P. EltzbacherMüller-ErzbachG. RadbruchR. SohmK. C. Planck | ||||
Der Begriff des Rechts [1/2]
Meinen Ausgang nehme ich von einigen Stellen aus dem lehrreichen und anregenden Buch ZITELMANNs "Irrtum und Rechtsgeschäft". Seite 38 wird der Wille im Gegensatz zu den einzelnen Willensakten, welche allein die unmittelbaren Objekte der psychischen Beobachtung sind, durch eine "Anwendung der Substratkategorie bei einer Summe zeitlich verlaufender Vorgänge" erklärt, und dieselbe Begriffsbildung soll sich bei der Aufstellung des Begriffs der Seele selbst wiederholen. Dabei bleibt aber dahingestellt, Seite 39, ob nicht doch "mit dem Begriff der Seele etwas wirkliches umfaßt wird." Ohne Herrn ZITELMANN auch nur im Geringsten zu nahe treten zu wollen, muß ich fragen, welchen Nutzen diese Bestimmungen haben können, wenn nicht aus einer logischen Theorie völlig klar ist, was "Kategorie", namentlich "Substratkategorie" ist, und vor allem, was der Begriff des "Wirklichen" ist, welcher der bloßen Anwendung der Substratkategorie gegenübergestellt wird. Seite 200 "überträgt der Jurist die Denkformen, in welchen er die Natur auffaßt, auf das rein juristische Gebiet", was meines Erachtens gar nicht so wunderbar und auffällig sein würde, wenn wir wüßten, was "Denkformen" sind und welches ihre reale Bedeutung ist. In Wahrheit kann von einer "Übertragung" im eigentlichen Sinne, deren Recht erst noch zu erweisen wäre, keine Rede sein. Was ZITELMANN eine Übertragung auf juristisches Gebiet zu sein scheint, ist eine Anwendung, welche auf vielen anderen Gebieten in gleicher Weise vorkommt und deshalb zu ihrem richtigen Verständnis mit den letzteren zusammen von einem allgemeineren logischen Standpunkt aus erklärt sein will. Die ebd. folgenden kurzen Bemerkungen über den Begriff der Substanz, des Körpers mit Eigenschaften und des Trägers oder Substrates derselben sind nur geeignet die Schwierigkeiten zu erhöhen. Sie wird in der Anwendung (Seite 201) unlösbar, wenn es heißt:
2. jenes Materials selbst, nachweist. 1. Wenn zugestanden der Inhalt der Rechtsbegriffe nichts räumlich Ausgehntes und Gestaltetes ist, sondern etwas an Personen und Dingen, so gehört dies natürlich auch nicht zu den Dingen, sondern zu den Eigenschaften; auch die "Stellung", so gut wie die Lage, und alle Verhältnisse und Beziehungen sind keine Dinge, sondern im weitesten Sinne Eigenschaften von Dingen. Sehr mit Recht ist also darin ein Problem gefunden worden, daß Wortformen wie: das Recht und ein Recht, der Vertrag, die Obligationen, das Eigentum, nicht abstrakte Eigenschaftsbegriffe, wie Röte und Gerechtigkeit, sondern konkrete Ding zu bezeichnen scheinen, welche vorhanden sind und bestehen wie ein Haus und ein Berg. Aber dann müßte doch zugleich auffallen, daß dies mitnichten die Eigenart juristischer Begriffe ist, sondern daß viele andere, z. B. die Stellung und die Lage, das Verhältnis, der Vorgang, die Handlung, der Kampf, der Krieg demselben Anstoß ausgesetzt sind. Wir haben unseren Blick auf alle diese Fälle zu richten und werden gewiß den vom Sprachgebrauch behaupteten Charakter der Dingheit nur dann verstehen können, wenn wir denselben unabhängig von dieser Schwierigkeit auf demjenigen Gebiet, auf welchem er außer Zweifel ist, verstehen gelernt haben. Um nun das Geheimnis gleich offen herauszusagen: man konnte jenen unmöglich verstehen, weil man diesen nie verstanden hat und man hat diesen nie verstanden, weil man gar kein Problem in ihm gefunden, sondern die Sache für selbstverständlich angesehen hat. In den Handbüchern der Logik pflegt die Begriffslehre sich nur mit der Bildung der Allgemeinbegriffe aus den Einzelvorstellungen zu befassen, und, wie man zu den Einzelvorstellungen von diesem Stein, diesem Haus und diesem Baum hier als Dingen, die je ein Ganzes ausmachen, in welchem viele Einzelheiten zusammengehören, und welche sich voneinander als nicht zusammengehörige abschließen, kommen mag, wird nicht erklärt, gerade als wenn man sie für angeboren oder für geoffenbart hielte. Jedenfalls ist durch dieses Versäumnis auch die Erklärbarkeit der Allgemeinbegriffe von Dingen und vor allem des Allgemeinbegriffs Ding selbst aufgehoben. Und besser steht es auch nicht damit, wenn man schlicht und einfach "eine Kategorie der Dingheit" zu Hilfe ruft. Die Annahme eines transzendenten "Trägers" soll eine Begründung für dasjenige, was wir Dingheit nennen, sein, aber was das nun eigentlich ist, diese Dingheit, muß man doch auch noch wissen. Wenn man es aber erst ordentlich weiß, wird "der Träger" überflüssig und die Dingheit erweist sich als Produkt kategorialer Funktion, also nicht selbst als Kategorie. Sie so zu bezeichnen, soll also offenbar die Angabe ihres begrifflichen Inhalts für unmöglich und unnötig erklären, weil man, was sie ist, so klar von Haus aus weiß, wie was "dasselbe" und "nicht dasselbe" bedeutet. Wenn man aber das Identitäts- und das Kausalitätsprinzip als Kategorien, d. h. eben als die Denkfunktion selbst ansieht, so kann bei jenem aus Gründen, die ich hier übergehen muß, überhaupt gar nicht gefragt werden, ob und welches Kennzeichen zur richtigen Anwendung der Prädikate identisch und nicht identisch vorhanden ist, und bei letzterem ist in den Methoden der rationalen Induktion in der Tat ein begrifflich klarer Anhalt zur richtigen Erteilen der Prädikate Ursache und Wirkung vorhanden. "Die Kategorie von Ding und Eigenschaft" aber hat kein solches Kennzeichen zur Verfügung und so müßte man mit Recht staunend fragen, wie denn in der Anwendung die Unterscheidung vor sich geht, oder aber man findet doch ein solches Kennzeichen, und dann wird es sich, wenn man es nur gründlich auszuführen und begrifflich zu präzisieren versucht, sehr bald als der Inhalt des Ding- und Eigenschaftsbegriffs ausweisen. Das will ich jedoch dem Gegner zugestehen, daß der Irrtum, ihn zu den Kategorien zu rechnen, verzeihlich ist, und zwar aus dem Grund, weil er ganz und gar aus einer kategorialen Funktion besteht; er ist nur keine neue Kategorie, sondern ergibt sich aus einem System von Anwendungen der Identitäts- und Kausalitätskategorien. Dieses System von Urteilen kann ich hier natürlich unmöglich darlegen wollen; nur die Voraussetzungen und das Ergebnis derselben will ich anführen. Voraussetzungen sind
2. meine Lehre von der Objektivität der Empfindungen als Bewußtseinsinhaltes und zum Teil auch die von Raum und Zeit.
2. die relative Unvernichtbarkeit der den Raum erfüllenden Qualitäten, welche ein Verschwinden und Eintreten einer Qualität in der Zeit nur aufgrund einer bestimmten Gesetzmäßigkeit für denkbar und möglich erklärte, so daß nur im Hinblick auf die ewige Ordnung des Seins, zu welcher selbst diese Gesetzlichkeit gehört, daß in einem bestimmten Augenblick das eine anstelle des anderen tritt, das Verschwinden und Entstehen einer Qualität für möglich gilt"
Der Irrtum, den Dingcharakter allein in der Körperlichkeit zu finden, ist auch - wenn ich mir durch die günstige Gelegenheit verführt, diese kurze abschweifende Bemerkung erlauben darf - allein die Ursache davon, daß man das Bewußtsein trotz seiner Einheit nur als Eigenschaft und als inhärierend [innewohnend - wp] einem Substrat denken will und, um dies zu ermöglichen, wenn auch immateriell genannt, doch ganz allein nach Analogie des körperlichen Dings gedacht, eine Seele als Träger des Bewußtseins annimmt. Principium individuationis ist nun Raum und Zeit. Die körperlichen Dinge sind Individuen, weil sie diesen bestimmten Teil des Raumes einnehmen; ihre Existenz in der Zeit wird dabei nicht übersehen; ohne sie könnte auch die im Raum nur noch als ein abstrakt begriffliches Moment gedacht werden kann. Die zeitlichen Momente ihrer Entstehungsart und ihrer möglichen Veränderungen gehören zum Begriff dieser Dinge, aber ihre Individualität findern wir nur in der Individualität des Raumteiles, den sie erfüllen richtiger gesagt: den sie ausmachen. Und so ist es auch nicht nur möglich, sondern sogar für unser Denken unvermeidlich, was einen Zeitteil erfüllt, um der Individualität desselben willen als ein Individuum zu denken: Seite 414-485 der "Erkenntnistheoretischen Logik" haben den Begriff des Zeitdings erklärt und mit vielen Beispielen erläutert. Die räumlichen Dinge sind dabei eine selbstverständliche Voraussetzung, aber die Vorstellungen derselben gehören zum Inhalt dieser Begriffe von Zuständen und Ereignissen; den Individualcharakter erhalten sie als Erfüllungen einer bestimmten Zeit. Der Begriff der Eigenschaft abstrahiert von dieser zum "Zustand" (im weitesten Sinn natürlich) wird sie durch die Rücksicht auf die Zeit, welche sie erfüllt, im Gegensatz zu anderen Beschaffenheiten, welche ihr Platz gemacht haben und denen sie Platz machen wird. Nicht im Gegensatz zu ihnen, sondern mit ihnen zusammengefaßt ist sie ein Teil von den mehreren Veränderungen eines Dings, welche sich zur Einheit eines Ereignisses zusammenschließen. Ehe ich auf diese etwas genauer eingehe, sei noch erwähnt, daß aus demselben Prinzip die Zustände vieler verschiedener Dinge als ein vorhandener Zustand, und die Veränderungen vieler verschiedener Dinge als ein Ereignis zusammengefaßt werden können. Das Prinzip ist natürlich wieder nichts anderes, als die Einheit, welche der Kausalzusammenhang stiftet. Dieser kann das Gesetz des Falles sein, welches im Verein mit dem äußeren Anlaß, der einen Körper um seine Unterlage gebracht hat, die beschleunigten Ortsveränderungen desselben, bis er eine neue Unterlage gefunden hat, zum Ereigenis eines Falles oder eines Sturzes macht, er kann ein psychisches Gesetz sein (allgemeiner Art, oder dem Charakter eines Einzelnen angehörig), welches im Verein mit zusammenwirkenden äußeren Anlässen und Umständen und mit Gesetzen des leiblichen Lebens, welche die Ausführung bedingten, eine Reihenfolge von Lagenveränderungen eines Armes, eines Beines, der Lippen, der Respirationsorgane [Atmungs- | wp] und der Gesichtsmuskeln, der Vorstellungen und Gefühle und Willensregungen hervorbringt, welche eben durch dieses Gesetz ihren Anfang und ihr Ende haben und in diesem natürlichen Verlauf bis zu einem natürlichen Abschluß das eine Ereignis eines Schlages, eines Trittes, eines Spaziergangs, einer bestimmten Turnübung, eines Gelächters, einer zornigen Erwiderung, einer Liebeserklärung ausmachen. Daß ein solches System von Kausalzusammenhängen auch die Veränderungen mehrerer Dinge oder Personen, gleichzeitig oder in bestimmten Zwischenräumen erfolgend, zur Einheit eines Ereignisses, eines Gesprächs, eines Kampfes zusammenfassen kann, bedarf kaum der Erwähnung. Der Tritt, der Kampf, sind weder das tretende Bein, noch der dabei durchmessene Raum, noch der getretene Ggenstand, weder der Kämpfer A, noch sein Gegner B, noch beide zusammen, weder ihre Arme, noch ihre Waffen, noch die sichtbaren Wunden, sondern die ganze innerlich zusammenhängende Reihe von Veränderungen, welche aus einer bestimmten Ursache, natürlich nicht ohne eine Zahl mitwirkender Anlässe und Bedingungen, erfolgen. Eine Geburt ist weder die Mutter, noch das Kind, noch beide zusammen, sondern die Reihe von Veränderungen, welche nach einer bestimmten Naturgesetzlichkeit unter den vorhandenen Umständen und Bedingungen eintreten und in der Gesetzlichkeit, welche Anfang und Ende bestimmt, ihre Einheit und mit ihr den Charakter eines Dings haben. Das ist nun eine erste Frucht unserer Untersuchung, daß die Dinghaftigkeit des Vertrages keinen größeren Schwierigkeiten unterliegt, als die des Kampfes, des Gespräches, des Sieges und unzähliger anderer Begriffe dieser Art. Und daran schließt sich die wertvolle Einsicht, daß dasjenige, was diesen äußeren und inneren Geschehnissen des spezifisch rechtlichen Charakter gibt, was dieses Ereignis und ähnliche zu einem rechtlichen macht, allein in der Ursache liegen kann, welche die einzelnen Veränderungen zum Ganzen eines Ereignisses verbindet. Ob der rechtliche Charakter, in Abstraktion vom Ding, an welchem er haftet, selbst wieder Dinghaftigkeit gewinnen kann, werden wir erkennen, sobald wir die oben genannte Ursache erkannt haben werden. Erst müssen wir noch andere wichtige Folgerungen zeigen. Noch mehr tritt der Dingcharakter der Ereignisse hervor, - und für den Unkundigen noch befremdlicher und beängstigender - wenn sie ganz wie im Raum verharrende Gegenstände, sogar in die Zukunft hineinreichen. Wenn wir Umstände und Charaktere, die äußeren Anlässe und die inneren Gesinnungen und Motive kennen, so zweifeln wir nicht daran, daß der Kampf, der eben entbrannt ist, seinen Verlauf bis zu einem natürlichen Ende nehmen wird. Zwar kann der Verlauf oft nicht im Detail vorausgesehen werden, zwar können ganz außergewöhnliche unvorhergesehe Ereignisse ihn unterbrechen, aber, wenn irgendwo, so wird hier die Regel von der Ausnahme bestätigt. Denn sie macht es erst recht klar, daß ein solches Ereignis in seiner Einheit wesentlich durch den kausalen Zusammenhang konstituiert wird, der eine von diesen Veränderungen an die andere fügt; nur eben daß verschiedene Zu- und Umstände und andere Ereignisse mit ihrer Kausalität in diesen Verlauf eingreifen können, ist dabei hervorgetreten. So reicht voraussehbar das begonnene Schulexamen, Gelage, Ball, Jahrmarkt, Parade, Gerichtsverhandlung und dgl. in die nächste Zukunft. Und ist es etwa eine neue Schwierigkeit, wenn sich die Ereignisse komplizieren, ihre Dauer länger ist und ihre Teile oft erst in Zwischenräumen erfolgen und in ihrem Eintreten erst immer von bestimmten Bedingungen und Gelegenheiten abhängen, wie z. B. ein ganzer Krieg. Nicht die an die bestimmten Körperteile, etwa in der Lunge wahrnehmbare abnorme Beschaffenheit, welche daran schuld ist, daß bei bestimmten Anlässen Krankheitserscheinungen, etwa Hustenanfälle, eintreten, sind gemeint, wenn Jemand "den Husten" hat, sondern die durch jene Beschaffenheit bedingte regelmäßige Wiederkehr dieser Erscheinungen. Nicht die Felswände in bestimmter Gestaltung und Lage sind "das Echo", sondern die durch diese Ursache bedingte, je nach äußeren Anlässen sich immer wieder erfolgende Erscheinung. Wenden wir uns wieder zum Psychischen, so ist der Entschluß, sei es eines, sei es gleichzeitig mehrerer, welcher mehr oder weniger durch die gleichbleibenden Umstände in seiner Dauerhaftigkeit verbürgt ist, so istdas unter bestimmten Umständen nur so und so zu befriedigende Bedürfnis die Ursache für die Wiederkehr bestimmter Ereignisse. Der Verein, die ständige Klavierstunde, Partie, unser Kränzchen besteht nicht in den einzelnen Personen, so wenig wie die Schule und das Gericht, auch nicht aus allen zusammen, denn eine Summe ist kein Kränzchen und keine Schule, sondern sie bestehen aus der durch die vorhandene Ursache relativ gesicherten Wiederkehr der gemeinten Ereignisse. Die Wirtschaft ist nicht Haus und Gerät, nicht Wirt und Kellner und Gäste, das sind Bedingungen ihres Bestehens, ihr Bestehen selbst ist dies daß sicher auf unbestimmte Zeit hin dem Verlangenden gegen Entgelt Speise und Trank u. a. dgl. gewährt wird; sie hört auf zu bestehen, sobald entweder der Wille des Gewährenden oder eine der äußeren Bedingungen des Gewährens wegfällt. Mutatis mutandis [unter vergleichbaren Voraussetzungen - wp] ist eine Privatschule dasselbe; ihr Bestehen hängt in erster Linie vom Willen des Unternehmers ab. Denken wir nun anstelle der Privatanstalt eine öffentliche Schule, so ist die Sache nur ein wenig komplizierter; der Lehrer und der Unternehmer sind jetzt zwei Personen, und ist der der Wille des Staates oder einer Gemeinde, welche die Geldmittel gewährt und der Wille der Lehrer, welche sich gegen Gehaltzusicherung zur Ausübung bestimmter Tätigkeiten verpflichten. Mitbedingt ist der Bestand natürlich durch die stattliche Zahl äußerer und innerer der Gesinnung der Wollenden angehöriger Bedingungen, welche die Dauer des Willens verbürgen und die Ausführung ermöglichen. Die Schule besteht, solange die Wiederkehrt der Handlungen des Unterrichtens relativ gesichert ist. Und wenn nun der Staat nicht etwa die Gesamtsumme seiner Angehörigen oder das Stück Land, welches sie bewohnen, oder das Oberhaupt, vielleicht noch mit seinen Räten und Beamten ist, was kann die Dingheit desselben sein, als die aus einem Komplex vorhandener Bedingungen auf unbestimmte Zeit hin gesicherte Wiederkehr von bestimmten Handlungen innerhalb eines bestimmten Gebietes. Sobald diese, Rechtspflege und Verwaltung im weitesten Sinne, aufhören, existiert der Staat nicht mehr, jede Störung derselben ist eine Störung seines Lebens, d. h. seiner Existenz und ihre Kontinuität macht, daß der Staat fortlebt, gleichviel welche und wieviele seiner Angehörigen hinsterben. Die Vielfältigkeit dieser Handlungen und ihr Ineinandergreifen und ferner die ganze Eigenart der Bedingungen, von welchen dieses wunderbare Schauspiel abhängt, kann an der logischen Struktur des Begriffes nichts ändern, wie groß auch der Unterschied zwischen ihm und anderen Einrichtugnen, etwa einem Skatkränzchen sein mag. Die Wirkungen historischer Ereignisse und die Gewalt vorhandener Umstände, in denen der Einzelne sich findet, sollen nicht unbeachtet bleiben; sie beeinflussen die Gesinnung und den Willen, aber direkt ist es doch immer nur Gesinnung und Wille selbst, von welchen alle diese das Leben des Staates, d. h. den Staat selbst ausmachenden Handlungen abhängen. Die Motive mögen sich in den einzelnen Fällen verschieden genug gestalten, sie stimmen doch im Ergebnis überein, daß Ausüber der verlangten Tätigkeiten vorhanden sind und daß Gehorsam, bzw. Mangel an Widerstand die Ausführung ermöglicht. Inwieweit dies alles doch immer und immer wieder auf vorhandene Gesinnungen zurückgeht, ist 1. ausgeführt und kann hier nicht wiederholt werden. Nur über die Zuverlässigkeit dieser Gesinnungen und Wollungen noch ein Wort. Sie können nicht den subjektiven Neigungen und Geschmacksrichtungen angehören, durch welche ein Individuum sich vom andern unterscheidet; wenn sie wirklich zuverlässig sind, was auf das Engste mit der oft behaupteten objektiven und Allgemeingültigkeit derselben zusammenhängt, so werden sie aus dem Wesen des Menschen (d. h. auf einer bestimmten Entwicklungsstufe) fließen. Wie trotzdem eine Abweichung möglich ist und wie verschieden sich dieses Wollen, trotz eines identischen Kerns in ihm, gestalten kann und gestalten mußte, haben die "Grundzüge der Ethik und Rechtsphilosophie" § 46-50 gezeigt. Vom Inhalt dieses Willens sehen wir nun noch ab, um die Dinghaftigkeit seiner, des Willens selbst und der Gesinnung, wie uch des Gedächtnisses und des Mutes, des Verstandes und der Vernunft u. a. dgl. zu betrachten. Wir kennen aus unserem Bewußtsein nur einzelne Akte des Wollens, des Fühlens, der Vorstellungsproduktion, des Denkens und Erkennens. Wenn ZITELMANN mit anderen für diese Begebnisse im Innern der Seele ein Vermögen zur Erklärung derselben annimmt, so will ich nur nebenbei bemerken, daß der Begriff des Vermögens, selbst der Erklärung bedürftig, gar nicht imstande ist, die verlangte Erklärung zu gewähren; auch wie eine Erklärung dieser Phänomene etwas ausfallen könnte und was man überhaupt unter einer Erklärung derselben sich vorstellen könnte, soll unerwähnt bleiben; nur auf eins habe ich in der energischsten Weise aufmerksam zu machen, daß die postulierten Ursachen dieser psychischen Ereignisse niemals selbst das sind, was die Dingwörter der Wille, der Mut, das Gefühl, das Gemüt, der Verstand meinen. Die verlangte stets vorhandene Ursache der einzelnen Akte des Wollens, Fühlens und Denkens als Ding (in der Seele) zu denken, unterläge unüberwindlichen Schwierigkeiten; und zudem kollidierte diese Ursache in unerträglicher Weise mit der unbezweifelbaren Aussage des Bewußtseins, daß das Ich direkt der Träger und Ausüber dieser Zustände und Tätigkeiten ist. Die Dinghaftigkeit von Wille und Verstand kann die Vorstellung oder die Voraussetzung einer vorhandenen Ursache, welche die je nach Anlass und Gelegenheit in konstanter Weise sicher erfolgende Wiederkehr dieser inneren Regungen verbürgt, freilich nicht entbehren. Sie ist in diesem Fall nur eben eine andere als in den vorher behandelten, dem Jahrmarkt z. B. oder dem Krieg, oder der Schule, aber diese inhaltliche Differenz läßt die Struktur des Begriffs unberührt. Den Begriff psychischer Anlagen und Fähigkeiten habe ich in der Erkenntnistheoretischen Logik", Seite 242-249 erklärt.
1) siehe "Die spezifische Differenz im Begriff des Rechts", diese Zeitschrift, Bd. 11. |