ra-2 A. SchäffleH. Cohnvon Ehrenfelsvon WieserW. Sombart    
 
OSKAR KRAUS
Zur Theorie des Wertes
[eine Bentham-Studie]
[2/2]

"Aus der Tatsache der psychischen Sinnesfelder erklärt es sich, daß die Intensität der psychischen Akte wie eine untere so auch eine obere Grenze haben muß; während also der physische Reichtum ins Unermeßlich wachsen kann, können die sinnlichen Freuden ein gewisses endliches Maß nicht überschreiten. Die Menge der Glückseligkeit ist nicht einfach die Menge der Elemente der Glückseligkeit, sondern die Elemente der Glückseligkeit  und  die Abnutzung der Glückseligkeit zusammen."

II. Kapitel
Die Lehre von der Größe des Wertes

30. Die höchst erreichbare Steigerung der Lust und Verminderung der Schmerzgefühle der Regierten ist nach BENTHAM das Ideal des Politikers. Diesem Ideal sollen - lehrt er weiter - alle staatlichen Einrichtungen dienen; bei der Wahl derselben hat der Staatsmann also darauf zu achten, daß er jene bevorzugt, welche das in concreto erreichbare, größte Maß von Werten und Gütern schafft oder erhält und Unwerte oder Übel so viel als möglich hintanhält oder beseitigt. In jedem Fall soll er die seinen Anordnungen  voraussichtlich  entspringenen Werte und Übel gegeneinander auf das Sorgfältigste abschätzen. (1) Die Voraussetzung eines solchen  politischen Kalküls  ist die Möglichkeit Wertunterschiede zu erkennen. "Pleasures then, and the avoidance of pains are the  ends  which the legislator has in view; it behoves him therefore to understand their value. Pleasures and pains are the  instrument  he has to work with: it behoves therefore to understand their force, which is agein, in another point of view, their value." [Vergnügen und die Vermeidung von Schmerzen sind die Zwecke die der Gesetzgeber im Sinn hat. Deshalb ist es angezeigt, ihren Wert zu erkennen. Vergnügen und Schmerzen sind das Instrument, mit dem er zu arbeiten hat und deshalb obliegt es ihm deren Macht zu verstehen, die, mit anderen Worten, nichts anderes ist, als ihr Wert. - wp]

31. Wir wenden uns nun diesem Teil der BENTHAMschen Wertlehre zu - on which - nach den Worten ihres Begründers - the whole fabric of morals and legislation may be seem to rest , - auf welchem der ganze Bau der Ethik und Gesetzgebung zu ruhen scheint. Wir haben gesehen wie nach BENTHAM die Lust der einzige positive Wert, der Schmerz der einzige positive Unwert ist (2), wir haben ferner konstatiert, daß er für seine  politischen  Untersuchungen am objektiven Wertcharakter dieser Phänomene festhält. Auf welche Weise können wir nach BENTHAM diese Werte und Übel gegeneinander abwägen? In den  Principles,  Kap. IV (3) finden wir diese Frage folgendermaßen beantwortet:  Es gibt eine "dimension of value", eine "Wertgröße"  der Lust an und für sich betrachtet,  bzw. eine Unwertgröße  der Unlust an und für sich betrachtet. Diese Größe hängt unter übrigens gleichen Umständen ab
    1. von den Intensität der Lust bzw. des Schmerzes,
    2. von der Dauer,
    3. von der Größe der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens,
    4. von der zeitlichen Entfernung ihres Eintretens,
    5. von ihrer Ausdehnung auf eine größere oder geringere Zahl von Personen (4)
Die  dimension of value  der Lust nicht an und für sich betrachtet, sondern mit Rücksicht auf ihre Folgen also als Nützlichkeit oder Schädlichkeit für ein anderes ist  ceteris paribus  [unter vergleichbaren Umständen - wp] bedingt
    6. und 7. von ihrer Fruchtbarkeit oder Sterilität
(fecundity oder purity [Fruchtbarkeit und Reinheit - wp]), d. h. ihrer Fähigkeit (chance, productioners, Works III, Seite 214) weitere Lust oder Unlust in größerem oder geringerem Maß im Gefolge zu haben oder nicht. (5)

32. Die Voraussetzung auf der diese Gedanken ruhen, daß nämlich der  Wert eine Größe  sei, ist eine gerade in der neuesten Zeit sehr allgemein verbreitete Meinung; gewöhnmlich wird sie als gleichsam unmittelbar einleuchtend beweislos vorgebracht; nur mitunter wurde sie angezweifelt und bestritten; es will mir jedoch scheinen, daß, wo letzteres geschah, man die Sache nicht an der rechten Stelle in Angriff nahm und daher entweder schwächliche Argumente vorbrachte oder über das Ziel schoß. Wir behaupten:  Der Wert ist keine Größe im Sinne der Mathematik, und daß etwas ein "höherer Wert" ist als etwas anderes, wird nicht auf dem Weg analytischer Urteile erkannt,  wie der Umstand, daß etwas größer ist als ein anderes. - Eine Größe ist etwas, was gleiche Teile aufweist: ein Kollektiv oder ein Kontinuum; der "Wert", die  Liebenswürdigkeit  und die  Vorzüglichkeit  - der  höhere  Wert - sind weder Continua noch Collectiva, daher keine Größe im eigentlichen Sinne. - Aber man nennt oft per aequivationem [durch Wortgleichheit - wp] etwas eine Größe wegen seiner Beziehung zu wirklichen Größen, z. B. den Abstand zweier Ortsspezies, zweier Farbenspezies, und dennoch ist der Abstand eine bloße Beziehung dieser beiden Spezies zueinander, die als solche keine Teile aufweist; man nennt jedoch auch ihn eine Größe, weil die Verbindung der beiden abstehenden Spezies ein Kontinuum und somit eine Größe ist. So ist auch der Wert, die Liebenswürdigkeit und der höhere Wert, die Vorzüglichkeit, an und für sich gewiß keine Größe.  A  ist wertvoll heißt,  A  ist, soviel an ihm liegt, Bedingung für eine  richtige Liebe  die  A  zum Gegenstand hat;  A  ist wertvoller als  B  heißt, es ist, soviel an ihm liegt, Bedingung für eine  richtige Bevorzugung  des  A  vor dem  B.  Das Bevorzugen ist nun durchaus kein analytisches Urteil; daß zehn gleiche Freuden z. B. einen  höheren  Wert haben als eine Freude, ist keine aus der Betrachtung der Begriffe einleuchtende Erkenntnis wie die, daß zehn Freuden  der Zahl nach mehr  sind als eine. Wie den Begriff des  Wertes  aus der Wahrnehmung eines als richtig charakterisierten Wertens, so gewinnen wir den Begriff des  höheren Wertes  aus der Wahrnehmung als richtig charakterisierter Akte des Vorziehens, Höherwertens. Um  in concreto  zur Erkenntnis eines höheren Wertes zu gelangen müssen wir freilich mitunter auch zur Erkenntnis von Größenbeziehungen gelangt sein; wir müssen erkennen, daß zehn mehr ist als eins, um zu erkennen daß zehn  Freuden besser  sind als eine; analytische Urteile sind also hier mit beteiligt. Man steht nun nicht an zu sagen zehn gleiche Freuden hätten  ceteris paribus  einen Wert der zehnmal  größe  ist als der einer Freude. Wegen der  Beziehung  zu Größenverhältnissen redet man von den Werten selbst als wären sie Größen. So verhält es sich auch mit den Wertsteigerungen, die auf der Intensitätszunahme beruhen.  Die intensitätsaufweisende Lust ist eine Größe;  (6) denn Intensität hat ein psychisches Phänomen, sofern es auf einen physischen intensiven Inhalt gerichtet ist, und insofern ist der Akt selbst ein Continuum intentionaler Beziehungen. Ob zwar nun auch andere psychische Akte außer der Lust wertvoll sind, ist es doch unstreitig daß die Lust an und für sich wertvoll ist und daß mit der Summierung der Erscheinung, d. h. mit der Intensität die Lust wertvoller wird. Eine viermal intensivere Lust ist z. B. wertvoller als eine dreimal intensivere und diese wertvoller als eine doppelt intensive.  Wenn also die Intensität der Lust wächst, so entstehen immer vorzüglichere Werte; nun ist die Intensität eine Größe und wegen dieses Zusammenhangs mit dem Wachstums von Größen nennt man per aequivocationem die Lustwerte selbst "Größen".  BENTHAM war sich dieser Homonymie [Wortgleichheit - wp] nicht bewußt. Liegt auch schon für den, der Wert und Lust nicht für identische Begriffe hält die Versuchung nahe, die Wertzunahme für eine Größenzunahme zu halten, die der Größe der Intensitätszunahme entspricht, so umsomehr für BENTHAM, dem "Lust" und "Wert" verschiedene Worte für denselben Begriff sind; hätte BENTHAM das Vorhandensein anderer psychischer  intensitätsloser  Werte neben der Lust nicht geleugnet, so hätte er darauf aufmerksam werden müssen, daß es  Wertunterschiede  gibt, die  an keine Größenzu- oder -abnahme geknüpft  sind und die Erkenntnis, daß die Wertzunahme keine Größenzunahme im strengen Sinn des Wortes ist, wäre ihm vielleicht zugänglich gewrden. Der Umstand, daß es Wertunterschiede gibt die an keine Größenunterschiede geknüpft sind, ist nicht ohne Bedeutung; denn sie zeigt ohne weiteres, daß eine (per aequivocationem sogenannte)  "Messung"  der Werte schon  begrifflich  bei allen anderen Werten, außer den intensitätsaufweisenden psychischen Phänomen, (7) ausgeschlossen ist und die Veränderung der Zahlengrößen meist schon  a priori  höchstens die Rolle eines  Symbols  der Wertveränderungen spielen kann; sollte sich zeigen daß auch dort, wo Intensität gegeben, eine  Messung faktisch  nicht möglich ist, so würde der Ausdruck des Wertes durch Zahlen ausnahmslos als ein bloßes Symbol aufgefaßt werden müssen. Die Frage der Messungsmöglichkeit intensiver Akte soll später behandelt werden. Bemerken wollen wir an dieser Stelle jedoch, daß die Versuchung, die Wertzunahme für eine Größenzunahme zu halten nicht allein darum gegeben ist, weil jene mit dieser oft verbunden auftritt, sondern auch dadurch veranlaßt wird, daß man gemeinhin das Bessere, Vorzüglichere als das bezeichnet, was mit Recht "mehr" geliebt wird oder was "größeren", "höheren" Wert hat; obwohl das Wort "mehr", "größer", "höher" hier eben auch nichts anderes als auf das Moment der Vorzüglichkeit hindeuten soll, wird dennoch die zweite gewöhnliche Bedeutung des Wortes "mehr" als eines  quantitativen Plus  unbemerkt unterschoben.

33. Was nun die sieben Momente anbelangt, von denen die "Wertgröße" der Lust abhängen soll, so läßt sich hierüber ein Urteil nur an der Hand der inneren Erfahrung abgeben, vermöge der Wahrnehmung der als richtig charakterisierten Bevorzugung vermögen wir auf  allen  Gebieten  psychischer Tätigkeiten gewisse Wertvergleichungen anzustellen.  Daß BENTHAM solche nur innerhalb des Gebietes von Lust und Unlust für möglich hält, ist der fundamentale, bereits gerügte Mangel seines Systems. - Mehr und minder Vorzügliches gibt er schon in der ersten Klasse der psychischen Phänomen, jener Akte, in denen uns lediglich etwas erscheint: in den  Vorstellungen ohne diese Frage erschöpfend behandeln zu wollen sei unter Verweisung auf die diesbezüglichen Schriften BRENTANOs daran erinnert, daß nicht nur  jede Vorstellung als solche,  von allem was sich Gutes oder Schlechtes daran knüpfen mag abgesehen, in sich wertvoll und die Existenz der geringeren Wahrscheinlichkeit vorzuziehen ist, sondern daß  ceteris paribus  auch die größere Summe der Vorstellungen als wertvoller gegenüber der kürzeren und innerhalb der Empfindungen die intensivere als besser gegenüber der minder intensiven erkennbar ist. Während diese Fälle als solche einer einfachen Addition des Guten zu betrachten sind, gibt es andere, wo man nur in einem übertragenen Sinn sagen kann, daß das "Bessere" in dem "Mehr" seinen Grund hat. Nicht aus dem Prinzip der bloßen Summierung zu begreifen ist der Umstand, daß die Vorstellung des Psychischen wertvoller ist als die des Physischen und die des Besseren wertvoller als die des Schlechteren; der höhere des vorgestellten Gegenstandes adelt hier den Akt in dem er uns erscheint. (8) Wie die  Vorstellungen,  so weisen auch die  Urteile  Wertunterschiede auf; bekanntlich tritt auf diesem Gebiet der anerkennenden (bejahenden) und verwerfenden (leugnenden) Seelentätigkeit der in der klasse der bloßen Vorstellungen mangelnde Unterschied von richtiger und unrichtiger Seelentätigkeit, sowie das Moment der Einsichtigkeit auf; hier wäre z. B. zu konstatieren, daß  ceteris paribus  das  richtige  und als  richtig  charakterisierte Urteil (die Erkenntnis) besser ist als das unrichtige (der Irrtum) und auch besser als das bloß zufällig richtige Urteil. Was endlich das Gebiet der Gemütstätigkeiten  des Liebens und Hassens  anbelangt, so gilt, sofern hier gewisse Analogien zum Urteilen dem  Anerkennen und Verwerfen  platzgreifen, auch von den Wertrelationen innerhalb dieser Klasse Analoges wie vom Urteil. Als Besonderheit, die jeder Analogie bar ist, tritt uns jedoch hier das Phänomen des  Bevorzugens  (Wählens) entgegen, das wie das einfache Lieben und Hassen bald als richtig charakterisiert ist, bald nicht; BRENTANO  hat gezeigt, daß aus diesen Akten, die eine besondere Spezies der Klasse der Gemütstätigkeiten  (des Liebens und Hassens)  bilden, sofern sie als richtig charakterisiert sind,  der Begriff des "Besseren", "Vorzüglicheren" oder des "höheren Wertes", sofern sie blinde Akte sind, der Begriff dessen, "was einem mehr beliebt", "tatsächlich höher gewertet oder vorgezogen wird", stammt. Diese Akte des als richtig erkennbaren Vorziehens sind es also, die alle unsere berechtigten Urteile über Wertrelationen ermöglichen; auf ihnen ruht alles was wir über  Unterschiede  der "Wertgrößen" wisse; vermöge ihrer müssen wir der Lust vor dem Schmerz, der Erkenntnis vor dem Irrtum, der richtigen Gemütstätigkeit vor der unrichtigen den Vorzug zuerkennen. Wir vermögen ferner an ihrer Hand einzusehen, daß, wenn irgendetwas Existierendes liebenswert ist, von dem diesen Gegenstand  vorstellenden  Akt, zu dem ihn anerkennenden, zu der ihn mit Liebe erfassenden Gemütstätigkeit eine Stufenleiter immer wertvollerer psychischer Akte sich aufbaut; und daß ähnliches vor sich geht, wenn ein nichtexistierendes Gutes nicht nur vorgestellt, sondern als nichtexistierend anerkannt und dieser Mangel, als Übel empfunden, mit der Überzeugung von seiner Behebbarkeit den Willen, das Gute zu verwirklichen, hervorruft. - Wir haben im eben Vorgebrachten nicht etwa eine vollständige Gütertafel entwerfen wollen; die Absicht war nur die Lückenhaftigkeit der Ärmlichkeit der hedonistischen Auffassung BENTHAMs schärfer hervortreten zu lassen. Die überwältigende Fülle der geistigen Werte neben der Lust wird von dieser übersehen und selbst innerhallb der Lust wird bloß jene, die Intensität aufweist, also physischen Inhalt hat, beachtet.

34. Ist dieser Mangel aber genügend erkannt und beanstandet, so darf doch mit Anerkennung des Verdienstes gedacht werden, das sich BENTHAM durch die Anwendung des Summierungsprinzips auf den Lustwert erworben hat; es muß auch rühmend hervorgehoben werden, daß BENTHAM trotz des Ausdrucks "dimension of value" durchaus nicht die Möglichkeit einer exakten Messung der Lustphänomene vorausgesetzt hat, sondern daß seine Sätze, sofern sie richtig sind, den Ausdruck der von BENTHAM lediglich nicht näher analysierten inneren Erfahrung bilden. Durch diese rechtfertigt sich gemäß dem Gesagten der 1., 2., 3. und 5. Punkt; nicht nur ist die Existenz der Lust als besser erkennbar gegenüber ihrer Nichtexistenz und gegenüber dem Schmerz, es ist auch die längere Dauer der Lust der kürzeren vorzuziehen; es ist ferner die Vervielfältigung der Lust mit Rücksicht auf die  Zahl der von ihr betroffenen Individuen  ("extension") besser als die Verminderung; (9) die größere Intensität leistet, wie wir wissen, in Bezug auf ein und dasselbe Individuum dasselbe, was die  extension  bezüglich einer Mehrheit von Menschen leistet. Überaus wichtig und speziell für die Lehre vom praktischen Wert unentbehrlich ist der Gedanke, daß die  höhere Wahrscheinlichkeit  des Eintritts der Lust den Wert beeinflußt; der Satz bedarf nur der Ausdehnung auf alle Güter, um sich als sehr fruchbtar zu erweisen; der Umstand, daß schon andere vor BENTHAM in der Lehre von der "mathematischen Hoffnung" ähnliches gelehrt haben, kann der Priorität BENTHAMs, ihn für die ethisch-politische Prinzipienlehre nutzbar gemacht zu haben, keinen Abbruch tun; im Folgenden wird die Bedeutung dieses Satzes für die Wertlehre näher besprochen werden. Ein Irrtum dagegen ist es, daß die  zeitliche Nähe  (propinquity or remoteness [Nähe oder Entfernung - wp]), abgesehen von ihrem Einfluß auf die Wahrscheinlichkeit, den Wert der Lust in derselben Weise wie Intensität und Dauer zu steigern imstande ist. Es ist nicht einzusehen, wenn wirklich nur der  Zeitpunkt,  nicht auch die Wahrscheinlichkeit der Existenz in Frage kommt, in welcher Weise der  primäre Wert  eines Gutes durch das "früher" oder "später" seiner Existenz beeinflußt werden soll. eine Freude von gewisser Intensität und Dauer heute oder nach zehn Jahren empfunden ist z. B.  in sich  gleich wertvoll; dagegen ist richtig, daß die Lust nicht nur als primärer Wert, sondern auch als sekundärer Wert als Nützlichkeit betrachtet werden kann; (10) d. h. die Lust ist nicht nur ein Gut, sie wirkt  unter Umständen  auch Gutes und je früher sie zur Existenz gelangt, für  eine umso längere Dauer vermag sie z. B. ihre eventuelle Nutzwirkung zu entfalten.  Betrachtet man die Lust aber in dieser Wiese, d. h. mit Rücksicht auf ihre Wirkung, so kann sie wie als Nichtigkeit so auch als Schädlickeit in Frage kommen. - Die propinquity (proximity) [Nähe (Verwandtschaft) - wp] oder  remoteness  eines Wertes ist daher entweder von Bedeutung für die Wahrscheinlichkeit oder sie fällt unter denselben Gesichtspunkt, unter den die  fecundity  oder  purity  (Punkt 6 und 7), die Fruchtbarkeit und die Sterilität eines Wertes an weiteren vorteilhaften oder schädlichen Folgen von BENTHAM eingereiht wird: wenn daher, außer in Rücksicht auf diese Gründe, das "frühere" Gut von den Menschen höher geschätzt wird als das "spätere", so ist dies Schätzung bloß instinktiv und ohne eine innere Berechtigung. (11)

35. BENTHAM legt der eben besprochenen Lehre über die  dimension of value  eine große Bedeutung bei; sie ist es, welche nach ihm eine  moralische Arithmetik  dem Gesetzgeber ermöglicht. die Lust als positives, die Freiheit von Schmerz als negatives Gut (12) ist auf der Seite des Gewinnes, der Schmerz als positives, der Mangel an der Lust als negatives Übel auf der Seite des Verlustes in Anschlag zu bringen und auf eine Weise, wie etwa im wirtschaftlichen Gebahren der voraussichtliche Gewinn zu kalkulieren. (13) So kann der Gesetzgeber die Nützlichkeit seiner Maßregeln geradezu  berechnen  und es ist ermöglicht "to draw up the account between law and happiness to apply arithmetical calculations to the elements of happiness" [die Aufstellung einer Buchführung zwischen der Recht und Glück und eine arithmetische Berechnung der Glückselemente - wp] - "Political arithmetic" sagt BENTHAM (14) "a name that has by some given to political economy is an application, though but a particular and far short of an all-comprehensive one, of arithmetic and its calculations, to happiness and its elements." [Politische Arithmetik ist ein Name der von einigen der politischen Ökonomie gegeben wird, ist eine Anwendung, wenn auch eine beschränkte und nicht völlig umfassende von Arithmetik und Kalkulation auf das Glück und seine Bestandteile. - wp] Wohl im Hinblick auf diese Gedanken hat JEVONS die Methode BENTHAMs als durchaus mathematisch bezeichnet. Man würde jedoch BENTHAM schweres Unrecht tun, wollte man JEVONS hierin zustimmen; trotz des Ausdrukks "dimension of value" und trotz der neuen Bedeutung, die BENTHAM der Bezeichnung "political arithmetic" beilegte, lag ihm nichts ferner als eine  mathematische Methode  in die Sozialwissenschaften einführen zu wollen; er wußte sehr wohl, daß die erste Voraussetzung um das politische Kalkül auch nur in Anwendung auf die Schaffung von Lust und Bekämpfung des Schmerzes ein mathematisches zu nennen, die Möglichkeit ist eine  exakte  Messung der Größenverhältnisse von Lust und Unlust vorzunehmen, und daß diese Möglichkeit ausgeschlossen ist. "Pleasure itself not being ponderable or measurable" [Das Vergnügen selbst ist weder wägbar noch meßbar. - wp] (15) heißt es an einer Stelle, "for quantities of pleasures or pains we have no measures" [Für Quantitäten von Lust und Leid haben wir kein Maß. - wp], an einer anderen. - Hiermit ist die Anwendung der Mathematik klar und deutlich negiert. - "Experience, observation and experiment - these are the foundation of all well grounded medical practice - experience, observation and experiment - such are the foundations of all well grounded legislative practice"; [Erfahrung, Beobachtung und Experiment sind das Fundament jeder gut begründeten medizinischen, bzw. legislativen Praxis. - wp]; es ist kaum jemals die Notwendigkeit eines  empirischen Verfahrens  eindringlicher betont und der Gedanke ethisch-politischer Probleme als mathematische zu betrachten deutlicher abgelehnt worden. BENTHAM hat somit die Ethik und Politik faktisch weder als reine noch als angewandte Mathematik  betrieben,  und wenn er an einigen Stellen, wie der eben zitierten, der Anwendung des mathematischen Kalkuls auf die Elemente der Glückseligkeit das Wort redet, so geschieht dies nur, weil er die Erkenntnis der Vorzüglichkeit der Gütersumme vor dem Summanden für eine analytisch-mathematische, und die Lustwerte für Größen im eigentlichen Wortsinn hielt; weiß man jedoch einmal, daß die Wahrnehmung der als richtig charakterisierten Wahlakte der Quell der Erkenntnis des sogenannten "größeren Wertes" ist, so ist man vor diesem Irrtum bewahrt, und wird selbst dort wo man Zahlen als  Symbole  des Wertes einführt nicht dem Wahn verfallen, die Genauigkeit der Mathematik in die ethisch-politische  Lehre  hineintragen zu können. In einer gewissen Beziehung ist die Versuchung, ethische Prinzipien für mathematische zu halten, sehr lehrreich, sie entspringt nämlich teilweise der Überzeugung, daß es auch auf diesem Gebiet sichere Erkenntnisse gibt, an denen zu zweifeln ebenso ungerechtfertigt wäre, wie an den Axiomen der Mathematik, und legt Zeugnis dafür ab, daß, wenn auch der Ursprung sittlicher Erkenntnis von jenem mathematischer Erkenntnis durchaus verschieden ist, jene doch eine ebenso gesicherte Grundlage für die Moralwissenschaften, als diese für die mathematischen abgeben.


III. Kapitel
Die oberste ethische Norm

36. Demjenigen, der mit uns in dem, was die natürliche Offenbarung unseres Gemütes über das Gute und Bessere kund tut, den Ursprung sittlicher Erkenntnis erblickend das hedonistische Prinzip verwirft, wird es nun nicht schwer fallen auch am  greatest happiness principle  die nötige Korrektur zu vollziehen; für BENTHAM lautet der oberste Imperativ, den der Politiker und konsequentermaßen auch jeder Einzelne bei jeglicher seiner Entschließungen, wenn nicht  aktuell  so doch  virtuell  zu befolgen hat: Das Ziel deines Verhaltens sei unter allen Umständen die größtmögliche  Lust  der größtmöglichen Zahl. (16) Um die Vernachlässigung der  anderen geistigen Werte  zu vermeiden, müssen wir zunächst die höchste ethische Norm auf den Satz: "Das Ziel deines Verhalten sei stets die Herbeiführung der größtmöglichen psychischen  Werte  der größtmöglichen Zahl" erweitern. Man hat jedoch, und zwar in der neuesten zeit, am BENTHAMschen Prinzip etwas anderes als dessen Hedonismus zu tadeln befunden. CASSEL hat in einer 1899 erschienenen Abhandlung (17) Folgendes vorgebracht:
    "Die alte BENTHAMsche Maxime, daß man das größtmögliche Glück für die größtmögliche Anzahl von Individuen erstreben soll, enthält dieselbe Sinnlosigkeit wie jeder Satz, der in dieser Weise versucht, zwei Superlative zusammenzufassen." . . .

    "In der Tat muß es ja bei jedem Maximalproblem die Aufgabe sein, die Bedingungen zu finden, unter welchen  eine  bestimmte Variable ihren größtmöglichen Wert besitzt, und es wäre ganz sinnlos etwa 1000 Mark in einer Gesellschaft so verteilen zu wollen, daß so viele Personen wie möglich, so viel wie möglich bekämen."
Ich kann bei BENTHAM keine Sinnlosigkeit konstatieren; wenn ich 1000 Mark in einer der  Zahl nach bestimmten,  z. B. zehngliedrigen Gesellschaft verteilen soll, so ist die Frage, wieviel Personen zu beteiligen möglich ist, durch die Aufgabe allerdings bereits beantwortet und also zwar nicht sinnlos, aber überflüssig; dagegen ist es noch immer "möglich", jedem Einzelnen weniger oder mehr zu geben, und ich gebe jedem Einzelnen soviel, als unter diesen, durch die Aufgabe gegebenen Umständen möglich ist, wenn ich jedem 1000 : 10 = 100 gebe; es kann sich aber sehr wohl jemand das Problem stellen, nicht 1000 oder 10000 oder 100000, sondern soviel Mark als ihm zu erwerben möglich ist, nicht unter 100000 oder 1000, sondern unter soviel Menschen, als ihm aufzufinden möglich ist, nach irgendeinem Modus zu verteilen; denn "möglich" heißt hier nichts anderes als "praktisch möglich" oder "erreichbar", und BENTHAM fordert eben, man solle soviel Freuden als erreichbar, unter soviel Personen als erreichbar sind, verbreiten. Allerdings läßt das BENTHAMsche Prinzip eine einfachere Fassung zu;, denn da die im Menschen realisierbare Lustmenge endlich ist, erheischt die "größtmögliche Lustverbreitung"  notwendig  die Heranziehung  möglichst vieler Personen,  und wäre daher schon das Gebot:  "Schaffe so viel Lust als möglich"  völlig hinreichend. Anders beim Geld im CASSEL'schen Beispiel; dem Geldbesitz des Einzelnen, sagt schon ARISTOTELES, ist kein Ziel gesetzt, die Aufgabe "Schaffe soviel Geldbesitz als möglich" könnte ihre Lösung auch durch eine Beschränkung auf eine  geringe  Anzahl, ja auf  einen  Menschen finden,, daher läßt ein Problem der Verteilung von möglichst viel Geld auf möglichst viele Menschen, sogar ohne sinnlos zu werden, noch einen  dritten  Superlativ zu, z. B. "auf möglichst gleichmäßige Art". Den Vorwurf der Sinnlosigkeit müssen wir mithin von BENTHAM abwehren; immerhin können wir die einfachere Formulierung, schon um weiteren Kontroversen vorzubeugen, vorziehen. Somit wäre unsere Stellung zu BENTHAM die, daß wir an die Stelle des hedonistischen Imperativs: "Schaffe so viel Lust als möglich" oder "Schaffe die höchste Lustmenge, die erreichbar ist" mit BRENTANO als ethische Ideal die Norm anerkennen: "Wähle das Beste, Vorzüglichste, den höchsten Wert unter dem Erreichbaren" und hierbei den Umfang des Wertbegriffs in der oben angedeuteten Weise erweitert denken. Hierbei erhebt sich die Frage: was darf uns als  erreichbar  gelten? BRENTANO versteht darunter "einen Zweck, der vernünftigerweise für wirklich erreichbar gehalten wird". Was aber wird "vernünftigerweise" für erreichbar gehalten? Offenbar das, was mit einer gewissen  Wahrscheinlichkeit?  Wie das Erreichbare mehr oder minder vorzüglich sein kann, so kann das Wertvolle in höherem oder geringerem Grad erreichbar sein. So sagt BRENTANO (a. a. O. Anm. 17):
    "Es kann Fälle geben, wo der Erfolg gewisser Bestrebungen zweifelhaft ist und von zwei Wegen, die sich öffnen, der eine ein Besseres, aber mit geringerer Wahrscheinlichkeit, der andere ein minder Gutes, aber mit größerer Wahrscheinlichkeit, der andere ein minder Gutes, aber mit größerer Wahrscheinlichkeit in Aussich stellt.  Hier kommt das Wahrscheinlichkeitsverhältnis bei der Wahl in Betracht.  Wenn  A  dreimal besser ist als  B,  aber  B  zehnmal mehr Chancen hat erzielt zu werden als  A,  so wird der praktisch Weise den Weg  B  vorziehen".
Diese Bemerkung ist außerordentlich wichtig. Ich habe nur eine kleine Erweiterung vorzuschlagen. Es ist offenbar der Erfolg  jeder Bestrebung insofern  zweifelhaft, als irgendein endlicher Wahrscheinlichkeitsbruch die Höhe der Chance ihres Erfolges ausdrückt.  Keine Bestrebung ist ihres Erfolges absolut sicher.  Wenn aber dies zweifellos, so dürfte die höchste ethische Norm folgendermaßen zu formulieren sein: strebe an, wähle jeweilig als Ziel deines Verhaltens die Herbeiführung jenes Wertes, der unter den, mit irgendwelcher Wahrscheinlichkeit durch dich erreichbaren Werten bei übrigens gleichen Umständen, unter Berücksichtigung seiner Vorzüglichkeit sowohl, als auch der Chancen seiner Erreichbarkeit, der relativ vorzüglichste, praktisch wertvollste, das höchste  praktische Gut  ist. Oder kurz:  strebe stets an das praktisch Wertvollste - das höchste praktische Gut.  (18) Ist man daher bereit den Begriff von "Glückseligkeit" - "happiness" dahin zu erweitern, daß nicht bloß der Besitz der Lust, sondern der Besitz geistiger Güter jeder Art darunter fällt, so kann man auch fernerhin "the greatest happiness principle" als das oberste Prinzip der Moral bezeichnen, als das eine und höchste Gebot, von dem alle übrigen abhängen. Die natürliche Grundlage, auf welcher der Bau der Ethik und Politik unerschüttert ruhen kann, ist damit gegeben und seine Sicherheit durch untrügliche Kriterien gewährleistet. (19)

37. An dieser Stelle müssen wir, ehe wir unsere Untersuchung fortsetzen, eine wichtige Bemerkung hinzufügen, die sich auf mathematische Betrachtungen stützt. Denken wir uns eine Urne, die 100 weiße und 100 schwarze Kugeln enthält und nehmen wir an, daß man jedesmal, wenn eine Kugel herausgezogen wird, sie wieder in die Urne zurücklegt, die Urne durchschüttelt, um zu einem neuen Zug zu schreiten. - Die Wahrscheinlichkeit, eine weiße Kugel zu ziehen, ist in diesem Fall ½, d. h. (wie BERNOULLI nachgewiesen hat) bei unbeschränkter Vervielfältigung der Ziehungen nähert sich die Wahrscheinlichkeit, daß das Verhältnis der Anzahl der herausgezogenen  weißen  zur Gesamtzahl aller herausgezogenen Kugeln, vom Verhältnis der Anzahl der weißen (100) zur Gesamtzahl aller in der Urne enthaltenen Kugeln (200) nicht über ein gegebenes Intervall hinaus abweicht, der  Gewißheit wie klein auch jenes Intervall angenommen werden mag, mit anderen Worten, bei unbeschränkter Vervielfältigung der Versuche wird sich das Verhältnis der herausgezogenen weißen zur Menge aller herausgezogenen Kugeln dem Verhältnis  1:2  immer mehr nähern) (20). Gesetzt, irgendeine Lebenslage bringt die Wahrscheinlichkeit  ¼  mit sich, daß ein Mensch 100 Taler erhält: dann gilt, daß, wenn diese Lebenslage in gleicher Weise (sei es bei diesem oder anderen menschen) sehr oft wiederkehrt, die Zahl der Fälle wo Taler gewonnen werden, sich zur Zal der Fälle, wo dies nicht geschieht, annähernd verhalten wie  1:3,  bei 100000 Fällen zirka wie ¼ von 100000 :  ¾  von 100000 = 25 000 : 75000. Die Chance ¼, die Größe 100 zu erhalten ist, also bei einer großen Zahl von Fällen  mathematisch äquivalent  der Gewißheit,  durchschnittlich jedesmal  die Größe 25 zu erhalten; dieses  mathematische Äquivalent,  d. h. das Produkt der erwarteten Größe mit der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens nennt man "mathematische Hoffnung" und "mathematische Erwartung" (21) Wendet man diese Erkenntnis auf die Wertlehre und Ethik an, so ergibt sich Folgendes: würde man die Wahrscheinlichkeit, einen Wert zu realisieren, exakt anzugeben imstande sein und würde ferner die "Wertgröße" einen zahlenmäßigen Ausdruck zulassen, so würde in der Tat eine "moralische Arithmetik" ermöglicht sein, die es gestattete exakt auszurechnen, bei welchem Verhalten das größere Gute resultierte. [...]

38. Haben wir in diesem Kapitel den absoluten Charakter der höchsten ethischen Norm betont, so stimmen wir auch in der Anerkennung der  Relativität  aller  sekundären  ethischen Gebote mit seiner utilitaristischen Ethik überein; lange vor JHERING, und ohne in dessen  extremen,  die Leugnung jedweder allgemeingültigen Norm nicht scheuenden  Relativismus  zu verfallen, hat BENTHAM, gleich ARISTOTELES und THOMAS von AQUIN gelehrt, der Verschiedenheit der Umstände durch Verschiedenheit der Verhaltensmaßregeln Rechnung zu tragen; (22) ja mehr als irgendeiner vor und nach ihm, hat er die Typen der möglichen Lagen zu erschöpfen gesucht, um für jede einzelne jenes Verhalten zu ermitteln, das mit  größter Sicherheit zum wünschenswerten Ziel führt.  Dieses Streben BENTHAMs, den politischen Maßnahmen die  größtmögliche Sicherheit  des Erfolges zu verleihen, tritt insbesondere in jenem Teil seiner Wertlehre hervor, dessen Besprechung der Gegenstand der folgenden Abschnitte werden soll; es sind die die von ihm so genannten "Axioms of Mental Pathology (23) or say psychological", (24) die er in der "codification proposal" (25) auch als Fälle der "politischen Arithmetik" aufzählt, die aber trotz dieser Bezeichnung Zeugnis dafür ablegen, daß BENTHAM ein mathematisches Verfahren nicht beabsichtigte. Von den vier Arten der Axiome  der Sicherheit der Person, des Existenzminimums, Überflusses und der Gleichberechtigung in Bezug auf den Reichtum,  wollen wir hier nur die letztgenannten betrachten, nämlich jene, aufgrund welcher nach BENTHAM die Ausgleichung des Reichtums in Angriff genommen werden soll. Das in ihnen aufgerollte Problem hat gerade in unserer Zeit nicht nur eine überaus rege Diskussion in den politischen Disziplinen entfesselt, die in ihnen angestellte Untersuchung über die Abhängigkeit primärer Werte von verschieden großen Quanten physischen Reichtums ist auch in den Schriften der modernen Werttheoretiker als "grundlegend" stets wieder zur Sprache gekommen. Hier und dort wurde jedoch der BENTHAM'schen Axiome nicht oder nicht in entsprechender Weise gedacht. (26)  Es ist daher eine Pflicht der Gerechtigkeit, ihnen den gebührenden Platz in der Geschichte dieser Disziplinen zu sichern. 


IV. Kapitel
Bentham und die sogenannten
"Grundlagen der modernen Werttheorie".

(Benthams Beziehungen zum Bernouillischen,
Fechnerschen und Gossen'schen Gesetz)

39. BENTHAM hat die Gedanken seiner psychologischen Axiome an vielen Stellen seiner Werke wiederholt und ihnen verschiedenen Ausdruck verliehen; das Gemeinsame dieser Prinzipien zur Begründung einer gerechten Distribution läßt sich nach dem Vergleich der verschiedenen Parallelstellen folgendermaßen zusammenfassen: Man nehme das jährliche Einkommen (27) eines Menschen, das gerade genügt umd dessen Leben zu fristen, das Existenzminimum, als gegeben an; wenn nun dieses Minimum in irgendeinem konstanten Verhältnis wächst, so wächst innerhalb gewisser Grenzen ceteris paribus das Glück (die primäre Wertsumme) seines Besitzers nicht in eben demselben Verhältnis; vielmehr ist das Wachstum des Glücks dem Geld gegenüber ein verzögertes, ohne daß sich jedoch angeben läßt, in welchem Maße es langsamer wächst, ja selbst ohne daß sich mit Sicherheit sagen läßt, daß ein konstantes Maß der Verzögerung besteht. Dieser Satz, den wir kurz das "Bentham'sche Axiom" nennen wollen, ist sehr nah verwandt, ja teilweise identisch (28) mit jener These, der BERNOUILLIs  specimen theoriae novae de mensura sortis  [Neuer Beweis einer Theorie des Risikos - wp] seine Berühmtheit verdankt. BERNOUILLIs Schrift erschien 1738; es gelang mir nicht zu konstatieren, daß BENTHAM sie gekannt hat; er erwähnt sie nicht; die Gewissenhaftigkeit mit der BENTHAM seine ihm bekannten Vorläufer zu nennen pflegt, spricht eher dafür, daß ihm BERNOUILLI unbekannt geblieben ist. Auch BERNOUILLI nimmt das Existenzminimum als gegeben an, und betrachtet das Verhältnis zwischen der Zunahme dieses Einkommen zur Zunahme des Glücks; auch er behauptet, das Wachstum des Glücks sei jenem gegenüber ein verzögertes, darin geht er jedoch über BENTHAM hinaus, daß er das  Gesetz  der Verzögerung zu kennen glaubt: es sei nämlich das Wachstum in der Weise ein verzögertes, daß das Glück in arithmetischer Progression wächst, wenn das Einkommen in geometrischer zunimmt. Die Behauptung BERNOUILLIs ist somit eine weitergehende als die BENTHAMs. [...]

40. [Die Nummer 40 fehlt auch im Original. - wp]

41. Wir werden uns mit dem BENTHAMschen Axiom bzw. dem BERNOUILLIschen Gesetz eingehend beschäftigen und untersuchen, welcher von den beiden Fassungen der Vorzug gebührt; hierbei wird sich zeigen, daß BERNOUILLI sein Gesetz ohne jeden Beweis hingestellt hat, während BENTHAM seine Axiome auf manche psychologische Tatsache gründet, infolgedessen auch seine Formulierung jene ist, die sich von der Erfahrung weniger weit entfernt, wenn sie auch ebensowenig wie die BERNOUILLIs geeignet sein mag, die ausschließliche Grundlage für das Problem der Verteilung zu bilden; auch wird sich zugunsten BENTHAMs ergeben, daß er den richtigen Kern dieser Sätze zu weit bedeutsameren sozial-ethischen Konsequenzen verwertete; daß BENTHAM demnach mit dem sogenannten "Bernouillischen Gesetz" ebenso oder mehr noch als BERNOUILLI selbst in Zusammenhang gebracht zu werden verdient, was merkwürdigerweise selbst seine eigenen Landsleute zu tun unterließen. Was uns aber dazu bewegt, diesen Fragen eine ausführliche Untersuchung zuzuwenden, ist nicht so sehr die ihnen  innewohnende,  als die ihnen  zugeschriebene  außerordentliche Wichtigkeit, welche auf das richtige maß zurückzuführen wir bestrebt sind. So meint F. A. LANGE, der berühmte Verfasser der "Geschichte des Materialismus", das Bernouillische Gesetz hätte eine  "ungeheure Bedeutung";  es verspreche "sowohl der Gesellschaftswissenschaft als auch der gesamten pragmatischen Anthropologie ein wissenschaftliches Fundament zu geben" (29) und LANGE geht so weit zu behaupten, daß die mathematische Grundlage der Theorie des Glücks, welche uns die Bernouillische Formel an die Hand gibt, "beim gegenwärtigen Stand der Wissenschaften  als einer der sichersten und best begründeten Punkte  auf diesem ganzen Gebiet (30) angesehen werden muß."

42. Wie gesagt kann sich diese Behauptung auf die Begründung die BERNOUILLI selbst gegeben hat, nicht beziehen. - Man kann den einen Satz, von dem er ausgeht, daß der Vorteil ("emoluentum"), der Nutzwert der Dinge je nach den Verhältnissen ihres Besitzers verschieden "groß" ist, und ein Dukaten der Wohlfahrt des Armen  ceteris paribus  förderlicher ist als der des Reichen (a. a. O. § 3 und 5) zugeben und als wichtige, wenn auch schon von PLATO und ARISTOTELES verwertete Erkenntnis betrachten - man kann aber unmöglich aus ihm das Gesetz ableiten, "es erzeuge jeder beliebig kleine Gewinn einen Vorteil, welcher dem schon vorhandenen Vermögen umgekehrt proportional ist"; so hat sich dann auch BERNOUILLI selbst nach einem anderen Beweis umgesehen; "eine genauere Betrachtung der menschlichen Natur zeigt in der Tat", meint er, "daß dieser Satz in den meisten Fällen anwendbar erscheint".
    "Gesetzt, jemand hat ein Vermögen von 100 000 Dukaten, ein anderer ein solches von ebenso vielen halben Dukaten, so ist doch völlig klar, daß für den einen ein ganzer Dukaten gerade nur soviel bedeutet, wie für den andern ein halber, und daß daher der Gewinn eines ganzen Dukaten für den einen nicht mehr Wert hat, als der Gewinn eines halben für den zweiten."
Daß hier das zu Beweisende als selbstverständlich vorausgesetzt wird, liegt auf der Hand, und es ist von Kritikern BERNOUILLIs mitunter auch zugestanden worden, daß sein Vorgehen hier willkürlich ist; die auf dem Gebiet der Mathematik im übrigen so wohl gegründete und berechtigte Autorität BERNOUILLIs hat gewiß mehr als das Gewicht der Gründe die Zustimmung der meisten auch auf diesem nur der psychologischen nicht der mathematischen Forschung zugänglichen Gebiet hervorgerufen. - Viele der Anhänger des Bernouillischen Gesetzes haben nun in der Tat die  wissenschaftliche Begründung  desselben in gewissen  psychologischen  Schriften finden wollen; die Forschungen WEBERs und insbesondere FECHNERs sollen es sein, durch die dasselbe erst seine feste Basis und jene "ungeheure Bedeutung" erlant hat, die ihm angeblich zukommt. Das berühmte  psychophysische Grundgesetz  soll auch das Grundgesetz des Bernouillischen Gesetzes sein, letzteres soll sich auch jenen ergeben. Der Sachverhalt ist folgender:

43. Das psychophysische Gesetz besagt, daß  innerhalb gewisser Grenzen  gleichen relativen Reizzuwüchsen absolut gleiche Empfindungszuwüchse (gleich vielfachen Reizzuwüchsten absolut gleiche Empfindungszuwüchse) entsprechen oder anders ausgedrückt, daß wenn der Reiz geometrisch wächst, die Empfindung arithmetisch zunimmt, oder daß die Empfindung wächst wie der Logarithmus des Reizes, oder daß die Empfindungszuwüchse infolge eines beliebig kleinen Reizes direkt proportional seien der Größe dieses Reizes und umgekehrt proportional dem schon vorhandenen Reiz. (31) Analoge Formulierungen läßt das Bernouillische Gesetz zu: gleichen relativen Vermögenszuwächsen entsprechen absolut gleiche Wert-, Glücks- oder Lustzuwächse, wenn das Vermögen um ein Gleichvielfaches wächst, wachsen die davon abhängigen Werte, Genüsse, Glückszustände um gleiche Größen; wenn das Vermögen im geometrischen Verhältnis wächst, wächst das Glück im arithmetischen, die Werte, Genüsse, wachsen wie der Logarithmus der Vermögensmengen, der Wert eines beliebig kleinen Vermögenszuwachses (fortune morale), ist direkt proportioniert der Größe dieses Zuwachses und indirekt proportional dem schon vorhandenen Vermögen (fortune physique) (32).  Das nämliche mathematische Verhältnis,  das gemäß FECHNER zwischen Reiz und Empfindung besteht, besteht also nach BERNOUILLI und seinen Anhänger zwischen Vermögen und Genuß. [...]

44. Diese Gleichheit der mathematischen Formel ist jeoch an und für sich für einen Zusammenhang der beiden Gesetze nicht beweisend; mit demselben Recht könnte ein Anhänger des MALTHUS'schen Gesetzes eine innere Verwandtschaft desselben mit dem FECHNERschen und Bernouillischen Gesetz behaupten; denn wenn  y  die Größe der Nahrungsmenge,  x  die Größe der Menschenanzahl bedeutet, kann auch das Malthus'sche Gesetz durch die Formel  y = log   ausgedrückt werden. Leider hat aber diese Gleichheit schon FECHNER wohl in erster Linie dazu verleitet, das Bernouillische Gestz im 1. Band seiner berühmten Elemente als Spezialfall des Weberschen Gesetzes aufzuzählen. (33) Im zweiten Band fügte er erläuternd hinzu: "Vielleicht befremdet es, dieses Prinzip für die Psychophysik in Anspruch genommen zu finden; in der Tat aber muß es bei einer hinreichend allgemeinen Fassung derselben untergeordnet werden. Denn die "fortune morale" bedeutet . . . zunächst nichts anders als den Genuß, den die Seele von äußeren Glücksgütern hat, die "fortune physique" die Mittel, die von außen her diesen Genuß bewirken und erstere nimmt sonach ganz die Stelle der Empfindung, letztere die des Reizes ein; auch wird die "fortune morale" ganz in demselben Sinn als Funktion der "fortune physique" behandelt, als von uns die Empfindung bezüglich des Reizes und es ist dasselbe Gesetz, was die beiden verknüpft."

45. Dieser Ansicht haben sich zahlreiche Forscher angeschlossen, und wir finden in der späteren Literatur das Bernouillische Gesetz bald als Spezialfall des Fechnerschen, bald als mit ihm identisches Gesetz (34) angeführt. Natürlich sit für diese Forscher die Frage nach der Richtigkeit des psychophysischen Grundgesetzes in einem bejahenden Sinn entschieden; dem gegenüber muß aber darauf hingewiesen werden, daß von Anbeginn von hervorragenden Forschern schwerwiegende Bedenken geltend gemacht worden, so von HELMHOLTZ, MACH, BRENTANO, HERING u. a.  Die  Vorfrage der Richtigkeit bzw. Sicherheit des Fechnerschen Gesetzes wird daher nicht mit Unrecht aufgeworfen, und ihre Beantwortung dürfen wir uns umsomehr angelegen sein lassen, als erst ihre Bejahung uns nötigen würde nachzuweisen, daß "Reiz" und "äußere Glücksgüter", "Empfindung" und "Genuß" nicht in der Weise FECHNERs ohne weiteres gleichgestellt werden dürfen; auch involviert die Erledigung dieser Frage die Lösung des oben aufgeworfenen Problems, ob eine "Messung von Werten" dort, wo sie nicht  begrifflich  ausgeschlossen ist, nämlich bei intensiven Akten faktisch statthaben kann oder nicht.

46. Das psychophysische Gesetz ist ein Gestz über den Zusammenhang von  Reizgrößen  und  Empfindungsintensität,  dessen Gültigkeit von seinen Vertretern nur für  gewisse  (35)  Sinnesgebiete und innerhalb gewisser Grenzen  in Anspruch genommen wird und zwar aufgrund von Beobachtungen, die ergaben, daß auf gewissen Sinnesgebieten "der Zuwachs des physischen Reizes, (36) der einen  eben merklichen  Zuwachs in der Stärke der Empfindung hervorbringt zur Größe des Reizes, zu welchem er hinzukommt, immer in einem gleichen Verhältnis steht." Indem FECHNER nun ohne weiteres annahm, daß alle "eben merklichen Zuwächse" "gleich große Zuwächse" sind, glaubte FECHNER das von ihm so genannte  Webersche Gesetz  (37) allgemein dahin formulieren zu können, daß die Zuwächse der Empfindung sich gleich blieben, wenn die Verhältnisse der Reize sich nicht änderten. Wie man sieht, basiert somit das ganze psychophysische Gesetz FECHNERs auf der Voraussetzung, daß alle  ebenmerklich Empfindungszuwächse,  Zuwächse von konstanter Größe sind; "es ist", wie FECHNER selbst (Elemente der Psychophysik II, Seite 191) ausführt, "das Wesentliche, worauf sich das Prinzip in seiner vollen Allgemeinheit stützt, nur die Möglichkeit, die  Gleichheit  kleiner Änderungen, Zuwächse der Empfindungen für gegebene Reizzuwächse in verschiedenen Teilen der Reizskala zu konstatieren." Diese Gleichheit soll nun in den ebenmerklichen Zuwächsen gegeben sein;  "ebenmerkliche Zuwächse sind gleich große Zuwächse"  - dies ist das Fundament, auf welchem das ganze Gebäude FECHNERs ruht; "Ohne diese natürlichste Voraussetzung," meint er (In Sachen der Psychophysik, Seite 11), "wäre überhaupt von den Versuchen aus nicht zu einem Maßgesetz (y = log x) der Empfindung zu gelangen." Die Richtigkeit dieser Voraussetzung zu beweisen hat FECHNER zunächst nicht den geringsten Versuch gemacht; hielt er sie doch, wie BRENTANO in seiner Psychologie bemerkt, für  selbstverständlich.  Es wurde somit das FECHNERsche Prinzip, selbst wenn es richtig wäre, an dem nämlichen Gebrechen leiden, an dem BERNOULLIs Formel krankt, nämlich am Mangel einer Begründung im wichtigsten Punkt. - Alle die zahlreichen Entgegnungen und Angriffe, denen das Webersche Gesetz im Laufe der Zeit ausgesetzt war, so viel Scharfsinn sie zeigen mögen, und so berechtigt sie vielleicht sind, stehen daher an Bedeutung hinter dem Einwand zurück, der - zuerst von BRENTANO erhoben, wie ELIAS MÜLLER bemerkt, - die Richtigkeit der fundamentalsten Voraussetzung" (38) selbst bezweifelt. Sollte daher bei näherem Zusehen dieser Zweifel für berechtigt befunden werden, so ersparen wir uns die Reihe der übrigen gegen FECHNER erhobenen Bedenken zu berücksichtigen. BRENTANO leitet seinen Einwand folgendermaßen ein: "Es ist in Wahrheit keineswegs von vornherein einleuchtend, daß  jeder eben merkliche Zuwachs der Empfindung gleich,  sondern nur daß er  gleich merklich  ist und es bleibt zu untersuchen, welches Größenverhältnis zwischen gleich merklichen Zuwächsen der Empfindung besteht." -

47. FECHNER hat die Bedeutung dieses Gedankens insofern wohl empfunden, als er einsah, daß sie sich  "gegen die Gesamtheit seiner Messungsmethoden in gleicher Weise richtet";  er hat jedoch geglaubt ihn widerlegen zu können. (39) Leider hat FECHNER aber den Gedanken BRENTANOs nicht ganz richtig verstanden und infolgedessen seinen Einwand ein wenig umgedeutet. Der Sachverhalt ist, mit Beiseitelassung des Unwesentlichen, folgender: BRENTANO wendet ein: es ist doch vorerst eine unbewiesene Annahme, wenn FECHNER behauptet, jeder  eben merkliche  Unterschied zweier Empfindungen habe stets die gleiche Größe, sei  ein gleich großer  Unterschied, d. h. wird mit gleicher Leichtigkeit bemerkt. FECHNER hat diese Bemerkung so aufgefaßt, als hätte BRENTANO gesagt: es ist doch eine unbewiesene Annahme, wenn behauptet wird, jeder  eben merkliche  Unterschied zweier Empfindungen sei ein  gleich merklicher  Unterschied, d. h. mit gleicher Leichtigkeit bemerkt. FECHNER hat diese Bemerkung so aufgefaßt, als hätte BRENTANO gesagt: Es ist doch eine unbewiesene Annahme, wenn behauptet wird, jeder  eben merkliche  Unterschied zweier Empfindungen sei ein  gleich großer  Unterscheid, da doch nur behauptet werden kann, jeder eben merkliche Unterschied sei  scheinbar gleich  groß, d. h. bringt die Versuchung mit sich, instinktiv, blind für gleich große gehalten zu werden. BRENTANO hat nun in seiner Psychologie nicht so argumentiert, obgleich er auch so hätte argumentieren können, denn in der Tat ist ein starke Versuchung gegeben,, eben merkliche Unterschiede instinktiv für gleich groß zu halten; diese Versuchung ist so mächtig, daß sie selbst dann nicht beseitigt wird, wenn man direkt mißt oder Erfahrungen über frühere Messungen zu Gebote stehen. - Der Grund dieser Versuchung ist ersichtlich: wo man einen Unterschied zweier Größen nicht  bemerkt,  ist man geneigt, die beiden Größen für gleich groß zu halten; man kann einen Unterschied zweier eben merklicher Zuwächse voneinander nicht bemerken, weil ja  eben merkliche  Zuwächse solche sind, die eben nur noch als  Ganzes  bemerkt werden, ohne daß man deren Teile für sich zu bemerken imstande ist; (40) würde man die Teile eines eben merklichen Zuwachses für sich bemerken können, so wäre ja schon ein solcher Teil, indem er zuwächst, ein eben merklicher Zuwachs. Wenn nun FECHNER auf den supponierten Einwand BRENTANOs die Entgegnung findet, es sei die wahrscheinlichste Annahme, daß das  Fürgleichhalten  eben merklicher Zuwächse z. B. darin seinen Grund habe, daß sie  wirklich gleich groß  seien, so müssen wir darauf antworten, daß die wahrscheinlichste Annahme nicht diese, sondern die eben vorgebrachte ist, daß sie darum für gleich gehalten werden, weil aus dem Begriff der eben merklichen Unterschiede folgt, daß man einen Unterschied zwischen ihnen nich  bemerken  kann, selbst wenn ein solcher vorhanden und in Wirklichkeit mehr oder weniger groß ist. - Nach diese Erwiderung, die FECHNER dem supponierten Einwand entgegengesetzt hat, zu urteilen, hätte er, wenn er BRENTANOs eigentlichen Gedankengang besser gefolgt wäre, auf BRENTANOs Bemerkung, man könne eben merkliche Unterschiede nicht ohne weiteres für  gleich,  sondern nur für  gleich merklich  bezeichnen, konsequenterweise zweifellos erwidert: es sei die wahrscheinlichste Annahme, daß das  gleich leichte Bemerken  (die gleiche Merklichkeit) zweier eben merklicher Empfindungszuwächse z. B. darin seinen Grund hat, daß sie wirklich gleich groß sind. Dies ist es aber, was BRENTANO aufgrund psychologischer Erfahrung bestreitet; nicht jene Empfindungszuwächse werden im allgemeinen gleich leicht bemerkt, die wirklich absolut gleiche Größen haben, sondern jene, die zur Intensität der Empfindung, zu welcher sie hinzukommen, im gleichen Verhältnis stehen; relativ gleiche, nicht absolut gleich Zuwächse werden gleich leicht bemerkt, sind gleich merklich. "Denn auch bei anderen Veränderungen der Phänomene," fährt BRENTANO fort, "gilt dieses Gesetz. So ist z. B. die Zunahme eines Zolls um eine Linie ungleich merklicher als die Zunahme eines Fußes um dieselbe Größe, wenn man nicht etwa beim Vergleich beide Strecken aufeinander legt; denn dann allerdings macht die Länge der Strecke, welche den Zusatz erfährt, keinen Unterschied, indem nur noch die beiden Überschüssen in Betracht kommen." Nun ist jeder eben merkliche Zuwachs zugestandenermaßen ein gleich merklicher Zuwachs, d. h. einer, der mit gleicher Leichtigkeit bemerkt wird, folglich unterliegt er demselben Gesetz, folglich gilt, daß, wenn die Empfindungen eben merkliche Zuwächse erfahren, sie nicht um absolut gleiche, sondern um relativ gleiche Größen zugenommen haben. Die Tatsachen, die dem Fechnerschen Gesetz zugrunde liegen, gestatten nur die Aufstellung des Satzes: "Wenn der relative Zuwachs des physischen Reizes der gleiche ist, so nimmt die Empfindung um  gleich merkliche  Größen zu" und seine Ergänzung findet dieses Gesetz durch das andere von BRENTANO hinzugefügte: "Wenn die Empfindung um gleich merkliche Größen zunimmt, so ist der  relative Zuwachse  der Empfindung der  gleiche".  Somit tritt an die Stelle des von FECHNER vertretenen Satzes: "Wenn der  relative  Zuwachs des Reizes der gleiche ist, nimmt die Empfindung um  relativ gleiche  Größen zu." (41) [...] Mit der Widerlegung der angenommenen Gleichheit eben merklicher Zuwächse fällt demnach die absolute Maßeinheit FECHNERs dahin und, gleichgültig ob die  Fechnersche Formel  durch eine andere, etwa die BRENTANOs, zu ersetzen ist oder nicht, ist sie selbst unrichtig oder wenigstens jedenfalls völlig  unbewiesen.  Sie kann daher  nicht  zum Beweis des Bernouillischen Gesetzes dienen.

48. Es scheint, daß FECHNER selbst  später  die Subsumierung des Bernouillischen Gesetzes unter das seinige nicht mehr aufrecht erhalten wollte; geschah doch diese Subsumierung schon in den "Elementen" entgegen seinem Ausspruch: "Man kann das Gesetz auf dem Gebiet der intensiven und extensiven Empfindungen . . . ins Auge fassen, ohne sich von vornherein berechtigt halten zu dürfen, die Bewährung desselben in irgendeinem Spezialgebiet der Empfindung zugleich als für ein anderes gültig anzusehen; vielmehr fordert es in jedem Gebiet eine besondere Untersuchung." Wenn also schon für jedes spezielle Empfindungsgebiet eine gesonderte Untersuchung gefordert wird, wie vielmehr sollte dies für ganz verschiedene psychische Grundklassen, wie Empfindung und Lust, verlangt werden! - In einer späteren Schrift, "Vorschule der Ästhetik, Seite 76, erklärt FECHNER dann auch unzweideutig: "Ein eigentlich mathematisches, unstreitig nur psychophysische mögliches Maß der Intensität der Lust und Unlust dürfte sich erst im Zusammenhang mit einer Erkenntnis der allgemeinen Grundursache von Lust und Unlust finden lassen, bis dahin kann es sich nur um eine Schätzung von Mehr oder Weniger handeln", und an anderer Stelle gibt FECHNER ohne weiteres zu,, "daß wir den Lustertrag nicht mathematisch abschätzen können." Damit ist die Unmöglichkeit einer  exakten  Messung und relativen Wertbestimmung der Lust von FECHNER selbst schlechthin behauptet; wir gehen daher weniger weit als FECHNER an diesen Stellen, indem wir zugeben, das FECHNERsche Gesetz würde,  wenn es für die Empfindung gelten würde,  auf jene Freuden anwendbar sein, deren intentionaler Gegenstand die durch den  äußeren  Reiz erweckten Empfindungen bzw. deren Inhalte sind, da deren Intensität, wie oben erwähnt, zugleich als Maß der Intensität der auf sie gerichteten Gefühle gelten müßte; für die Lust- und Unlustredundanzen allerdings, also das Gros unserer Gefühle, würde das FECHNERsche Gesetz, auch wenn es richtig wäre, versagen. "Für alle psychischen Phänomene", bemerkt sehr richtig BRENTANOs "Psychologie" a. a. O., "welche in physischen Vorgängen im  Inneren  des Organismus ihren Grund haben oder durch andere  psychische  Phänomene hervorgerufen werden, fehlt uns also nach wie vor ein Maß der Intensität." Resumieren wir: das Bernouillische Gesetz ist von BERNOULLI selbst nicht bewiesen; es ist auch durch die Berufung auf das psychophysische Grundgesetz FECHNERs schon darum nicht zu beweisen, weil die prinzipiellste Voraussetzung, auf der dieses beruth, die Meßbarkeit psychischer Intensitäten durch "ebenmerkliche" Unterschiede unrichtig bzw. unbewiesen ust. - Wir gehen nun dazu über zu untersuchen, was BENTHAM für seine den Bernouillischen verwandten Sätze anzuführen wußte.

49. Wie oben ausgeführt, begnügt sich BENTHAM mit der allgemeinen Behauptung, es bringt, sofern das Lebensglück von äußeren Gütern abhängt, ein Vielfaches des zum Leben Unentbehrlichen, nicht ein Gleichvielfaches von primären Werten, d. h. nach BENTHAM, von Genüssen, mit sich. Als Gründe führt er an: "for by high dozes of the excitting matter applied to the organ its sensibility is in a manner worn out", "zwei starke Einwirkungen des Reizes auf das Organ erschöpfen gewissermaßen die Empfindlichkeit". Dieser Gedanke ist sehr bemerkenswert; es besteht in der Tat das Gesetz, daß von einem gewissen Punkt an und nach einer Periode aufsteigender Wirkung die  Dauer, Zunahme und Wiederholung  eines Reizes, physiologische Veränderungen hervorrufen, die man gewöhnlich als "Ermüdungszustände" bezeichnet und die in einer geringeren Leistungsfähigkeit des nervösen Apparates bestehen, infolge deren die  Empfindlichkeit  geringer wird. Die Empfindlichkeit wird geringer, heißt nicht etwa, daß nur die  Merklichkeit  gleicher Empfindungsgrößen geringer wird, sondern daß die  Empfindungsgröße  selbst abnimmt. In seiner "Vorschule der Ästhetik" hat FECHNER dieses Gesetz der "Abstumpfung der Empfänglichkeit" näher erörtert"; (42) da jeglicher intensive psychische Akt, mag er in welchen Reizen immer seinen Grund haben, einen gewissen Aufwand von Nervenkraft erfordert, ist ohne weiteres einzusehen, daß diese Sätze von allen psychischen Phänomenen sinnlicher Natur ihre Gültigkeit haben, daher auch für sinnliche Lust und Unlust, gleichgültig, ob es sich um sinnliche Redundanzen oder primäre Empfindungslust handelt. Übertriebener Genuß zehrt so gut an unserer Nervenkraft als starke Leiden.  Wenn also die Mittel wachsen, um die Lustreize um ein Gewisses an Dauer, Zahl, Intensität zu vervielfachen, so wachsen nicht etwa damit auch die Mittel, die Lustintensitäten um ein Gleichvielfaches zu vergrößern.  Mit den Worten "for by high doses of the exciting matter applied to the organ its sensibility is in a manner worn out", hat BENTHAM in der Tat ein Gesetz der genetischen Psychologie ausgesprochen, das geeignet ist, den Satz zu stützen, daß das Wachstum der in möglichst intensiver Lust bestehenden Glückseligkeit mit dem Wachstum des Vermögens von einem gewissen Punkt (dem Existenzminimum) an, nicht gleichen Schritt zu halten vermag; sofern diese Behauptung auch in der weitergehenden Bernouillischen Formel enthalten ist, gibt BENTHAM daher auch für die eigentliche Begründung des richtigen Kerns des Bernouillischen Gesetzes einen wesentlichen Beitrag. Durch das Gesetz der Abstumpfung fällt aber auch Licht auf den stets behaupteten Zusammenhang des Bernouillischen Gesetzes mit dem psychophysischen Grundgesetz. In der Annahme des logarithmischen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Reiz und Empfindung ist nämlich das Gesetz der Abstumpfung bereits involviert: "Insoweit sich das Webersche Gesetz bestätigt", sagt dann auch FECHNER, (43) "nimmt die absolute Empfindlichkeit mit Wachstum des absoluten Reizunterschieds immer mehr ab, die relative indessen bleibt sich gleich." Jedoch ist dieser Satz, wie wir wissen, aus den Weberschen Tatsachen nur dann wirklich  "gefolgert",  wenn unter "absoluter Empfindlichkeit" die Leichtigkeit Empfindungszuwächse zu  bemerken,  nicht aber die Leichtigkeit des Auftretens von Empfindungszuwächsen verstanden wird; zu beweisen, daß es auch von dieser letzteren Fähigkeit gilt, bedarf es, wie schon oben bemerkt, anderer Erfahrungen, nämlich eben jener, auf die wir soeben hingewiesen haben; es ergibt sich dann, unter deren Berücksichtigung, das, was BRENTANO als möglich zugestanden, nämlich, "daß die Empfindung in einem langsameren Verhältnis aufsteigt als der Reiz",  wirklich  der Fall ist. [...] Trotz des mathematisch verschiedenen Charakters der Gleichungen, (bei FECHNER ist die Funktion logarithmisch, bei BRENTANO parabolisch) ist in beiden Formeln der Gedanke ausgesprochen ist, daß die Empfindung gesetzmäßig langsamer wächst als der Reiz; unter der Voraussetzung nun, daß das Gesetz der Abstumpfung für Steigerung, Wiederholung und Verlängerung aller intensiven Akte irgendeine Geltung hat und der weiteren wohl zulässigen (44) Annahme, daß ein Vielfaches des Geldeinkommens innerhalb gewisser Grenzen meist eine Vervielfachung der Lustreize zu beschaffen vermag, rechtfertigt sich psychologisch das verzögerte Aufsteigen (nicht aber der logarithmische Charakter) der Lustkurve der Bernouillischen Formel, und umsomehr die unbestimmtere und vorsichtigere Fassung des  Bentham'schen Satzes. 

50. Außer auf das Gesetz der Abstumpfung stützt BENTHAM seine pathologischen Axiome auf die Tatsache der Begrenztheit der  psychischen  Aufnahmefähigkeit; wie in einem Bassin von bestimmter Größe nur eine endliche Wassermenge Platz hat, so kann in der menschlichen Seele nur eine endliche Menge Lust Aufnahme finden; während das Gesetz der Abstumpfung seinen Grund hat in der  Erschöpfung der physiologischen Kraftquellen,  ist die Endlichkeit der psychischen Sinnesfelder eine davon verschiedene Tatsache; aus ihr erklärt es sich, daß die Intensität der psychischen Akte wie eine untere so auch eine obere Grenze haben muß; ersteres ist bei vollständiger Leere, letzteres bei vollständiger Erfüllung des Sinnesfeldes gegeben; da nun nicht nur das Seh- und Hörfeld, sondern auch das Feld des dritten Sinnes, (45) dessen Empfindungen mit intensiver Lust gefühlt werden, von endlicher Ausdehnung ist, ergibt sich auch als Konsequenz die notwendige Endlichkeit der physischen Freuden; während also der physische Reichtum ins Unermeßlich wachsen kann, können die sinnlichen Freuden ein gewisses endliches Maß nicht überschreiten; "the quantity of felicity is not as the quantity of the elements of felicity simply, but as the quantity of the elements of felicity, and the capacity of contaming the felicity taken together" [Die Menge der Glückseligkeit ist nicht einfach die Menge der Elemente der Glückseligkeit, sondern die Elemente der Glückseligkeit  und  die Abnutzung der Glückseligkeit zusammen. - wp]. (46)

51. Drittens führt BENTHAM Umstände an, die zeigen, daß das Interesse an Vermögen- und Gelderwerb am lebhaftesten und berechtigsten ist, wo es sich um einen Fortschritt in den niedrigsten Sphären des Einkommens handelt; "mankind in general appear to be mor sensible of grief than pleasure from an equal cause" (Works II, Seite 307). Dieser Satz ist richtig verstanden von Bedeutung; in der Tat sind die Schmerzen, deren die Menschen fähig sind (47) sind, an Mannigfaltigkeit und Intensität den Freuden überlegen. Der Schmerz scheint ferner trotz seiner teleologischen Funktion insofern eine Schädlichkeit, als er unter Umständen dem praktischen Wirken hemmend entgegentritt; der Lebensprozeß der Menschen ist mit Lust verbunden, dieses angenehme Vitalgefühl ist zum freudigen und gedeihlichen Wirken des Menschen unentbehrlich; mit seiner Herabminderung wird die Arbeitsfreudigkeit unterbunden und durch starken Schmerz ganz und gar gelähmt; erst im Zustand des körperlichen Elends wird man sich des Wertes des Wohlbefindens, der Wichtigkeit, die der  mens sana in corpore sano  [gesunder Geist in einem gesunden Körper - wp] besitzt, recht bewußt. "Das Gemeingefühl des Wohlseins oder des Elends", sagt LANGE richtig Seite 124, "welches zu allen einzelnen Erregungen von Schmerz und Lust den beharrlichen Hintergrund bildet, ist kein geringer Teil von unserem Glück oder Unglück". Nun sind aber die peinigendsten Schmerzen und Unlustgefühle das beklagenswerte Gefolge der vollständigen Armut; eine günstige Wendung der Vermögensverhältnisse, eben nur groß genug, um das Leben vor den grimmigsten Entbehrungen zu sichern, bedeutet daher den außerordentlichsten Fortschritt und wird, sofern das Elend seine abstumpfenden Wirkungen noch nicht entfaltet hat, im Kontrast der Lebenslagen auch als solche empfunden und bemerkt. (48) Jene Menge äußerer Machtmittel, die diesen Übelständen zu begegnen imstande ist, ist daher von so hohem Wert, daß weitere quantitativ gleich große Verbesserungen der Vermögenslage eine relativ geringere Verbesserung der Glückslage bedingen. "The man who is born in the lap of wealth, is not so sensible of the value of fortune, as he who is the artisan of his own fortune." [Der Mensch, der im Schoß des Reichtums geboren wird, ist für das Glück nicht so sensibilisiert wie der, welcher Schmied seines eigenen Glücks ist. - wp] (49)

52. Das besprochene "psychologische Axiom" ist in der modernen  Wertlehre  und Sozialwissenschaft als Gedanke BENTHAMs so gut wie unbekannt; und doch ist eine der Fassungen seines Gesetzes unter dem Namen des  "Gossenschen Gesetzes"  zu einer  internationalen Berühmtheit  und zum Gegenstand überschwänglichen Lobes geworden; es ist dies die Stelle des Pannomial fragments: "the effect of wealth in the production of happinesse goes on diminishing as the quantity by which the wealth of one exceeds that of another goes on increasing; in other words the quantity of happiness produced by a particle of wealth (each particle being of the same magnitude) will be less and less at every particle; the second will produce less than the first, the third less than the second an so on." - In dem auf hedonistischer Grundlage verfaßten Werk: "Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fließenden Regeln für menschliches Handeln" hat HERMANN HEINRICH GOSSEN (1853) auf Seite 31 den Satz ausgesprochen: "daß mit der Vermehrung der Menge der Wert jedes neu hinzukommenden Atoms fortwährend eine Abnahme erleiden müsse bis dahin, daß derselbe auf Null herabgesunken ist", und an anderer Stelle: "daß das Erste, was von einer Sache Wert erhält, den höchsten Wert hat, jedes neu hinzukommende von gleicher Größe einen minderen Wert, bis zuletzt Wertlosigkeit eintritt."

53. Dieser Gedanke, "von dem sich GOSSEN, der BENTHAM offenbar nicht kannte, den Ruhm eines KOPERNIKUS versprach", ist anfangs unabhängig von GOSSEN in der modernen Weltliteratur aufgetaucht und ist später von zahlreichen Forschern zur Basis ihrer Theorien gemacht worden. So findet sich der Satz: "Each increment is less necessary than the previous one" [Jeder weitere Schritt ist weniger notwendig, als der vorhergehende. - wp] wörtlich in JEVONS' "Theory of political economy" und kehrt wieder bei MARSHALL [...] und unabhängig von GOSSEN und JEVONS findet sich ganz Ähnliches in MENGERs 1847 erschienenen "Grundsätzen der Volkswirtschaftslehre" (Seite 99, Anm.) und in WIESERs Buch vom natürlichen Wert. "Jeder Nutzenzuwachs", lehrt letzterer, "der durch ein neu erworbenes Gut begründet wird, ist willkommen; das erst erworbene Gut bringt den höchsten Zuwachs, weil er dem dringendsten Begehren abhilft; jedes folgende einen kleineren, weil er einem gesättigten Verlangen begegnet." Noch in der neuesten Auflage des Handwörterbuchs der Staatswissenschaft sagt WIESER im Artikel "Grenznutzen": "Es ist eine Tatsache von größter Bedeutung, daß eine fortgesetzte oder angehäufte Befriedigung als solche, indem sie das Bedürfnis sättigt, die Bedeutung der Akte des Genusses oder des Güternutzens mindert." BÖHM-BAWERK, SAX, ZUCKERKANDL, PHILIPPOWICZ sind hierin mit ihm einer Meinung.

54. Der Unterschied, den man vielleicht zwischen BENTHAM und GOSSEN finden könnte, daß letzterer nämlich von den unmittelbaren "Genußmitteln", ersterer vom Geld und Vermögen im weiteren Sinne spricht, ist kein wesentlicher; denn von hedonistischen Standpunkt ist - bei der im Großen und Ganzen hinsichtlich der Konsumenten wichtigen Voraussetzung, daß das Vielfache einer Ware das Vielfache des Einheitspreises kostet - die Anwendung des Satzes von der Wertabnahme des "Güterzuwachses" auf die Geldvermehrung zulässig; und wie von jeder speziellen Fassung der "wirtschaftlichen Güter" gilt auch vom Geld die Beobachtung GOSSENs, die ihn zur Entwicklung seines Gesetzes veranlaßt hat, (50) "daß von  jeder Sache  für den einzelnen sowohl, wie für eine Mehrheit von Menschen nur eine  bestimmte Quantität  Wert hat", eine Beobachtung, die auch schon von ARISTOTELES im dritten Kapitel des ersten Buches seiner Politik gemacht wurde. Auch die Begründung, die GOSSEN seinem Gesetz gegeben hat, ist, da sie sich auf Begrenztheit der Genußfähikeit und das Gesetz der Abstumpfung stützt, der BENTHAM'schen innig verwandt, nur ist sie zusammenhängender und ausführlicher; und wie manches Richtige  haben beide auch gewisse Fehler gemeinsam.  Wie BENTHAM unter "happiness" so versteht GOSSEN unter "Genuß" sowohl Lust als auch Vernichtung des Schmerzes. Es ist aber klar, daß das Gesetz von der Herabminderung des "Genusses" bei "fortgesetzter Bereitung" desselben ganz verschiedenes aussagt, je nachdem das eine oder andere unter "Genuß" verstanden wird; im Hinblick auf die Lust (51) besagt es, daß von einem gewissen Punkt an bei fortdauerndem und wiederholten gleichen bzw. zunehmenden Lustreiz die Lustgröße abnimmt bzw. verzögert zunimmt, und diese Zunahme begrenzt ist, im Hinblick auf die Verminderung des Schmerzes (52), daß die erste Abnahme die größte, jede folgende geringer und schließlich Null wird; allein dieses Gesetz der Schmerzabnahme kann nicht im Gesetz der Abstumpfung begründet sein, da es ja auf die  Abnahme der Schmerzreize  zurückzuführen ist; das Gesetz der Begrenztheit der Intensität auch nach unten hin dagegen, kann wohl das Aufhören des Schmerzes bei entsprechender Kleinheit des Reizes aber nicht die  verzögerte  Abnahme erklären. - Blickt man auf die Tatsachen, die dem auf die Unlust bezüglichen Teile des GOSSEN'schen Gesetzes zugrunde liegen, so findet man, daß zu seiner Rechtfertigung die periodisch wiederkehrenden Schmerzgefühle des Hungers, des Durstes, der Kälte herangezogen werden, also jene, auf deren Beseitigung die sogenannten "physischen Bedürfnisse", die "Bedürfnisse im engeren Sinn" gerichtet sind, und bei dem die  Beseitigung der höchsten Intensitätsgrade,  wie auch CARL MENGER in seinen "Grundsätzen der Volkswirtschaftslehre" gezeigt hat und wir oben bemerkt haben, für das Individuum von  vitalstem Interesse  sind; den peinigendsten Hunger, die grimmigste Kälte etc. zu beseitigen, ist ein ethisches Gebot der Selbsterhaltung, dessen Beobachtung die Natur nicht lediglich dem ethischen Gewissen eines jeden anheim stellt, sondern so sehr durch die stärksten Instinkte zu sicher bestrebt ist, daß man nicht wohl von einem  Naturgesetz  sprechen kann; ein Brotkrumen, ein Wassertropfen, ein brennendes Zündholz, genügen jedoch in diesen Fällen nicht, jene Intensitätsgrade des Schmerzes zu beseitigen, die zu erträglichen Existenz oder gar zur Arbeitsfähigkeit erforderlich sind; ist aber das Quantum, das diese wohltätigen Folgen nach sich zieht, einmal beschafft, so ist der Nutzen, den es gewährt, so groß, daß eine zweite gleichgroße Quantität, "während derselben Bedürfnisperiode" genossen, dem Individuum von geringerem Wert ist, von noch geringerem eine 3. etc. (53) Dieses Gesetz der physischen Bedürfnisbefriedigung gilt wie vom einmaligen Bedürfnis und den es befriedigende Güterquantitäten, wie oben schon angedeutet, sofern diese Existenzbedürfnisse zugleich periodische sind, auch von diesen und dem entsprechenden regelmäßigen Gütereinkommen, dessen Gesamtsumme eben das Existenzminimum darstellt. Das eben besprochene Gesetz der physischen Bedürfnisbefriedigung, auch Gesetz der "Sättigung" genannt, ist daher nur irrigerweise mit dem Gesetz der Abstumpfung, der verminderten Empfindlichkeit zusammengeworfen worden; der Grund für die Zusammenfassung lag offenbar vor allem in den gleichen praktischen Konsequenzen hinsichtlich der Beurteilung des "Güternutzens", doch hat gewiß auch der Umstand zur Verwirrung beigetragen, daß bei den physischen Bedürfnisse die Verminderung der Unlust Empfindungen auslöst, die das  Auftreten von Lustredundanzen  mit sich bringen, auf die dann allerdings wieder das Gesetz der Abstumpfung seine Anwendung findet.

55. Ja es geschieht, was insbesondere MENGER (54) betont hat, während es bei GOSSEN (55) nur gestreift und bei BENTHAM anläßlich der Begründung seines Gesetzes ganz vernachlässigt wurde, daß bei andauernder Einwirkung des diese begleitenden sekundären Lustgefühle verursachenden Reizes eine dritte, qualitativ verschiedene Gruppe von Empfindungen erzeugt wird, die wiederum mit Unlust, Ekel, Pein gefühlt wird, eine Erscheinung, die jedoch nicht nur hier, sondern auch bei den  primären  Lustgefühlen beobachtet wird und von FECHNER "Übersättigung" genannt wurde. (56) Auch diese Erscheinung ist geeignet, dem BENTHAM'schen Gesetz von der Unfruchtbarkeit der Reichtumsvermehrung über gewisse Grenzen insofern eine neue Stütze zu verleihen, als mit der Größe des Reichtums bzw. Einkommens die Gefahren der "Übersättigung", des "Ekels", also die Gefahr eines positiven Übels geschaffen wird.

56. Wir haben die Behauptung aufgestellt, BENTHAM habe aus seinem Gesetz viel bedeutsamere Konsequenzen gezogen als BERNOUILLI. Letzterer hat sein Gesetz lediglich zum Zweck einer Theorie der Wertbestimmung von Glücksfällen aufgestellt; BENTHAM macht nun von seinem Gesetz auch ähnliche Anwendungen. So in den  Principles of civil code,  Works I, Seite 306: "It is to this head that the evil of gambling may be referred. Though the chances, as they respect money, may he equal, the chances, as they respect happiness, are always unfavourable. I possess 1000 Pound; the stake is 500 Pound; if I loose, my fortune is diminished one half; if I gain, it is only increased one third. Suppose the stake to be 1000; if I gain, my happiness is not doubled with my fortune; if I loose, my happiness is destroyed - I am reduced to poverty." Auch dieser Annahme liegt wie CZUBER, (57) allerdings in Hinblick auf die Mathematiker BUFFON, FRIES, OETTINGER und LACROIX bemerkt "der Gedanke zugrunde, daß bei gegebenem Anfangsvermögen einer Summe  α  die größere relative Bedeutung beizumessen ist, wenn sie einen Verlust als wenn sie einen Gewinn darstellt". Derselbe Autor fügt hinzu, "daß diese Annahme zu denselben" (wir sagen: fast zu denselben) "allgemeinen Ergebnissen führt, wie die auf der Vorstellung der  kontinuierlichen Vermögensänderung  basierende Bernouillische Hypothese"; sie ist aber schon darum vorzuziehen, weil die Fiktion infinitesimaler Änderungen durch sie überflüssig wird. Bei BENTHAM ist jedoch die Reflexion auf das Glücksspiel nur nebensächlich; dagegen hat er lange bevor spätere Forscher BERNOUILLIs Formeln hierzu herangezogen haben, aus seinem Gesetz den Schluß gezogen, den LANGE als Errungenschaft anderer preist: "daß eine übertriebene Differenz in der Lebenslage der Individuen mit Notwendigkeit einer geringere Gesamtsumme von Glück ergibt, als annähernd gleiche Verhältnisse, in welchen sich nicht eine Minderzahl unnatürlich gehoben und die Mehrzahl schwer gedrückt fühlt; (58) "inequality minimized principle" nennt BENTHAM das aus den "Axiomen" gefolgerte gesetzgeberische Prinzip, (59) wobei er eindringlich betont: "by equality is here meant not the utmost concevable equality, but only  practicable  equality." [Mit Gleichheit ist hier nicht die höchstdenkbare Gleichheit gemeint, sondern nur  praktische  Gleichheit. - wp] (60) Denn so groß die Vorteile eines annähernden Ausgleichs des Reichtums sind, so groß sind andererseits die Übel einer  plötzlichen  radikalen Gleichmacherei, die er oft und detailliert ausmalt; (61) die Pflicht des Gesetzgebers ist daher zwar, auf eine gerechtere Verteilung des Vermögens hinzuwirken, sich aber hierbei stets die Gefahren des "levelling systems" vor Augen zu halten und vorsichtig und behutsam zu verfahren;  die Sicherung des Existenzminimus  freilich geht allem andern vor, "den der Anspruch des Hilfsbedürftigen als solcher ist stärker als der Anspruch des Eigentümers eines Überflüssigen als Eigentümer, und der Tod, welcher zuletzt den ohne Hilfe gelassenen Armen treffen würde, wäre doch unstreitig ein schwereres Übel, als die Unlust der getäuschten Erwartung, die den Reichen trifft, welchem man einen kleinen Teil seines Überflusses nimmt." (62)

57. Man hat seit den Angriffen von KARL MARX in BENTHAM einen der verwerflichsten Vertreter des  laisser faire  zu suchen beliebt; nichts widerlegt diesen Vorwurf gründlicher als seine Vorschläge zur Beschränkung des Erbrechts, seine Angriffe auf die Abgaben für Rechtspflege und die Energie, mit der er für die Bejahung der Frage eintritt: "Soll man zu den Bedürfnissen des Staates, für welche man erzwungene Beiträge verwenden muß, die Sorge für Bedürftige, den öffentlichen Gottesdienst, die Pflege der Wissenschaft und Künste zählen?" Insbesondere die öffentliche Armenpflege, die Pflicht für das Existenzminimum von Staatswegen zu sorgen, wird mehrfach mit der Unzulänglichkeit der freiwilligen Unterstützungen, deren Unsicherheit, und der Belastung der Mitleidigen und Tugendhaften zugunsten der Herzlosen und Egoisten, ferner der Schwierigkeit einer angemessenen Zuteilung begründet. - An anderer Stelle deduziert BENTHAM wiederum aus seinen Axiomen die Grundsätze einer Lehre von der Entschädigung, (63) einer gerechten Steuerpolitik (64) und des Versicherungswesens. Die meisten dieser Grundsätze sind in der modernen Sozialpolitik wieder aufgetaucht und ihre Aufstellung hat ihren Vertretern Ehren gebracht, die BENTHAM mit Recht für sich in Anspruch nehmen dürfte. Gerade ein Blick auf die moderne sozialpolitische Literatur (65) in der uns allenthalben Gedanken begegnen, die bereits BENTHAM ausgesprochen hat, macht es begreiflich, daß BENTHAM in der Hoffnung seine Werke würden nach ihrem Wert gelesen und beurteilt werden, am Ende seiner Tage den Ausspruch tat: "Ich wünsche wohl, daß jedes der Jahre, die mir noch zu leben übrig sind, am Ende eines der Jahrhunderte läge, welche auf meinen Tod folgen werden, dann würde ich Zeuge des Einflusses sein, den meine Werke üben werden." In der Tat: wer die Mühe nicht scheut, BENTHAMs Werken näher zu treten, findet bald des Ausspruch MOHLs bestätigt, "daß BENTHAM auf dem Gebiet der Rechtspolitik . . . Unschätzbares geleistet hat, mehr als vor ihm je ein Mensch . . ."

58. Doch um vom Rühmenswerten wiederum zu den Mängeln BENTHAMs zurückzukehren. es ist schon oben auf den unvermittelten Sprung hingewiesen worden, mit dem BENTHAM von einer durchaus "subjektiven", hedonistischen Basis zur Maxime der größtmöglichen Lust aller, also einer "objektiven", hedonistischen Norm gelangt; dieselbe Eigentümlichkeit zeigt sich bei dem eben dargestellten Versuch BENTHAMs, eine gleichmäßigere Verteilung des Vermögens, insbesondere die Sicherung des Existenzminimums zu rechtfertigen; denn das BENTHAM'sche Gesetz behandelt lediglich den Einfluß des Vermögenszuwachses auf den happiness-Zuwachs seines  Besitzers;  ist nun BENTHAM der Ansicht, daß niemand etwas anderes werten und mittels seines Vermögens  anstreben kann  als eigenes "Glück" (im oben charakterisierten Sinn), also das fremde für jedermann irrelevant ist, so kann er höchstens zu dem Resultat gelangen, daß über ein gewisses Maß hinaus eine Vermehrung wertlos ist, nicht aber, daß die  Verteilung  auf andere Individuen wertvoller ist, denn die Lust anderer ist nicht  meine  Lust und folglich ohne Wert. Um zu der Forderung einer gleichmäßigeren Verteilung zu gelangen, muß daher BENTHAM den Standpunkt eines Politikers einnehmen, der den absoluten primären Wertcharakter der Lust erfaßt hat, der also die Lust für liebenswert hält, in wem immer sie realisiert wird, und der dem schon von ARISTOTELES gerügten allzusehr verbreiteten Streben nach schrankenlosem Gelderwerb zu ebenso maßlosen, egoistischen Genußzwecken entgegentritt, nicht nur wegen der Schädlichkeit der Genußhäufung und der Unmöglichkeit einer Genußsteigerung ins Unendliche, sondern insbesondere, weil er ein ausschließliches Streben der Individuen nach eigener Lust nicht als berechtigt anerkent und eine Auffassung verwirft, die die fremde Lust für indifferent hält, weil sie nicht die eigene ist.

59. Wie auf diese Weise der relativistische Ausgangspunkt der BENTHAM'schen Theorie schließlich für die Politik durch eine plötzliche Schwenkung paralysiert wird, so wird auch der andere wesentliche Mangel - die  Ausschließlichkeit des Lustprinzips  durch BENTHAM in seinen praktischen Konsequenzen abgeschwächt. Denn BENTHAM pflegt, wo es ihm notwendig erscheint, zu bemerken, daß er unter Lust sowohl die niedrigen "sinnlichen Freuden" im engeren Sinn versteht, wie die höheren, geistigen, d. h. sowohl die primäre Empfindungslust, als auch die durch höhere psychische Akte ausgelösteen Lustredundanzen. Man siehe nur die 14 Rubriken seiner "Table of spring of action" (Works I, Seite 197), wo unter anderem "pleasures and pains of curiosity, of the religious sanction, of sympathy etc. aufgezählt werden. Strebt man aber danach, Freude und Lust in  jeder  Weise zu verbreiten, so müssen auch  alle  Gegenstände, woran Vergnügen empfunden werden kann, so viel als möglich vermehrt werden, daher auch die Wissenschaft, die Erkenntnis, die Künste, das Wohltun, - Dinge, welchen ein reicher Quell von Freuden entspringt. So muß auch nach BENTHAM auf die Pflege anderer psychischer Akte außer der Lust Nachdruck gelegt werden, wenn auch nicht als primäre Werte, so doch als "cause of pleasure or cause of less of pain (Works I, Seite 206). Freilich ist es eben diese Herabwürdigung der anderen geistigen Werte außer der Lust zu lediglich sekundären Werten, was wir als durchaus unrichtig erkannt haben; unsere innere Erfahrung kennt eine Fülle anderer primärer Werte, und der Politiker, der diesen lediglich die Rolle von Nützlichkeiten zuschreiben wollte, würde in dem Bestreben, sie allezeit lediglich als Mittel zur höchstmöglichen Lustverbreitung zu behandeln, vor kulturfeindlichen Mißgriffen nicht zu bewahren sein; sofern BENTHAM - was im Großen und Ganzen zugestanden werden kann - diesem Schicksal entgangen ist, geschah dies gewiß deswegen, weil den theoretischen Vorurteilen zum Trotz ihm das natürliche Gefühl das Richtige eingab. Was nun im speziellen das Problem der gerechten Verteilung der physischen Güter anlangt, so ist nicht zu leugnen, daß Erwägungen, wie die in BENTHAMs Axiomen angestellten zu seiner Lösung mit heranzuziehen sind; manches andere wäre aber noch hinzuzufügen; so der Umstand, daß, je größer der physische Besitz ist, der sich in der Hand eines Menschen sich in der Hand eines Menschen ansammelt, desto schwieriger sich  ceteris paribus  die richtige Beurteilung des von ihm erreichbarenn Guten gestaltet, denn auf desto größere Zukunft, desto größere Entfernung und desto größere Mengen von Personen müßte sich die Erkenntnis der Folgen seiner Handlungen erstrecken; andererseits ist die Sorge für das Existenzminimum nicht nur darum von allergrößter Wichtigkeit, weil die größtmögliche Lust der größtmöglichen Zahl dessen Sicherung erheischt, sondern vornehmlich darum, weil ein sittlich freies Wirken des Individuums, das zu garantieren, ja die oberste Pflicht des Staates ist, eines gewissen Bereiches physischer Macht nicht entraten kann; der Staat hat die Erfüllung seiner Aufgabe als  Rechtsschutzanstalt  damit zu beginnen, daß er dem Recht auf eine menschenwürdige Existenz und Wirksamkeit vor allem seinen Schutz angedeihen läßt. Daß aber die auf einen Ausgleich der schroffsten Gegensätze hinzielende Tätigkeit des Staates nicht in eine Gleichmacherei ausarten darf, kann sich ebenfalls nicht lediglich auf hedonistische Erwägungen gründen, vielmehr ist zu bedenken, daß eine  gerechte  Verteilung und  gleiche  Verteilung durchaus nicht identische Begriffe sind, und daß das  aristotelische Prinzip der Würdigkeit  des zu Beteiligenden nicht außer Acht gelassen werden darf; nur wenn alle Menschen sittlich und intellektuell gleich veranlagt wären, wäre die gleiche Distribution auch die gerechte; nun sind aber die intellektuellen und moralischen Dispositionen der Menschen voneinander unermeßlich mehr verschieden als die Dispositionen für sinnliche Lust und Unlust, und wenn auch das Streben dahin gehen muß, den Kulturzustand des gesamten Volkes möglichst hoch zu heben, werden die Verschiedenheiten in Charakter und Talent dennoch nie ausgeglichen werden; nun ist aber eine ganze oder teilweise Enteignung der Unwürdigen zugunsten der Würdigen und Würdigsten undurchführbar, nicht nur wegen der von BENTHAM dargestellten, damit verbundenen Übelstände, sondern auch darum, weil auch Regierungen dem Irrtum ausgesetzt sind und zu Mißbräuchen verführt werden, weil, mit anderen Worten, nicht immer die  geistige und sittliche  Aristokratie, wie sie PLATO vorschwebte, es ist, die herrscht; weil ferner der  geistig und sittlich Tüchtige nicht regelmäßig seine Eigenschaften zu vererben imstande ist,  so daß es der Eingriffe des Staates zugunsten der Höherwertigen niemals ein Ende hätte. - Der Staat kann wohl nicht viel mehr tun, als den schlimmsten, offenkundigsten Mißbräuchen des Kapitals gesetzlich entgegentreten, die richtige Verwendung auf alle Weise fördern, und schon die in der übermäßigen Kumulierung des Kapitals gelegenen  Gefahren  des Mißbrauchs durch entsprechende Besteuerung bekämpfen; denn nicht das Eigentum, wohl aber der Mißbrauch des Eigentums (66) ist Diebstahl. Die Verteilung aber soll der Staat weniger von außen her als von Seiten der inneren Dispositionen dadurch zu einer gerechten gestalten, daß er Sorge trägt, ethische Kultur vor allem in die Herzen der Mächtigsten zu verpflanzen.
LITERATUR - Oskar Kraus, Zur Theorie des Wertes - eine Bentham Studie, Halle 1901
    Anmerkungen
    1) BENTHAM, Works IV, Codification Proposal
    2) BENTHAM, Works I, Seite 208
    3) Dieser Teil der BENTHAMschen Wertlehhre hat von modernen Werttheoretikern, so von JEVONS, Beachtung gefunden.
    4) Works III, Seite 287
    5) Vgl. Works I, Seite 16; III, Seite 287 und 214.
    6) Es ist also, was GAUSS als "conditio sine qua non" aller mathematischen Behandlung psychologischer Fragen bezeichnet, "die Verwandlung einer intensiven Größe in eine extensive" wohl möglich, da Intensität, richtig verstanden, zurückzuführen ist auf die erfüllte Extensität des angeschauten Sinnesraumes; vgl. BRENTANO, Ursprung der sittlichen Erkenntnis, Seite 28 und 96 und später im Vortrag über die Empfindung, Protokoll des 3. psychologischen Kongresses in München.
    7) Solche kommen in allen Gebieten des psychischen Lebens vor; von den Werttheoretikern ist jedoch bloß die Intensität der Lust in Betracht gezogen worden.
    8) Vgl. BRENTANO, "Das Schlechte als Gegenstand dichterischer Vorstellung", Leipzig 1892.
    9) Man beachte, daß BENTHAM schon hier den subjektiven Standpunkt verläßt.
    10) So auch FECHNER in seiner "Vorschule der Ästhetik", Seite 25
    11) Vgl. zu diesem Abschnitt Works III, Seite 214; Works IX Const. code, Artikel 10
    12) Works I, Seite 16
    13) Works IV, Seite 540.
    14) Works IV, Codific. Preposal, Seite 540. Vgl. die "Grundsätze" in der Ausgabe von BENEKE, Seite 272.
    15) Vgl. Works IV, Seite 540
    16) Vgl. hierzu FECHNER, Vorschule der Ästhetik, Seite 26. Die Rücksicht auf die Lust- und Unlustfolgen müßte, "wenn wirklich  Wert  im allgemeinsten Sinne verstanden werden soll, nicht bloß auf den eigenen Lustzustand des betreffenden Menschen, sondern den gesamten Lustzustand der Menschheit bezogen werden."
    17) Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft (Hg. ALBERT SCHÄFFLE)
    18) Vgl. BRENTANO, Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis, Anm. 50, Seite 17
    19) Nach SCHWARZ gibt es  zwei  sittliche Grundgesetze, das  eine  gebietet, das Wollen von persönlichen Eigenwerten den "zuständlichen" Eigenwerten (unter letzteren sind die Lustgefühle gemeint) vorzuziehen, und das  andere,  ausnahmslos das Wollen fremden Wertes über allen Eigenwert zu setzen; die Unrichtigkeit dieser Lehre, die offenkundig durch MEINONGs Schriften beeinflußt ist, ist unschwer einzusehen. Ihr zufolge müßte um der unbedeutendsten Erkenntnis willen jegliche Lust, ja selbst eine noch so große Freude und eine noch so große Summe von Freuden, ja selbst die "ewige Seligkeit" geopfert werden; es müßte der Wert der Erkenntnis den Wert der Lust unendlich überragen; und umgekehrt, selbst die "ewige Pein" wäre ein geringeres Übel als ein Irrtum. - Ferner: es wäre Gebot, um den Nebenmenschen etwa vor der Belästigung einer Stubenfliege zu bewahren, sich, wenn diesem Übel nicht anders zu begegnen wäre, den furchtbarsten Folterqualen auszusetzen usw. Wir glauben durch das im Text ausgeführt, einer weiteren Kritik enthoben zu sein; schon in der Abhandlung über "Strafe und Schuld" wurde betont, daß das Gebot der Aufopferung seine Grenzen findet im Gebot der Selbsterhaltung und Selbstsorge. - Was SCHWARZ und seine Vorgänger verführte, ist der Umstand, daß dem  Selbstlosen  von jedermann hohe Wertschätzung entgegengebracht wird; man schätzt in ihm einen Menschen von hervorragend allgemein-nützlichen  Dispositionen;  ceteris paribus ist ein solcher  Charakter  der Verwirklichung des ethischen Ideals förderlicher als ein minder Aufopferungsfähiger, weil er den häufigsten und gefährlichsten Versuchungen, unrichtig zu wählen, weniger unterliegt; der  selbstlose Charakter involviert  mit anderen Worten: eine weit  größere Wahrscheinlichkeit  richtig zu wählen als der egoistische; man schätzt daher dieses Subjekt, obwohl man den konkreten Wahlakt, in welchem er dem weitaus geringerem fremden Gut den Vorzug vor dem eigenen größeren einräumt, als unrichtig ganz wohl erkennt; und auch da hat diese Wertschätzung Grenzen; einen, der in der Weise des oben angeführten Beispiels vorgeht, wird jeder für unvernünftig erklären.
    20) Vgl. LAPLACE, Philosophischer Versuch über die Wahrscheinlichkeiten, Leipzig 1886, Übersetzung von SCHWAIGER.
    21) Mit dieser Definition glauben wir dem Wesen der Sache am nächsten zu kommen.
    22) Vgl. inbesondere Works I, Influence of Time and Place in matters of Legislation und die "Grundsätze" in BENEKEs Übersetzung.
    23) Works I, Seite 304 (Principle of the Civil Code)
    24) Works III, Seite 213, Pannomial fragments
    25) Works IV, Seite 535f
    26) JEVONS behandelt bloß die Lehre von der "dimension of value"; die ökonomische Werttheorie berücksichtigt sonst BENTHAMs Axiome nicht. Von den Moralphilosphen ist WUNDT in seiner "Ethik" auf die im folgenden behandelte Verwandtschaft eines der BENTHAMschen "Axiome" mit dem sogenannten "Bernouillischen Gesetz" aufmerksam geworden.
    27) Wealth, considered as arising at successive periods is called  income.  Works III, Seite 36 Manual of Political Economy. - BENTHAM hat wie BERNOUILLI das Einkommen im Auge; vgl. LAPLACE, a. a. O. Seite 31 und MARSHALL, Political economy, Seite 211
    28) Vgl. WUNDT, Ethik, Seite 337
    29) F. A. LANGE, Zur Arbeiterfrage, Seite 115
    30) BERNOUILLI, a. a. O. Seite 114
    31) Vgl. hierzu FECHNERs Schriften.
    32) Vgl. LAPLACE a. a. O.
    33) FECHNER, Elemente der Psychophysik I, Seite 236 und II Seite 549.
    34) Vgl. F. A. LANGE, Arbeiterfrage, Seite 144 - 147 und Seite 114; ferner KNUT WICKSELL zur Verteidigung der Grenznutzenlehre in der Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 1900, Seite 580: "Die Fortschritte der Psychophysik sind vielmehr in dieser Richtung versprechend genug; das bekannte Fechnersche psychophysische Gesetz - zuerst, wenn ich nicht irre von H. E. Weber für Druckempfindungen aufgestellt - nach welchem das Minimum distinguible, also die gerade noch wahrnehmbare Veränderung eines Sinneseindrucks innerhalb gewisser Grenzen stets dieselbe Quote der jeweiligen Stärke des Reizmittels erfordert, bildet in der Tat ein Art Bestätigung der schon früher von DANIEL BERNOUILLI und LAPLACE angestellten Spekulationen über die Fortune morale in ihrem Verhältnis zur Fortune physique". Vgl. auch ÜBERWEG, Geschichte der Philosophie, Bd. III, Literatur bei der Würdigung FECHNERs.
    35) Die Frage, für welche Sinnesgebiete das Webersche Gesetz von seinen Vertretern selbst eingeschränkt wird, ist hier irrelevant; es wird andererseits nicht nur von der  Intensitätszunahme  behauptet; auch davon sehen wir ab, weil es für unsere Fragen keinen Belang hat.
    36) Reiz wird von FECHNER definiert als  äußeres  Anregungsmittel". In Sachen der Psychophysik, Leipzig, 1877, Seite 3; vgl. Elemente der Psychophysik, Seite 17
    37) Vgl. ELIAS MÜLLER, Zur Grundlegung der Psychophysik, Seite 225: "Die großen Erwartungen, die man betreffs des Umfangs der Gültigkeit des  Weberschen Gesetzes  gehegt hat, haben sich also nur wenig bestätigt. Nach allem macht es den Eindruck, als besitze dieses Gesetz nur auf dem Gebiet des Gesichtssinns, Muskelsinns und vielleicht auch des Gehörsinns eine gewisse Gültigkeit. Aber auch in diesen Sinnesgebieten ist das Webersche Gesetz nur innerhalb eines gewissen Bereiches mittlerer Reizintensitäten und selbst innerhalb dieser Grenzen nur mit mehr oder weniger Annäherung gültig.
    38) ELIAS MÜLLER sagt in seiner "Grundlegung ..." Seite 382: "Es erhebt sich nun die äußerst wichtige Frage, inwiewiet eigentlich die soeben angeführte Voraussetzung  der gleichen Größe gleich merklicher Empfindungszuwächse eine wirklich erwiesene  oder erweisbare ist. Sämtliche Auffassungen des Weberschen Gesetzes, welche die Richtigkeit der korrigierten Maßformel annehmen, vor allem auch FECHNERs Auffassung, fußen auf dieser Voraussetzung als eine unrichtige darzutun. Auf diese Versuche und überhaupt auf die Frage, inwieweit jene Voraussetzung eine erweisbare ist, gehen wir im Folgenden kurz ein". Hieran schließt sich die Erörterung des BRENTANO'schen Bedenkens. Auffallend ist es, daß ÜBERWEG in seiner "Geschichte der Philosophie" (7. Auflage, hg. von HEINZE) unter jenen Forschern, die dem Fechnerschen Gesetz Bedenken entgegensetzten, gerade BRENTANOs Bedenken nicht erwähnt, obwohl dessen Einwand nach FECHNERs eigenen Ausspruch der fundamentalste ist.
    39) Vgl. FECHNER, "In Sachen der Psychophysik", Seite 45; E. MÜLLER a. a. O., Seite 120, 227, 389br> 40) FECHNER, In Sachen, Seite 45, 46.
    41) ELIAS MÜLLER, der die Kritik BRENTANOs, sofern sie leugnet, daß eben merkliche Zuwächse gleich große Zuwächse sind, akzeptiert, bestreitet die Richtigkeit des von BRENTANO dem Fechnerschen substituierten Gesetzes; ich habe im Text den Gedanken BRENTANOs so dargestellt, daß für einen Teil der Einwände MÜLLERs kein Angriffspunkt übrig bleibt; auf den anderen Teil der Einwände, der sich auf die wohl zu bezweifelnde Ansicht stützt, daß es sich beim Augenmaß und dessen Schätzungen vorzugsweise oder lediglich um Intensitätsunterschiede der Muskelempfindungen des Auges handelt, glaube ich hier nicht eingehen zu müssen. Für unsere Untersuchung ist ja in erster Linie nur der BRENTANOsche Nachweis von Belang, daß eine Intensitätsmessung nach FECHNERs Methode nicht möglich oder wenigstens nicht bewiesen ist. - Hier sei noch Folgendes bemerkt: BRENTANO wollte sein Gesetz nur dem Fechnerschen, wie es sich aus der Verwechslung von "gleichmerklich" und "gleich" ergeben hatte,  substituieren;  innerhalb der Grenzen, in welchen jenes aufgrund der Tatsachen des Weberschen Gesetzes wahr schien, meinte er, müsse vielmehr das seine als wahr angenommen werden und insofern nicht jenes  genau  wahr  schien,  hat er auch für das seine keine Genauigkeit in Anspruch nehmen wollen. Es ist also das von BRENTANO befürwortete Gesetz nur in dem Umfang und Maß, in welchem Fechners Gesetz  scheinbar  gültig ist, für wirklich gültig zu halten. - Daß BRENTANO die "Tatsache der Schwelle" nicht übersehen hat, wie FECHNER (In Sachen der Psychophysik, Seite 90 und 94) ihm vorwirft, geht schon aus BRENTANOs "Psychologie", Seite 153 und 157 hervor. Vgl. auch "Protokolle des III. psychischen Kongresses, Seite 116 und die 3 Abhandlungen über das optische Paradoxon in der "Zeitschrift für Physiologie und Psychologie der Sinnesorgane". Nach BRENTANO existiert für die Empfindung ein unterstes Minimum und ein oberstes Maximum, während der Reiz in infinitum abnehmen und wachsen kann.
    42) Unter der Überschrift "Prinzip der Summierung, Übung, Abstumpfung, Gewöhnung, Übersättigung" a. a. O. Seite 240: "Jeder Reiz bedarf einer gewissen Dauer der Einwirkung, ehe seine Wirkung überhaupt spürbar wird . . . auch nimmt der Eindruck selbst bei kontinuierlich gleichbleibenden Reize bis zu gewissen Grenzen, welche wir als die der  aufsteigenden Wirkung  bezeichnen können, mit der Dauer der Wirkung zu. Die damit erreichbare höchste Stärke des Eindrucks nennen wir kurz dessen  volle Stärke.  Wird die Einwirkung des Reizes in der Periode des Aufsteigens, . . . unterbrochen, um später von neuem zu beginnen, so überträgt sich eine Nachwirkung davon auf die zweite Wirkung und verkürzt die Periode des Aufsteigens dabei, falls beide Wirkungen nicht zu weit in der Zeit auseinander liegen und die Nachwirkung der ersten Wirkung nicht durch zwischenfallende Wirkungen aufgehoben wird. In vielen Fällen aber kann sich die Epoche des Aufsteigens der Wirkung in einen so kurzen Moment zusammenziehen, daß gleich der erste Eindruck als der stärkste erscheint; daher man häufig sogar geneigt ist, Frische und Stärke des Eindrucks für solidarisch zu halten, was doch nicht allgemein, und in aller Strenge sogar nirgends, als richtig gelten kann . . . Ja, es gibt Fälle, wo es einer längeren Fortsetzung oder öfteren Wiederholung des Reizes oder einer Übung in der Auffassung desselben bedarf, um den Eindruck zur vollen Stärke zu bringen." - Namentlich sei dies bei feinen und höheren Eindrücken der Fall, ein Umstand, den schon GOSSEN konstatiert hat (Seite 7 seines Werkes über die "Gesetze des menschlichen Verkehrs"). "Es läßt sich jedoch der ästhetische, gleichviel ob niedere oder höhere Eindruck durch Verlängerung oder Wiederholung seiner äußeren Ursache, kurz des Reizes, nie über gewisse Grenzen steigern. Fährt vielmehr der Reiz nach Eintritt der vollen Stärke seiner Wirkung fort, in derselben oder einer ähnliche Art einzuwirken oder sich zu wiederholen, und hat sich nicht etwa durch eine längere Zwischenzeit die ursprüngliche Empfänglichkeit merklich wiederhergestellt, so mindert sich der Eindruck, was man als Sache einer  Abstumpfung  der Empfänglichkeit bezeichnet, die umso eher und stärker eintritt je andauernder und öfter und in je größerer Stärke der Eindruck erfolgt ist."
    43) FECHNER, Vorschule der Ästhetik, Seite 13
    44) FECHNER ist so weit gegangen, dem Geld die Stelle des Reizes einzuräumen; daß dies, wenn nicht etwa an gewisse physische Eigenschaften des Geldes als Schwere, Glanz, Klang und die dadurch hervorgerufenen Empfindungen gedacht wird, unzulässig ist, leuchtet ein; wir machen die de Gegner günstigste Annahme, wenn wir einräumen, daß ein Multiplum [Mehrfaches - wp] des Geldes ein gleiches Multiplum von Reizen zu beschaffen vermag; man kann dies für alle Fälle bestreiten und so die Position des Gegners noch schwächer gestalten.
    45) Vgl. BRENTANOs "Psychologie".
    46) Man sieht, daß BENTHAM die "Theorie des Glücks" bereits so weit geführt hatte als später PIDERIT und LANGE.
    47) Nicht notwendig jene, die sie  faktisch  erleben; vgl. SCHOPENHAUER, "Welt als Wille und Vorstellung", 4. Buch; wir brauchen wohl nicht zu betonen, daß wir seiner Meinung, nur der Schmerz sei "positiv", alles Glück nur "negativ" nicht beipflichten.
    48) It is the pleasure of aquiring and not the satisfaction of possessing, which is productive of the greatest enjoyment. The first ist a lively sensation, sharpened by desire an previous privations, the other is a feeble sentiment  formed by habit, unenlived by contrast and borrowing nothing from imagination.  [Es ist die Freude am Verfolgen und nicht die Genugtuung des Besitzes, die am produktivsten für den größten Genuß ist. Das erste ist eine lebendige Empfindung, geschärft von der Begierde und vorherigen Entbehrungen, das andere ist nur ein schwaches Gefühl, durch Gewohnheit gebildet, nicht durch Gegensatz inspiriert und ohne Anleihen bei der Phantasie. -wp] (Works I, Seite 305)
    49) Vgl. hierzu LANGE, Arbeiterfrage, Seite 117 und dem dort zitierten PIDERIT "Theorie des Glücks".
    50) GOSSEN, a. a. O. Seite 47
    50) 51) GOSSEN, a. a. O. Seite 5: Dem Künstler, dem der Genuß eines neuen Kunstwerkes gewährt wird, wird dasselbe in dem Augenblick, in welchem er es lange genug betrachtet hat, um alle Einzelheiten desselben genau aufzufassen, den größten Genuß gewähren. Dieser Genuß wird bei fortgesetzter Betrachtung fortwährend sinken, und über kürzere oder längere Zeit, verschieden je nach dem Gegenstand und dem Menschen, wird er müde werden, es wird Sättigung eintreten auch dann, wenn er dabei noch aufgeregt bleibt, andere Genüssen mitzumachen, ja selbst sich noch an anderen Kunstwerken ähnlicher Art zu erfreuen. Tritt dann später, wieder verschieden je nach dem Gegenstand und dem Menschen nach kürzerer oder längerer Zeit das Verlangen nach Wiederholung des Genusses ein, so wird er, wegen der früher erlangten Kenntnis des Kunstwerkes, in kürzerer Zeit den Höhepunkt des Genusses erreichen, aber dieser Punkt wird umso weniger die Höhe wie beim ersten Mal erreichen, je öfter und in je kürzeren Zeiträumen die Wiederholung stattgefunden hat, und auch beim wiederholten Genießen des Werkes wird die fortgesetzte Betrachtung wieder ein fortgesetztes Sinken des Genusses bis zur Sättigung mit sich bringen, und die Sättigung selbst auch umso  eher  eintreten, je öfter und in je kürzeren Zeiträumen die Wiederholung vorgenommen worden ist.
    52) GOSSEN, a. a. O. Seite 6: Und nicht bloß bei diesen sogenannten geistigen Genüssen, auch bei den materiellen Genüssen findet dieses Sinken des Genusses nach ähnlichen Gesetzen statt. Wer mit einer einzigen Speise seinen Hunger stillt, dem wird der erste Bissen am besten schmecken; schon weniger gut der zweite, noch weniger der dritte usw. bis es ihm bei fast eingetretener Sättigung auch fast gleichgültig geworden sein wird, ob er diesen letzten Bissen noch zu sich nimmt oder nicht. Aber auch, daß bei der Wiederholung der Sättigung durch dieselbe Speise ein Sinken des Genusses und eine Verminderung der Quantität des Genossenen eintritt, der Verkürzung der Zeitdauer bei geistigen Genüssen entsprechend, sehen wir durch die Erfahrung unzweideutig bestätigt.
    53) Vgl. WIESER, Der natürliche Wert, Seite 5: "Wer eine gewisse Menge von Nahrungsmitteln zu sich genommen hat, verlangt unmittelbar nachher eben dieselbe Menge nicht mit gleicher Stärke." Dieser Satz ist richtig, wenn er von einer Menge ausgesagt wird, die eben schon so groß  gewählt  ist, daß infolge der von ihr beseitigten Intensität des Hungergefühls der Wert ihrer Verwendung höher ist als die jeder folgeden gleich großen Quantität.
    54) MENGER, a. a. O. Seite 92
    55) GOSSEN, a. a. O. Seite 5 und 6
    56) FECHNER, Vorschule der Ästhetik: "Bei einer im Verhältnis zur Dauer hinreichend starken Einwirkung, oder im Verhältnis zur Stärke hinreichenden Dauer oder Wiederholung der Wirkung eines Lust- oder Unlustreizes kann die Schwächung der anfänglichen Wirkung selbst bis zum Umschlag in den Gegensatz gehen (Übersättigung, Ekel)". 57) Die Entwicklung der Wahrscheinlichkeitstheorie und ihrer Anwendungen, VII. Band der Jahresberichte der deutschen Mathematiker-Vereinigung, Seite 111f
    57) HEGEL, Logik, ebd. Seite 209
    58) F. A. LANGE, Arbeiterfrage, Seite 127
    59) BENTHAM, Works III, Seite 230
    60) BENTHAM, Const. code IX 14, Codification proposal IV, Seite 541
    61) Principle of the civil code, Works I, Seite 316
    62) Grundsätze, BENEKEs Ausgabe, 1. Teil
    63) Works I, Seite 371f
    64) Vgl. Tracts on Poor Laws
    65) Vgl. zum Beispiel Notdurft, "Zur Lehre vom steuerfreien Existenzminimum", Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Jahrgang 57, Seite 137, dann den betreffenden Artikel im Staatswörterbuch.
    66) Vgl. meinen Vortrag "Die Kulturaufgabe der Gegenwart", Prag 1898, Deutscher Verein zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse.