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(1753–1800) Über die ersten Gründe des Naturrechts
Einleitung Ich habe in einem Aufsatz (Berliner Monatsschrift, Nov. 1794) eine neue, von der kantischen verschiedene, zum Gebrauch bequemere Formel des Moralprinzips aufgestellt, die sich auf eine neue, von der seinigen verschiedene Deduktion desselben gründet. Diese Deduktion ist in kurzem folgende: Nun gehe ich sogleich zum Naturrecht über, das ich rein, sowohl von der Moral auf der einen, als vom positiven Recht auf der anderen Seite getrennt, abhandle. Das Naturrecht ist die Wissenschaft von den, durch das Moralgesetz a priori bestimmten, notwendigen und allgemeingültigen scheinbaren Ausnahmen von demselben. Diese scheinbaren Ausnahmen werden, durch das Moralgesetz, entweder als Bedingungen seines möglichen Gebrauchs, oder als indirekte Folgen aus demselben, bestimmt. Jene sind die, als Grundlage des Naturrechts, a priori gedachten Naturgesetze (in moralischer Bedeutung); diese aber die, aus diesen Grundsätzen hergeleiteten Lehrsätze des gesamten Naturrechts. Was dadurch zum Zweck einer Person bestimmt wird, ist ein Naturrecht für dieselbe. Die neuerer Rechtslehrer erklären das Naturrecht als die Wissenschaft von den äußeren Zwangsrechten. Diese Erklärung aber ist bloß eine Nominal- und keine Real erklärung; weil man aus derselben nicht die Entstehungsart, ja nicht einmal die Möglichkeit eines solchen Rechtes einsehen kann. Äußerer Zwang, ansich betrachtet, ist dem Moralgesetz zuwider. Dieses gebietet die Allgemeingültigkeit des Willens. Jenes hingegen gibt dem Zwingenden die Befugnis, seinen eigenen Willen, ungeachtet daß der Wille des zu Zwingenden demselben entgegen ist, in Ausübung zu bringen. Die von mir gegebene Erklärung hingegen ist allerdings eine Realerklärung, indem sie die Entstehungsart des Naturrechts aus dem Moralgesetz entweder als Bedingung seines möglichen Gebrauchs, oder als indirekte Folge aus demselben angibt. Das Recht, dasjenige, was noch niemandem angehört, als Eigentum in Besitz zu nehmen, ist so wenig eine direkte wie indirekte Folge aus dem Moralgesetz. Dieses gebietet so wenig dem CAJUS, diese Sache in Besitz zu nehmen, als es dem TITIUS, wenn er sie gleichfalls in Besitz nehmen will, es verbietet, so, daß dadurch dem CAJUS auf eine indirekte Art ein Recht entspränge. Aber ein solches Recht ist doch, als Bedingung vom möglichen Gebrauch des Moralgesetzes, notwendig. Denn gäbe es eine solches Recht für CAJUS nicht, so könnte auch TITIUS keine Pflichten in Bezug auf denselben haben, dieses Recht nicht zu verletzen. Die Moral hätte alsdann gar keinen Gebrauch. Die Befugnis des CAJUS, hierin seinen eigenen Willen, auch wider den Willen des Titius, durch die Hilfe seiner physischen Kräfte, in Ausübung zu bringen, ist also eine, als Bedingung vom möglichen Gebrauch des Moralgesetzes notwendige Ausnahme von demselben. Ist hingegen CAJUS schon im Besitz der Sache, so hat er die Befugnis, dem TITIUS, der es für sich in Besitz nehmen will, durch die Hilfe seiner physischen Kräfte zu widerstehen; da hingegen dieser, vermöge des Moralgesetzes, jenem nicht widerstehen darf. Hier wird gleichfalls zum Zweck des CAJUS eine Ausnahme vom Moralgesetz gemacht, die aber eine indirekte Folge aus demselben ist. Des TITIUS Wille wird direkt aus dem Moralgesetz als unrechtmäßig bestimmt, woraus der, diesem entgegengesetzten Willen des CAJUS indirekt, als rechtmäßig bestimmt wird. Obgleich meine Erklärung allgemein ist, indem sie die beiden Arten des Naturrechts in sich faßt, so sind diese beiden voneinander doch sehr verschieden. Die erste Art ist zwar, als Bedingung vom möglichen Gebrauch des Moralgesetzes überhaupt, notwendig. Sie bestimmt aber nichts Positives in Anbetracht der als Subjekt dieses Rechts gegebenen Person. CAJUS will ein gewisses Objekt A in Besitz nehmen. TITIUS will es gleichfalls für sich in Besitz nehmen. Zufolge des Moralgesetzes, das eine Allgemeingültigkeit des Willens fordert, dürfte es also keiner von beiden in Besitz nehmen. Aber ebensowenig dürfte es irgendein anderer in Besitz nehmen, weil sein Wille beider Willen entgegen ist. Gleichwohl muß es einer derselben in Besitz nehmen können, weil der allgemeine Wille unmöglich sein kann, daß es niemand in Besitz nehmen soll. Ein jeder dieser Willen, ohne eine Kollision gedacht, ist durch das Moralgesetz, als etwas Positivem (moralisch Mögliches) bestimmt. In einer Kollision gedacht aber heben einander ihre (moralischen) Wirkungen wechselseitig auf. Es bleibt mithin hier keine positive moralische Bestimmung (kein positives Recht) übrig. Die Handlung muß also durch etwas außerhalb des Moralgesetzes liegendes (durch eine physische Übermacht) auf eine positive Art bestimmt werden. Nach dem Moralgesetz haben alle ein gleiches Recht auf die Besitznahme der Sache, d. h. keiner derselben tut unrecht, wenn er es in Besitz nehmen will. Aber eben darum hat keiner derselben ein entscheidendes Recht vor dem anderen. Physische Stärke muß also hier entscheiden. Die zweite Art hingegen bestimmt in der Tat ein positives, in Bezug auf das Subjekt, moralisch entscheidendes Recht. CAJUS hat nach der ersten Art des Naturrechts das Objekt A in Besitz genommen. Da nun TITIUS zur Zeit noch seinen Willen, es in Besitz zu nehmen, nicht geäußert hatte, so konnte der Wille des CAJUS als allgemeingültig, folglich moralisch als möglich gedacht werden. Jetzt aber will TITIUS dieses Objekt für sich in Besitz nehmen. Da nun diesem Willen der rechtmäßige Wille des CAJUS entgegen ist, so ist der Wille des TITIUS unrechtmäßig, folglich moralisch unmöglich: CAJUS hat also ein, durch das Moralgesetz bestimmtes positives Recht, dem TITIUS, mit Hilfe physischer Kräfte, zu widerstehen, und TITIUS eine positive Pflicht, dem CAJUS nicht zu widerstehen. Des TITIUS Wille, dem CAJUS zu widerstehen, ist, moralisch betrachtet, ein Minus. Folglich ist der, diesem entgegengesetzten Willen des CAJUS ein Minus Minus (Negation einer Negation) welches immer ein Positives ist. Gesetz aber beide wollen zugleich eben dieselbe Sache in Besitz nehmen, so ist, wie schon bemerkt worden, der Wille, eines jeden legal; ein jeder hat also ein gleiches negatives Recht (nicht Unrecht) auf diese Sache; physische Stärke muß also hier deren Besitz entscheiden. Laßt uns nun setzen, dieselbe entscheide für CAJUS, so behaupte ich, daß, im Naturzustand, TITIUS, bei veränderten Umständen, und zunehmender physischer Stärke, dieses Recht dem CAJUS aufs Neue streitig machen kann, weil physische Stärke etwas zufälliges, dem Moralgesetz fremdartiges ist, das mit den Umständen sich verändern, heute für CAJUS und morgen für TITIUS entscheiden kann. Der Stärkere hat dadurch keinen Zuwachs seines Rechts, so wie der Schwächere keine Abnahme desselben erhalten. Die Entscheidung betrifft bloß den gegenwärtigen Genuß der Sache. Soll aber die Entscheidung eine Entscheidung des Rechts sein, so müssen die streitenden Parteien hierüber eine Konvention treffen. - Dies wird in der Folge näher erörtert werden. Die Moral, sowie das Naturrecht, haben den Willen eines vernünftig-sinnlichen Wesens zum Gegenstand. Nur daß die Moral bloß das Vernünftige, allen vernünftigen Wesen gemeinschaftliche; das Naturrecht aber das sinnlich Individuelle dieses Willens betrachtet, das als Bedingung der möglichen Darstellung von jenem, demselben vorausgesetzt, und unter seine Gesetze subsumiert werden muß. - Der Form der Modalität nach - Es gibt dreierlei Arten von Naturrecht:
2) ein assertorisches und 3) ein problematisches Ich habe das Recht, von meinem Schuldner die Schuld abzufordern, weil dieser verpflichtet ist, sie zu bezahlen. Dies ist also ein apodiktisches Recht, weil demselben eine moralische Notwendigkeit zugrunde liegt. Ich habe das Recht, mich einer Sache, die noch niemandem gehört, zu meinem Gebrauch zu bemächtigen, bloß weil ich es will, und kein anderer sie zu seinem Gebrauch verlangt. Dies ist ein assertorisches Recht, indem es bloß die Wirklichkeit meines Willens voraussetzt. Ich habe das Recht, etwas, was noch niemandem gehört, mir zuzueignen, obgleich auch ein anderer sich dasselbe zueignen will. Dieses Recht ist problematisch, weil diese beiden einander entgegengesetzten Willen gleich (moralisch) möglich, aber aus eben dem Grund keiner derselben mit Ausschließung des anderen, moralisch wirklich sein kann. Aus diesen drei Begriffen des Naturrechts folgen unmittelbar dreierlei Grundsätze desselben, welche dreierlei Abteilungen des Naturrechts unter sich begreifen.
Wenn der Wille des CAJUS nicht nur als allgemeingültig gedacht werden kann (indem noch kein anderer einen, diesem entgegengesetzten Willen geäußert hat) sondern auch (indem kein anderer einen, diesem entgegengesetzten Willen äußern darf) als allgemeingültig gedacht werden muß; der Wille des TITIUS aber diesem Willen entgegen, und folglich nicht allgemeingültig ist: so hat CAJUS das Recht, seinen Willen, auch wider den Willen des TITIUS, in Ausübung zu bringen. - Grundsatz des assertorischen Naturrechts - Wenn CAJUS seinen Willen geäußert hat, ein Objekt als Mittel zu seinen beliebigen Zwecken zu gebrauchen, und kein anderer außer ihm einen gleichen, und folglich (unter der Vorausetzung, daß nur Einer dieses Objekt gebrauchen kann) diesem entgegengesetzten Willen, dieses Objekt als Mittel zu seinen beliebigen Zwecken zu gebrauchen, geäußert hat; so kann der Wille des CAJUS als allgemeingültig gedacht werden, und er hat das Recht, diesen Willen, auch wieder den nachher geäußerten, diesem entgegengesetzten Willen eines jeden anderen in Ausübung zu bringen. - Grundsatz des problemantischen Naturrechts - Wenn sowohl CAJUS als auch TITIUS zugleich den Willen äußern, ein Objekt als Mittel zu ihren beliebigen Zwecken zu gebrauchen: so hat ein jeder das Recht, seinen WIllen, auch gegen den, diesem entgegengesetzten Willen des anderen, in Ausübung zu bringen. Niemand braucht z. B. erst ausdrücklich zu äußeren, daß er seine Gliedmaßen, Organe, Kräfte usw. mit Ausschließung anderer für sich brauchen will. Er hat daher das Recht, dem Willen eines jeden zu widerstehen, der diesem seinem Willen entgegen ist. - nach den verschiedenen Arten des Zwangs - Das Zwangsrecht kann eingeteilt werden
b) das Recht, einem unrechtmäßigen Angriff dadurch zu widerstehen, daß man den Angreifer selbst angreift; c) das Recht, einem so wenig rechtmäßigen wie unrechtmäßigen, sondern bloß legalen Angriff zu widerstehen. Es ist erlaubt, sich auf eine solche Art zu verteidigen, daß man bloß dem unrechtmäßigen Angreifer widersteht, ohne ihm selbst ein Übel zuzufügen. Beweis. - Wer auf eine unrechtmäßige Art einen anderen angreift, handelt dem Moralprinzip zuwider, weil der Wille des Anzugreifenden dem Willen des Angreifenden entgegen, folglich dieser nicht allgemeingültig ist. Der Angreifende hebt also die durch das Moralgesetz bestimmte Gemeinschaft des Willens (in Bezug auf die dadurch bestimmte Wechselwirkung aufeinander) auf. Der Anzugreifende ist mithin dadurch von der, durch das Moralgesetz bestimmten Bedingung der Übereinstimmung seines Willens mit dem Willen des Angreifers, freigesprochen, und er darf also, durch die Hilfe seiner physischen Kräfte, dem Willen von diesem widerstehen. Dieser Beweis gilt für die beiden ersten Fälle. Denn, wenn CAJUS unrechtmäßig den TITIUS angreift, so hat dieser das Recht, der Handlung von jenem zu widerstehen, durch alle möglichen Mittel die er in Händen hat. Ist nun ein Gegenangriff auf das Eigentum oder selbst die Person des Angreifers das sicherste Mittel dazu, so kann der Anzugreifende sich dessen mit allem Recht bedienen. Die Beurteilung aber: ob dieses das sicherste Mittel dazu sei, und ob es nicht vielleicht ein anderes Mittel gibt, dem Angriff zu widerstehen, ohne selbst anzugreifen, gehört für den Anzugreifenden. Wenn sowohl eine Handlung, wie auch die ihr entgegengesetzte Handlung (die Unterlassung derselben) wider das Moralgesetz laufen muß, so hat das Subjekt die Freiheit, zwischen beiden, einander entgegengesetzten, dem Moralgesetz zuwiderlaufenden Handlungen zu wählen. Dies ist das sogenannte Notrecht. Die Naturrechtslehrer sprechem vom Notrecht als von einem Recht, im Fall der physischen Not, wider das Moralgesetz handeln zu dürfen. Sie verstehen also unter Not einen physischen unwiderstehlichen Trieb, z. B. das Leben zu erhalten. Dies ist aber unrichtig. Das Moralgesetz ist ein kategorischer Imperativ, dem in keinem Fall zuwidergehandelt werden darf, die physische Not mag auch noch so groß sein. Nach meiner Erklärung hingegen ist das Notrecht ein Recht, für den Fall daß die moralische Nötigung sich selbst aufhebt, und also zwei einander entgegengesetzte Handlungen moralisch möglich, d. h. legal macht, zwischen beiden entgegengesetzten Handlungen zu wählen. Man übt also bloß aus dem Grund eine unmoralische Handlung aus, weil die ihr entgegengesetzte Handlung gleichfalls unmoralische sein würde, eine derselben aber doch ausgeübt werden muß. Bemächtigen sich CAJUS und TITIUS z. B. im Schiffbruch eines Bretts, das nur Einen tragen kann: so hat ein jeder derselben das Recht, das Brett durch die Hilfe seiner physischen Kräfte zu seiner eigenen Rettung zu gebrauchen, und den andern davon zurückzuhalten, sollte dies auch nicht anders als dadurch geschehen können, daß er den andern mit Gewalt ins Wasser stößt, weil sich hier das Moralgesetzt selbst aufhebt. CAJUS darf den TITIUS nicht ins Wasser stoßen, weil dieser Wille des CAJUS, indem er dem Willen des TITIUS entgegen ist, nicht als allgemeingültig gedacht werden kann. TITIUS darf aus demselben Grund ebensowenig den CAJUS ins Wasser stoßen. Was soll nun zufolge des Moralgesetzes geschehen? Etwa, daß beide zugleich ertrinken? Kann dieser Wille allgemeingültig sein? Allgemeingültig heißt (in Bezug auf die Personen) das, was beide wollen. Hier aber wird es gerade dasjenige sein, was beide nicht wollen, weil ein jeder derselben sein Leben erhalten will. (1) Ein jeder Mensch hat das Recht, eine Sache, die nur Einer gebrauchen kann, zu seinem eigenen Gebrauch mit Ausschließung anderer zu wollen, unter der Bedingung, daß nicht ein anderer schon vorher geäußert hat, daß er es zu seinem Gebrauch haben will. Das dem (als Eigentum) Besitzen vorhergehenden Ergreifen ist nicht als ein wesentlicher Bestandteil des Eigentumsrechts anzusehen, sondern bloß als eine besondere Art, den Willen zu äußern, an deren Statt auch jede andere Art subsituiert werden kann. (2) Das Eigentumsrecht ist nicht nur ein durch das Moralgesetz bestimmtes Recht ansich, sondern auch eine Bedingung des moralischen Rechts, und gilt also vor aller Konvention, auch im Naturzustand. Gäbe es kein Eigentum, d. h. etwas, das durch die bloße Äußerung des Willens bestimmt wird, so könnte es bloß eine negative, nicht aber eine positive Allgemeingültigkeit des Willens geben. Da nun aber die ganze Moral auf der positiven Allgemeingültigkeit des Willens beruth, so sieht man hieraus, wie das Eigentums recht als notwendige Bedingung der ganzen Moral gedacht werden muß. Daß ich mich am Eigentum eines anderen nicht vergreifen darf, und dieser damit das Recht hat, mir einen solchen Eingriff zu verwehren, setzt schon bei diesem das Recht, ein Eigentum zu erwerben, voraus. Erklärung. - Konvention ist eine wechselseitige übereinstimmende Willenserklärung zwischen verschiedenen Personen. Im engeren Sinne ist Konvention eine wechselseitige Willenserklärung zwischen verschiedenen Personen, ihre Rechte miteinander zu vertauschen. In der ersten Bedeutung ist nicht nur tauschen, kaufen und verkaufen, sondern auch schenken, eine Konvention. In der zweiten aber, kann das letzte nicht Konvention heißen; weil beim Schenken kein Tausch der Rechte anzutreffen ist. I. Lehrsatz. - Eine Konvention muß entweder durch eine andere Konvention zwischen denselben Personen aufgehoben, oder in Erfüllung gebracht werden. Beweis. - Eine Konvention ist die Äußerung des, den übereinkommenden Personen gemeinschaftlichen Willens. Da nun dieser gemeinschaftliche Wille keinem rechtmäßigen Willen irgendeines Dritten entgegen ist, so ist er allgemeingültig, folglich rechtmäßig. Er kann also nicht einseitig, durch die Äußerung des veränderten Willens der einen Person, aufgehoben werden, weil dieser Wille, da er dem rechtmäßigen Willen der anderen Person entgegen ist, nicht allgemeingültig, folglich nicht rechtmäßig sein kann. Die Konvention muß also entweder durch eine andere Konvention zwischen eben denselben Personen aufgehoben, oder in Erfüllung gebracht werden (3). 2. Lehrsatz. - Ein auf die Zukunft getanes Versprechen muß entweder durch die Übereistimmung beider Personen aufgehoben, oder in Erfüllung gebracht werden. Beweis. - Wenn CAJUS zu TITIUS sagt: ich will dir morgen dieses oder jenes schenken, so kann dies keine andere Bedeutung haben, als: ich schenke dir dieses oder jenes gleich, unter der Bedingung, daß du es erst morgen in Besitz nehmen, oder nach deinem Willen gebrauchen sollst. Denn was soll es sonst heißen? Es kann nicht heißen: ich werde (morgen) wollen schenken; denn woher kann er es mit Gewißheit vorhersehen? Es kann auch nicht heißen: ich will (morgen) wollen schenken; denn dies ist ungereimt. Man will handeln, man kann aber nicht wollen wollen. Soll es heißen: wenn die Motive, die ich jetzt habe, dir zu schenken, bis morgen unverändert bleiben werden, so werde ich dir morgen schenken: so müßte er sich nicht kategorisch, sondern hypothetisch, mit dem Ausdruck der Bedingung, so äußern: Wenn - so -; oder, ohne die Bedingung bestimmt auszudrücken: vielleicht werde ich dir morgen schenken. Es kann also keine andere Bedeutung, als die erste haben. Die versprochene Sache ist gleich nach dem Versprechen das Eigentum des TITIUS, obgleich er sie erst morgen gebrauchen darf. Diese Konvention muß also, wie eine jede andere, entweder durch die Übereinstimmung beider Personen aufgehoben, oder in Erfüllung gebracht werden. 3. Lehrsatz. - Wenn CAJUS dem TITIUS ein Ding A und TITIUS dem CAJUS ein Ding B versprochen hat, ohne daß das eine Versprechen zur Bedingung des anderen gemacht worden ist, so muß, wenn auch einer derselben sein Versprechen nicht halten will, dennoch der andere sein Versprechen halten. Ist hingegen das eine Versprechen Bedingung des anderen, so braucht der eine sein Versprechen nicht zu halten, wenn der andere das seinige nicht halten will. Beweis. - Ein Unrecht rechtfertigt nicht ein anderes Unrecht. Derjenige, der Unrecht tut, trennt nur in Rücksicht auf diese Handlung seinen Willen vom Willen desjenigen, dem er dieses Unrecht tut. Dieser hat also bloß im Hinblick auf diese Handlung ein Zwangsrecht, d. h. ein Recht, seinen Willen vom Willen des andern zu trennen, nicht aber im Hinblick auf irgendeine andere Handlung. CAJUS hat dem TITIUS, und dieser wiederum jenem etwas, ohne daß das eine Versprechen die Bedingung des anderen war, versprochen. Sie sind beide verpflichtet, ihr wechselseitiges Versprechen in Erfüllung zu bringen. CAJUS will sein Versprechen nicht halten; er handelt also hierin unmoralisch, und TITIUS hat das Recht, seinem Willen hierin zu widerstehen, d. h. ihn zu dieser Handlung zu zwingen. TITIUS ist aber deswegen noch nicht berechtigt, sein Versprechen, das er dem CAJUS gegeben hat, gleichfalls nicht zu halten: weil, in Anbetracht dieses Versprechens, der Wille des CAJUS rechtmäßig ist, von dem sich des TITIUS Wille nicht trennen darf. Da nun beide wechselseitig aufeinander ein Zwangsrecht haben, das sich auf eben dasselbe Objekt bezieht; (CAJUS hat das Recht, den TITIUS zur Erfüllung seines Versprechens zu zwingen, und TITIUS hat das Recht, dem Zwang des CAJUS zu widerstehen): so heben sich ihre Rechte gegeneinander auf. TITIUS kann also allen Zwang gebrauchen, nur nicht den, durch die Vorenthaltung des Rechts, das CAJUS hat, diesen zur Erfüllung seines Versprechens zu zwingen. Ist hingegen das eine Versprechen zur Bedingung des anderen gemacht, so hat hier, im Falle daß CAJUS sein Versprechen nicht halten will, TITIUS gar nichts versprochen. Er braucht also in diesem Fall nichts zu halten. 4. Lehrsatz. - Eine Konvention ist auch in dem Fall gültig, wenn die Handlung, worauf sie sich bezieht, unrechtmäßig ist. Wenn z. B. zwei oder mehrere Personen miteinander übereinkommen, auf Straßenraub auszugehen, so ist die Bestimmung des Willens einer jeden derselben zu dieser Handlung schon ansich, ohne diese Konvention, unrechtmäßig. Diese Konvention fügt zur Unrechtmäßigkeit der Handlung ansich nichts hinzu, sie ist also formell - abstrahiert vom Inhalt der Handlung - rechtmäßig. Eine jede der miteinander übereinstimmenden Personen hat also vermöge dieser Konvention auf die andere ein Zwangsrecht; obwohl die beraubte Person auf die ganze Gesellschaft gleichfalls ein Zwangsrecht behält. (4) zur Moral Die Formeln der Moral sind
2. (Befugnis) Du darfst wollen, wenn dein Wille als allgemeingültig gedacht werden kann. 3. (Notwendigkeit dieser Befugnis) Du must wollen dürfen, wenn dein Wille als allgemeingültig gedacht werden kann.
2) (Notwendigkeit dieser Befugnis) Du mußt in gewissen Fällen wollen dürfen, obwohl dein Wille, dem Anschein nach, nicht als allgemeingültig gedacht werden kann. Die Grundformel der Moral ist: Kein vernünftiges Wesen darf wollen, wenn sein Wille nicht (für ein jedes andere vernünftige Wesen) als peterallgemeingültig gedacht werden kann. Da diese Formel einem peterhypothetischen Satz ausdrückt, so folgt daraus die zweite Formel, mit veränderter Bedingung unmittelbar;, aber diese Formel ist, eigentlich zu reden, kein neuer Satz. Dadurch wird nur soviel gesagt: was nicht die Bedingung des ersten Satzes hat, von dem gilt auch dieser Satz nicht, weil dieser Satz nur unter dieser Bedingung gilt. Die dritte Formel enthält einen neuen Satz: Ein vernünftiges Wesen hat auf eine notwendige Art die Befugnis, zu wollen, wenn sein Wille als allgemeingültig gedacht werden kann; weil ohne eine solche Befugnis das Moralprinzip nicht denkbar ist. Wenn ich nicht wollen darf, was für irgendein vernünftiges Wesen (das das Gegenteil will) nicht gültig sein kann, so muß dieses (das Gegenteil) wollen dürfen; oder wenn wir beide nicht wollen dürfen, so muß doch ein drittes (das Gegenteil von uns beiden) wollen dürfen. Mein Wille kann bloß darum nicht als allgemeingültig gedacht werden, weil der demselben vorhergegangene entgegengesetzte Wille als allgemeingültig gedacht werden kann. Sollte dieser auch nicht als allgemeingültig gedacht werden können, so müßte noch ein dritter beiden entgegengesetzter Wille vorausgesetzt werden. Dies kann aber nicht ins Unendliche gehen. Man muß also zuletzt auf einen Willen kommen, der nicht erst durch Vergleichung mit irgendeinem vorhergehenden Willen, sondern ansich als allgemeingültig gedacht werden kann. Die der Moral zugrunde liegende Übereinstimmung des Willens eines vernünftigen Wesens mit dem Willen eines jeden anderen vernünftigen Wesens setzt den Willen irgendeines vernünftigen Wesens, als Faktum voraus. Die erste Formel des Naturrechts ist: Ein vernünftiges Wesen darf in gewissen Fällen, auch wider den Willen eines anderen vernünftigen Wesens, seinen Willen in Ausübung bringen. Diese gewissen Fälle sind
2) Wenn auch dieses vernünftige Wesen das Gegenteil von Jenem wollen darf, so daß keines von beiden zur Übereinstimmung mit dem anderen verpflichtet ist. CAJUS und TITIUS z. B. dürfen zugleich etwas (das noch niemandem gehört und nur von Einem gebraucht werden kann) in Besitz nehmen wollen. Die ersten beiden Grundsätze sind eben die Grundsätze der Moral, und werden, bloß im Hinblick auf die anscheinenden Ausnahmen vom Moralgesetz, Grundsätze des Naturrechts. Abstrahiert von dieser Rücksicht, sind sie Bedingungen der Möglichkeit von Moral ansich (Realität ihres Gesetzes). Durch den dritten Grundsatz hingegen soll etwas bestimmt werden, was das Moralgesetz, bei seiner Möglichkeit ansich, unbestimmt läßt, und doch soll er die Kraft eines Moralgesetzes haben. Worauf mag nun diese Kraft beruhen? Auf nichts anderem, als auf der möglichen Anwendbarkeit des Moralgesetzes auf solche Fälle, die sonst unter dasselbe nicht subsumiert werden konnten. Ich darf das, durch eine rechtmäßige Äußerung des Willens eines andern erworbene Eigentum nicht angreifen; weil mein Wille in diesem Fall, indem er dem Willen dieses andern entgegen ist, nicht allgemeingültig sein kann. Dieser andere aber durfte es auf eine rechtmäßige Art erwerben wollen, weil es sonst nicht möglich wäre, daß ich es nicht dürfen sollte. So weit geht die Bestimmung des Moralgesetzes. Wie aber, wenn ich und ein anderer zugleich eine Objekt A, das noch niemandem als Eigentum angehört, indem noch niemand seinen Willen darüber geäußert hat, als Eigentum erwerben wollen? Ist dieses Wollen nun rechtmäßig, oder nicht? Hier kann das Moralgesetz nichts entscheiden. Mein Wille ist nicht rechtmäßig, weil er dem Willen des andern, der gleichfalls nicht unrechtmäßig ist, entgegengesetzt ist, folglich nicht allgemeingültig sein kann. Aber ebensowenig ist er unrechtmäßig, indem der Wille des andern gleichfalls (da er dem Meinigen entgegen ist) nicht allgemeingültig sein kann. Hier muß also notwendig etwas außerhalb des Moralgesetzes entscheiden; nämlich, nach Naturgesetzen wirkende physische Kräfte. Dieses muß aber dennoch die Kraft eines Moralgesetzes haben. Denn nachdem wir beide unseren Willen darüber schon geäußert haben, darf, dem Moralgesetz zufolge, kein dritter es als Eigentum erwerben; indem sein Wille dem Willen eines jeden von uns (der, in Anbetracht seiner, rechtmäßig ist) entgegengesetzt ist, folglich nicht allgemeingültig, und also auch nicht rechtmäßig sein kann. Wenn wir nun beide uns um dasselbe gleichfalls nicht sollen bewerben dürfen, so müßte dies als allgemeingültiger Wille gedacht werden können. Dies ist aber unmöglich, denn wie kann der Wille eines jeden vernünftigen Wesens das sein, was gerade dem Willen eines jeden entgegen ist? nämlich das Objekt, das ein jeder, der sich um dasselbe bewirbt, haben will, zugleich nicht haben zu wollen? - Das Moralgesetz gibt also dadurch, daß es einem jeden Dritten die Bewerbung um dieses Objekt verbietet, einem (obgleich unbestimmt welchem) von uns ein Recht darauf. Dieses Recht würde aber ohne die Entscheidung durch etwas außerhalb des Moralgesetzes, keinen Gebrauch haben. Diese Entscheidung ist also, in diesem Fall, der eigentlich zum Naturrecht gehört, die notwendige Bedingung von einem möglichen Gebrauch des Moralgesetzes. Da aber die physische Übermacht bloß für den gegenwärtigen Gebrauch entscheiden, keineswegs aber, wie das moralische Recht, eine unveränderliche Gültigkeit begründen kann; so daß der gegenwärtig Schwächere immer das Recht behält, wenn er in der Folge an Kräften zugenommen hätte, diese Stärke gegen den, der sich zuerst in den Besitz der streitigen Sache gesetzt hatte, zu gebrauchen, und ihm dieselbe zu entreißen: so müssen sie, um die Entscheidung moralisch und unabänderlich zu machen, durch eine Konvention ein anderes Entscheidungsmittel unter sich verabreden. Zu einer solchen Konvention sind sie moralisch befugt, und, ist sie einmal getroffen, so sind sie moralisch verpflichtet, dieselbe zu halten. Das Entscheidungsmittel ansich mag immerhin etwas willkürliches sein, z. B. auf ein Ziel schießen, losen und dgl., so ist doch die Entscheidung, vermöge der Konvention, moralisch unabänderlich. Ich will etwas, das noch niemanden als Eigentum gehört, für die Zukunft zu meinem Gebrauch haben, mit Ausschließung eines jeden andern, der nachher es zu seinem Gebrauch würde haben wollen. Mein Wille kann für jetzt (da noch niemand einen, diesem Willen entgegengesetzten Willen geäußert hat) als allgemeingültig gedacht werden. Er ist folglich rechtmäßig. Wenn aber nachher ein anderer diese Sache wider meinen rechtmäßigen Willen gebrauchen will, so ist sein Wille nicht allgemeingültig, folglich unrechtmäßig. Ich habe also das Recht, seinem Willen zu widerstehen, und die Sache als mein Eigentum zu behaupten. Eigentum bedeutet die moralische Befugnis, eine Sache ausschließend zu gebrauchen; Besitz aber die physische Möglichkeit, dieselbe ausschließend zu gebrauchen. Eigentum und Besitz sind nicht immer miteinander verknüpft. So haben z. B. gewisse Monarchen gewisse Länder als Eigentum, die andere im Besitz haben. Die Frage: ob derjenige, der etwas als Eigentum haben will, es durch ein Zeichen äußern muß kann auf folgende Weise entschieden werden. Solange er es nicht durch Zeichen äußert, ist niemand verpflichtet, einen Willen, der ihm noch unbekannt ist, zu respektieren. Ein jeder hat also mit ihm ein gleiches Recht auf die Sache. Ein solcher Zustand ist ein beständiges Ergreifen, wozu ein jeder Recht hat. Aber sobald er seinen Willen bekannt macht, so ist ein jeder verpflichtet, es als fremdes Eigentum zu betrachten; er hat keine fernere Ergreifung nötig, sondern ist, vermöge der ersten Ergreifung, mit dem Willen es als Eigentum zu behalten, befugt, einem jeden, der es für sich ergreifen will, zu widerstehen. Sobald aber der, welcher etwas als Eigentum haben will, diesen seinen Willen durch Zeichen geäußert hat, braucht er nicht mehr die Besitznahme durch Zeichen zu äußern, weil das Eigentumsrecht bloß von der rechtmäßigen Äußerung des Willens, aber keineswegs von der Besitznahme abhängt. Die Besitznahme ist nur die natürlichste Art, den Willen zu bezeichnen. Lehrsatz. - Wenn jemand dem anderen sein Eigentum raubt, oder es sonst beschädigt, so kann dieser jenen zum Ersatz, oder zur Wiedergabe des Eigentums (wenn es unverändert ist), aber auch nicht zu etwas mehr, als dazu, zwingen. Beweis. - Derjenige, der dem anderen sein Eigentum raubt, oder sonst beschädigt, handelt, da sein Wille dem rechtmäßigen Willen des Eigentümers entgegen ist, unrechtmäßig. Diese ist also befugt, inwieweit sich diese unrechtmäßige Handlung erstreckt, seinen Willen auch vom Willen jenes anderen zu trennen, und dagegen wieder von demselben entweder das Eigentum selbst, wenn es noch unverändert ist, oder dessen Ersatz zu erzwingen. Welches das Erste war. Da sich aber die Befugnis zur Willenstrennung nur so weit wie der Grund derselben, nämlich die unrechtmäßige Handlung, sich erstrecken kann, indem eine unrechtmäßige Handlung nur zur Aufhebung derselben, nicht aber zu einer anderen unrechtmäßigen Handlung berechtigen kann: so ist der Eigentümer zu nichts mehr berechtigt, als die Wiedergabe seines Eigentums, oder einen Ersatz desselben zu erzwingen. Welches das Zweite war. der Testamente Ein jeder Eigentümer hat das Recht, über sein Eigentum nach Belieben zu disponieren; er kann dasselbe jemandem schenken, mit der Bedingung, daß dieser erst nach einer bestimmten Zeit davon Besitz nehmen soll. In diesem Fall wird das Eigentum, gleich nach der Erklärung des Willens, von seinem ersten Besitzer auf denjenigen, an welchen diese Schenkung geschieht, übertragen, obgleich dieser es nicht ehr in Besitz nehmen darf, bis die bestimmte Zeit verflossen ist. Alsdann aber braucht man keine neue Willenserklärung von Seiten des Gebers; ja sogar eine der vorigen entgegengesetzte Willenserklärung würde ungültig sein. Ebenso ist es mit den Testamenten beschaffen. Hätte der Testator in Anbetracht der Besitznahme eine neue Willenserklärung nötig, so könnte kein Testament rechtsgültig sein, weil der Testator, nachdem er im Tod abgegangen ist, keine neue Willenserklärung in Anbetracht der Besitzname vollbringen kann. Dies ist aber auch, wie schon bemerkt wurde, nicht nötig. Der Eigentümer hat also allerdings das Recht, sein Eigentum durch ein Testament einem anderen zu übertragen; und sobald jener gestorben ist, hat dieser das Recht, sein Eigentum in Besitz zu nehmen. Hat sich aber der Testator vorbehalten, seinen Willen nach Belieben zu ändern, und das Testament nur in dem Fall, daß er denselben vor seinem Tod nicht ändern würde, gelten zu lassen: so wird das Eigentum soglich mit der Befugnis, es in Besitz zu nehmen, mit dem Tod des Testators (wenn dieser seinen Willen nicht abgeändert hat) auf denjenigen, dem zugunsten das Testament gemacht wurde, übertragen; und, so wie im ersten fall keine neue Willenserklärung in Anbetracht der Besitznahme nötig war, ebenso ist im zweiten keine neue Willenserklärung in Anbetracht des Eigentums ansich nötig. bürgerliche Gesellschaft Die Moral bestimmt die Pflichten der Menschen gegeneinander, und ihre Rechte aufeinander. Das Naturrecht fügt noch die Befugnis desjenigen hinzu, der dadurch, daß ein anderer ihm verpflichtet ist, ein Recht auf denselben hat, diesen zur Erfüllung seiner Pflicht zu zwingen. Da aber die Menschen, im Stand der Natur, außer der bürgerlichen Gesellschaft, als einander an physischen Kräften gleich vorausgesetzt werden müssen, und man doch keinen Grund hat, anzunehmen, daß derjenige, der ein Recht auf einen anderen hat, auch immer der physisch Stärkere und also, sein Zwangsrecht jederzeit geltend zu machen imstande sein wird; so folgt daraus die Notwendigkeit der, als Bedingung vom möglichen Gebrauch der Moral und des Naturrechts gedachten, bürgerlichen Gesellschaft, damit durch verbundene Kräfte das ausgerichtet werde, was jeder einzeln für sich allein nicht hätte ausrichten können. Der unmittelbare (moralische) Zweck der Vereinigung der Menschen in einer bürgerlichen Gesellschaft ist also die Erhaltung ihrer Rechte; der mittelbare aber, die Erfüllung ihrer Pflichten. Wenn im Naturrecht Untersuchungen über den Zweck der Einrichtung einer bürgerlichen Gesellschaft angestellt werden, so will man damit nicht den von den ersten Menschen, die in Gesellschaft getreten sind, wirklich vorgestellten Zweck, auch nicht jeden möglichen Zweck den sie dabei haben konnten, sondern bloß einen solchen Zweck ausfindig machen, der als Prinzip des bürgerlichen Rechts, im Naturrecht gebraucht werden kann. Ob der Mensch im Stande der Natur fromm wie ein Lamm oder boshaft wie ein Tiger ist? mag der Anthropologe ausmachen. Den Naturrechtslehrer geht das gar nichts an. Er wirft nur die Frage auf: Wie sollen wir uns den Menschen denken, nicht um die Möglichkeit einer bürgerlichen Gesellschaft, sondern um die Notwendigkeit derselben, aus der Moral und dem Naturrecht herleiten zu können? Es ergibt sich alsdann, daß wir den Menschen als ein vernünftig-sinnliches Wesen denken müssen, der in der ersten Qualität zwar seine Pflichten erkennt, in der zweiten Qualität aber sie zu erfüllen nicht immer geneigt ist. Die Einrichtung einer bürgerlichen Gesellschaft ist also eine notwendige Bedingung der Wirksamkeit der Moral und des Naturrechts. Wenn die frommen Staatsrechtslehrer, die gegen HOBBES so deklamiert haben, dieses bemerkt hätten, so hätten sie sich ihre Deklamation ersparen können. HOBBES erklärt die Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft aus der Bosheit der Menschen, und aus ihrer Neigung gegeneinander pflichtwidrig zu handeln. Der Zweck der Gesellschaft ist also nach ihm, sich aus dem elenden Zustand des Krieges aller gegen alle zu befreien, und ihn mit einem gesetzmäßigen Zustand zu vertauschen. Er ist demnach weit entfernt die Menschen in ein gehässiges Licht zu stellen, sondern er betrachtet sie vielmehr in ihrer ehrwürdigsten Gestalt, nämlich als vernünftig-sinnliche Wesen, die ihre Pflichten fühlen, aber einzeln betrachtet, nicht Stärke genug haben, dieselben auch gegen ihre Neigungen immer in Ausübung zu bringen. Ihre Vernunft also, die ihnen diese Pflichten auferlegt, gibt ihnen auch ein Mittel an die Hand (durch die Einrichtung einer bürgerlichen Gesellschaft) dieselben in Ausübung zu bringen. Der Zweck der Einrichtung einer bürgerlichen Gesellschaft nimm also aus der praktischen Vernunft seinen Ursprung. Da hingegen ein jeder anderer Zweck (z. B. die Glückseligkeit zu befördern) seinen Ursprung nicht aus der Vernunft, sondern aus der tierischen Natur, insofern sie durch die theoretische Vernunft modifiziert wird, herleitet. Nicht von HOBBES also, sondern vielmehr von seinen Gegnern vielmehr wird der Mensch verächtlich vorgestellt. bürgerlichen Gesellschaft Der eigentliche Contrat Social, wenn man darunter einen Tausch oder eine wechselseitige Übertragung der Rechte versteht, wird nicht erst bei der Einrichtung der bürgerlichen Gesellschaft gemacht, sondern er ist schon im Stand der Natur, als das durch das Moralgesetz, a priori bestimmte Verhältnis vernünftiger Wesen zueinander, notwendig. Das Prinzip der Allgemeingültigkeit des Willens fordert, daß ein jedes vernünftige Wesen von den natürlichen Rechten, die ihm, ohne das Verhältnis zu anderen vernünftigen Wesen betrachtet, zukommen, in diesem Verhältnis betrachtet, so viel zugunsten aller anderen vernünftigen Wesen aufgeben muß, als mit deren natürlichen Rechten nicht bestehen kann. Der eigen Wille und die daraus entspringenden natürlichen Recht sind mit der absoluten Kraft in einer, als aus mehreren Kräften zusammengesetzt vorgestellten Wirkung zu vergleichen. Um nun diese Wirkung zu bestimmen, muß man von der Wirkung der absoluten Kraft so viel abziehen, als durch die Entgegensetzung der komponierenden Kräfte davon aufgehoben wird. Was davon übrig bleibt, ist mit der Wirkung des gemeinschaftlichen Willens, in der moralischen Welt zu vergleichen. Die Menschen treten also nicht in die bürgerliche Gesellschaft um erst diesen Kontrakt zu schließen, sondern um Mittel in der Hand zu haben, denselben in Erfüllung zu bringen. Sie übertragen nicht, bei der Einrichtung der Gesellschaft, einen Teil ihrer Rechte auf einander, sondern sie bestimmen bloß (durch die Gesetzgebung), welchen Teil ein jeder zugunsten der übrigen aufgeben muß, um diesen durch Vernunft a priori bestimmten gemeinschaftlichen Willen zu erhalten? und dann legen sie eine Macht zusammen, die hinreichend ist, das was sie einmal auf diese Art bestimmt haben, in Ausübung zu bringen (exekutive Macht). Es ist also falsch, wenn HOBBES (und andere mehr) sagen: daß bei der Einrichtung der bürgerlichen Gesellschaft ein jedes der Mitglieder mit einem jeden anderen Mitglied folgenden Kontrakt schließ: Ich übergebe mein Recht, mich selbst zu beherrschen (d. h. meinem eigenen Willen zu folgen) diesem Menschen oder dieser Gesellschaft (dem oder der die Souveränität übertragen wird) unter der Bedingung, daß du ebenfalls dein Recht über dich, ihm oder ihr abtrittst. Ein solcher Kontrakt ist, als eine bloße Willensvereinigung, ganz überflüssig. Dazu sind die Menschen schon vor der Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft verpflichtet. Die Übereinkunft in Anbetracht der Person aber, die diesen vereinigten Willen handhaben soll, kann nicht im eigentlichen Sinne ein wechselseitiger Kontrakt heißen; wofür HOBBES sie aber ausgibt. Ein Kontrakt unter Bedingungen heißt, etwas zum Vorteil eines anderen versprechen, unter der Bedingung, daß dieser seinerseits etwas zum Vorteil von jenem leisten will. Hier aber heißt es nicht: ich übertrage mein Recht dieser Person, unter der Bedingung, sondern bloß: wenn du derselben dein Recht überträgst. Ich tue nichts mehr zum Vorteil eines jeden anderen aus der Gesellschaft, als daß ich mein Recht überhaupt übertrage; daß ich es aber dieser Person übertragen will, ist, insofern ich es will, nicht zum Vorteil der anderen, sondern vielmehr zu meinem Vorteil, den ich aber nicht ohne Zustimmung der anderen erhalten kann. Bedingung des Willens bedeutet immer ein Motiv desselben, keineswegs aber seine mögliche Ausführbarkeit, wie es hier der Fall sein sollte. Gesetzt zwei Personen haben einen Kontrakt miteinander geschlossen. Nun entsteht zwischen ihnen eine Streitigkeit in Anbetracht irgendeiner Bestimmung desselben. In diesem Fall kann der Eine zum Andern sagen: ich gebe dir zugunsten meinen eigenen Willen auf, unter der Bedingung, daß du gleichfalls deinen eigenen Willen mir zugunsten aufgibst. Sind sie aber einmal darüber einig, so kann der eine nicht mehr sagen: ich will, daß diese Person zwischen uns entscheiden soll, unter der Bedingung, daß du es willst, sondern es muß heißen: ich will, wenn du es auch willst; das heißt: ich habe ein Motiv, diese Person zum Schiedsrichter zwischen uns zu wählen, wenn du also kein Motiv gegen dieselbe hast, so kann mein Wille zur Ausführung gebracht werden. Soviel von den ersten Gründen des Naturrechts. Ein auf diesen Gründen aufgebautes vollständiges System des Naturrechts erfordert ein eigenes Werk, welches ohne Zweifel bald erscheinen wird. ![]() ![]()
1) Der brave PUFENDORF, der dieses Beispiel anführt, läßt die Frage unentschieden. Der strenge Kantianer HEYDENREICH hingegen (Systeme des Naturrechts, Seite 202) entscheidet ganz positiv für das Negative: daß es nämlich in diesem Fall nicht erlaubt ist, zu seiner Rettung, den anderen ins Wasser zu stoßen, und dies aus dem Grund, weil KANT einmal gesagt hat: der Mensch mußt immer als Zweck, nie bloß als Mittel behandelt werden. - Aber ich sehe nicht ein, wie er dies mit dem ersten kantischen Grundsatz aller Moralität in Übereinstimmung bringen kann. Ist eine solche Maxieme zur Gesetzgebung tauglich? Kann ein Mensch wollen, daß die Maxime -: im Falle von zweien entweder nur der eine sein Leben retten könnte, oder alle beide umkommen müßten, das letztere zu wählen - ein allgemeines Gesetz sein soll? 2) Wenn daher NUNEZ de BALBOA am Ufer des Südmeers im Namen der spanischen Krone, vom Südmeer und dem ganzen südlichen Amerika Besitz nimmt, so tut er hierin ganz recht. Denn da dieser Weltteil noch von niemandem in Besitz genommen worden ist, so ist die Äußerung des Willens, denselben in Besitz zu nehmen, rechtmäßig. Nach dieser Äußerung aber kann kein anderer denselben auf eine rechtmäßige Art in Besitz nehmen. "Aber, sagt ROUSSEAU (contral social, 1. Buch, Kap. IX), "auf dieses Art könnte der König von Spanien, aus seinem Kabinett von der ganzen (noch unbesessenen) Welt Besitz nehmen?" Hierauf antworte ich: allerdings könnte er es, und ein anderer könnte es gleichfalls, wenn er es wollte. Wozu würde aber diese Besitznahme nutzen, da man so viel unmöglich besitzen kann? 3) Ein neuer, mir unbekannter, sehr scharfsinniger Schriftsteller sucht (Beitrag zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die Französische Revolution, Seite 118 - 119) die Gültigkeit der Verträge aus dem Grund zu vernichten, weil ein Mensch sich zu etwas, was nicht durch das Moralgesetz bestimmt ist, nur durch seinen Willen verbindlich machen kann. Nun aber hat kein Mensch ein vollkommenenes Recht auf die Wahrhaftigkeit eines anderen, obgleich dieser dazu in seinem Gewissen verpflichtet ist. Wenn also der eine von den beiden Kontrahierenden lügen und sein Versprechen nicht halten will, so ist hier gar kein Vertrag. Erfüllt nun der andere sein Versprechen, so kann es bloß jenen zur Wiedererstattung und Schadloshaltung, keineswegs aber zur Erfüllung seines Versprechens, das er nie hatte erfüllen wollen, zwingen. - Da aber dieser Verfasser eingesteht, daß derjenige, der lügt, nicht zu lügen in seinem Gewissen verpflichtet ist, so hat der andere allerdings ein vollkommenes Recht, ihn zu zwingen. Nun kann freilich dieses Zwingen nicht unmittelbar geschehen; (man kann niemanden zwingen, daß er sein Versprechen zu halten wollen soll, weil man nicht wissen kann, ob er es will, oder nicht. Zwingen bezieht sich aber auch nicht unmittelbar auf den Willen, sondern bloß auf das, was dadurch bestimmt wird. Derjenige also, der sein Versprechen halten will, kann daher mit Recht den andern, der das seinige nicht halten will, dadurch zwingen, daß er die Wirkung von dessen unmoralischem lügenhaften Willen durch eine ihr entgegengesetzte Wirkung aufhebt. Dies kann sogar, obwohl es nicht nötig ist, selbst in der Formel des Vertrags angebracht werden: "Ich will dir mein Recht übertragen, unter der Bedingung, daß du mir dein Recht übertragen willst, so daß unsere beiderseitige Äußerung des Willens für den Willen selbst gelten soll;" wodurch alle Ausflucht genommen wird. 4) Es kann auch umgekehrt einen Fall geben, wo die Handlung ansich rechtmäßig, die Konvention hierüber aber unrechtmäßig, und folglich ungültig sein kann. Von dieser Art ist ein verabredeter oder stillschweigender Vertrag über Religionsmeinungen und Gebräuche. Es kann immer irgendein Religionssystem wahr, seine Glaubenslehren mit der Vernunft übereinstimmend, und seine Zeremonien und Gebräuche seinem Zweck gemäß sein, so ist doch ein jeder Vertrag hierüber der Vernunft zuwider, und also ungültig, weil es hier nicht auf die bloße objektive Wahrheit, sondern zugleich auf die Überzeugung des Subjekts ankommt, welche immer individuell und veränderlich ist: das, wovon ich jetzt überzeugt bin, kann ich nachher bezweifeln oder mich gar vom Gegenteil überzeugen. Wie kann ich also mit jemandem einen Vertrag schließen, immer davon überzeugt zu sein, wovon wir beide jetzt überzeugt sind? |