p-4M. SchießlH. MaierTh. ZieglerA. HorwiczG. K. Uphues    
 
PAUL STERN
Einfühlung und Assoziation
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    Kapitel I - Der Einfühlungsgedanke in der Romantik
Kapitel II - Übergang vom Symbolbegriff zum Einfühlungsbegriff
Kapitel III - Die psychologische Tendenz bei Robert Vischer
Kapitel IV - Die Gestaltung des Gewonnenen
Kapitel V - Die Formulierung der Einwände gegen die Psychologie
Kapitel VI - Warum die Assoziation nicht ein bewußtes ...
Kapitel VII - Wie Assoziation und Gefühl zusammenhängt.
Kapitel VIII - Warum Assoziation nicht nur einen rein zufälligen ...
Kapitel IX - Zusammenfassung

"Noch eine weitere Art, wie unbewußte Vorstellungen sich geltend machen können, müssen wir dabei berücksichtigen. Sie können zu einer Modifikation des Gesichtsbildes selber führen. Jener Mensch mag für den oberflächlichen Betrachter schön sein, wie ein Apoll; die Erfahrungen, die man an ihm gemacht hat, lenken die Aufmerksamkeit in zwingender Weise auf diejenigen Züge seines Gesichtes, diejenigen Arten seiner Bewegungen, welche äußerlich bereits das Stigma mißlicher Charaktereigenschaften zu sein pflegen."


Dritter Abschnitt
Kapitel VI.
Zurückweisung des ersten Einwandes:

Warum die Assoziation nicht ein bewußtes
Nebeneinanderbestehen von Vorstellungen bedeutet.

Wie haben wir uns nun aber tatsächlich die Wirkung der Assoziation zu denken? - Besteht zwischen zwei Vorstellungen eine Assoziation, so muß, wenn die eine derselben angeregt wird, notwendig auch die andere angeregt werden. Die erste wird als reproduzierendes Moment für die zweite fungieren.

Aber, so könnte man einwenden, wenn sie das wirklich täte, so müßte mit jeder im Bewußtsein auftauchenden Vorstellung die ganze Menge aller der Vorstellungen reproduziert werden, die zu jener ersten in assoziativer Beziehung stehen. In der Tat geschieht das nicht. Es ist möglich, daß eine Vorstellung allein sich im Bewußtsein behauptet; wo bleiben die assoziierten? Und so weiter könnte man meinen, es hänge doch noch von anderen Ursachen als allein der Tatsache der Assoziation ab, ob eine Vorstellung die andere hervorrufe oder nicht.

Auf der Frage ersten Teil: wo bleiben die assoziierten und doch nicht zum Bewußtsein gelangenden Vorstellungen, würden wir antworten: im Unbewußten. Was ist damit gemeint? Der zeitliche Ablauf aller Phänomene zwingt uns zu der Annahme, daß die Inhalte unserer Vorstellung zeitlich entstehen und weiter müssen wir annehmen, daß sie durch  seelische Tätigkeit  (1) entstehen; ferner zeigt die Selbstbeobachtung, daß diese seelische Tätigkeit nicht immer, sondern nur unter besonders "günstigen Umständen" (2) dazu führt, separate Bewußtseinsinhalte zu erzeugen. Diese Theorie des Unbewußten ist des Genaueren von THEODOR LIPPS in den Grundtatsachen des Seelenlebens (3) [vgl. besondern Kapitel VII] anhand von Tatsachen entwickelt worden. Wir gehen im folgenden nur insoweit auf sie ein, als das für das Verständnis der vorliegenden Probleme erforderlich scheint. Nehmen wir ein Beispiel. Das Gesicht eines fremden Menschen fällt mir auf. Es kommt mir bekannt vor, erscheint mir unangenehm und ich weiß nicht warum. Später fällt mir ein, daß ich irgendwann einmal, vielleicht auf der Reise, mit diesem Menschen einen unangenehmen Zusammenstoß hatte. Die nachträgliche Erinnerung an diesen Zusammenstoß ist, wie jeder zugeben wird, die Wirkung einer Gleichzeitigkeits-Assoziation. Was aber ist jenes Gefühl der Bekanntheit und Unannehmlichkeit  vor  der tatsächlich bewußten Erinnerung? Worauf beruth es? Doch wohl auf nichts anderem, als der Wirkung eben jener Assoziation! Nur daß, solange es bei diesem unverstandenen Gefühl bleibt, die an das Wahrgenommene assoziierte Vorstellungsgruppe sich noch nicht mit genügender Stärke durchgesetzt hat, um in einen gesonderten Bewußtseinsinhalt überzugehen. Trotzdem modifiziert sie durch ihr Aufstreben sowohl die Art des Auftretens der Vorstellung des erblickten Gesichtes in meinem Bewußtsein -, als auch die Art meines dieselbe begleitenden Gefühlszustandes. Bereits hierin müssen wir eine Wirkung jener Assoziation anerkennen.

Nun bleibt der zweite Teil unseres Einwurfes zu beantworten;  warum  gelangte die assoziierte Vorstellung nicht unmittelbar zu Bewußtsein? Wie kann sie überhaupt von diesem ausgeschlossen bleiben?

Diese Frage ist durch den Hinweis auf den bereits berührten Zusammenhang zwischen den einzelnen Vorstellungen und dem seelischen Wesen als Ganzem zu beantworten. Das Vorstellen ist eine Kraft erfordernde Tätigkeit. Diese Kraft muß aufgebracht werden von einem seelischen Wesen. Wie dieses selbst, so ist auch die ihm eigene Kraft begrenzt. (4) Werden nun von einem Bewußtseinsinhalt aus gleichzeitig viele assoziative Vorstellungen, bzw. Vorstellungstätigkeiten angeregt, so ist damit eine Zersplitterung der seelischen Kraft involviert, der zufolge den einzelnen miterregten Vorstellungen kein zum Bewußtwerden ausreichendes Quantum jener Kraft mehr zufallen kann. Dabei sind doch die auch jetzt noch den einzelnen Vorstellungen zufallenden Quanta nicht etwa unter sich gleich, vielmehr bestimmt durch die Wechselwirkung zweier Faktoren (5). Einmal durch die Energie, mit der das reproduzierende Moment  a  auf das assoziierte  b  hinwirkt, zweitens durch das Entgegenkommen, das dieses  b  für sich allein und abgesehen vom zufällig vorliegenden Zusammenhang seitens des seelischen Wesens, der Gesamtpersönlichkeit, der Individualität mit ihren Anlagen, Neigungen, Dispositionen etc. findet.

Schon aus dem Gesagten ergibt sich, daß die Assoziation, wo sie wirksam wird, durchaus nicht zu einem dualistischen Verhältnis, zu einem Nebeneinander bewußter Vorstellungen zu führen braucht. Vielmehr können die assoziierten Vorstellungen in Form unbewußt bleibender Erregungen wirksam werden. Sie manifestieren sich dann im Bewußtsein als Gefühl oder Stimmung.

Ein Einwand wäre indessen hier noch möglich. Vertiefte ich mich nämlich in die Betrachtung des mir unangenehmen Gesichtes, bis die Erinnerung an jenen Zusammenstoß in mir wach würde, so erlebte ich plötzlich, daß sich meine Aufmerksamkeit zugunsten dieser Erinnerung von der unmittelbaren Betrachtung des Gesehenen abwandte. Verhielte es sich bei der ästhetischen Anschauung in gleicher Weise, so müßte sie sich umso rascher in einzelne Erinnerungen auflösen, je energischer ich in sie eintrat - die Möglichkeit, sie durch Assoziationen zu erklären, wäre wiederum hinfällig.

Aber auch dieser Einwand entspräche nur einer unberechtigten Verallgemeinerung. Jenes Gesicht erhielt seinen eigentümlichen unangenehmen Ausdruck für mich durch eine einzelne frühere Erfahrung. Dieses Alleinstehen enthebt dieselbe in gewissem Grad der sonst hemmenden Konkurrenz (6) im Aufstreben zum Bewußtsein. Aber nicht jede assoziativ erregte Vorstellung hat gleichermaßen freie Bahn.

Nehmen wir an, ein Mensch kommt uns vor die Augen, der durch eine ganze Reihe häßlicher Wesensäußerungen seinen Charakter komprimittiert hat. Auch er wird uns unmittelbar unangenehm erscheinen, vielleicht sogar intensiver unangenehm, als jener erste. Aber die einzelnen Erfahrungen, die ihn uns unangenehm erscheinen lassen, hemmen sich wegen ihrer Vielheit gegenseitig im Bewußtwerden. Jede beansprucht und erzwingt ihr Quantum seelischer Kraft und schließlich bleibt für keine genug, um ihr zu ermöglichen, der von außen erregten Vorstellung jenes Menschen im Bewußtsein genügende Konkurrenz zu machen, (7) populärer gesprochen, die Aufmerksamkeit von seiner Betrachtung abzuziehen. Diese Reihe unbewußter Vorstellungen gelangt dann - ebenso wie im vorigen Falle die einzelne Erinnerung vor ihrem Eintritt ins Bewußtsein - in der Weise zur Geltung, daß sie den allgemeinen Gefühlscharakter der Wahrnehmung modifiziert.

Noch eine zweite Art, wie unbewußte Vorstellungen sich geltend machen können, müssen wir dabei berücksichtigen. Sie können zu einer Modifikation des Gesichtsbildes selber führen. Jener Mensch mag für den oberflächlichen Betrachter schön sein, wie ein APOLL; die Erfahrungen, die man an ihm gemacht hat, lenken die Aufmerksamkeit in zwingender Weise auf diejenigen Züge seines Gesichtes, diejenigen Arten seiner Bewegungen, welche äußerlich bereits das Stigma mißlicher Charaktereigenschaften zu sein pflegen. Diese treten dadurch besonders eindringlich hervor - man überschätzt sozusagen ihr objektives Gewicht - und gewinnen für den Aspekt des ganzen Menschen bestimmende Bedeutung.

Verallgemeinernd dürfen wir also behaupten, je größer die Zahl assoziativer Vorstellungen ist, welche anläßlich einer Wahrnehmung gleichzeitig in Erregung versetzt werden, umso weniger haben die einzelnen untern ihnen Anwartschaft auf selbständige Bewußtheit; umso weniger ist Gefahr, daß sich die Einheitlichkeit des Eindrucks "das Ineinander" in einer Abfolge von Erinnerungsvorstellungen, dem "Neben- oder Nacheinander", verliere. Umso unvermeidlicher ist es andererseits, daß jene Assoziationen auf die Art meiner Auffassung des gegebenen Objektes einen unmittelbar bestimmenden Einfluß ausüben. (8)


Kapitel VII.
Zurückweisung des zweiten Einwandes:

Wie Assoziation und Gefühl zusammenhängt.

Es gilt nun, den Zusammenhang zwischen Vorstellung und Gefühl des weiteren zu verfolgen und die Art seiner Stellung zum "Zentrum unseres Ich", dem "Quellpunkt unseres Wesens" aufzuzeigen. Zunächst erinnern wir uns der Behauptung, bloße Vorstellungsbeziehungen könnten aus sich heraus niemals zu jenem dunklen Bewußtseinszustand, zu jenem geistigen Vitalgefühl werden, welches wir Stimmung heißen! (9)

Das Gefühl hatte sich uns im vorigen Kapitel als ein Bewußtseinsreflex dargestellt, der ungesonderte Komplexe aufstrebender Bewußtseinsinhalte begleitet, gewissermaßen ihren Vorgeschmack bildet. Nun wäre es freilich verfehlt, das Gefühl auf das bloße  Dasein  ungesonderter Bewußtseinsinhalte als solcher zurückführen zu wollen. Dissonierende Töne erwecken trotz völliger Bewußtheit ein höchst unangenehmes Gefühl. Gesetzt auch, daß sie die Erinnerung an andere, früher von uns durchgemachte Unannehmlichkeiten anklingen ließen, so würden doch die dissonierenden Töne selbst nicht erst hierdurch unangenehm. Vielmehr wäre der Umstand, daß sie gerade Unannehmlichkeiten erinnerlich werden lassen und damit also auch das ihnen anhaftende Unlustgefühl, seinem Grundcharakter nach bereits durch sie allein bestimmt und gefordert. Das faktische Bestehen jenes Gefühles wird freilich nicht ohne eine Resonanz im Unbewußten möglich; auf die Gründe hierfür werden wir noch zurückkommen.

Nun führt die Psychologie Lust und Unlust auf Übereinstimmung und Gegensatz, oder was dasselbe besagt, auf Förderung und Hemmung von Vorstellungen zurück. Vorstellungen können bei ihrem Aufstreben zum Bewußtsein Förderung oder Hemmung finden entweder durch gleichzeitige oder vorangehende Vorstellungen oder durch die Gunst oder Ungunst, welche ihnen das seelische Wesen von Haus aus und als Ganzes entgegenbringt. Das letzte kommt besonders für die Gefühlsbetonungen einzelner Empfindungen in Betracht. Freilich ist auch, wenn wir, dem ersten Fall gemäß, von der gegenseitigen Förderung oder Hemmung von Vorstellungen durch Vorstellungen sprechen, dies nur ein bequemerer Ausdruck für die Leichtigkeit oder Schwierigkeit, mit der die Seele als Ganzes jene Vorstellungen gleichzeitig, bzw. in unmittelbarer Folge hervorbringt. Hierzu nämlich muß sie eine ihr leichter oder schwerer fallende, allgemeine Erregungsweise eingehen. Diese Leichtigkeit oder Schwierigkeit offenbart sich sozusagen im Gefühl. (10)

Das einfachste Beispiel für das, was wir meinen, bietet die Tonwelt. Töne können der Vereinigung in einem Bewußtseinsmoment widerstreben, sie können dissonieren. Wo sie es tun, erleben doch nur wir unmittelbar die Schwierigkeit, die Einheitlichkeit unserer Auffassung zu wahren. Wir erfahren, obzwar in einer anderen Form, im  Gefühl  dieser Schwierigkeit diejenige Beziehung zwischen den Tönen, welche die wissenschaftliche  Erkenntnis  auf den Gegensatz der ihnen zugrunde liegenden Schwingungsrhythmen zurückführt, indem sie annimmt, daß diese letzteren "in gewisser Weise in die Region des Unbewußt-Psychischen hinüberklingen" und die "Art des Ablaufs", - den "Rhythmus" der psychischen Erregung des Hörens beeinflusse. (11)

Der Zusammenhang zwischen Gefühl und Vorstellungsablauf läßt sich nun aber weiter verfolgen. Es ist bekannt, daß wir eine Melodie als solche erkennen, auch wenn wir sie in einer Tonart hören, in der wir sie früher nie gehört haben. Kein einzelnes Element der Melodie ist hier dasselbe geblieben, wir können also nicht diese einzelnen Elemente dafür verantwortlich machen, daß wir die Melodie trotz der Transposition als solche erkennen. Die zwischen den beiden Melodien oder den sie konstituierenden gleichartigen Tonfolgen bestehende Verbdingung kann sonach in keiner Weise als Erfahrungs-Assoziatione gedacht werden. Sie ist vielmehr eine Assoziation aufgrund der Ähnlichkeit. Diese aber besteht in unserem Fall in der Übereinstimmung jener Tonfolgen hinsichtlich der zwischen ihren einzelnen Tönen vorliegenden Beziehungen. Nun bedeutet das System solcher Tonbeziehungen für die Psyche einen bestimmten Rhythmus oder eine bestimmte Art der psychischen Gesamterregung. Ferner bestimmen, wie wir oben gezeigt haben, solche allgemei psychischen Erregungsweisen das Gefühl.

Daraus ergibt sich ein wichtiger Zusammenhang zwischen Gefühl und Assoziation: eben diese allgemeinen Erregungsweisen oder Rhythmen eines seelischen Gesamtgeschehens sind die hauptsächlichsten Träger der Assoziationen der Ähnlichkeit. Danach muß jedes Gefühl, seine tatsächliche Herrschaft im Bewußtsein vorausgesetzt, notwendig mit dem Anklingen aller möglichen Bewußtseinskomplexe verbunden sein, die dem, an welchen es sich ursprünglich heftete, ähnlich sind und zwar ähnlich hinsichtlich des in ihnen verwirklichten allgemeinen Rhythmus des seelischen Geschehens.

Diese letzte Beschränkung brauchte nun aber gar nicht erst hinzugefügt werden, wenn man den Begriff der Ähnlichkeits-Assoziation von vornherein in der nötigen Strenge faßte. Will man das, so ist nur nötig, die im Grunde selbstverständlichen Forderungen zu betonen, daß assoziierte Vorstellungskomplexe nur dann als durch Ähnlichkeits-Assoziation verknüpft betrachtet werden dürfen, wenn sie unmittelbar als  ganze  und wenn sie wirklich durch Ähnlichkeit einander assoziiert sind. Bringt man diese Forderungen in Anschlag, so fällt der Begriff der Ähnlichkeits-Assoziation mit dem inhaltreicheren der "Ähnlichkeits-Assoziation aufgrund der gleichen psychischen Erregungsweisen" zusammen.

Andererseits scheidet man dadurch mit einem Schlag jene mannigfachen Assoziationen aus dem Bereich der Ähnlichkeits-Assoziationen aus, die nur eine oberflächliche Betrachtungsweise im allgemeinen diesem Bereich zuzusprechen pflegt. Zur Erläuterung und als Beispiele solcher Assoziationen führen wir folgendes an.

Wir gehen etwa von der Vorstellung des Münchner Rathauses über zur Vorstellung des von uns als ähnlich  erkannten  in Brüssel; oder wir nennen zwei Hunde als ganze ähnlich, weil sich beide durch besondere Länge des Schwanzes auszeichnen. Ist hier, so frage man sich, der Übergang von der Vorstellung des Münchner Rathauses zu der des Brüssler etwas als Folge einer bloßen Ähnlichkeits-Assoziation aufzufassen? Nach der zweiten der oben geforderten Beschränkungen ist die Frage zu verneinen. Was in unserem Beispiel vorliegt, ist eine Assoziation der Gleichzeitigkeit. Die Vorstellung des Münchner Rathauses war mit der des Brüssler in einem früheren Bewußtseinsmoment gleichzeitig gegeben und wurde damals "als ähnlich" beurteilt. Jenes gleichzeitige Gegebensein führt, in unserem Beispiel wenigstens, zur nunmehrigen Reproduktion. - Daß in anderen Fällenn daneben auch die Ähnlichkeits-Assoziation bei entsprechenden Vorstellungsfolgen mitwirken könne, soll damit nicht geleugnet sein, wohl aber muß betont werden, daß es Fälle des Übergangs von Ähnlichem zu Ähnlichem gibt, in denen sich tatsächlich nicht mitwirkt oder wenigsten nicht das eigentlich Wirkende ist. Derartige Übergänge sind damit aus der Zahl der hier für uns in Betracht kommenden Assoziationen gestrichen.

Etwas anders verhält es sich im Fall der Hunde mit den langen Schwänzen. Gehe ich hier von der Vorstellung des einen zu der des andern über, so ist wiederum die Ähnlichkeits-Assoziation nicht mehr für sich allein wirksam. Sie führte in unserem Beispiel vom Schwanz des einen Hundes zu dem des andern; dann aber mußte dieser andere Hund erst von der Vorstellung seines Schwanzes aus mit Hilfe der Erfahrungs-Assoziation rekonstruiert werden. Auch hier also hätten wir es nicht mit jener Ähnlichkeits-Assoziation im strengen Sinne zu tun, die wir oben determiniert und als notwendige Begleiterin aller Gefühle erkannt haben.

BIESE (12) sagt einmal, beim Lesen eines lyrischen Gedichtes geraten die Saiten meines Ich in Schwingung. Wir verstehen jetzt, was damit psychologisch einzig gemeint sein kann. Was hier in Schwingung gerät, das sind genauer gesagt, eben jene durch  Ähnlichkeits-Assoziation  der bezeichneten Art mit dem Gegebenen verknüpften Vorstellungskomplexe. Ihrem Anklingen verdanken wir überhaupt erst den dauernden Genuß eines bestimmten Gefühls. Das Eintreten unähnlicher Vorstellungskomplexe würde nämlich die den ganzen Bewußtseinsinhalt tragende, allgemeine psychische Erregungsweise und mit ihr ohne weiteres jenes Gefühl modifizieren, d. h. zugunsten irgendeines anderen zurückdrängen; in diesem Zusammenhang leuchtet die psychologische Notwendigkeit der alten Forderung ein, sich während der ästhetischen Betrachtung von allen empirischen Interessen frei zu halten.

Gewinnt ferner jene psychische Resonanz an Dauer, erweist sich, anders ausgedrückt, die Ähnlichkeits-Assoziation über eine größere Zeitspanne hin und über die Bewußtheit des ursprünglich gefühlsbestimmenden Vorstellungskomplexes hinaus als ausschlaggebend für den Ablauf der Vorstellungen, so haben wir genau das, was der gewöhnliche Sprachgebrauch als Stimmung bezeichnet; so führt der Gedankengang des Heiteren wieder und wieder zur Vorstellung heiterer Zustände und Begebenheiten.

Die Ähnlichkeits-Assoziation ist nun für das ästhetische Verhalten von höchster Bedeutung. Eine Tonfolge, die ich in Cis-dur höre, so sahen wir bereits, konnte mich aufgrund der Ähnlichkeit an die analoge Tonfolge in F-dur erinnern, die ich wirklich einmal gehört habe. Hier wirkt die Ähnlichkeits-Assoziation nur im Dienste des Gedächtnisses. Ich kann aber auch die Tonfolge nur einmal in F-dur gehört haben und mir dann doch die analoge in Cis-dur vorstellen. Hier liegt eine weitere Leistung der Ähnlichkeits-Assoziation vor. Sie bewirkte, daß ich das Schema von Beziehungen, welches die ursprünglich gehörte Tonfolge zusammenhielt, mit einem materiell geänderten Inhalt erfüllte. Freilich war die Änderung in diesem Fall nocht nicht sehr groß, es wurden Töne für Töne gesetzt. Es könnten dafür aber etwa auch menschliche Handlungs- oder Äußerungsweisen gesetzt werden, deren Vorstellung die gleiche seelische Erregungsweise wie die Vorstellung jener Tonfolge verwirklichte. So gibt es Leute, die unwillkürlich zu jeder Musik einen literarischen Inhalt erträumen. Umgekehrt kann das formale Schema der psychischen Beziehungen, die eine dramatische Handlung bzw. die in ihr erregten Äußerungen der handelnden Personen zusammenhalten, mit analogen musikalischen Gebilden erfüllt werden, wie in der WAGNERschen Kunst. Nur darf die Analogie nicht zu weit ins einzelne getrieben werden, weil hier, der Verschiedenheit der inhaltlichen Elemente zufolge, keine Gleichheit der zusammenhaltenden Beziehungen mehr möglich ist. Was sonst entsteht, ist auf der einen Seite etwa "Programm-Musik", auf der anderen das für Lyrik ausgegebene Gestammel mancher Modernen.

Einer spezielleren Folge der Ähnlichkeits-Assoziation müssen wir hier noch gedenken. Ich kann den Rhythmus einer Melodie auch erfüllen mit den Vorstellungen solcher Leibesbewegungen, die ihm entsprechend akzentuiert und bemessen sind. Ich kann dieselbe inbesondere im Tanz verwirklichen. Es handelte sich dabei allerdings um einen im gegebenen Moment erfundenen Tanz. Der gewöhnliche Tanz wäre wiederum deshalb für die Ähnlichkeits-Assoziation kein einwandfreies Beispiel, weil der Zusammenhang zwischen seiner Ausübung und dem gehörten Rhythmus entweder im Tanzunterricht oder zumindest in der Betrachtung Tanzender  erfahrungsmäßig  gegeben wurde. Der unter dem Eindruck der Musik frei erfundene Tanz hingegen wäre ein Produkt der Ähnlichkeits-Assoziation im strengen Sinne.

Wir sind mit dem Gesagten, wie man sieht, zur psychologischen Betrachtung der Phantasievorgänge vorgeschritten. Zweierlei ist damit bereits für die Erkenntnis des Einfühlungs-Aktes, zuvörderst noch im Sinne des inneren Nacherlebens, gewonnen.

Noch VOLKELT hatte das ästhetische Gefühl auf die allgemeine körperliche Resonanz folgen, es aus ihrer Vertiefung herauswachsen lassen. Nach dem Vorigen ist klar, daß die körperliche Resonanz, wo sie eintritt, vielmehr selbst erst als speziellere Folge der von der Ähnlichkeits-Assoziation veranlaßten, allgemeinen psychischen Resonanz zu betrachten und daß diese, wie das mit ihr zur Geltung gelangende Gefühl, in ihrer Eigenart bedingt ist durch die Beziehungen der Übereinstimmung oder des Gegensatzes, welche der die ästhetische Betrachtung fesselnde Vorstellungskomplex aufweist; anders ausgedrückt: durch die psychische Erregungsweise, mit welcher die Vorstellung jenes Komplexes, als  Erlebnis  betrachtet, identisch ist, und die von sich aus zum Anklingen analoger Erlebnisse weiterleitet. (13) Wir vollziehen damit eine Anerkennung des FECHNERschen direkten Faktors, freilich nur für Töne, Farben und Rhythmen, nicht wie FECHNER auch für die geometrischen Formen. Wie weit wir gerade in diesem Punkt vom historischen Formalismus entfernt sind, werden unsere späteren Ausführungen zeigen.

Wir haben bereits die übliche Einteilung der Gefühle in Lust- und Unlust-Gefühle im Zusammenhang mit anderen psychologischen Tatsachen verständlich zu machen gesucht. Vielfach hat man nun den Gegensatz von Lust und Unlust als die einzig angebbare Differenz zwischen verschiedenen Gefühlen hingestellt. Man vergaß dabei, daß bereits mit den Ausdrücken der Übereinstimmung und des Widerstreits psychische Tatsachen bezeichnet waren, die nur unter der Annahme eines zugrunde liegenden Strebens denkbar sind. Dieses muß also gleichfalls Unterschiede der Gefühle begründen können. Dasselbe stellt sich zwar zunächst und dem Ausdruck nach dar als ein Streben der einzelnen in Betracht kommenden Vorstellungen. Erinnern wir uns aber, daß diese Vorstellungen ihre Kraft eben doch vom seelischen Wesen als Ganzem zu Lehen tragen, bzw. selbst nicht denkbar sind, denn als Äußerungen dieser allgemeinen seelischen Kraft, (14) so leuchtet ein, daß auch ihre Hemmungen und Widerstreite und damit das ihnen zugrunde liegende Streben des gesamten seelischen Wesens selber. Das Streben und Widerstreben unserer Vorstellungen ist eben unser Streben oder Widerstreben.

Die betreffenden Vorstellungen bzw. Wahrnehmungen können nun entweder sofort hineingezogen werden in den Kreis unserer empirischen Interessen. Wir können aufgrund ihres Lust- oder Unlustcharakters zu dem Wunsch gelangen, sie zu erhalten oder zu unterbrechen. Insofern wir es tun, würden wir sie nur als angenehm oder unangenehm beurteilen. Unser Verhalten wäre dabei kein ästhetisches. Jene empirischen Interessen brauchen nun aber nicht die Oberhand im Bewußtsein zu gewinnen. Insoweit sie es nicht tun - wir betonen übrigens, daß es sich hier um graduelle Unterschiede handelt - kann das Gefühl zu einem ästhetischen werden. Dieser Prozeß liegt damit notwendig über jeden Formalismus hinaus.

Wir müssen, um ihn zu kennzeichnen, weiter bei der Untersuchung des Gefühls verweilen. Streben und Widerstreben waren uns unmittelbar im Gefühl gegeben. Folglich müssen die möglichen Modifikationen des Strebens im Gefühl zum Ausdruck kommen. Sie sind es dann auch, welche ihm seine aus bloßen Gradunterschieden niemals verständliche Modifizierbarkeit sichern. Insofern ein Gefühl Elemente des Strebens enthält und jedes Gefühl enthält deren, nennen wir es Willensgefühl. Die praktische Mannigfaltigkeit dieser Willensgefühle braucht nicht erst deduziert zu werden. Mein Willensgefühl ist ein anderes, wenn ich leichte Hindernisse in arbeitsfroher Tätigkeit aus dem Weg räume, als wenn ich unter hartem Druck mißlicher Verhältnisse meine Widerstandskraft in erfolglosem Ringen verzehre. Uns gilt es, diese Unterschiede von einem höheren Gesichtspunkt aus zu überblicken.

Wir haben bereits den Vorstellungs-Ablauf als die Betätigung der seelischen Kraft hingestellt. Nun konnten in dieser Wirkung Hemmungen eintreten. Dieselben könnten vielleicht einem Zwiespalt meiner Persönlichkeit entspringen. Dann entstünde Zweifel, Konflikt der Pflichten etc. Wir ziehen hier nur den Fall äußerer Hemmung in Betracht. Ein Gedanke dränge zu meinem Bewußtsein und plötzlich drohe eine äußere Störung meine geistige Arbeit zu unterbrechen. Hier kann dreierlei eintreten. Entweder, ich nehme mich, wie man sagt, zusammen und denke vor allem anderen den Gedanken zu Ende. Das hieße psychologisch: die positiven Faktoren, die auf die Verwirklichung jenes Gedankens hindrängten, behalten die Oberhand; dann habe ich dabei vorwaltend ein "Aktivitätsgefühl", ein Gefühl von Kraft und Befriedigung zugleicht. Oder ich gerate in einen Zustand erfolgloser Anspannung. Dann bleiben die positiven Faktoren bestehen, aber werden in ihrer Wirksamkeit von den negativen hemmenden paralysiert; ich fühle mich aktiv und passiv zugleich, ich habe ein unbefriedigtes Kraftgefühl. Schließlich bleibt die Möglichkeit, daß ich wie mit einem Schlag aus meinen Gedanken gerissen werde; hier verhalte und fühle ich mich rein passiv, unbefriedigt und unterlegen.

Jenes Aktivitätsgefühl nun ist stets und unmittelbar verbunden oder genau genommen identisch mit dem ethischen Selbstwertgefühl: je mehr ein Gefühl Gefühl der Aktivität ist, umso größer ist der in ihm gefühlte Selbstwert. (15) In diesem Zusammenhang erklärt sich jenes unmittelbare, rein gefühlsmäßige Bewußtsein des eigenen Wertes, bzw. Unwertes, das jede Art von Bewußtseinszuständen begleitet und von dem wir bereits bei ROBERT VISCHER zu reden Veranlassung hatten.

Wir haben absichtlich bisher nur von Willensgefühlen, nicht vom Willen selbst geredet. Offenbar können wir mit diesem verallgemeinerndem Wort nur das bezeichnen, was allen unseren einzelnen Willensgefühlen zugrunde liegt. Hiermit aber stoßen wir wiederum auf die seelische Kraft selber und zwar insofern sie in ihrer eigentümlichen Betätigung Hemmungen zu überwinden hat, mit ihr ist im Grunde unser Willen identisch.

Wille in diesem Sinne kennen wir aber nur an der Persönlichkeit. Das Ergebnis dieser Überlegungen ist im Grunde ein selbstverständliches. Ein Gefühl war als Willens-Gefühl nicht möglich ohne einen zugrunde liegenden Willen; dieser weiter war nicht möglich ohne eine Persönlichkeit, von der er getragen wurde - ist doch gerade das Willensgefühl auch für das einzelne Individuum selbst die ursprüngliche, später erst im Denken entfaltete Form seines Ichbewußtseins. (16) Wo wir demnach auch immer ein Gefühl oder gefühlsmäßige Regungen zu sehen glauben, da müssen wir notwendig eine Persönlichkeit denken, welche in diesem Moment gerade dieses Gefühl erlebt, unter anderen Bedingungen aber, gleich der unseren, auch andere Gefühle und innere Zustände erleben könnte.

Blicken wir jetzt zurück auf den Akt der Einfühlung. Wir hatten ihn bereits verfolgt bis zu dem Punkt, wo mit der Resonanz der Ähnlichkeits-Assoziationen ein ästhetisches Gefühl entstanden war. Dieses Gefühl erweist sich nun nach dem letzten gleichzeitig als Willens- und als Selbstwert- bzw. Selbstunwert-Gefühl. Das Eintreten eines bestimmten Willensgefühls hing dabei mit jener Resonanz in ganz unmittelbarer Weise zusammen, die noch besonders hervorzuheben ist. Jede Melodie repräsentiert diese oder jene, gehemmte, freie, sichere, rasche oder langsame, sprunghafte oder stetige Art seelischer Bewegung und wir pflegen der Abfolge der Töne selbst eine entsprechende Bewegung zuzusprechen. (17) Damit verbindet sich nun durch die Resonanz die Vorstellung von Erlebnissen, die gleichen Charakter tragen. Mit ihnen ist für unser gesamtes geistiges Dasein ein Gefühl der Aktivität oder Passivität oder beider in irgendwelcher spezifisch bestimmten Mischung gegeben, eine durchgreifende Modifikation unseres Gesamtbewußtseinszustandes, der Art unseres Selbstgefühls ist dadurch eingetreten. - Wir haben auf diese Weise dasjenige psychologisch werden sehen, was wir früher allgemein mit dem zusammenfassenden Namen des inneren Nacherlebens zu charakterisieren versuchten.

Wir kommen nunmehr zum Problem der Gefühlsübertragung. Der Schlüssel dafür liegt in folgendem: Die Tatsache, daß das in der ästhetischen Betrachtung durch die Resonanz verwirklichte Gefühl der Aktivität oder Passivität, des freien Vorwärtsstrebens oder der Hemmung etc. unmittelbar durch die Wahrnehmung, in dem oben von uns als Beispiel gewählten Fall durch die Melodie bedingt, also an eine objektive Tatsache gebunden erscheint, verleiht auch dem Gefühlsinhalt den Charakter eines objektiven Phänomens. Es wird demnach psychologisch verbunden mit jener Wahrnehmung, die uns zur Verwirklichung des Gefühlsinhaltes nötigte. Es fragt sich nur, wie wir hier verbinden müssen. Offenbar  nicht  in begrifflich formulierender Weise; vielmehr nicht anders, als wie wir überhaupt mit Erscheinungen der raumzeitlichen objektiven Wirklichkeit psychische Phänomene zu verbinden pflegen. Das heißt nicht anders, als wie wir mit den Körpern lebender Wesen die Vorstellung ihres geistigen Lebens verbinden. Wir verlegen dasselbe - mit welchem Recht ist hier nicht die Frage - in jene Körper hinein und fassen dann diese als Ausdruck des Geistigen. Dieses Geistige war uns selbst nicht etwa als solches von außen gegeben, sondern wir erzeugten dasselbe in uns aufgrund von gegebenen Wahrnehmungen fremder Körper aus Elementen unserer eigenen Persönlichkeit. In derselben Weise erzeugen wir jene oben bezeichneten Gefühlsinhalte, aufgrund von Wahrnehmungen der ästhetischen Objekte, in uns, um sie dann in gleicher Weise an die Objekte gebunden vorzustellen. Soweit ferner das in die fremden Körper verlegte geistige Leben in unserer Persönlichkeit positiven Widerhall findet, entsteht aus der Verlegung ein Gefühl der Sympathie. Eben dieses Sympathie-Gefühl entsteht unter der gleichen Voraussetzung aus jener völlig gleichartigen Verlegung seelischer Erregungen, insbesondere jener Aktivität und der ihr verwandten Gefühle in die ästhetischen Objekte. Auch unser Verhalten ihnen gegenüber wird zur Sympathie, zur Sympathie in demselben Sinne und aufgrund des gleichen psychologischen Vorgangs. Aller ästhetische Genuß ist schließlich nichts anderes, als beglückendes Sympathiegefühl oder was dasselbe besagt, gesteigertes Selbstwertgefühl. Damit vollendet sich der Begriff der ästhetischen Symbolik.

LITERATUR: Paul Stern, Einfühlung und Assoziation - ein Beitrag zur psychologischen Analyse der ästhetischen Anschauung, in "Beiträge zur Ästhetik", Bd. 5, herausgegeben von Theodor Lipps und Richard Maria Werner, Hamburg und Leipzig 1898
    Anmerkungen
    1) Vgl. THEODOR LIPPS, Grundtatsachen des Seelenlebens, Seite 25, 125f
    2) LIPPS, ebenda 150f
    3) Vgl. auch LIPPS, Der Begriff des Unbewußten in der Psychologie, Kongreßvortrag 1896
    4) Die genauere Ausführung und Begründung dieses Gedankens findet sich wiederum bei LIPPS, Grundtatsachen usw. Seite 151
    5) Vgl. LIPPS, ebenda Seite 158f
    6) Vgl. LIPPS, ebenda Seite 162f
    7) Vgl. auch LIPPS, ebenda Seite 151f
    8) Vgl. LIPPS, Grundtatsachen, Seite 142f
    9) JOHANNES VOLKELT, Der Symbolbegriff in der neueren Ästhetik, Seite 76
    10) Vgl. LIPPS, Grundtatsachen des Seelenlebens, Seite 196; ferner derselbe, Bemerkungen zur Theorie der Gefühle, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Bd. XIII, Seite 171
    11) THEODOR LIPPS, Über Tonverwandtschaft und Tonverschmelzung, Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane, Bd. 19, 1899, Seite 1 - 40
    12) ALFRED BIESE, Assoziationsprinzip und Anthropomorphismus, Seite 20
    13) Wir müssen schon hier einen Punkt erwähnen, der eigentlich dem dritten der VOLKELTschen Einwände gegenüber, betreffend die Zufälligkeit der Assoziation, seine volle Bedeutung gewinnt. Man könnte gegen die Bestimmtheit des Gefühls durch die Melodie darauf hinweisen, daß Melodien in verschiedenen Momenten verschieden auf mich wirken, daß also von einer unabänderlichen Bestimmtheit nicht die Rede sein könne. Darauf ist zu antworten, daß durch die harmonischen und rhtythmischen Beziehungen der Melodie und die bereits durch sie bedingte allgemeine Erregungsweies das  objektiv gültige  ästhetische Gefühl bestimmt und daß ein Gefühl nur in dem Maß ästhetisch ist, als es nicht durch unberechtigte subjektive Zutaten des Betrachters gefälscht wurde. Das heißt, genauer gesagt, damit das erregte Gefühl ästhetisch gültig sei, ist es nötig, daß die seine Resonanz sichernden Assoziationen echte Ähnlichkeits-Assoziationen, also nicht etwa solche der Gleichzeitigkeit oder einer nur partiellen Ähnlichkeit oder Gleichheit sind. Wer zu jenen echten Ähnlichkeits-Assoziationen nicht befähigt ist, dem fehlt, anders ausgedrückt, der zusammenfassende Blick für das Ganze der Erscheinung und weiter die Kraft dauernder Konzentration, welchen den künstlerischen Menschen auszeichnet. Seine ästhetischen Urteile haben damit keine Gültigkeit.
    14) Siehe voriges Kapitel.
    15) Vgl. LIPPS, Über Formenschönheit insbesondere des menschlichen Körpers, "Nord und Süd", Bd. XLV, Heft 134, Seite 236
    16) Vgl. LIPPS, Grundzüge der Logik, Seite 4f
    17) Zu bemerken ist dabei, daß wir die Bewegung in den Tönen gar nicht als gehemmt, frei, sicher, etc. bezeichnen würden ohne jene Resonanz. Die Analogie derselben mit unserem sonstigen Streben oder Widerstreben liegt daher in jenen Ausdrücken bereits enthalten. Vgl. LIPPS, Über Formenschönheit, insbes. des menschlichen Körpers, Seite 229