tb-2Gegenstandsart und IdentitätErinnerungen an Rudolf Carnap    
 
RUDOLF CARNAP
(1891 - 1970)
Überwindung der Metaphysik
durch logische Analyse der Sprache

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  1. Einleitung
  2. Die Bedeutung eines Wortes
  3. Metaphysische Wörter ohne Bedeutung
  4. Der Sinn eines Satzes
  5. Metaphysische Scheinsätze
  6. Sinnlosigkeit aller Metaphysik
  7. Metaphysik als Ausdruck des ....

Da die Sphärenvermengung in der Umgangssprache kein Unheil anrichtet, pflegt man sie überhaupt nicht zu beachten. Das ist für den gewöhnlichen Sprachgebrauch zwar zweckmäßig, hat aber in der Metaphysik unheilvolle Folgen gehabt.


4. Der Sinn eines Satzes

Bisher haben wir Scheinsätze betrachtet, in denen ein bedeutungsloses Wort vorkommt. Es gibt nun noch eine zweite Art von Scheinsätzen. Sie bestehen aus Wörtern mit Bedeutung, sind aber aus diesen Wörtern so zusammengesetzt, daß sich doch kein Sinn ergibt. Die Syntax einer Sprache gibt an, welche Wortverbindungen zulässig und welche unzulässig sind. Die grammatische Syntax der natürlichen Sprachen erfüllt aber die Aufgabe der Ausschaltung sinnloser Wortverbindungen nicht überall. Nehmen wir als Beispiel die folgenden Wortreihen an:
  1. "Caesar ist und",
  2. "Caesar ist eine Primzahl."
Die Wortreihe (1) ist syntaxwidrig gebildet; die Syntax verlangt, daß an dritter Stelle nicht ein Bindewort, sondern ein Prädikat stehe, also ein Substantiv (mit Artikel) oder ein Adjektiv. Syntaxgemäß gebildet ist z.B. die Wortreihe "Caesar ist ein Feldherr"; sie ist eine sinnvolle Wortreihe, ein wirklicher Satz. Ebenso ist aber nun auch die Wortreihe (2) syntaxgemäß gebildet, denn sie hat dieselbe grammatische Form wie der soeben genannte Satz. (2) ist aber trotzdem sinnlos. "Primzahl" ist eine Eigenschaft von Zahlen; sie kann einer Person weder zu- noch abgesprochen werden. Da (2) aussieht wie ein Satz, aber kein Satz ist, nichts besagt, weder einen bestehenden noch einen nicht bestehenden Sachverhalt zum Ausdruck bringt, so nennen wir diese Wortreihe einen "Scheinsatz".

Dadurch, daß die grammatische Syntax nicht verletzt ist, wird man auf den ersten Blick leicht zu der irrigen Meinung verführt, man habe es doch mit einem Satz zu tun, wenn auch mit einem falschen.  "a"  ist eine Primzahl" ist aber dann und nur dann falsch, wenn  a  durch eine natürliche Zahl, die weder  a  noch 1 ist, teilbar ist; hier kann offenbar für " a"  nicht "Caesar" gesetzt werden. Dieses Beispiel ist so gewählt worden, daß die Sinnlosigkeit leicht zu bemerken ist; bei manchen metaphysischen sog. Sätzen ist nicht so leicht zu erkennen, daß sie Scheinsätze sind.

Daß es in der gewöhnlichen Sprache möglich ist, eine sinnlose Wortreihe zu bilden, ohne die Regeln der Grammatik zu verletzen, weist darauf hin, daß die grammatische Syntax, vom logischen Gesichtspunkt aus betrachtet, unzulänglich ist. Würde die grammatische Syntax der logischen Syntax genau entsprechen, so könnte kein Scheinsatz entstehen. Würde die grammatische Syntax nicht nur die Wortarten der Substantive, der Adjektive, der Verben, der Konjunktionen usw. unterscheiden, sondern innerhalb dieser Arten noch gewisse logisch geforderte Unterschiede machen, so könnten keine Scheinsätze gebildet werden.

Würden z.B. die Substantive grammatisch in mehrere Wortarten zerfallen, je nachdem, ob sie Eigenschaften von Körpern, von Zahlen usw. bezeichnen, so würden die Wörter "Feldherr" und "Primzahl" zu grammatisch verschiedenen Wortarten gehören, und (2) würde genau so sprachwidrig sein wie (1). In einer korrekt aufgebauten Sprache wären also alle sinnlosen Wortreihen von der Art dieses Beispiels (1). Sie würden somit schon durch die Grammatik gewissermaßen automatisch ausgeschaltet; d.h. man brauchte, um Sinnlosigkeit zu vermeiden, nicht auf die Bedeutung der einzelnen Wörter zu achten, sondern nur auf die Bedeutung der einzelnen Wörter zu achten, sondern nur auf ihre Wortart (die "syntaktische Kategorie", z.B.: Ding, Dingeigenschaft, Dingbeziehung, Zahl, Zahleigenschaft, Zahlbeziehung u.a.).

Wenn unsere These, daß die Sätze der Metaphysik Scheinsätze sind, zu Recht besteht, so würde also in einer logisch korrekt aufgebauten Sprache die Metaphysik gar nicht ausgedrückt werden können. Daraus ergibt sich die große philosophische Bedeutsamkeit der Aufgabe des Aufbaus einer logischen Syntax, an der die Logiker gegenwärtig arbeiten.


5. Metaphysische Scheinsätze

Wir wollen nun eine Beispiele metaphysischer Scheinsätze aufzeigen an denen sich besonders deutlich erkennen läßt, daß die logische Syntax verletzt ist, obwohl die historisch-grammatische Syntax erfüllt ist. Wir wählen einige Sätze aus derjenigen metaphysischen Lehre, die gegenwärtig in Deutschland den stärksten Einfluß ausübt. (1)
    "Erforscht werden solle das Seiende nur und sonst -  nichts;  das Seiende allein und weiter -  nichts;  das Seiende einzig und darüber hinaus -  nichts.  Wie steht es um dieses Nichts? - - Gibt es das Nichts nur, weil es das Nicht, d. h. die Verneinung gibt? Oder liegt es umgekehrt? Gibt es die Verneinung und das Nicht nur, weil es das Nichts gibt?' - - Wir behaupten:  Das Nichts ist ursprünglicher als das Nicht und die Verneinung.  - - Wo suchen wir das Nichts? Wie finden wir das Nichts? - - Wir kennen das Nichts. - -  Die Angst offenbart das Nichts.  - - Wovor und warum wir uns ängstigten, war  eigentlich  - nichts. In der Tat: das Nichts selbst - als solches - war da. - -  Wie steht es um das Nichts? - - Das Nichts selbst nichtet." 
Um zu zeigen, daß die Möglichkeit der Bildung von Scheinsätzen auf einem logischen Mangel der Sprache beruth, stellen wir das untenstehende Schema auf. Die Sätze unter I sind sowohl grammatisch wie logisch einwandfrei, also sinnvoll. Die Sätze unter II (mit Ausnahme von B 3) stehen grammatisch in vollkommener Analogie zu denen unter I. Die Satzform II A (als Frage und Antwort) entspricht zwar nicht den Forderungen, die an eine logisch korrekte Sprache zu stellen sind. Sie ist aber trotzdem sinnvoll, da sie sich in korrekte Sprache übersetzen läßt; das zeigt der Satz III A, der denselben Sinn hat wie II A. Die Unzweckmäßigkeit der Satzform II A zeigt sich dann darin, daß wir von ihr aus durch grammatisch einwandfreie Operationen zu den sinnlosen Satzformen II B gelangen können, die dem obigen Zitat entnommen sind. Diese Formen lassen sich in der korrekten Sprache der Kolonne III überhaupt nicht bilden. Trotzdem wird ihre Sinnlosigkeit nicht auf den ersten Blick bemerkt, da man sich leicht durch die Analogie zu den sinnvollen Sätze I B täuschen läßt. Der hier festgestellte Fehler unserer Sprache liegt also darin, daß sie, im Gegensatz zu einer logisch korrekten Sprache, grammatische Formgleichheit zwischen sinnvollen und sinnlosen Wortreihen zuläßt. Jedem Wortsatz ist eine entsprechende Formel in der Schreibweise der Logistik beigefügt; diese Formeln lassen die unzweckmäßige Analogie zwischen I A und II A und die darauf beruhende Entstehung der sinnlosen Bildungen II B besonders deutlich erkennen.

sinnloskorrekt

Bei genauerer Betrachtung der Scheinsätze unter II B zeigen ich noch gewisse Unterschiede. Die Bildung der Sätze (I) beruth einfach auf dem Fehler, daß das Wort "nichts" als Gegenstandsname verwendet wird, weil man es in der üblichen Sprache in dieser Form zu verwenden pflegt, um einen negativen Existenzsatz zu formulieren (siehe II A). In einer korrekten Sprache dient dagegen zu dem gleichen Zweck nicht ein besonderer  Name,  sondern eine gewisse  logische Form  des Satzes (siehe III A). Im Satz II B 2 kommt noch etwas Neues hinzu, nämlich die Bildung des bedeutungslosen Wortes "nichten"; der Satz ist also aus einem doppelten Grund sinnlos. Wir haben früher dargelegt, daß die bedeutungslosen Wörter der Metaphysik gewöhnlich dadurch entstehen, daß einem bedeutungsvollen Wort durch die metaphorische Verwendung in der Metaphysik die Bedeutung genommen wird. Hier dagegen haben wir einen der seltenen Fälle vor uns, daß ein neues Wort eingeführt wird, das schon von Beginn an keine Bedeutung hat. Satz II B 3 ist ebenfalls aus doppeltem Grund abzulehnen. Im Fehler, das Wort "nichts" als Gegenstandsname zu benutzen, stimmt er mit den vorhergehenden Sätzen überein. Außerdem enthält er aber einen Widerspruch. Denn selbst, wenn es zulässig wäre, "nichts" als Name oder Kennzeichnung eines Gegenstandes einzuführen, so würde doch diesem Gegenstand in seiner Definition die Existenz abgesprochen werden, in Satz [3] aber wieder zugeschrieben werden. Dieser Satz würde also, wenn er nicht schon sinnlos wäre, kontradiktorisch, also unsinnig sein.

Angesichts der groben logischen Fehler, die wir in den Sätzen II B finden, könnten wir auf die Vermutung kommen, daß in der zitierten Abhandlung vielleicht das Wort "nichts" eine völlig andere Bedeutung haben soll als sonst. Und diese Vermutung wird noch bestärkt, wenn wir dort weiter lesen, daß die Angst das Nichts offenbare, daß in der Angst das Nichts selbst als solches da sei. hier scheint ja das Wort "nichts" eine bestimmte gefühlsmäßige Verfassung, vielleicht religiöser Art, oder irgend etwas, das einem solchen Gefühl zugrunde liegt, bezeichnen zu sollen. Wäre das der Fall, so würden die genannten logischen Fehler in den Sätzen II B nicht vorliegen. Aber der Anfang des oben gegebenen Zitates zeigt, daß diese Deutung nicht möglich ist. Aus der Zusammenstellung von "nur" und "und sonst nichts" ergibt sich deutlich, daß das Wort "nichts" hier die übliche Bedeutung einer logischen Partikel hat, die zum Ausdruck eines negierten Existenzsatzes dient. An diese Einführung des Wortes "nichts" schließt sich dann unmittelbar die Hauptfrage der Abhandlung: "Wie steht es um dieses Nichts?"

Unser Bedenken, ob wir nicht vielleicht falsch gedeutet haben, wird aber vollständig behoben, wenn wir sehen, daß der Verfasser der Abhandlung sich durchaus klar darüber ist, daß seine Fragen und Sätze der Logik widerstreiten.  "Frage und Antwort  im Hinblick auf das Nichts sind gleicherweise in sich  widersinnig.  - - Die gemeinhin beigezogene Grundregel des Denkens überhaupt, der Satz vom zu vermeidenden Widerspruch, die allgemeine  Logik,  schlägt diese Frage nieder." Um so schlimmer für die Logik! Wir müssen ihre Herrschaft stürzen: "Wenn so die macht des  Verstandes  im Feld der Fragen nach dem Nichts und dem Sein gebrochen wird, dann entscheidet sich damit auch das Schicksal der Herschaft der  Logik  innerhalb der Philosophie. Die Idee der  Logik  selbst löst sich auf im Wirbel eines ursprünglichen Fragens." Wird aber die nüchterne Wissenschaft mit dem Wirbel eines widerlogischen Fragens einverstanden sein? Auch darauf ist schon die Antwort gegeben: "Die vermeintliche Nüchternheit und Überlegenheit der Wissenschaft wird zur Lächerlichkeit, wenn sie das Nichts nicht ernst nimmt." So finden wir eine gute Bestätigung für unsere These; ein Metaphysiker kommt hier selbst zu der Feststellung, daß seine Fragen und Antworten mit der Logik und der Denkweise der Wissenschaft nicht vereinbar sind.

Der Unterschied zwischen unserer These und der der  früheren Antimetaphysiker  ist jetzt deutlich. Die Metaphysik gilt uns nich als "bloßes Hirgespinst" oder  "Märchen".  Die Sätze eines Märchens widerstreiten nicht der Logik, sondern nur der Erfahrung; sie sind durchaus sinnvoll, wenn auch falsch. Die Metaphysik ist kein  "Aberglaube";  glauben kann man an wahre und an falsche Sätze, aber nicht an sinnlose Wortreihen. Auch nicht als  "Arbeitshypothesen"  kommen die metaphysischen Sätze in Betracht; denn für eine Hypothese ist das Ableitungsverhältnis zu (wahren oder falschen) empirischen Sätzen wesentlich, und das fehlt ja gerade bei Scheinsätzen.

Unter Hinweis auf die sogenannte  Beschränktheit des menschlichen Erkenntnisvermögens  wird zuweilen folgender  Einwand  erhoben, um die Metaphysik zu retten: die metaphysischen Sätze können zwar nicht vom Menschen oder sonst einem endlichen Wesen verifiziert werden; sie könnten aber vielleicht als Vermutungen darüber gelten, was von einem Wesen mit höherem oder gar vollkommenem Erkenntnisvermögen auf unsere Fragen geantwortet werden würde, und als Vermutungen wären sie doch immerhin sinnvoll. Gegen diesen Einwand wollen wir folgendes überlegen. Wenn die Bedeutung eines Wortes nicht angebbar ist, oder die Wortreihe nicht syntaxgemäß zusammengestellt ist, so liegt nicht einmal eine Frage vor. (Man denke etwa an die Scheinfragen: "Ist dieser Tisch babig?", "Ist die Zahl Sieben heilig?", "Sind die geraden oder die ungeraden Zahlen dunkler?") Wo keine Frage ist, kann auch ein allwissendes Wesen nicht antworten. Der Einwender wird nun vielleicht sagen: wie ein Sehender dem Blinden eine neue Erkenntnis mitteilen kann, so könnte ein höheres Wesen uns vielleicht eine metaphysische Erkenntnis mitteilen, z. B. ob die sichtbare Welt die Erscheinung eines Geistes ist. Hier müssen wir überlegen, was "neue Erkenntnis" heißt. Wir können uns allerdings denken, daß wir Tiere treffen, die uns von einem neuen Sinn berichten. Wenn diese Wesen uns dem 'FERMATschen Satz beweisen würden oder ein bisher unbekanntes Naturgesetz aufstellen würden, so würde unsere Erkenntnis durch ihre Hilfe bereichert. Denn Derartiges können wir nachprüfen, wie ja auch der Blinde die ganze Physik (und damit alle Sätze des Sehenden) verstehen und nachprüfen kann. Wenn aber die angenommenen Wesen uns etwas sagen, was wir nicht verifizieren können, so können wir es auch nicht verstehen; für uns liegt dann gar keine Mitteilung vor, sondern bloße Sprechklänge ohne Sinn, wenn auch vielleicht mit Vorstellungsassoziationen. Durch ein anderes Wesen kann somit, gleichviel ob es mehr oder weniger oder alles erkennt, unsere Erkenntnis nur quantitativ verbreitert werden, aber es kann keine Erkenntnis von prinzipiell neuer Art hinzukommen. Was uns ungewiß ist, kann uns mit Hilfe eines andern gewisser werden; was aber für uns unverstehbar, sinnlos ist, kann uns nicht durch die Hilfe eines andern sinnlos werden, und wüßte er noch so viel. Daher kann uns auch kein Gott und kein Teufel zu einer Metaphysik verhelfen.


6. Sinnlosigkeit aller Metaphysik

Die Beispiele metaphysischer Sätze, die wir analysiert haben, sind alle nur einer Abhandlung entnommen. Aber die Ereignisse gelten in ähnlicher, zum Teil in wörtlich gleicher Weise auch für andere metaphysische Systeme. Wenn jene Abhandlung einen Satz von 'HEGEL zustimmend zitiert ("Das reine Sein und das reine Nichts ist also dasselbe."), so besteht diese Berufung durchaus zu Recht. Die Metaphysik 'HEGELs hat logisch genau den gleichen Charakter, den wir bei jener modernen Metaphysik gefunden haben. Und dasselbe gilt auch für die übrigen metaphysischen Systeme, wenn auch die Art ihrer Sprachwendungen und damit die Art der logischen Fehler mehr oder weniger von der Art der besprochenen Beispiele abweicht.

Weitere Beispiele für Analysen einzelner metaphysischer Sätze verschiedener Systeme hier beizubringen, dürfte nicht nötig sein. Es sei nur auf die häufigsten Fehlerarten hingewiesen.

Vielleicht die meisten der logischen Fehler, die in Scheinsätzen begangen werden, beruhen auf logischen Mängeln, die dem Gebrauch des Wortes  "sein"  in unserer Sprache (und der entsprechenden Wörter in den übrigen, wenigstens den meisten europäischen Sprachen) anhaften. Der erste Fehler ist die Zweideutigkeit des Wortes "sein"; es wird einmal als Kopula vor einem Prädikat verwendet ("ich bin hungrig"), ein andermal als Bezeichnung für Existenz ("ich bin"). Dieser Fehler wird dadurch verschlimmert, daß die Metaphysiker sich häufig über diese Zweideutigkeit nicht klar sind.

Der zweite Fehler liegt in der Form des Verbums bei der zweiten Bedeutung, der  Existenz.  Durch die verbale Form wird ein Prädikat vorgetäuscht, wo keine vorliegt. Man hat zwar längst schon gewußt, daß die Existenz kein Merkmal ist (vgl. KANTs Widerlegung des ontologischen Gottesbeweises). Aber erst die moderne Logik ist hierin völlig konsequent: sie führt das Existenzzeichen in einer derartigen syntaktischen Form ein, daß es nicht wie ein Prädikat auf Gegenstandszeichen bezogen werden kann, sondern nur auf ein Prädikat. Die meisten Metaphysiker seit dem Altertum haben sich durch die verbale und damit prädikative Form des Wortes "sein" zu Scheinsätzen verführen lassen, z.B. "ich bin", "Gott ist".
    Ein Beispiel für diesen Fehler finden wir in dem  "cogito, ergo sum"  des DESCARTES. Von den inhaltlichen Bedenken, die gegen die Prämisse erhoben worden sind - ob nämlich der Satz "ich denke" adäquater Ausdruck des gemeinten Sachverhaltes sei oder vielleicht eine Hypostasierung [einem Gedanken gegenständliche Realität unterschieben - wp] enthalte -, wollen wir hier gänzlich absehen und die beiden Sätze nur vom formal-logischen Gesichtspunkt aus betrachten. Da bemerken wir zwei wesentliche logische Fehler.

    Der erste liegt im Schlußsatz "ich bin". Das Verbum "sein" ist hier zweifellos im Sinne der Existenz gemeint; denn eine Kopula kann ohne Prädikat nicht gebraucht werden; das "ich bin" des DESCARTES ist ja auch stets in diesem Sinne verstanden worden. Dann verstößt aber dieser Satz gegen die vorhin genannte logische Regel, daß Existenz nur in Verbindung mit einem Prädikat, nicht in Verbindung mit einem Namen (Subjekt, Eigennamen) ausgesagt werden kann. Ein Existenzsatz hat nicht die Form  "a  existiert" (wie hier: "ich bin", d.h. "ich existiere"), sondern "es existiert etwas von der und der Art".

    Der zweite Fehler liegt in dem Übergang von "ich denke" zu "ich existiere". Soll aus dem Satz  "P (a)" ("dem  a  kommt die Eigenschaft  P  zu") ein Existenzsatz abgeleitet werden, so kann dieser die Existenz in bezug auf das Prädikat  P,  nicht in bezug auf das Subjekt  a  der Prämisse aussagen. Aus "ich bin ein Europäer" folgt nicht "ich existiere", sondern "es existiert ein Europäer". Aus "ich denke" folgt nicht "ich bin", sondern "es gibt etwas Denkendes".
Der Umstand, daß unsere Sprachen die Existenz durch ein Verbum ("sein" oder "existieren") ausdrücken, ist an sich noch kein logischer Fehler, sondern nur unzweckmäßig, gefährlich. Durch die verbale Form läßt man sich leicht zu der Fehlauffassung verführen, als sei die Existenz ein Prädikat; man kommt dann zu solchen logisch verkehrten und daher sinnlosen Ausdrucksweisen, wie wir sie soeben betrachtet haben.

Denselben Ursprung haben auch solchee Formen, wie "das Seiende", das "Nicht-Seiende", die ja seit jeher in der Metaphysik eine große Rolle gespielt haben. In einer logisch korrekten Sprache lassen sich solche Figuren gar nicht bilden. Wie es scheint, hat man in der lateinischen und in der deutschen Sprache, vielleicht durch das griechische Vorbild verführt, die Formen "ens" bzw. "seiend" eigens zum Gebrauche des Metaphysikers eingeführt; so machte man die Sprache logisch schlechter, während man glaubte, einen Mangel zu beheben.

Ein anderer sehr häufiger vorkommender Verstoß gegen die logische Syntax ist die sog.  "Sphärenvermengung"  der Begriffe. Während der vorhin genannte Fehler darin besteht, daß ein Zeichen mit nicht-prädikativer Bedeutung wie ein Prädikat verwendet wird, wird hier ein Prädikat zwar als Prädikat verwendet, aber als Prädikat einer anderen "Sphäre"; es liegt eine Verletzung der Regeln der sog. "Typentheorie" vor.

Ein konstruiertes Beispiel hierfür ist der früher betrachtete Satz: "Caesar ist eine Primzahl." Personennamen und Zahlwörter gehören zu verschiedenen logischen Sphären, und daher auch Personenprädikat (z.B. "Feldherr" und Zahlenprädikate ("Primzahl"). Der Fehler der Sphärenvermengung ist, im Unterschied zu dem vorher erörterten Sprachgebrauch des Verbums "sein", nicht der Metaphysik vorbehalten, sondern kommt schon der Umgangssprache sehr häufig vor. Er führt hier aber selten zu Sinnlosigkeiten; die Mehrdeutigkeit der Wörter in bezug auf die Sphären ist hier von der Art, daß sie leicht beseitigt werden kann.
    Beispiel: 1. "Dieser Tisch ist größer als jener." 2. "Die Höhe dieses Tisches ist größer als die Höhe jenes Tisches." Hier wird das Wort "größer" in (1) als Beziehung zwischen Gegenständen, in (2) als Beziehung zwischen Zahlen gebraucht, also für zwei verschiedene syntaktische Kategorien. Der Fehler ist hier unwesentlich; er könnte z.B. dadurch eliminiert werden, daß "größer  1"  und "größer  2"  geschrieben wird; "größer  1"  wird dann aus "größer  2"  dadurch definiert, daß Satzform (1) als gleichbedeutend mit (2) (und einigen anderen ähnlichen) erklärt wird.
Da die Sphärenvermengung in der Umgangssprache kein Unheil anrichtet, pflegt man sie überhaupt nicht zu beachten. Das ist für den gewöhnlichen Sprachgebrauch zwar zweckmäßig, hat aber in der Metaphysik unheilvolle Folgen gehabt. Hier hat man sich, verführt durch die Gewöhnung in der Alltagssprache, zu solchen Sphärenvermengungen verleiten lassen, die nicht mehr, wie die der Alltagssprache, in logisch korrekte Form übersetzt werden können.

Scheinsätze dieser Art finden sich besonders häufig z.B. bei HEGEL und bei HEIDEGGER, der mit vielen Eigentümlichkeiten der HEGELschen Sprachform auch manche ihrer logischen Mängel mit übernommen hat. (Es werden z.B. Bestimmungen, die sich auf Gegenstände einer gewissen Art beziehen sollten, statt dessen auf eine Bestimmung dieser Gegenstände oder auf das "Sein" oder das "Dasein" oder auf eine Beziehung zwischen diesen Gegenständen bezogen.)

Nachdem wir gefunden haben, daß viele metaphysische Sätze sinnlos sind, erhebt sich die Frage, ob es vielleicht doch einen Bestand an sinnvollen Sätzen in der Metaphysik gibt, der übrigbleiben würde, wenn wir die sinnlosen ausmerzen.

Man könnte ja durch unsere bisherigen Ergebnisse zu der Auffassung kommen, daß die Metaphysik viele Gefahren, in Sinnlosigkeit zu geraten, enthält, und daß man sich daher, wenn man Metaphysik betreiben will, bemühen müsse, diese Gefahren sorgfältig zu meiden. Aber in Wirklichkeit liegt die Sache so, daß es keine sinnvollen metaphysischen Sätze geben kann. Das folgt aus der Aufgabe, die die Metaphysik sich stellt: sie will eine Erkenntnis finden und darstellen, die der empirischen Wissenschaft nicht zugänglich ist.

Wir haben uns früher überlegt, daß der Sinn eines Satzes in der Methode seiner Verifikation liegt. Ein Satz besagt nur das, was an ihm verifizierbar ist. Daher kann ein Satz, wenn er überhaupt etwas besagt, nur eine empirische Tatsache besagen. Etwas, das prinzipiell jenseits des Erfahrbaren läge, könnte weder gesagt, noch gedacht, noch erfragt werden.

Die (sinnvollen) Sätze zerfallen in folgenden Arten: Zunächst gibt es Sätze, die schon auf Grund ihrer Form allein wahr sind ("Tautologien" nach WITTGENSTEIN; sie entsprechen ungefähr KANTs "analytischen Urteilen"); sie besagen nichts über die Wirklichkeit. Zu dieser Art gehören die Formeln der Logik und Mathematik; sie sind nicht selbst Wirklichkeitsaussagen, sondern dienen zur Transformation solcher Aussagen.

Zweitens gibt es die Negate solcher Sätze  ("Kontradiktionen");  sie sind widerspruchsvoll, also auf Grund ihrer Form falsch. Für alle übrigen Sätze liegt die Entscheidung über Wahrheit oder Falschheit in den Protokollsätzen; sie sind somit (wahre oder falsche)  Erfahrungssätze  und gehören zum Bereich der empirischen Wissenschaft. Will man einen Satz bilden, der nicht zu diesen Arten gehört, so wird er automatisch sinnlos.

Da die Metaphysik weder analytische Sätze sagen, noch ins Gebiet der empirischen Wissenschaft geraten will, so ist sie genötigt, entweder Wörter anzuwenden, für die keine Kriterien angegeben werden und die daher bedeutungsleer sind, oder aber bedeutungsvolle Wörter so zusammenstellen, daß sich weder ein analytischer (bzw. kontradiktorischer) noch ein empirischer Satz ergibt. In beiden Fällen ergeben sich notwendig Scheinsätze.

Die logische Analyse spricht somit das Urteil der Sinnlosigkeit über jede vorgebliche Erkenntnis, die über oder hinter die Erfahrung greifen will. Dieses Urteil trifft zunächst jede spekulative Metaphysik, jede vorgebliche Erkenntnis aus  reinem Denken  oder aus  reiner Intuition,  die die Erfahrung entbehren zu können glaubt. Das Urteil bezieht sich aber auch auf diejenige Metaphysik, die, von der Erfahrung ausgehend, durch besondere  Schlüsse  das außer oder  hinter  der Erfahrung Liegende' erkennen will (also z.B. auf die neovitalistische These einer in den organischen Vorgängen wirkenden "Entelechie", die physikalisch nicht erfaßbar sein soll; auf die Frage nach dem "Wesen der Kausalbeziehung" über die Feststellung gewisser Regelmäßigkeiten des Aufeinanderfolgens hinaus; auf die Rede vom "Ding an sich").

Weiter gilt das Urteil auch für alle  Wert- oder Normphilosophie,  für jede Ethik oder Ästhetik als normative Disziplin. Denn die objektive Gültigkeit eines Wertes oder einer Norm kann ja (auch nach Auffassung der Wertphilosophen) nicht empirisch verifiziert oder aus empirischen Sätzen deduziert werden; sie kann daher überhaupt nicht (durch einen sinnvollen Satz) ausgesprochen werden.

Anders gewendet: Entweder man gibt für "gut" und "schön" und die übrigen in den Normwissenschaften verwendeten Prädikate empirische Kennzeichen an oder man tut das nicht. Ein Satz mit einem derartigen Prädikat wird im ersten Fall ein empirisches Tatsachenurteil, aber kein Werturteil; in zweiten Fall wird er ein Scheinsatz; einen Satz, der ein Werturteil ausspräche, kann man überhaupt nicht bilden.

Das Urteil der Sinnlosigkeit trifft schließlich auch jene metaphysischen Richtungen, die man unzutreffend als erkenntnistheoretische Richtungen zu bezeichnen pflegt, nämlich den  Realismus  (sofern er mehr besagen will als den empirischen Befund, daß die Vorgänge eine gewisse Regelmäßigkeit aufweisen, wodurch die Möglichkeit zur Anwendung der induktiven Methode gegeben ist) und seine Gegner: subjektiven  Idealismus Solipsismus, Phänomenalismus,  Positivismus  (im früheren Sinne).

Was aber bleibt denn für die  Philosophie  überhaupt noch übrig, wenn alle Sätze, die etwas besagen, empirischer Natur sind und zur Realwissenschaft gehören? Was bleibt, sind nicht Sätze, keine Theorie, kein System, sondern nur  eine Methode,  nämlich die der logischen Analyse. Die Anwendung dieser Methode haben wir in ihrem negativen Gebrauch im Vorstehenden gezeigt: Sie dient hier zur Ausmerzung bedeutungsloser Wörter, sinnloser Scheinsätze.

In ihrem positiven Gebrauch dient sie zur Klärung der sinnvollen Begriffe und Sätze, zur logischen Grundlegung der Realwissenschaft und der Mathematik. Jene negative Anwendung der Methode ist in der vorliegenden historischen Situation nötig und wichtig. Fruchtbarer, auch schon in der gegenwärtigen Praxis, ist aber die positive Anwendung; doch kann auch sie hier nicht näher eingegangen werden. Die angedeutete Aufgabe der logischen Analyse, der Grundlagenforschung, ist es, die wir unter  "wissenschaftlicher  Philosophie" im Gegensatz zur Metaphysik verstehen.

Die Frage nach dem logischen Charakter der Sätze, die wir als Ergebnis einer logischen Analyse erhalten, z.B. der Sätze dieser und anderer logischer Abhandlungen, kann hier nur andeutend dahin beantwortet werden, daß diese Sätze teils analytisch, teils empirisch sind. Diese Sätze über Sätze und Satzteile gehören nämlich teils der reinen  Metalogik  an (z.B. "eine Reihe, die aus dem Existenzzeichen und einem Gegenstandsnamen besteht, ist kein Satz"), teils der deskriptiven Metalogik (z.B. "die Wortreihe an der und der Stelle des und des Buches ist sinnlos"). Die Metalogik wird an anderer Stelle erörtert werden; dabei wird auch gezeigt werden, daß die Metalogik, die über die Sätze einer Sprache, in dieser Sprache selbst formuliert werden kann.


7. Metaphysik als Ausdruck des Lebensgefühls

Wenn wir sagen, daß die Sätze der Metaphysik völlig sinnlos sind, gar nichts besagen, so wird auch den, der unseren Ergebnissen verstandesmäßig zustimmt, doch noch ein Gefühl des Befremdens plagen: sollten wirklich so viele Männer der verschiedensten Zeiten und Völker, darunter hervorragende Köpfe, so viel Mühe, ja wirkliche Inbrunst auf die Metaphysik verwendet haben, wenn diese in nichts bestände, als in bloßen, sinnlos aneinandergereihten Wörtern?

Und wäre es verständlich, daß diese Werke bis auf den heutigen Tag eine so starke Wirkung auf Leser und Hörer ausüben, wenn sie nicht einmal Irrtümer, sonder überhaupt nichts enthielten? Diese Bedenken haben insofern recht, als die Metaphysik tatsächlich etwas enthält; nur ist es kein theoretischer Gehalt. Die (Schein-)Sätze der Metaphysik dienen  nicht zur Darstellung von Sachverhalten,  weder von bestehenden (dann wären es wahre Sätze) noch von nicht bestehenden (dann wären es wenigstens falsche Sätze); sie dienen  zum Ausdruck der Lebensgefühls. 

Vielleicht dürfen wir annehmen, daß es der  Mythus  ist, aus dem sich die Metaphysik entwickelt hat. Das Kind ist auf den "bösen Tisch", der es gestoßen hat, zornig; der Primitive bemüht sich, den drohenden Dämon des Erdbebens zu versöhnen oder er verehrt die Gottheit des fruchtbringenden Regens in Dankbarkeit. Hier haben wir Personifikationen von Naturerscheinungen vor uns, die der quasi-dichterische Ausdruck für das gefühlsmäßige Verhältnis des Menschen zur Umwelt sind.

Das Erbe des Mythus tritt einerseits die Dichtung an, die die Leistung des Mythus für das Leben mit bewußten Mitteln hervorbringt und steigert; andererseits die Theologie, in der der Mythus sich zu einem System entwickelt. Welches ist nun die historische Rolle der Metaphysik? Vielleicht dürfen wir in ihr den Ersatz für die Theologie auf der Stufe des systematischen, begrifflichen Denkens erblicken. Die (vermeintlich) übernatürlichen Erkenntnisquellen der Theologie werden hier ersetzt durch natürliche, aber (vermeintlich) über-empirische Erkenntnisquellen.

Bei näherem Zusehen ist auch in dem mehrmals veränderten Gewand noch der gleiche Inhalt wie im Mythus zu erkennen: wir finden, daß auch die Metaphysik aus dem Bedürfnis entspringt, das Lebensgefühl zum Ausdruck zu bringen, die Haltung, in der ein Mensch lebt, die gefühls- und willensmäßige Einstellung zur Umwelt, zu den Mitmenschen, zu den Aufgaben, an denen er sich betätigt, zu den Schicksalen, die er erleidet. Dieses Lebensgefühl äußert sich, meist unbewußt, in allem, was der Mensch tut und sagt; es prägt sich auch in seinen Gesichtszügen, vielleicht auch in der Haltung seines Ganges aus.

Manche Menschen haben nun das Bedürfnis, darüber hinaus noch einen besonderen Ausdruck für ihr Lebensgefühl zu gestalten, in dem es konzentrierter und eindringlicher wahrnehmbar wird. Sind solche Menschen künstlerisch befähigt, so finden sie in der Formung eines Kunstwerkes die Möglichkeit, sich auszudrücken. Wie sich in Stil und Art des Kunstwerkes das Lebensgefühl kundgibt, ist von verschiedenen schon klargelegt worden (z.B. von DILTHEY und seinen Schülern). (Hierbei wird häufig der Ausdruck "Weltanschauung" gebraucht; wir vermeiden ihn lieber wegen seiner Zweideutigkeit, durch die der Unterschied zwischen Lebensgefühl und Theorie verwischt wird, der für unsere Analyse gerade entscheidend ist.)

Hierbei ist für unsere Überlegung nur dies wesentlich, daß die Kunst das adäquate, die Metaphysik aber ein inadäquates Ausdrucksmittel für das Lebensgefühl ist. An und für sich wäre natürliche gegen die Verwendung irgendeines beliebigen Ausdrucksmittels nichts einzuwenden. Bei der Metaphysik liegt jedoch die Sache so, daß sie durch die Form ihrer Werke etwas vortäuscht, was sie nicht ist. Diese Form ist die eines Systems von Sätzen, die in (scheinbarem) Begründungsverhältnis zueinander stehen, also die Form einer Theorie. Dadurch wird ein theoretischer Gehalt vorgetäuscht, während jedoch, wie wir gesehen haben, eine solcher nicht vorhanden ist.

Nicht nur der Leser, sondern auch der Metaphysiker selbst befindet sich in der Täuschung, daß durch die metaphysischen Sätze etwas besagt ist, Sachverhalte beschrieben sind. Der Metaphysiker glaubt sich in dem Gebiet zu bewegen, in dem es um wahr und falsch geht. In Wirklichkeit hat er jedoch nichts ausgesagt, sondern nur etwas zum Ausdruck gebracht, wie ein Künstler. Daß der Metaphysiker sich in dieser Täuschung befindet, können wir nicht schon daraus entnehmen, daß er als Ausdrucksmedium die Sprache und als Ausdrucksform Aussagesätze nimmt; denn das gleiche tut auch der Lyriker, ohne doch jener Selbsttäuschung zu unterliegen.

Aber der Metaphysiker führt für seine Sätze Argumente an, er verlangt Zustimmung zu ihrem Inhalt, er polemisiert gegen den Metaphysiker anderer Richtung, indem er dessen Sätze in seiner Abhandlung zu widerlegen sucht. Der Lyriker dagegen bemüht sich nicht, in seinem Gedicht die Sätze aus dem Gedicht eines anderen Lyrikers zu widerlegen; denn er weiß, daß er sich im Gebiet der Kunst und nicht in dem der Theorie befindet.

Vielleicht ist die Musik das reinste Ausdrucksmittel für das Lebensgefühl, weil sie am stärksten von allem Gegenständlichen befreit ist. Das harmonische Lebensgefühl, das der Metaphysiker in einem monistischen System zum Ausdruck bringen will, kommt klarer in Mozartscher Musik zum Ausdruck. Und wenn der Metaphysiker sein dualistisch-heroisches Lebensgefühl im adäquaten Medium auszudrücken? Metaphysiker sind Musiker ohne musikalische Fähigkeit. Dafür besitzen sie eine starke Neigung zum Arbeiten im Medium des Theoretischen, zum Verknüpfen von Begriffen und Gedanken.

Anstatt nun einerseits diese Neigung im Gebiet der Wissenschaft zu betätigen und andererseits das Ausdrucksbedürfnis in der Kunst zu befriedigen, vermengt der Metaphysiker beides und schafft ein Gebilde, das für die Erkenntnis gar nichts und für das Lebensgefühl etwas Unzulängliches leistet.
LITERATUR - Rudolf Carnap, Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache, in Erkenntnis, 2, 1931/32
    Anmerkungen
    1) Die folgenden Zitate (Sperrungen im Original) sind entnommen aus MARTIN HEIDEGGER, Was ist Metaphysik?, 1929. Wir hätten ebensogut Stellen aus irgendeinem anderen der zahlreichen Metaphysiker der Gegenwart oder der Vergangenheit entnehmen können; doch scheinen uns die ausgewählten Stellen unsere Auffassung besonders deutlich zu illustrieren.