ra-2 P. EltzbacherMüller-ErzbachG. RadbruchR. SohmK. C. Planck    
 
WILHELM SCHUPPE
Der Begriff des Rechts
[1/2]

"Der Tritt, der Kampf, sind weder das tretende Bein, noch der dabei durchmessene Raum, noch der getretene Ggenstand, weder der Kämpfer A, noch sein Gegner B, noch beide zusammen, weder ihre Arme, noch ihre Waffen, noch die sichtbaren Wunden, sondern die ganze innerlich zusammenhängende Reihe von Veränderungen, welche aus einer bestimmten Ursache, natürlich nicht ohne eine Zahl mitwirkender Anlässe und Bedingungen, erfolgen."

"Eine Geburt ist weder die Mutter, noch das Kind, noch beide zusammen, sondern die Reihe von Veränderungen, welche nach einer bestimmten Naturgesetzlichkeit unter den vorhandenen Umständen und Bedingungen eintreten und in der Gesetzlichkeit, welche Anfang und Ende bestimmt, ihre Einheit und mit ihr den Charakter eines Dings haben."

"Nicht die Felswände in bestimmter Gestaltung und Lage sind das Echo, sondern die durch diese Ursache bedingte, je nach äußeren Anlässen sich immer wieder erfolgende Erscheinung."

Im Folgenden soll die logische Struktur des Begriffs des Rechts, nicht also wodurch sich inhaltlich das Recht vom Unrecht unterscheidet, sondern unter welche höheren Begriffe es gehört und wo in seinem nächst höheren Gattungsbegriff sich der Ort für die spezifische Differenz (1) findet, untersucht werden. Mag immerhin für die Bedürfnisse der Praxis die Bestimmung der spezifischen Differenz als das Wichtigere erscheinen, für die Theorie ist die des Gattungsbegriffs nicht nur ebenso wichtig, sondern Vorbedingung für jene. Wer das nicht zugibt, kennt einfach das Verhältnis zwischen Gattung und Species nicht. Er denkt unter ersterer nur ein gemeinschaftliches Merkmal oder einen Kreis solcher, ohne zu bedenken, daß ein ganz bestimmter Zusammenhang zwischen diesem und dem hinzukommenden Spezifischen besteht, welcher in gewissem Sinn die ganze Möglichkeit der Determination [Vorherbestimmung - wp] beherrscht und sich in aller Anwendung geltend macht. Ich kann also einen Widerspruch gegen den Wert meines Vorhabens nur auf eine Unkenntnis der Sache zurückführen. Die Sache, die ich meine, ist die Logik. Zuweilen kommen juristische Untersuchungen, welche über die Grenzen des historisch Gegebenen hinausgehen, trotz allen Scharfsinns und aller Mühe bloß deshalb nicht zu einem befriedigenden Ziel, weil ihnen die sichere Basis der logischen Theorie fehlt. Es ist auch allzu natürlich, daß, wo die Spezialuntersuchung zu allgemeinen Voraussetzungen über die Natur des Denkens und der Begriffsbildung zurückgreifen muß, diese letzteren, wenn sie etwas leisten sollen, nicht nach den Bedürfnissen und vom Standpunkt des Spezialfalles zurecht gelegt werden können. Dann drückt ihre Formulierung eben nur dasjenige Maß an Einsicht aus, welches auch ohne sie aus der bloßen Orientierung im Speziellen schon vorhanden war. Die allgemeinen Voraussetzungen müssen unabhängig vom Spezialfall, in dessen Interesse sie verwendet werden sollen, und allgemeingültig für die gesamte menschliche Begriffsbildung gewonnen sein und sich auf allen Gebieten derselben bewährt haben. Man wende nicht die Eigenart der juristischen Begriffe ein. Wenn es sich um theoretische Einsicht handelt, so will diese Eigenart doch eben erst erkannt und begrifflich festgestellt sein und dies dürfte, um sie von allen anderen Eigenarten scharf abgrenzen zu können, nur von einem höheren Standpunkt, welcher das Wesen aller Begriffsbildung und die möglichen Arten von Begriffen erkennen läßt, möglich sein.

Meinen Ausgang nehme ich von einigen Stellen aus dem lehrreichen und anregenden Buch ZITELMANNs "Irrtum und Rechtsgeschäft". Seite 38 wird der Wille im Gegensatz zu den einzelnen Willensakten, welche allein die unmittelbaren Objekte der psychischen Beobachtung sind, durch eine "Anwendung der Substratkategorie bei einer Summe zeitlich verlaufender Vorgänge" erklärt, und dieselbe Begriffsbildung soll sich bei der Aufstellung des Begriffs der Seele selbst wiederholen. Dabei bleibt aber dahingestellt, Seite 39, ob nicht doch "mit dem Begriff der Seele etwas wirkliches umfaßt wird."

Ohne Herrn ZITELMANN auch nur im Geringsten zu nahe treten zu wollen, muß ich fragen, welchen Nutzen diese Bestimmungen haben können, wenn nicht aus einer logischen Theorie völlig klar ist, was "Kategorie", namentlich "Substratkategorie" ist, und vor allem, was der Begriff des "Wirklichen" ist, welcher der bloßen Anwendung der Substratkategorie gegenübergestellt wird.

Seite 200 "überträgt der Jurist die Denkformen, in welchen er die Natur auffaßt, auf das rein juristische Gebiet", was meines Erachtens gar nicht so wunderbar und auffällig sein würde, wenn wir wüßten, was "Denkformen" sind und welches ihre reale Bedeutung ist. In Wahrheit kann von einer "Übertragung" im eigentlichen Sinne, deren Recht erst noch zu erweisen wäre, keine Rede sein. Was ZITELMANN eine Übertragung auf juristisches Gebiet zu sein scheint, ist eine Anwendung, welche auf vielen anderen Gebieten in gleicher Weise vorkommt und deshalb zu ihrem richtigen Verständnis mit den letzteren zusammen von einem allgemeineren logischen Standpunkt aus erklärt sein will. Die ebd. folgenden kurzen Bemerkungen über den Begriff der Substanz, des Körpers mit Eigenschaften und des Trägers oder Substrates derselben sind nur geeignet die Schwierigkeiten zu erhöhen. Sie wird in der Anwendung (Seite 201) unlösbar, wenn es heißt:
    "Wie wir den Raumteil, der sich durch eine Reihe aus- und eingehender Wirkungen auszeichnet, als Körper erfassen, so verdichten (!) wir auch die durch eine Reihe ihrem Inhalt nach zusammengehöriger Rechtsnormen normierte Stellung der Person zu einem subjektiven Recht; dieses subjektive Recht erfassen wir nun ebenfalls völlig mit einem sinnlichen Objektsbegriff. Wie wir den Körper als etwas anderes, denn als eine Reihe von Kräften ansehen, so fassen wir auch das subjektive Recht als etwas außerhalb jener Norm auf; wir vergegenständlichen das durch eine Reihe von Normen hergestellte Verhältnis",
was meines Erachtens eben ein Fehler ist, wenn auch ein entschuldbarer. Wiederum wird Seite 202 die Anwendung des Kausalgesetzes auf das Gebiet des Rechts "übertragen", und durch unsere Denkoperationen die Welt des Rechts nach dem Ebenbild der natürlichen Welt hervorgebracht. Die Rechte werden "als Dinge", "unter der Kategorie des Gegenstandes" gedacht. Allein das Kausalgesetz und die sogenannte Kategorie des Gegenstandes hat meines Erachtens auf diesem Gebiet gerade so viel Recht bzw. Unrecht, wie auf jenem und es ist kein Gewinn, wenn die mißverständlichen Anwendungen auf dem einen Gebiet auch auf das andere übertragen werden. Das zeigt sich augenfällig in der Parallelisierung von Naturgesetz und Rechtsgesetz. Ich verschweige, was ich gegen die nun folgenden Erörterungen über den Begriff des Gesetzes einzuwenden hätte und hebe nur die Konsequenz "der Doppeldeutigkeit" dieses Wortes hervor. Wo eine gesetzliche Verknüpfung zwischen Tatsachen vorliegt, soll eine abermalige Anwendung der Kausalitätskategorie (für mich zeigt diese Neuanwendung auf das Unwiderleglichste den Mangel einer festen Grundlage) "eine setzende, die gesetzgebende Kraft, die Kraft, welche eine Erscheinung an die andere gebunden hat", denken lassen. "Man nennt" heißt es Seite 205, die gesetzgebende Kraft selbst wieder Gesetz". Es ist kein Gewinn, meine ich, wenn wir, wie ZITELMANN dort fortfährt
    "in gleicher Doppeldeutigkeit nun auch das Wort Gesetz in der Jurisprudenz gebrauchen. Das Gesetz bestimmt und ordnet an und ist auch wiederum diese Bestimmung und Anordnung selbst."
Den wesentlichen Unterschied zwischen Rechtsgesetz und Naturgesetz, daß nämlich das erstere eine menschliche Schöpfung ist, kennt Zitelmann Seite 206, sehr wohl, aber er sieht merkwürdigerweise nicht, daß dieser Unterschied die Parallelisierbarkeit aufhebt, oder doch zumindst so weit einschränkt, daß von einer Übertragung der Konsequenzen von einem Gebiet auf das andere keine Rede mehr sein kann. Und wenn er Seite 207 doch ls gemeinschaftliche Eigenschaft beider die Ausnahmslosigkeit und unfehlbare Sicherheit bezeichnet, mit welcher in beiden Fällen die Wirkung der Ursache folgt, und doch zugleich anerkennt, daß die vom Recht verlangte Wirkung faktisch zuweilen nicht eintreten kann, so ist eben infolge der festgehaltenen Parallele nicht mehr angebbar, worin in diesen Fällen das dennoch erfolgende Eintreten der Rechtswirkung besteht. Er nennt sie dann "ideelle". Aber wird bei dieser Anerkennung des "ideellen" Charakters derselben im Gegensatz zum "Wirklichen" nicht eben die Übertragbarkeit dessen, was nach ZITELMANNs Voraussetzung eigentlich nur dem Wirklichen zukommt, ausgeschlossen? Ich bestreite eben diese Voraussetzung und die infolge derselben notwendig werdende "Übertragung". Ihr Recht müßte erst nachgewiesen werden, was sehr schwer werden würde, da zugestandenermaßen auf unserem Gebiet nichts dem Träger und dem Substrat, das in der äußeren Natur postuliert wird, entspricht, und da das "Verdichten" von Seite 201 unserem Verstandesbedürfnis gewiß nicht genügen kann. Aber ZITELMANN weiß sich sehr wohl zu helfen, zwar nicht ganz im Einklang mit der früheren Ausdrucksweise, aber sachlich ganz richtig, wenn er nun Seite 209 seine Ansicht dahin präzisiert,
    "daß die gedanklichen Formen, in denen wir die Masse der juristischen Verhältnisse auffassen, dieselben sind, wie die, in denen wir die natürlichen Dinge auffassen, daß es sich also nicht nur um einen bloßen Vergleich, sondern in gewisser Hinsicht um eine Gleichheit handelt."
Gewiß eine Gleichheit. Ob diesen "gedanklichen Formen" "Wahrheit ansich zukommt", ob sie als bloß "subjektive Zutat" objektive Gültigkeit haben können oder nicht, bleibt dahingestellt, genug - darauf kommt es hier allein an - sie haben in der Anwendung auf unser Gebiet dieselbe Geltung und dasselbe Recht, wie in der auf die äußere Natur. Nur die "gewisse Hinsicht" erklärt ZITELMANN nicht und kann sie nicht erklären, was sehr bedauerlich ist, da die oben soeben hervorgehobene Differenz die versicherte Gleichheit ebenso wie die frühere "Übertragung", unmöglich macht. Und hier glaube ich helfen zu können; hier kann die erkenntnistheoretische Logik der Rechtswissenschaft einen wesentlichen Dienst leisten, wenn sie diese "gewisse Hinsicht" aufklärt, indem sie beweist, daß jene Differenz (in Bezug auf den Träger oder das Substrat), welche der unentbehrlichen Gleichheit im Weg stand, in der Tat gar nicht vorhanden ist, und indem sie ferner den Begriffen "wirklich und objektiv gültig" einen festen klaren Sinn gibt, und somit die objektive Wirklichkeit und Gültigkeit
    1. sowohl der sogenannten "gedanklichen Formen", welche wir in gleicher Weise auf das eigentümliche Material, aus dem das Recht und die Rechte bestehen, wie auf die Erscheinungen der äußeren Natur, anwenden, als auch

    2. jenes Materials selbst, nachweist.
Beides wird im Folgenden geschehen. Daß die Kategorie der Dingheit auch auf dem Gebiet des Rechts verwendet werden kann, und daß das Recht, wie auch die Rechte, wie Dinge existieren, obgleich sie nicht hier oder dort im Raum sichtbar und tastbar darstehen, ist von der erkenntnistheoretischen Logik klar dargelegt worden. Wenn aber ihre Erklärung des Dingbegriffs nicht akzeptiert werden sollte, so wüßte ich nicht, wie ZITELMANNs "Stellung, Zustand, Verhältnis" (Seite 211), welche ja auch dieser Erklärung bedürftig sind, den sonst vermißten Dingcharakter gewähren können. Und wenn die genannten Begriffe, Stellung, Verhältnis, Eigenschaft und Zustand, ihn wirklich selbst nicht haben, so sind auch "praktische Gründe (Seite 212) nicht imstande, die positive Unrichtigkeit, welche in der Anwendung "der Kategorie der Dingheit, mit allem was darum und daran hängt", liegt zu rechtfertigen. Oder handelt es sich bloß, wie ZITELMANN andeutet, um einen Sprachgebrauch, den Kürze und Bequemlichkeit empfehlen? Dann könnten die Konsequenzen d. h. "alles was darum und daran hängt" jedenfalls nicht auch übertragen werden, ohne zu den handgreiflichsten Absurditäten zu führen. Nun führen sie aber nicht nur nicht zu solchen, sondern wir können ihre Übertragung gar nicht entbehren, woraus hervorgeht, daß wir das Recht und die Rechte nicht nur aus praktischen Gründen, eigentlich unrichtig aber doch erlaubtermaßen, sondern im Einklang mit der Theorie der Begriffsbildung mit vollstem Recht "unter der Kategorie der Dingheit" denken, daß also nicht von einer "Neigung der natürlichen Logik, einen Vorgang zu einem Ding zu verdichten" (Seite 254) gesprochen werden kann. Die folgende Darstellung wird zugleich die Anwendung des Kausalitätsprinzips und die Bedeutung der variierenden sprachlichen Behandlung der fraglichen Dinge, welche ZITELMANN (Seite 214f und 282f) meines Erachtens in scharfsinnigster Verquickung von Wahrheit und Irrtum erörtert, zur Erledigung bringen.

1. Wenn zugestanden der Inhalt der Rechtsbegriffe nichts räumlich Ausgehntes und Gestaltetes ist, sondern etwas an Personen und Dingen, so gehört dies natürlich auch nicht zu den Dingen, sondern zu den Eigenschaften; auch die "Stellung", so gut wie die Lage, und alle Verhältnisse und Beziehungen sind keine Dinge, sondern im weitesten Sinne Eigenschaften von Dingen. Sehr mit Recht ist also darin ein Problem gefunden worden, daß Wortformen wie: das Recht und ein Recht, der Vertrag, die Obligationen, das Eigentum, nicht abstrakte Eigenschaftsbegriffe, wie Röte und Gerechtigkeit, sondern konkrete Ding zu bezeichnen scheinen, welche vorhanden sind und bestehen wie ein Haus und ein Berg. Aber dann müßte doch zugleich auffallen, daß dies mitnichten die Eigenart juristischer Begriffe ist, sondern daß viele andere, z. B. die Stellung und die Lage, das Verhältnis, der Vorgang, die Handlung, der Kampf, der Krieg demselben Anstoß ausgesetzt sind. Wir haben unseren Blick auf alle diese Fälle zu richten und werden gewiß den vom Sprachgebrauch behaupteten Charakter der Dingheit nur dann verstehen können, wenn wir denselben unabhängig von dieser Schwierigkeit auf demjenigen Gebiet, auf welchem er außer Zweifel ist, verstehen gelernt haben. Um nun das Geheimnis gleich offen herauszusagen: man konnte jenen unmöglich verstehen, weil man diesen nie verstanden hat und man hat diesen nie verstanden, weil man gar kein Problem in ihm gefunden, sondern die Sache für selbstverständlich angesehen hat. In den Handbüchern der Logik pflegt die Begriffslehre sich nur mit der Bildung der Allgemeinbegriffe aus den Einzelvorstellungen zu befassen, und, wie man zu den Einzelvorstellungen von diesem Stein, diesem Haus und diesem Baum hier als Dingen, die je ein Ganzes ausmachen, in welchem viele Einzelheiten zusammengehören, und welche sich voneinander als nicht zusammengehörige abschließen, kommen mag, wird nicht erklärt, gerade als wenn man sie für angeboren oder für geoffenbart hielte. Jedenfalls ist durch dieses Versäumnis auch die Erklärbarkeit der Allgemeinbegriffe von Dingen und vor allem des Allgemeinbegriffs Ding selbst aufgehoben. Und besser steht es auch nicht damit, wenn man schlicht und einfach "eine Kategorie der Dingheit" zu Hilfe ruft. Die Annahme eines transzendenten "Trägers" soll eine Begründung für dasjenige, was wir Dingheit nennen, sein, aber was das nun eigentlich ist, diese Dingheit, muß man doch auch noch wissen. Wenn man es aber erst ordentlich weiß, wird "der Träger" überflüssig und die Dingheit erweist sich als Produkt kategorialer Funktion, also nicht selbst als Kategorie. Sie so zu bezeichnen, soll also offenbar die Angabe ihres begrifflichen Inhalts für unmöglich und unnötig erklären, weil man, was sie ist, so klar von Haus aus weiß, wie was "dasselbe" und "nicht dasselbe" bedeutet. Wenn man aber das Identitäts- und das Kausalitätsprinzip als Kategorien, d. h. eben als die Denkfunktion selbst ansieht, so kann bei jenem aus Gründen, die ich hier übergehen muß, überhaupt gar nicht gefragt werden, ob und welches Kennzeichen zur richtigen Anwendung der Prädikate identisch und nicht identisch vorhanden ist, und bei letzterem ist in den Methoden der rationalen Induktion in der Tat ein begrifflich klarer Anhalt zur richtigen Erteilen der Prädikate Ursache und Wirkung vorhanden. "Die Kategorie von Ding und Eigenschaft" aber hat kein solches Kennzeichen zur Verfügung und so müßte man mit Recht staunend fragen, wie denn in der Anwendung die Unterscheidung vor sich geht, oder aber man findet doch ein solches Kennzeichen, und dann wird es sich, wenn man es nur gründlich auszuführen und begrifflich zu präzisieren versucht, sehr bald als der Inhalt des Ding- und Eigenschaftsbegriffs ausweisen. Das will ich jedoch dem Gegner zugestehen, daß der Irrtum, ihn zu den Kategorien zu rechnen, verzeihlich ist, und zwar aus dem Grund, weil er ganz und gar aus einer kategorialen Funktion besteht; er ist nur keine neue Kategorie, sondern ergibt sich aus einem System von Anwendungen der Identitäts- und Kausalitätskategorien. Dieses System von Urteilen kann ich hier natürlich unmöglich darlegen wollen; nur die Voraussetzungen und das Ergebnis derselben will ich anführen. Voraussetzungen sind
    1. natürlich meine Auffassung des Kausalitätsprinzips selbst und

    2. meine Lehre von der Objektivität der Empfindungen als Bewußtseinsinhaltes und zum Teil auch die von Raum und Zeit.
Das Resultat ist: die Dinghaftigkeit besteht in der Einheit, zu welcher eine Mehrheit von Unterscheidbarem durch ganz bestimmte Kausalzusammenhänge sich zusammenschließt; in ihr bzw. in ihnen besteht auch der Begriff der Teile, welche - eben in diesem Sinne - zusammengehören und so das eine Ganze ausmachen, dagegen von allen ihren unmittelbaren Nachbarn im Raum und in der Zeit als nicht zu ihnen gehörige sich abschließen. Man muß nur, um das nicht gleich für ganz unmöglich zu halten, sich klar machen, wie groß die Zahl wohl unterscheidbarer Kausalzusammenhänge ist. In einem absoluten Sinn ist kein Dingindividuum unserer Erfahrung eine Einheit oder ein abgeschlossenes, für sich bestehendes Ganzes, jedes abhängig von und zusammenhängend mit anderen. Die Begriffe vom Ganzen und seinen Teilen sind so vielfach wie die Bedingungen solcher Gemeinschaft. In einem anderen Sinn ist alles Wahrnehmbare zusammen ein Ganzes, eben durch den durchgängigen inneren oder kausalen Zusammenhang, entfernteren oder näheren, der alle Dinge verbindet, dieser Tisch, dieser Baum, dieser Hund hier ein Ganzes, und wiederum in einem anderen endlich auch die eben abstrahendo für sich gedachte Eigenschaft. Aber wenn es auch schwer, zum Teil sogar zur Zeit noch unmöglich ist, diese Kausalzusammenhänge klar darzulegen, so ist doch einerseits dasjenige, worauf es hier allein ankommt, evident, daß nämlich wirklich alle diese Unterschiede nur Unterschiede von Kausalzusammenhängen sind, und andererseits, daß die Schwierigkeiten der Ausführung nicht der Logik zur Last gelegt werden können. Die Ausführung ist eben die vollendete Erkenntnis auf allen Wissensgebieten, und wenn eine frühere Logik die Bildung sicherer Begriffe leichter dargestellt hatte, so ist ihre Lehre eben deshalb von der Spezialforschung als unzureichend und unbrauchbar verachtet worden. Es ist also in der Tat die Verschiedenheit von ganz bestimmten Zusammenhängen und Relationen, durch welche ein Etwas mit anderen zusammen ein Ganzes ausmacht und doch auch wiedere von diesen anderen sich als ein Ganzes für sich abscheidet. Und daraus kann gar keine Verwirrung entstehen, solange die gemeinten verschiedenen Gesetze und Relationen bekannt und klar sind, und wenn sie es nicht sind - nun so ist erfahrungsgemäß ein Streit darüber, ob ein solches Etwas ein Ganzes für sich oder ein Teil eines anderen Ganzen ist, sehr wohl möglich, und diese Tatsache ist, hier wie oben, eben eine Bestätigung dieser Theorie. Sie hat zu ihren Voraussetzungen (siehe meine "Erkenntnistheoretische Logik", Seite 512)
    1. "die Unverzichtbarkeit des Raumes und der Zeit oder die Notwendigkeit desselben in seiner ganzen Ausdehnung -

    2. die relative Unvernichtbarkeit der den Raum erfüllenden Qualitäten, welche ein Verschwinden und Eintreten einer Qualität in der Zeit nur aufgrund einer bestimmten Gesetzmäßigkeit für denkbar und möglich erklärte, so daß nur im Hinblick auf die ewige Ordnung des Seins, zu welcher selbst diese Gesetzlichkeit gehört, daß in einem bestimmten Augenblick das eine anstelle des anderen tritt, das Verschwinden und Entstehen einer Qualität für möglich gilt"
und ergibt das Resultat (ebd. Seite 513):
    "Der Schein des Trägers oder des Wesens löst sich klar vor unseren Augen in das Kausalverhältnis auf, und das Ding ist trotz aller Veränderungen, die es im Laufe der Zeit bis zur Unerkennbarkeit erfahren hat, dasselbe wie früher, weil nach dem Gesetz, d. h. seinem Wesen und dem Wesen aller Dinge, des Denkens und des Seins, jene Qualitäten nur gerade dort und in jenem Augenblick vorhanden sein und nur die und die an ihre Stelle treten konnten und mußten. Das innige Verhältnis zwischen dem Ding und seinen Eigenschaften - besteht in der Unverlierbarkeit der Eigenschaft, in der Unauflöslichkeit des Vereins, d. h. der Wesentlichkeit der Eigenschaft oder des Zustandes, wenn nicht zum Artbegriff, unter welchem das Ding steht, so doch zu seiner Erscheinung in bestimmter Zeit."
Auch die vorübergehenden sehr entbehrlich erscheinenden Eigenschaften gehören also zu dieser unauflöslichen Einheit.
    "Man beurteilt (ebd. Seite 514) ihre Unentbehrlichkeit oder Entbehrlichkeit im Gegensatz zu anderen Eigenschaften und Zuständen und vergißt dabei ganz und gar, was es denn überhaupt heißt, daß diese Erscheinungen als Eigenschaften oder Zustände des Subjekts ausgegeben werden, ihm angehören, und wäre es auch nur für einen Augenblick. Das heißt aber weiter nichts, als daß das Subjekt mit diesem an oder in ihm Bemerkten eine, wenn auch noch so kurze Zeit andauernde Einheit ausmacht, welche in der relativen Notwendigkeit dieser Zusammen besteht. Nach dieser kann ein solches Zusammen nur entstehen oder vergehen unter den und den Umständen, welche (aus Ursache der ursprünglichen Tatsache) notwendig in einem bestimmten Augenblick eintreten müssen. Solange ein solches Prädikat am Subjekt haftend gedacht und gesagt wird, so lange wird es auch als unablöslich gedacht, weil dieser Zustand nur anstelle eines anderen als sein Äquivalent eintreten kann und nur den Platz verlassen kann zugunsten eines anderen als seines Äquivalents und diese Reihe von Vorgängern und Nachfolgern durch die ewige Gesetzmäßigkeit des Seins absolut bestimmt ist."
Die möglichen Einwände und Mißverständnisse habe ich ebd. aufzuklären versucht; hier kann ich mich auf diese so wenig einlassen, wie oben auf die Begründung dieser Ansicht und muß nun den Blick auf eine andere Seite der Sache lenken. Offenbar ist nach obiger Darstellung die Bildung von Art- und Gattungsbegriffen in der vom Begriff des Einzeldings prinzipiell schon gefordert und begonnen. In der Tat hat kein blinder Abstraktionstrieb zu jenen Bildungen geführt, sondern das Bedürfnis im Einzelnen Rat zu wissen; denn ganz sicherlich ist ein Individuum glatt und reinlich abzugrenzen und mit ihm zu verkehren, sich seiner zu bedienen nur dann möglich, wenn zugleich schon, wenn auch nur vorläufig, Vorstellungen von seinem inneren Zusammenhang und von den Bedingungen seines Entstehens und Vergehens und seiner möglichen Veränderungen gewonnen werden, d. h. der Art-, bzw. Gattungsbegriff, unter welchem es steht - und unter einem muß es stehen - gesucht wird. Die gesuchten Gesetze nun sind zwar unzweifelhaft unentbehrlich, um in dem lückenlosen Neben- und Nacheinander der Erscheinungen immer diejenigen zusammenzufassen, welche zusammen gehören und von ihren Nachbarn abzusondern, aber sie sind selbst noch nicht das Individuelle. Im Individuellen nur werden sie sichtbar und sie beherrschen das Individuelle, aber sie sind es noch nicht selbst. Keine Qualität und auch kein eigentümlicher Verein von Qualitäten, wäre er noch so seltsam und - was freilich nicht beweisbar wäre - wirklich nur in einem einzigen Exemplar vorhanden, ist dem Begriff nach Individuelles; für sich gedacht sind sie immer schon ein abstrakt Allgemeines. Das eigentlich und seinem Begriff nach Individuelle ist nur das Hier und Jetzt, nur Raum und Zeit mit ihren Teilen, welche sich als neben und nach- also absolut auseinander unterscheiden. Welche von solchen Teilen mit ihren Erfüllungen immer zum Ganzen eines Dings gehören, bestimmt das Gesetz der Art, als Individuum aber bestimmt sich dieses Ding nur durch den bestimmten Ort im Raum, des es in einer bestimmten Zeit einnimmt. Die Dingheit also erschöpft sich lange nicht in der greifbaren Körperlichkeit. Ihr Begriff hat den Gegensatz zur Eigenschaft oder zum Teil oder Bestandteil zu seinem wesentlichen Moment, und dieser Gegensatz begreift sich nur in einem Gesetz, bzw. einem System von gesetzlichen Zusammenhängen, durch welches eine Mehrheit von Unterscheidbarem zur Einheit eines Ganzen und jedes der Unterscheidbaren zum Teil oder Bestandteil, bzw. zur Eigenschaft jenes Ganzen wird. Das bloße abstrakt begriffliche Moment der Röte erweist sich, obgleich als dieses Abstraktum auch wie ein Ding denkbar, doch deshalb wesentlich als Eigenschaft, weil ein Kausalzusammenhang tiefster Art sie nur dann die Wirklichkeit des Wahrnehmbaren gewinnen läßt, wenn sie an einem bestimmten Ort in bestimmter Zeit sich in ganz bestimmter Abgrenzung ausdehnt und ihn erfüllt. Dieses Gesetz macht die Einheit des Ganzen im Gegensatz zu den einzelnen Bestandteilen. Hier wird der Irrtum, daß die greifbare Körperlichkeit wesentlich den Dingcharakter ausmacht, verständlich. Allerdings ist jedes Krümchen und jedes Stäubchen shcon ein Ding, aber nicht weil die Dingheit begrifflich in der Körperlichkeit bestünde, sondern weil in aller Körperlichkeit sich schon eine solche Einheit zeigt (siehe "Erkenntnistheoretische Logik", Seite 452f). Denn ein Gesetz hält doch auch da noch unterscheidbare Teile und Bestandteile auf bestimmte Zeit zusammen, und daß eben nur um dieses Gesetzes willen der Dingcharakter anerkannt wird, läßt sich sehr leicht schon aus der Relativität dieser Anerkennung einsehen. Denn sobald ein äußerer Anlaß ein solches Bröckchen in mehrere Teile zerlegt, erkennen wir die Teilnatur dieser nicht mehr an, sondern sehen jeden in demselben Sinn als ein Ding an, wie vorher das Ganze, und wenn ein äußerer Anlaß mehrere Stückchen oder Häufchen zu einem größeren Stoffquantum zusammenführt, so ist jedes der früheren nur noch ein Teil oder Bestandteil dieses neuen Dings.

Der Irrtum, den Dingcharakter allein in der Körperlichkeit zu finden, ist auch - wenn ich mir durch die günstige Gelegenheit verführt, diese kurze abschweifende Bemerkung erlauben darf - allein die Ursache davon, daß man das Bewußtsein trotz seiner Einheit nur als Eigenschaft und als inhärierend [innewohnend - wp] einem Substrat denken will und, um dies zu ermöglichen, wenn auch immateriell genannt, doch ganz allein nach Analogie des körperlichen Dings gedacht, eine Seele als Träger des Bewußtseins annimmt.

Principium individuationis ist nun Raum und Zeit. Die körperlichen Dinge sind Individuen, weil sie diesen bestimmten Teil des Raumes einnehmen; ihre Existenz in der Zeit wird dabei nicht übersehen; ohne sie könnte auch die im Raum nur noch als ein abstrakt begriffliches Moment gedacht werden kann. Die zeitlichen Momente ihrer Entstehungsart und ihrer möglichen Veränderungen gehören zum Begriff dieser Dinge, aber ihre Individualität findern wir nur in der Individualität des Raumteiles, den sie erfüllen richtiger gesagt: den sie ausmachen. Und so ist es auch nicht nur möglich, sondern sogar für unser Denken unvermeidlich, was einen Zeitteil erfüllt, um der Individualität desselben willen als ein Individuum zu denken: Seite 414-485 der "Erkenntnistheoretischen Logik" haben den Begriff des Zeitdings erklärt und mit vielen Beispielen erläutert. Die räumlichen Dinge sind dabei eine selbstverständliche Voraussetzung, aber die Vorstellungen derselben gehören zum Inhalt dieser Begriffe von Zuständen und Ereignissen; den Individualcharakter erhalten sie als Erfüllungen einer bestimmten Zeit. Der Begriff der Eigenschaft abstrahiert von dieser zum "Zustand" (im weitesten Sinn natürlich) wird sie durch die Rücksicht auf die Zeit, welche sie erfüllt, im Gegensatz zu anderen Beschaffenheiten, welche ihr Platz gemacht haben und denen sie Platz machen wird. Nicht im Gegensatz zu ihnen, sondern mit ihnen zusammengefaßt ist sie ein Teil von den mehreren Veränderungen eines Dings, welche sich zur Einheit eines Ereignisses zusammenschließen. Ehe ich auf diese etwas genauer eingehe, sei noch erwähnt, daß aus demselben Prinzip die Zustände vieler verschiedener Dinge als ein vorhandener Zustand, und die Veränderungen vieler verschiedener Dinge als ein Ereignis zusammengefaßt werden können. Das Prinzip ist natürlich wieder nichts anderes, als die Einheit, welche der Kausalzusammenhang stiftet. Dieser kann das Gesetz des Falles sein, welches im Verein mit dem äußeren Anlaß, der einen Körper um seine Unterlage gebracht hat, die beschleunigten Ortsveränderungen desselben, bis er eine neue Unterlage gefunden hat, zum Ereigenis eines Falles oder eines Sturzes macht, er kann ein psychisches Gesetz sein (allgemeiner Art, oder dem Charakter eines Einzelnen angehörig), welches im Verein mit zusammenwirkenden äußeren Anlässen und Umständen und mit Gesetzen des leiblichen Lebens, welche die Ausführung bedingten, eine Reihenfolge von Lagenveränderungen eines Armes, eines Beines, der Lippen, der Respirationsorgane [Atmungs- | wp] und der Gesichtsmuskeln, der Vorstellungen und Gefühle und Willensregungen hervorbringt, welche eben durch dieses Gesetz ihren Anfang und ihr Ende haben und in diesem natürlichen Verlauf bis zu einem natürlichen Abschluß das eine Ereignis eines Schlages, eines Trittes, eines Spaziergangs, einer bestimmten Turnübung, eines Gelächters, einer zornigen Erwiderung, einer Liebeserklärung ausmachen. Daß ein solches System von Kausalzusammenhängen auch die Veränderungen mehrerer Dinge oder Personen, gleichzeitig oder in bestimmten Zwischenräumen erfolgend, zur Einheit eines Ereignisses, eines Gesprächs, eines Kampfes zusammenfassen kann, bedarf kaum der Erwähnung. Der Tritt, der Kampf, sind weder das tretende Bein, noch der dabei durchmessene Raum, noch der getretene Ggenstand, weder der Kämpfer A, noch sein Gegner B, noch beide zusammen, weder ihre Arme, noch ihre Waffen, noch die sichtbaren Wunden, sondern die ganze innerlich zusammenhängende Reihe von Veränderungen, welche aus einer bestimmten Ursache, natürlich nicht ohne eine Zahl mitwirkender Anlässe und Bedingungen, erfolgen. Eine Geburt ist weder die Mutter, noch das Kind, noch beide zusammen, sondern die Reihe von Veränderungen, welche nach einer bestimmten Naturgesetzlichkeit unter den vorhandenen Umständen und Bedingungen eintreten und in der Gesetzlichkeit, welche Anfang und Ende bestimmt, ihre Einheit und mit ihr den Charakter eines Dings haben.

Das ist nun eine erste Frucht unserer Untersuchung, daß die Dinghaftigkeit des Vertrages keinen größeren Schwierigkeiten unterliegt, als die des Kampfes, des Gespräches, des Sieges und unzähliger anderer Begriffe dieser Art. Und daran schließt sich die wertvolle Einsicht, daß dasjenige, was diesen äußeren und inneren Geschehnissen des spezifisch rechtlichen Charakter gibt, was dieses Ereignis und ähnliche zu einem rechtlichen macht, allein in der Ursache liegen kann, welche die einzelnen Veränderungen zum Ganzen eines Ereignisses verbindet. Ob der rechtliche Charakter, in Abstraktion vom Ding, an welchem er haftet, selbst wieder Dinghaftigkeit gewinnen kann, werden wir erkennen, sobald wir die oben genannte Ursache erkannt haben werden. Erst müssen wir noch andere wichtige Folgerungen zeigen.

Noch mehr tritt der Dingcharakter der Ereignisse hervor, - und für den Unkundigen noch befremdlicher und beängstigender - wenn sie ganz wie im Raum verharrende Gegenstände, sogar in die Zukunft hineinreichen. Wenn wir Umstände und Charaktere, die äußeren Anlässe und die inneren Gesinnungen und Motive kennen, so zweifeln wir nicht daran, daß der Kampf, der eben entbrannt ist, seinen Verlauf bis zu einem natürlichen Ende nehmen wird. Zwar kann der Verlauf oft nicht im Detail vorausgesehen werden, zwar können ganz außergewöhnliche unvorhergesehe Ereignisse ihn unterbrechen, aber, wenn irgendwo, so wird hier die Regel von der Ausnahme bestätigt. Denn sie macht es erst recht klar, daß ein solches Ereignis in seiner Einheit wesentlich durch den kausalen Zusammenhang konstituiert wird, der eine von diesen Veränderungen an die andere fügt; nur eben daß verschiedene Zu- und Umstände und andere Ereignisse mit ihrer Kausalität in diesen Verlauf eingreifen können, ist dabei hervorgetreten. So reicht voraussehbar das begonnene Schulexamen, Gelage, Ball, Jahrmarkt, Parade, Gerichtsverhandlung und dgl. in die nächste Zukunft. Und ist es etwa eine neue Schwierigkeit, wenn sich die Ereignisse komplizieren, ihre Dauer länger ist und ihre Teile oft erst in Zwischenräumen erfolgen und in ihrem Eintreten erst immer von bestimmten Bedingungen und Gelegenheiten abhängen, wie z. B. ein ganzer Krieg. Nicht die an die bestimmten Körperteile, etwa in der Lunge wahrnehmbare abnorme Beschaffenheit, welche daran schuld ist, daß bei bestimmten Anlässen Krankheitserscheinungen, etwa Hustenanfälle, eintreten, sind gemeint, wenn Jemand "den Husten" hat, sondern die durch jene Beschaffenheit bedingte regelmäßige Wiederkehr dieser Erscheinungen. Nicht die Felswände in bestimmter Gestaltung und Lage sind "das Echo", sondern die durch diese Ursache bedingte, je nach äußeren Anlässen sich immer wieder erfolgende Erscheinung.

Wenden wir uns wieder zum Psychischen, so ist der Entschluß, sei es eines, sei es gleichzeitig mehrerer, welcher mehr oder weniger durch die gleichbleibenden Umstände in seiner Dauerhaftigkeit verbürgt ist, so istdas unter bestimmten Umständen nur so und so zu befriedigende Bedürfnis die Ursache für die Wiederkehr bestimmter Ereignisse. Der Verein, die ständige Klavierstunde, Partie, unser Kränzchen besteht nicht in den einzelnen Personen, so wenig wie die Schule und das Gericht, auch nicht aus allen zusammen, denn eine Summe ist kein Kränzchen und keine Schule, sondern sie bestehen aus der durch die vorhandene Ursache relativ gesicherten Wiederkehr der gemeinten Ereignisse. Die Wirtschaft ist nicht Haus und Gerät, nicht Wirt und Kellner und Gäste, das sind Bedingungen ihres Bestehens, ihr Bestehen selbst ist dies daß sicher auf unbestimmte Zeit hin dem Verlangenden gegen Entgelt Speise und Trank u. a. dgl. gewährt wird; sie hört auf zu bestehen, sobald entweder der Wille des Gewährenden oder eine der äußeren Bedingungen des Gewährens wegfällt. Mutatis mutandis [unter vergleichbaren Voraussetzungen - wp] ist eine Privatschule dasselbe; ihr Bestehen hängt in erster Linie vom Willen des Unternehmers ab. Denken wir nun anstelle der Privatanstalt eine öffentliche Schule, so ist die Sache nur ein wenig komplizierter; der Lehrer und der Unternehmer sind jetzt zwei Personen, und ist der der Wille des Staates oder einer Gemeinde, welche die Geldmittel gewährt und der Wille der Lehrer, welche sich gegen Gehaltzusicherung zur Ausübung bestimmter Tätigkeiten verpflichten. Mitbedingt ist der Bestand natürlich durch die stattliche Zahl äußerer und innerer der Gesinnung der Wollenden angehöriger Bedingungen, welche die Dauer des Willens verbürgen und die Ausführung ermöglichen. Die Schule besteht, solange die Wiederkehrt der Handlungen des Unterrichtens relativ gesichert ist. Und wenn nun der Staat nicht etwa die Gesamtsumme seiner Angehörigen oder das Stück Land, welches sie bewohnen, oder das Oberhaupt, vielleicht noch mit seinen Räten und Beamten ist, was kann die Dingheit desselben sein, als die aus einem Komplex vorhandener Bedingungen auf unbestimmte Zeit hin gesicherte Wiederkehr von bestimmten Handlungen innerhalb eines bestimmten Gebietes. Sobald diese, Rechtspflege und Verwaltung im weitesten Sinne, aufhören, existiert der Staat nicht mehr, jede Störung derselben ist eine Störung seines Lebens, d. h. seiner Existenz und ihre Kontinuität macht, daß der Staat fortlebt, gleichviel welche und wieviele seiner Angehörigen hinsterben. Die Vielfältigkeit dieser Handlungen und ihr Ineinandergreifen und ferner die ganze Eigenart der Bedingungen, von welchen dieses wunderbare Schauspiel abhängt, kann an der logischen Struktur des Begriffes nichts ändern, wie groß auch der Unterschied zwischen ihm und anderen Einrichtugnen, etwa einem Skatkränzchen sein mag. Die Wirkungen historischer Ereignisse und die Gewalt vorhandener Umstände, in denen der Einzelne sich findet, sollen nicht unbeachtet bleiben; sie beeinflussen die Gesinnung und den Willen, aber direkt ist es doch immer nur Gesinnung und Wille selbst, von welchen alle diese das Leben des Staates, d. h. den Staat selbst ausmachenden Handlungen abhängen. Die Motive mögen sich in den einzelnen Fällen verschieden genug gestalten, sie stimmen doch im Ergebnis überein, daß Ausüber der verlangten Tätigkeiten vorhanden sind und daß Gehorsam, bzw. Mangel an Widerstand die Ausführung ermöglicht. Inwieweit dies alles doch immer und immer wieder auf vorhandene Gesinnungen zurückgeht, ist 1. ausgeführt und kann hier nicht wiederholt werden. Nur über die Zuverlässigkeit dieser Gesinnungen und Wollungen noch ein Wort. Sie können nicht den subjektiven Neigungen und Geschmacksrichtungen angehören, durch welche ein Individuum sich vom andern unterscheidet; wenn sie wirklich zuverlässig sind, was auf das Engste mit der oft behaupteten objektiven und Allgemeingültigkeit derselben zusammenhängt, so werden sie aus dem Wesen des Menschen (d. h. auf einer bestimmten Entwicklungsstufe) fließen. Wie trotzdem eine Abweichung möglich ist und wie verschieden sich dieses Wollen, trotz eines identischen Kerns in ihm, gestalten kann und gestalten mußte, haben die "Grundzüge der Ethik und Rechtsphilosophie" § 46-50 gezeigt. Vom Inhalt dieses Willens sehen wir nun noch ab, um die Dinghaftigkeit seiner, des Willens selbst und der Gesinnung, wie uch des Gedächtnisses und des Mutes, des Verstandes und der Vernunft u. a. dgl. zu betrachten. Wir kennen aus unserem Bewußtsein nur einzelne Akte des Wollens, des Fühlens, der Vorstellungsproduktion, des Denkens und Erkennens. Wenn ZITELMANN mit anderen für diese Begebnisse im Innern der Seele ein Vermögen zur Erklärung derselben annimmt, so will ich nur nebenbei bemerken, daß der Begriff des Vermögens, selbst der Erklärung bedürftig, gar nicht imstande ist, die verlangte Erklärung zu gewähren; auch wie eine Erklärung dieser Phänomene etwas ausfallen könnte und was man überhaupt unter einer Erklärung derselben sich vorstellen könnte, soll unerwähnt bleiben; nur auf eins habe ich in der energischsten Weise aufmerksam zu machen, daß die postulierten Ursachen dieser psychischen Ereignisse niemals selbst das sind, was die Dingwörter der Wille, der Mut, das Gefühl, das Gemüt, der Verstand meinen. Die verlangte stets vorhandene Ursache der einzelnen Akte des Wollens, Fühlens und Denkens als Ding (in der Seele) zu denken, unterläge unüberwindlichen Schwierigkeiten; und zudem kollidierte diese Ursache in unerträglicher Weise mit der unbezweifelbaren Aussage des Bewußtseins, daß das Ich direkt der Träger und Ausüber dieser Zustände und Tätigkeiten ist. Die Dinghaftigkeit von Wille und Verstand kann die Vorstellung oder die Voraussetzung einer vorhandenen Ursache, welche die je nach Anlass und Gelegenheit in konstanter Weise sicher erfolgende Wiederkehr dieser inneren Regungen verbürgt, freilich nicht entbehren. Sie ist in diesem Fall nur eben eine andere als in den vorher behandelten, dem Jahrmarkt z. B. oder dem Krieg, oder der Schule, aber diese inhaltliche Differenz läßt die Struktur des Begriffs unberührt. Den Begriff psychischer Anlagen und Fähigkeiten habe ich in der Erkenntnistheoretischen Logik", Seite 242-249 erklärt.
LITERATUR: Wilhelm Schuppe, Der Begriff des Rechts, Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht, Bd. 10, Wien 1883
    Anmerkungen
    1) siehe "Die spezifische Differenz im Begriff des Rechts", diese Zeitschrift, Bd. 11.