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GOSWIN KARL UPHUES
Richard Shute
- Grundlehren der Logik

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"Die Definition setzt zuletzt durch sich selbst verständliche Wörter voraus. Das Gegenteil würde einen processus in infinitum ergeben. Jede Definition muß auf solche durch sich selbst verständliche Wörter zurückgeführt werden. Es sind Wörter für sichtbare Dinge, für einfache Gefühle, für Tätigkeiten. ... Aber die Zahl der durch sich selbst verständlichen Wörter kann nach Shute nur eine geringe sein. Von der weitaus wichtigsten Hälfte unserer ganzen Sprache, den Ausdrücken für die Gefühle, gehören zu ihnen nur die Wörter für einige wenige einfache Gefühle. Und mit den Ausdrücken für Tätigkeiten wird es nicht anders sein. Nur die Namen von einigen wenigen einfachen Tätigkeiten können als solche durch sich selbst verständliche Wörter betrachtet werden. Die Namen von rein geistigen Zuständen müssen wie die der meisten Gefühle durch Zuhilfenahme von Ausdrücken erklärt werden, die aus der äußeren Welt entlehnt sind."


Zweites Kapitel
Begriff des Dinges.

Der Begriff des Dinges in unserem Sinne ergibt sich naturgemäß aus der Beantwortung der Frage: Welche Merkmale müssen in die Definition der Dinge der äußeren Welt aufgenommen werden. Freilich ist damit der Begriff des Dinges auf die Dinge der äußeren Welt eingeschränkt. Aber nicht mit Unrecht, wie sich zeigen wird. Wir schicken eine Erörterung über die Definition im allgemeinen voraus und schließen daran die Beantwortung der Frage: Welche Merkmale müssen in die Definition der Dinge der äußeren Welt aufgenommen werden?

Da das Ziel aller Rede darin besteht, daß im Geist eines anderen Vorstellungen hervorgerufen werden, die den augenblicklichen Vorstellungen des Redenden entsprechen, so muß vor allem der Redende selbst gewiß sein, daß jedes einzelne der von ihm gebrauchten Wörter in dem Sinn genommen wird, in welchem er selbst es nimmt. Der einzige Weg, sich dessen zu versichern, ist die sorgsame Definition jedes Wortes, über dessen Sinn ein Zweifel obwalten kann. Unter Definition verstehen wir verstehen wir die möglichst vollständige Angabe der Vorstellungen, die das Wort im Geist des Redenden hervorruft. Wenn derjenige, zu dem er spricht, vorher überhaupt keinen Begriff von der Bedeutung des gebrauchten Wortes hatte, so wird er auf eine solche Weise instandgesetzt, einer Auseinandersetzung, die sonst für ihn bedeutungslos gewesen wäre, mit Verständnis zu folgen, wenn hingegen das gebrauchte Wort in seinem Geist andere Vorstellungen hervorrief als in dem des Redenden, so wird die Definition die falsche Auffassung beseitigen und zahllose Irrtümer und Mißverständnisse verhindern. Um ein gewöhnliches Beispiel zu gebrauchen: Wenn ich einem Engländer, dem Frankreich gleichbedeutend ist mit Ausland, den Nutzen des französich-deutschen Krieges auseinandersetze, so werde ich mich vergebens bemühen, wenn ich ihm nicht vorher meinen enger begrenzten Begriff von Frankreich erkläre und beibringe. Ist mir dies aber gelungen, so ist auch die Hauptschwierigkeit meiner Aufgabe überwunden. Eine klare Definition der gebrauchten Wörter ist demnach die erste Bedingung für die Mitteilung der Wahrheit. Wir müssen jetzt fragen, welches die beste Form ist, in die eine Definition gekleidet werden kann. Vorher jedoch müssen wir uns die Frage beantworten, ob alle Wörter definiert werden können, und wenn nicht, welche ohne Nachteil undefiniert bleiben dürfen.

Sicher muß die Bedeutung einer großen Zahl von Wörtern als allen Menschen bekannt vorausgesetzt werden. Sonst würde man, da alle Wörter durch andere Wörter erklärt werden müßten, immer das Unbekannte durch das gleicherweise Unbekannte erklären und so unaufhörlich in der Finsternis umherwandern. Das kann kein besonnener Mann leugnen wollen. Es fragt sich nur, welche Wörter ohne Nachteil unerklärt bleiben können. Gewiß solche, über deren Bedeutung wir uns durch andere Mittel als durch Worte einigen können. Welche diese Mittel sind und auf welche Weise sie angewendet werden können, wird durch ein paar Beispiele hinreichend klar werden. Wenn jemand nicht weiß, was ich mit dem Wort Hund oder Baum sagen will, so ist das sicherste Mittel ihn darüber zu belehren, den Hinweis auf den einen oder anderen Gegenstand. Keine in Worten ausgedrückte Erklärung wird ihm eine deutlichere Vorstellung von dem geben, was ich sagen will, obgleich ohne Zweifel eine wissenschaftliche Definition einen genauer umgrenzten Begriff vermittelt. Wenn er mich hingegen fragt: Was ist Gerechtigkeit? so kann ich offenbar nicht denselben leichten Weg einschlagen wie vorher, ich muß nun zu Worten meine Zuflucht nehmen und sagen: Gerechtigkeit ist die Behandlung eines jeden genau nach seinen Taten, in der Hoffnung, daß jedes Wort dieser Erklärung besser verstanden wird, als das erklärte Wort, eine Hoffnung, in der ich mich oft getäuscht sehe.

Wir gelangen auf diesem Weg zu der Bestimmung, daß alle Namen von Naturgegenständen ohne Schaden unerklärt bleiben und als Ausgangspunkte für Begriffsbestimmungen gebraucht werden können, aber es erfordert wenig Nachdenken, um zu sehen, daß diese Namen für sich allein nicht ausreichen, um unseren Verkehr miteinander zu ermöglichen. Glücklicherweise gibt es noch verschiedene andere Klassen von Wörtern, deren Bedeutung wir durch dasselbe oder ein ähnliches Verfahren klar machen können. So können wir die Bedeutung von Wörtern, wie gleich und ungleich, nahe und entfernt, durch den Hinweis auf zwei Gegenstände, die diesen Bestimmungen entsprechen, klar machen. Ferner können wir die Bedeutung eines Wortes, das eine Tätigkeit bezeichnet, dadurch zeigen, daß wir die Tätigkeit ausführen. Damit sind wir, wie ich glaube, bei den letzten unmittelbar erklärbaren Wörtern angekommen. Doch reichen wir offenbar mit all diesen Wörtern noch nicht aus. Wir haben ja noch gar keine Ausdrücke für unsere inneren Gefühle, für unsere Freude und unser Leid, für unser Hoffen und Fürchten. Solange wir die diese Gefühle ausdrückenden Wörter nicht mit dem Bewußtsein gebrauchen können, daß wir verstanden werden, so lange schwebt die volle Hälfte und zwar die weitaus wichtigste Hälfte unserer ganzen Sprache haltlos in der Luft. Bei diesen Wörtern nun, scheint es, stoßen wir auf unüberwindliche Schwierigkeiten. Denn offenbar können wir auf sie unser früheres Verfahren nicht unmittelbar anwenden: wir können nicht mit dem Finger auf eine Gemütsbewegung hinweisen und sagt: Das ist Liebe, noch eine andere Hand nehmen und sagen: Schau, hier ist Haß.

Glücklicherweise läßt uns auch hier die Natur nicht in Zweifel. Sie hat es so eingerichtet, daß die einfacheren Gefühle, wie Schmerz und Vergnügen - wenn sie nicht absichtlich unterdrückt werden, ihre Gegenwart in Mienen und Gebärden kund geben, d. h. in Zeichen, wie sie im allgemeinen bei allen Menschen, ja innerhalb gewisser Grenzen selbst bei allen Tieren dieselben sind. Die äußeren Zeichen freilich geben keine unmittelbare Erkenntnis der bezeichneten Dinge, da sie ihnen in keiner Weise gleichen. Lächeln ist nicht gleich Freude, noch kann es mit ihr verglichen werden - aber sie verweisen uns auf unser eigenes Inneres und veranlassen uns, über die Gefühle nachzudenken, welche bei uns mit diesem Zeichen verbunden waren. Wir können dann kaum zweifeln, daß die Gefühle unserer Mitmenschen, welche diese Zeichen zu erkennen geben, unseren früheren Gefühlen gleich sind. Desgleichen können wir, um ohne Worte zu erklären, was Vergnügen oder Schmerz ist, entweder auf einen Mann hinweisen, der gerade von Vergnügen oder Schmerz erfüllt ist, oder wir können die Zeichen dieser Gefühle in unserem Gesicht nachzumachen suchen. In jedem Fall dürfen wir überzeugt sein, uns ziemlich verständlich gemacht zu haben.

Wieviele von den inneren Zuständen der Seele auf diese Weise durch die sie begleitenden Zeichen erklärt werden können, das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Ihre Lösung muß den Männern der Wissenschaft überlassen bleiben, welche die Grenzen bestimmen, innerhalb welcher die Veränderungen des Gesichts unauflöslich mit den veränderlichen Zuständen der Seele verknüpft sind. Soviel zumindest läßt sich mit Sicherheit festsetzen, daß, abgesehen von den die ersten und einfachsten Gefühle begleitenden Zeichen, die Veränderungen des Antlitzes so fein und so schnell vorübergehend sind, daß sie keine hinreichend sicheren Mittel bieten, um die Arten und Verschiedenheiten des Gefühls erkennen zu lassen. Für die Kundgebung der zusammengesetzteren Gefühle müssen wir zu Worten unsere Zuflucht nehmen. Wir verbinden die unzweifelhaft verständlichen Namen der einfachen Gefühle mit Namen von äußerlich wahrnehmbaren und darum durch eine unmittelbare Bezugnahme auf die Sinne erklärbaren Eigenschaften und Verhältnissen wie groß, klein, bitter, süß usw. Durch diese Verbindung von Namen vermögen wir von all unserem feineren inneren Tun und Leiden eine Art von freilich sehr ungenauer Vorstellung zu geben. In einigen Fällen werden wir beständig an die Tatsache erinnert, daß der gebrauchte Ausdruck eine bloße Metapher ist, wie z. B. wenn wir von schwarzer Sorge reden, aber der Ausdruck schwere Betrübnis ist um nichts weniger metaphorisch, da das Wort schwer eine wirklich bestimmte Bedeutung nur in Bezug auf fühlbare Dinge hat. In Wahrheit hüllt die Notwendigkeit, den weitaus größten Teil der Erscheinungen unseres Innenlebens durch uneigentliche, von der äußeren Welt hergenommene Ausdrück bezeichnen zu müssen, all unser Reden über Gegenstände des sittlichen und inneren Lebens in ein Dunkel ein, von dem es auch die klarsten Denker nicht befreien können.

Wir sehen also, daß alle ohne die Zuhilfenahme anderer Wörter völlig erklärbaren Wörter, welche auf diese Weise geeignet sind, die Elemente und Bausteine der Sprache zu bilden, in drei Abteilungen zerfallen. Wir haben erstens Namen von Dingen mit ihren Eigenschaften und offen vorliegenden Verhältnissen, wie Größe, Kleinheit usw., zweitens Namen von Tätigkeiten, drittens Namen von einigen wenigen einfachen Gefühlen. Alle anderen Wörter, behaupte ich, müssen mittels dieser erklärt werden, und jede verständliche Definition oder Erklärung muß zuletzt auf diese Elemente zurückgeführt werden können. Die Erklärung der zusammengesetzten Gefühle oder ihre Definition haben wir bereits entwickelt. Die Erklärung oder Definition der zusammengesetzten Tätigkeiten wird am Besten gegeben durch eine Erwähnung der verschiedenen Zustände, die der Handelnde während der Tätigkeit durchläuft, und durch die Erwähnung des Erlebnisses der Tätigkeit. Im Übrigen ist über die Definitionen der Wörter, die durch andere Wörter erklärt werden, nicht viel zu sagen. Sie sind Namen von Dingen, deren Begriff einer anderen Person nicht unmittelbar verständlich gemacht werden kann; sie können in angemessener Weise nur durch eine Verbindung von Wörtern erklärt werden, über deren Bedeutung wir uns unmittelbar, sei es durch einen Hinweis auf entsprechende Dinge, sei es auf einem andern der besprochenen Wege verständigen können. Auch bei dieser Erklärungsweise durch die Verbindung von Wörtern können wir in manchen Fällen nur eine unbestimmte und zweifelhafte Vorstellung von der Bedeutung dieser Wörter gewinnen, und können nicht immer ganz sicher sein, daß die Ausdrücke, die wir gebrauchen, in genau demselben Sinn verstanden werden, wie wir sie verstehen. Der Grund dafür ist, daß in solchen Fällen, wie z. B. wenn wir von zusammengesetzten Gefühlen reden, wie solche durch das Anhören eines Musikstücks erzeugt werden, mindestens ein großer Teil der gebrauchten Ausdrücke von der äußeren Welt entlehnt und auf unsere innere Welt, für die sie streng genommen nicht passen, angewendet werden müssen.

Da nun in letzter Instanz alle Richtigkeit unserer sprachlichen Ausdrücke vom naturgemäßen Gebrauch der Wörter abhängt, die ohne die Zuhilfenahme anderer verständlich gemacht werden können, und da wir nur hinsichtlich dieser zu einem vollkommenen, von allen geteilten Verständnis gelangen können, so ist es sehr wichtig, daß wir bei ihnen, wo wir alle Fehlgriffe vermeiden können, uns auch keine Fehlgriffe zuschulden kommen lassen. Indessen sind unsere Bemühungen in diesem Punkt doch nicht von einem so leichten und so offenbaren Erfolg gekrönt, als es auf den ersten Blick scheinen könnte. Hinsichtlich derjenigen dieser Wörter, welche Gefühle und Tätigkeiten ausdrücken, haben wir allerdings immer die Mittel in Händen, eine richtige Vorstellung von ihrer Bedeutung hervorzurufen. Wir können immer die äußeren Zeichen eines Gefühls nachmachen oder irgendeine einfache Tätigkeit vor den Augen dessen, mit dem wir uns unterreden, ausführen; aber die Wörter, welche Gegenstände der äußeren Welt bezeichnen, bieten größere Schwierigkeiten. Wenn wir in jedem Augenbliock die ganze sichtbare und greifbare Welt mit allen zu ihr gehörenden Dingen in unserer Nähe hätten, so würde eine Definition äußerer Dinge überflüssig sein, die bloße Berufung auf das Zeugnis der Augen und der anderen Sinne würde genügen, denn gerade auf das Zeugnis der Sinne, als auf die letzte Instanz für die Erklärung dieser Dinge müßte in diesem Fall immer zurückgegangen werden. Aber da die Zahl der Dinge, auf die in jedem Augenblick so unmittelbar verwiesen werden kann, notwendigerweise sehr gering ist, so müssen wir in fast allen Fällen zur Worten unsere Zuflucht nehmen. Es ist darum unsere Pflicht zu untersuchen, in welchen Worten unsere Definitionen äußerer Dinge niedergelegt werden können.

Soviel über Definitionen im allgemeinen. Zunächst ist es wichtig zu bemerken, daß unsere Definitionen der Wörter nicht bloße Nominaldefinitionen sind. Eine Definition besteht in der Angabe der Vorstellungen, die ein Wort in uns erweckt. Sie ist immer die Definition eines Wortes, aber die Definition seines gedanklichen und vorgestellten Sinnes, also doch wieder eine Definition des entsprechenden Begriffs, der freilich unweigerlich an einem Wort hängt und für uns nur durch das Wort irgendeiner Sprache faßbar und greifbar wird. Nicht alle Wörter können auf diese Weise definiert werden. Die Definition setzt zuletzt durch sich selbst verständliche Wörter voraus. Das Gegenteil würde einen processus in infinitum ergeben. Jede Definition muß auf solche durch sich selbst verständliche Wörter zurückgeführt werden. Es sind Wörter für sichtbare Dinge, für einfache Gefühle, für Tätigkeiten. Zum Verständnis derselben kommt das Kind gewiß auf dem von SHUTE angegebenen Weg. Bei Nennung der Wörter wird es auf die sinnlichen Dinge hingewiesen, Lachen und Weinen erkennt es an sich selbst als Zeichen von Freude und Schmerz und nimmt es auch bei anderen als solche Zeichen, die Namen von Tätigkeiten werden ihm verständlich, indem diese Tätigkeiten während ihrer Vollziehung benannt werden. Aber die Zahl der durch sich selbst verständlichen Wörter kann nach SHUTE nur eine geringe sein. Von der "weitaus wichtigesten Hälfte unserer ganzen Sprache", den Ausdrücken für die Gefühle, gehören zu ihnen nur die Wörter für einige wenige einfache Gefühle. Und mit den Ausdrücken für Tätigkeiten wird es nicht anders sein. Nur die Namen von einigen wenigen einfachen Tätigkeiten können als solche durch sich selbst verständliche Wörter betrachtet werden. Die Namen von rein geistigen Zuständen müssen wie die der meisten Gefühle durch Zuhilfenahme von Ausdrücken erklärt werden, die aus der äußeren Welt entlehnt sind. Für die Einigung und Verständigung über die Bedeutung der Wörter, sei es ohne Zuhilfenahme anderer Wörter, sei es durch Definitionen, sind demnach, einige wenige einfache Gefühle und Tätigkeiten abgerechnet, die Dinge der äußeren Welt und ihre Namen einzig von maßgebender Bedeutung. Aber auch über Dinge der äußeren Welt können wir uns nur verhältnismäßig selten ohne Zuhilfenahme von Wörtern einigen, weil wir nur wenige von ihnen so nahe haben, um auf sie hinweisen zu können, auch bei ihnen müssen wir, um eine Einigung und Verständigung zu erzielen, "in fast allen Fällen zu Worten unsere Zuflucht nehmen". Es handelt sich bei der Lehre von der Definition darum, über welche und wieviel Wörter wir uns, sei es ohne Zuhilfenahme anderer Wörter, sei es mit Hilfe anderer Wörter, mit unseren Mitmenschen einigen und verständigen können, nicht darum, was wir selbst mit unserem Bewußtsein umfassen und uns selbst durch Denken und Vorstellen einleuchtend und verständlich machen können. Nur für ersteres, nicht für letzteres sind die Dinge der äußeren Welt von maßgebender Bedeutung, nur das erstere - das letztere einzig insofern es mit dem ersteren zusammenfällt - kommt für den Verkehr mit unseren Mitmenschen und für die Wissenschaft in Betracht. Wir schließen darum mit Recht das letztere ganz aus dem Kreis unserer Erörterung aus und fassen das erstere unter dem Begriff der Erfahrung zusammen. Wir folgen auch darin SHUTE, der die Erfahrung aus Wahrnehmungen durch die Sinne, aus Gefühlen und Tätigkeiten bestehen läßt. Den Geist erklärt er an derselben Stelle als das Prinzip oder die Kraft des bewußten Sinnenlebens, mit dem wir Tätigkeiten vollziehen, die Verstand und Absicht verraten. Erfahrung haben wir also vom Geist keine, außer in seinen Tätigkeiten. Wir werden nach der ganzen Auseinandersetzung nicht zweifelhaft sein, daß wir den Begriff des Dinges zunächst nirgends anders suchen können, als in den Definitionen von den Dingen der äußeren Welt. Über diese Definitionen haben wir nunmehr zu sprechen. Dem Leser wird es nicht entgehen, daß die Erörterung unvermerkt von den abwesenden Dingen der äußeren Welt zu den Dingen der äußeren Welt überhaupt übergeht.

Die nächstliegende Methode, abwesende Gegenstände in genügender Weise zu beschreiben, besteht in der Hervorhebung gegenwärtiger oder ganz bekannter ähnlicher Gegenstände und in der Angabe der Unterschiede beider. Sie ist die so ziemlich allgemein von den gewöhnlichen Leuten angewendete Methode; aber darum nicht etwa wissenschaftlich unhaltbar. Die Beschreibung eines Tigers als "einer überaus großen Katze, welche fern von hier in den Wäldern Indiens lebt und Ochsen und Pferde frißt" oder des Vesuvs als "eines Hügels, der ganz genau dem oberhalb unseres Dorfes gleicht, nur daß er ein wenig größer ist und ein mächtiges rundes Loch auf dem Gipfel hat", würde wahrscheinlich eine so genaue Vorstelung der beschriebenen Dinge hervorrufen, als überhaupt im Geist einer Person, zu der in solcher Weise gesprochen wird, hervorgerufen werden kann.

Aber diese Methode ist in sehr vielen, vielleicht in den meisten Fällen unanwendbar. Einem Mann, der nie einen Elefanten gesehen hat, eine Vorstellung von einem Elefanten durch den Vergleich mit einem unserer einheimischen Tiere zu geben, ist offenbar unmöglich. Ferner bleibt die Angabe des Unterschiedes zwischen dem beschriebenen Ding und demjenigen, mit dem es verglichen wird, fast in allen Fällen eine unbestimmte und kann darum auch nur eine undeutliche Vorstellung erzeugen.

Können wir darum eine allgemein anwendbare Methode, äußere Dinge zu beschreiben, entdecken, so würde es der Einfachheit und Gleichförmigkeit wegen gut sein, sie auch in Fällen anzuwenden, wo die Methode des Vergleichens mit bekannten Gegenständen eine ebenso genaue und vielleicht lebendigere Vorstellung von dem erklärten Ding geben kann. Eine solche Methode müssen wir suchenn, aber nach dem, was wir bereits gesagt haben, ist es nicht schwer sie zu finden. Fragen wir zunächst, ob alle Dinge, welche sich unseren Sinnen darbieten, definierbar sind. Nehmen wir an, ein Mann ist blind, so wird von allen Philosophen und Physiologen zugestanden, daß es unmöglich ist, ihm einen Begriff von Farben beizubringen. Nehmen wir ferner an, ein Mann ist blind für eine bestimmte Farbe, z. B. für den Unterschied zwischen grün und blau, so können ihm auch hier keine Worte über diesen Unterschied Aufklärung verschaffen. Er kann erkennen, daß andere sich eines Unterschiedes bewußt sein, aber zwischen welchen Dingen dieser Unterschied besteht, davon kann er sich keinen Begriff machen. Wir können dasselbe sagen vom Unterschied zwischen Tönen, wenn es sich um einen tauben Mann handelt und von den Geschmacksunterschieden bei einem Mann mit fehlerhaftem oder unempfindlichem Geschmacksorgan. Allgemein können wir behaupten, daß sich niemand von einer einfachen, von den fünf Sinnen herrührenden Erkenntnis einen entsprechenden Begriff bilden kann, der diese Erkenntnis nicht selbst von ihnen empfangen hat.

Aber die Undefinierbarkeit der einfachen, von den Sinnen herrührenden Erkenntnisse ist nicht ihre einzige Eigentümlichkeit. Sie haben auch die wichtigste Eigenschaft, daß sie oder zumindest die wichtigsten von ihnen sich beständig in einer Reihe von übrigens völlig unähnlichen Gegenständen wiederholen, wodurch sie uns instandsetzen, dem, der diese Gegenstände nie gesehen hat, eine Vorstellung von zumindest gewissen Eigenschaften derselben zu geben. So kann der, welcher das Tiefblau des Himmels oder irgendeines Stoffes gesehen, sich eine Vorstellung von der Farbe des Mittelmeers machen, wenn ihm gesagt wird, daß sie diesem Blau genau gleich ist. Noch mehr! Unsere Erkenntnis der Naturdinge ist in der Tat nur eine Verbindung einfacher, von ihnen herrührender sinnlicher Wahrnehmungen. Einem Mann, der kein Philosoph ist, muß es scheinen, daß wir alles, was wir von einem äußeren Ding wissen oder wissen können, mit Hilfe der fünf Sinne lernen; und wenn auch gewisse Philosophen diese Annahme bezweifelt haben, so können wir doch, unbeirrt durch ihre Spitzfindigkeiten, dem einfachen gesunden Menschenverstand folgen und dieser Annahme beistimmen. Gemäß dieser Annahme nun sind alle unsere Vorstellungen von äußeren Dingen das Ergebnis unserer durch die Sinne vermittelten äußeren Erfahrung, und diese äußere Erfahrung ist das Ergebnis der Verbindung jener einfachen sinnlichen Wahrnehmungen. Daraus aber folgt notwendig, daß alle unsere Vorstellungen von äußeren Dingen Verbindungen der einfachen Vorstellungen sein müssen, welche diesen einfachen Wahrnehmungen entsprechen, daß z. B. die Vorstellung dieser oder jener Pflanze bloß eine Verbindung einfacher Vorstellungen ihrer Farbe, ihres Geruchs, ihres Geschmacks usw. ist. Freilich haben wir auch Vorstellungen ihrer Größe, ihres Gewichts, ihrer Gestalt usw. Vorstellungen, die wir nicht unmittelbar von den Wahrnehmungen, sondern durch den Vergleich verschiedener Wahrnehmungen gewinnen (ich muß mich des Gewichts anderer Metalle erinnern, um sagen zu können, daß Blei schwer oder leicht ist). Da jedoch auch diese Begriffe aus verschiedenen einfachen Wahrnehmungen gewonnen werden, so können wir allgemein sagen, daß all unsere Erkenntnis der äußeren Welt zuletzt auf eine Anzahl verschiedentlich verbundener sinnlicher Wahrnehmungen zurückgeführt werden kann.

Seit LOCKEs Zeit nennt man in der Philosophie die geistigen Wiedervergegenwärtigungen dieser einfachen sinnlichen Wahrnehmungen unsere einfachen Vorstellungen und bezeichnet als die beste Art der Definition eines gegebenen äußeren Gegenstandes die Aufzählung der einfachen in seinem Begriff mit einander verbundenen Vorstellungen. So z. B. würde die richtige Definition des Pfluges in der Aufzählung aller der einfachen Vorstellungen bestehen, welche wir mit diesem Namen verbinden, seiner Farbe, seiner Gestalt, seiner Größe, seines Gewichts usw. (verschiedene dieser Vorstellungen sind wie gesagt nicht einfache Vorstellungen in einem strengen Sinn, aber da sie seit sehr langer Zeit aus solchen gebildet sind und sehr leicht aus ihnen gewonnen werden, so werden sie gewöhnlich der Gleichförmigkeit wegen als einfache Vorstellungen behandelt). Wir fügen hierzu eine Angabe über seinen Gebrauch, der durch einfache Vorstellungen oder durch Vorstellungen, die in einfache zerlegt werden können, erkannt wird - und unsere Definition ist vollständig.

Indem wir bis hierher den glückverheissenden Spuren der englischen Philosophie folgten, gelangten wir zu einem von der Mehrzahl der heutigen Logiker gebilligten Ergebnis. Suchen wir aber den Gegenstand tiefer zu erforschen, indem wir uns fragen, welches denn die einfachen Vorstellungen sind, die wiri gewöhnlich mit einem Namen verbinden, und ob alle oder nur einige von ihnen für die Definition gebrauch werden sollen, so fürchte ich, werden wir zwischen unserer Lehre und derjenigen der Schulen eine Kluft entdecken, welche in keiner Weise überbrückt werden kann.

Ich kann gemeinsam mit unseren Philosophen noch einen Schritt weiter gehen. Die Philosophen nennen übereinstimmend die Kräfte eines Dings, aus denen wir seine Natur kennenlernen, seine Eigenschaften. Hitze z. B. ist eine Eigenschaft des Feuers, sie bewirkt in uns eine unmittelbare Empfindung. Es ist die Eigenschaft eines Magneten, Eisen anzuziehen, und diese Eigenschaft tut sich unserem Gesicht und nötigenfalls auch unserem Gefühl kund. Ob alle Eigenschaften eines Gegenstandes sich uns durch Empfindungen kund tun oder ob einige von ihnen uns auf eine andere Weise zur Kenntnis gebracht werden, das ist eine unter Philosophen viel erörterte Frage. Ich folge der Mehrzahl der englischen Philosophen, indem ich dafür halte, daß die sinnlichen Wahrnehmungen für uns die einzige Erkenntnisquelle der äußeren Natur bilden. Aber die Meinungsverschiedenheit hinsichtlich dieses Punktes hat wenig oder gar keine Bedeutung für den Gegenstand unserer Untersuchung. Die Eigenschaften äußerer Dinge, welche uns nach der Annahme einiger Philosophen auf andere Weise als durch die sinnlichen Wahrnehmungen bekannt werden sollen, sind meistens, wenn nicht sämtlich, Eigenschaften aller Dinge, wie die Ausdehnung, d. h. die Ausfüllung eines bestimmten Teils des Raums. Solche Eigenschaften aber können offenbar nicht Bestandteil einer Definition sein, welche uns instandsetzen soll, einen Gegenstand von allen anderen zu unterscheiden. Welches sind denn die Eigenschaften, die in die Definition eines Gegensetandes aufgenommen werden müssen? Alle, welche der Name einschließt, sagen die Philosophen. Das heißt alle die sinnlichen Wahrnehmungen, an welche mich der Name erinnert. Aber offenbar wird der Name gemäß den verschiedenen Erfahrungen, die wir gemacht haben, einen jeden von uns an verschiedene Wahrnehmungen erinnern. Wer seine Hand gerade an einem Rosenstrauch verwundet hat, für den wird die Eigenschaft Dornen zu besitzen ein sehr hervorragender Teil seiner allgemeinen Vorstellung des Rosenstrauches sein, während für gewöhnlich die Vorstellung dieser Eigenschaft, obgleich verborgen bleibt und durch den Namen nicht unmittelbar hervorgerufen wird. Dem Manne der Wissenschaft wird der Namen eines Metalls oder einer chemischen Substanz unzählige Eigenschaften ins Gedächtnis rufen, die Ergebnisse seiner eigenen Erfahrungen, aber den meisten Menschen durchaus unbekannt sind. Dürfen wir denn sagen, daß die einzig vollkommene Definition diejenige ist, welche sowohl die gewöhnliche Erfahrung als die wissenschaftliche Erkenntnis hinsichtlich eines Dings zum Ausdruck bringt? Aber solche Definitionen würden, je nachdem die Wissenschaften fortschreiten, beständig bis ins Ungeheuerliche wachsen und zuletzt so schwerfällig werden, daß sie gar keinen Nutzen brächten. Oder sollen wir nur die wissenschaftliche Definition wählen? Diese würde in vielen Fällen einen gewöhnlichen Mann nicht instandsetzen, das Ding, wenn er es sähe, zu erkennen. Oder sollen wir endlich nur die gewöhnlichen Merkmale in unsere Definition aufnehmen? Gegen diese Annahme lassen sich zwei ernsthafte Bedenken geltend machen. Einmal ist es fast unmöglich sich mit einiger Sicherheit zu vergewissern, welches die gewöhnlichsten, durch die Erfahrung aller Menschen verbürgten Eigenschaften eines Dings sind, sodann ist es keineswegs sicher, daß diese Eigenschaften, vorausgesetzt, daß sie gefunden werden, uns instandsetzen, das Ding von allen andern zu unterscheiden, da gar häufig an Dingen, die durch ihre verborgenen Eigenschaften sehr weit voneinander abstehen, die offen vorliegenden Verschiedenheiten sehr unbedeutend und wenig beachtet sind.

Gibt es denn kein Mittel diese Schwierigkeiten zu überwinden? Ich glaube ja, und zwar ein solches, das eine in gewisser Hinsicht befriedigendere und vollständigere Definition ermöglich als das beschwerliche, von den Logikern empfohlene Verfahren. Betrachten wir ein wenig genauer, was der Zweck einer Definition ist. Wir sagten, er bestehe darin, daß im Angeredeten ein Zustand des Denkens erzeugt wird, der demjenigen des Redenden so ähnlich wie möglich ist. Nun besitzt der Redende infolge mehr oder weniger häufiger Wahrnehmung des Dinges ohne Zweifel eine Anzahl von Vorstellungen, die sich auf das Ding beziehen. Aber diese Vorstellungen sind in seinem Geist kein ungeordnetes Durcheinander getrennter Glieder, sie bilden vielmehr, wie ich glaube, ein geregeltes System von Gliedern, die in einer bestimmten Ordnung aneinander gereiht sind; und selbst wenn er alle diese Vorstellungen gemäß der Forderung der Logiker einem anderen mitteilen könnte, würde seine Arbeit sehr unvollkommen und mangelhaft bleiben, falls er dieselben ohne eine bestimmte Ordnung vorbrächte und von der Reihenfolge der Vorstellungen nichts erwähnen würde, gemäß welcher er mit einer oder mehreren bestimmten Vorstellungen beginnt und zu den übrigen weiter schreitet, aber nicht umgekehrt. Gesetzt den Fall, es sind der durch den Namen des Dings hervorgerufenen Vorstellungen zu viele, um sie alle in die Definition mit aufzunehmen, so wird es am klügsten sein, sich mit der Aufzählung derjenigen zu begnügen, die naturgemäß zuerst im Geist auftreten, wenn der Name des Dings genannt wird, da diese wahrscheinlich die wichtigeren sind. Meine Aufgabe ist ein Prinzip aufzufinden, nach dem wir bestimmen können, welches jene ersten Vorstellungen von einem Ding sind, die sich zur Aufnahme in seine Definition eignen. Die Lösung dieser Aufgabe wird nicht schwer sein.

Die Reihenfolge der auf einen Gegenstand bezüglichen Vorstellungen sind keineswegs gleichgültig. Ebenso wie die Vorstellungen selbst, zumindest die, von denen wir jetzt handeln, ihre Urbilder in Wahrnehmungen haben, entspricht die Reihenfolge der Vorstellungen der Reihenfolge der auf den Gegenstand bezüglichen Wahrnehmungen, wie sie bei jedem Zusammentreffen mit demselben wiederkehren. Wäre die Reihenfolge der jedesmaligen Wahrnehmungen durchaus veränderlich, dann würden auch die Vorstellungen zu einer Zeit in einer Reihenfolge und zu einer andern in einer andern Reihenfolge auftreten. Aber in ungefähr allen Fällen ist die Reihenfolge der auf ein Ding bezüglichen Wahrnehmungen bestimmt, und in weitaus den meisten gehören die Wahrnehmungen, welche jedesmal zuerst kommen, dem nämlichen Sinnesorgan an.

Setzen wir den Fall, mit völlig gesunden Sinnen ausgerüstet sehen wir zum ersten Mal im Vorüberfahren auf der Eisenbahn oder in einem Wagen eine Pflanze oder Blume. Unsere ganze Kenntnis, die wir bei dieser Gelegenheit von ihr gewinnen, ist durch unsere Augen vermittelt und unsere ganze Vorstellung von ihr muß ihrer Natur nach ein Bild der Pflanze oder Blume sein. Nehmen wir nun an, wir seien Botaniker oder Kräutersammler. Dann beginnen wir damit, die Pflanze zu suchen. Wir sehen sie in einiger Entfernung und nähern uns ihr. Wir nehmen sie wahr durch unseren Geruchssinn, vielleicht fühlen wir sie auch an und erkennen ihren Bau. Nehmen wir drittens an, wir lassen die Pflanze suchen und in unserem Studierzimmer oder Laboratorium niederlegen. Wir treten in das Zimmer ein, sehen die Pflanze auf dem Tisch liegen und stellen Untersuchungen an. Diese geben uns weitere Kenntnisse, d. h. mannigfaltige Vorstellungen von ihr. Nach einigen Tagen nennt ein anderer oder wir selbst den Namen der Pflanze. Der Name ruft uns plötzlich alle oder einen Teil der Wahrnehmungen ins Gedächtnis zurück, die wir an dem Gegenstand machten; aber er ruft nicht alle auf einmal, noch alle mit gleicher Stärke zurück. Zuerst treten in uns jene Wahrnehmungen wieder auf, welche sich uns bei jeder der drei Gelegenheiten, wo wir den Gegenstand sahen, zuerst darboten, diejenigen nämlich, welche durch die Augen geschahen. Wir erinnern uns zuerst wieder an die Form und Farbe des Gegenstandes, d. h. an das Bild, das wir uns von ihm machten. Danach folgen und zwar häufig nach längerer Zwischenzeit Vorstellungen anderer Wahrnehmungen, welche bei den verschiedenen Gelegenheiten denen des Gesichts gefolgt sind. Nun bot sich uns ferner die sichtbare Erscheinung des Gegenstandes bei allen drei Gelegenheiten dar, während dies vielleicht mit keiner seiner anderen Eigenschaften der Fall war (wie in dem Beispiel, das wir wählten) und gewiß keine uns so lange gegenwärtig blieb, da wir doch ohne Zweifel beständig auf den Gegenstand sahen, als wir ihn mit dem Geruch, dem Geschmack oder Gefühl wahrnahmen. Daraus folgt, natürlicherweise vorausgesetzt, daß nichts störend einwirkt, daß unsere Vorstellung von der sichtbaren Erscheinung des Gegenstandes viel kräftiger und lebhafter ist als diejenige seiner anderen Eigenschaften. Freilich hängt die Lebhaftigkeit einer Vorstellung nicht von der Häufigkeit ihres Vorkommens ab, denn eine einmalige Wahrnehmung erzeugt häufig eine ebenso starke Vorstellung wie mehrere schwächere Wahrnehmungen zusammengenommen. So wird ein Mann, der irgendein Glied des Körpers verbrannt hat, für lange Zeit mit dem Namen Feuer den Begriff eines scharfen Schmerzes verbinden, nicht den einer behaglichen Wärme, obgleich die letztere Empfindung die weitaus häufigere in seiner Erfahrung war. Aber solche störend auf den gewöhnlichen Verlauf unseres Wahrnehmungslebens einwirkende Ursachen sind im Vergleich mit der ganzen Menge der Wahrnehmungen weder häufig, noch irgendwie berechenbar, so daß wir sie beiseite lassen müssen, wenn wir eine wissenschaftliche Behandlung des Gegenstandes versuchen wollen. Sehen wir von ihnen ab, so kommen wir zu dem Schluß, daß die Vorstellungen, die wir durch unsere Augen von einem äußeren Gegenstand gewinnen, der Regel nach sowohl früher als weitaus lebhafter sind, als diejenigen, die wir den anderen Sinnen verdanken. Nicht nur dies, in den meisten Fällen folgen auch die Vorstellungen der anderen Sinne nicht einer bestimmten Ordnung. Manche Dinge, wie z. B. eine Kirsche oder einen Apfel, kann ich einmal kosten ohne sie zu berühren und dann berühren ohne sie zu kosten, und es ist außer der größeren Lebhaftigkeit der einen der beiden Wahrnehmungen gar kein Grund vorhanden, warum die Vorstellung der einen den bei der Nennung des Namens gebildeten Gesichtsvorstellungen eher folgen sollte, als die Vorstellung der andern. Ich sagte, daß die erste Gruppe von Vorstellungen, welche wir von einem bei irgendeiner Gelegenheit wahrgenommenen Gegenstand gewinnen, in den meisten Fällen Gesichtsvorstellungen sind. Ich muß jedoch bemerken, daß diese Regel, so allgemein sie ist, doch nicht völlig allgemein genannt werden kann. Es gibt Gegenstände wie Teufelsdreck und Knoblauch, deren Geruch sich uns früher darbietet, als wir sie sehen, und länger anhält, d. h. noch fortdauert, nachdem der Gegenstand aus unserem Gesicht verschwunden ist. In diesen Fällen ist unsere erste und in Wirklichkeit ungefähr einzige durch den Namen hervorgerufene Vorstellung des Dings eine Erinnerungsvorstellung der von ihm herrührenden Geruchsempfindung, und das Ding würde am angemessensten in Ausdrücken für die Geruchsverschiedenheiten definiert, wäre nicht die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Geruchsempfindungen durch Worte viel schwieriger und viel mehr dem Irrtum ausgesetzt, als die Angabe der vom Auge wahrgenommenen Gestalt, Größe und Farbe.

Versetzen wir uns in Gedanken mitten in eine Landschaft hinein und betrachten die Einwirkung der um uns befindlichen Gegenstände auf unsere Sinne. Alle wirken auf unseren Gesichtssinn ein, so gut wie gar keine auf unsere übrigen Sinne. Die Wolken über uns freilich können als Regen auf uns niederfallen und uns naß machen, aber wir verbinden mit dem Gedanken an die Wolken nicht die Vorstellung des Naßseins, da wir gewöhnlich die Wolken beobachten, ohne eine solche Wahrnehmung zu machen. Keines der Millionen von Blättern und Halmen an den Bäumen und auf den Korn- und Grasfeldern, die das Landschaftsbild ausmachen, berühren wir. Wir haben keinen Begriff von den Verschiedenehiten eines Eichen- und Ulmenblattes für das Gefühl, obgleich wir sie leicht durch das Auge unterscheiden können. Die Luft, wie wir wahrnehmen, ist wohl riechend von unzähligen Blütendüften, aber des Frühlings Hauch mischt alle Ströme von Wohlgerüchen zu einem Strom und wie wenige von uns können die verschiedenen von jeder Blüte herrührenden Geruchsempfindungen unterscheiden.

Durch die Augen werden uns nicht nur die ersten und lebhaftesten Eindrücke von ungefähr allen Naturdingen zugeführt, sie sind auch die Quelle buchstäblich aller Kenntnisse, die wir von den meisten von ihnen persönlich und unmittelbar gewinnen. (Ich lasse für den Augenblick die Kenntnis beiseite, welche wir uns aus Büchern oder durch den Unterricht der Naturforscher erwerben können.) Die Folgerung scheint natürlich, daß die Vorstellung der sichtbaren Erscheinung dieser Dinge die Grundlage und den Hauptinhalt unserer Begriffe von ihnen ausmacht, und daß die Vorstellungen aller andern uns bekannten Eigenschaften derselben in unserem Denken bei Nennung ihres Namens erst dann auftreten, wenn die Vorstellung ihrer sichtbaren Erscheinung durch dieselbe hervorgerufen und vorhergegangen ist.

Ich fordere jedermann auf, sein Bewußtsein zu befragen, ob nicht sein Begriff eines äußeren Dinges hauptsächlich - beinahe hätte ich gesagt gänzlich - in einer Vorstellung seiner sichtbaren Erscheinung besteht. Ist dies der Fall, und muß man unter einer Definition die Erklärung des Begriffs eines Dings verstehen, dann ist der einzige Weg, auf dem wir zugleich die unangenehme Weitschweifigkeit vermeiden und einem andern ein möglichst vollständiges Bild von unserem Denken geben können, wie es sich in uns bei Nennung des Namens gestaltet, die unverkürzte Beschreibung der Eigenschaften des Dings, welche sich unserem Gesicht darbietet, seiner Farbe, Größe, Gestalt usw.

Wir behaupten demnach, daß die richtige Definition das Ding beschreibt, wie wir es sehen, und daß unter dem "Ding" von dem wir reden und denken, in erster Linie das verstanden wird, was wir sehen. Wir werden darum in Zukunft, wenn wir von Dingen oder von Vorstellungen von Dingen reden, immer sichtbare Dinge meinen, d. h. die Summe jener einfachen Gesichtsvorstellungen, aus denen unser ganzes geistiges Bild des Dings besteht. Die anderen Eigenschaften des Dings, deren Vorstellungen den durch Nennung des Namens in uns geweckten Gesichtsvorstellungen von ihm erst folgen, seinen Geruch usw. werden wir Attribute nennen. Kein Attribut in diesem Sinn gehört notwendig zur Definition eines Dings, in der gewöhnlichen Rede wird darum auch keines derselben in die Definition aufgenommen. Für bestimmte Zwecke der Untersuchung oder des Unterrichts kann es wichtig sein, zu der dem Ding entsprechenden Definition eins oder mehrere seiner wichtigsten Attribute hinzuzufügen. So z. B. könnte man zur Beschreibung des Aussehens des Nachtschattens hinzufügen, daß seine Beeren giftig sind. Aber welches dieses nachträglich hinzugefügte Attribut sein und welchem Sinnesorgan es angehören muß, das hängt gänzlich vom Gegenstand der Untersuchung ab. Mit der Beschreibung der sichtbaren Erscheinung eines Dings schließt der unveränderliche und allgemein gültige Teil der Definition.

Wir fassen das über die Definition der äußeren Dinge und weiterhin über den Begriff des Dings überhaupt gesagte kurz zusammen: Erstens, alle unsere Kenntnisse von äußeren Dingen stammen aus Wahrnehmungen der Sinne und bestehen aus diesen Wahrnehmungen entsprechenden Vorstellungen. Zweitens, für die Definition eines äußeren Dings kommt alles darauf an, die Vorstellungen zu kennen, welche durch den Namen des Dings in uns geweckt werden. Aber das sind nicht dieselben für alle Menschen, das sind wieder andere für den Gelehrten, und die gewöhnlich mit dem Namen verbundenen sind teils schwer zu entdecken, teils zur Unterscheidung der Dinge unzureichend. Drittens, es gibt eine bestimmte Ordnung in den auf ein Ding bezüglichen Wahrnehmungen, die Wahrnehmungen des Gesichts sind die ersten und dauern am längsten, d. h. sie kehren bei allen Wahrnehmungen der anderen Sinne wieder. Dementsprechend sind auch die Gesichtsvorstellungen die zuerst und am lebhaftesten in uns durch den Namen geweckten. Viertens, die Definition eines äußeren Dings wird durch eine unverkürzte Beschreibung der Eigenschaften, die sich unserem Gesicht bieten, gegeben. Fünftens, unter dem Begriff eines Dings verstehen wir die Vorstellung seiner sichtbaren Erscheinung, die Summe der einfachen Gesichtsvorstellungen, aus denen unser geistiges Bild derselben zusammengesetzt ist. Die übrigen Eigenschaften, deren Vorstellungen den durch seinen Namen in uns geweckten Gesichtsvorstellungen von ihm erst folgen, nennen wir seine Attribute. SHUTE erkennt also als die wesentlichen Merkmale, aus denen das Ding nach der gewöhnlichen Logik zusammengesetzt ist, die einfachen bei jeder Wahrnehmung unv Vorstellung zuerst auftretenden und fortdauernden Gesichtsvorstellungen von ihm. Aber das Ding gilt auch als Träger seiner Veränderungen, und diese Seite ist in der gegebenen Definition seines Begriffs gar nicht berührt. Was freilich darunter verstanden wird, daß wir das Ding als Träger seiner Veränderungen bezeichnen, das kann wohl nur durch Worte umschrieben werden, welche die Sache doch nicht klarer machen. Aber wie wir dazu kommen, die Dinge als Träger ihrer Veränderungen zu betrachten, das glaube ich, können wir im engen Anschluß an SHUTEs Anschauungen näher darlegen. SHUTE sagt, nicht die Veränderung eines Dings, sondern das Ding selbst ist Ursache im gewöhnlichen Sinn. Denn der Begriff einer Ursache im gewöhnlichen Sinn ist streng persönlich. Deshalb ist diesem Begriff gemäß das Ding eine Person. Ich glaube, der letzte Satz hat so heißen sollen: Deshalb ist diesem Begriff gemäß die Veränderung (als Ursache) ein Ding. Nur so scheint er mit dem Vorausgehenden in einem Zusammenhang zu stehen und aus dem unmittelbar vorausgehenden Satz zu folgen. Wenn aber dem so ist, dann wird eine Veränderung oder Erscheinung dadurch, daß wir sie als Ursache im gewöhnlichen Sinn, d. h. als Person fassen, ein Ding. Was soll das aber anderes heißen, als die Veränderung oder Erscheinung wird dadurch, daß wir sie als Ursache im gewöhnlichen Sinn oder als Person fassen, ein Grund von Veränderungen, die andere Veränderungen hervorrufen, als ein Träger von eigenen Veränderungen? Unter Ding kann hier doch nichts anderes als ein Träger von eigenen Veränderungen verstanden werden. Der Begriff Träger der eigenen Veränderungen ist nur eine geringe Erweiterung des Begriffs Grund der eigenen Veränderungen, sofern er eben auch die gegen den Willen der Ursache, des Dinges - Ursache und Ding immer als Person gedacht - eintretenden Veränderungen umfaßt. Wir schließen: Das Ding wird auf dieselbe Weise und aus demselben Grund nach SHUTE Träger seiner Veränderungen, auf welche Weise und aus welchem Grund die Veränderung oder Erscheinung Ursache im gewöhnlichen Sinn wird, nämlich dadurch, daß jenes wie diese als Person gefaßt werden. Damit ist aber auch das Ding als Träger seiner Veränderungen ganz und gar der Ursache im gewöhnlichen Sinn gleichgesetzt. Und doch müssen wir beides nach dem Zeugnis unseres Bewußtseins streng unterscheiden. Werden wir das noch können? Wir versuchen es auf folgende Weise.

Unter Attribut verstehen wir eine Eigenschaft, deren Vorstellung der Vorstellung des Dings folgt und deren Wahrnehmung von der ersten Wahrnehmung des Dings durch einen mehr oder weniger merklichen Zeitteil getrennt ist. Die Gegenwart des Dings in unserer Vorstellung oder Wahrnehmung weckt stärker oder schwächer die Erwartung des Attributs - der Anblick einer Rose aus der Ferne weckt die Erwartung ihres Dufts, wenn wir uns ihr nähern. Wenn wir nun sagen, die Ursache ist das Zeichen der Wirkung, so meinen wir damit, daß die Ursache das Ding oder die Erscheinung ist, deren Wahrnehmung in uns die Erwartung erregt, daß wir auch die Wirkung wahrnehmen werden.

Es scheint demnach, daß unsere Definition von Ursache und Wirkung mit derjenigen von Ding und Attribut zusammenfällt, und daß es gar keinen Unterschied macht, ob wir eine Erscheinung als Wirkung einer anderen oder ob wir sie als ihr Attribut bezeichnen. Das aber widerspricht unserem Bewußtsein. Wenn wir sagen, eine Erscheinung ist die Wirkung einer anderen, und wenn wir erklären, ein Attribut gehört zu einem Ding, so sind wir uns bewußt, daß wir zwei völlig verschiedene Aussagen machen. Worin liegt denn der Unterschied? Bloß darin, daß wir eine Ursache als nicht mehr vorhanden denken können, wenn die Wirkung noch vorhanden ist, während wir es auch nicht einen Augenblick für möglich halten können, daß ein Ding nicht vorhanden ist, dessen Attribut sich unserer Wahrnehmung darbietet.

Es kann so der Fall eintreten, daß die ganz gleiche Wahrnehmung bald als Wirkung, bald als Attribut betrachtet werden muß, je nachdem wir uns dieselbe nach dem Verschwinden des Dings oder der Ursache als fortdauernd oder als nicht fortdauern denken können. So ist das Gewicht unzweifelhaft ein Attribut des Buches, und wir werden uns desselben bewußt durch den Druck, den das Buch auf einen Teil unseres Körpers, z. B. auf unsere Hand ausübt. Nun kann das Gefühl dieses Drucks eine kurze Zeit nach der Entfernung des Buches fortdauern, und in diesem Fall sagen wir nicht mehr, daß wir das Gewicht des Buches auf unserer Hand fühlen, sondern daß wir das Gefühl des Drucks noch haben, den das Buch verursacht hat. Das Gewicht des Buches und das Gefühl des Drucks sind in diesem Fall zwei dieselben Wahrnehmung ausdrückende Namen, aber diese Wahrnehmung wird einmal als unabtrennbar vom Buch betrachtet, dann als für sich allein bestehend aufgefaßt.

Wir sahen früher, daß die sichtbare Erscheinung oder das Bild, welches unsere Vorstellung von dem Ding ausmacht, fortdauert, während wir die Attribute des Dings wahrnehmen. Jede Wahrnehmung also, die wir machen, nachdem das Ding unseren Augen entschwunden ist und die trotzdem häufig oder beständig der Wahrnehmung des Dings folgt, nennen wir nicht das Attribut, sondern die Wirkung des Dings. In der gleichen Weise kann ein Attribut eines Dings die Ursache eines anderen Attributes genannt werden, wenn beide einander in der Wahrnehmung in derselben Ordnung folgen und das letztere fortdauert oder als fortdauernd betrachtet werden kann nach dem Verschwinden des ersteren. Ein Attribut also kann die Ursache eines anderen Attributs desselben Dings sein, wie wenn wir sagen: Schuld ist die Ursache der Reue; es kann auch die Ursache einer Veränderung in einem anderen Ding sein, wie wenn wir behaupten, Übellaunigkeit erzeugt Unbeliebtheit, oder endlich kann es auch - und zwar in nur wenigen Fällen - die Ursache eins Dings im eigentlichen Sinn des Wortes sein, z. B. Hitze erzeugt Nebel. Ein Ding kann entweder die Ursache eines anderen Dings, wie eine Eichel die Ursache einer Eiche, oder einer Veränderung in einem anderen Ding sein, wie das Feuer die Ursache des Schmelzens von Wachs ist. (Man kann sagen, daß wir mit mehr Grund behaupten könnten, die Hitze des Feuers ist die Ursache des Schmelzens, aber ich werde zu beweisen versuchen, daß beide Ausdrücke gleich berechtigt sind, wie sie auch gleich gebräuchlich sind.) Wir können niemals mit Recht sagen, daß ein Ding die Ursache eines seiner eigenen Attribute ist, aber ich glaube auch nicht, daß wir für gewöhnlich so sprechen, obgleich die Philosophen aus einem unerforschlichen Grund immer höchst besorgt waren, wir könnten diese Form des Ausdrucks wählen.

Der deutliche Unterschied zwischen den Begriffen Wirkung und Attribut (oder den entsprechenden Ursache und Ding) liegt also darin, daß das Attribut immer gleichzeitig mit dem Ding sein muß, während die Wirkung nach dem Verschwinden der Ursache entweder noch fortexistiert oder zumindest als noch fortexistierend gedacht werden kann. Es gibt manche Fälle, in denen in der Tat Ursachen für gewöhnlich gleichzeitig mit ihren Wirkungen auftreten, aber ich fordere jeden auf, eine Wirkung zu nennen, die als fortexistierend nach dem Verschwinden der Ursache nicht gedacht werden kann oder ein Attribut, das nach dem Verschweinden seines Dings aus dem Bewußtsein unseren Sinnen noch gegenwärtig bleiben kann. Da die Unterscheidung zwischen Wirkung und Attribut oder Ursache und Ding hierin liegt, so ist es leicht einzusehen, daß sie alle Verbindungen von Erscheinungen, welche zu Erwartungen Anlaß geben, umfassen. Es gibt ohne Zweifel andere Verbindungen zwischen Erscheinungen, wie ihre Identität, Ähnlichkeit und Gegensätzlichkeit, aber keine von diesen gibt eine Veranlassung zu irgendeiner Erwartung. Es würde nicht schwer sein, zu erklären, warum bei den übrigen Verbindungen von Erscheinungen oder Vorstellungen keine Erwartung eintritt, aber diese Erklärung würde uns zu weit von unserem Gegenstand abführen. Wir müssen uns an der Behauptung genug sein lassen, daß die Verbindungen von Ursache und Wirkung, Ding und Attribut die beiden einzigen Verbindungen von Erscheinungen sind, welche unter den Elementen unserer Gedankenwelt den am meisten in die Augen springenden Wert haben. Wenn wir eins der beiden Zeichen, die wir Ursache oder Ding nennen, wahrnehmen, so erwarten wir sofort den Eintritt einer Wirkung oder eines Attributs. Der einzige Unterschied zwischen der Erwartung in den beiden Fällen liegt darin, daß wir im ersten nicht genötigt sind, anzunehmen, daß die gegenwärtige Wahrnehmung während der erwarteten Wahrnehmung fortdauert, eine Annahme, die wir im zweiten Fall notwendig machen müssen.

Soviel über den Unterschied der Begriffe Ursache und Wirkung von den Begriffen Ding und Attribut. Die Wirkung kann immer als getrennt von der Ursache als nach deren Verschwinden fortbestehend gedacht werden, das Attribut kann nie als getrennt vom Ding, als nach dessen Verschwinden fortbestehend gedacht werden. Ursache und Ding sind die einzigen Vorstellungen, die in uns Erwartungen hervorrufen, die Ursache ruft in uns die Erwartung der Wirkung, das Ding die Erwartung des Attributs hervor. Ursache und Ding sind beide Zeichen kommender Erscheinungen und bleiben ursprünglich, wenn der Mensch die Erscheinungen paarweise ordnet, die vorausgehenden als Zeichen faßt, um sich auf die nachfolgenden vorzubereiten, gewiß noch ununterschieden. Es fragt sich, wie kommt der Mensch zur Unterscheidung dieser Zeichen in Ursachen und Dinge?

Wir setzen mit Grund voraus, es sei die erste Aufgabe des Menschen, seine Handlungen seinen Umständen anzupassen und sein Leben so sicher und schmerzlos wie möglich zu gestalten. Die Erkenntnis, daß gewisse Erscheinungen andere Erscheinungen nur nach sich ziehen aufgrund seiner eigenen Tätigkeit, während andere Folgen von Erscheinungen ganz unabhängig von seiner Tätigkeit auftreten, muß darum wichtig für ihn sein. Der Donner folgt dem Blitz, während er auf dem Rücken liegt und den bewölkten Himmel betrachtet. Aber das Feuer erscheint nur am trockenen Holz, wenn er mit einem anderen Stück an demselben reibt. Wir können im allgemeinen sagen, daß die Attribute eines Dings uns nur erkennbar werden aufgrund unserer eigenen Tätigkeit, daß hingegen die Wirkungen den Ursachen folgenmm während wir uns untätig verhalten. Die Unterscheidung zwischen jenen Wahrnehmungen, welche für den Menschen Zeichen sind, daß er eine andere Wahrnehmung machen kann, wenn er gewiße Handlungen vollzieht, und jenen Wahrnehmungen, welche Zeichen sind, daß er eine andere Wahrnehmung machen muß, mag er wollen oder nicht, scheint zu naheliegend, um nicht schon früh gemacht zu werden. Diese Unterscheidung zwischen völlig unabhängig von uns eintretenden Folgen von Erscheinungen und solchen, die zu ihrem Eintreten eine Tätigkeit unsererseits voraussetzen, führte meiner Meinung nach auf die Unterscheidung zwischen Wirkung und Attribut, obgleich die unterschiedenen Gebiete sich nicht völlig decken. So ist es z. B. ein Attribut des Tigers, daß er Ochsen frißt, und er vollzieht diese Tätigkeit ohne irgendeine andere Tätigkeit, sei es des Ochsen oder des Hirten. Aber erstens sind weitaus die meisten Dinge unbeweglich und keins ihrer Attribute (außer den vom Geruchssinn wahrgenommenen in wenigen Fällen) wird wahrgenommen, wenn nicht der Wahrnehmenden zu diesem Zweck außer der Wahrnehmung noch eine weitere Tätigkeit vollzieht. Was dann zweitens die Tiere oder die beweglichen Dinge angeht, so ist es nicht unmittelbar das Attribut, sondern irgendeine daraus für ihn hervorgehende Empfindung, die sich seiner Kenntnis zuerst aufdrängt. Die Tätigkeit, welche vom Rachen des Tigers ausgeht, ist nicht das, worum es sich für den Menschen handelt, sondern der infolge derselben ihn treffende Verlust seines Ochsen und der daraufhin eintretende Hunger. Von solchen Erfahrungen, die der Mensch machen muß, ist das Tier die Ursache im strengen Sinn des Wortes. Da die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Ursache eng mit derjenigen einer geistigen Tätigkeit verknüpft ist, so begreift es sich leicht, warum sich aus der Unterscheidung der unabhängig von uns und bedingungsweise eintretenden Folgen von Erscheinungen erst auf einer späten Entwicklungsstufe unserer Vernunft die Unterscheidung von Wirkung und Attribut herausbilden und das Gebiet der letzteren Unterscheidung vom ersteren klar abrgrenzen konnte.

Nach dieser Darlegung über das Entstehen der Unterscheidung von Ursache und Ding, Wirkung und Attribut im Laufe der Entwicklung des menschlichen Denkens ordnete der Mensch zuerst gleich im Anfang seiner Denkentwicklung die aufeinanderfolgenden Erscheinungen paarweise zusammen, nahm die vorausgehenden als Zeichen der nachfolgenden, um sich für letztere in Bereitschaft zu setzen. Dann unterschied er noch in der frühesten Zeit seiner Entwicklung Folgen von Erscheinungen, die nur aufgrund seiner eigenen Tätigkeiten und Folgen von Erscheinungen, die ganz unabhängig von seinen eigenen Tätigkeiten eintreten. Damit war die Grundlage gewonnen für die erst auf einer späteren Entwicklungsstufe seiner Vernunft sich vollziehende Unterscheidung der Zeichen kommender Erscheinungen in solche, die nicht fortzudauern brauchen, solange die kommenden Erscheinungen existieren, und in solche, die fortdauern müssen, solange die kommenden Erscheinungen existieren, oder in Ursache und Dinge. - Ursprünglich ist also zwischen den Verbindungen von Erscheinungen, die wir als Ursache und Wirkung bezeichnen, und denjenigen, die wir als Ding und Attribut bezeichnen, kein Unterschied. Beide Verbindungen sind vom Geist durch das Denken geschaffene Betrachtungsweisen der Erscheinungen; die Verbindung von Erscheinungen als Ursache und Wirkung ist die erste, von der im Laufe der Zeit die Verbindung von Erscheinungen als Ding und Attribut, und zwar wiederum durch das Denken abgetrennt und geschieden wird. Auf die Verbindung von Ursache und Wirkung kommt darum in letzter Instanz auch diejenige von Ding und Attribut zurück. Wir fügen deshalb am Schluß unserer Untersuchungen über Ursache und Wirkung, Ding und Attribut eine Einwendung gegen die Hauptgrundlage der ersteren und die Widerlegung dieser Einwendung bei.

Die Behauptung, daß das Gesetz der Gleichförmigkeit des Naturlaufs nur darum nicht unwahr ist, weil es gar nichts bedeutet, erscheint uns als ein Paradoxon. Freilich ist es wahr, daß die Gleichförmigkeit des Naturlaufs nicht logisch bewiesen werden kann. Insoweit ferner niemals die Bedingungen genau dieselben sind, hat es auch keinen Sinn, gemäß diesem Gesetz zu sagen, daß die gleichen Bedingungen immer das gleiche Resultat ergeben. Aber die Bedingungen sind in vielen Fällen, wenn auch nicht genau dieselben, doch einander ähnlich. Und genau insofern die Bedingungen in zwei Fällen einander ähnlich sind, genau insofern sind auch die Resultate einander ähnlich. Das ist eine Annahme, die jeder macht, dier mit den Dingen der äußeren Welt in Berührung tritt und die er umso weiter ausdehnt, je mehr dieser Dinge er kennenlernt. Auf diese Weise kommen wir dazu, daß wir dieser Annahme eine allgemeine Form geben und sie als das Gesetz der Gleichförmigkeit des Naturlaufs bezeichnen. Wir haben freilich kein Recht zu behaupten, diese Gleichförmigkeit werde immer oder auch nur bis über heute hinaus fortbestehen. Aber wir behaupten sie dennoch, weil wir ohne sie keinen Schritt tun können, und da der Naturlauf in der Tat gleichförmig ist, so rechtfertigt er unsere Behauptung.

Zur Widerlegung dieser Einwendung sagen wir das Folgende: Auch wir können sagen, wir behaupten die Gleichförmigkeit des Naturlaufs, weil wir ohne sie keinen Schritt tun können; aber wir fahren fort: Da der Naturlauf im Großen und Ganzen oder in annähernder Weise gleichförmig ist, so rechtfertigt er unsere Behauptung. Die Behauptung, daß der Naturlauf absolut gleichförmig ist, scheint uns gleichbedeutend mit der Annahme der Objektivität der ursächlichen Beziehung. Das Leben bietet uns in der Tat eine Bürgschaft für die Annahme der Gleichförmigkeit des Naturlaufs; aber diese Bürgschaft bietet uns nicht die Erfahrung, sondern die folgende Erwägung. Wie infolge eines Umsturzes der bestehenden Ordnung oder durch einen Bruch der Gleichförmigkeit des Naturlaufs vor dem Eintritt des Menschen in die Schöpfung einige Gattungen niederer lebender Wesen von der Erde verschwunden sind, so würde ein großer Bruch der Gleichförmigkeit des Naturlaufs das Verschwinden des gegenwärtigen Geschlechts der Menschen von der Erde zur Folge haben. Aber da alle unsere Berechnungen notwendigerweise von der Annahme ausgehen, daß unser Geschlecht auf der Erde bleiben wird, so müssen wir auch eine für diese Annahme ausreichende Gleichförmigkeit des Naturlaufs voraussetzen. Diese Annahme ist kein für die Natur der Dinge geltendes Axiom; denn sie kann gar leicht falsch sein; aber sie ist ein Axiom für das Leben, um das wir uns als Menschen einzig zu kümmern haben.
LITERATUR - Goswin K. Uphues, Richard Shute - Grundlehren der Logik, Breslau 1883