingaugenblicke sind doch nicht Einzelwesen, sondern Allgemeines, also nicht selbst wieder Dinge, und wenn wir uns dessen nur stets bewußt bleiben, so werden wir, da die logische Analyse niemals in einer Synthese ihr Gegenstück hat, auch niemals den vergeblichen Versuch anstellen, uns die Einheit des besonderen Dings aus einer Synthese seiner Dingaugenblicke zu erklären. Fehlte doch eben, abgesehen von der irrigen Verkehrung der besonderen Augenblickseinheiten in besondere Dinge, auch die dabei unentbehrliche "Schnur" für die angebliche Einheitssynthese. Wenn wir die logische Analyse eines Dings in ihrem Ergebnis als "das Nacheinander von Augenblickseinheiten" bezeichnen, so dürfen wir niemals vergessen, daß diese Analyse schon von einem Ding als einem besonderen Gegebenen ausgeht, daß also dieses Besondere immer schon die Voraussetzung bei der Analyse des Dings ist. Darum mag auch, damit das Mißverständnis, die in der logischen Analyse gewonnenen besonderen Dingaugenblicke, die doch zweifellos Allgemeines sind, für besondere Dinge zu halten, wegfällt, zweckmäßig sein, dem Ergebnis der logischen Analyse des Dings diesen anderen Ausdruck zu geben: "jedes Ding weist als Einzelwesen d. h. als Veränderliches einen Wechsel von Bestimmtheitsbesonderheiten in sich auf." Daraus geht hervor, daß jedes Ding als eine besondere Einheit, die, wie wir wissen, nicht etwa aus einen "Zusammenhang der verschiedenen Dingbestimmtheiten, noch aus einer "Stetigkeit des Wechsels" der Bestimmtheitsbesonderheiten, noch aus "in der Veränderung Beharrendem" zu erklären ist, uns fraglos klar vorliegt schon durch die logische Zergliederung des Dings, die ja das Ding als die Einheit verschiedener Augenblickeinheiten im Nacheinander oder als die einen Wechsel von Bestimmtheitsbesonderheiten in sich aufweisende Veränderungseinheit darlegt. Wer immer, nachdem die logische Analyse des Dings geschehen ist, überhaupt noch die Frage nach der Einheit des Dings aufwirft, von dem läßt sich mit Sicherheit behaupten, daß er die logische Analyse mit einer Teilung (reale Analyse) des Dings verwechselt hat, woraus dann, wie wir gezeigt haben, allerdings das Bedürfnis hervorgeht, in einer angeblichen Synthese des durch die Analyse gewonnenen Mannigfaltigen sich erst zur fraglosen Klarheit in Bezug auf das Ding als besonderer Einheit durchzuringen. Die logische Zergliederung des Einzelwesens überhaupt läßt uns auch vollauf verstehen, daß zu ein und demselben Besonderen mehreres Besonderes im Nacheinander und so z, B. auch mehrere Orte im Nacheinander zu ein und demselben Ding gehören: eine Tatsache, die dann freilich zu der irreführenden Wendung veranlaßt hat, ein und dasselbe Ding finde sich früher hier und später dort, eine Redewendung, die wir, wie ich gezeigt habe, nur dann passieren lassen dürfen, wenn sie eigentlich sagen soll, daß das Besondere, was früher hier, und das andere Besondere, was sich später dort findet, zu ein und demselben Einzelwesen gehören. Aus dem hier Entwickelten wird auch klar, daß, weil die logische Analyse völlig über das Ding als Einheit fraglose Klarheit bringt, dieses Ding als Besonderes schon für die Zergliederung immer vorliegt, daß wir also zum Ding als einem besonderen Gegebenen nicht etwa erst durch eine fabelhafte unfaßbare Synthese von Allgemeinem gelangen. Es ist in der Tat ein Rückwärtsschauen und nicht in Vorwärtstasten, wodurch wir uns Gegebenes im Nacheinander als zu einer Einheit, die ein Einzelwesen ist, Gehöriges darlegen und damit zugleich diese Einheit als ein Veränderliches klar machen. Alle Versuche, im Verfolgen dieses Nacheinander oder der Reihe der gewonnenen besonderen Augenblicke die Dingeinheit überhaupt erst zu entdecken, müssen fehlschlagen, weil wir ja zu einem solchen Nacheinander von Dingaugenblicken selbst erst auf Grund des vorliegenden besonderen Dings, das zergliedert wird, gelangen können; also das, was wir angeblich erst durch ein Verfolgen des Nacheinander von Augenblickseinheiten sollen gewinnen können, schon, bevor wir dieses Nacheinander kennen, als Besonderes haben. Allerdings als die Veränderungseinheit wird uns das Ding durch seine logische Zergliederung in ein Nacheinander von Dingaugenblicken erst fraglos klar, aber diese Zergliederung genügt auch völlig, um das Ding als eine solche Einheit zu verstehen, weshalb wir eine Schnurtheorie weder benötigen, noch überhaupt hier verwenden können. Nach einer Schnur für die durch die logische Analyse des Dings gewonnenen Dingaugenblicke wird immer nur rufen, wer die Dingaugenblicke für Dinge selbst, wer also jenes Allgemeine irrigerweise für Einziges hält und in diesem Irrtum dann freilich folgerichtig dahin kommen muß, für die Erklärung der Dingheit die alleinige Rettung in der "Schnur" zu sehen. Um sich vor der Verkehrung des einzelnen Dingaugenblicks in der logischen Analyse des Dings, der doch ein besonderes Allgemeines ist, in ein besonderes Ding, also in ein besonderes Einziges zu schützen, mag es sich also empfehlen, darauf hinzuweisen, daß man auf ein und dasselbe hinauskommt, ob man sagt: "Das Ding ist die Einheit besonderer Dingaugenblicke im Nacheinander" oder ob man sagt: "Das Ding ist die einen Wechsel von Bestimmtheitsbesonderheiten in sich aufweisende Einheit." Die aus einer logischen Analyse des Dings allein zu gewinnende Erkenntnis, daß das Ding eine Einheit von Augenblickseinheiten im Nacheinander bedeutet, gibt auch auch endgültig dem Vorhaben den Abschied, im Ding als einem Veränderlichen, d. h. als einer dem Wechsel von Bestimmtheitsbesonderheiten in sich aufweisenden Einheit nach Beharrendem, das als vermutlicher Begründer der Dingeinheit wieder selbst ein Einziges und nicht ein Allgemeines sein müßte, zu suchen, wobei man sich ja rettungslos in den Widerspruch "unveränderliches Einziges", gleichviel ob dieses "Kern" oder "Substanz" des Dinges genannt werden mag, verlieren müßte. Freilich, das irrende Vorurteil, daß nicht sowohl ein Rückwärtsschauen mittels der logischen Analyse des Dings, als vielmehr nur das Vorwärtstasten mittels einer Synthese von Augenblickseinheiten das Ding als Einheit ergründet wird, ist nicht leicht zu beseitigen, da der durch die logische Analyse gewonnene Dingaugenblick gar schwer den Schein, selber ein Ding, also nicht Allgemeines zu sein, verliert. Nicht weniger tief ist das andere Vorurteil eingenistet, das von einem "beharrenden Kern im Ding" erzählt und seinerseits nur die Frucht des grundlegenden Irrtums ist, daß die Veränderung ein beharrendes Einziges fordert und ohne dieses Beharrende nicht verständlich ist: ein Irrtum, der in Wendungen wie "das Ding hat sich verändert" oder "das Ding war früher anders als jetzt" usw., ein bleibendes Denkmal in unserer Sprache erhalten hat. Und doch muß endlich, nachdem offenbar alle Versuche, die Dingeinheit aus einer Synthese von Augenblickseinheiten zu erklären, und ebenfalls alle Versuche, das beharrende Einzige, den "bleibenden Kern", im veränderlichen Ding zu entdecken, schlechtweg fehlgeschlagen sind, die Einsicht durchschlagen, daß eine Veränderung überhaupt nur das Einzelwesen aufweist und daß Veränderung selbst nichts mehr und nichts weniger als der Wechsel von Bestimmtheitsbesonderheiten des Einzelwesens ist. Aus dieser Einsicht ertibg sich dann von selbst, daß zum Verständnis des Dings als eines Veränderlichen das Ungeheuer eines "beharrenden Dingkerns" mehr als überflüssig ist, und daß überhaupt von einer Veränderung des Einzelwesens reden immer erst post festum, [hinterher - wp] d. h. immer erst durch ein aufgrund der logischen Zergliederung des selbst schon vorliegenden Besonderen geschehendes Rückwärtsschauen in die Reihe der Dingaugenblicke möglich wird. Dies bleibt auch wahr in den Fällen, wenn wir z. B. sagen, ein Ding wird sich so und so verändern, denn wer dies sagt, nimmt schon die zukünftige Veränderung voraus und schaut in der Tat unter Vorausnahme der betreffenden zukünftigen Dingeinheit auf das in logischer Zergliederung schon vorgestellte, also dem Vorstellenden schon die betreffende Veränderung aufweisende Besondere. Wer endlich den Sinn des Einzelwesens d. h. des Veränderlichen klar erfaßt hat, weiß auch, daß alles Beharrende in der Welt - und keineswegs leugnen wir Beharrendes überhaupt - ausschließlich Allgemeines ist, daß daher von beharrenden Einzelwesen (selbst wenn ein unvergängliches Einzelwesen nicht zu leugnen ist) reden schlechthin sinnlos wäre. Ebensowenig, also wie von einem identischen Einzelwesen - denn nur Allgemeines ist, und zwar dieses auch nur in einer Beziehung auf Mehreres, identisch zu nennen - läßt sich von einem beharrenden Einzelwesen reden, weil eben nur Allgemeines "beharrend" zu nennen ist. Denn was sagt "Beharren" anders als "in verschiedenen Augenblicken, früher und später sich finden", so daß dann offenbar mit dem "früher" und mit dem "später ein und dasselbe zusammengehört. Nun können wir zwar in jedem Einzelwesen, da es doch ein Veränderliches ist, d. h. eine Veränderung in sich aufzuweisen hat, ein "früher" und ein "später" nachweisen, aber diese Tatsache sagt uns doch nicht, wie man wohl zu behaupten geneigt ist, daß sich das Einzelwesen sowohl "früher" als auch "später" vorfindet, sondern nur, daß das Besondere, was früher, und das andere Besondere was sich später vorfindet, beides zu ein und demselben Einzelwesen d. h. zu ein und derselben Veränderungseinheit gehört. Schauen wir nur genau hin, so zeigt sich, daß in allen Fällen, in denen wir Beharrendes feststellen können, dieses eben ein Allgemeines ist. Die Redewendung aber, "das Ding hat sich in diesem Jahr nicht verändert, sonder hat beharrt", kommt auch immer darauf hinaus, daß sich eine besondere Augenblickseinheit des Dings, nicht aber dieses Einzelwesen selber, nicht verändert hat, also überhaupt beharrt. Jede Augenblickseinheit ist doch ein Allgemeines, sie kann daher auch ohne Zweifel als ein und dasselbe, d. h. eben als Beharrendes in verschiedenen Zeitläufen der Welt verstanden werden, sie kann sich "früher" aber auch "später" finden, das Einzelwesen aber, zu dem sie gehört, schlechterdings nicht. Denn das Einzelwesen gehört nicht mit jenem "früher" und "später", wie es von seiner beharrenden Augenblickseinheit zweifellos gelten kann, zusammen, sondern das "früher" und das "später" gehört beides mitsamt jener besonderen Augenblickseinheit zum Einzelwesen. Vom Einzelwesen, sofern es ein Vergängliches ist, läßt sich zwar eine bestimmte Zeitaussage machen, nämlich, daß es eine besondere Zeit in der Welt oder, wie man zu sagen pflegt, einen bestimmten Zeitraum der Welt ausfüllt, d. h. ihn als seine (eben ihm zugehörige) Zeit in sich aufweist (17). Es wäre nun verfehlt, wenn man aufgrund der Erkenntnis, daß es sinnlos ist, vom Einzelwesen, einerlei ob es vergänglich oder unvergänglich ist, ein "Beharren" auszusagen, sich dazu berechtigt hielte, vom Einzelwesen zu behaupten, daß es selbst also in stetigem Wechsel oder, wie man sich gerne ausdrückt, in stetigem Fluß sei. Ebensowenig, wie das Einzelwesen beharrt, wechselt oder fließt es. Aber freilich ebenso gut, wie im Einzelwesen, d. h. Veränderlichen stets Beharrendes aufzuweisen ist, findet sich in demselben auch Wechselndes: beides, sowohl das Beharrende als auch das Wechselnde, gehört zum Einzelwesen, und beides, was es auch sonst besonders sein möge, ist Allgemeines. Niemals aber in ein Einzelwesen anzutreffen, das selber, sei es Beharrendes, sei es Wechselndes wäre. Einzelwesen selber ist in zeitlicher Bestimmung überhaupt nur entweder Unvergängliches oder Vergängliches, und die Worte "beharrendes Einzelwesen" sowie "wechselndes Einzelwesen" sind, das eine ebenso wie das andere, klassische Beispiele für den Widerspruch in sich. Das Wort HERAKLITs, "panta rhei", ist insofern wahr, als es Allem, d. h. allen Einzelwesen (Dingen) der Welt schlechtweg das Beharren als Bestimmung abspricht; das Wort ist aber falsch, wenn es allen Einzelwesen das Wechseln als Bestimmung zuspricht, indem es sagt, Alles, d. h. alle Einzelwesen befinden sich im Fluß (Wechsel). Wahr ist vielmehr umgekehrt, daß sich in allen Einzelwesen "Fluß" (Wechsel), und ebenso wahr auch, daß in diesen allen sich ein "Beharren" findet. Darum irrt, wer da meint, das Einzelwesen erweise sich selbst als ein reiner Wechsel von Augenblicksgegebenem, denn nicht nur Wechselndes, sondern zugleich auch Beharrendes weist das Einzelwesen in sich auf. Beides aber, das Wechselnde und das Beharrende in jedem Einzelwesen ist Allgemeines, das Einzelwesen selbst dagegen ist Einziges und zwar eine besondere Veränderungseinheit oder, was dasselbe sagt, ein besonderes Veränderliches d. h. eine sowohl Beharrendes als auch Wechselndes in sich aufweisende Einheit. Dabei sei nochmals betont, daß das Beharrende im Einzelwesen nicht Einzelwesen, also auch nicht "Kern", sondern, gleich wie das Wechselnde im Einzelwesen, Allgemeines ist, das darum auch nicht heimlicherweise in ein Einzelwesen verkehrt werden darf. Wenn man in neuester Zeit den alten HERAKLIT noch übertrumpft, indem man von der Wirklichkeit als einem "Strom des Geschehens" spricht, und dabei das Einzelwesen geflissentlich und munter schlechthin in die Ecke gestellt wissen will, so hat man allen Grund, diese Behauptung sehr genau auf ihren Sinn zu prüfen. Wenn vom "Strom" geredet wird, so fragen wir: "was strömt?" Jene Behauptung antwortet uns: "das Geschehen", was augenscheinlich hier für "Geschehnisse" gebucht ist. Wenn wir jedoch "Geschehnisse" einsetzen, so soll doch die Behauptung nicht sagen "Strom der Geschehnisse" in dem Sinne, daß die Geschehnisse strömen, sondern vielmehr, daß die Geschehnisse einen "Strom", d. h. eine zeitlich Folge bilden. "Strom des Geschehens sagt also so viel wie "zeitliche Folge der Geschehnisse." Es ist nun in der Tat von Wert, sich auf den Sinn dieses flotten Wortes "Strom des Geschehens" zu besinnen, gleichwie es auch nicht von Übel ist, sich die bekannte Redewendung "der Lauf der Zeit" genauer anzusehen und ihren Sinn zu suchen. Denn daß die Zeit, d. h. das Nacheinander von Besonderem nicht "läuft", sich nicht "bewegt", sich überhaupt nicht verändert, wird jedermann zugestehen. Wir sprechen wohl, "die Zeit läuft so schnell davon", aber niemand von uns wird die "Zeit" für ein Einzelwesen (Veränderliches) halten, und weist nur ein Einzelwesen eine Veränderung in sich auf, nur ein Einzelwesen also kann unter Umständen "davon laufen". Und was dem Dichter, sowie auch noch dem vorwissenschaftlichen Bewußtsein in seinem Anschauungsdrang erlaubt sein mag, nämlich das Allgemeine "Zeit" in ein Einzelwesen zu verkehren, das steht dem Philosophen keineswegs mehr frei. Aus der Sprache der Dichtung in die der Wissenschaft übersetzt heißt "der Lauf der Zeit" eben "zeitliche Folge, d. h. Nacheinander von Besonderem". So läuft dann der "Strom des Geschehens" und "der Lauf der Zeit" auf dasselbe, auf die zeitliche Folge von Besonderen hinaus; die beiden Ausdrücke sind nur darin unterschieden, daß "der Strom des Geschehens" noch vor allem einen Zusammenhang des mannigfaltigen Besonderen im Nacheinander betont. Wer aber vom "Strom des Geschehens" als grundlegender Bestimmung der Wirklichkeit überhaupt den Ausgang seiner Philosophie nimmt, der hat zur unabweislichen und ersten Aufgabe, aus der zeitlichen Folge von zeitlosem (18) Besonderen das zeiterfüllte Besondere, das er und wir als das Einzelwesen in unserer Welt kennen, klar zu machen, mit anderen Worten, das Einzelwesen als die Einheit von besonderem Allgemeinen im Nacheinander zu verstehen. Denn des Einzelwesens kann auch kein Philosoph entraten, da er doch, ohne Einzelwesen vorauszusetzen, weder von Veränderung noch auch insbesondere von Wirkung und ursächlichem Zusammenhang zu reden berechtigt ist. Die Aufgabe indessen, aus der zeitlichen Folge von zeitlosem Besonderen das Einzelwesen, d. h. Veränderungseinheit oder Veränderliches herausklauben, ist und bleibt unlösbar. Die "Welt" zunächst als zeitliche Folge von zeitlosem Besonderen grundlegend gesetzt führt niemals zur Welt der in einem ursächlichen Zusammenhang stehenden Einzelwesen, da nun einmal die besondere Einheit, die jedes Einzelwesen darstellt, überhaupt nicht aus der zeitlichen Folge von Besonderem zu begründen ist. Der "Strom des Geschehens" macht aber erst aus der "Welt der Einzelwesen" ein Welträtsel. Wer vor der Tatsache "Einzelwesen" und demnach auch vor der Tatsache "Veränderung" ratlos stehen bleiben oder aber beides im "Strom des Geschehens" schlechtweg ersäufen muß, der sieht sich auch damit genötigt, überhaupt auf das Verständnis der Welt schlechthin zu verzichten. Da hilft ihm auch nicht, "Einzelwesen" und "Veränderung", wie es schon die Eleaten getan haben, als bösen Schein aus der Wirklichkeit zu streichen, denn tatsächlich bleibt auch ihm beides trotz aller "philosophischen" Absage bestehen; zeigen es doch alle Tage, wie trotz eines "Strom des Geschehens" anstandslos von "Veränderung" geredet wird. Ist aber Veränderung im "Strom des Geschehens" zugelassen, so läßt sich dem Veränderlichen, d. h. dem Einzelwesen auch nicht mehr die Tür sperren, denn Veränderung ist nur im Einzelwesen verständlich. Ein Einzelwesen hat aber nicht nur etwas Wechselndes, sonder auch etwas Beharrendes in sich, und so ist dann mit dem Einzelwesen im "Strom des Geschehens" zugleich dem Todfeind der Einlaß gegeben. Wer immer daher die Welt verstehen will, hat vorerst das Einzelwesen zu verstehen: die logische Zergliederung des Einzelwesens ist der Schlüssel zur Welt. ![]()
1) Wie HEINRICH RICKERT meint in seinem Aufsatz "Das Eine, die Einheit und die Eins", Logos, Bd. II, Seite 42 2) RICKERT, a. a. O., Seite 43 3) RICKERT, a. a. O., Seite 60f. 4) Siehe REHMKE, Philosophie als Grundwissenschaft, Seite 89f, 97f, 199f, 35f, 381f 5) RICKERT, a. a. O., Seite 60 6) RICKERT, a. a. O., Seite 60 7) RICKERT, a. a. O., Seite 60 8) REHMKE, Philosophie als Grundwissenschaft, Seite 99 9) RICKERT, a. a. O., Seite 69 10) RICKERT, a. a. O., Seite 70 11) RICKERT, a. a. O., Seite 70 12) ) REHMKE, Philosophie als Grundwissenschaft, Seite 384 13) ) REHMKE, Philosophie als Grundwissenschaft, Seite 134. 14) von HUGO BERGMANN, Kantstudien 15, Seite 287. 15) REHMKE, Philosophie als Grundwissenschaft, Seite 114f. 16) REHMKE, a. a. O., Seite 384 und die Anmerkung. 17) REHMKE, a. a. O., Seite 143f und 400f. 18) vgl. REHMKE, a. a. O., Seite 379 und 399f. |