ra-2O. ConradBöhm-BawerkR. Liefmannvon WieserR. Stolzmann    
 
RUDOLF STOLZMANN
Die Kritik des Subjektivismus
[2/2]

"Subjektive Nutzenbetrachtung, Grenznutzen, Substitutionen und dgl. auf der einen Seite, objektiver Wert, Marktpreis der Güter, Wert des Geldes auf der anderen sind nicht aneinander meßbar, sie sind  heterogen,  sie kommen wie  Hera  und  Leander  nicht zueinander, ihre Messung gegeneinander bleibt ein Quidproquo von  Preis  und  subjektivem Gebrauchswert.  Es müssen doch wohl schließlich objektive, d. h. von den  Einzelschätzungen"  unabhängige Bedingungen sein,  in deren Rahmen  sich jene erst abspielen, und die so erst den organischen Zusammenhang nicht bloß zwischen den internen Schätzungen innerhalb derselben Wirtschaft, sondern auch die soziale Brücke zwischen Wirtschaft und Wirtschaft, zwischen Konsumenten und Produzenten, zwischen der Nachfrage und dem Angebot herstellen."

"Der Grenznutzen des geringwertigsten Produktes ergibt kein praktisches Wertmaß und deshalb kann noch viel weniger von einer Meßbarkeit  der Grenznutzen  der verschiedenen Verwendungen untereinander die Rede sein. Über einen bloßen  Komparativ  kommt man auch hier nicht hinaus: man weist die Kostengüter so in die Produktion ein, daß kein Bedürfnis eher befriedigt wird, bis nicht ein anderes  wichtigeres  seine Befriedigung gefunden hat. Die Bezifferung der verschiedenen Bedürfnisintensitäten mit Zahlen aber ist ein Unding. Es gibt keine abstrakte Bedürfnisskala, die vorab in den Lüften steht. Es ist immer nur, was so viele neuere Subjektivisten verkennen, eine  konkrete  Skala gegeben, die ihren Ausdruck und  Wert  in den  Kosten  hat, mit anderen Worten in bezifferten Teilen des Geldeinkommens, auf die man die Bedürfnisse projeziert." "Das  Wertmaß  sind und bleiben die  Kosten.  Die allein zu entscheidende und für unser Thema wichtigste Frage ist nur die nach dem  Wesen und Ursprung  der  Kosten.  Wer hat diese grundsätzlichste aller Fragen richtig gelöst: der Subjektivismus oder der Objektivismus? Oder ist die Lösung von beiden verfehlt worden?"

"Man beachte dieses  Umspringen  aus der Kausalitäts- in die Zweckbetrachtung. Dieses Umwenden und Umspringen bei gleichzeitigem Festhalten am Kausalitätsprinzip halte ich nun für logisch unstatthaft. Entweder muß ich bei der Kausalbetrachtung streng stehen bleiben oder ich muß von Haus aus mit der Zweckbetrachtung einsetzen; was ich aber nicht darf, das ist die nachträgliche Einstückelung der Zweck- in die Kausalbetrachtung."


4. Die "Komplikationen des subjektivistischen
Preisgesetzes, zunächst die für "beliebig käufliche Güter".

Der Komplikation zu  1. - ich darf wohl hinzusetzen: auch der anderen "ganz ähnlichen" - kommt nun nach BÖHM-BAWERK "für unsere durch hochentwickelten Tauschverkehr ausgezeichnete Wirtschaftspraxis eine außerordentliche Tragweite zu". "Ich möchte", sagt von BÖHM-BAWERK Seite 264, "glauben, daß die Mehrzahl er subjektiven Wertschätzungen, die überhaupt vollzogen werden, auf ihren Anteil fällt." (1) Ich gehe noch weiter, ich meine, daß die große Masse der Güter, die einen Marktpreis haben und deren Preisbestimmung doch das Hauptproblem des Preisgesetzes ausmacht, grundsätzlich nicht nach ihrem "subjektiven Gebrauchswert" geschätzt wird.

Wir werden das näher sehen, wenn wir die einzelnen "Komplikationsfälle" betrachten, zunächst also den Fall der Wertbestimmung "beliebig käuflicher Güter". Hier wird man, sagt BÖHM-BAWERK, den Ausfall eines Exemplars in aller Regel (nicht wie im Elementarfall, wo wenigstens ein Gut derselben Gattung zum Ersatz herangezogen wurde) auf eine ganz fremde Gütergattung wälzen, der Verlust trifft den Grenznutzen der vertretenen fremden Güter, nach diesem bemißt sich der Wert des zu schätzenden Gutes:
    "Ein Beispiel. Ich habe einen einzigen Winterrock. Wer wird mir gestohlen." Je nach meinem Einkommen, "werde ich wahrscheinlich die (!) 40 Gulden, die der neue Winterrock etwa kosten mag, aus meinem Kassenvorrat (!) entnehmen" und dafür eine andere größere oder kleinere Bedürfnisbefriedigung entbehren müssen, also etwa eine Luxusausgabe weniger bestreiten können, mich einschränken, Sachen des Haushalts verkaufen oder versetzen und nur, wenn ich das alles aus Armut nicht kann, mich schlecht und recht ohne Winterrock behelfen. "Nur im letzten Fall wird also der Wert des Winterrocks bestimmt durch den unmittelbaren Grenznutzen der eigenen Gattung; in allen anderen Fällen durch den Grenznutzen fremder Güter- und Bedürfnisgattungen."
von BÖHM-BAWERK hat die Bedenken gegen diese Gedankengänge selbst herausgefunden, ihnen aber, wie er glaubt, die Spitze abgebrochen. Die Bedenken liegen, wie er sagt, in einem scheinbaren Zirkelschluß. Es besteht darin, daß der Preis des Winterrocks - 40 Gulden - als eine fertig gegeben Größe behandelt und so der subjektive Wert aus dem Preisstand, dann aber der Preisstand wieder aus dem subjektiven Wert erklärt wird (Note Seite 266). von BÖHM-BAWERK glaubt diesen Vorwurf nun in der Preislehre Seite 397f "bis auf den Grund" entkräftet zu haben: "Es liegt kein Zirkel vor. Und zwar deshalb nicht, weil die Schätzung nach "Anschaffungskosten" nicht unbedingt und ausnahmslos, sondern nur unter gewissen Voraussetzungen gehandhabt wird, und weil sie wegen Mangels dieser Voraussetzungen gerade auf dem Markt selbst  nicht  gehandhabt wird", und weil sie wegen des Mangels dieser Voraussetzungen gerade auf dem Markt selbst  nicht  gehandhabt wird". Der Winterrockverlierer baut seine Wertschätzung (40 Gulden) nur auf eine vorläufige Voraussetzung, auf eine bloße Vermutung auf, die nur "eine Art psychologischer Zwischenetappe, aber niemals die endgültige Richtschnur "unseres Verhaltens auf demjenigen Markt bildet, auf dem diese Vermutung realisiert werden will". Erhält er auf  diesem  den Rock nicht um den erwarteten Preis, so würde er deshalb nicht frieren und vielleicht erkranken wollen; er "wird also - und dies ist das Ergebnis, auf das es für unsere Preistheorie ankommt - zur Bildung der Preisresultante nicht nach Maßgabe des niedrigeren, auf die Voraussetzung eines bestimmten Marktpreises aufgebauten mittelbaren, sondern nach Maßgabe des höheren unmittelbaren Grenznutzens beitragen".

Also doch aber des Grenznutzens des  Winterrocks!  von BÖHM-BAWERK scheint aber an dieser Stelle ganz außer acht zu lassen, daß er oben (Seite 263) den Wert des Winterrocks erst durch den subjektiven Wert, den "Substitutionsnutzen" des fremden  Ersatzgutes  bestimmen läßt. Woher bestimmt sich der  letztere,  wie trägt also  dieser  zur Resultantenbildung bei?  Das  war das  thema probandi!  [was zu beweisen war - wp] Hier liegt die Schwierigkeit und die zu behandelnde "Verwicklung". Es fällt auf, daß von BÖHM-BAWERK hierüber hinweggeht, während er sie früher, so 1886 in den "Grundzügen", a. a. O., Seite 515f, sehr wohl behandelt hat. Ob freilich mit Erfolg, das bleibt dahingestellt. Er nennt es dort eine "ernste theoretische Schwierigkeit", daß sich "der Bestimmungsgrund: subjektiver Wert der Ware für den Käufer unter der Hand in zwei Elemente aufzulösen droht, von denen das eine - die Versorgungsverhältnisse in  fremden  Bedürfnis- und Gütergattungen - dem zu schätzenden Gut ganz fremdartig ist, während das zweite - noch fatalererweise - mit dem Marktpreis, den es zu erklären helfen soll, identisch ist". Es kommt hiernach doch nicht bloß auf den Wert des Winterrocks, auf dessen Zirkelerklärung sich die obige "volle Aufklärung" beschränkt und zurückzieht, sondern vor allem auf den ausschlaggebenden (!) Wert der Ersatzgüter an, der jenen erst, als "Substitutionswert", bestimmen soll.

Wie ist diese Unbekannte in der Wertgleichung zu finden? Doch auch nicht ohne den Marktpreis der Ersatzgüter, also nicht ohne einen weiteren Zirkel in der Erklärung! Denn, wieviel ich durch den Fortfall des Ersatzgutes, das doch ebenfalls ein Marktgut ist, verliere, kann ich nur berechnen,  wenn  ich zuvor  dessen  Marktpreis weiß, dem ja doch der "Marktpreis (für den Winterrock) abgeknappt wird", oder in einem anderen Ausdruck,  da  wir den verlorenen Winterrock "nach dem Grenznutzen schätzen, den der aufzubringende Kaufpreis von 40 Gulden für uns hat":  diesen  Grenznutzen. Wie aber finde ich diesen? Nach von BÖHM-BAWERK durch die Lücke, welche die zu zahlenden 40 Gulden in meinem Einkommen bzw. in "meinen Kassenvorrat" reißen. Welche Lücke ist das? Das richtet sich, kann sich nur richten nach dem Preis, den das Ersatzgut irgendwelcher anderer Ersatzgüter hat, unter denen sich vielleicht gar wieder der unglückselige Winterrock befindet. Das  passe-partout  führt wieder einmal nicht zum Ziel. Ich muß, um dem Zirkel zu entrinnen, erst  vorher  den Marktpreis sämtlicher in Betracht kommender Güter, einschließlich des Winterrocks, wissen, wenn ich herausbekommen will, wieviel "Grenznutzen" durch die große oder kleine Revolution angerichtet wird, die ein verlorener Winterüberzieher ultimativ anrichtet. Seinen subjektiven Wert (bei nicht gestörtem Besitz- und Einkommensstand), d. h. die geeignete Grundlage einer Resultantenbildung für den Marktpreis, der sich im regulären Gang des volkswirtschaftlichen Organismus nach der Schwerkraft der in ihm wirksamen sozialen Bedingungen ergeben muß. Der auf dem Fortfallgedanken aufgebaute "Grenznutzen" bleibt ein - vielleicht interessantes - Kuriosum für individualistische Sonderfälle - sowohl beim eintretenden Verlust von Vermögensbestandteilen, wie auch vielleicht bei plötzlichem oder, was, wie wir oben sahen, nur eine dialektische Antithese ist, beim allmählichen Vermögenszuwachs.  Nur für solche Fälle  können wir diese Art "Grenznutzen" anerkennen, und es will das wenig mit dem abschließenden Resümee von BÖHM-BAWERKs, Seite 265, harmonieren: "Es zeigt eben durch alle Verwicklungen hindurch jederzeit der  kleinste  Nutzen, der unmittelbar oder mittelbar an einem Gut hängt, den wahren Grenznutzen und (?!) den Wert desselben an". Nicht der Grenznutzen hat den Marktpreis "erklärt", sondern die Marktpreise ergeben den "Grenznutzen", den ich unter außerordentlichen Umständen verliere oder gewinne.

Was ich sonst schon gegen den Fortfallgedanken und auch besonders oben hinsichtlich des ungelösten "Kardinalproblems" (Umsetzen der Gebrauchswerte in eine Geldziffervorstellung) ausgeführt habe, trifft natürlich auch für diesen Fall zu. Im übrigen kann ich meine viel eingehenderen Ausführungen in der "Sozialen Kategorie" und vervollständigt im "Zweck" Seite 722-729 verweisen. Ich führte dort ganz ähnlich wie von ZWIEDINECK - zusammenfassend aus: Subjektive Nutzenbetrachtung, Grenznutzen, Substitutionen und dgl. auf der einen Seite, objektiver Wert, Marktpreis der Güter, Wert des Geldes (die 40 Gulden!) auf der anderen sind nicht aneinander meßbar, sie sind  heterogen,  sie kommen wie  Hera  und  Leander  nicht zueinander, ihre Messung gegeneinander bleibt ein Quidproquo [dieses für jenes - wp] von "Preis" und "subjektivem Gebrauchswert". Es müssen doch wohl schließlich objektive, d. h. von den "Einzelschätzungen" unabhängige Bedingungen sein,  in deren Rahmen  sich jene erst abspielen, und die so erst den organischen Zusammenhang nicht bloß zwischen den internen Schätzungen innerhalb derselben Wirtschaft, sondern auch die soziale Brücke zwischen Wirtschaft und Wirtschaft, zwischen Konsumenten und Produzenten, zwischen der Nachfrage und dem Angebot herstellen. Die "alten" Schulen suchten und fanden die Brücke direkt in den Kosten, während "die Neuen" sich erst abmühen müssen, mit ihrem subjektiven "Erklärungswerkzeug" auf Umwegen bis zu den objektiven Elementen vorzudringen. Wir müssen und wollen ihnen auf diesem dornigen Weg folgen; denn in der Kostenwertlehre gipfelt der Kampf zwischen Objektivismus und Subjektivismus. Wir sind damit am entscheidenden Punkt unseres Themas angelangt. Wir wollen deshalb hier abbrechen mit der Kritik der Lehre vom Wert der fertigen Genußmittel, der - wie der Ausdruck lautet - zunächst "unabhängig von der Produktion" abgeleitet wird. Mit der Anerkenntnis der Tatsache, daß es die Kosten sind, die den Wert der allermeisten Güter von ihrem Grenznutzen abziehen, verliert ja eigentlich die ganze Lehre vom Wert und Preis der fertigen Genußgüter ihr praktisches Interesse, und es könnte daher, wie ich "Zweck" Seite 729 sagte, für die Grenznutzenlehre und für ihre Kritiker unnötig erscheinen, sich mit der Betrachtung der Austauschverhältnisse jener Güter so lange aufgehalten zu haben. Diesem Vorwurf tritt von BÖHM-BAWERK nun Seite 248 damit entgegen: "das  später  in der Darstellung bedeutet ... keinerlei  zuspät  für den Inhalt der Lehre", es beruht auf Gründen didaktisch-methodischer Art. Wir wollen prüfen, ob sich diese Sache wirklich so verhält, oder ob nicht vielleicht doch das zeitliche  posterius  [nachher - wp] auch auf ein begriffliches  posterius,  nicht auf ein Spätkommen, sondern auf ein Versagen der Lehre hinausläuft.


5. Die "Kosten" in der subjektivistischen Preislehre

Wir sahen, einen wie hohen Grad der Beeinflussung des Güterwertes in der Wirklichkeit des Lebens von WIESER den objektiven Bedingungen des Güterdaseins zugestehen mußte. Aber, meint er, es bleiben trotzdem die "Impulse" der Schätzungen subjektive und "erweisen damit (!) die Subjektivität des Ursprungs und Wesen des Wertes" ("Natürlicher Wert", Seite 178). Recht subjektiv-naiv führt dann von BÖHM-BAWERK Seite 265 die "Kosten" durch folgende Erwägung in die Betrachtung ein:
    "Ganz ähnliche kasuistische Komplikationen, wie durch die Möglichkeit des Tausches, können (!) auch (!) dadurch hervorgerufen werden, daß man (!) imstande ist, benötigte Ersatzexemplare (!) rechtzeitig durch Produktion herzustellen."
Wie wenig auch von WIESER dem ursprünglichen und ureigenen Wesen der Kosten nahe kommt, ergibt sich schon aus der Definition, die er von ihnen gibt. "Kosten", sagt er, "sind Produktivgüter, wenn dieselben bei einer einzelnen Widmung um ihrer anderweitigen (!) Verwendbarkeit willen als Aufwand eingesetzt werden", was DIETZEL dann zu der Behauptung erweitert: "Kosten sind gleichbedeutend mit einer Nutzeneinbuße", "Kosten ist ja nur ein kurzes Wort für Nutzeneinbuße", das ist, führte ich "Zweck" Seite 703 aus, keine  Erklärung  der Kosten mehr, das ist ihre begriffliche Vernichtung, die gänzliche Überwucherung der Kosten - durch die Nutzenbetrachtung!

Die Grenznutzenlehre geht wie überall auch in der Ableitung des "Kostengesetzes" von der Einzelwirtschaft aus. Wir charakterisierten das Gesetz schon oben in Kürze. Einen ausführlichen Auszug aus der Lehre findet der Leser in meinem "Zweck", Seite 688-694.
    Die Definition, die  von Böhm-Bawerk  (Seite 296) gibt, setzt für "Produktivgüter" den Begriff "Produktivmittelgruppen" ein, um vorläufig über die Tatsache fortzukommen, daß jedes Genußgut aus einer Reihe  verschiedener  Produktivgüter (Arbeit, Boden etc.) hervorgeht. Die Definition lautet: "Der Wert der Produktivmitteleinheit (Produktivmittelgruppe) richtet sich nach dem Grenznutzen und Wert desjenigen Produktes, welches unter allen, zu deren Erzeugung die Produktivmitteleinheit wirtschaftlicherweise hätte verwendet werden dürfen, den geringsten Grenznutzen besitzt", mit anderen Worten der kleinste ist". Das führt dann aber zu der Folge, daß auch der Wert der anderen, aus der gleichen Produktivmittelgruppe gemeinsam hervorgegangenen, also der sogenannten "produktionsverwandten" Genußgüter, sich dem Wert ihrer  Produktivmittel  anpassen muß: "die prinzipielle Identität von  Wert  und  Kosten  trifft daher auch bei ihnen zu." Nur das Grenzprodukt bestimmt den Wert seiner Kosten, die anderen produktionsverwandten Güter müssen sich umgekehrt an den Wert des Produktionsmittels akkomodieren, "in letzter Linie freilich nur an den Wert eines anderen, des Grenzprodukts; aber in erster Linie auch an den Wert des Produktionsmittels, aus dem es hervorgeht, und welches die Substitutionsverbindung (!) mit dem Grenzprodukt vermittelt. Die Wertleitung vollzieht sich hier gleichsam in gebrochener Linie. Erst geht sie vom Grenzprodukt zum Produktivmittel, fixiert dessen Wert, und steigt dann in umgekehrter Richtung wieder empor zu den anderen Produkten, die aus ihm hergestellt werden können ... Wie der Mond das fremde Sonnenlicht auf die Erde, so reflektieren die vielseitgen Kostengüter den Wert, den sie von ihrem Grenzprodukt empfangen (!), auf ihre anderen Produkte. Das Prinzip des Wertes liegt nie in ihnen, sondern außerhalb von ihnen im Grenznutzen der Produkte."
"Und hiermit" (?), fährt von BÖHM-BAWERK fort, "liegt auch die ganze Wahrheit über das berühmte (!) Kostengesetz zutage". Es ist nur eine "Abbreviatur" [Abkürzung -wp], wenn wir den Wert der Produkte nach ihren Kosten bemessen. "Das Kostengesetz bildet nur einen Inzidenzfall (!) [Zwischenfall - wp] des wahren, allgemeinen Gesetzes vom Grenznutzen". Es ist wieder das  passe-partout  des Fortfallgedankens, der das alles erhärten soll: Denn, angenommen, es besitzt jemand einen größeren Vorrat an Produktivmittelgruppen, mit denen man nach Belieben ein Genußgut er Gattung  A  mit einem Grenznutzen von 100, oder ein solches der Gattung  B  mit einem solchen von 120, oder der Gattung  C  mit 200 herstellen kann, so wird man, wenn ein Exemplar der letzteren Gattung verloren geht, den Ausfall auf die Gattung  A  wälzen, von der man dann ein Exemplar weniger erzeugt, um "sofort" dafür ein neues Exemplar  C  herzustellen.

Unsere Kritik kann sich zunächst an das früher Gesagte anlehnen. Der wundeste Punkt ist das Fehlen einer brauchbaren Schätzungseinheit. Wenn von BÖHM-BAWERK immer von ausgefallenen "Exemplaren" spricht, so war dies vom eigenen Standpunkt des Grenznutzengesetzes eine unzulässige "Materialisierung", "Objektivierung" des Wertes. Denn, wie uns WIESER belehrt, kommt es ja lediglich immer auf die  augenblickliche,  durch eine vorzunehmende Geschäftsaktion (Kauf, Tausch etc.) bedingte Lage der Wirtschaft an, die "im Geist desjenigen, der sie führt,  Reihen  von gleichartigen und gleichgroßen, weil auf gleichartige und gleich große Objekte oder Mittel oder Akte mit gleicher  Intensität  gerichtete Ströumungen des Interesses erzeugt". Mit diesem Schwanken der Genußgütereinheit müßte dann aber auch die Größe der sie erzeugenden Produktivmitteleinheit schwanken, deren "Bild" sie ja nur ist. Und nun soll sich dieses wolkenhaft veränderliche Augenblicksergebnis gar auf die "Resultantenbildung" für den großen Markt der konstanten Volkswirtschaft übertragen, deren Preisgesetze das "Erklärungsziel" bilden! Der Gedanke ist gar nicht auszudenken, wie sich  zu diesen unzähligen höchst persönlichen Augenblickserwägungen der Marktgänger immer auch die erforderlichen Produktivmittel gruppen finden sollen. Eine arge Zumutung an die Produktionstechnik und an die doch erforderliche Planmäßigkeit der konstanten Privat- und Volkswirtschaft! Wie ist es auch nur denkbar, auf welche Weise der Wirtschafter im Falle des Verlustes eines Exemplars der Gattung  C  "sofort (!) aus einer Produktivmitteleinheit ... ein neues Exemplar  C  herstellen" kann, da man doch als Regel voraussetzen muß, daß der Wirtschaftsplan auf die Erzeugung der drei Produkte  A, B, C  eingerichtet' war, daß  A  und  B  also ebenfalls genau wie  C  schon erzeugt daliegen, die Produktivgüter also schon verbraucht sind? ("Soziale Kategorie", Seite 274).

Woher aber kommt ferner der alles andere "bestimmtende" Wert des Grenzproduktes? von BÖHM-BAWERK antwortet: Das "wissen wir schon: es ist sein Grenznutzen". Wie wenig dieses "Wißtum" einen bezifferbaren und deshalb zur Erklärung des "Preises" irgendwie brauchbaren "Wert" ergibt, ist uns von oben vollauf bekannt.  Was  wir dagegen wissen, ist: die Grenznutzenlehre hat den besten Teil ihrer Erklärung der  objektiven  Tatsache entnommen, daß die produktionsverwandten Güter nur "allotropische [zu einer anderen Art verändernd - wp] Modifikationen" desselben Grundelements darstellen. Sie sind, wie WIESER einleuchtend ausführt, gewissermaßen nur verschiedene Formen desselben gemeinschaftlichen Produktivgutes, sie sind gleichsam von einerlei Gattung: das Kostengesetz ist im Grunde nichts anderes als die allgemeine "Regel der Wertschätzung von Teilen eines gleichartigen Gütervorrats, nur in einer neuen und besonderen Fassung". Die Gleichheit der Kostenstücke ergibt ganz von selbst auch die Wertgleichheit der ungleichen Produkte. Wir sind in unserer Bedürfnisbefriedigung letztlich in Wahrheit von jenen, den Kostengütern "abhängig". Es gilt auch hier: "Kämen Güter nicht in Vorräten gleicher Stücke vor, sondern immer nur individuell gestaltet, so könnte das Gesetz nicht gelten". Wozu also das ganze Gequäle des Fortfalls- und Substitutionsgedankens? Wozu diese Mondscheintheorie, wozu die gebrochenen Strahlen? Die gleiche Sonne scheint über alle Wirtschaftsprodukte, gleiche Kosten entsprechen gleichem Wert. Nicht die wirtschaftlichen Tatsachen bedürfen jener krummlinig gewundenen Erklärung, sondern nur die Grenznutzentheorie, welche statt direkt in die Sonne zu schauen, nur den milden Mond betrachtet, ihre "gebrochene Linie" und ihre "Substitutionen" sind nur dialektische Hilfskonstruktionen, um das Prinzip des Grenznutzens aufrechtzuerhalten, welches aus der wahren Nutzwerttheorie wenig mehr als den bloßen Namen entlehnt hat ("Soziale Kategorie", Seite 273).
    Hiernach erledigt sich auch die neuerdings aufgeworfene Frage, ob, wie  von Böhm-Bawerk  oben und  von Wieser  ("Ursprung", Seite 147f) meinen, die produktionsverwandten Güter  ungleich hohen  Grenznutzen und Wert haben und dabei derjenige des  geringwertigsten  Produktes entscheidet,  oder:  ob - nach  Schumpeter - die Gütereinheit überall den  gleichen  Grenznutzen stiftet, wenn - was doch das Rationale - der Güterbesitz ein Maximum an Nutzen gewähren soll. Die Frage, der  von Böhm-Bawerk  jetzt im "Exkurs" VIII, Seite 222f eine sehr eingehende Erörterung widmet, ist nach dem Gesagten, jedenfalls für die Preisbildung, deshalb gegenstandslos, weil der Grenznutzen des geringwertigsten Produktes kein praktisches Wertmaß ergibt und deshalb noch viel weniger von einer Meßbarkeit "der" "Grenznutzen" der verschiedenen Verwendungen untereinander die Rede sein kann. Über einen bloßen  Komparativ  kommt man auch hier nicht hinaus: man weist die Kostengüter so in die Produktion ein, daß kein Bedürfnis eher befriedigt wird, bis nicht ein anderes  wichtigeres  seine Befriedigung gefunden hat. Die Bezifferung der verschiedenen Bedürfnisintensitäten mit Zahlen  (von Böhm-Bawerk,  Seite 225) ist ein Unding. Es gibt keine abstrakte Bedürfnisskala, die vorab in den Lüften steht. Es ist immer nur, was so viele neuere Subjektivisten verkennen, eine  konkrete  Skala gegeben, die ihren Ausdruck und "Wert" in den  Kosten  hat, mit anderen Worten in bezifferten Teilen des Geldeinkommens, auf die man die Bedürfnisse projeziert. Das  Wertmaß  sind und bleiben die  Kosten.  Die allein zu entscheidende und für unser Thema wichtigste Frage ist nur die nach dem  Wesen und Ursprung  der "Kosten". Wer hat diese grundsätzlichste aller Fragen richtig gelöst: der Subjektivismus oder der Objektivismus? Oder ist die Lösung von beiden verfehlt worden?

6. Das Wesen und der Ursprung des Kostenbegriffs:
Kausalität oder Teleologie?

Der Prioritätsstreit zwischen Nutzen und Kosten hat sich bisher so gut wie ganz im Rahmen der  Kausalitätsbetrachtung abgespielt, wenn man gleich gelegentlich anerkannte, daß es der Wert seinem Begriff nach mit dem  Zweck  zu tun hat. Ich vertrete nun meinerseits die Ansicht, daß man den Streit um die Priorität von Nutzen und Kosten nicht eher entscheiden, ja auch nur den  status causae et controversiae  [Sach- und Streitstand - wp] nicht früher instruieren kann, ehe man nicht die methodische Vorfrage wegen der Priorität der Kausal- und der Zweckbetrachtung beantwortet hat.

Die Wertlehre der Subjektivisten - von MENGER an bis zu LIEFMANN - bleibt unentwegt im Kausalitätsgedanken verankert. Er gilt ihnen als der selbstverständliche Ausgangspunkt. So will auch von BÖHM-BAWERK, welcher der Prioritätsfrage jetzt, besonders in "Exkurs" VIII, Seite 235f, in dankenswerter Ausführlichkeit auf den Grund gegangen ist,  nur  untersuchen: "In welchem Sinn (!) kann man denn überhaupt einen einzelnen Umstand - sei es der "Grenznutzen" oder die "Kosten" - als die "Ursache" oder den letzten oder endgültigen Bestimmungsgrund des Güterwertes und seiner Größe nennen?
    Er antwortet: "Es liegt auf der Hand, daß der  Grenznutzen  sowohl als die  Kosten  nur Mittelglieder einer anderen noch weiter zurückliegenden Kausalkette sind, in der sich dann ganz besonders die Begriffspaare  Bedarf  und  Deckung  (Angebot und Nachfrage) oder mit anderen Worten, der Stand der Bedürfnisse einer- und der verfügbaren Produktivkräfte andererseits hervorheben. Hinter ihnen wären dann aber vielleicht zahllose andere "koordinierte Bestimmungsgründe des Wertes" zu nennen, "fast ohne Ende". Er führt solche - auch hier ohne Unterscheidung der natürlichen und der sozialen Kategorien - in bunter Mischung auf: Technik, Bildung, Fruchtbarkeit - Organisationen, Rechts- und Eigentumsverhältnisse. Wenn man aus ihnen dennoch  einen  Umstand, den Grenznutzen oder die Kosten, nenne, so habe das "nur den Sinn, daß man ein besonders ausgezeichnetes Mittelglied der schier endlosen Kausalkette herausgreift ..., in welcher die Wirkung (!) all der Bestimmungsgründe sich zum letzten Mal, gleichwie im Brennpunkt einer Sammellinse vereinigt." Im Grenznutzen wie analog in den Kosten "haben wir die Wirkung all der komplexen ... Umstände zum letzten Mal einheitlich zusammen". Grenznutzen und Kosten "resultieren" "aus dem Verhältnis von Bedarf  und  Deckung", ihnen stehen sie daher allerdings in einer gewissen Parität gegenüber. Wie kann dann aber  von Böhm-Bawerk  dennoch gegen  Marshall  polemisieren, von dem der vielberufene Satz herrührt: "Wir können uns ebenso ernsthaft darüber streiten, ob bei einer Schere das obere oder das untere Blatt ein Stück Papier durchschneidet, oder ob der Wert vom Nutzen oder von den Produktionskosten bestimmt wird?" Und wie darf er  Dietzel  tadeln, der den Wert der Produktivgüter und der Genußgüter sich "wechselseitig" bedingen läßt?  von Böhm-Bawerk  antwortet: Wohl haben Bedarf und Deckung "kausale Parität", aber nicht "Grenznutzen" und "Kosten". Sie sind zwar beide "die gemeinsame Folge ein und derselben dritten (bzw. vierten) Ursache, nämlich von Bedarf und Deckung. Aber innerhalb dieses primären gemeinsamen "kausalen Verbandes" steht, wie etwa Sohn und Enkel trotz ihrer Abstammung von denselben Großeltern, der Wert der Produktivgüter nicht  vor  und nicht  neben,  sondern  hinter  dem Wert der Produkte. Und der Grund? Er liegt in einem "der einfachsten und unbestrittensten Gedanken unserer Wissenschaft, ... daß die Menschen die Güter überhaupt nur als Mittel für ihre Zwecke (!) schätzen", und "daß im Verhältnis von Mittel und Zweck der Zweck seine Wichtigkeit dem Mittel mitteilt, und nicht umgekehrt. Die Herstellung der Produktivgüter sei nur Zwischenursache, nur nächster Zweck,  Endzweck  sei die Herstellung der Genußgüter, er sei die "Wertquelle", und weil der Wert der Genußgüter dieser Quelle  näher  steht, habe er auch die "kausale" (?) Vorhand".
Man beachte dieses  Umspringen  aus der Kausalitäts- in die Zweckbetrachtung. Und eben darauf beruth doch aus das "Umwenden" (Jahrbücher, 1892, Seite 333), das er als einen Vorzug der Grenznutzenlehre bucht, und das darin besteht, daß sie zur Vermeidung eines endlosen  regressus - er sagt Zirkelerklärung, der  Charybdis  [gestaltloses Meeresungeheuer aus der griech. Mythologie - wp] der Kostenwertlehre, welche dahin führt, daß die Kosten immer wieder aus anderen Kosten erklärt werden müßten - den Wert der Kostengüter von vornherein durch den Wert ihrer Produkte bestimmen läßt. Dieses Umwenden und Umspringen bei gleichzeitigem Festhalten am Kausalitätsprinzip halte ich nun für logisch unstatthaft. Auf seine Unzulässigkeit habe ich eingehend im "Zweck" z. B. Seite 323f schon hingewiesen. Entweder muß ich bei der Kausalbetrachtung streng stehen bleiben oder ich muß von Haus aus mit der Zweckbetrachtung einsetzen; was ich aber nicht darf, das ist die nachträgliche Einstückelung der Zweck- in die Kausalbetrachtung. Ich darf nicht "End zweck"  und  "kausale  Vorhand", also zwei ganz verschiedene Kategorien zusammenwerfen. Ich darf nicht von der "kausalen bzw. (!) teleologischen Verknüpfung" reden. BÖHM-BAWERK hat auch kein Recht, sich hierfür auf eine Stelle von PAULSENs "Einleitung in die Philosophie", 1892, Seite 224) zu berufen: "Jeder teleologische Zusammenhang (!) ist zugleich ein kausaler". Hätte von BÖHM-BAWERK eine neuere Auflage, etwa die mir vorliegende von 1907 eingesehen, so würde er vielleicht nicht zu diesem Mißverständnis gekommen sein. PAULSEN meint mit dem kausalen Zusammenhang nur das, was man sonst auch  psychologische  Kausalität nennt, er will damit sagen, daß die Zweckidee ihrerseits wieder ein "durch assoziative Verbindung Verursachtes" ist (Seite 240, 241). Aber Philosophen wie Logiker werden sich gegen die Zumutung wehren, daß sich aus dem Zusammenhang von Ursache und Zweck auch einfach eine Stellvertretung beider Kategorien durcheinander rechfertigen lasse. Ferner: Der "Zusammenhang" besteht in der Tatsache, daß der Zweck nur durch die Benutzung der kausalen Naturgesetze ausführbar ist, der Zweck enthält, wie man sagt, eine "umgekehrte Kausalfolge; aber dadurch wird doch nicht der Zweck zu einer  causa. 

Wenn der End zweck  entscheidet, so muß der Wert der Produktivgüter in einem Zug mit dem Wert der Genußgüter aus diesem  Zweck  abgeleitet werden, und es ist schon eine unzulässige  Fragestellung  von BÖHM-BAWERKs, ob die eine Seie, der Wert der Produkte "kausalen Vorrang habe, wie er meint,  oder  ob - nach MARSHALL - kausale Parität herrscht. Wenn von BÖHM-BAWERK Seite 243 die "verfeinerte Problemstellung" so vornimmt: "daß das Kausalverhältnis (!) zwischen dem  Wert  der Produkte einerseits und dem  Wert  der Produktivgüter andererseits zu erforschen sei", so ist zu erwidern, daß ein "Wert" - als Zweckbegriff - nicht  causa  eines Wertes sein kann, auch nicht Zwischen-causa, sondern nur Zwischenzweck,  medium,  Mittel; ebensowenig wie man umgekehrt eine  causa  die Ursache eines Wertes nennen darf. Denn, wie von BÖHM-BAWERK so treffend hervorhebt, kann der Wert nicht produziert, nicht gewoben werden, wie ein Stück Leinwand. Der Zweck ist gedachter und gewollter Erfolg, also ein Gedankending, im Kopf des Menschen zunächst.

Aber, so wird mir von BÖHM-BAWERK einwenden, dieses Gedankending im Kopf des Menschen, dieser "Zweck"  wird  ja doch zu einer  causa,  und zwar zu einer recht wirksamen, er wird zur  causal finalis,  zur "psychologischen Ursache", und meine ganze Polemik laufe auf ein müßiges Wortgeplänkel hinaus. Er könnte hinzufügen, daß man es im sowohl im Ausdruck des praktischen Lebens wie auch in der Sprache der Logik, die auch von einer  causa finalis  (Zweckursache) redet, mit der Auseinanderhaltung der allgemeineren Antithese "Grund-Folge" und ihrer Unterart "Ursache-Wirkung" nicht so genau nehmen. Die Replik dagegen liegt auf der Hand, und ich will hier auch gar nicht lange von der Richtigkeit des Begriffs der "psychologischen Kausalität" handeln, welche z. B. STAMMLER a. a. O., mit treffenden Gründen verwirft. Mag man also ruhig einmal annehmen, daß die Grenznutzenlehre - und zwar von Haus aus -  sachlich,  ganz nach meinem Verlangen, mit dem Zweck operiert, so würde sich die Streitfrage nur auf ein anderes, und zwar viel tieferes Problem hinüberspielen, auf das Problem:  Welcher  "Zweck" kommt für die Nationalökonomie, für die Erklärung sozialer Wirklichkeit, in Betracht?

Hier scheiden sich die Wege des "Subjektivismus" von denen der sozialorganischen Betrachtung für immer. Jener würde dann die Zwecke eines isoliert gedachten, dieser dagegen die des  sozialen  Individuums, als eines Gliedes der volkswirtschaftlichen Gemeinschaft zum Ausgangspunkt haben. Es handelt sich also um das alte große Problem vom Verhältnis des  Individual-  zum  Sozialprinzip,  dem seinerseits wiederum die tiefere erkenntnistheoretische Frage nach dem Verhältnis und der Berechtigung der naturwissenschaftlichen  oder  der sozialwissenschaftlichen Betrachtungsweise zugrunde liegt.

von BÖHM-BAWERK verteidigt und vertritt die erstere: "Alle Sachgüter", sagt er schon im Band I, Seite 269, "nützen dem Menschen durch die Betätigung der Naturkräfte, welche in ihnen liegen ... all ihr Wirken ... ist ein Wirken von Naturkräften nach Naturgesetzen ... sie sind solche ausgezeichnete Gestaltungen der Materie, welche eine Lenkung der in ihnen wohnenden Naturkräfte zum Vorteil des Menschen gestatten". Dem Einwand, "daß jene Auffassung eine naturwissenschaftliche und keine wirtschaftliche ist", begegnet er mit der Behauptung, daß "in diesen Fragen" "eben die Wirtschaftswissenschaft der Naturwissenschaft das Wort lassen muß. Der Grundsatz der Einheit aller Wissenschaft fordert dies ... Der Erklärungsbereich der Wirtschaftswissenschaft ist eingebettet (!) zwischen die Erklärungsbereiche der Psychologie einerseits und der Naturwissenschaften andererseits ...".

Bei einer sozialorganischen Betrachtung stellt sich die Sache umgekehrt dar. Für sie ist die Naturwissenschaft nur eine Hilfswissenschaft, die kausale, naturwissenschaftliche Betrachtung einschließlich der psychologischen ist "eingebettet" in die sozialökonomische.  Nicht  "innerhalb des Rahmens der Naturgesetze vollzieht sich das Produzieren, Verteilen und Werten, sondern innerhalb eines sozialorganischen, durch den Zweckplan der Volkswirtschaft bedingten Wertrahmens lenkt der Mensch die Naturkräfte, als deren beseelter Beherrscher, zu seinen Zwecken. Die Einheit der Nationalökonomie mit den anderen Wissenschaften ist nicht durch eine naturwissenschaftliche Betrachtung gegeben, sie ist keine Natur-, sondern wie alle Gesellschaftswissenschaften eine Geistes-, eine Kulturwissenschaft, eine Sozialwissenschaft, wie neuerdings DIEHL in der "Zeitschrift für Rechtswissenschaft", diesjähriger Band, Seite 305f, überzeugend betont hat. Das  Individuum  ist in die planmäßige Organisation des sozialen Körpers, seine Zwecke sind in die des letzteren eingebettet. Es kann seine Zwecke, die allerdings  schließlich  auf eine unmittelbare Bedürfnisbefriedigung gehen, nur auf einem Umweg erreichen, nämlich innerhalb des großen Planes, der ihm seine Rolle zuweist. Die Wissenschaft, die Nationalökonomie, hat nichts anderes zu tun, als diesem Gang der zu erklärenden Dinge zu folgen. Erst so liefert sie uns ein Abbild der Wirklichkeit: Alle Wertung geht zwar von den Individuen aus, darin behält die Grenznutzenlehre und alle Theoretiker, die mit ihr die Analyse vom subjektiven Standpunkt aus  beginnen,  volles Recht. Die große Frage bleibt nur,  woher  das Subjekti die  Motive  seiner Wertungen bezieht; "organisieren" diese von sich aus die Volkswirtschaft, entnehmen die "subjektiven" Wertschätzungen von innen her, aus den höchstpersönlichen Beziehungen der isoliert gedachten Binnenwirtschaft heraus, ihren autarkischen Ursprung,  oder  aber auch - und zwar im entscheidenden Punkt - aus den Zweckbeziehungen des sozialen Gefüges, das vor ihm da ist und ihm nur die Funktion eines  Gliedes  übrig läßt? ("Zweck", Seite 756).

Von Interesse ist hier die Stellung einiger neuerer Nationalökonomen zur Frage vom Verhältnis der subjektivistischen und sozialorganisch-objektiven Faktoren. CASSEL (Tübinger Zeitschrift, 1899, Seite 395f) läßt die Preise durch ein "System von Gleichungen" bestimmt werden, deren Koeffizienten  sowohl  die subjektiven wie die objektiven Faktoren darstellen, so daß man "von einem  Vorrang  der einen  oder  der anderen" überhaupt nicht sprechen kann. Natürlich, Gleichungen geben, wie oben ausgeführt, nur formale Wahrheiten, die Koeffizienten sind gleichwertige Quantitäten, sie sind Schemen, und CASSELs eigene Äußerung, Seite 455, enthält die beste Selbstkritik für den anspruchsvollen Titel seiner Abhandlung: "Grundriß (!) einer elementaren Preislehre (!)" läßt die Preise durch ein "System von Gleichungen"bestimmt werden, deren Koeffizienten  sowohl  die subjektiven wie die objektiven Faktoren darstellen, so daß man "von einem  Vorrang  der einen  oder  der anderen" überhaupt nicht sprechen kann. Natürlich, Gleichungen geben, wie oben ausgeführt, nur formale Wahrheiten, die Koeffizienten sind gleichwertige Quantitäten, sie sind Schemen, und CASSELs eigene Äußerung, Seite 455, enthält die beste Selbstkritik für den anspruchsvollen Titel seiner Abhandlung: "Grundriß (!) einer elementaren Preislehre (!)". Die Äußerung, die ich meine, lautet: "es soll eben eine mathematische Gleichung nichts anderes sein, als ein kurzer und exakter Ausdruck für das, was man schon im Voraus weiß", oder, setze ich hinzu, was man  hier  eben  nicht  weiß, nicht erklärt hat. Neben all den Vorzügen CASSELs - ich meine seine scharfsinnigen Bemerkungen kritischer Art - bietet er für die positive Erkenntnis der Dinge wenig, viel Mathematik, aber zu wenig Nationalökonomie. - Dann folgt OTHMAR SPANN, der in seiner vorbildlich gewordenen Abhandlung, Tübinger "Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft", 1908, Seite 1f: "Der logische Aufbau der Nationalökonomie" - in ähnlicher Weise wie GOTTL - die  logischen  Elemente der Gesellschaftswissenschaft gründlich erörtert, dabei aber wiederum wenig Nationalökonomie und viel Logik und Methodisches bringt, hierbei auch, infolge seines durchaus subjektivistischen Ausgangspunktes, allzuviel neugeprägte, künstliche und fremdsprachige Ausdrücke á la KNAPP an die Stelle der von den Objektivisten seit ADAM SMITH üblichen einsetzt. Wozu z. B. statt der tausend Jahre hindurch bewährten und eingelebten alten Ausdrücke von  Ursache, Wirkung  usw. der einer fremden Wissenschaft entnommene Ausdruck "Funktion"?, dessen kautschukartiges Wesen von BÖHM-BAWERK ("Exkurs", Seite 238) so treffend kritisiert. - Es ist dann von ZWIEDINECK, der (in den beiden Abhandlungen in derselben Zeitschrift, 1908, Seite 587f und 1909, Seite 1f) die SPANNschen Begriffe nach der objektivistischen Richtung erweitert und damit brauchbarer gemacht hat. Dieser, um die Entwicklung der Preislehre besonders verdiente Schriftsteller ist recht typisch für den Übergang unserer Wissenschaft auf der allzulangen Episode der subjektivistischen Faktoren) zeitgemäß reformierten, sozialen Objektivismus. Zwar geht er methodisch, wie nun einmal alle jüngeren Nationalökonomen, die aus der Schule der Subjektivisten hervorgegangen sind, vom Subjekt aus. Er tadelt CASSEL, weil dieser den  Vorrang  der subjektiven Kategorien leugnet, der Preis bleibt ihm "gegenüber dem (subjektiven) Wert unter allen Umständen ein sekundäres Phänomen; denn sein Bestand und seine Größe", sagt er, "sind Wirkungen (!) einer Mehrheit subjektiver Vorstellungen, Urteile und des Verhaltens einer Mehrheit von Subjekten. Das ergibt sich mit Notwendigkeit aus der Anerkennung des Willensprimates (?) überhaupt"! (Seite 601, 602). Wenn er daher auch anerkennt, daß die Preislehre unter der Tendenz, die  teleologische  Betrachtungsweise auszuschalten, zu kurz gekommen sei, so will er doch den Terminus "teleologisch" nur  rein formal  angewendet wissen, nur als heuristisches Prinzips für die Aufdeckung der  Kausal beziehungen. Er hat sich also grundsätzlich noch keineswegs von der SPANNschen Anschauung emanzipiert, wonach es sich auch "bei den sozialen Erscheinungen ... nicht um ein System von Zwecken, sondern um ein System von  Mitteln  für  gegebene  Zwecke, also lediglich nicht um einen Zweckzusammenhang, sondern um einen  Zusammenhang der Mittel  handelt, der seiner Natur nach nur  kausal  sein kann" (SPANN, a. a. O., Seite 9 und ZWIEDINECK, a. a. O., Seite 591).

In der Sache geht von ZWIEDINECK allerdings viel weiter als SPANN. Dieser prägt den neuen Begriff der "übergreifenden Funktion", welche er darin sieht, daß sie von den  monogenetischen  Individualgebilden", welche ein System von selbständigen Handlungen der Individuen bilden, zu einem System der "polygenetischen oder Kongegralgebilde führt, also zu einem System "notwendiger Wechselbedingtheit der übergreifenden Funktionalbeziehungen" und "polygenetischer Anpassungen", das aber immerhin noch ein kausales System der  Mittel,  von innerer Selbständigkeit bleibt, wenn auch mit "komplementären Zielen" (a. a. O., Seite 28f). Demgegenüber betont von ZWIEDINECK, Seite 591f, daß eine "sozialwissenschaftliche Behandlung" der Preislehre "nicht bei den Ergebnissen des Zusammenwirkens komplementärer Kräfte" und ihrer "individuellen Funktionalbeziehungen", also der, wenn auch noch so gehäuften, aber dennoch isolierten Preisphänomene stecken bleiben dürfe, sondern "die Funktion der Preise im Gesamtzusammenhang als Teil der Gesamtfunktionalbeziehungen erfassen" muß - nebenbei ein Beleg für die erwähnte Umständlichkeit dieses neuen "Stils". von ZWIEDINECK markiert dann auch - im Sinne der von mir kürzer als "sozialorganisch" bezeichneten Betrachtungsweise - die durchaus  soziale Bedingtheit  der Wertschätzungen des Subjekts, das der Autarkie verlustig, jetzt sozusagen in eine "allarchische Bedürfnisbefriedigung eingefesselt ist: die Werturteile des Subjekts, sagt er, sind nicht im Entferntesten subjektive Willensregungen, sondern ein Produkt der Erziehung, des Lernens und der Anpassung an die objektiv bedingten, dem Subjekt der Außenwelt oktroyierten"  historischen  Preisbildungsfaktoren. Erst auf sie baut das Individuum seinen eigenen Wirtschaftsplan auf. Deshalb verlangt von ZWIEDINECK geradezu eine "Vervollständigung des analytischen Materials" der Preisbildungselemente durch eine "historische Kategorisierung" (a. a. O., 1909, Seite 81, 88-90).

Wie anders hier von BÖHM-BAWERK! Zwar spricht auch er Bd. II, Seite 341f. von diesem Anpassen und Anlernen des Individuums, das die Werturteile in der Regel "fix und fertig vorfindet", ohne sie erst "von Grund auf neu aufbauen" zu müssen. Wir sind "darin durch ununterbrochene Übung erstaunliche Virtuosen geworden". Den Grund aber sieht er darin, daß "wir (!) schon früher einmal ein Urteil" über den Wert des zu schätzenden Gutes "uns" gebildet haben, das wir nur im Gedächtnis festzuhalten brauchen, oder man folgt sogar "nur dem Urteil anderer, die sich ihn ähnlichen Situationen bewegen." Aber damit, sage ich, ist doch noch gar nichts über den eigentlichen  Ursprung  der Wertungen bewiesen, weil diese Ausführungen für  jede  Wertlehre zutreffen und deshalb für  keine  etwas beweisen, am wenigsten gerade für den subjektivistischen Ursprung der Werturteile im Sinne der Grenznutzenlehre und es ist deshalb wohl kaum die Apotheose [Vergötterung - wp] dieser Lehre am Schluß der von BÖHM-BAWERKschen Ausführungen gerechtfertigt:
    "Und Jahrtausende, ehe die Wissenschaft die Lehre vom Grenznutzen aufgestellte, war der gemeine Mann gewohnt, Güter zu erstreben und abzulassen ... mit Rücksich auf den Zuwachs oder Abfall vom konkreten Nutzen, der an jedem Gut hängt: er praktizierte mit anderen Worten die Lehre vom Grenznutzen (!) früher als die Theorie sie entdeckte". (!) Es bleibt die Frage ungelöst, ob und wieweit dem Individuum die  Maßstäbe  seiner Wertungen von außen kommen, weil sie hinter seinem Rücken gebildet werden, und es sie erst hinterher zu seinen eigenen macht, indem es sie in die Autonomie seines Willens aufnimmt. Nur  diese  Autonomie hat dann wohl auch von ZWIEDINECK mit dem oben zitierten Ausdruck "Willensprimat" gemeint. Wie das Individuum  ethisch  Selbstzweck ist, so muß es auch in der Volkswirtschaft als souveräner Beherrscher seiner Willensregungen anerkannt werden, selbst wenn und insoweit seine "Impulse" durch die sozialen Notwendigkeiten bestimmt werden. Das Individuum bleibt der Träger, das Gefäß der sozialen Ideen, in das sie aufgenommen und in dem sie verwirklicht werden. In dieser Zwischenrolle geht von den Individuen allerdings eine kausale  Wirkung  aus, sie sind die Räder der großen Maschine, die ohne sie still steht, und deren Zwecke mit ihren Zwecken solidarisch sind.
Aber diese Autonomie des Individuums bleibt doch nur eine  formale  Wahrheit, und das Individuum selbst ein unbeschriebenes Blatt Papier, ein leerer Formalbegriff, der seinen Inhalt, seine Füllung und seine Aufgaben erst aus den psychologischen und technischen Faktoren, dann aber - was für die Sozialökonomie entscheidet - aus den sozialen Bedingungen und Aufgaben empfängt ("Zweck", Seite 141f). Dem hat die Theorie nachzugehen, und ihr Programm muß darin bestehen, den wirtschaftlichen Phänomenen und ihren Gesetzen aus der  sozialen  Kategorie heraus näher zu kommen ("Soziale Kategorie", Seite 422), oder wie es jetzt von ZWIEDINECK ausdrückt, ihnen "vom  sozial wissenschaftlichen Gesichtspunkt aus zu Leibe zu rücken" (a. a. O., Seite 18).

Es ist ein seltsamer Anachronismus [Unzeitgemäßheit - wp], daß die "Modernen" heute noch und besonders heute wieder in der Lehre vom volkswirtschaftlichen  Sein,  dessen fortschreitende Sozialisierung mit Händen zu greifen, in den subjektiven Naturalismus zurückfallen, während doch in der Lehre vom  Seinsollen,  in der Ethik, der soziale Einschlag im kategorischen Imperativ KANTs immer mehr erkannt wird, wie z. B. SIMMEL in seinen Kantvorlesungen 1905, Seite 95 und 108, die philosophische Sublimierung des Freiheitsenthusiasmus und damit der subjektivistischen Persönlichkeitsidee bei KANT als eine nur seinem Jahrhundert eigentümliche  Form  der Denkrichtung charakterisiert, die ihren Kern unberührt läßt. Diesem sozialen Kern muß dann endlich auch die theoretische Nationalökonomie nachgehen, sie darf die Volkswirtschaft nicht länger als ein bloßes "System von  Handlungen  menschlicher Individuen" betrachten, auf das sich die Volkswirtschaft immer von neuem "aufbaut", sondern es ist  a priori  der Kern und das Wesen der "polygenetischen Funktionalbeziehungen der gesellschaftlichen Gebilde" und vor allem des Kongregalgebildes höchster Ordnung, der Rechts- und Wirtschaftsordnung aufzuweisen, in die sich die "Handlungen" der Einzelpersonen erst einfügen, um dann erst a posteriori ihre "kausalen" Wirkungen auszuüben. "Es ist wirklich nicht auszudenken", sagt von ZWIEDINECK Seite 91 treffend, "wie die Preise der einzelnen Verkehrsobjekte auf den Märkten zustande gebracht werden sollten, wenn etwa eines Tages alle Erinnerung für jeden vorherigen Preis (und damit teilweise natürlich auch für gewisse Kosten) erloschen wäre! Das aber ist das Problem, das die extremen Subjektivisten lösen zu können glauben und das sie zu lösen imstande sein müßten".

Es zeigt deshalb sicher einen Fortschritt, wenn von ZWIEDINECK, Seite 83, in Anlehnung an SCHMOLLER, Grundriß II, Seite 110, das "Trägheitsgesetz des Verkehrs" aufstellt, wonach sich als unentbehrlicher Ausgangspunkt für die individuellen Schätzungen ein objektives Faktum, der  bisherige  Preis, der  Marktpreis von gestern,  erweist, von dem alles Werten auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite ausgehen muß, und dem sich alles Werten, Disponieren und  Spekulieren  "anzupassen" hat: die Wertung richtet sich nach dem Preis und hinge sonst in den Lüften (2). Aber dieser analytisch richtige Gedanke dringt dennoch immer nur bis zu einer Zwischenwahrheit vor. Der Preis von gestern ist ebensogut wie der Preis von heute erst das zu Erklärende. Die Kräfte, die ihn organisch gebildet haben, wirken alle Tage von neuem, sie reformieren und korrigieren ihn, genau wie das für den anderen formalen Quantitätsbegriff: Angebot und Nachfrage zutrifft ("Zweck", Seite 716), die erst ihrerseits als die gehorsamen Diener der höheren sozial-organisch bedingten Produktions- und Verteilungszwecke ihre Schuldigkeit tun. Hier führt der subjektivistisch-kausale Ausgang die Analyse nicht weiter, hier muß der heterogene "Zweck der Volkswirtschaft" als Erklärungsmoment einsetzen, der statisch die früheren Preise geschaffen und sie dynamisch immer nach seinen eigenen immanenten Gesetzen reformiert und wandelt.

Der Zweckgedanke, mit dem also auch von BÖHM-BAWERK einsetzt, ist deshalb ansich richtig, aber er kommt zu spät. Er ist inhaltlich nicht ausgedacht, weil er ganz und gar im naturalistischen Erdreich einer subjektivistisch-mechanischen Betrachtung stecken bleibt. Der Zweck, als die entscheidende "Wertquelle", ist nicht subjektivistisch, sondern  sozial.  von BÖHM-BAWERK sagt:
    "Wenn wir nur als Tatsache wissen, daß ein bestimmtes Produkt für uns (?!) Wert hat, können wir daraus mit völliger Zuverlässigkeit das weitere Urteil ableiten, daß die Produktionsmittel .. für uns (!) ebenfalls wertvoll sind." (Exkurs, Seite 254). Der Pluralis "wir" und die Bewertung der Güter nach dem Wohlfahrtsgewinn "für uns" klingt sozial, ist es aber nicht, weil dahinter zunächst immer nur die Privatschätzung des isoliert gedachten Einzelindividuums in einer außerordentlichen Einzelsituation steht, dem unerschöpflichen Eldorado des Subjektivismus, so oben in der Situation gar eines Schiffbrüchigen. Normalerweise, d. h. für den zu erklärenden Marktpreis wird der Wert eines Rettungsgürtels nach seinen Produktionskosten geschätzt, das bedeutet: nach dem Zweck der  anderen,  die ihn  herstellten,  und zwar lediglich für  ihren  Zweck, nämlich zum Zweck des Lebensunterhaltes oder ihres Kapitalgewinns. Die wahre  soziale  Wertquelle ist im sozialen Produktionsplan zu suchen, der die Produktion für andere, aberb doch mittels der Produktion vor allem die eigenen Genußbefriedigung mittels des Anteils bezweckt, den das produzierende Subjekt durch eine Liquidation seiner Wertanweisung (in Gestalt von Lohn, Gewinn etc.) vom gemeinsamen Sozialprodukt aus den Marktbeständen erreicht, zu vergleichen (vgl. dazu "Soziale Kategorie", Seite 11 und 12 und  Zwiedineck, Seite 100f.  Das  ist heute der Zweck der Produktion, und der Wert ist allerdings ein Zweck, aber der Zweck der sozialen Auseinandersetzung. Es ist ein Unding, den "Wert" in der heutigen Wichtigkeit als  Resultante  unsozialer, höchst individualistischer Elemente zu erklären. Der Wert ist ein Reflektions-, ein Zweckbegriff, aber die Zwecke, das Reflektieren des Individuums, sind durchaus von den Zwecken des sozialen Organismus abhängig.
Dieser "Zwieschlächtigkeit" der Zwecke entspricht eine solche des Güterwertes. Zwei Seelen wohnen in ihm, eine rein ökonomisch technisch-psychologische und eine soziale. Das Einzelgut ist nicht nur ein isoliertes, für die einzelne Bedürfnisbefriedigung bedeutsames Stück Natur, sondern ein lebendiges organisches Stück der Volkswirtschaft, deren Leben und Wesen sich in seinem Wert widerspiegelt ("Zweck", Seite 6-7). So auch im Produktivgut. Ich produziere ein Gut für den konkreten Nutzen ("Wohlfahrtszweck")  anderer,  für  mich  produziere ich damit nur einen Wert, dessen Wesen in seinem Charakter als Liquidationsmittel für die soziale Entlohnung meines Dienstes liegt, zu welchem Zweck  andere  ihrerseits ihre Dienste für ihre Zwecke geleistet haben. Die "Wirksamkeit" der Produktivgüter, ihr Zweck, ihr Nutzen, sogar ihre "Nutzung" - was von BÖHM-BAWERK in der Kritik dieses letzteren Begriffs so ganz übersieht und erst von KOMORZYNSKI wieder in Übereinstimmung mit meinen Ausführungen in der "Sozialen Kategorie" und im Zweck ins Licht gestellt hat - ist danach ein doppeltes: sie begreift nicht bloß die Auslösung "naturaler Kräfteleistungen", wie von BÖHM-BAWERK sagt, sondern vor allem jenen sozialorganischen Nutzen für den  Hersteller,  den von BÖHM-BAWERK unter den Tisch fallen läßt, den Nutzen und die Kraft, als "Magnet" den einen Teil des Nationalproduktes an sich zu ziehen. Wie diese zweite Seele im Wert der Produktivgüter den Subjektivisten entgeht, wird uns klar werden, wenn wir nun die Rolle untersuchen, die die Kosten in ihrer Preislehre spielen.


7. Die Unzulänglichkeit des Kostenbegriffs
in der subjektivistischen Preislehre

    "Die Wert- und Preisbildung", sagt  von Böhm-Bawerk (Bd. II, Seite 413) nimmt ihren Ausgang von den subjektiven Wertschätzungen der fertigen Produkte durch ihre Konsumenten. Sie bestimmen die Nachfrage nach diesen Produkten, der als Angebot zunächst (!) die Vorräte der Produzenten an fertiger Ware",  schließlich  aber, "vermöge des Nachschubs, den sie immerfort aus der Produktion erfahren", die gegebenen und fixen Vorräte an originären Produktivkräften gegenüberstehen, aus denen sie alle letzthin entstehen, nämlich die Bodenkräfte und Arbeitsleistungen; denn bis zu ihnen führt die Kausalkette vom Schlußprodukt durch die Zwischenprodukte zurück: "die originären Produktivkräfte der Nation drängen sich der Reihe nach in die lohnendsten Verwendungen und empfangen (!) von der letzten derselben ihren Wert und Preis." Die Produktion ist einem riesigen Pumpwerk zu vergleichen. Jeder Bedürfniszweig hat sein besonderes Saugrohr in das Reservoir der originären Produktivkräfte eingesenkt und sucht daraus, konkurrierend mit allen anderen Zweigen, seine Deckung an sich zu ziehen. ... So saugen alle Bedürfnisse mit der durch ihre Schätzungsziffern angezeigten Kraft." Je größer die  Menge  der disponiblen Produktivkräfte ist, in je tiefere Schichten kann die Versorgung der Bedürfnisse herabsteigen. Können z. B. als die letzten Bedürfnisse noch diejenigen bedeckt werden, die den Arbeitstag nur mit einem Gulden bezahlen, so wird sich demgemäß auch der Marktpreis der Arbeit einheitlich auf einen Gulden fixieren. Auch für den großen sozialen Markt also "regieren" zwar die Kosten den Wert, aber sie sind "nicht die endgültige, sondern immer nur eine Zwischenursache des Güterwerts. In letzter Linie  geben  sie nicht ihren Produkten den Wert, sondern sie  empfangen  ihn von ihnen".
Die Einwendungen, die wir oben gegen die Lehre vom subjektiven Kostenwert und gegen die Preislehre überhaupt erheben mußten, rücken hier in ein viel schärferes Licht. Die Subjektivisten verkennen, daß in der Sozialwirtschaft  hinter  jedem Produktionsfaktor ein  Mensch  steht. Der Weg zum Produktivgut führt hier immer nur über die Person seines Inhabers, wir sind also nicht wie  Robinson  von den Dingen, sondern von ihren Besitzern abhängig, die uns die Produktivgüter nur unter Bedingungen darbieten. Diese Bedingungen bestimmen auch den Wert. Und zwar kann der  dauernde, organische  Wert nicht anders bestimmt werden, als wie durch die Umstände, die eine  nachhaltige  Produktion und eine dauernde, sozialnotwendige Vergeltung für die  Besitzer  der Produktivfaktoren gewährleisten. Im sozialen Organismus haben nur die  Vergeltung  erfordernden Produktivmittel einen  Wert,  und auch diesen nur nach Maßgabe der  notwendigen  Höhe dieser Vergeltung. Dagegen sagt von BÖHM-BAWERK Seite 419: "Ob der Arbeitstag  einen  Gulden oder  drei  Gulden wert ist, hängt davon ab, wieviel das Produkt wert ist, das man in einem Arbeitstag hervorbringen kann, und zwar das "letzte", mindest gutbezahlte Produkt, zu dessen Hervorbringung nach Versorgung aller besser honorierten Verwendungen noch Arbeit entsprechender Qualität übrig ist." An diesem Satz, der so besonders kraß wirkt, weil er den Produktionsfaktor betrifft, der die höchstpersönliche Leistung eines lebenden Menschen, des Arbeiters, betrifft, wird besonders klar, wie wenig sich die "subjektive" Lehre gemeinhin um das  subjektive  Moment der Kostenwertung kümmert, d. h. um die  Personen,  die hinter den Produktivfaktoren stehen. Hier hätte der Zweckgedanke einsetzen müssen, aber nicht einseitig, sondern es waren  zwei  Zwecke zu berücksichtigen, der Zweck der Konsumenten und der der Produzenten. Der erstere steht bei der sozialen Produktion im Hintergrund, vornan steht der Zweck des Produzenten, die Erlangung einer Abfindung, einer Wertanweisung auf die  anderen  Marktgüter, an deren Erzeugung er selbst unmittelbar nur in Ausnahmefällen mitgewirkt hat. Und  über  diesen beiden Zwecken steht ein  dritter Zweck,  ein Zweck höherer Ordnung, der organische "Zweck der Volkswirtschaft", der jene beiden Zwecke erst  einheitlich  zusammenfaßt. Alle diese Zwecke sind mitnichten schon "gegebene", so daß es nur auf die Mittel ankommt, welche die Volkswirtschaftslehre als ein bloßes "System der Mittel" kausal zu betrachten hat ("Zweck" Seite 774). Hier hat es mit der "formalen" Teleologie sein Ende, es bleibt die größte und vornehmste Aufgabe der Nationalökonomie, Wesen, Inhalt und Zusammenstimmen  all  dieser Zwecke zu erklären.

Stattdessen wird von den extremen Subjektivisten die ganze "nationale Produktion" nur vom einseitigen Zweckstandpunkt der Konsumenten aus betrachtet; sie vergessen, daß nicht nur für Menschen, sondern in allererster Linie  von  Menschen produziert wird. Sie machen so viel Wesens von der "Subjektivität" der wertenden Konsumenten und vernachlässigen darüber die Zwecke der Produzenten als Subjekte, als Menschen. Die Menschen, die hinter den Produktivfaktoren stehen, die Grundeigentümer, die Unternehmer-Kapitalisten, die Arbeiter, lebende, begehrende Wesen, keine Pagoden und Schemen, sie alle "empfangen" nicht nur, sie geben und  fordern.  Sie entscheiden mit der Macht der sozialen Position, ob die von ihnen zur Produktion hergegeben Boden-, Kapital- und Arbeitsleistungen "einen Gulden", drei oder viele "wert" sind. Hinter den subjektiven Schätzungen der Individuen steht im Konkurrenzsystem immer der ganze Zwang der sozialen Verhältnisse, die abschließend bestimmen, wie hoch und wie niedrig die Wirtschaftssubjekte schätzen können, dürfen und müssen. Es war ein grandioser Fehler, die Wertschätzungen der Verkäufer auszuschalten und die Preisbildung auf die der Käufer, der "letzten" Käufer, zurückzuführen. Die ganze Volkswirtschaft ist dann nur ein großer Ausverkauf fertiger Waren, oder, da sie nur allotropische Modifikationen der originären Produktivfaktoren darstellen, schließlich (!) dieser Faktoren, deren "Umwandlung" und Überlieferung an die Konsumenten die Zwischenunternehmner nur von Stufe zu Stufe "vermitteln". Die letzthin maßgebenden Originärfaktoren, auf welche die Betrachtung zurückgeht, sind also ebenso "fix", wie die fertigen Genußgüter, die aus ihnen hervorgehen. Ihre Mengen, Vorräte, Reservoirs, dann die "Masse" der in einem Marktgebiet verfügbaren Waren und wie die sonstigen mechanischen Quantitäts- und Summenbegriffe alle lauten, entscheiden nach  Umfang und Zahl.  Umfang und Zahl entscheidet auch darüber, bis zu welcher Tiefe der Grenznutzen und der Grenzpreis herabgedrückt wird. "Jedenfalls ist hier", sagt von BÖHM-BAWERK, Seite 405, "in der Beeinflussung der Zahl der verfügbaren Waren, der Ansatzpunkt zu suchen, von dem aus die Kosten jenen bekannten weitreichenden Einfluß auf die Höhe der Güterpreise üben ..." "Die vergrößerte Menge", sagt von BÖHM-BAWERK (Exkurs, Seite 257), "bewirkt eine stärkere Sättigung der nach Produkten ... bestehenden Bedürfnisse; dadurch (?) wird der Grenznutzen und Wert der Produkte auch weiterhin endlich der durch ihn vermittelte (!) Grenznutzen und Wert des Produktivgutes herabgedrückt." Wenn er nun fortfährt: "Die Vermehrung der Masse des Produktivgutes kann aber den Wert des Produktes nicht von sich allein (!) ausdrücken", so ist das freilich unbestritten, damit ist doch aber die notwendige Würdigung dieses "anderen" Faktors, die eigentümlichen und ursprünglichen Wertes des Produktivgutes, nicht  erledigt. 

Es fehlt die Würdigung des Zwecks, den die Besitzer der Produktivgüter verfolgen und zwar verfolgen müssen gemäß des höheren Zwecks der Volkswirtschaft, deren nachhaltiger und dauernder glatter Fluß nicht bloß von der  Kaufkraft  der zahlungsfähigen Konsumenten, sondern mindestens ebenso wohl von der gleichmäßigen  Verkaufskraft  der Produzenten abhängt, d. h. von ihrem Einkommen. Denn wir sahen, die Bedingung der ganzen Produktionstätigkeit besteht in der Erzielung dieses Einkommens, sie ist der Zweck in der Volkswirtschaft. Die Kaufkraft der Konsumenten kann nicht bestimmt werden ohne die Verkaufskraft der Produzenten und umgekehrt. Sie stehen in Wechselwirkung, aber diese ist keine kausale. von BÖHM-BAWERK hat ganz Recht, wenn er in diesen  Jahrbüchern,  dritte Folge, Bd. III, 1892, Seite 359, sagt, daß der Satz: der Wert der Produktivgüter wird durch den Wert der Produkte bestimmt,  und  zugleich umgekehrt ein Zirkel, eine Todsünde gegen die Logik sind: eine wechselseitige  Kausalität  derart, daß von zwei und denselben Dingen jedes die Ursache des andern ist. Aber wohl möglich und sogar begrifflich notwendig ist eine Wechselwirkung in einem "Organismus", dessen Wesen gerade in einer solchen Wechselwirkung der Glieder und des Ganzen besteht, aber nicht im Sinne der Kausal-, sondern der Zweckidee. Da die Volkswirtschaft ein organisches Zweckgebilde ist, kann ihr Organismus ohne die Zweckidee nicht verstanden werden. Während uns der Kausalitätsgedanke hier aufs Trockene führt, liefert der Zweckgedanke die sehr einfache Lösung der Wechselwirkung: Zwei Werte, d. h. zwei Zwecke sind gleich, weil sie einem dritten gleich sind, dem Zweck des übergeordneten sozialen Ganzen; Produktivgüter und Produkte sind nach ihrem Wert und Zweck gleich - nicht wie von BÖHM-BAWERK (Exkurs, Seite 251) sagt, weil letztere einer dritten "Ursache" nämlich dem Verhältnis von Bedarf und Deckung, sondern weil sie ein und demselben organischen Einheits zweck  entstammen. Dann bedarf es nicht des verfehlten - nicht organischen - "Umwendens". Im Licht des organischen Zweckgedankens stellt sich der Wert der Produktivgüter als  antizipierter  Konsumtions- und Einkommenswert dar, der im Wert der Produkte nur realisiert wiedererscheint, sie gehorchen beide nur demselben organischen Zweckprinzipg, das auf der stetigen  Erneuerung  der Kauf- und der Verkaufskraft beruth. Dieser gemeinsame Zweck der Volkswirtschaft ist jene "Sonne", von der sie in  einem  Strahl beide ihr Licht erhalten.

So behält dann MARSHALL mit seinem Scherenbeispiel Recht, es muß nur teleologisch begründet werden. Bei der Kausalbetrachtung der Grenznutzenlehre dagegen bleiben  beide  Seiten der großen volkswirtschaftlichen Gleichung unbestimmt, es bleibt die große Frage ungelöst, woher Arm und Reich, woher die "Kaufkraft" der alles bestimmenden Konsumenten kommt. Auch hier, auf der Konsumentenseite, zeigt sich wieder die Tatsache, daß sich der Subjektivismus, ohne es zu sehen, in einen seichten Objektivismus verflacht: Die Nachfrage ist ebenso fix und objektiv gegeben, wie wir es beim Angebot sahen. Reich und Arm, die natürlich - ein bloßes Gesetz des fertigen Marktes - die Kostengüter und ihre allotropischen Modifikationen in Gestalt der Genußgüter, sich gegenseitig konkurrierend, "an sich saugen", sind mit ihrem Einkommen starrmechanisch gegeben; woher sie es haben und wie es sich organisch aus dem großen Gefühe erneuert, das bleibt ein Rätsel. Es scheint fast, als ob die Volkswirtschaft nur für  Rentner  da wäre mit einem fixen Vermögen und fixer Kaufkraft - kaufkräftige Guldenbesitzer, deren Guldenmenge gleichsam vom Himmel geschneite Fixa der Nachfrage darstellen. In Wahrheit stehen Nachfrage und Angebot in einem organischen Zusammenhang. Sie sind teleologisch  a priori  aufeinander abgestimmt. Das "Aufsaugen" ist er erklärlich, weil die organischen Vorbedingungen dazu gegeben sind ("Zweck", Seite 764).

    Es ist bisher viel zu wenig beachtet worden, daß die Gedankenbrücke vom subjektivistischen Wertbegriff zum "Preis" eigentlich nur auf einer formalen Analogie, auf einem bildlichen Gleichnis beruth. So nennt  von Böhm-Bawerk  das Kostengesetz "nur eine auf eine spezielle Erscheinungsgruppe angepaßte spezielle Aussageform" des Gesetzes vom Grenznutzen: "Die Gedankengänge ... gleichen sich Zug für Zug, nur daß hier" (beim sozialen Kostengesetz) "vermöge des Dazwischentretens des Tausches, vermöge der Übersetzung (?) des Phänomens aus der Einzelwirtschaft in die Gesellschaft, um jedes Glied des Gedankenganges sich reichere Verwicklungen" (wieder das so oft beobachtete Verlegenheitswort!) "schlingen". "Es vollzieht sich hier einfacht das große Gesetz des Grenznutzens." Dieses lautet, "daß der vorhandene Vorrat der Güter immer der Reihe nach in die lohnendsten (!) Verwendungen eingewiesen wird, und daß die letzte, abhängige Verwendung den Wert bestimmt." "Im erweiterten Rahmen des Marktes" dagegen wird nun "Alles nicht mehr unmittelbar auf die subjektiven Bedürfnisse, sondern durch deren Vermittlung auf das Geld bezogen, das gleichsam (!) den neutralen gemeinsamen Nenner für die nicht mehr unmittelbar vergleichbaren Bedürfnisse und Empfindungen verschiedener Subjekte abgibt. Jetzt erscheinen als die lohnendsten (!) Verwendungen nicht mehr diejenigen, die den absolut intensivsten Bedürfnissen, sondern jene, die den höchsten Geldschätzungsziffern entsprechen, also die  bestbezahlten  (!) Verwendungen; und der Wert, der daraus (?) hervorgeht, ist objektiver Tauschwert."
Ich brauche hier die oben nachgewiesene Unzulänglichkeit des "großen Grenznutzengesetzes" nicht von neuem aufzuweisen, ebenso nicht diejenige des Resultantengedankens im allgemeinen, und schließlich auch nicht die des "neutralen" Generalnenners "Geld", der, ein  deus ex machina  [Gott aus der Schachtel - wp], das Vergleichbare mit dem Unvergleichbaren, "vermitteln" soll, den subjektiven "Wert" mit dem objektiven Preis. Ich beschränke mich darauf, die Ausführbarkeit jener "Übersetzung" aus dem Subjektiven ins Soziale zu beleuchten. Hier sind nun, wie ich "Zweck" Seite 715 und 719 näher begründete, nur zwei Gedankenbrücken vom einen zum andern denkbar, die  Resultantenidee  und die  Analogie Prüfen wir die Anwendbarkeit der ersteren und nehmen einmal an, es gäbe irgendeinen  Robinson  oder mehrere solcher  Robinsons,  die nach dem Grenznutzengesetz "werten". Wie kommen dann auf dem großen Markt alle die robinsonartig gedachten, autarkischen Einzelwirtschafter zueinander, die mit ihren subjektivistischen Grenz- und Fortfallserwägungen im Verein die preisbestimmende Resultante ergeben sollen? Aber da belehrt uns ja schon von BÖHM-BAWERK, Seite 416 und Note, selbst, daß ihre - subjektiv intensivsten - Bedürfnisse leider nicht mit den "bestbezahlten" Verwendungen zusammentreffen. Denn es drängt sich ein ganz fremdes Element in den Gang der Erklärung, die "Kaufkraft", also ein Objektivum, und zwar ein vom "subjektiven" Standpunkt aus genetisch und inhaltlich unerklärtes. Aber nicht genug damit, es springt die Erklärung in eine fremde Kausalreihe hinüber, die nicht mehr der Nachfrage, sondern der Angebotsseite entstammt, und zwar geschieht dies mittels desjenigen Begriffs, der in von BÖHM-BAWERKs Dialektik das alleinige Verbindungsglied mit dem subjektiven Grenznutzengesetz bildet, es geschieht mit dem  tertium comparationis  [Drittes zum Vergleich - wp] der  "lohnendsten  Verwendungen". Ja, aber  wem  "lohnen" denn nun diese Verwendungen in der Gesellschaft, wie sie dort dem  Robinson  "lohnten"? Doch nicht mehr dem wertenden Konsumenten, sondern vor allem dem  Produzenten.  Wie von WIESER ("Natürlicher Wert", Seite 54 und 57) richtig erkennt, ist hier der persönliche Nutzen der "Unternehmer" das entscheidende Prinzip. Statt der Dinge, die am meisten  nützen  können, werden diejenigen erzeugt, welche man am besten  bezahlt.  Es ist "dem privaten Unternehmer nicht um den höchsten Nutzen für die Gesellschaft, sondern um den höchsten Wert für sich (!) zu tun, der zugleich sein höchster Nutzen ist." Damit macht dann also der objektive Kostenfaktor und mit ihm das bestimmende Preisbildungsmoment der Angebotsseite sein unveräußerliches Recht geltend, die Dialektik hatte sie nur interimistisch ausgeschaltet.

Was aber von ihr übrig bleibt, ist dann nur der rein äußerlich formale Gedanke der  Analogie.  Es bleibt nur ein dialektisch sehr interessantes Gleichnis übrig, der Vergleich zwischen dem Nutzen der Gesellschaft und dem des konsumierenden Individuums. Aber dieser Vergleich hat keinen sachlichen Boden.  Robinson  wertet, eine Gesellschaft wertet  nicht,  sie ist ein Abstraktum, und der gesellschaftliche Wert wäre eine jener unzulässigen Idealisierungen, vor denen von BÖHM-BAWERK sonst so energisch warnt (a. a. O, Bd. I, Seite 341). Es fehlt auf dem großen Markt das einheitliche Subjekt der Schätzung, und auf der Kostenseite der einheitliche fixe und gegebene Vorrat an Produktivmitteln. Was die erstere Seite betrifft, so sagt schon von WIESER: "Dort, in der isolierten Wirtschaft, wurden mit dem gegebenen Vorrat die wichtigsten Bedürfnisse, von oben nach unten gereiht, befriedigt;  hier,  bei der Preisbildung, kommen die tauschfähigsten Kaufbewerber, von oben nach unten gereiht, zum Tausch, und wie dort der  Grenznutzen,  so entscheidet hier der  Grenzkäufer".  "Wie es hier  Grenzbedürfnisse  gibt, gibt es dort  Grenzexistenzen  unter deren Niveau die Fristung des Lebens höchstens noch gnadenweise zugestanden wird" (a. a. O. Seite 58). Das ist aber alles nur ein Spiel mit Worten, um den Grenzgedanken zu retten, eine gedankliche, keine reale Vergleichung, es bedeutet nichts anderes, als die phantasievolle Parallele zwischen einzelnen, subjektiven Teilwertungen, die im Kopf eines  Robinson  ihr Spiel treiben, mit den ganzen  Menschen,  nämlich mit den Individuen als Teilen des großen  Robinson,  als den man sich - ungebührlicherweise ("Zweck", Seite 367 und 707) - die Volkswirtschaft vorstellt. Und gar auf der Angebotsseite (der Kostenseite) fehlt es an jedem  tertium comparationis.  Der "nationale" Vorrat an originären und produzierten Produktionsmitteln, der nationale Produktionsfonds oder, wie ihn von BÖHM-BAWERK in der Zinslehre begrifflich umwandelt, der "nationale Subsistenzfonds", ist ein zum Vergleich ganz untauglicher bloßer  Summenbegriff.  In der Volkswirtschaft ist eben mit der autarken Robinsonwirtschaft die Keimzelle der subjektivistischen Betrachtung gespalten, das theoretisch ausgedachte "Individuum" auseinander gesprengt und mit ihm seine Einzelwirtschaft, seine Gesamtbedürfnisse, sein Gesamtvorrat. Es tritt ein begrifflich und sachlich heterogenes  novum  an die Stelle. So anstelle der Kostengüter und ihrer rein-ökonomischen Dreiteilung jetzt die soziale Dreigliederung der Personenklassen, die  hinter  den Kostengütern stehen, die Klassen der Arbeiter, Grundbesitzer und Kapitalisten, und anstelle der einzelnen Bedürfnisse die der wertenden "Existenzen"  ebenderselben  Personenklassen, aus denen - abgesehen von den Personen mit sogenannten "abgeleitetem" Einkommen, sowohl die Konsumenten wie die Produzenten bestehen.

Wir stoßen hiermit auf ein organisches Moment, das bisher nicht bloß von den subjektivistischen, sondern oft auch von den objektivistischen Theoretikern so auffallend vernachlässigt worden ist, nämlich auf die sozialnotwendig gebotene, aber auch gegebene große volkswirtschaftliche Gleichung, von der Leben und Gedeihen des sozialen Körpers abhängt, auf die Gleichung von Nutzen und Kosten, Kaufkraft und Verkaufskraft, Konsumtion und Produktion. Kurz, es handelt sich um das Soll und Haben der großen volkswirtschaftlichen  Bilanz  und das Aufgehen dieser ihrer aufeinander angewiesenen Posten. Sie kann nur erklärt werden durch die sozialorganisch wirksamen Schwerkräfte des volkswirtschaftlichen Organismus, die zu einem großen "Ziel streben". "Zielstrebigkeit" will ich das einmal nennen, statt "Zweck" oder "Telos", um den sogenannten "Teleophoben" nicht weh zu tun, die bei dem Wort "Teleologie" immer gleich nervös werden. Ich habe das Wort "Zielstrebigkeit" auch schon im "Zweck" öfters angewendet. Es stammt wie der Ausdruck  Teleophobie  sogar von einem "Naturforscher", dem berühmten KARL ERNST von BAER und wird von PAULSEN (a. a. O., Seite 240) an der oben erwähnten Stelle empfohlen, die von BÖHM-BAWERK in Bezug genommen hat.

Jenes organische Verhältnis zwischen beiden Seiten der Gleichung ist von der Grenznutzenlehre mit ihrem rein subjektivistischen Denkapparat natürlich nicht erfaßbar. Statt uns das Stimmen der Gleichung aus jener Zielstrebigkeit des sozialen Körpers zu erklären, stoßen bei ihr Konsumenten und Produzenten, Angebot und Nachfrage blind aufeinander. Sie sind eben da, und ihr Verhältnis zueinander ist ein zufällig mechanisches. Es fehlt die verbindende Einheit. Der einzige  Ansatz  zu einer solchen findet sich höchstens in ihrer Theorie von den "komplementären Gütern". Wir gelangen damit zur dritten und letzten "Komplikation" des Wert- und Preisgesetzes.


8. Der Wert der "komplementären" Güter.
Das Gesetz der Zurechnung und Verteilung.

"Die Theorie vom Wert der komplentären Güter", so sagt von BÖHM-BAWERK, "bietet den Schlüssel (!) zur Lösung ... des Problems der Verteilung der Güter ... in der heutigen Gesellschaftsform ... sie legt den durchgreifendsten Bestimmungsgrund für die Höhe der Honorierung bloß, die jeder der drei Faktoren (Arbeit, Boden, Kapital) für sich erlangt ... und leitet zur Höhe der drei  Einkommenszweige Arbeitslohn, Grundrente, Kapitalzins". - Der Weg zu diesem Ziel geht wieder von der Betrachtung der Einzelwirtschaft aus, und der Führer auf diesem Weg ist wieder das  passe-partout  des Fortfallgedankens. In der Einzelwirtschaft, so geht die Erklärung, ergibt sich der Wert in dem zu untersuchenden "komplizierten" Fall, nämlich in dem Fall, daß "verschiedene Arten von Produktivgütern zur Produktion erforderlich sind", dadurch, daß man sich das zu schätzende Produktivgut als fortgefallen denkt, der Ausfall an Bedürfnis ergibt seinen Wert. Man beachte: wie beim einfachen Kostengesetz und dem Wertgesetz der "produktionsverwandten" Genußgüter die objektiv gegebene Gleichheit der Kostengüter die Brücke abgab, so wird hier umgekehrt von einem objektiv eindeutig gegebenen, als fix gedachten Wert eines einzelnen Genußgutes ausgegangen, der den Produktivgütern "zugerechnet" wird. Beim Kostengesetz war dann die Schwierigkeit, daß zur Herstellung selbst des kleinsten Gutes in aller Regel das  Zusammenwirken  mehrerer Produktivgüter (Arbeit, Natur, Kapitalgüter) erforderlich ist, zunächst dadurch umgegangen, daß das Produkt immer nur als aus  einem  Produktivgut, aus Eisen, aus Arbeit etc. oder nur aus  gleichartigen  "Produktivmittel gruppen"  hervorgegangen  angenommen  wurde, eine bloße Hypothese, die im Leben kaum irgendwie zutreffen wird, die man aber als vorläufige Annahme hingehen lassen könnte. Ebenso könnte man die andere Hypothese als solche tolerieren, nach der in der Lehre vom Wert der komplementären Produktivgüter  vorausgesetzt  wird, daß sie nur  ein  Gut oder  eine  Güterart hervorbringen. Was aber nimmermehr zugelassen werden kann, ist eine Vereinigung und Vermengung beider Methoden und ihrer gesonderten Ergebnisse in der Weise, daß das aus der Hypothese gleichartiger und deshalb gleichwertiger Kostenstücke für die Wertbestimmung der Glieder der Nutzenseite gewonnene Ergebnis rückwärts wieder für die Erklärung der Kostengüter verwendet wird, wenn diese - wie beim Problem der komplementären Kostengüter - eben verschiedenartig sind. Das tun aber, wie ich "Zweck" Seite 742 bis 745 und schon vorher ("Soziale Kategorie", Seite 275f) ausführlicher nachgewiesen habe, sowohl von WIESER wie von BÖHM-BAWERK. So fügt von BÖHM-BAWERK bei der abschließenden Lehre von der "Aufsaugung" der nationalen Produktivkräfte dem Satz, nach dem der Marktpreis der speziellen Ware, z. B. eines Eisenprodukts, die Schätzungsziffer für die Beteiligung an der Nachfrage des Produktivgutes Eisen abgibt - ganz ähnlich wie von WIESER - den Worten "Marktpreis seiner speziellen Ware" in der Klammer hinzu: "beziehungsweise (!) der nach dem Gesetz der komplementären Güter auf das Eisen entfallende Anteil des Marktpreises" (a. a. O., Bd. II, Seite 414).

Aber viel verhängnisvoller noch wie beim allgemeinen Kostengesetz ist für die Lehre des Wertes der komplementären Produktivgüter die Schwierigkeit der "Übersetzung" dieser Lehre von der Einzelwirtschaft in die gesellschaftlichen Verhältnisse. In der allgemeinen Kostenlehre machte die Grenznutzenlehre wenigstens noch den (leider mißglückten)  Versuch,  das subjektive Kostengesetz für die Preislehre sozial umzuwandeln, so fügte von BÖHM-BAWERK in seiner Preislehre das besondere Kapitel IV, Seite 411f, über "das Kostengesetz" ein. Eine solche Einfügung für das Gesetz der "komplementären Güter" fehlt in der Preislehre ganz. Es fehlt der Versuch, die aus der Einzelwirtschaft gewonnenen Sätze auf die heterogene Volkswirtschaft zu übertragen; und ich kenne keinen Punkt in der ganzen Grenznutzenlehre, der einen größeren Widerspruch herausfordert, als die mit soviel Zuversicht vorgetragene Meinung, als habe sie das Wertgesetz der komplementären Güter auch als ein soziales für die bestehende Volkswirtschaft gegründet, so wenn von BÖHM-BAWERK gar das ganze RICARDOsche Grundrentengesetz "mit ein paar Federstrichen" ersetzen will, nämlich eben durch das Gesetz der komplementären Güter.

Oder irre ich mich in meiner Behauptung, daß die Grenznutzenlehre die Herausarbeitung des sozialen Gesetzes der komplementären Güter verabsäumt habe? Hat sie diese Aufgabe nicht etwa doch beiläufig in der subjektiven Wertlehre miterledigt, so z. B. von BÖHM-BAWERK im Kapitel VI, 1. Abschnitt, Seite 276f? - Es werden dort drei Arten "komplementärer" Güter geschildert und zwar  1)  solche, die nur gemeinschaftlich zu benutzen sind, wie z. B. ein Paar Handschuhe. Dann gehe, sagt von BÖHM-BAWERK, durch den Verlust (!) eines Handschuhs der ganze Wert des Paares verloren, der übrig gebliebene Handschuh ist wertlos. Ganz richtig, aber hier sieht man so recht die schon oft hervorgehobene Unzulänglichkeit des  passe-partout  und damit der ganzen subjektiven Wertbetrachtung für die soziale Resultantenbildung, die zum "Preis" führen soll. Der Handschuh kaufende Grenznutzenlehrer würde große Augen machen, wenn der Handschuhmacher ihn beim Wort nähme und ihm nur einen Handschuh mit den Worten gäbe, es habe ja dieses "einzelne Stück den vollen Gesamtwert der Gruppe". - Den zweiten Fall, "daß die einzelnen Güter der Gruppe auch außerhalb ihrer gemeinsamen Verwendung einen wenn auch geringeren Nutzen zu stiften imstande sind", habe ich schon oben kurz mitberührt. Für uns interessiert hier eigentlich nur der dritte Fall, er betrifft ganz besonders den Wert der  Produktiv güter und seine etwaige Übersetzung ins Soziale: "Einzelne Glieder der Gruppe sind nicht bloß subsidiär zu anderen Zwecken verwendbar, sondern auch durch andere Exemplare ihrer Art  ersetzlich."  "Zum Beispiel zum Bau eines Hauses sind der Baugrund, Ziegel, Balken und Arbeitsleistungen komplementär". Der Baugrund ist unersetzlich, die übrigen, d. h. diejenigen, welche man in der Praxis die "Kosten" nennt,  sind  ersetzlich. "Die Aufteilung geht nunmehr in der Art vor sich, daß aus dem durch den Grenznutzen der gemeinsamen Verwendung bestimmten (!) Gesamtwert der ganzen Gruppe zunächst den ersetzlichen Gliedern ihr fixer (!) Wert vorweg zugeteilt, und der - je nach der Größe des Grenznutzens variable - Rest den nicht vertretbarn Gliedern als ihr Einzelwert zugerechnet wird." Das sei in der Praxis der häufigste Fall, denn "die überwiegende Mehrzahl der komplementären Güter ist als marktgängige (!) Ware beliebig ersetzlich: die Leistungen der Lohnarbeiter, die Rohstoffe usw." In der Praxis ziehe man also "vom Gesamtertrag", vom "gemeinsamen Ertrag (Wert, Preis oder Güter? frage ich) die "Kosten", d. h. die Aufwände für die ersetzbaren Produktivmittel von einem gegebenen Substitutionswert ab ... den Rest schreibt man als  Reinertrag  (ich frage wie oben) dem oder den nicht vertretbaren Gliedern zu: der Bauer seinem Boden, der Bergwerksbesitzer seinem Bergwerk, der Fabrikant seiner Fabrik, der Kaufmann seiner Unternehmertätigkeit."

So wird also "die Sache von der Einzelwirtschaft auf den Markt hinübergespielt!" Und das soll nun den "Schlüssel" zum Problem der sozialen Verteilung abgeben! In Wahrheit wird uns nur das Verhältnis eines  Subjekts  zu  seinen  Gütern vorgeführt, während doch das  soziale  Problem der Verteilung das Verhältnis verschiedener, in Arbeitsteilung verbundener Subjekte zueinander betrifft. Woher weiß von BÖHM-BAWERK ferner den "Wert" des Gesamtertrages (denn auf  diesen  kommt es an), der "zugeteilt", "zugerechnet" wird, den Wert des  dividendus?  Es soll einfach sein "Grenznutzen" sein: "Der Gesamtwert der vollständigen Gruppe richtet sich in der Regel nach der Größe des Grenznutzens, den sie in ihrer Vereinigung zu stiften imstande ist". Und dieser "Grenznutzen" wird dann Seite 283 gar noch mit Zahlen "beziffert", z. B. das Haus mit Grund und Boden, also - nebenbei gesagt - wieder ein isoliertes Gut, wo sich nach dem oben Gesagten ein Grenznutzen gar nicht "entfalten" kann. Ich brauche von BÖHM-BAWERK nur die Frage vorzulegen, wie er dieses Wertobjekt mittels des "Grenznutzens" berechnen will, und zwar mittels des  passe-partout?  Und wie soll die "Bezifferung" im sozialen "Generalnenner" Geld vor sich gehen? Ich verstehe nicht, wie sich das alles von der Einzelwirtschaft auf den Markt "hinüberspielen" soll.

Von all den Einwendungen, die ich schon oben und ausführlicher in "Soziale Kategorie" und zuletzt im "Zweck" Seite 741-755 vorgeführt habe, sei nur noch folgende hervorgehoben: die Ergebnisse aus der Einzelwirtschaft mit geschlossenem Güterbestand beweisen gar nichts für die Ableitung von sozialen Regeln der Verteilung. Das Einzelsubjekt steht nun zwar mitten in der Volkswirtschaft, aber es bleibt mit seinen subjektiven Schätzungen ein  Robinson,  eine theoretisch isolierte Felseninsel mitten im reichen Gewoge der sozialen Umgebung! Und wenn wenigstens an diesem  Robinson  mit seinem subjektivistischen Scheuklappenstandpunkt festgehalten würde! Aber nun setzt - eine arge Vermischung der Kategorien - plötzlich der Einfluß von außen ein,  Robinson  richtet sich nach dem "Marktpreis", wenn auch nur nach dem der "ersetzlichen Glieder" - ein Zirkel, dem wir nun wohl genugsam schon begegnet sind. Keine Spur von Erklärung darüber, wie Arbeiter, Kapitalisten und Bodenbesitzer sich im Getriebe des großen Marktes  zueinander  stellen, und welches soziale Netz der Beziehungen sich für sie aus dem "Besitz" je ihrer drei spezifischen Produktionsfaktoren ergeben müssen. Die subjektiven Betrachtungen können uns allenfalls veranschaulichen, wie sich das Individuum im fertigen Bau der Sozialwissenschaft häuslich einrichtet, wertet und einfügt, aber den Bau selbst in seinem eigentlichen Wesen können sie uns nicht erklären. Mit der bloßen Resultante ist es nichts und noch weniger mit der "zweistufigen" Erklärung. Der Schritt von der isolierten zur sozialen Stufe ist zu weit, er führt zum Straucheln. Auch die geschilderte gleichnisartige Analogie führt auf Abwege. In der organischen Volkswirtschaft gibt es keine "Überdeckung" der Schätzungen, in ihr bestimmen sich der Wert, die Zurechnung und die Verteilung in einem Zug. Sie bestimmen sich nicht nach den zufälligen Augenblicksschätzungen bei den "Einzelakten" der Individuen, sondern es richten sich umgekehrt diese "Akte" nach den organischen "Funktionen", die ihnen durch die ganze Anlage der Wirtschaftsordnung und durch den gleichmäßigen und geregelten, planmäßigen Gang des großen Zweckorganismus vorher gegeben sind. Sie sind lediglich seine Vollstrecker. "Welche Verkennung der Gesetze dieses sozialen Gefüges, sie als  Resultante  der einzelnen Kauf-, Tausch- und all der übrigen "Akte" der sozialen Produktion und Verteilung zu behandeln, statt die Betrachtung mit jenen Gesetzen zu beginnen und demgemäß  aus ihnen erst  den Anstoß zu allen Wirtschaftsakten der Individuen untereinander zu entnehmen!" ("Zweck", Seite 737)

Der Subjektivismus ist heute an einem toten Punkt angelangt, aber er hat seine Rolle noch lange nicht ausgespielt und wird sie nie ausspielen. Recht muß ihm werden,  mehr  als er verlangt, aber in ganz anderer Weise als nach der atomistischen Anschauung seiner heutigen Vertreter: durch Einfügung in die sozialorganische Betrachtung und Hand in Hand mit dem angefeindeten Objektivismus. Nur auf diesem Boden kann die machtvolle soziale Position des Individuums und des Individualprinzips seine gebührende Würdigung erfahren. Im einzelnen soll hierüber sowie über alle oben nur angedeuteten Probleme meine nächste Abhandlung positive Auskuft erteilen.
LITERATUR - Rudolf Stolzmann, Die Kritik des Subjektivismus anhand der sozialorganischen Methode, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, III. Folge, Bd. 48, Jena 1914
    Anmerkungen
    1) "Dieser Satz", sagt von BÖHM-BAWERK Seite 264, Note 1, "hat  Stolzmann  nicht von der Behauptung abgehalten, daß ich den  Regelfall,  den doch  der gleiche Wert ungleichartiger Güter  bzw. die Schätzung nach Substitutionsnutzen darstellt,  zur Ausnahme stemple  (Zweck, Seite 722f)". Hier liegt wohl ein Mißverständnis vor. Ich billige gerade von BÖHM-BAWERKs obigen Satz von der  numerischen  Überlegenheit dieser Fälle. Meine Dialektik gipfelt darin, daß dieser wahre Satz in einem argen  Kontrast  damit steht, daß der Elementarfall die "alles erleuchtende" Regel des Grenznutzens ergibt, "Regel" hier nicht im äußerlichen numerischen, sondern im innerlich theoretisch-systematischen, heuristischen Sinn, ganz im "Sprachgebrauch", dessen sich von BÖHM-BAWERK selbst an anderen Stellen, so etwa Seite 257, Abs. 3 ("Ausnahme", "Regel") befleißigt. Was ich  sachlich  meine, ist doch wohl klar. Wozu der Wortstreit? Wozu die lange Polemik in Note 1, die schließlich in persönliche Bemerkungen ausläuft?
    2) von ZWIEDINECK sagt a. a. O. Seite 89 treffen: Das eigenartige Zusammenwirken individueller mit Umweltelementen ist eine Wechselwirkung "ohne Anfang und Ende". "Aber der Anfang dieses Kausalnexus tritt doch aus dem Dämmerlicht (!) der Unbestimmbarkeit etwas heraus, wenn die energetische Qualität der Marktpreise, ihr Beharrungsvermögen und ihre sozusagen (!) polypragmatische Bedeutung Beachtung findet." Zum  Ziel  kommt man meines Erachtens nur, wenn man anstelle des "Kausalnexus" den  Zweckgedanken  einsetzt. Der Zweck  ist  dann der "Anfang".