![]() |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
|||||
Rickerts Stellung zum Problem der Realität [Eine Kritik ihrer Grundlagen] [ 1 / 2 ]
Einleitung Diese Schrift sollte sich ursprünglich nur mit RICKERTs Stellung zum Problem der transzendentalen Realität befassen. Der zweite Teil, der vom Problem der empirischen Wirklichkeit handelt, sollte eigentlich in eine geplante größere Abhandlung über das "Problem der empirischen Gewißheit" aufgenommen werden. Es wurde mir aber allmählich klar, daß der 1. Teil dieser Schrift ohne den zweiten nicht bestehen kann, da er dort erst in mancher Hinsicht seine tiefere Begründung erhält. Auch innerhalb des zweiten Teils enthält manches früher Ausgeführte erst später seine vollständige Begründung; woraus der Schluß zu ziehen ist, daß man über die Schrift erst urteilen kann, wenn man sie bis zu Ende gelesen hat. Wer gegen mich den Vorwurf erheben wollte, daß ich mich nicht bedingungslos auf den Boden der kopernikanischen Revolution KANTs stelle (mit ihrer Lehre vom rein subjektiven Ursprung von Raum, Zeit und den Kategorien), der sei auf die Schriften KÜLPEs und MESSERs hingewiesen, in denen der kantische Idealismus einer Kritik unterzogen wird. Namentlich mit dem zweiten Band von KÜLPEs "Realisierung" würden sich meine wissenschaftlichen Gegner zur Begründung dieses Vorwurfs auseinanderzusetzen haben. Meine gegen RICKERT gerichtete Kritik impliziert aber in der Kernfrage gar nicht eine solche, die gegen KANT gerichtet wäre. KANT würde lebhaft dagegen protestieren, wenn man sich bei der Behauptung der existenzialen Abhängigkeit des Dings vom Denken auf ihn berufen wollte. KANT lehrt, daß das Ding vom Denken abhängig ist hinsichtlich der Form seiner Gedachtheit, nicht aber hinsichtlich seiner Existenz. Die Frage, ob und wie weit die Gegenstände hinsichtlich der Form ihrer Gedachtheit vom Denken abhängig sind, steht hier gar nicht zur Erörterung. Hier handelt es sich um die Frage, ob es RICKERT gelungen ist, die Annahme einer existenzialen Unabhängigkeit der Dinge vom Denken als grundsätzlich unhaltbar zu erweisen. In meiner Kritik der RICKERTschen Erkenntnistheorie stütze ich mich nicht auf den kritischen Realismus als Voraussetzung. Denn ich lasse nicht nur am Anfang dieser Untersuchung, sondern auch im Ergebnis derselben offen, ob die Annahme einer transzendenten Realität gültig ist oder nicht. Ich beschränke mich hier darauf, die Grundlagen der RICKERTschen Erkenntnistheorie zu prüfen, und gehe bei meiner Prüfung von nichts anderem aus, als von gewissen phänomenologisch einsichtigen Sachverhalten. Problem der transzendenten Realität A. Rickerts Problemstellung I. Der Begriff des erkenntnistheoretischen Subjekts. Um RICKERTs Problemstellung begreifen zu können, erscheint es mir unerläßlich, daß wir uns die Grundbegriffe seiner Erkenntnistheorie klarlegen. Dies sind vor allem drei: der Begriff des "erkenntnistheoretischen Subjekts", der Begriff des "Immanenten" und der Begriff des "Transzendenten". Wie RICKERT zum Begriff des erkenntnistheoretischen Subjekts gelangt, das mag man im "Gegenstand der Erkenntnis" nachlesen. Für uns kommt es lediglich darauf an, seinen Sinn genau festzulegen. Das erkenntnistheoretische Subjekt oder, wie RICKERT es auch nennt, das Bewußtsein überhaupt ist kein psychologischer Begriff. In diesem Begriff sieht RICKERT vielmehr von allen psychologischen Voraussetzungen ab. Es ist ein von allen psychologischen Voraussetzungen gereinigter Begriff des Bewußtseins. Das "erkenntnistheoretische Subjekt" oder "Bewußtsein überhaupt" ist der Charakter der Gegebenheit, den alle Objekte haben müssen, sofern überhaupt ein individuelles psychisches Subjekt von ihnen soll Kunde erlangen können.
"Immanent sein bedeutet ... die Form der Bewußtheit tragen. Transzendent sein heißt: ohne sie existieren." /52/ "Das Wort Bewußtsein soll ... nur die Seinsart allen unmittelbar Gegebenen bestimmen" /109/. "Bewußtsein als Form" bedeutet "die Art des Seins der immanenten Objekte" /52/. "Wir können ... statt bewußt auch unmittelbar gegeben oder vorgefunden oder bekannt sagen" /110/. Die Bildung des Begriffs vom erkenntnistheoretischen Subjekt hat zunächst einen rein erkenntnis-technischen Zweck. RICKERT wollte damit terminologische Schwierigkeiten überwinden. Er wollte das Gegebene einer vorpsychologischen Betrachtung unterziehen, und für diese Betrachtung eine Ausdrucksmöglichkeit schaffen. Ob seine Lösung dieser Aufgabe glücklich zu nennen ist, soll hier nicht entschieden werden. Sicher ist jedenfalls soviel, daß zu einer vorpsychologischen Betrachtung des Gegebenen der Begriff des erkenntnistheoretischen Subjekts nicht erforderlich ist. Der Beweis dafür dürfte wenigstens durch die Phänomenologie erbracht sein, sofern sie nämlich mit Recht den Anspruch erhebt, eine vor-psychologische und vor-naturwissenschaftliche Betrachtung des Gegebenen zu sein. Auf die Spezifizierungen, die der Begriff des "Bewußtseins überhaupt" im letzten Teil des "Gegenstandes der Erkenntnis" erfährt, soll an dieser Stelle noch nicht eingegangen werden. Wir stellen hier nur fest: RICKERT hat das Subjekt von allen psychologischen Voraussetzungen gereinigt. Aber was übrig geblieben ist, ist dafür auch gar kein Subjekt mehr, das im landläufigen Sinn als "Subjekt" bezeichnet werden kann. Es erkennt nicht, weil es nicht "existiert". Es ist nicht der reale Träger der Wirklichkeit, sondern nur die formale Bedingung ihrer Möglichkeit. Es ist nicht immanent und nicht transzendent. Die Immanenz eines Gegenstandes in ihm ist nichts anderes als das Behaftetsein dieses Gegenstandes mit Bewußtheits-Charakter, d. h. mit Gegebenheits-Charakter. Wie beim Begriff des erkenntnistheoretischen Subjekts, so muß man auch beim Begriff des Immanenten von allen realwissenschaftlichen Voraussetzungen absehen. RICKERT versteht unter dem Immanenten oder Gegebenen alles, was in der Subjekt-Objekt-Relation steht, d. h. er versteht darunter nicht nur alles unmittelbar Gegebene im strengsten Sinn des Wortes (d. h. alles direkt wahrgenommene Wirkliche), sondern er versteht darunter alles überhaupt Gegebene, ohne Rücksicht auf die Gegebenheitsart.
2. das unerfahrbare Wirkliche, das "außerhalb des individuellen Bewußtseins liegt" /114/:
b) die "kontinuierliche Wirklichkeit", die jedem Individuum als Ganzes direkt unerfahrbar ist.
"Mit welchem Recht der Mann der Wissenschaft die Lücken seines individuellen Bewußtseinsinhalts mit Vorstellungen ausfüllt, die nicht aus dem von ihm Wahrgenommenen stammen, und dadurch zum Begriff einer kontinuierlichen Wirklichkeit kommt, das ist eine andere Frage, die aber: ... wir hier nicht zu entscheiden haben" /89/. Von großem instruktivem Wert für das Verständnis des RICKERTschen Immanenz-Begriffs ist die Stelle, wo er sich über die - natürlich ganz unzulässige - physiologische Begründung des transzendentalen Realismus lustig macht. Ich zitiere deshalb den Gedankengang, den RICKERT dem von ihm bekämpften Typ unterlegt:
RICKERT versteht also unter dem Gegebenen neben dem unmittelbar gegebenen Wirklichen auch alles, was nur als gedacht oder bloß begrifflich gegeben ist und grundsätzlich niemals Gegenstand einer unmittelbaren Erfahrung sein kann. Denn, daß etwas unabhängig vom individuellen Bewußtsein besteht, daß es z. B. einen unerfahrbaren Tisch gibt, dessen Atome die physikalische Grundlage für die Empfindungen der Farbe, Härte, Temperatur usw. darstellen, das ist keine unmittelbar gegebene Tatsache, sondern zunächst bloß angenommen, gedacht. Und diese zunächst bloß als gedacht oder begrifflich gegebene Größe, den unerfahrbaren Tisch, der nicht nur nicht von mir, sondern überhaupt von keinem Subjekt wahrgenommen werden kann, rechnet RICKERT zum Gegebenen, zum Immanenten. Indem RICKERT die Welt der mechanischen Naturwissenschaft eine begriffliche, unwirkliche Welt nennt, erkennt er den grundlegenden Unterschied der Gegebenheitsart an, der zwischen den wahrgenommenen wirklichen und den absolut unerfahrbaren Größen besteht. Indem RICKERT die unerfahrbare Natur eine begriffliche, unwirkliche Welt nennt, gibt er also zu, daß der unerfahrbare Tisch, der auf meine Sinnesorgane wirkt, daß die Lichtwellen, die der unerfahrbare Tisch auf meine Netzhaut reflektiert, und die Nerven- und Gehirnerregungen, die dadurch ausgelöst werden, nicht in dem Sinne unmittelbar gegeben sind, wie der wahrnehmbare Komplex der Gesichts- und Hauptempfindungen, die den wirklichen Tisch darstellen. Dieses Eingeständnis ist deshalb von großer Wichtigkeit, weil damit zugegeben wird, daß die Naturwissenschaft es allein mit dem Wirklichen zu tun hat, daß sie sich nicht darauf beschränkt, das Wahrgenommene durch "Wirkliches" zu ergänzen, das nicht wahrgenommen wurde, sondern daß sie denkend die Grenzen auch der im weitesten Sinne verstandenen Wirklichkeit überschreitet. Diese unwirkliche Welt eine begriffliche Welt zu nennen, ist insofern richtig, als sie eine in Begriffen gedachte Welt ist, die gegeben ist, nur sofern sie gedacht ist. Sie ist eine begriffliche gegebene Welt. Der unerfahrbaren Welt kommt, soweit ihr überhaupt Gegebenheit zukommt, nur die begriffliche Gegebenheit zu. Was nicht dem individuellen Subjekt gegeben ist, braucht deshalb noch lange nicht transzendent zu sein; es kann noch innerhalb der Grenzen der kontinuierlichen Wirklichkeit liegen. Was außerhalb der kontinuierlichen Wirklichkeit liegt, kann die Form begrifflicher Gegebenheit tragen. Nur was überhaupt nicht den Charakter der Gegebenheit trägt, was sich jeder Möglichkeit des Gegebenseins entzieht, ist nach RICKERT transzendent. (Den individual fundierten Transzendenzbegriff lehnt RICKERT ab, weil sonst für jeden Menschen etwas anderes transzendent wäre als für jeden anderen, und sich über transzendente Objekte keine allgemeine Aussage machen ließe und somit ein wissenschaftliches Problem der Transzendenz sinnlos wäre. /114/). Wir können das über die drei wichtigen Grundbegriffe der RICKERTschen Erkenntnistheorie Gesagte kurz so zusammenfassen: Das erkenntnistheoretische Subjekt ist der Charakter der Gegebenheit. Was in irgendeinem Sinn den Charakter der Gegebenheit tragen kann, ist immanent. Was in keinem Sinn den Charakter der Gegebenheit tragen kann, ist transzendent. Nachdem wir uns die Grundbegriffe der RICKERTschen Erkenntnistheorie klar gemacht haben, sind wir hinsichtlich des Problems der transzendenten Realität in der Lage, RICKERTs Fragestellung zu verstehen. Sie lautet kurz so: Gibt es Objekte, die nie den Charakter der Gegebenheit tragen können? /51/ Darauf antwortet RICKERT:
Unerfahrbarenals Problem. Es ist nicht die Absicht der folgenden Auseinandersetzung, diejenigen Begründungen der Transzendenz zu verteidigen, deren Haltlosigkeit dargetan zu haben RICKERTs unbestreitbares Verdienst ist. Es soll hier nicht der Versuch in Schutz genommen werden, aufgrund des Kausalprinzips in der von RICKERT dargelegten Weise eine transzendente Realität zu erschließen. Ebensowenig soll hier der Versuch verteidigt werden, die Transzendenz zu begründen durch den Hinweis auf die Notwendigkeit, die Fragmente des "individuellen Bewußtseins" zu ergänzen. Beide Versuche erscheinen schon deshalb fragwürdig, weil weder die Individualität noch auch - trotz KANT - die Kausalität von dem Argwohn frei ist, selbst einen transzendenten Charakter zu haben. Restlos wird den klaren und treffenden Ausführungen über den erkenntnistheoretischen Realismus beigepflichtet, die sich im vierten Abschnitt des I. Kapitels /22-29/ finden. RICKERT wendet sich hier gegen die Ansicht, daß die transzendente Existenz der Dinge zu den Voraussetzungen der Erkenntnistheorie gehört. Die transzendente Existenz der Dinge ist "nicht unmittelbar gewiß, sondern, falls sie mit Recht angenommen wird, erschlossen" /29/. RICKERT hätte sich darauf beschränken können, die ihm vorliegenden Beweise für die Annahme einer transzendenten Realität zu entkräften und den Realisten das onus probandi [Beweislast - wp] zu überlassen. Stattdessen bestreitet RICKERT grundsätzlich die Transzendenz der unerfahrbaren Objekte der Realwissenschaften. RICKERT leugnet ausdrücklich "eine Spaltung der Wirklichkeit in ein absolutes transzendentes und ein relatives immanentes Sein" /119/. Ja, RICKERT bezeichnet, da er in der "Realität" nichts als eine Form des bewußten Erkennens sieht, den Begrif des transzendenten Realen geradezu als widerspruchsvoll /64 Anm./. Mit dem Standpunkt, den RICKERT hier einnimmt, wollen wir uns nun auseinandersetzen. In der folgenden Untersuchung sollen also die Gründe, die RICKERT grundsätzlich gegen die Annahme einer transzendenten Realität ins Feld führt, einer Prüfung unterzogen werden. Hierbei wird es sich zunächst um die Frage handeln, ob es RICKERT gelungen ist, die Leugnung des transzendenten Charakters der unerfahrbaren Welt der Realwissenschaften hinreichend zu begründen. Bevor wir aber an diese Hauptfrage herantreten, wollen wir unsere Aufmerksamkeit noch auf einen methodologischen Punkt richten, der für unsere Auseinandersetzung mit RICKERT von entscheidender Bedeutung sein wird. Bei der Erörterung des Problems der transzendenten Realität steht RICKERT auf einem phänomenologischen Boden, weil es die Phänomenologie allein mit dem Aufweis des Gegebenen zu tun hat. Denn er betrachtet alle Gegenstände, einschließlich der unerfahrbaren Objekte, als Inhalte eines "Bewußtseins überhaupt" und sagt ausdrücklich: "Wir können statt bewußt auch unmittelbar gegeben oder vorgefunden oder bekannt sagen" /110/. RICKERT sagt ferner:
Daraus geht unzweideutig hervor, daß RICKERT in dem Zusammenhang, in welchem er das Problem der transzendenten Realität erörtert, auf einem phänomenologischen Boden steht. Ob es aber von diesem Boden aus, d. h. bei ausschließlicher Betrachtung des Gegebenheits-Charakters der Gegenstände, möglich ist, das Problem der transzendenten Realität zu lösen, ja auch nur zu stellen, davon wird unten die Rede sein. Wir wenden uns nunmehr einem ersten grundsätzlichen Argument RICKERTs gegen die transzendente Realität des Unerfahrbaren zu. unerfahrbaren Objekte als Beweise gegen ihre Transzendendez. RICKERT sagt,
Es steht also fest: Wenn die Welt, sofern sie unerfahrbar ist, überhaupt in einem Raum liegt, so muß dieser Raum ein unerfahrbarer sein. Ob dem Raum der unerfahrbaren Natur der transzendente Charakter abgesprochen werden kann, ist ein durchaus noch ungelöstes Problem. Sollte sich herausstellen, daß die Naturobjekte einen transzendenten Charakter haben, so wäre damit auch der transzendente Charakter des Raumes erwiesen, in dem sich die Objekte bewegen. Solange dieses Problem nicht gelöst ist, besteht keine Veranlassung, das Transzendente außerhalb jedes Raumes zu suchen. Was hier vom Raum gesagt wurde, ist in analoger Weise auf die Zeit anzuwenden. Wenn RICKERT also behauptet, die
unerfahrbaren Objekte mit ihrer Ggebenheit. RICKERT sagt, man sollte in der Welt der unerfahrbaren Objekte (soweit es sich nicht um ein fremdes Seelenleben und eine kontinuierliche Wirklichkeit handelt) lediglich ein Produkt wissenschaftlicher Abstraktion, d. h. eine begriffliche unwirkliche Welt finden" /74f/. Damit meint er eine in Begriffen gedachte irreale Welt, deren Dasein mit ihrer Gedachtheit identisch ist. Mit anderen Worten: den unerfahrbaren Objekten kommt, soweit ihnen überhaupt ein Sein zukommt, nur die (begriffliche) Gegebenheit zu. Damit spricht RICKERT den unerfahrbaren Objekten jede von ihrer Gedachtheit unabhängige Existenz ab, bestreitet also ihre Transzendenz. Ich sehe keine Möglichkeit, wie man diese RICKERTsche These verfechten könnte, ohne auf unlösbare Schwierigkeiten zu stoßen, wenn man versucht, sie mit den Voraussetzungen der Naturwissenschaft in Einklang zu bringen. Diese Schwierigkeiten begegnen uns sofort, wenn wir die unerfahrbaren Objekte der Naturwissenschaft mit anderen unerfahrbaren Größen vergleichen und ihren Wesensunterschied von diesen zu ergründen suchen. Naturwissenschaft und die idealen Objekte. Wenn der Chemiker von Molekülen und Atomen spricht, so nimmt er damit unerfahrbare Objekte als existierend an. Wollte man in diesen Objekten nur Begriffe erblicken - anders ausgedrückt: wollte man in den Objekten dieser Begriffe bloß gedachte Objekte sehen, die nicht existieren, so würden sich die Moleküle und Atome hinsichtlich der Seinsart von den idealen Objekten der Mathematik nicht grundsätzlich unterscheiden. Es besteht aber doch ohne Frage eine grundlegende Wesensverschiedenheit zwischen den mathematischen und naturwissenschaftlichen Setzungen. Am deutlichsten tritt diese Verschiedenheit in dem Verhältnis zutage, in welchem die naturwissenschaftlichen und mathematischen Objekte zum Zweifel stehen. Die unerfahrbaren Objekte der Naturwissenschaft werden aufgrund wahrgenommener Tatsachen zu deren Erklärung angenommen. Naturwissenschaftliche Annahmen lassen sich grundsätzlich bezweifeln; über sie "läßt sich streiten". Dadurch offenbart sich, daß die angenommenen Objekte nicht den Charakter der unmittelbaren Gegebenheit haben. Denn nach RICKERT selbst entzieht sich das unmittelbar Gegebene grundsätzlich dem Zweifel.
Es sei nur an NEWTONs Emissionstheorie erinnert, nach welcher die Lichtquelle kleine unwägbare Teilchen aussendet, die gradlinig in den Raum fliegen, in das Auge gelangen und die Lichtempfindung hervorrufen. An den unerfahrbaren Objekten, sofern sie gedacht sind, läßt sich nicht zweifeln. Denn sofern sie gedacht sind, sind sie als gedacht gegeben. Wenn also der Zweifel hier irgendeinen Angriffspunkt hat, so kann er sich auf die unerfahrbaren Objekte nur erstrecken, sofern sie außerhalb ihrer Gedachtheit noch ein Sein haben, sofern sie existieren. Mit anderen Worten: der Zweifel an unerfahrbaren Objekten kann sich nicht gegen ihre Gedachtheit, sondern nur gegen ihr Sein richten. Der Zweifel an der Gültigkeit der Setzung unerfahrbarer Objekte (z. B. der Emissionspartikelchen) hat demnach nur Sinn, wenn das Sein dieser Objekte sich nicht in ihrer Gedachtheit erschöpft. Vielleicht würde RICKERT entgegnen, auch er behaupte nicht die Identität der Seinsart der idealen Objekte der Mathematik und der unerfahrbaren Objekte der Naturwissenschaft: Der Zweifel könne sich gegen die Sollensgemäßheit der Gedachtheit der letzteren richten. Dann dürfte RICKERT aber eben nicht, wie er es doch tut, die unerfahrbaren Naturobjekte zum unmittelbar Gegebenen, d. h. zum Immanenten rechnen, das nach seiner eigenen Behauptung dem Zweifel prinzipiell entzogen ist. Die Setzung unerfahrbarer, bloß begrifflich gegebener, gedachter Objekte entbehrt überhaupt jeden Sinnes, wenn sie nicht eine Bezogenheit auf das enthält, was in ihrem Begriff gemeint ist. Wenn man nicht glaubt, daß die Moleküle und die Atome auch unabhängig von der Form der Gedachtheit existieren, dann sind sie nur leere Worte, mit denen in Wirklichkeit gar nichts gemeint ist, und mit denen vor allem jedenfalls die zu erklärenden Tatsachen nicht erklärt werden. Denn wenn ich, um Tatsachen zu erklären, eine Annahme mache, und dabei im Grunde glaube, daß der Annahme nichts Sachliches entspricht, so verzichte ich in der Tat auf eine Erklärung. Ich schlage mein Erklärungsbedürfnis mit einem Schlagwort nieder, an dessen Sinnerfüllung in einer realen Welt ich selbst nicht glaube, bei dem ich mir also in Wahrheit gar nichts denke. Es wäre jedenfalls sehr dankenswert, wenn RICKERT zeigen würde, was man im Begriff des Atoms denken kann, wenn nicht etwas Sachliches, das in ihm "begriffen" oder "gemeint" wird, und das eben deshalb vom bloßen Begriff oder der Form des Meinens verschieden sein muß, dessen Existenz folglich mit der Form seiner Gedachtheit nicht identisch ist. Glaubens und die Objekte des Mythos. Hätte RICKERT gesagt: Die unerfahrbare außersinnliche Welt der Naturwissenschaft ist gegeben, sofern sie als gedacht gegeben ist, so wäre dagegen nichts einzuwenden. Aber daraus, daß ihre Gedachtheit eine Art der Gegebenheit ist, folgt nicht, daß dasjenige was gedacht ist, außerhalb der Gedachtheit existiert. Die Setzung der unerfahrbaren molekularen Welt ist der wissenschaftliche Glaube an ihre Existenz. Hätte die unerfahrbare Welt der Atome und Elektronen kein anderes Dasein als das Geglaubtsein, so wäre der Glaube an ihre Existenz falsch. Denn zum Wesen des Glaubens gehört, daß geglaubt wird, daß das was geglaubt wird, auch unabhängig von der Geglaubtheit oder Gedachtheit besteht. Dies ist eine phänomenologische Einsicht. Wenn ein Mann an die Treue seiner Frau glaubt, so glaubt er, daß das Glaubensobjekt (die Treue seiner Frau) nicht nur innerhalb der Geglaubtheit, sondern auch sonst besteht. Anderfalls müßte er sich selbst für einen Narren halten, was er aber bekanntlich nicht tut, solange er glaubt. Daß jedes geglaubte Objekt nur innerhalb der Geglaubtheit da ist, daß folglich jeder Glaube falsch ist, kann, ohne daß die Frage nach dem Grund der Gültigkeit des Glaubens geprüft ist, nicht mit dem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit behauptet werden. Dadurch, daß RICKERT das Wesen des Glaubens verkennt, das in der Annahme eines unabhängig von der Geglaubtheit existierenden transzendenten Realen besteht, droht er den Unterschied zwischen wissenschaftlichem Glauben und Aberglauben zu verwischen. Denn als Glaubensobjekte existieren die Sphinx, der Minotaurus, die Sirenen ebenso gut wie das Stickstoffatom oder die ultravioletten Strahlen. Wenn keiner dieser Gegenstände unabhängig von der Gedachtheit irgendein Dasein hätte, welchen Sinn hätte es dann, zwischen der Seinsart der Sirenen und der ultravioletten Strahlen einen grundsätzlichen Unterschied zu machen? RICKERT würde vielleicht sagen, auch er erkenne den Transzendenzcharakter des Denkens, freilich in ganz anderer Weise, an. Ein transzendentes "Sollen" sei das Kriterium zur Unterscheidung zwischen den Objekten des vernünftigen Glaubens und den Objekten des Mythos. Aber der Unterschied, den RICKERT zwischen den Objekten des vernünftigen Glaubens und den Objekten des Mythos machen kann, ist nur ein Unterschied der Gegebenheitsart, nicht ein grundsätzlicher Unterschied der Seinsart. Ich sehe nicht, wie RICKERT ohne die transzendente Realität der ultravioletten Strahlen anzunehmen, die Erscheinungen, die durch die Annahme ihrer Existenz erklärt werden sollen, begreiflich machen will. Man kann nicht an die Existenz ultravioletter Strahlen glauben oder durch die Annahme ihrer Existenz irgendwelche Tatsachen begreiflich machen, solange man diese Strahlen für einen bloßen Begriff hält, solange man diesen Strahlen außerhalb ihrer begrifflichen Gegebenheit jede Existenz abspricht. als "unzulässige" Umdeutung". Daß das unmittelbar gegeben Wirkliche ein Produkt des Zusammentreffens unerfahrbarer Objekte sein soll, daß z. B. eine anschaulich gegebene grüne Fläche ein Produkt des Zusammentreffens reflektierter Lichtstrahlen mit der molekularen Struktur meines Sehorgans ist, ist nach RICKERT eine Behauptung, bei der sich nichts Verständliches denken läßt. Da die Scheidung der ursprünglich gegebenen Einheit des Quantitativen und Qualitativen (d. h. die Zerlegung des anschaulich Gegebenen in seine quantitativen und qualitativen Bestandteile) erst durch wissenschaftliche Arbeit vollzogen ist, muß es nach RICKERT als eine
Gewiß ist die unmittelbar gegebene Einheit des Qualitativen und Quantitativen (der wahrgenommene Komplex anschaulicher Gegebenheiten) für mein Bewußtsein das Primäre, das proteron pros hemas [das zuerst Erkannte - wp]. Das Zusammentreffen zweier rein quantitativer Gebilde (etwa der Lichtwellen und der Atome meiner Netzhaut) ist aber sachlich das Primäre, das proteron physei. So lehrt zumindest die Physiologie. Die hinsichtlich ihres Gegebenseins ursprüngliche Wirklichkeit ist also das Produkt eines unerfahrbaren Vorgangs. Ich wüßte nicht, was daran unverständlich wäre. Das anschaulich Gegebene ist logisch das Frühere. Aus seinem Vorhandensein wird er unerfahrbare molekulare Vorgang der Netzhautreizung erst erschlossen. Die Reizung der Netzhaut ist genetisch das Frühere. Durch sie wird das anschaulich Gegebene erst erzeugt. Gewiß interessiert die Erkenntnistheorie nur der logische Gesichtspunkt und nicht der genetische. Gewiß hat die Erkenntnistheorie nur zu fragen: Wie kommen wir dazu, aufgrund des anschaulich Gegebenen Atombegriffe zu bilden? Widersinnig ist aber die Lehre, daß Atombewegungen die Lichtempfindung erst erzeugen, nur unter der Voraussetzung, daß Atome bloße Begriffe sind, denen keinerlei reale Existenz zukommt. Der Gedanke, daß die anschauliche Wirklichkeit durch bloße Begriffe entsteht, ist in der Tat absurd. Unverständlich wird also die physiologische Theorie erst, wenn man den unerfahrbaren Objekten die Transzendenz abspricht. Durch die Annahme einer von Empfindungsqualitäten freien unerfahrbaren Welt wird an der ursprünglichen Einheit des Quantitativen und Qualitativen nichts geändert. Durch die Annahme eines unerfahrbaren Raumes wird diese ursprüngliche Einheit nicht weggedeutet. Daß die unmittelbare Erfahrung alle Abstraktionsprodukte an Wirklichkeitsgehalt überragt, unterliegt keinem Zweifel. Ebenso zweifellos ist, daß sie nicht aus ihnen hervorgegangen sein kann. Daß die Erkenntnis des Zusammentreffens der unerfahrbaren Welt mit den Sinnesorganen ein Produkt abstrakten Denkens ist, soll nicht bestritten werden. Aber daß die quantitative Welt und die Atome, aus denen die Sinnesorgane bestehen, außer ihrer Gedachtheit keine Existenz haben, daß sie nichts als Abstraktionsprodukte sind, das hat RICKERT nicht bewiesen. Daß aus bloßen Abstraktionsprodukten nichts zu begreifen ist, gerade das ist ja unsere gegen RICKERT verfochtene Meinung. Eben deshalb wäre die Annahme der unerfahrbaren Welt der Atome völlig wertlos, wenn das in ihr Geglaubte nur ein Abstraktionsprodukt wäre. Die Behauptung, daß an der physiologischen Theorie eine Umdeutung vollzogen ist, verstehe ich nach dem Vorhergehenden so: Die als bloß innerhalb ihrer Gedachtheit daseiend gedachte qualitätslose Welt der mechanischen Naturwissenschaft wird in eine auch unabhängig von ihrer Gedachtheit existierende umgedeutet. Wenn RICKERT hier von der unzulässigen Umdeutung einer physiologischen Theorie spricht, so muß die Frage an ihn gerichtet werden, wie er sich gegen den Vorwurf zu schützen gedenkt, daß er selbst eine unzulässige erkenntnistheoretische Umdeutung der Naturwissenschaft vollzogen hat. Was für ein Grund liegt vor, anzunehmen, daß die Naturwissenschaft, anstatt an die sachliche Bedeutung ihrer Annahmen zu glauben, sich in ein Netz von "Begriffen" einspinnt, die nicht einmal Begriffe, sondern nur leere Worte sind, weil in ihnen gar nichts begriffen wird! Aber letzten Endes kommt es gar nicht so sehr darauf an, was unsere Naturwissenschaft, die ja ein historisches, vielleicht von grundsätzlichen Irrtümern nicht freies Gebilde ist, denkt, sondern es kommt darauf an, ob sich die Gültigkeit der Annahme einer unerfahrbaren Realität darlegen läßt. Wenn das gelänge, würde sich der Streit um den Sinn der Naturwissenschaft von selbst erledigen. Auf keinen Fall aber läßt sich das Problem der Transzendenz der unerfahrbaren Objekte der Naturwissenschaft in die Region einer "physiologischen" Erkenntnistheorie verbannen. Der unerfahrbare Tisch, dessen Wirkung auf unsere Sinnesorgane die Empfindungen der Härte, Glätte usw. auslöst, läßt sich nicht mit derselben Leichtigkeit aus dem Zusammenhang des Transzendenzproblems verweisen wie der Gedankengang, in dem er angeführt wurde (vgl. oben). Denn immanent ist der unerfahrbare Tisch, der die Lichtwellen auf meine Netzhaut reflektiert, doch nur sofern er gedacht ist. Ob er eine von der Form der Gedachtheit unabhängige Existenz hat, ist ja gerade das Problem. RICKERT zweifelt nicht an den Voraussetzungen der Einzelwissenschaften und begnügt sich mit der Tatsache, daß auch die unerfahrbaren Objekte als gedachte Objekte nach seiner Definition immanent sind. Daß dabei die unerfahrbaren Objekte nur soweit in Betracht gezogen werden, als sie die Gegebenheitsart der Gedachtheit haben, - daß gar nicht gefragt wurde, ob sie möglicherweise auch noch in anderer Hinsicht betrachtet werden könnten, liegt an der idealistischen Tendenz der ganzen Untersuchung, die ja gerade darauf abzielt, die Immanenz alles Seienden zu beweisen. Wenn RICKERT es grundsätzlich ablehnt, die unerfahrbaren Objekte anders als hinsichtlich ihrer Gegebenheit zu betrachten, so kann er ihnen konsequenterweise die Transzendenz auch nur hinsichtlich ihrer Gegebenheit zu betrachten, so kann er ihnen konsequenterweise die Transzendenz auch nur hinsichtlich ihrer Gegebenheit absprechen, nicht aber überhaupt und in jeder Hinsicht. Der Begriff des erkenntnistheoretischen Subjekts ist offenkundig zu dem Zweck gebildet worden, den Bewußtseinsinhalt des Individuums, die "kontinuierliche Wirklichkeit" und die außersinnlichen unerfahrbaren Objekte auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und die Annahme einer transzendenten Realität überflüssig zu machen. (RICKERT gesteht selbst: "Der Begriff des überindividuellen Subjekts dient nur zur Bekämpfung des transzendenten Realismus" /319/. Dies ist RICKERT tatsächlich gelungen - bis auf den einen Punkt, bis auf die Frage nach dem Grund der Gültigkeit der Annahme unerfahrbarer Objekte. Im Falle der Gültigkeit ist auch die Entscheidung für die Existenz der unerfahrbaren Objekte gefallen, also für ihre Transzendenz, und der stolze Bau des RICKERTschen Idealismus bricht zusammen. Denn er gehört zum Wesen des Glaubens, daß geglaubt wird, daß das Geglaubte unabhängig von der Gegebenheitsform der Geglaubtheit existiert. Ein Grundfehler RICKERTs liegt also darin, daß er die entscheidende Bedeutung des Problems der Gültigkeit der Annahme unerfahrbarer Objekte für das Problem der transzendenten Realität nicht sieht. Da zeigt sich, daß die ansich durchaus einwandfreie und unschädliche Konstruktion des Begriffs vom erkenntnistheoretischen Subjekt der idealistisch gerichteten Erkenntnistheorie als Problemverschleierung zum Verhängnis geworden ist. Die Realwissenschaften setzen die existenziale Unabhängigkeit der unerfahrbaren Realität voraus. Die Gedachtheit der unerfahrbaren Realität wurde durch RICKERTs Begriffskonstruktion zur Gegebenheit ihres Daseins, und die Voraussetzung ihrer existenzialen Unabhängigkeit, die zum Problem erhoben werden mußte, wurde zur "unzulässigen Umdeutung einer physiologischen Theorie". Es ist durchaus konsequent, wenn RICKERT der Physiologie empfiehlt, nur von "immanenten Ursachen" zu reden /74/, wodurch freilich der unerfahrbare reale Vorgang des Wirkens zu einem Abstraktionsprodukt herabsinkt und außer seinem Gedachtsein keinerlei Funktion mehr hat. Ja, RICKERT zeigt sich gerade darin als echter Philosoph, daß er auch vor grotesken Konsequenzen nicht zurückscheut, und die "geläufige" Ansicht, daß die Lichtempfindung erst durch ein Auge entsteht, unter erkenntnistheoretischen Gesichtspunkten für "widersinnig" erklärt /75/. Offenbar deshalb, weil das Augen seiner molekularen Struktur nach und das physiologische Sehen als molekularer Vorgang nichts als Abstraktionsprodukte sind, die außer ihrer Gedachtheit keinerlei reale Existenz haben. Wie freilich RICKERT diese revolutionären Ansichten mit seinem Grundsatz, die Einzelwissenschaften nicht meistern zu wollen /10/, in Einklang bringen will, ist unerfindlich. Die Aufforderung an die Physiologie, nur von immanenten Objekten zu reden, ist gleichbedeutend mit der Aufforderung, den Begriff des erkenntnistheoretischen Subjekts in die Physiologie einzuführen. Denn erst unter der Lupe des erkenntnistheoretischen Subjekts magern die unerfahrbaren Objekte der organischen und anorganischen Natur zu bloßen Abstraktionsprodukten ab. Der Arzt, der ein Auge operiert, nimmt diese Operation an einem unerfahrbaren Objekt vor; denn das Auge als organisches Ganzes entzieht sich jeder möglichen Wahrnehmung. So wenig es in der Absicht des Arztes liegt, einen anschaulichen Bewußtseinsinhalt zu operieren (nämlich das Auge, sofern es ihm anschaulich gegeben ist), so wenig kann dem Arzt daran liegen, einen "bloßen Begriff", ein "Abstraktionsprodukt" zu operieren. Diesen Charakter müssen wir aber nach RICKERT dem Auge zusprechen, sofern es einer "unzulässig umgedeuteten" physiologischen Theorie zufolge als außersinnliches unerfahrbares Objekt, als molekulares Zellengefüge gedacht wird, das dem optischen Eindruck, den der Arzt von ihm hat, zugrunde liegt. Die Tatsache, daß die Begriffe des Moleküls und des Atoms von uns gebildet sind, beweist noch nicht, daß die Moleküle und Atome bloße Begriffsgespinste sind. Es ist zumindest möglich, daß das Dasein dieser Objekte sich in ihrer Gegebenheit nicht erschöpft. Die Abhängigkeit ihres Erkanntseins (ihres "Objekt-für-ein-Subjekt-Seins") vom erkenntnistheoretischen Subjekt schließt ihre existenziale Unabhängigkeit vom Subjekt nicht aus. Was in einem (erkenntnistheoretischen) Bewußtsein gegeben ist, braucht deshalb nicht nur im Bewußtsein zu existieren. Mit anderen Worten: daraus, daß eine Objekt als gedacht gegeben sein kann, und definitorisch dem Immanenten eingeordnet wird, folgt nicht, daß das gedachte Objekt nicht unabhängig von der Form der Gedachtheit existieren könnte. Es ist nur zweierlei möglich: Entweder RICKERT übersieht nebem dem Gegebenheitscharakter, den die Gegenstände als gedachte Objekte haben, das Problem ihres Existenzialcharakters, der sich jeder Möglichkeit des Gegebenseins grundsätzlich entzieht. Oder RICKERT leugnet ihren Existenzialcharakter. Im ersten Fall verkennt RICKERT das Wesen der Realwissenschaften und des setzenden und bestimmenden Denkens, das darin besteht, das Gedachte als unabhängig von der Form der Gedachtheit existierend anzusehen. Die gedachten Objekte existieren, so wird zumindest gedacht, auch unabhängig davon, daß sie, sofern sie gedacht sind, die Gegebenheitsform der Gedachtheit haben: Ja, unabhängig davon, daß es überhaupt eine Form der Gedachtheit gibt! Die Naturwissenschaft setzt voraus, daß Lichtstrahlen und Nerven- und Gehirnerregungen nicht nur insofern Bestand haben, als sie als gedacht gegeben sein können, sondern daß sie eine nicht unerkennbare, aber doch von ihrer Gegebenheitsform, von ihrer Denkbarkeit unabhängige Existenz haben. Die Gültigkeit dieser Voraussetzung zu prüfen, ist Aufgabe der Erkenntnistheorie. Im zweiten Fall setzt sich RICKERT in einen Gegensatz zu den Realwissenschaften, ohne die Gültigkeit ihres Verfahrens zu prüfen. Die Gültigkeit des setzenden und bestimmenden Denkens ist ein erkenntnistheoretisches Problem, das RICKERT nicht stellt, das aber die Erkenntnistheorie stellen muß. Dieses Denken ist die Setzung und Bestimmung eines Realen, das sich, sofern es existiert, jeder Möglichkeit des Gegebenseins grundsätzlich entzieht. Denn die gedachten Objekte haben die Form der Gegebenheit nur, sofern sie die Form der Gedachtheit haben, nicht aber sofern sie existieren (wenn sie überhaupt existieren, was noch zu entscheiden ist). So wenig die bloße Tatsache des setzenden und bestimmenden Denkens ansich etwas für die Existenz eines transzendenten Realen beweist, so wenig wird die Ungültigkeit dieses Denkens durch die Tatsache bewiesen, daß es "bloß ein Denken" ist. Mit anderen Worten: daraus, daß Objekte gedacht werden, folgt weder, daß sie unabhängig vom Denken existieren, noch, daß sie bloß gedacht, als ungültig gedacht sind. Kurz: Aus der bloßen Tatsache der Gedachtheit der Gegenstände folgt weder etwas für noch gegen ihre reale Existenz. RICKERT übersieht, wenn er die gedachten Gegenstände zu bloß gedachten erniedrigt, daß er damit die Ungültigkeit des Denkens behauptet. Denn es gehört zum Wesen des realwissenschaftlichen Denkens, daß das Gedachte als unabhängig von der Gegebenheitsform der Gedachtheit existierend gedacht wird. Irrt das Denken hierin, so ist das Denken falsch. Ehe aber die Frage der Gültigkeit des setzenden und bestimmenden Denkens nicht gelöst ist, kann die Ungültigkeit dieses Denkens nicht behauptet, kann der die Grenzen einer möglichen Gegebenheit übersteigende Charakter dieses Denkens nicht geleugnet werden. Aber das Problem der Gültigkeit dieses Denkens stellt RICKERT nicht. Er lehnt es vielmehr ausdrücklich ab, im Zusammenhang der Erörterung des Problems der transzendenten Realität die Frage zu stellen, mit welchem Recht der Naturforscher Begriffe bildet von Gegenständen, die sich jeder möglichen Erfahrung entziehen. mit Külpe RICKERTs Auseinandersetzung mit KÜLPE ist geeignet, die bisherigen Ausführungen zu ergänzen und zu beleuchten. Deshalb soll sie hier einer besonderen Betrachtung unterzogen werden. KÜLPE sagt, die Setzung und Bestimmung eines transzendenten Realen beruth auf Gründen, die RICKERT nicht entkräftet hat:
Rickerts und Külpes. RICKERT stimmt KÜLPE in einem Punkt vollkommen zu: Das Dasein der Objekte ist von ihrem "Gewußtwerden durch individuelle Subjekte" unabhängig /89/. Das gilt sowohl von den wirklichen als von den außersinnlichen Objekten. Wenn KÜLPE sagt, daß wir den Dingen auch dann eine Existenz zuschreiben, wenn sie nicht von einem erkenntnistheoretischen Subjekt erfaßt werden, so meint er damit: Wir schreiben den Dingen eine Existenz zu, die nicht mit ihrer Gedachtheit identisch ist, eine Existenz, die sich jeder Möglichkeit des Gegebenseins grundsätzlich entzieht. Die Dinge existieren unabhängig davon, daß es überhaupt eine Form der Gedachtheit gibt. Sie existieren außerhalb einer Subjekt-Objekt-Relation. Die grundverschiedene Einstellung RICKERTs und KÜLPEs kommt in verblüffender Weise zum Ausdruck in dem entgegengesetzten Sinn, in welchem beide Denker von "gewußten Gegenständen" reden. RICKERT sagt, daß es nicht angeht,
Es ist nur zweierlei möglich: Entweder die Erkenntnistheorie hat die Gegenstände nur hinsichtlich ihres Gegebenheitscharakters zu betrachten: dann kann sie sich nicht mit dem Problem der Existenz dessen befassen, was etwa jenseits der Gegebenheit liegen könnte. Dann ist das Problem der transzendenten Realität ein metaphysisches Problem und vor dem Forum der Erkenntnistheorie nicht zu entscheiden. Dann wird von der Annahme einer transzendenten Realität in diesem Zusammenhang abgesehen. Das Problem ihrer Existenz wird zurückgestellt. Oder die Erkenntnistheorie befaßt sich mit dem Problem der transzendenten Realität, die jenseits aller Gegebenheit existieren könnte. Dann kann sie sich nicht darauf beschränken, die Objekte hinsichtlich ihres Gegebenheitscharakters zu betrachten. Nur auf den Gegebenheitscharakter der Objekte achten, und sagen, es gehe nicht an, in einem erkenntnistheoretischen Zusammenhang über diesen Gesichtspunkt hinauszugehen, und trotzdem vor dem Forum der Erkenntnistheorie das Problem der gegebenheitsjenseitigen Realität entscheiden, heißt: den Grundsätzen der Logik Gewalt antun. KÜLPE faßt den Begriff des Transzendenten im Sinne des Unerfahrbaren, das er nur hinsichtlich seiner von jedem Bewußtsein unabhängigen Existenz betrachtet. RICKERT leugnet das Unerfahrbare nicht, betrachtet es aber nur hinsichtlich seiner Gegebenheit. RICKERT faßt den Begriff des Gegebenen so weit, daß er die unerfahrbare Realität mit umfaßt, die ja, sofern sie gewußt ist, auch als gegeben bezeichnet werden kann, und bestreitet ihre von der Gegebenheit unabhängige Existenz. RICKERT sieht in der "Realität" nichts als eine Form des bewußten Erkennens. /64/ KÜLPE sieht in der Realität als dem Inbegriff des transzendenten Realen etwas, das unabhängig von jeder Form des Erkennens existiert. KÜLPEs Realität fügt sich RICKERTs Begriff des Immanenten nur ein, sofern sie als gewußt gegeben ist, nicht etwa sofern sie existiert. Sofern sie existiert, hat sie keinen Objektscharakter und ist nicht Inhalt des Bewußtseins überhaupt. Die Realität hat, sofern sie existiert, einen unleugbar transzendenten Charakter. Die Immanenz im Bewußtsein überhaupt kann von der Realität nur ausgesagt werden, sofern sie Objektscharakter hat. Und da das Bewußtsein überhaupt nur die Form der Bewußtheit ist, kann es auch als die Gegebenheitsform der Objekte bezeichnet werden. Und von der Gegebenheitsform der realen Objekte ist es einleuchtend, daß sie nicht ihren Existenzialcharakter betreffen kann, wenn man wie KÜLPE unter etwas Realem das versteht, was unabhängig von jeder Gegebenheitsform existiert. Dies ist der kritische Punkt, zwischen KÜLPE und RICKERT. Wenn man, wie RICKERT, die Objekte lediglich unter dem Gesichtspunkt ihrer Gegebenheitsform betrachtet, kommt man an das Problem ihrer Existenz, also ihrer Transzendenz gar nicht heran. Wer die Gegenstände grundsätzlich nur unter dem Gesichtspunkt ihrer Gegebenheit betrachtet, dem ist jede Beziehung zum Problem einer transzendenten Realität logisch abgeschnitten. RICKERT wird wahrscheinlich sagen, daß es nur Sinn macht, von erkennbaren Objekten in dem Umfang zu reden, als sie Objektform haben, und daß es keinen Sinn macht, in Betracht zu ziehen, was an ihnen außer ihrer Objektheit gegenstandstheoretisch noch sein soll. Dann übersieht er aber, daß mit dem Objektsein der unerfahrbaren realen Objekte ihre von der Objektheit unabhängige Existenz gesetzt ist. Wenn man behauptet, daß es sinnlos ist, von der Existenz von Objekten zu reden, die auch unabhängig von ihrem Objektscharakter existieren, so ist das genauso richtig, als wenn jemand behaupten wollte, daß es sinnlos ist, von einem Reiter zu reden, der auch unabhängig von seinem Pferd existiert. (Um ein bekanntes Beispiel anzwenden; vgl. /66/) Schließlich hängt alles davon ab, ob sich die Gültigkeit der Annahme einer transzendenten Realität darlegen läßt oder nicht. RICKERT sieht nicht ein,
keine Ergänzung der Bewußtseinsfragmente. Die von KÜLPE erschlossene Kontinuität ist keine solche des Gegebenen, sondern eine solche des Unerfahrbaren. Sie ist nicht eine solche der Gedachtheit des Unerfahrbaren, sondern eine solche der Existenz des Unerfahrbaren. Die von KÜLPE erschlossene Kontinuität besteht, wenn der Schluß auf sie gültig ist, unabhängig davon, daß sie als gedacht gegeben sein kann, unabhängig davon, daß es überhaupt eine Form der Gedachtheit gibt. RICKERT sagt:
der transzendenten Realität. RICKERT begnügt sich nicht damit, seine Gründe gegen die Annahme einer transzendenten Realität ins Feld zu führen, er greift auch den Begriff der transzendenten Realität an und bestreitet die Möglichkeit, ein Realitätsurteil zu begründen. Gegen den Begriff einer transzendenten Realität führt RICKERT folgende Gründe an:
2. Der Begriff der transzendenten Realität ist eine metaphysische Hypostasierung [Vergegenständlichung - wp] der "Form der Wirklichkeit". 3. Ein "urteilsjenseitiges" Reales ist undenkbar. 4. Der Begriff der transzendenten Realität ist "widerspruchsvoll". der transzendenten Realität. RICKERT sagt: Die transzendente Realität ist ein inhaltlich leerer Begriff. Als unerkennbares und eigenschaftsloses
der Form der Wirklichkeit". RICKERT sagt: Der transzendentale Realismus hypostasiert metaphysisch die Form der Wirklichkeit ohne einen zu ihr gehörigen Inhalt.
urteilsjenseitigen Realen. RICKERT sagt: Etwas Reales können wir nur denken, solange wir an den Sinn eines wahren Urteils denken. Das Realsein eines Inhalts erkennen wir erst aufgrund des Sollens im Urteilen an. Das reale Sein ist das, was als Prädikat einem "Subjekt" beigelegt wird.
Wir teilen durchaus mit RICKERT die Ansicht, daß die phänomenalistische Annahme eines unerkennbaren transzendenten Realen zu unlösbaren erkenntnistheoretischen Schwierigkeiten führt. Wir erblicken darin aber keinen durchschlagenden Einwand gegen die Annahme eines vom Urteil unabhängigen transzendenten Realen. Gewiß können wir etwas Reales nicht denken, ohne an den Sinn eines wahren Urteils zu denken. Aber daraus folgt noch nicht, daß es ohne urteilendes Subjekt ein Reales überhaupt nicht gäbe. Wir können doch denken, daß dieses Reale schon existierte, bevor wir an den Sinn dieses Urteils dachten, und daß es existieren wird, wenn wir an den Sinn dieses Urteils nicht mehr denken. Die Erwägung, daß wir nichts denken können, wenn wir nicht an den Sinn eines Urteils denken, beweist also gegen die Denkbarkeit eines vom Urteil unabhängigen transzendenten Realen gar nichts. Das Urteil hat eben die Eigenart, daß es sich auf Gegenstände beziehen kann, die, obgleich sie als Urteilsobjekte gegeben sind, doch eine von dieser Gegebenheit unabhängige Existenz haben. Daraus, daß das "reale Sein" einem Subjekt als Prädikat beigelegt wird, folgt noch nicht, daß das "reale Sein" nur Prädikat sein kann. Angenommen, RICKERT hätte recht in seiner Behauptung, daß erst durch das Urteil, welches einem Inhalt das Sein prädiziert, dieser Inhalt für uns zum Seienden werden kann, so würde daraus lediglich folgen, daß ein Inhalt, dem nicht durch ein Urteil das Sein prädiziert ist, für uns noch kein erkennbares "Sein" besitzt. RICKERT glaubt aber daraus folgern zu können, daß ein Inhalt, dem kein Sein prädiziert ist, überhaupt und ansich noch kein "Sein" besitzt (vgl. /208/). Indem RICKERT das "für uns" in die Schlußfolgerung nicht mit aufnimmt, begeht er einen offenbaren Fehlschluß. Auf diese falsche Schlußfolgerung gründet RICKERT seine Behauptung, daß alles Seiende ein als seiend Beurteiltes ist. RICKERTs Behauptung, das "Sein der Objekte" ist überhaupt nichts, wenn es nicht Bestandteil eines bejahenden Urteils ist, entbehrt jeder Grundlage. (Auf diese Frage werde ich im II. Teil dieser Schrift noch ausführlich zu sprechen kommen.) Aber selbst angenommen, die Realität wäre nur ein Urteilsprädikat, so folgt daraus noch nichts gegen die Transzendenz des Realen. Das Objekt, dem die Realität prädiziert wird, könnte also gleichwohl für sich bestehen, auch ohne daß ihm die Realität prädiziert wird. Denn das, was dem Objekt in einem Urteil prädiziert wird, könnte das Objekt auch haben, ohne daß es ihm in einem Urteil prädiziert wird. Das Reale wird nur insofern als immanentes Objekt einem urteilenden Bewußtsein zugeordnet werden können, als es Gegenstand eines Urteils ist, nicht aber sofern es existiert. Wenn RICKERT fragt, was das Urteilsprädikat "Realität" bedeuten soll ohne die Beziehung auf ein urteilendes Subjekt, so ist darauf zu erwidern: daß die Realität eben nicht nur Urteilsprädikat ist, sondern die Seins-Art des Realen, die ihm zwar in einem Urteil prädiziert werden kann, die das Reale aber auch unabhängig von jeder Prädikation hat. Das reale "Sein der Objekte" kann außer ihrem immanenten Objekt-Sein ihre transzendente Existenz bedeuten. Nun sagt RICKERT freilich:
RICKERTs Gedanken von der Undenkbarkeit eines urteilsjenseitigen Realen können wir mit unseren Worten am Besten so wiedergeben:
Wir könnten sogar noch einen Schritt weitergehen und behaupten: Es liegt im Sinne aller Sachverhaltserfassungen, daß das, was als Sachverhalt gedacht wird, unabhängig davon besteht, daß es als Sachverhalt gedacht wird, und unabhängig davon, daß es überhaupt einen Sachverhaltscharakter als Gegebenheitsform gibt. Ein Eingehen auf die Grundlage dieser Behauptung würde jedoch über den Rahmen der vorliegenden Abhandlung hinausführen. Es soll später in einem umfassenderen Zusammenhang hierauf zurückgegriffen werden. Soviel steht jedenfalls fest: aus der logischen Abhängigkeit des Gedachten vom Urteilssinn folgt nichts gegen die existenziale Unabhängigkeit des Gedachten von der Form der Gedachtheit. Der Sachverhaltscharakter bestehender Sachverhalte ist identisch mti ihrer Gedachtheit als Sachverhalt, aber nicht mit der Existenz dessen, was in Sachverhaltsform gegeben ist. Wir sehen: Der Begriff des "urteilenden Bewußtseins überhaupt" birgt infolge seiner schwierigen Faßbarkeit in noch höherem Grad als der Begriff des "Bewußtseins überhaupt" die Gefahr in sich, das Problem, um das es sich handelt, zu verschleiern. Begriff der transzendenten Realität. RICKERT sagt: Jetzt sind wir
Mit erfreulicher Schärfe zieht RICKERT den Unterschied zwischen dem "Sein" und dem "Seienden", zwischen der "Wirklichkeit" und dem "Wirklichen", zwischen der "Realität" und dem "Realen". Leidet scheidet RICKERT nicht immer mit wünschenswerter Deutlichkeit zwischen dem (gegebenen) Wirklichen und dem (transzendenten) Realen, dessen Existenz er leugnet. Das kommt besonders darin zum Ausdruck, daß er glaubt, was er für die (empirische) Wirklichkeit nachzuweisen versuchte (z. B. daß sie eine "Wertform" ist), nun einfach auf die (transzendente) Realität übertragen zu können. Ja, ich muß gestehen, daß RICKERT in mir den Argwohn erregt, als erblicke er in der (transzendentalen) Realität so etwas wie einen (unmöglichen) Spezialfall der (empirischen) Wirklichkeit. Im II. Teil meiner Abhandlung will ich RICKERTs Auffassung von der (empirischen) Wirklichkeit als "Wertform" oder "Urteilsform" einer Prüfung unterziehen. Es genügt hier, gegen die schematische Übertragung des über die (empirische) Wirklichkeit gewonnenen Ergebnisses auf die (transzendente) Realität in aller Schärfe zu protestieren. Zur Begründung dieses Protestes weise ich auf Folgendes hin: (Empirische) Wirklichkeit ist eine Art der Gegebenheit, nämlich unmittelbare Gegebenheit. (Transzendente) Realität bedeutet die Unabhängigkeit von der Gegebenheit, also ein Verhältnis, in welchem das reale Objekt zur Gegebenheit steht. Es geht nicht an, zwei so toto genere [völlig - wp] verschiedene Sachen nach demselben Schema zu behandeln. Die (transzendente) Realität ist also keine Form der Gegenstände. Sondern durch den Begriff der transzendenten Realität wird nur das Verhältnis ausgedrückt, in welchem die realen Objekte zur Gegebenheit stehen. Prädiziere ich in einem Urteil einem Objekt die Realität, so behaupte ich damit seine Unabhängigkeit von der Gegebenheit. Ich gebe damit nicht einem Inhalt die Form, sondern ich bestimme damit lediglich die Seinsart eines Objekts. Die "Realität" läßt sich sehr wohl von einem "urteilenden Bewußtsein überhaupt" loslösen; denn der Sachverhaltscharakter realer Sachverhalte ist nicht identisch mit ihrem Existenzialcharakter. Das reale Objekt hat die "Realität" unabhängig davon, ob sie in einem Urteilssinn gegeben ist oder nicht. Wenn es etwas Reales gibt, so besteht seine Existenz unabhängig davon, ob sie als Sachverhalt gegeben ist, unabhängig davon, ob es überhaupt einen Sachverhaltscharakter als Gegebenheitsform gibt. Die Realität ist also keine Erkenntnis- oder Urteilsform, wie RICKERT meint. Sondern der Ausdruck "Realität" bezeichnet gerade die Unabhängigkeit eines Objekts von diesen Formen. Der problematische Begriff der "transzendenten Realität" enthält daher nicht den Widerspruch, den RICKERT ihm zuschreibt, indem er ihn aufgrund einer ganz unzulässigen schematischen Übertragung in das Prokrustesbett seiner übrigens höchst anfechtbaren Auffassung von der (empirischen) Wirklichkeit spannt. Unter einem "bewußtseinsjenseitigen Realen" kann also ein Objekt mit Eigenschaften verstanden werden, das unabhängig von aller Gegebenheit existiert. Der Begriff des transzendenten Realen enthält so wenig einen Widerspruch in sich wie der Begriff der transzendenten Realität, in welchem nichts anderes gemeint ist als die Unabhängigkeit des Realen von jeder Form der Gegebenheit. ein Realitätsurteil zu begründen. RICKERT sagt, es sei unverständlich, mit welchem Recht wir die Form "Realität" einem Inhalt beilegen könnten, der seinem Begriff nach nie Bewußtseinsinhalt werden kann. Er fragt, was hier die Zusammengehörigkeit zwischen Form und Inhalt verbürgen soll? Damit rührt RICKERT an das fundamentale Problem der Setzung transzendenter realer Objekte, zu dessen Ergründung er sich sehr leicht hätte veranlaßt sehen können, wenn er dem Problem der Gültigkeit der Setzung unerfahrbarer Objekte mehr Interesse entgegengebracht hätte. Nun vermag sich RICKERT nicht zu denken, wie ein Urteil begründet werden könnte, in welchem die Unabhängigkeit eines Objekts von der Gegebenheit behauptet wird; offenbar deshalb, weil sich die Realität ebenso wie das reale Objekt, von dem sie behauptet werden soll, jeder Möglichkeit das Gegebensein entzieht. Wie könnte ein Urteil gefällt werden, in dem sich Subjekt und Prädikat jeder Möglichkeit des Gegebenseins entziehen? Dem gegenüber ist darauf hinzuweisen: Gedacht werden kann sowohl das reale Objekt, als auch seine Realität; und als gedacht, d. h. als Urteilsgehalt, können beide gegeben sein, weil eben das Urteil sich auf Gegenstände beziehen kann, die, obgleich sie als Subjekt und Prädikat gegeben sind, doch einen von dieser Gegebenheit unabhängigen Eigenbestand haben. Und da die Realität und das Objekt, von dem sie behauptet werden soll, als gedacht gegeben sein können, so besteht auch die prinzipielle Möglichkeit, über die Gültigkeit dieser Prädikation etwas auszumachen. Es kann untersucht werden, ob sich Gründe finden, die es rechtfertigen, diesem Objekt die Realität zu präjudizieren. Es ist wenigstens denkbar, daß ein Grund der Gültigkeit von Urteilen, in denen eine transzendente Realität behauptet wird, aufgewiesen werden könnte. RICKERT glaubt, als Ergebnis seiner Untersuchung feststellen zu können: Es sind
Rickertschen Theorie RICKERT glaubt also bewiesen zu haben, daß es keine unerfahrbaren Objekte geben kann, die eine von ihrer Gedachtheit unabhängige Existenz haben. Damit stellt er sich in einen Gegensatz zum Phänomenalismus und zum kritischen Realismus. RIEHL sagte: Man muß zwischen dem Sein der Objekte und ihrem Objektsein unterscheiden /26/. Hierzu bemerkt RICKERT treffend:
Ich behaupte also in vollem Einklang mit RICKERT:
2. Das Sein der unmittelbar wahrgenommenen Objekte erschöpft sich in ihrem Gegebensein, aber nicht in ihrem Objektsein. 3. Das Gegebensein der unerfahrbaren (realen) Objekte erschöpft sich in ihrem Objektsein. Würde sich RICKERT darauf beschränken, zu sagen:
Die Frage, um die es sich hier handelt, ist so wichtig und entscheidend, daß ich noch einmal auf das früher Ausgeführte zurückgreifen muß. Ich habe darauf hingewiesen, daß RICKERT bei der Erörterung des Problems der transzendenten Realität auf dem Boden der Phänomenologie stehe, die es ausschließlich mit dem Aufweis des Gegebenen zu tun hat. Er betrachtet ja alle Gegenstände als Inhalte des "Bewußtseins überhaupt" und sagt ausdrücklich: wir können statt "bewußt" auch "unmittelbar gegeben" sagen. Die wichtige Stelle, in der RICKERT sich selbst zur phänomenologischen Betrachtungsart bekennt, führen wir noch einmal, und zwar etwas ausführlicher, hier an. RICKERT sagt:
Soviel steht unerschütterlich fest: Solange man allein auf den Gegebenheitscharakter der Objekte achtet, kann man einen Beitrag zur Lösung des Transzendenzproblems nicht liefern. Denn die transzendente Existenz der Objekte ist ja etwas, das sich jeder Möglichkeit des Gegebenseins prinzipiell entzieht. Phänomenologische Erörterungen reichen an das Problem der transzendenten Realität nicht heran. Wer trotzdem versucht, unter alleiniger Berücksichtigung des Gegebenheitscharakters der Objekte das Problem der transzendenten Realität zu lösen, der begeht notwendig eine metabasis eis allo genos [unzulässiger Sprung auf eine andere logische Ebene - wp] und verfällt damit einem Phänomenologismus, der die Leistungsschranken der Phänomenologie übersieht. RICKERT versteht das Gegebene im Sinn der Phänomenologie (nämlich in einem vorpsychologischen und vorphysikalischen Sinn) und ist im Zusammenhang des Problems der transzendenten Realität ausschließlich Phänomenologe (da er allein auf den Gegebenheitscharakter der Objekte achtet). Insofern bestehen für ihn die Schranken der Phänomenologie, innerhalb deren es keinen Sinn hat, vom Transzendenten auch nur zu reden. Denn die Phänomenologie ist die Betrachtung des Gegebenen. Und das Transzendente ist das, was seiner Definition nach jenseits der Grenzen des Gegebenen liegt. Innerhalb der Phänomenologie ist das Fehlen oder die Unaufweisbarkeit einer transzendenten Realität eine durch die Natur der phänomenologischen Einstellung begründete sachliche Notwendigkeit. Sofern RICKERT in phänomenologischer Einstellung seiner Ablehnung der transzendenten Realität eine über die Grenzen der Phänomenologie hinausgehende allgemeinwissenschaftliche Bedeutung zuspricht, ist er Phänomenologist. unerfahrbarer Objekte als unumgänglich zur Lösung des Problems der transzendenten Realität. RICKERT stellt sehr beherzigenswerte Forderungen an die Erkenntnistheorie. Er empfiehlt den radikalen Zweifel. Die Erkenntnistheorie soll alles in Frage stellen, was bezweifelt werden kann. Sie soll so voraussetzungslos sein, als irgend möglich. RICKERT spannt aber den Begriff des Bewußtseins als den Inbegriff des Unbezweifelbaren so weit als nur irgend möglich, derart, daß nur das Transzendente als bezweifelbar übrig bleibt, im Sinne dessen, was unmöglich gegeben sein kann. Nun ist es RICKERT nicht gelungen, für die von (/106/) behauptete Ungültigkeit der Annahme transzendenter Objekte den Beweis zu erbringen. Es ist ihm nicht gelungen zu beweisen, daß die unerfahrbare Realität nur eine "Form des Erkennens" ist. Und bis zur Lösung des Problems der Gültigkeit der Annahme einer unerfahrbaren Realität bleibt die Möglichkeit der Existenz einer transzendenten Realität offen. Mit der Erkenntnis, daß die Seinsart der unerfahrbaren Objekte mit ihrer Gegebenheit möglicherweise nicht identisch ist, und überhaupt mit der Erkenntnis, daß die Gültigkeit der Annahme unerfahrbarer Objekte angezweifelt werden kann, verfallen die für RICKERT unbezweifelbaren (1) unerfahrbaren Objekte dem Zweifel. Als unbzweifelbare Wirklichkeit bleibt nur übrig, was dem Individuum gegeben ist. Die unerfahrbaren Objekte, die ja nach RICKERT "bloße Begriffe" sind, sind freilich, sofern sie begrifflich gegeben sind, unbezweifelbar. Aber die Gültigkeit der Begriffsbildung, durch welche diese Begriffe erzeugt werden, muß von einer voraussetzungslosen Erkenntnistheorie in Frage gezogen werden. RICKERT hätte nicht übel daran getan, im Zusammenhang der Erörterungen über das Problem der transzendenten Realität zu untersuchen, mit welchem "Recht" der Mann der Wissenschaft von Gegenständen redet und Begriffe von Dingen bildet, die er niemals wahrgenommen hat (vgl. /89/). Es hätte sich nicht übel gelohnt, zu untersuchen, worauf die Gültigkeit der Schlüsse auf fremdes Seelenleben beruth, und "welche Kennzeichen wir haben, um zu entscheiden, welche der immanenten Objekte Körper und welche Seelenleben sind" /109/. Denn das Nichtwahrgenommene, also auch das fremde Seelenleben, ist als solches unerfahrbar. Alle psychischen und physischen Objekte sind unerfahrbare Gegenstände: die Körper hinsichtlich dessen, was an ihnen nicht anschaulich gegeben ist; die psychischen Erlebnisse hinsichtlich ihrer Beziehungen zu einem unerfahrbaren Subjekt, die sie überhaupt erst zu psychischen Objekten machen. Da es nicht angängig ist, innerhalb einer voraussetzungslosen Erkenntnistheorie den transzendenten Existenzialcharakter der unerfahrbaren Objekte ohne Untersuchung schon als Problem abzulehnen, gehört das Problem der Setzung psychischer und physischer Objekte als integrierender Bestandteil zum Problem der transzendenten Realität. Gelänge es nämlich nachzuweisen, daß die unerfahrbaren Objekte transzendent existieren (was im Interesse der Voraussetzungslosigkeit nicht von vornherein geleugnet werden darf), so ginge daraus nachträglich hervor, wie wichtig es gewesen wäre, zu untersuchen, worauf die Gültigkeit der Setzung psychischer und physischer Objekte beruth. Denn damit wäre implizit der Grund der Gültigkeit der Setzung transzendenter Objekte überhaupt entdeckt. Ja, dies ist der eigentliche Weg, um zu ergründen, ob die Gültigkeit der Annahme einer transzendenten Realität sich darlegen läßt. Denn wie bereits gezeigt wurde, ist mit der Erschließung unerfahrbarer Objekte ihre transzendente Existenz implizit gesetzt, weil dies im Wesen des schließenden Denkens liegt. Das Problem der Gültigkeit der Erschließung unerfahrbarer Objekte ist also in der Tat das Problem der transzendenten Realität. Leider hält RICKERT die Untersuchung dieses Problems im Zusammenhang des Problems der transzendenten Realität für gänzlich belanglos und lehnt seine Erörterung grundsätzlich ab /89/ und /109/. Da RICKERT die fundamentale Bedeutung dieses Problems für die Lösung des Problems der transzendenten Realität gänzlich verkennt, können wir uns der Erkenntnis nicht verschließen: Das Problem der transzendenten Realität ist von RICKERT in seinem punctum saliens [Kernpunkt - wp] gar nicht gesehen, geschweige denn gelöst worden. Unter dem Gesichtspunkt des erkenntnistheoretischen Subjekts kommt man an die Objekte immer nur heran, sofern sie gedacht sind, nicht sofern sie existieren. Unter diesem Gesichtspunkt kommt man also an das Existenzialproblem des Realen gar nicht heran. Sofern also RICKERTs Ausführungen unter dem Gesichtspunkt des erkenntnistheoretischen Subjekts stehen, können sie einen Beitrag zur Lösung des Problems der transzendenten Realität nicht liefern. transzendenten Realität. Wir haben gesehen, daß die Realität nicht die "Form" des (transzendenten) realen Objekts ist, sondern daß durch die Prädizierung der Realität die Seinsart eines Objekts bestimmt wird. Die (transzendente) Realität ist also nicht die Objektsform des realen Objekts, sondern dessen Unabhängigkeit von der Gegebenheit. Ebensowenig, wie die (empirische) Wirklichkeit die Objektform des wirklichen Objekts ist, sondern dessen Gegebenheitsart. Die Objektform des realen Objekts ist also etwas anderes als dessen Realität. Das reale Objekt hat Objektsform, nicht sofern es existiert, sondern sofern es gedacht ist. Die Objektform des realen Objekts, wie jedes Objekts überhaupt, erschöpft sich in seiner Gedachtheit, in seinem Begriff. Wir können also beim transzendenten Realen, sofern es als gedacht oder begrifflich gegeben ist, und sofern ihm reale Eigenschaften zugeschrieben werden, ebensogut zwischen Form und Inhalt unterscheiden, wie beim unmittelbar gegebenen Wirklichen. Damit ist die von RICKERT gestellte Bedingung seiner "Verständlichkeit" gesichert. Das transzendente Reale ist weder eine inhaltslose Form, wie die begrifflich gegebenen, nicht existierenden unerfahrbaren Größen RICKERTs; noch ist es, sofern es gedacht ist, ein formloser Inhalt. Der Umstand aber, daß das transzendente Reale eine Objektform hat, mach seinen Begriff nicht "unvollziehbar"; denn es hat diese Form ja nur, sofern es gedacht ist. Seine transzendente Existenz ist nicht dadurch gefährdet, daß es, sofern es als gedacht gegeben ist, Objektform hat und im Urteilsgehalt auftaucht. Das reale Objekt darf nicht verwechselt werden mit der Realität, die es hat. Transzendenz oder Realität ist die Unabhängigkeit von der Gegebenheit, und real ist das Objekt, das diese Unabhängigkeit hat. RICKERT will den Versuch aufgeben, den Begriff der transzendenten Realität auch nur als den eines Problems zu bewahren. Wir haben zu zeigen versucht, daß es ihm überhaupt nicht gelungen ist, die transzendente Realität ernsthaft als Problem zu erfassen. Indem er sich mit vollem Bewußtsein ausdrücklich darauf beschränkt hat, die Gegenstände nur hinsichtlich ihres Gegebenheitscharakters zu betrachten, hat RICKERT von vornherein darauf verzichtet, die transzendente Realität auch nur als Problem zu begreifen /21f, 21 Anm./. Ursache der anti-realistischen Tendenz Rickerts. RICKERT sagt: Man glaubte, das Erkennen müsse sich nach dem Realen richten. "Diesen Erkenntnisbegriff mußten wir zerstören." Um sich beim Urteilen nach dem Realen richten zu können, müßte man bereits wissen, was existiert, oder geurteilt haben, und dann braucht man keinen Maßstab für das Urteilen mehr /216/. RICKERT beging den Fehler, das Problem der transzendenten Realität mit dem Problem des Maßstabs der Erkenntnis zu verquicken. In dem einen Punkt gebe ich RICKERT vollkommen recht, daß das Erkennen nicht eine transzendente Realität als Maßstab seiner Gültigkeit benutzen kann. Die Abweisung des Irrtums, daß die Wahrheit einer Erkenntnis in ihrer Übereinstimmung mit transzendenten realen Objekten bestehen kann, ist RICKERTs unbestreitbares Verdienst. Es ist irrig, daß die Wahrheit einer Erkenntnis in ihrer Übereinstimmung mit transzendenten realen Objekten besteht. Die transzendente Realität selbst kann nicht der Maßstab der Gültigkeit ihrer Setzung und Bestimmung sein. Aus der logisch berechtigten Absicht, diesen Irrtum zu bekämpfen, ist die Leidenschaft zu begreifen, mit welcher RICKERT sich gegen die Annahme einer transzendenten Realität wendet. Die Tatsache, daß RICKERT in der Einstellung auf das Problem vom Maßstab der Erkenntnis an das Problem der transzendenten Realität herantrat, liefert eine psychologische Erklärung dafür, weshalb es ihm nicht gelungen ist, das Problem der transzendenten Realität in seiner Reinheit zu erfassen. RICKERTs Interesse richtet sich eben gegen diejenige Theorie der Wahrheit, die man als Übereinstimmungstheorie bezeichnen könnte. Indem RICKERT nun die Annahme einer transzendenten Realität als Maßstab der Erkenntnis bekämpfte, schoß er - das ist wohl das Schicksal originaler Denker - über das Ziel hinaus und wandte sich gegen die Annahme einer transzendenten Realität überhaupt, ohne sie als ein von anderen Fragen reinlich geschiedenes Problem erfaßt zu haben. RICKERT versteht gar nicht, wozu das Problem der transzendenten Realität gestellt wird, wenn nicht als Problem des Maßstabes der Erkenntnis. Tatsächlich verträgt sich die Annahme einer transzendenten Realität sehr gut mit RICKERTs Auffassung von der Wahrheit als Sollensgemäßheit. Begreifen wir die Wahrheit als Gültigkeit von Setzungen und Bestimmungen, die auf einem transzendenten Sollen beruth, so erscheint es nicht von vornherein als ausgeschlossen, daß das transzendente Sollen die Setzung und Bestimmung einer transzendenten Realität fordert, und damit die Wahrheit transzendenter Setzungen begründet. Die Ablehnung der transzendenten Realität entspringt bei RICKERT, dem originalen Vorkämpfer des Wertcharakters der Wahrheit, nicht der reinen Hingabe an das transzendente Sollen. RICKERT zog die Möglichkeit nicht Erwägung, daß, obwohl sich das Erkenne nach dem Sollen zu richten hat, das Erkannte doch unabhängig vom Sollen existieren kann. Gewiß ist, wenn das Erkennen vom Sollen abhängt, auch das Erkannte vom Sollen abhängig, aber doch nur sofern es erkannt ist, d. h. als Erkenntnisobjekt. Ob aber das Erkannte nichts ist als ein Erkenntnisobjekt, ob es nicht vielleicht unabhängig von seinem Erkanntsein eine Existenz hat, das ist das größte Problem, dessen Lösungsmöglichkeit RICKERT sich durch die ausschließliche Einstellung auf den Gegebenheitscharakter der Dinge systematisch verbaut hat. ![]()
1) Unbezweifelbar sind die unerfahrbaren Objekte für Rickert, weil er sie nur betrachtet, sofern sie als gedacht gegeben sind. Sofern sie unabhängig von der Gedachtheit existieren, sind sie dem Zweifel ausgesetzt. Daß sie nicht unabhängig von der Gedachtheit existieren, hat Rickert nicht bewiesen. |