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ERICH BECHER
Philosophische Voraussetzungen
der exakten Wissenschaften

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Vorwort / I. Einleitung
II. Der Wert der Hypothesen
III. Kritik der Hypothese von der Erkennbarkeit
IV. Prüfung der kritischen Bedenken
V. Erkenntnisse über die Außenwelt

"Der naive Mensch - auch ein Metaphysiker - nimmt an, die Außenwelt sei ihrem Wesen, ihrer inneren Natur nach farbig, süß, warm, ausgedehnt usw., je nachdem. Farbe ist das Wesen der bewußten Farbempfindung, Süß ist eine bewußte Empfindung, Wärme ist eine ebensolche Empfindung, ausgedehnt sind Gesichtswahrnehmungen, Tastwahrnehmungen, also Bewußtseinsinhalte."

"Der Begriff des Seins kann von nichts anderem gewonnen sein, als zuletzt vom eigenen Bewußtsein."

IV. Prüfung der kritischen Bedenken
gegen die Außenweltshypothese

[Fortsetzung 2]

Was wir über die Außenwelt Spezielles annehmen können, werden wir weiter unten untersuchen. Welcher "Natur" sie ist, das hat eigentlich die allgemeine Metaphysik auszumachen und da sind die vielen Streitigkeiten allerdings eine mißliche Sache. Hier ist aber doch folgendes gegen obigen Einwurf zu erwidern. Erstens bestehen im Bewußtsein Regelmäßigkeiten zwischen Inhalten, die auch "ihrer Natur nach", d. h. qualitativ recht verschieden sind. Zweitens unterscheidet sich fremdes Bewußtsein vom meinigen, denn sonst wäre es ja nicht  fremdes  Bewußtsein. Ob das ein Unterschied "der Natur nach", etwa auch ein Qualitätsunterschied ist, bleibe dahingestellt. Drittens haben wir nichts darüber ausgemacht, ob die Außenwelt nicht vielleicht auch Bewußtsein sei, sondern nur, daß sie etwas sei, was noch nicht mit den Bewußtseinsströmen der Menschen und Tiere gegeben sei. Wenn etwa BERKELEY recht hätte, dann wäre das, was wir Außenwelt nannten, jene neuen Antezedenzien also, Gott, demnach etwas seiner Natur nach Bewußtes. Wie dem auch sei, wir können viertens schließlich zeigen, daß die induktiv erschlossene Außenwelt notwendig von solcher Natur, von solchem Wesen gedacht werden muß und von den feindlichsten Metaphysikern gedacht worden ist, daß ihr Wesen auch am Bewußtsein auffindbar ist. Dazu bemerke ich erstens: wenn ich, wie viele Inhalte meines Bewußtseins schon regelmäßige Antezedenzien bewußter Natur haben, auch vollständige regelmäßige Antezedenzienkomplexe zu den Wahrnehmungen induktiv erschließe, so werde ich doch wohl annehmen, daß auch diese, wenn auch nicht in Menschen- und Tierbewußtseinen enthaltenen Existenzen ihrem Wesen nach etwas sind, was unter den Gattungsbegriff der vielen Arten von Bewußtseinsexistenzen fällt. Genauso war ich ja überzeugt, daß die Inhalte fremder Menschen und Tiere unter die Gattung  Bewußtsein  subsumiert werden können. Das liegt im Wesen der Regelmäßigkeitsschlüsse, der Induktionen. Weshalb sollte es nicht so sein? Zweitens: alle Metaphysiker, so uneinig sie waren, haben doch das Wesen der Außenwelt in etwas gefunden, was auch Eigenschaft von Bewußtem ist. Der naive Mensch - auch ein Metaphysiker - nimmt an, die Außenwelt sei ihrem Wesen, ihrer inneren Natur nach farbig, süß, warm, ausgedehnt usw., je nachdem. Farbe ist das Wesen der bewußten Farbempfindung, Süß ist eine bewußte Empfindung, Wärme ist eine ebensolche Empfindung, ausgedehnt sind Gesichtswahrnehmungen, Tastwahrnehmungen, also Bewußtseinsinhalte. Der Fetischist meint, die Außenwelt sei voller Geister, das ist voller Bewußtsein. Ist die Außenwelt ihrem Wesen nach Wille, wie SCHOPENHAUER meinte, so ist ja Wille auch im Bewußtsein zu finden. Nimmt CARTESIUS an, die Außenwelt sei ausgedehnt und nichts als das, so kommt, wie gesagt, die Ausdehnung auch Bewußtseinsinhalten zu. Auch KANT meint, die Dinge an sich seien geistiger Natur. - Nur EDUARD von HARTMANNs Unbewußtes scheint eine Ausnahme zu machen. - Diese seltene Einigkeit in einer metaphysischen Frage ist leicht erklärlich; denn wenn ich der Außenwelt ein Wesen und sei es noch so dürftig, wie etwa das des Ausgedehntseins, zuschreibe, so kann ich dieses Wesen ja doch zuletzt von nichts anderem nehmen, als von meinem Bewußtsein. Demnach ist der Begriff des Unbewußten ein gänzlicher negativer, wenn er so aufgefaßt wird, daß in seinem Inhalt nichts anderes steckt als der kontradiktorische Gegensatz zu allen, was Bewußtsein ist. Ein solches Unbewußtes wäre für meine Vorstellung nicht vom Nichts verschieden. So kommen wir schon zum dritten Punkt. Ich meine, wenn man von irgendetwas, z. B. von der Außenwelt, aussagt, es existiere, so kann man damit nur meinen, es habe mit den Inhalten meines Bewußtseins so viel gemein, daß es, wenn im Strom meines Bewußtseins vorhanden, als mir bewußt bezeichnet werden würde. Existieren heiße Qualität-Sein, Inhalt-Sein, wie das Existieren meiner Bewußtseinsinhalte in ihrem Qualität-Sein besteht. Das ist zunächst die Auffassung des naiven Menschen; wenn er einer Sache das Sein zuspricht, so will er damit sagen, sie sei qualitativ so oder anders. Sagt er, dort im Garten  sei  eine blühende Rose, so meint er, dort befänden sich Qualitäten, Farben vor allem, Geruch usw. Das ist eine Auffassung der Existenz, die Hand und Fuß hat. Was sollen demgegenüber die Definitionen unserer ersten Metaphysiker, Sein sie absolute Position, Setzung. Ich muß gestehen, daß ich in dieser Begriffsbestimmung nichts sehen kann, als die Erläuterung einer an sich klaren Sache durch ein recht schlecht passendes Bild. Wenn ich von einem einzigen Atom oder von der ganzen Welt, von einer Empfindung oder von Gott sage, sie existieren, so meine ich doch nicht, sie seien gesetzt oder gestellt oder gelegt worden. Die Definition überträgt die menschliche Tätigkeit des Setzens auf etwas, von dem wir vielleicht gar nicht wissen, ob es als Resultat irgendeiner der menschlichen Tätigkeit analogen Handlung aufgefaßt werden darf. Demgegenüber meine ich, daß wir dem Begriff des Seins, der Existenz, dem Sinn wiedergeben sollen und müssen, welchen jeder von philosophischer Bildung unberührte Mensch mit diesen Worten verbindet. Der Begriff des Seins kann von nichts anderem gewonnen sein, als zuletzt vom eigenen Bewußtsein. Gehe ich über dieses hinaus und nehme ich irgendwo ein weiteres Seiendes an, so kann ich damit nur meinen, daß da auch etwas meinen Bewußtseinsinhalten Analoges besteht. Der Begriff des Seins entsteht durch Beachten des Gemeinsamen im vergleichenden Durchlauf der Bewußtseinsinhalte. Wie der Begriff der Farbe sich zu allem möglichen einzelnen Farben verhält, so verhält sich der Begriff des Seins zu allen möglichen Bewußtseinsinhalten. Wie der Begriff der Farbe zu Recht besteht, ohne daß wir alle Farben gesehen zu haben brauchen, wie dieser also auf Farben anwendbar ist, die ich nicht erlebt, vielleicht kein Mensch oder Tier erlebt hat, so kann der Begriff des Seins zu Recht bestehen und auf Seiendes anwenbar sein, das weder ich noch irgendein Mensch oder Tier erlebt, d. h. im Bewußtsein gehabt haben. Der Begriff des Seins fällt mit dem des Bewußt-Seins zusammen, wenn man in letzterem nicht das Stecken in und Verbundensein mit einem Strom, einem Komplex von Bewußtsein, mit einer Seele, hineinnimmt. Alles, was ist, ist Qualität und alles, was bewußt ist, ist Qualität. Was aber absolut nicht Qualität ist, das ist auch nicht. Der Gedanke, daß Sein, Qualität-Sein und Bewußt-Sein identische Begriffe seien, hat nur deshalb etwas scheinbar Gefährliches, weil wir immer so sehr geneigt sind, unter Bewußt-Sein etwas anderes zu verstehen, als den Gattungsbegriff zu Empfindungen, abgeleiteten Vorstellungen, Gefühlen, Wollungen. Sprechen wir von Bewußt-Sein, so denken wir - unter dem Einfluß der vulgären Bedeutung der Wörter - sehr leicht an "in einem Bewußtseinsein", in einem Bewußtseinsstrom, einer Seele stecken. Machen wir uns von dieser Terminologie des naiven Menschen frei, so wird die obige Gleichsetzung der drei Wortbedeutungen durchaus natürlich und selbstverständlich erscheinen.

Kehre ich nun zum Einwurf der Außenweltsgegner zurück, so ist demselben die Spitze genommen. Wenn ich von der Außenwelt annehme, sie existiere, so nehme ich damit schon an, sie sei ihrem Wesen, ihrer Natur nach etwas Qualität-Seiendes, Bewußt-Seiendes. Der Unterschied zwischen den Schlüssen auf fremdes Menschen- und Tierbewußtsein und auf eine existierende Außenwelt besteht also nicht im Sinne dieses Einwurfs.

Der Gegner wird nun sagen, Begriffsbestimmungen seien zuletzt willkürlich und ich mach zweierlei nicht dadurch gleich, daß ich den Begriff des einen auch auf das andere anwende. Der Unterschied zwischen dem Qualität-Sein der etwaigen Außenwelt und dem Qualität-Sein fremden Menschen- und Tierbewußtseins sei doch nicht aus der Welt zu schaffen.

Demgegenüber wollen wir uns einmal folgendes überlegen. Zwischen dem etwaigen Sein der Außenwelt und dem Sein fremden Menschen- und Tierbewußtseins können zweierlei Unterschiede bestehen, wenn beider Sein ein Qualität-Sein ist. Erstens Unterschiede der Qualität, zweitens Unterschiede der Verbindungsweisen der Qualitäten. Unterschiede der ersten Art sind zweifellos zwischen einer etwaigen Außenwelt und Menschen- und Tierbewußtsein vorhanden. In der Außenwelt wird es Qualitäten geben, die in keinem Menschen- und Tierbewußtsein zu finden sind und umgekehrt. Aber wird es nicht auch im Tierbewußtsein Qualitäten geben, die im Menschenbewußtsein nicht auffindbar sind? Nie hat man prinzipielle Bedenken dagegen gehabt, daß Tiere Sinne und Sinnesempfindungen haben können, die dem Menschen fehlen. Sicher ist die Grenze der Sichtbarkeit an beiden Seiten des Spektrums für verschiedene Menschen und Tiere verschieden. Habe ich also keinen Anstoß daran genommen, daß in fremdem Menschen- und Tierbewußtsein mir unbekannte Qualitäten vorkommen können und sicherlich vorkommen, warum sollte ich Anstoß daran nehmen, daß in der Außenwelt andere Qualitäten stecken mögen. Der Unterschied ist nur graduell.

Wir kommen nun zum zweiten Punkt. Wir haben guten Grund anzunehmen, daß die Verbindungsweise der Qualitäten (ihre Beziehungen zueinander) in der Außenwelt stellenweise eine recht wesentlich andere ist, als in uns, in anderen Menschen und Tieren, in denen ja die Qualitäten (Bewußtseinsinhalte) in so eigenartiger Weise zu Bewußtseinsströmen, zum Seelenleben zusammengefaßt sind. Vielleicht liegen z. B. in der Außenwelt unendlich viel einfachere Qualitätenkomplexe vor. - Aber müssen wir nicht auch annehmen, daß in einer Ameise die Qualitäten (Bewußtseinsinhalte) in ganz anderer Weise zum Gesamtbewußtsein verbunden sind, als in uns? Müssen nicht beim Herabsteigen in der Tierreihe die Bewußtseinsverbindungen anders und einfacher werden, wie das Nervensystem anders und einfacher wird? Sehen wir nicht in unserem eigenen Bewußtseinszusammenhang, wie in demselben einfachere Bewußtseinsverbindungen niederer Ordnung sozusagen als Teile des Ganzen vorliegen, wie diese Teilverbindungen untereinander auch mannigfaltig verschieden sind. Müssen wir aber solche Unterschiede der Verbindungsweisen von Qualitäten in Menschen und Tierseelen anerkennen, so müssen wir auch gestehen, daß auch in diesem Punkt nur ein gradueller Unterschied zwischen fremdem Menschen- und Tierbewußtsein und Außenwelt besteht.

Durch alle diese Erörterungen haben wir zu zeigen versucht, daß ein prinzipieller Unterschied zwischen den Schlüssen auf fremdes Menschen- und Tierbewußtsein, auch auf vergangene und nicht erinnerte sowie auf zukünftige Bewußtseinsinhalte und den Schlüssen auf eine Außenwelt nicht besteht. Freilich kommt allen diesen induktiven Schlüssen keine absolute Gewißheit, sondern nur Wahrscheinlichkeit zu, die allerdings in vielen Fällen praktisch der Gewißheit gleichzusetzen ist. Will jemand nichts als Gewißheit, lehnt er alle Wahrscheinlichkeit ab, so muß er die Außenweltshypothese ablehnen. Aber er muß ebenso alle Annahmen über Vergangenes und Zukünftiges, sowie die eines fremden Tier- und Menschenbewußtseins ablehnen. Es bleibt dabei: die Anerkennung von vergangenem, zukünftigem und fremdem Seelenleben steht auf gleicher Stufe mit der der Außenwelt. Den einen Schritt über das Gegebene, ja über alles eigene Bewußtsein hinaus zu tun und dann den anderen unterlassen zu wollen, ist Willkür.

Ein weiterer Einwurf gegen die Außenweltshypothese trifft wieder ebenso die Annahme eigenen nicht erinnerbaren, sowie fremden Tier- und Menschenbewußtseins. Bei Gelegenheit unserer allgemeinen Erörterungen über Hypothesenbildung haben wir das oft ausgesprochene Postulat untersucht, eine Hypothese müsse "ihrer Natur nach" beweisbar sein. Hypothesen seien nicht dazu da, immer Hypothesen zu bleiben, sondern sie müßten einmal zu bewiesenen Wahrheiten werden können. Sei das ganz ausgeschlossen, so solle man die Hypothese überhaupt nicht bilden. - Wir konnten diese Maxime nicht vertreten. Vielmehr meinten wir, daß auch dort die Wahrscheinlichkeit nicht wertlos sei, wo keine Aussicht zu finden ist, sie dereinst in Wahrheit zu verwandeln. Hat also eine Hypothese eine genügende oder gar sehr hohe Wahrscheinlichkeit, so werden wir sie nicht deshalb verwerfen, weil keine Aussichten vorhanden sind, die Hypothese in eine bewiesene Wahrheit zu überführen. - Die Außenweltshypothese ist nun von gedachtem Charakter. Sie hat einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit; denn sie stützt sich auf eine Unsumme von Tatsachen, macht oder erweitert nur  eine  Annahme und ist unendlich oft bestätigt worden. Aber sie ist, das muß zugegeben werden, nie bewiesen worden und es ist gar nicht zu sehen, wie sie einmal bewiesen werden sollte. Denn wir können nicht aus unserem Bewußtsein heraus, um uns direkt von der Existenz der Außenwelt zu überzeugen. Die Außenweltshypothese scheint demnach dazu verurteilt, immer Hypothese zu bleiben, so hoch auch ihre Wahrscheinlichkeit steigen mag.

Nach unserer Stellungnahme zu derartigen Hypothesen wird uns dieser Sachverhalt nicht veranlassen, die Außenwelt fallen zu lassen. Ist aber unser Außenweltsfeind geneigt, diese Konsequenz zu ziehen, so machen wir ihn darauf aufmerksam, daß er dann auch konsequenterweise eigenes nicht erinnerbares und fremdes Menschen- und Tierbewußtsein nicht anerkennen darf. Freilich Annahmen über zukünftige Inhalte meines Bewußtseins werden einmal zu gewissen Erkenntnissen über mir momentan Gegebenes, sie sind also fähig, zu gewissen Tatsachen zu werden. Aber meine vergangenen Bewußtseinsinhalte sind unwiederbringlich dahin; im günstigsten Falle werden sie noch einmal erinnert. Die Erinnerung kann täuschen. Vergangene Inhalte meines Bewußtseins nehme ich auch an, wenn ich sicher bin, mich ihrer nie wieder erinnern zu können. Man denke an das Bewußtsein im Säuglingsalter. Annahmen darüber werden nie zu bewiesenen Tatsachen. Und nun das Bewußtsein fremder Menschen und Tiere! Wie ich nicht aus meinem Bewußtsein heraus kann in die Außenwelt, so kann ich auch nicht in das Bewußtsein fremder Menschen und Tiere, um mich von der Existenz dieses fremden Bewußtseins direkt zu überzeugen. Auch die Annahme fremden Menschen- und Tierbewußtseins scheint prädestiniert, auf immer hypothetisch zu bleiben. Ist unser Außenweltsgegner also nicht Solipsist, ja glaubt er auch nur an vergangene nicht mehr erinnerbare Inhalte in seinem Bewußtsein, so ist doch, was diesen Annahmen recht ist, der Außenweltshypothese auch billig.

Die Auffassung, die jemand sich über Hypothesen gebildet hat, wird sich natürlich in seiner Stellungnahme zu einer speziellen, der Außenweltshypothese, spiegeln. Wir haben der Überzeugung Ausdruck verliehen, daß der maßgebende Gesichtspunkt für die Beurteilung von Fiktionen die Zweckmäßigkeit, für die von Hypothesen aber die Wahrscheinlichkeit sei. Wollten wir aber auch an die Außenweltshypothese den Maßstab der Zweckmäßigkeit legen, so würde sie die Prüfung auf das Beste bestehen. Das zeigt zunächst schon die Tatsache, daß im praktischen Leben der erbitterste Außenweltsfeind wie jedermann sich der Hypothese bedient. Nun sind aber durch einen seltsamen Zusammenhang von Gedankenströmungen gerade solche Denker zu Gegnern der Außenweltsannahme geworden, die die Verbindung, die Verwandtschaft der Wissenschaft mit dem Leben immer wieder betont haben (1) und die die Zweckmäßigkeit, die ökonomische Leistungsfähigkeit als Maßstab für die Bewertung wissenschaftlicher Gedankenbildungen in den Vordergrund gestellt haben. Nehmen wir als typischen Repräsentanten dieser Richtung ihren hervorragendsten lebenden Vertreter, ERNST MACH. "Man kann für die Existenz einer außersinnlichen substantiellen (lassen wir das einmal außer Betracht) Bedingung der Wahrnehmung geltend machen, daß ein Körper, den ich in einer gewissen Weise wahrnehme, auch von anderen in entsprechender Weise wahrgenommen werden muß. Diesen Umstand wird ja niemand in Abrede stellen. Derselbe besagt doch nicht mehr, als daß ähnliche Gleichungen, wie dieselben zwischen den enger zusammenhängenden Elementen bestehen, welche mein Ich  I  darstellen, auch zwischen den Elementen anderer Ich  I', I'', I''' ...,  deren Vorstellung mein Weltverständnis erleichtert (sic!), stattfinden und daß ferner solche die Elemente aller  I, I', I'' ...  umfassende Gleichungen bestehen. Mehr wird ein Forscher, der sich seiner rein deskriptiven Aufgabe bewußt ist und der Scheinprobleme zu vermeiden sucht, in dem erwähnten Umstand nicht sehen wollen. Es dürften auch von älteren einseitigen in hergebrachten Ansichten befangenen Auffassungen herrührende Termini den Sachverhalt kaum besser bezeichnen. Mag man nun besagte Gleichungen im Gegensatz zu den sinnlichen Elementen als Noumena oder wegen ihrer Wichtigkeit bei Erkenntnis der wirklichen Welt, als den Ausdruck von Realitäten (sic!) ansehen, auf derartige Streitfragen umd den Ausdruck (?) wird wenig ankommen." (2) Machen wir uns die Sache an einem Beispiel klar: In einem Festsaal brennt ein Kronleuchter. Der Vertreter der Außenwelt nimmt an, dem Kronleuchter entspricht etwas in der Außenwelt. Durch die Beziehungen dieses Etwas zu allen Menschen im Saal sind die ungemein mannigfaltigen Wahrnehmungen des Leuchters bedingt. Ich brauche nur die Existenz dieses Etwas zu kennen und zu wissen, welcher Art die Beziehungen sind, damit die Wahrnehmung in bestimmter Weise entsteht. Dann kann ich alle die wirklich vorhandenen Wahrnehmungen ableiten und voraussagen. MACH dagegen muß jene unendlich mannigfaltigen Beziehungen zwischen all den Wahrnehmungen der vielen Menschen kennen. Diese Beziehungen sind so kompliziert, daß wir alle im Leben den Schluß auf das Außenweltsding machen. Erläutern wir diesen Sachverhalt einmal an der bei MACH so beliebten Analogie, an mathematischen Funktionen. Meine Wahrnehmung  w1  ist nach der Außenweltshypothese Funktion von einem Etwas in der Außenwelt  t,  einer "Urvariablen", wie MACH passend sagt. .... Es ist einfacher, zweckmäßiger, die Wahrnehmungen der Menschen durch ihre Beziehungen zu dieser Urvariablen, der Außenwelt darzustellen, als durch die Beziehungen auf die  Wahrnehmungen  eines Menschen. Man versuche doch einmal, die Bestimmung der Wahrnehmungen anderer Menschen durch ihre Beziehungen zu den eigenen Wahrnehmungen, ohne Einschiebung der Außenwelt, auszudrücken! Die Sache wird ungeheuer kompliziert, schwerfällig, unzweckmäßig. Unwillkürlich kommt das Außenweltsding immer wieder herein. Hinzu kommt die von uns noch unerörterte relative Konstanz der Außenweltsdinge gegenüber meinen Wahrnehmungen. Ich schließe die Augen; das Außenweltsding bleibt unverändert, dagegen ändern sich meine Wahrnehmungen in rasendem Tempo. Meine Wahrnehmungen sind unvergleichlich unbeständiger, wechselvoller, undurchsichtiger (auch unvollständiger) als die wahrgenommenen Außenweltsdinge. Wird es da nicht zweckmäßiger sein, die fremden Wahrnehmungen auf die konstantere Außenwelt zu beziehen, als auf das wechselnde Spiel der Wahrnehmungen?, will ich wissen, was zwanzig Menschen außer mir wahrnehmen, so werde ich doch lieber meine so undurchsichtig wechselnden Wahrnehmungen auf die beständigen Dinge der Außenwelt zurückführen und dann von diesen beständigen Dingen wieder auf das Spiel der Wahrnehmungen in den zwanzig Menschen schließen, als daß ich einmaliges Schließen erspare und von den so unbeständigen, wenig faßbaren eigenen Wahrnehmungen direkt zu den ebenso unbeständigen Wahrnehmungen der zwanzig anderen Menschen übergehe.

Also das Ersparen der Urvariablen ist ein Sparen am falschen Platz, wenn Zweckmäßigkeit, Einfachheit, Ökonomie der Maßstab für die Beurteilung ist. Die Annahme der Außenwelt erleichtert mein Weltverständnichs ebensosehr, wie die Vorstellung der  I', I'', I''' ...  MACHs, d. h. fremder Bewußtseine. In Wirklichkeit verhält sich die Sache sogar so, daß die Beziehungen zwischen den Wahrnehmungen von uns und anderen Menschen so undurchsichtig sind, daß wir sie ohne Zuhilfenahme der "Urvariablen" überhaupt nicht durchschauen können. Nur dadurch, daß wir jene Urvariable zuhilfe nehmen, daß wir die Außenwelt einführen, gelingt es überhaupt, daß wir uns im Getriebe der Wahrnehmungen zurechtfinden. Zwei Menschen gehen in einem Zimmer auf und ab. Man versuche, die Wahrnehmung des einen ohne Zuhilfenahme der Außenwelt durch die des anderen zu bestimmen. Diese Beziehungen sind schon in einem so einfachen Fall unendlich kompliziert, so daß auch der Außenweltsgegner sofort zur Außenwelt, zum beharrenden Zimmer, seine Zuflucht nimmt, um sie sich abzuleiten. Also auch wenn Durchsichtigkeit, Zweckmäßigkeit, ökonomischen Leistungsfähigkeit entscheidend für den Wert einer Hypothese wären, so könnte man der Außenweltshypothese die Anerkennung nicht versagen.

Wir hatten Außenweltsexistenzen angenommen, um unbedingt regelmäßige Antezedenzienkomplexe für die Inhalte von Menschen- und Tierbewußtseinsströmen zu bekommen. Der Außenwelt hatten wir per definitionem alle diejenigen Antezedenzien zugeschrieben, die nicht schon in jenen Bewußtseinsströmen zu finden waren. Im Vorübergehen möge darauf aufmerksam gemacht werden, daß zur Außenwelt in diesem Sinne eventuelle auch diejenigen Inhalte zu rechnen wären, für die die Psychologie die ganz unglückliche Bezeichnung "unbewußte" psychische Inhalte oder Vorgänge nun einmal eingeführt hat. Durch diesen ganz verfehlten Terminus wird immer das Unheil angerichtet werden, daß jene Inhalte oder Vorgänge als kontradiktorisch den bewußten gegenüberstehen aufgefaßt werden, wobei man sich dann von diesem unbewußten Psychischen natürlich absolut keine Vorstellung machen kann. Offenbar brauchen die in Frage stehenden Inhalte oder Vorgänge durchaus nicht unbewußt zu sein; wir können nur feststellen, daß sie nicht so in unseren Bewußtseinsströmen stecken, wie das die sogenannten bewußten geistigen Inhalte und Vorgänge tun. Hier war nur im Vorübergehen auf dieses Unbewußte als auf einen Bestandteil der Außenwelt in unserem Sinne aufmerksam zu machen. Für die weiteren Überlegungen brauchen wir zu den sich anknüpfenden Fragen nicht Stellung zu nehmen.

Alle unsere Bewußtseinsvorgänge, auch die der Tiere, stellen sich nun aufgrund der Außenweltshypothese als Konsequenzien von mehr oder weniger einfachen Komplexen dar, die unbedingt regelmäßig vorhergehen. Mit der Regelmäßigkeitsvoraussetzung sind wir durch das bisherige schon sehr weit gekommen; indessen sind wir offenbar noch nicht am Ende. Wir haben bisher nur da ein Seiendes in der Außenwelt angenommen, wo Inhalte von Menschen- oder Tierbewußtsein ein solches als Antezedens forderte. Unter den so geforderten Außenweltsdingen zeigt sich nun sofort wieder eine gewisse Regelmäßigkeit. Die Wahrnehmung des brennenden Streichholzes fordert ein ihr entsprechendes Etwas in der Außenwelt, die des Aufflammens der genäherten Lampe ebenso; diese beiden Außenweltsdinge müssen, weil es von den Wahrnehmungen gilt, in weitgehendem regelmäßigen Zusammenhang stehen. Aber lückenlos sind die so in der Außenwelt erschlossenen Zusammenhänge nicht.

Wir werden uns also wieder dazu entschließen müssen, neue Antezedenzien anzunehmen, damit auch jedes Etwas in der Außenwelt sich als unbedingt regelmäßiges Konsequenz gewisser stets mit ihm vorhandener Antezedenzien erweist. Haben wir die Wahrnehmung einer Explosion, ohne zu sehen, wie sie zustande gekommen ist, so hat unsere Wahrnehmung schon unbedingt regelmäßige Antezedenzien erhalten durch die Annahme dessen, was ihr in der Außenwelt entspricht; zu diesem ihr in der Außenwelt entsprechenden aber muß ein neuer unbedingter Antezedenzienkomplex angenommen werden, auch wenn diesem keine entprechende Wahrnehmung gefolgt ist.

Zu einem Etwas in Außenwelt finden wir erstens zuweilen regelmäßige Antezedenzien in den bewußten Willensinhalten von Menschen und Tieren, zweitens in anderen Außenweltsexistenzen, die wir schon aufgrund unserer sonst nicht der Regelmäßigkeitsvoraussetzung enstprechenden Wahrnehmungen angenommen hatten. Drittens müssen wir aber zuweilen noch neue Außenweltsantezedenzien hinzufügen, um dieses Etwas in der Außenwelt als unbedingt regelmäßiges Konsequenz auffassen zu können. Nun wird die Annahme weiterer Außenweltsexistenzen dem unbedenklich erscheinen, der überhaupt einmal einige derselben anerkannt hat. Wir brauchen nur darauf hinzuweisen, daß auch die weitere Annahme unendlich oft verifiziert worden ist. Oft haben wir ein vermeintlich nicht wahrgenommenes Außenweltsantezedens in der angedeuteten Weise erschlossen; dann erinnern wir uns nachher, es doch wahrgenommen zu haben; es fällt uns erst wieder ein, nachdem wir es erschlossen haben. Unzählige Male erschließe ich ein nicht wahrgenommenes Außenweltsetwas auf dem besprochenen Weg und dann stellt sich heraus, daß andere Menschen dieses Etwas wahrgenommen haben. Ich befrage bei der Explosion anwesenden Personen und siehe da, das regelmäßige Antezedens, das meiner Wahrnehmung entgangen war, hat im Bewußtsein anderer Personen Wahrnehmungen zur Folge gehabt.

Immerhin muß uns ein unangenehmes Gefühl beschleichen, schon wieder neue Existenzen anerkennen zu sollen. Wir werden uns fragen, wohin der beschrittene Weg denn endlich führen wird. Da gereicht es zu großer Befriedigung, daß es den Anschein hat, als ob durch die Anerkennung der Außenwelt im nun erreichten Umfange (einschließlich des "unbewußten" Psychischen) die besprochene Regelmäßigkeit absolut, lückenlos würde.Alles spricht dafür, daß der Zusammenhang des nun anerkannten Geschehens unbedingt gesetzmäßig sei, derart, daß jedes Etwas solche Antezedenzien hat, auf die es als unbedingte Konsequenz folgt. Beweisen läßt sich diese Annahme nicht, aber alle Erfahrungen scheinen die unbedingte Weltgesetzlichkeit zu bestätigen.

Das muß natürlich den Wert der Regelmäßigkeitsvoraussetzung sehr erhöhen. Wie sonderbar, wie unendlich zufällig müßte dem, der nur sein gegenwärtiges und erinnertes Bewußtes (3) anerkennt, die Tatsache scheinen, daß die Regelmäßigkeitsvoraussetzung, die er für verfehlt hielt, so absolut durchführbar ist. Ihm bleibe es ein Rätsel, daß es überhaupt möglich ist, die Hypothesen über Zukunft, fremdes Bewußtsein und Außenwelt zu bilden, so daß sie in sich und mit dem von ihm Anerkannten harmonieren. Wie zufällig, daß das von ihm Anerkannte diese Deutung und Ergänzung zuläßt! Indem ich eine einzige Voraussetzung immer und immer wieder anwende, entsteeht auf den nur lückenhaften Fundamenten der gewaltige, in sich geschlossene Bau. In den Fundamenten war nur eine Andeutung auf diese Voraussetzung zu finden. Daß der Bau möglich war, gibt der Voraussetzung die Weihe. Indem die Regelmäßigkeit den Charakter der Unbedingtheit, der Lückenlosigkeit, der uneingeschränkten Gültigkeit mehr und mehr annimmt, zu besitzen scheint, nähert sich die Voraussetzung derselben den logischen Axiomen mit ihrer unbedingten Gültigkeit. - Das bleibt natürlich bestehen: So wenig aus der Denknotwendigkeit der Axiome sicher wird, daß sie für jedes Denken jeder Welt gelten müßten (4), so wenig folgt aus dem geschilderten Charakter der Regelmäßigkeitsvoraussetzung ihre Gültigkeit für jede mögliche Welt. Jenem psychischen Zwang, der die Notwendigkeit für das Leben spiegelt, verdankt die Regelmäßigkeitsvoraussetzung ihr Dasein und ihrer unbedingten Durchführbarkeit, ihrer glänzenden Bewährung in dieser Welt verdankt sie ihre Existenzberechtigung in ihr. Nicht anders ist es mit den logischen Axiomen im Prinzip, nicht anders mit allen Voraussetzungen der Wissenschaft, des Denkens überhaupt.

Zum Schluß dieses Abschnittes möchten wir uns noch folgende Bemerkungen erlauben. Um den  positivistischen  Außenweltsgegnern - an die wurde ja in erster Linie gedacht - nicht unnötig einen Stein des Anstoßes zu bereiten, habe ich im vorhergehenden die Worte Ursache und Wirkung vermieden. Vielleicht hat nun der Nichtpositivist an dieser Behandlung der Kausalität etwas auszusetzen. Möglicherweise wird ihn folgendes mit meinem Verfahren aussöhnen. Es scheint mir bei der Bearbeitung metaphysischer Probleme wie überall in der Wissenschaft sehr nützlich, die Fragen zunächst soweit es angeht auseinander zu halten, sie erst einmal einzeln vorzunehmen. Dann bleibt selbstverständlich die Aufgabe, die Zusammenhänge zu bearbeiten. So habe ich nun hier, soweit es anging, Außenweltsproblem und Kausalitätsproblem auseinanderhalten wollen. Es liegt mir dabei ganz fern, die engen Zusammenhänge zu verkennen. Ich habe vom Kausalitätsproblem nur herangezogen, was ich brauchte: die zunächst bedingte, nachher als augenscheinlich unbedingt durchführbar sich erweisende Voraussetzung der Regelmäßigkeit.

Ob in der Kausalitätsannahme mehr steckt, als die Anerkennung unbedingt regelmäßiger Antezedenzien zu jeder Konsequenz oder nicht, braucht uns hier nicht zu kümmern. Jedenfalls ist dieses etwaige Mehr nicht erforderlich für unsere obige Darlegung.

Wir haben angenommen, jedes Etwas habe zu ihm derart gehörige Antezedenzien, daß auf sie das Etwas mit unbedingter Regelmäßigkeit folgt. Das Vorhergehende ist entweder dem folgenden Etwas, abgesehen vom Zeitunterschied, gleich; dann liegt ein Beharren des Antezedens vor, die Konsequenz ist das beharrende Antezedens. Oder, das Antezedens bzw. die Antezdenzien sind von der Konsequenz verschieden. Dann stellt sich die Sukzession als ein Geschehen, ein Vorgang, eine Veränderung dar. In Zukunft wollen wir bei Veränderungen und Vorgängen nun auch den unbedingt regelmäßigen Antezedenzienkomplex als Ursache, das auf ihn unbedingt regelmäßig folgende von ihm Verschiedene als Wirkung bezeichnen. In diesem Sinne haben ja auch die Positivisten HUME und mit Nachdruck MILL (5) von Ursachen und Wirkungen gesprochen. Ich habe damit nichts neu eingeführt in unsere Untersuchung außer zwei Bezeichnungen. Die können im schlimmsten Fall schlecht gewählt sein. Ich betone nochmals, daß ich gar nichts darüber aussage, ob in den Begriffen von Ursache und Wirkung nicht noch mehr steckt. Das ist Gegenstand anderer Untersuchungen: Jedenfalls kann nun unsere Regelmäßigkeitsvoraussetzung in ihrer weitesten Ausdehnung in den Urteilen formuliert werden: jede Veränderung hat eine Ursache. Mit der Ursache ist die Wirkung unbedingt regelmäßig gegeben. Ohne Ursache keine Veränderung, sondern Beharren.

Im besonderen können wir in diesem Sinne nun die Außenwelt als Ursache unserer Wahrnehmungen auffassen.

Über das, was unter Existenz zu verstehen ist und wo wir Existierendes anzunehmen haben, können wir jetzt folgende Bemerkungen anschließen. Wir konnten nicht Existieren und Wirken gleichsetzen, weil wir ja zunächst unser momentan Bewußtes als existierend anerkennen mußten, obwohl nichts darüber ausgemacht war, ob dieses überhaupt irgendwie wirkt. Die Wirksamkeit von Inhalten des Bewußtseins, die psychische Kausalität wird ja vielfach bestritten. Ob mit Recht oder mit Unrecht brauchen wir hier nicht zu untersuchen. Jedenfalls zeigt dieser Streit, daß man etwas als existierend ansehen kann, auch wenn es nicht wirkt. Wir erklärten in Anlehnung an die Auffassung des gesunden Menschenverstandes das Existieren durch die Gleichung: Sein (oder Existieren) = Qualität-Sein = Bewußt-Sein. Nun ergibt sich aus den letzten Betrachtungen aber, daß wir immer dort momentan oder durch Erinnerung Nicht-Gegebenes als existierend annahmen, wo ein regelmäßiger Antezedenzienkomplex ohne dieses Existierende gefehlt hätte, d. h. wo die Ursache, das Wirkende gefehlt hätte. Wo also etwas gewirkt wird, nehmen wir etwas Wirksames, Wirkliches, Existierendes an. Die Wirksamkeit ist das Merkzeichen der nich in meinem Bewußtsein gegebenen Existenzen. Insbesondere gilt von der Außenwelt, daß in ihr dort Existierendes anzunehmen ist, wo sich Wirkungen zeigen. Für den Naturwissenschaftler ist also Wirksamkeit das Merkzeichen, das Kriterium der Existenz, des Qualität-Seins, der Realität seiner dem Bewußtsein transzendenten Außenweltsding. (6)
LITERATUR - Erich Becher, Philosophische Voraussetzungen der exakten Wissenschaften, Leipzig 1907
    Anmerkungen
    1) Man denke an ERNST MACH, Populärwissenschaftliche Vorlesungen
    2) ERNST MACH, Die Prinzipien der Wärmelehre, 2. Auflage, Seite 424, 1900
    3) Schon in der Erinnerungsdeutung steckt etwas von der Regelmäßigkeitsvoraussetzung.
    4) Ausgeführt und begründet findet man das hier Angedeutete bei BENNO ERDMANN, Logik I, 2. Auflage, Seite 524 - 533. Über verwandte Gedanken bei JOHN STUART MILL, sowie über die sich anschließenden Probleme ("Chaosproblem") siehe SIEGFRIED BECHER, Erkenntnistheoretische Untersuchungen zu Stuart Mills Theorie der Kausalität, Halle 1906, IV. Teil, Seite 114f
    5) JOHN STUART MILL, LOGIK I, Buch III, § 6, übersetzt von SCHIEL, 4. Auflage, Braunschweig 1877, Seite 421f
    6) Vgl. BENNO ERDMANN, Logik I, 1. Auflage, 1892, Seite 84. - 2. Auflage, 1907, Seite 138