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Über das Kennzeichnen
2) Ein Ausdruck kann einen bestimmten Gegenstand kennzeichnen; z. B. kennzeichnet der gegenwärtige König von England einen bestimmten Mann. 3) Ein Ausdruck kann unbestimmt kennzeichnen; z. B. kennzeichnet ein Mensch nicht viele Menschen, sondern einen unbestimmten Menschen. Das Thema des Kennzeichnens (denoting) ist von außerordentlicher Wichtigkeit nicht nur für Logik und Mathematik, sondern auch für die Erkenntnistheorie. Wir wissen zum Beispiel, daß der Massenmittelpunkt des Sonnensystems zu einer bestimmten Zeit ein bestimmter Punkt ist, und können darüber eine Reihe von Aussagen machen; aber wir haben mit diesem Punkt keine unmittelbare Bekanntschaft (acquaintance), sondern kennen ihn nur durch Beschreibung. Die Unterscheidung zwischen Bekanntschaft mit und Kenntnis von (knowledge about) ist die Unterscheidung zwischen den Dingen, von denen wir Vorstellungen haben, und den Dingen, die wir nur durch Kennzeichnungen erreichen. Wir wissen oft, daß ein Ausdruck etwas Bestimmtes kennzeichnet, obgleich wir damit keine Bekanntschaft haben; so eben im Fall des Massenmittelpunktes. In der Wahrnehmung haben wir Bekanntschaft mit den Gegenständen der Wahrnehmung, beim Denken mit Gegenständen abstrakteren logischen Charakters; aber wir haben nicht unbedingt Bekanntschaft mit Gegenständen, die von Ausdrücken gekennzeichnet werden, die zusammengesetzt sind aus Wörter, mit deren Bedeutungen wir bekannt sind. Um ein sehr wichtiges Beispiel zu nehmen: es scheint keinen Grund für die Annahme zu geben, daß wir jemals mit den geistigen und seelischen Zuständen und Ereignissen anderer Leute bekannt werden, da diese offensichtlich nicht direkt wahrgenommen werden; was wir also von ihnen kennen, erhalten wir durch das Kennzeichnen. Alles Denken muß mit Bekanntschaft anfangen, aber es kann sich auf vieles beziehen, womit wir keine Bekanntschaft haben. Meine Abhandlung nimmt folgenden Lauf: zuerst gebe ich die Theorie an, die ich verfechten will (1); dann erörtere ich die Theorien von FREGE und MEINONG und zeige, warum mich keine befriedigt; dann trage ich die Gründe für meine Theorie vor, und schließlich deute ich die philosophischen Konsequenzen meiner Theorie an. Meine Theorie ist mit wenigen Worten diese: Ich nehme den Begriff der Variablen als Grundbegriff; für eine Aussage (2), in der x vorkommt, verwende ich C (x), (3) wobei es wesentlich ist, daß x, die Variable, völlig unbestimmt ist. Wir können nun die zwei Begriffe betrachten: C (x) ist immer wahr und C (x) ist manchmal wahr. (4) Die einfachsten Kennzeichnungen, nämlich alles, nichts und etwas, können dann wie folgt interpretiert werden:
C (nichts) bedeutet "C (x) ist falsch" ist immer wahr; C (etwas) bedeutet Es ist falsch, daß "C (x) ist falsch" immer wahr ist.(5) Angenommen, wir wollen die Aussage Ich traf einen Menschen interpretieren. Wenn sie wahr ist, traf ich einen bestimmten Menschen, aber das will ich nicht behauten. Was ich behaupt, ist nach meiner Theorie:
Betrachten wir nun die Aussage Alle Menschen sind sterblich. Dies ist in Wahrheit eine hypothetische Aussage (6), die besagt, daß wenn etwas ein Mensch ist, es sterblich ist. Sie besagt also, daß wenn x ein Mensch ist, x sterblich ist, was x auch immer ist. Setzen wir daher x ist menschlich ein für x ist ein Mensch, dann kommen wir zu dem Ergebnis: Alle Menschen sind sterblich bedeutet "Wenn x menschlich ist, ist x sterblich" ist immer wahr. Das wird in symbolischer Logik so ausgedrückt: Alle Menschen sind sterblich bedeutet "x ist menschlich" impliziert "x ist sterblich" für alle Werte von x. Allgemeiner:
C (einige Menschen) bedeutet dasselbe wie C (ein Mensch) (7) und C (ein Mensch) bedeutet Es ist falsch, daß "C (x) und x ist menschlich" immer falsch ist. C (jeder Mensch) bedeutet dasselbe wie C (alle Menschen). Aus Der Vater KARLs II. wurde hingerichtet wird deshalb:
Um C (der Vater KARLs II.) zu interpretieren, wobei C für eine beliebige Aussage über ihn steht, brauchen wir nur C (x) für "x wurde hingerichtet" oben einzusetzen. Man beachte, daß nach der vorgetragenen Interpretation C (der Vater KARLs II.), welche Aussage C auch immer ist, impliziert:
Die Argumente für die Theorie ergeben sich aus den Schwierigkeiten, die unvermeidlich scheinen, wenn wir Kennzeichnungen als Zeichen für echte Bestandteile der Aussagen oder Gedanken betrachten, in deren verbalem Ausdruck sie vorkommen. Die einfachste der möglichen Theorien, nach denen sie solche Bestandteile sind, ist die von MEINONG (8). Nach dieser Theorie vertritt jede grammatisch richtige Kennzeichnung einen Gegenstand. So werden der gegenwärtige König von Frankreich, das runde Quadrat usw. für echte Gegenstände gehalten. Zwar wird ihnen keine Subsistenz zugebilligt, aber dennoch sollen sie Gegenstände sein. Das ist selbst schon eine schwierige Auffassung; der Haupteinwand aber ist, daß wie zugegeben wird, solche Gegenstände das Gesetz vom Widerspruch zu verletzen drohen. Man behauptet zum Beispiel, daß der existierende König von Frankreich und auch nicht existiert, daß das runde Quadrat rund ist und auch nicht rund, usw. Das aber ist unerträglich, und wenn eine Theorie zu finden ist, die dieses Ergebnis vermeidet, ist sie gewiß vorzuziehen. Diesen Verstoß gegen das Gesetz vom Widerspruch vermeidet die Theorie von FREGE. Er unterscheidet bei einer Kennzeichnung zwei Elemente, die er Sinn und Bedeutung nennt (9). So ist der Massenmittelpunkt des Sonnensystems zu Beginn des 20. Jahrhunderts seinem Sinn nach zusammengesetzt, aber seine Bedeutung ist ein bestimmter Punkt, der einfach ist. Das Sonnensystem, das 20. Jahrhundert usw. sind Bestandteile des Sinns, aber die Bedeutung hat keinerlei Bestandteile. (10) Ein Vorteil dieser Unterscheidung ist, daß sie zeigt, warum es oft sinnvoll ist, eine Identität zu behaupten. Wenn sie sagen SCOTT ist der Autor von Waverley, behaupten wir eine Identität der Bedeutung bei einem Unterschied des Sinnes. Ich werde jedoch nicht die Gründe wiederholen, die für diese Theorie sprechen, da aich sie an anderer Stelle verteidigt habe und sie nun anfechten will. Eine der ersten Schwierigkeiten in der Auffassung, daß Kennzeichnungen einen Sinn ausdrücken und eine Bedeutung bedeuten, (11) betrifft die Fälle, in denen die Bedeutung zu fehlen scheint. Sagen wir Der König von England hat eine Glatze, so scheinen wir nicht eine Aussage über den zusammengesetzten Sinn zu haben, sondern über den wirklichen Mann, der vom Sinn bedeutet wird. Aber betrachten wir Der König von Frankreich hat eine Glatze. Nach der Gleichheit der Form sollte dies auch eine Aussage über die Bedeutung des Ausdrucks der König von Frankreich sein. Obgleich jedoch dieser Ausdruck einen Sinn hat, wenn auch der König von England einen Sinn hat, hat er doch gewiß keine Bedeutung, wenigstens ist sie nicht zu sehen. Also müßte man annehmen, der König von Frankreich hat eine Glatze sei Unsinn; aber es ist kein Unsinn, da es offensichtlich falsch ist. Oder nehmen wir eine Aussage wie die: Wenn u eine Klasse mit nur einem Element ist, dann ist dieses eine Element ein Element von u oder wie wir auch sagen können: Wenn u eine Einerklasse ist, ist "das" u ein u. Diese Aussage sollte immer wahr sein, da die Folgerung immer wahr ist, wenn die Voraussetzung wahr ist. Aber das u ist eine Kennzeichnung, und nicht vom Sinn, sondern von der Bedeutung wird behauptet, daß sie ein u sei. Ist nun u keine Einerklasse, so scheint das u nichts zu bedeuten; also müßte unsere Aussage offenbar Unsinn werden, sobald u keine Einerklasse ist. Es ist aber klar, daß solche Aussagen kein Unsinn werden, bloß weil ihre Vordersätze falsch sind. Der König im Sturm kann sagen: Wenn FERDINAND nicht ertrunken ist, ist FERDINAND mein einziger Sohn. Nun ist mein einziger Sohn eine Kennzeichnung, die offensichtlich eine Bedeutung dann und nur dann hat, wenn ich genau einen Sohn habe. Trotzdem würde die Aussage des Königs wahr bleiben, auch wenn FERDINAND tatsächlich ertrunken wäre. Also müssen wir entweder in den Fällen eine Bedeutung einführen, in denen sie auf den ersten Blick fehlt, oder wir müsse die Auffassung aufgeben, daß es in Aussagen mit Kennzeichnungen um die Bedeutung geht. Den zweiten Weg werde ich einschlagen. Den ersten Weg kann man wie MEINONG damit gehen, daß man Gegenstände annimmt, die nicht substistieren, und leugnet, daß sie dem Gesetz vom Widerspruch folgen; das ist jedoch wenn möglich zu vermeiden. Eine andere Möglichkeit, denselben Weg zu gehen (was unsere Alternative angeht), ergreift FREGE, der durch Definition eine rein konventionelle Bedeutung für die Fälle einführt, in denen es sonst keine gäbe. So soll der König von Frankreich die Nullklasse bedeuten, der einzige Sohn Herrn So-und-sos (der eine zehnköpfige Familie hat) die Klasse aller seiner Söhne, usw. Aber führt dieses Verfahren auch nicht zu logischem Irrtum, so ist es doch offensichtlich künstlich und gibt keine genaue Analyse der Sache. Lassen wir also Kennzeichnungen allgemein die zweit Seiten von Sinn und Bedeutung haben, dann bereiten die Fälle, in denen es keine Bedeutung zu geben scheint, Schwierigkeiten sowohl bei der Annahme, daß es tatsächlich eine Bedeutung gibt, als auch bei der Annahme, daß es tatsächlich keine gibt. Eine logische Theorie kann durch ihr Vermögen, knifflige Fragen zu behandeln, getestet werden. Denkt man über die Logik nach, sollte man sich möglichst viele solcher verwirrenden Fragen vergegenwärtigen, da diese ungefähr demselben Zweck dienen wie Experimente in der Naturwissenschaft. Ich führe deshalb drei solcher Probleme an, die eine Theorie der Beschriebung lösen können sollte, und ich werde später zeigen, daß meine Theorie sie löst.
2) Nach dem Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten muß entweder A ist B oder A ist nicht B wahr sein. Also muß entweder Der gegenwärtige König von Frankreich hat eine Glatze oder Der gegenwärtige König von Frankreich hat keine Glatze wahr sein. Gingen wir aber die Dinge durch, die eine Glatze haben, und dann die Dinge, die keine Glatze haben, würden wir den gegenwärtigen König von Frankreich nicht unter ihnen finden. Hegelianer, die eine Synthesis lieben, werden wohl folgern, daß er eine Perücke trägt. 3) Nehmen wir die Aussage A ist verschieden von B. Ist sie wahr, dann gibt es einen Unterschied zwischen A und B, was durch den Satz ausgedrückt werden kann Der Unterschied zwischen A und B subsistiert. Ist es aber falsch, daß A von B verschieden ist, dann gibt es keinen Unterschied zwischen A und B, was durch den Satz ausgedrückt werden kann Der Unterschied zwischen A und B subsistiert nicht. Wie kann aber eine Nicht-Entität das Subjekt einer Aussage sein? Ich bin das Subjekt einer Aussage, also bin ich ist nicht weniger evident als Ich denke, also bin ich, vorausgesetzt, mit ich bin soll Subsistenz oder Sein, (12) nicht Existenz behauptet werden. Also muß es, wie es scheint, immer ein Widerspruch sein, das Sein von irgendetwas zu verneinen; wir haben aber, im Zusammenhang mit der Theorie von MEINONG, gesehen, daß es manchmal auch zu Widersprüchen führt, das Sein zuzulassen. Wenn also A und B nicht verschieden sind, scheint es ebenso unmöglich anzunehmen, daß es so einen Gegenstand wie den Unterschied zwischen A und B gibt, wie anzunehmen, daß es ihn nicht gibt. Wenn wir über den Sinn einer Kennzeichnung im Gegensatz zu seiner Bedeutung sprechen wollen, ist die natürliche Art, das zu tun, die Verwendung von Anführungszeichen. So sagen wir:
"Der Massenmittelpunkt des Sonnensystems" ist ein kennzeichnender Komplex, kein Punkt.
"Die erste Zeile der Elegeie von GRAY" macht keine Aussage. Wir sagen zunächst, daß wir von der Bedeutung reden, wenn C vorkommt, und vom Sinn, wenn "C" vorkommt. Die Beziehung zwischen Sinn und Bedeutung ist aber nicht nur eine linguistische, die durch den Ausdruck zustande kommt, sondern es muß auch eine logische Beziehung impliziert sein, die wir ausdrücken, wenn wir sagen, der Sinne bedeute die Bedeutung. Die Schwierigkeit, der wir gegenüberstehen, ist jedoch, daß wir nicht sowohl die Verbindung zwischen Sinn und Bedeutung erhalten als auch verhindern können, daß sie ein und dasselbe sind; außerdem, daß der Sinn nur durch Kennzeichnungen erreicht werden kann. Das kommt so zustande: Der eine Ausdruck C sollte sowohl Sinn als auch Bedeutung haben. Sprechen wir aber von dem Sinn von C, erhalten wir damit (wenn überhaupt) den Sinn der Bedeutung. Der Sinn der ersten Zeile der Elegie von GRAY ist dasselbe wie Der Sinn von "The curfew tolls the knell of parting day", nicht wie Der Sinn von "die erste Zeile der Elegie von GRAY". Um also den Sinn zu erhalten, den wir haben wollen, dürfen wir nicht von dem Sinn von C sprechen, sondern nur von dem Sinn von "C", was dasselbe ist wie C für sich allein. Ähnlich haben wir mit die Bedeutung von C nicht die Bedeutung, die wir haben wollen, sondern etwas, was das bedeutet, was durch die Bedeutung, die wir haben wollen, bedeutet wird, wenn es überhaupt etwas bedeutet. Es sei zum Beispiel "C": der beschreibende Komplex, der im zweiten der beiden obigen Beispiele vorkommt. Dann ist
Die Schwierigkeit, vom Sinn eines beschreibenden Komplexes zu sprechen, kann so formuliert werden: Sobald der Komplex in einer Aussage vorkommt, handelt die Aussage von der Bedeutung, und wenn wir eine Aussage mit der Sinn von C als Subjekt machen, dann ist das Subjekt (wenn überhaupt) der Sinn der Bedeutung, was nicht gewünscht war. Das führt uns zur Folgerung, daß wir es beim Unterscheiden zwischen Sinn und Bedeutung mit dem Sinn zu tun haben müssen: der Sinn hat Bedeutung und ist ein Komplex, und es gibt nichts anderes als den Sinn, wovon gesagt werden könnte, daß es eine Komplex oder zusammengesetzt ist uns sowohl Sinn als auch Bedeutung hat. Die richtige Formulierung wäre nach diesr Auffassung, daß einige Sinne Bedeutungen haben. Aber das macht unsere Schwierigkeit, vom Sinn zu sprechen, nur deutlicher. denn angenommen, unser Komplex ist C; dann müßten wir sagen, daß C der Sinn des Komplexes ist. Immer aber, wenn C ohne Anführungszeichen vorkommt, ist das Gesagte nicht wahr vom Sinn, sondern nur von der Bedeutung, wie wenn wir sagen: Der Massenmittelpunkt des Sonnensystems ist ein Punkt. Um also von C selbst zu sprechen, d. h. um eine Aussage über den Sinn zu machen, muß unser Subjekt nicht C, sondern etwas sein, wodurch C bedeutet wird. "C" also, das wir verwenden, wenn wir vom Sinn sprechen wollen, darf nicht der Sinn, sondern muß etwas sein, was den Sinn bedeutet. Und C darf kein Bestandteil dieses Komplexes sein (wie es Bestandteil ist von der Sinn von C); denn wenn C im Komplex vorkommt, kommt es als Bedeutung, nicht als Sinn vor, und es gibt keinen Weg zurück von der Bedeutung zum Sinn, weil jeder Gegenstand durch eine unendliche Anzahl verschiedener beschreibender Ausdrücke bedeutet werden kann. Also scheint es, als seien "C" und C verschiedene Entitäten, der Art, daß "C" C bedeutet; das aber kann keine Erklärung sein, weil die Beziehung von "C" zu C völlig dunkel bleibt, und wo sollen wir den Komplex "C" finden, der C bedeuten soll? Außerdem kommt nicht nur die Bedeutung vor, wenn C in einer Aussage vorkommt (wie wir im nächsten Absatz sehen werden); nach der jetzt behandelten Auffassung aber ist es nur die Bedeutung, da der Sinn gänzlich "C" zugewiesen wird. Dieses Knäuel von Widersprüchen, in die wir geraten sind, scheint zu beweisen, daß die ganze Unterscheidung von Sinn und Bedeutung falsch ist. Daß der Sinn relevant ist, wenn eine Kennzeichnung in einer Aussage vorkommt, dafür liefert das Problem mit dem Autor von Waverley einen formalen Beweis. Die Aussage SCOTT war der Autor von Waverley besitzt eine Eigenschaft, die SCOTT war SCOTT nicht hat, nämlich daß GEORGE IV. wissen wollte, ob sie wahr sei. Also sind es keine identischen Aussagen; also muß der Sinn von der Autor von Waverley so relevant sein wie seine Bedeutung, wenn wir auf dem Standpunkt bleiben, auf dem diese Unterscheidung gemacht wird. Wir wir aber gerade gesehen haben, sind wir bei diesem Standpunkt gezwungen, nur die Bedeutung als relevant anzuerkennen. Also müssen wir diesen Standpunkt verlassen. Es bleibt zu zeigen, wie alle betrachteten Schwierigkeiten von der Theorie gelöst werden, die wir zu Beginn dieses Aufsatzes erklärt haben. Nach der Auffassung, die ich vertrete, ist es für eine Kennzeichnung wesentlich, Teil eines Satzes zu sein, ohne wie die miesten einzelnen Wörter für sich irgendeinen Sinn oder eine Bedeutung zu haben. Wenn ich sage SCOTT war ein Mensch, ist das eine Aussage der Form x war ein Mensch, die SCOTT zum Subjekt hat. Sage ich dagegen der Autor von Waverley war ein Mensch, ist das keine Aussage der Form x war ein Mensch, und der Autor von Waverley ist nicht ihr Subjekt. Wenn wir die Aussage zu Beginn dieses Aufsatzes abkürzen, können wir statt der Autor von Waverley folgendes sagen: Eine und nur eine Entität schrieb Waverley, und diese war ein Mensch. (Das ist nicht so genau das, was gemeint wird, wie es in der ersten Formulierung ausgedrückt wurde, aber es ist leichter zu behalten.) Wenn wir verallgemeinernd sagen wollen, der Autor von Waverley hatte die Eigenschaft φ, so ist das, was wir sagen wollen, äquivalent mit Eine und nur eine Entität schrieb Waverley, und die hatte die Eigenschaft φ. Die Erklärung der Bedeutung ist folgende: Da jede Aussage, in der der Autor von Waverley vorkommt, wie oben angegeben erklärt wird, wird aus der Aussage SCOTT war der Autor von Waverley (d. h. SCOTT war identisch mit dem Autor von Waverley): Eine und nur eine Entität schrieb Waverley und SCOTT war mit ihr identisch, oder ganz explizit: Es ist nicht immer falsch von x, daß x Waverley schrieb, daß es immer wahr von y ist, daß wenn y Waverley schrieb, y mit x identisch ist, und daß SCOTT mit x identisch ist. Wenn "C" also eine Kennzeichnung ist, kann es sein, daß es eine Entität x gibt (mehr als eine kann es nicht geben), für die die Aussage x ist identisch mit C wahr ist, wobei diese Aussage wie eben interpretiert wird. Wir können dann sagen, daß x die Bedeutung des Ausdrucks "C" ist. So ist SCOTT die Bedeutung von "der Autor von Waverley. Das "C" mit Anführungszeichen ist nur der Ausdruck, nichts, was Sinn genannt werden könnte. Der Ausdruck für sich hat keinen Sinn, weil er in jeder Aussage, in der er vorkommt, nach ihrer vollständigen Analyse nicht mehr enthalten, sondern aufgelöst ist. Das Problem mit der Neugier GEORGE des IV. findet nur eine sehr einfache Lösung. Die Aussage SCOTT war der Autor von Waverley, die in nicht abgekürzter Form im vorangegangenen Absatz ausgeschrieben wurde, enthält mit der Autor von Waverley keinen Bestandteil, für den man SCOTT einsetzen könnte. Das beeinträchtigt nicht die Wahrheit von Ableitungen, die sich ergeben, wenn man für der Autor von Waverley etwas einsetzt, was verbal eine Ersetzung von SCOTT ist, solange nur der Autor von Waverley primär (wie ich es nennen will) gebraucht wird. Der Unterschied zwischen primärem und sekundärem Gebrauch von Kennzeichnungen ist folgender: Sagen wir: GEORGE IV. wollte wissen, ob so-und-so oder : So-und-so ist überraschend oder So-und-so ist wahr usw., dann muß das So-und-so eine Aussage sein. Nehmen wir nun an, so-und-so enthält eine Kennzeichnung. Dann können wir diese Kennzeichnung entweder aus der untergeordneten Aussage so-und-so oder aus der ganzen Aussage eliminieren, von der so-und-so nur ein Bestandteil ist. Wir erhalten verschiedene Aussagen, je nachdem, was wir tun. Ein empfindlicher Jachtbesitzer soll einmal einem Gast, der zum erstenmal die Jacht sah und sagte: Ich dachte, Ihre Jacht ist größer, als sie ist, geantwortet haben: Nein, meine Jacht ist nicht größer, als sie ist. Was der Gast meinte, war: Der Umfang, den, wie ich dachte, Ihre Jacht hat, ist größer als der Umfang, den Ihr Jacht hat; unterstellt wurde ihm: Ich dachte, der Umfang Ihrer Jacht sei größer als der Umfang Ihrer Jacht. Um auf GEORGE IV. und Waverley zurückzukommen: wenn wir sagen: GEORGE IV. wollte wissen, ob SCOTT der Autor von Waverley ist, meinen wir gewöhnlich GEORGE IV. wollte wissen, ob ein und nur ein Mensch Waverley schrieb und SCOTT dieser Mensch war; wir können aber auch meinen: Ein und nur ein Mensch schrieb Waverley, und GEORGE IV. wollte wissen, SCOTT dieser Mensch war. Im ersten Fall wird der Autor von Waverly sekundär gebraucht, im zweiten Fall primär. Im zweiten Fall könnte man auch sagen: GEORGE IV. wollte in Bezug auf den Mann, der tatsächlich Waverley schrieb, wissen, ob er SCOTT war. Das wäre zum Beispiel wahr, wenn GEORGE IV. SCOTT von weitem gesehen und gefragt hätte: Ist das SCOTT? Ein sekundärer Gebrauch einer Kennzeichnung kann als ein Gebrauch definiert werden, bei dem der Ausdruck in einer Aussage p vorkommt, die nur ein Bestandteil der gerade untersuchten Aussage ist, und die Ersetzung der Kennzeichnung in p geschieht, nicht in der vollständigen Aussage. Die Ungewißheit, ob primärer oder sekundärer Gebrauch vorliegt, ist in der Sprache kaum zu vermeiden, was ohne Nachteil bleibt, wenn wir aufpassen. In der symbolischen Logik ist sie natürlich leicht zu vermeiden. Die Unterscheidung zwischen primärem und sekundärem Gebrauch befähigt uns auch, die Frage zu behandeln, ob der gegenwärtige König von Frankreich eine Glatze hat oder nicht, und allgemein den logischen Status von Kennzeichnungen, die nichts kennzeichnen. Wenn "C" eine Kennzeichnung ist, etwa der Begriff mit der Eigenschaft F, dann bedeutet C hat die Eigenschaft φ:
Wir verstehen nun auch, wie man verneinen kann, daß es einen derartigen Gegenstand gibt wie den Unterschied zwischen A und B, wenn A und B nicht verschieden sind. Wenn A und B verschieden sind, dann gibt es eine und nur eine Entität x derart, daß x ist der Unterschied zwischen A und B eine wahre Aussage ist; wenn A und B nicht verschieden sind, gibt es keine derartige Entität x. Nach dem oben erklärten Sinn einer Bedeutung hat also der Unterschied zwischen A und B eine Bedeutung, wenn A und B verschieden sind, sonst dagegen nicht. Dieser Unterschied trifft allgemein auf wahre und falsche Aussagen zu. Wenn a R b = a hat die Relation R zu b heißen soll, dann gibt es eine derartige Entität wie die Relation R zwischen a und b, wenn a R b wahr ist, und keine derartige Entität, wenn a R b falsch ist. So können wir aus jeder Aussage eine Kennzeichnung machen, die eine Entität kennzeichnet, wenn die Aussage wahr ist, aber nicht, wenn sie falsch ist. Zum Beispiel ist es wahr (wir wollen es jedenfalls unterstellen), daß sich die Erde um die Sonne dreht, und falsch, daß sich die Sonne um die Erde dreht; also kennzeichnet die Umdrehung der Erde um die Sonne eine Entität, die Umdrehung der Sonne um die Erde dagegen nicht. (14) Der ganze Bereich von Nicht-Entitäten wie das runde Quadrat, die gerade Primzahl ungleich zwei, Apoll, Hamlet usw. kann nun zu unserer Zufriedenheit behandelt werden. Es sind alles Kennzeichnungen, die nichts kennzeichnen. Eine Aussage über Apoll besagt etwas, was wir durch Einsetzung dessen erhalten, was in einem Lexikom der Antike unter APOLL eingetragen ist, etwa der Sonnengott. Alle Aussagen, in denen Apoll vorkommt, sind nach den obigen Regeln für Kennzeichnungen zu interpretieren. Wenn Apoll primär gebraucht wird, ist die Aussage falsch; wenn sekundär, kann sie wahr sein. Entsprechend bedeutet Das runde Quadrat ist rund = Es gibt eine und nur eine Entität x, die rund und quadratisch ist, und diese Entität ist rund, was eine falsche Aussage ist und nicht, wie MEINONG behauptet, eine wahre. Aus Das vollkommene Sein hat alle Vollkommenheiten; Existenz ist eine Vollkommenheit; also existiert das vollkommene Sein wird: Es gibt eine und nur eine Entität x, die vollkommen ist; diese hat alle Vollkommenheiten; Existenz ist eine Vollkommenheit; also existiert diese Entität. Mangels eines Beweises der Prämisse Es gibt eine und nur eine Entität x, die vollkommen ist ist das kein Beweis. (15) MacCOLL (in "Mind", Neue Folge, Nr. 54 und Nr. 55, Seite 401) unterscheidet zwei Arten von Individuen, wirkliche und unwirkliche, und definiert die Null-Klasse als Klasse aller unwirklichen Individuen. Damit nimmt er an, daß Ausdrücke wie der gegenwärtige König von Frankreich, die kein wirkliches Individuum kennzeichnen, doch ein Individuum kennzeichnen, aber ein unwirkliches. Das ist im wesentlichen die Theorie MEINONGs, die wir mit guten Gründen verworfen haben, weil sie mit dem Gesetz vom Widerspruch unverträglich ist. Mit unserer Theorie des Kennzeichnens können wir annehmen, daß es keine unwirklichen Individuen gibt, so daß die Null-Klasse die Klasse ist, die keine Elemente hat, nicht die Klasse, die als Elemente alle unwirklichen Individuen hat. Es ist wichtig, die Konsequenz unserer Theorie für die Interpration von Definitionen zu sehen, die Kennzeichnungen gebrauchen. Hierzu gehören die meisten mathematischen Definitionen, zum Beispiel m - n bedeutet die Zahl, deren Addition zu n m ergibt. Auf diese Weise wird m - n definiert als etwas, das dasselbe bedeutet wie eine bestimmte Kennzeichnung. Wir haben aber gesehen, daß Kennzeichnungen isoliert keine Bedeutung haben. Deshalb sollte die Definition eigentlich lauten: Jede Aussage, die m - n enthält, soll den Sinn der Aussage haben, die sich aus der Einsetzung von "die Zahl, deren Addition zu n m ergibt" für "m - n" ergibt. Die sich ergebende Aussage wird nach den schon angegebnen Regeln für die Interpretation von Aussagen interpretiert, deren verbaler Ausdruck eine Kennzeichnung enthält. Wenn m und n derart sind, daß es eine und nur eine Zahl x gibt, deren Addition zu n m ergibt, dann gibt es eine Zahl x, die in jeder Aussage mit m - n für m - n eingesetzt werden kann, ohne die Wahrheit oder Falschheit der Aussage zu verändern. Sonst aber sind alle Aussagen, in denen "m - n" primär gebraucht wird, falsch. Die obige Theorie erklärt, die obige Theorie erklärt, warum die Identität ein nützlicher Begriff ist. Niemand möchte außerhalb eines Logikbuches sagen, x sei x, und doch behauptet man oft eine Identität in Aussagen der Form SCOTT war der Autor von Waverley oder Du bist der Mann. Die Bedeutung solcher Aussagen kann nicht ohne den Begriff der Identität festgestellt werden, obgleich sie nicht einfach Aussagen sind, daß SCOTT mit einem anderen Term, dem Autor von Waverley, identisch ist, oder daß du mit einem anderen Term identisch bist, dem Mann. Die kürzeste Erklärung für SCOTT ist der Autor von Waverley scheint die zu sein: SCOTT schrieb Waverley; und es ist immer wahr von y, daß y mit SCOTT identisch ist, wenn y Waverley schrieb. Auf diese Weise gelangt der Begriff der Identität in die Aussage SCOTT ist der Autor von Waverley, und wegen solcher Verwendungen hat es Sinn, eine Identität zu behaupten. Ein interessantes Ergebnis unserer Theorie ist dieses: Wenn uns etwas vorliegt, womit wir keine unmittelbare Bekanntschaft, sondern wovon wir nur eine Definition mit Kennzeichnungen haben, dann enthalten die Aussagen, die dieses Ding mittels einer Kennzeichnung einführen, es nicht wirklich als Bestandteil, sondern statt dessen die Bestandteile, die durch die verschiedenen Wörter der Kennzeichnung ausgedrückt werden. Also sind in jeder Aussage, die wir erfassen können (d. h. nicht nur in denen, über deren Wahrheit oder Falschheit wir entscheiden, sondern in allen, über die wir nachdenken können), alle Bestandteile tatsächlich Entitäten, mit denen wir unmittelbare Bekanntschaft haben. Nun sind solche Dinge wie die Materie (in dem Sinn, in dem man in der Physik von Materie spricht) und die seelischen und geistigen Zustände und Ereignisse anderer Menschen uns nur durch Kennzeichnungen bekannt, d. h. wir haben mit ihnen keine Bekanntschaft, sondern kennen sie als etwas, was die und die Eigenschaften hat. Obgleich wir also Aussagefunktionen C (x) bilden können, die für das und das Materieteilchen oder So-und-sos Geist gelten müssen, sind wir dennoch nicht mit den entsprechenden Aussagen bekannt (die, wie wir wissen, wahr sein müssen), weil wir mit den wirklichen Entitäten, die die Aussagen betreffen, nicht in Berührung kommen können. Was wir wissen, ist: So-und-sos Geist hat die und die Eigenschaften, aber wir wissen nicht: A hat die und die Eigenschaften, wobei A der betreffende Geist ist. In solchen Fällen kennen wir die Eigenschaften eines Dings, ohne mit dem Ding selbst bekannt zu sein und folglich ohne eine einzige Aussage zu kennen, von der das Ding selbst ein Bestandteil ist. Über die vielen anderen Konsequenzen der von mir vertretenen Auffassung will ich nichts sagen. Ich möchte den Leser nur bitten, sie nicht zu verwerfen - wie er wegen ihrer scheinbar übertriebenen Kompliziertheit zu tun geneigt sein könnte -, ehe er selbst eine Theorie des Kennzeichnens aufzustellen versucht hat. Dieser Versuch wird ihn, glaube ich, davon überzeugen, daß eine solche Theorie, welche auch immer die wahre ist, nicht so einfach sein kann, wie man vorher erwartet haben könnte. ![]()
1) Ich habe dieses Thema in Principles of Mathemathics, Kap. V und §476 behandelt. Die dort vertretene Theorie ist fast dieselbe wie die FREGEs und von der hier vertretenen ganz verschieden. 2) (proposition; auch als "Aussageinhalt" übersetzbar.) Genauer: für eine Aussagefunktion (propositional function). 3) Die Stellung der Anführungszeichen entspricht genau der in der englischen Ausgabe (Anm. des Übers.) 4) Der zweite Begriff kann durch den ersten definiert werden, wenn ihn als äquivalent betrachten mit: Es ist nicht wahr, daß "C (x) ist falsch" immer falsch ist. 5) Statt dieses komplizierten Ausdrucks werde ich manchmal die Ausdrücke gebrauchen: C (x) ist nicht immer falsch oder C (x) ist manchmal wahr, die jedoch als gleichbedeutend mit dem komplizierten Ausdruck definiert sein sollen. 6) Wie BRADLEY in seiner "Logik", Buch I, Kap. II überzeugend gezeigt hat. 7) Psychologisch betrachtet deutet "C (ein Mensch)" nur einen, und "C (einige Menschen)" mehr als einen Menschen an, aber wir können diese Andeutungen in einer vorläufigen Skizze vernachlässigen. 8) Siehe die ersten drei Artikel in "Untersuchungen zur Gegenstandstheorie und Psychologie", Leipzig 1904 von MEINONG, AMESEDER und MALLY. 9) GOTTLOB FREGE, "Über Sinn und Bedeutung" in Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, Bd. 100 10) FREGE unterscheidet Sinn und Bedeutung nicht nur bei zusammengesetzten Kennzeichnungen, sondern bei allen Zeichen. Nicht die Bedeutung, sondern der Sinn der Bestandteile einer zusammengesetzten Kennzeichnung geht in deren Sinn ein. In der Aussage Der Montblanc ist über 1000 m hoch ist nach FREGE der Sinn von Montblanc und nicht der tatsächliche Berg ein Bestandteil des Sinns der Aussage. 11) Bei dieser Theorie werden wir sagen, daß die Kennzeichnung einen Sinn ausdrückt (expresses a meaning) und daß sowohl der Ausdruck als auch der Sinn eine Bedeutung bedeutet (denote a denotation). In der von mir vertretenen Theorie dagegen gibt es keinen Sinn (meaning) und nur manchmal eine Bedeutung (denotation). 12) Ich verwende diese Wörter als Synonyme. 13) Das ist nicht die genaue, sondern die abgekürzte Interpretation. 14) Die Aussagen, aus denen solche Entitäten abgeleitet sind, sind weder mit diesen Entitäten noch mit den Aussagen identisch, daß diese Entitäten Sein haben. 15) Mit diesem Argument kann man beweisen, daß alle Elemente der Klasse der vollkommenen Seienden existieren; man kann damit auch formal beweisen, daß diese Klasse nicht mehr als ein Element haben kann; wenn man aber die Definition der Vollkommenheit als Besitz aller positiven Prädikate gebraucht, kann man fast ebenso formal beweisen, daß die Klasse nicht einmal ein einziges Element hat. |