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JOHANN HEINRICH KOOSEN
Naturgesetz und Zweckbegriff
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"Genau genommen geschieht jedes bewußte Handeln - und alle vernünftigen Menschen handeln mit Bewußtsein - im Hinblick auf eine zu realisierende Absicht oder Vorstellung, und zwar eines Besseren als des Gegenwärtigen; sonst wäre auch kein Grund vorhanden, warum die Menschen sich nicht mit der Gegenwart zufrieden geben könnten; sie würden dann, statt zu handeln, sich von den äußeren Dingen fortreißen lassen und zu einem Spiel der Naturkräfte werden."


I. Der subjektive Zweck

Schon vor KANT versuchte man es, die praktische Richtung des Bewußtseins, so wie sie Zwecke zu setzen vermag, als eine Umkehrung des Kausalverhältnisses darzustellen, indem man behauptete, daß innerhalb des Zweckprozesses die Wirkung selbst zur Ursache geworden sein soll; denn wenn auch in der Tat Ursache und Wirkung immer die gewöhnlichen Stellen einnehmen, so geht doch diesem  objektiven  Prozeß ein anderer, intellektueller, vorher, in welchen eben jene Wirkung als  bewirkend  eingreift und hierdurch erst  Ursache  jenes materiellen Prozesses und damit auch ihrer selbst wird.

Zugleich ist zu bemerken, daß die Wirkung, oder, wie sie dann genannt wird, der Zweck, nicht  materiell  Ursache jenes Prozesses wird, denn sonst wäre sie schon vorhanden und könnte nicht Ursache ihrer selbst sein, sondern nur intellektuell, d. h. als  Vorstellung  oder  Gedanke.  Die Vorstellung des Zweckobjekts ruft den materiellen Prozeß, der, für sich betrachtet, immer ein Kausalverhältnis bleibt, hervor und wird dadurch Ursache ihrer Selbst als  Objektes.  Während im Kausalnexus immer nur die  eine  Wirklichkeit aus der anderen Gleichartigen hervorgeht, so zeigt sich im Zweckprozeß anscheinend das Abweichende, daß der Gedanke frei aus sich heruas eine Wirklichkeit schafft, ein Verhältnis, welches nur ein Analogon im Wesen des philosophischen Idealismus findet, welcher die gesamte Wiklichkeit sich aus dem Gedanken selbständig entwickeln läßt. Diese Ähnlichkeit mag auch besonders veranlaßt haben, daß der Zweckprozeß fast immer als ein notwendiger Bestandteil der philosophischen Kategorien angesehen worden ist, ohne deshalb näher untersucht worden zu sein, ob denn auch der Gedanke, welcher im Zweckprozeß die Ursache einer Realität sein soll, mit dem Gedanen, welchen der Idealismus zum Grund der Wirklichkeit macht, mehr Gemeinschaftliches hat als den Namen, - ob ferner im Zweckprozeß die  Vorstellung  des zu realisierenden Dings ohne alle Vermittlung aus sich selbst an die Wirklichkeit herankommen kann. Es wird sich im Laufe der folgenden Untersuchungen zeigen, daß die obige Ansicht vom Mechanismus des Zwecks keineswegs die richtige ist, daß die Vorstellung des Zweckobjekts in Anbetracht der Realisation des Letzteren nur eine Nebenrolle spielt, und durchaus nicht die Macht besitzt, eine Wirklichkeit hervorzurufen, vielmehr auf diesem Gebiet  eine  Wirklichkeit aus der andern hervorgeht und der Gedanke erst hinterher darauf kommt, jene Wirklichkeiten als die Seinigen zu behaupten.

Zu diesem Ende müssen einige logische und psychologische Untersuchungen vorangeschickt werden, welche die Entstehung des Zweckbegriffs im Verstand zum Objekt haben.


Es ist eine Tatsache der Erfahrung, daß die Vorstellungen, welche durch die Außenwelt in uns erregt werden, nicht für sich fest in der Seele fixiert bleiben, sondern, wenn auch die äußere Erregung aufhört, alsbald eine Reihe mannigfaltiger anderer Vorstellungen, die teils vorher im Vorrat des Gedächtnisses angesammelt waren, teils gänzlich unbekannt sind, rege machen und in einem bunten Gewirr der Seele vorführen. Dieses Vermögen der Vorstellungen sich gegenseitig zu erregen, bezeichnen wir mit dem Namen der  Phantasie  oder  Ideenassoziation;  die ursprünglichen, durch die Außenwelt erregten Vorstellungen, welche durch die folgenden verdrängt werden, pflegen dann in den Inhalt des  Gedächtnisses  überzugehen, womit wir eben den Zustand derselben bezeichnen, in welchem die Eindrücke gewissermaßen  latent  geworden und nur eine Kombination gewisser anderer Vorstellungen imstande ist, dieselben plötzlich wieder dem Geist vorzuführen. Vorstellungen zum Unterschied von Gedanken heißen sie wegen ihres empirischen Ursprungs und ihres Fortgangs an empirischen Anschauungen, während der Gedanke in der Form der Wissenschaft und des Systems seinen Inhalt mit Notwendigkeit und Allgemeinheit aus sich selbst erzeugen muß.

Die Notwendigkeit in der Entstehung nicht nur der eigentlichen Gedanken, sondern hauptsächlich der leichteren Vorstellungen und Eindrücke, mögen sie uns schon länger bekannt sein oder sich zum ersten Mal in der Ideenassoziation bilden, wird leicht übersehen, man weiß nicht wie und woher sie kommen und wodurch ihr Erscheinen aus anderen ihnen vorangegangenen Anschauungen und Vorstellungen bedingt ist; aus diesem Grund nennt man das plötzliche Auftreten neuer Kombinationen derselben  Einfälle,  und hält diese für die Produkt einer sehr niederen Geistestätigkeit, teils mit Recht, weil sie sich ihrem Inhalt nach nur  äußerlich  gegeneinander verhalten, teils aus Unkenntnis der Gesetze, durch welche ihr Auftreten im Geist bedingt ist, welches man daher der Spontaneität der Einbildungskraft, der Willkür und dem Belieben zuzuschreiben pflegt. Daß jedoch auch in dieser Beziehung eine absolute Gesetzmäßigkeit und Notwendigkeit stattfinden müßte, warum bei  diesem  Zustand des Geistes und bei  dieser  Beschaffenheit der äußeren Eindrücke auch gerade eine  solche  und keine andere Reihe von Vorstellungen in uns erregt wird - daran ist nicht zu zweifeln, da wir uns keine Veränderung und kein Entstehen ohne Kausalität denken können, wenn uns auch die Gesetze, nach welchen jene wirkt, in den meisten Fällen zur Zeit noch unbekannt sind.

Selbst der gemeine Menschenverstand gibt zu, daß bei der Ideenassoziation eine Art Zusammenhang der Bilder und Vorstellungen stattfindet, wenn er auch die dabei waltende absolute Gesetzmäßigkeit leugnet, schon aus dem Grund, weil sich in den neu entstehenden Bildern immer wenigstens  ein  Punkt findet, wo sie mit den vorigen zusammenzuhängen scheinen. Diesen Umstand wird man regelmäßig bei näherer Beobachtung nicht nur beim sogenannten vernünftigen Nachdenken, sondern auch in den mannigfaltigen Abwechslungen der Traumbilder ohne Ausnahme bestätigt finden. Es mag seltsam und unerhört scheinen, auch in dieser niedrigsten Form aller Geistestätigkeit einen bestimmten Fortgang nach Kausalität zu fordern, allein ohne Gesetzmäßigkeit, sei sie von innen oder von außen herstammend, können wir nichts begreifen; wir können uns daher wohl in Bezug auf jenen Vorgang vorläufig unserer Unkenntnis bescheiden, allein nie dürfen wir diese durch allgemeine nichtssagende Ausdrücke wie  Gesetzlosigkeit,  Spontaneität, Willkür usw. verdecken, noch weniger auf die Möglichkeit einer tieferen Erkenntnis hierin Verzicht leisten. Schon der oben erwähnte in allen dergleichen Zuständen stattfindende Zusammenhang im Fortgang der Bilder und Erscheinungen, der oft erst nach der sorgfältigsten Betrachtung und Zurückrufung derselben ins Gedächtnis hervortritt, muß uns auf den Gedanken führen, daß es selbst im Traum vernünftig zugehen muß, wie sich das auch gar nicht anders denken läßt.

Das Dasein von Gesetzen, nach welchen im wachen denkenden Zustand des Geistes die Bilder und Vorstellungen einander fordern und folgen, ist schon von mehreren Philosophen angedeutet und vermutet worden. Man hat dann, um dieselben näher zu ergründen, nach den Umständen gesucht, durch welche  eine  Vorstellung am leichtesten mittels der anderen hervorgerufen werden kann und hat als die hauptsächlichsten Bedingungen derselben das Aneinandergrenzen im Raum, in der Zeitfolge, das Analoge in den hervorstechendsten Merkmalen und dergleichen mehr aus der Erfahrung gefunden, ohne jedoch tiefer in diesen Zusammenhang einzudringen. Erst HERBART hat den Anfang zu einer mathematischen Betrachtung der psychologischen Erscheinungen gemacht und wenn auch, wie in gewisser Hinsicht vorauszusehen war, sein Versuch mißglücken mußte, so zeigt sich dennoch daraus, wie sehr er und mit ihm mehrere andere Philosophen von der Notwendigkeit des Vorhandenseins von Gesetzen der Ideenassoziationen überzeugt waren.

Wenn in Bezug auf diesen Versuch HERBARTs neuerdings gesagt wurde, daß das bloß eine verunglückte  Idee  gewesen ist und daß man nicht daran denken kann mit den abstrakten mathematischen Größen sich den konkreten Gestalten des geistigen Lebens nähern zu wollen, so ist dies einerseits entsprungen aus der Neigung in solchen scheinbar gesetzlosen Vorgängen die Notwendigkeit zu übersehen und zu glauben, daß man hier auch wohl einmal ohne Gedanken auskommen kann, andererseits ist auch der jetzige Standpunkt der Mathematik und unsere Unkenntnis von der Natur des Geistes im Verhältnis zur Materie daran Schuld, daß man hier fürs Erste nicht zu einem genügenden Resultat kommen kann und daß man allerdings noch nicht daran denken darf, mit Differential- und Integralrechnung, wie dies wohl geschehen ist, die psychologischen Vorgänge einer Gesetzmäßigkeit zu unterwerfen. Auch erhellt sich zuerst, daß die hier stattfindenden Gesetze sehr kompliziert und auf eine Menge von physiologischen und pathologischen Umständen gegründet sein müssen, deren Kenntnis uns bis jetzt noch mangelt. Das Verhältnis der mathematischen Erkenntnisweise zur philosophischen und die Anwendbarkeit des Mathematischen auf philosophische Gegenstände ist noch ein sehr unbekanntes Gebiet und kann hier nicht näher erörter werden, wo es nur darum zu tun ist, die Gesetzmäßigkeit im Vorgang der Ideenassoziation festzuhalten.

Es ist eine Tatsache, daß wir uns fortwährend in einem Kreis von Anschauungen befinden, in welchem wir teils äußere Gegenstände, deren Verhältnis zu uns wir hier unerörtert lassen, teils uns selbst in unseren inneren Zuständen als  anschauend  betrachten. Dies ist der Unterschied der Anschauung von der Vorstellung, denn wenn wir etwas nicht Gegenwärtiges, als etwas Vergangenes, Zukünftiges oder überhaupt  Mögliches  uns  vorstellen,  so will dies weiter nichts sagen, als daß wir hierin uns selbst anschauen in irgendeinem Zustand des  unmittelbaren  Anschauens eben dieses Vergangenen oder Zukünftigen, als  Gegenwärtigen. 

Etwas Äußeres können wir nur als Gegenwärtiges anschauen, Etwas der Vergangenheit oder Zukunft Angehöriges aber nur in Verbindung mit unserem Ich, d. h. als eben dieses Ich im Zustand des  gegenwärtigen Anschauens. 

Unser Vorstellen ist also ebenfalls ein Anschauen, die Erfahrung  eines Zustandes  unseres Ich und zwar nicht als leeren, sondern mit Anschauungen und Eindrücken unmittelbar erfüllten, wobei uns aber freilich die Erfahrung lehrt, daß das, was wir mittels dieser sekundären Anschauung erfahren, ein ganz anderes ist, als wenn wie es unmittelbar als äußeres Objekt wahrnehmen, weshalb wir sagen, daß jenes eben nur ein  Bild  der wirklichen Erfahrung ist.

Vergleichen wir den angeschauten Zustand unseres Ich - oder deutlicher ausgedrückt - eine Vorstellung mit unserem gegenwärtigen Zustand unmittelbarer Anschauung, so kann erstere den Geist mit mehr oder weniger Lust erfüllen, ihn zu größerer oder geringerer Tätigkeit anreizen, oder wie man es sonst nennen will, ziehen wir vermöge eines uns unbekannten Gesetzes vor, bei jener Vorstellung mehr oder weniger zu verweilen und die unmittelbar gegenwärtige Anschauung zu vergessen. Ist es also der Fall, daß uns jene Vorstellung oder die Anschauung eines anderen als des gegenwärtigen Zustandes unseres Ich uns mehr Lust gewährt als das unmittelbare Gefühl der Gegenwart, so werden wir  diese  leicht übersehen und uns jene umso mehr zu vergegenwärtigen suchen. Wie vorhin erwähnt, wird aber der vorgestellte Zustand nie den unmittelbar angeschauten überwinden können, weil ersterem die Macht der Wirklichkeit und Unmittelbarkeit, die uns in letzterem trotz unseres Widerstrebens ergreift, fehlt und wir werden daher einen Ausweg suchen, die Gegenwart wegzuschaffen, mit dem Bewußtsein, an ihrer Stelle den angeschauten ideellen Zustand unseres Ich zu setzen, d. h. unsere Vorstellung zu  realisieren.  Bei diesem Tun verwandelt sich jene Vorstellung in einen  Zweck  und wir sagen daher, wir haben einen  Zweck,  wenn wir uns bemühen, die Gegenwart durch die  Realisierung  einer Vorstellung von einem uns besser erscheinenden zukünftigen Zustand unseres Ich zu ersetzen.

Genau genommen geschieht jedes bewußte Handeln - und alle vernünftigen Menschen handeln mit Bewußtsein - im Hinblick auf eine zu realisierende Absicht oder Vorstellung, und zwar eines Besseren als des Gegenwärtigen; sonst wäre auch kein Grund vorhanden, warum die Menschen sich nicht mit der Gegenwart zufrieden geben könnten; sie würden dann, statt zu handeln, sich von den äußeren Dingen fortreißen lassen und zu einem Spiel der Naturkräfte werden.

Ein schwieriger Punkt bei der Lehre von der Entstehung des subjektiven Zwecks ist die Bestimmung des  Besseren wodurch der Geist die Realisierung einer Vorstellung an die Stelle der Gegenwart zu setzen verleitet wird. Viele Philosophen und sogar SPINOZA - obgleich es seinem ganzen System diret zuwiderläuft - haben gesagt, wir erwählen etwas nicht, weil wir dies für  besser  halten, sondern wir halten es für besser, weil wir es  erwählen;  wonach also der Akt des Erwählens ein vollkommen freier ist, indem wir nicht durch die geringste Ursache bestimmt werden, uns für dieses oder jenes zu entscheiden, es ist jedoch leicht, das Irrige dieser Ansicht einzusehen, so wie auch, weshalb SPINOZA selbige als für die Konsequenz seines Systems nötig erachtete, wenn man bedenkt, daß unser Geist im Akt des Erwählens allzuleicht das  Bessere  der Vorstellung selbst mit dem ihrer Realität verwechselt, meinend, daß der verwirklichte Zustand ganz denselben Eindruck auf sein Wohlgefallen oder Mißfallen erregen müßte, wie der vorgestellte, was jedoch nie vollkommen der Fall ist. Denn wir haben gar keinen Grund, von verschiedenen Vorstellungen und ideellen Eindrücken  gerade diese eine,  die wir zur Realisierung wählen, den andern vorzuziehen, weil wir sie eben für  besser halten  als die übrigen, wobei wir immer noch etwas ganz Anderes im Sinn haben, als das, was uns unmittelbar zur Realisierung der Vorstellung anzutreiben scheint, wenn wir auch im Akt des Wählens nicht immer imstande sind, uns den Grund  gerade dieser  Wahl klar anschaulich zu machen; und wir werden später sehen, daß uns eben dieses  Besser  der gewählten Vorstellung über den zunächst vorliegenden endlichen Zweck hinaustreiben wird zu einem unendlichen Progreß von Zwecken, die, weil sie ihrem Begriff nach, nur als in einer unendlichen Reihe sich entwickelnd, dargestellt werden können, eben den Begriff des Zweckes dadurch vernichten und denselben sowohl in einem unendlichen Progreß [Fortschritt - wp] der Zwecke, wie im Regreß der Mittel auflsen, so daß er nur durch ein gewaltsames Eingreifen in diesen Verlauf durch die Aufstellung eines Endzweckes vorläufig gesichert werden kann.

Wir hätten anstatt der ganzen bisherigen Untersuchung die eben gewonnene Definition des Zwecks, als aus der Erfahrung bekannt, voranstellen können, allein es war hier darum zu tun, diesen Begriff, der doch schon nicht so ganz einfach ist, als er gewöhnlich erscheint, aus seinen Elementen - wenn auch nur auf empirische Weise, denn anders kann bei der Behandlung einer so einzelnen, aus dem Ganzen herausgerissenen Kategorie nicht verfahren werden - zusammenzusetzen, um hauptsächlich zur Einsicht zu gelangen, daß zunächst nur die Vergleichung der Gegenwart mit der Vorstellung eines anderen Zustandes unseres Ich uns zur Realisierung des letzteren treibt.

Wir gehen nun zur Verwirklichung der Zweckvorstellung über und fragen: Wie kann diese überhaupt realisiert werden? -

Wäre die Verwirklichung der Zweckvorstellung unmittelbar nach dem Akt des Wählens möglich, so würden wir sie eben gar nicht  Zweck  nennen, sondern unmittelbar oder, wie man sagt, spontane Willensäußerung, freie Handlung; so wie wir aber genötigt sind, die beabsichtigte Handlung nur  mittels  anderer Handlungen auszuführen, so wird erstere uns zum Zweck, dessen Begriff also wesentlich das  Mittel  voraussetzt, so daß ohne Zweck kein Mittel und ohne Mittel kein Zweck denkbar ist. Wenn wir genau aufmerken, so finden wir, daß fast alle unsere Handlungen, in die wir zunächst unseren Willen legen, vermittelt sind durch andere ähnliche und daß wir überhaupt nie, sozusagen, unmittelbar etwas auszuführen vermögen. Zu den unmittelbaren Handlungen sind höchstens die sich an unserem Körper ereigenenden und durch nichts Äußeres vermittelten Vorgänge zu rechnen, in denen  Entschluß  und  Tat  zusammenfällt, wo Wille und Äußerung desselben identisch sind; sie heißen darum auch unwillkürliche oder unbewußte Handlungen, weil zum Bewußtsein in der Tat ein Wille und ein Wissen gehört, welches allein durch die zur Handlung nötige Vermittlung hervorgerufen wird. Diese unsere unbewußten Äußerungen an unserem Körper, wie z. B. die Bewegung eines Gliedes, das Aussprechen eines Wortes und dgl., welche zunächst die Grundanfänge aller Handlungen bilden, sind näher betrachtet, selbst wieder Zwecke, nur daß hier durch Gewohnheit das Mittel mit dem Zweck so verwachsen ist, daß wir beide kaum zu unterscheiden vermögen. Denn um ein Glied zu bewegen, ein Wort aussprechen zu können, müssen wir die entsprechenden Muskeln verkürzen, zu diesem Zweck wieder müssen wir die Nerven darauf wirken lassen usw., ohne daß wir nach unseren bisherigen Erkenntnissen hiervon durch solche Reflexionen, mögen wir sie auch noch so weit zurückverfolgen, unser innerstes Ich als  primus motor  aufzuweisen imstande wären. Weil wir aber in diesen Vorgängen nicht vermögend sind, den Akt unseres Entschlusses von dem der Ausführung in der Zeit zu unterscheiden und der Wille mit der Tat hier zusammenfällt, so können wir vorläufig mit Recht diese Handlungen als unmittelbare vorstellen und annehmen, daß sich hier der Wille (als wirklicher bewußter Wille) ohne Vermittlung realisiert.

Bei der Zergliederung solcher psychologisch-physiologischer Erscheinungen, wenn man diese auf Muskelkontraktion, Irritabilität, Nervenfluida und dgl. zurückgeführt und damit  erklärt  zu haben glaubt und man dann sieht, daß man damit eben noch nicht von der Stelle gekommen ist, so pflegt man alles auf den Geist oder die Seele zu schieben, dessen Geschäft es sein soll, auf die feineren Körperteil wie Nerven und Muskeln einzuwirken, und freut sich dann darüber, wie doch alles ganz einfach und natürlich zugeht. Fragt man aber weiter,  wie  denn am Ende diese Seele, die man zur Deutlichkeit noch als  unkörperlich  bezeichnet, auf die  körperlichen  Dinge, und wären sie auch noch so fein, wirken kann, so erhält man die Antwort, daß dies hauptsächlich durch Willenskraft und andere Kräfte, Vermögen und Fähigkeiten des Geistes geschieht, während doch der Gedanke so nahe liegt, daß, da wir mit alledem aus dem Bereich der Körperwelt nicht herauskommen, es uns daher wohl gefallen lassen müssen, daß hinter allen Tätigkeiten doch am Ende nichts weiter, als eben unser Körper steckt, der das gesuchte Innere ist, welches hier mit dem Äußeren zusammenfällt.

Man braucht diese Behauptung nicht gleich für Sensualismus und Materialismus zu nehmen, als ob damit gesagt sein soll, daß der Geist weiter nichts ist als Blut, Knochen und dergleichen, während es doch nach obiger Annahme wohl noch zwischen Körper und Körper zu unterscheiden gibt und selbst der gröbste Materialismus zugeben muß, daß mit Blut, Knochen, Nerven usw. noch immer kein Körper, d. h. kein selbständiger Organismus gegeben ist.

Indem wir also diese unmittelbaren Handlungen auf sich beruhen lassen, und es der Naturphilosophie anheimstellen, diese Aufgaben auf eine befriedigendere Weise als bisher zu lösen, werden wir fortan nur mit den vermittelten Handlungen zu tun haben und jene  unvermittelten  nur als erste Mittel zu diesen ansehen.

Der die Ausführung des zunächst gefaßten Zweckes vermittelnden Handlungen sind ungemein viele, denn jedes Mittel wird uns wieder zum Zweck und dieses hat wieder ein Mittel usw., bis wir zum oben erwähnten ursprünglichen Mittel kommen, welches ein unmittelbarer Willensakt ist und von wo aus der Wille sofort seine Wirklichkeit in die gegenständliche Welt überträgt und eine vom Individuum abgetrennte Wirklichkeit erzeugt, die mit diesem nur noch durch den Gedanken des darin waltenden Zwecks zusammenhängt. Daß win in diesem Gewirr der zahlreich vermittelnden Vorgänge besondere zum Zweck erforderliche Handlungen als Mittel bezeichnen und von den übrigen unterscheiden, geschieht eben nur nach rein subjektiven Rücksichten, während doch in der gegenständlichen Welt der Handlungen kein Grund zu einer solchen Unterscheidung liegt. Haben wir z. B. den Zweck, ein Haus zu bauen, so bezeichnen die von uns zu diesem Zweck hervorgehobenen Handlungen, als Herbeischaffung von Materialien, das Behauen der Steine, Verfertigen der hierzu nötigen Werkzeug usw. nur subjektive Momente, in denen unsere Zweckmäßige Tätigkeit eine verschiedene Richtung hat, Momente, in welchen das Subjekt von Neuem die Objekte so zurichtet, daß sie in ihrer Wechselwirkung seinen Zweck erfüllen.

Geben wir auf unsere Tätigkeit hierbei genau Acht, so merken wir, daß in jedem Augenblick unserer Arbeit ein Zweck erreicht ist, wie auch in demselben Augenblick dieser Zweck zum Mittel wird und ein neuer Zweck beginnt; es ist aber wiederum in der ganzen Reihe der von unserer Tätigkeit herrührenden Veränderungen in der Erscheinungswelt kein Moment, in dem wir sagen könnten, daß hier ein Zweck völlig abgeschlossen ist und nun ein neuer, vom vorigen völlig unabhängiger seinen Anfang nehmen kann, sondern wo wir einen solchen Punkt antreffen, sind es nur subjektive Hinsichten, die uns zu einer Einteilung des unendlichen Progresses der Erscheinungen antreiben. Wir können daher unter  Mittel zum Zweck  nur die  in Bezug auf uns  hervorstechendsten Momente dieser Reihe verstehen oder allgemein einen oder mehrere durch uns anscheinend unmittelbar hervorgebrachte Zustände in der gegenständlichen Welt, die durch ihre Wechselwirkung aufeinander einen neuen von uns als  Zweck  beabsichtigten derartigen Zustand hervorbringen. So entsteht hier die Frage, ob es zu jedem beabsichtigtem Zweck ein Mittel gibt und ob es unserem Geist immer möglich ist, zu jenem das erforderliche Mittel ausfindig zu machen.

Ist es dem Verstand darum zu tun, eine Zweckvorstellung zu realisieren, so wird er gewöhnlich nicht lange darüber nachdenken, ob so etwas überhaupt  möglich  ist, ob es nicht den ihm bekannten (vielleicht auch den ihm unbekannten) Naturgesetzen widerstreitet, sondern er wird frisch ans Werk gehen und auf verschiedenen Wegen die Verwirklichung seiner Vorstellung durch das Auffinden der hierzu nötigen Mittel versuchen. Gelingt ihm dies auf keine Weise, so wird er dennoch nichts über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Ausführung entscheiden können, was er vor seinen Versuchen noch weniger zu tun imstande war, sondern er wird höchstens berechtigt sein, einzugestehen, daß es ihm auf dem bisher von ihm eingeschlagenen Weg unmöglich war. So z. B., wenn es der Zweck eines Chemikers ist, einen Stoff aus seiner Verbindung chemisch auszuscheiden, so wird er, nachdem er diese mit anderen Stoffen und Verbindungen zusammengeschmolzen oder auf welche art in innige Berührung gebracht und ihm seine Absicht doch nicht gelingt, sagen müssen, daß dies ihm bis jetzt nicht möglich war, nicht aber, daß sein Zweck zu erreichen überhaupt unmöglich wäre, ebensowenig wie er behaupten darf, daß es unmöglich ist, irgendeinen Stoff in Gold oder in ein anderes Metall zu verwandeln, wenn dies auch bis jetzt noch nicht möglich gewesen ist; man hat in dergleichen Fällen wohl zwischen  nicht  möglich und  unmöglich  zu unterscheiden.  Unmöglichkeit  bezieht sich immer auf die  objektive  Wesenheit der Dinge, während das  Nichtmögliche  nur ein Verhältnis unserer Tätigkeiten zu den Dingen ausdrückt.

Die Frage, ob etwas überhaupt möglich ist oder nicht, werden wir vor der Realisierung des Zwecks selbst nie bestimmt beantworten können: sie kann sich uns erst im Laufe der hierzu nötigen Arbeiten bestimmen. Hätten wir diese Aufgabe von der Möglichkeit oder Unmöglichkeit überhaupt irgendeiner Realisierung gelöst, so würde sich damit die zweite Frage nach dem Weg, der uns zum Zweck führt, von selbst erledigen; da aber jenes nicht der Fall war, indem sich die Frage definitiv gar nicht und partiell nur in der Behandlung der zweiten Aufgabe beantworten läßt, insofern sich nämlich die Möglichkeit von Etwas uns empirisch durch eine Realisierung desselben dartut, so können wir sogleich zu letzter übergehen.

Man könnte hier einwenden, daß wir dennoch imstande sind, in gewissen Fällen über die Möglichkeit einer Realisierung [külpe] unserer Absichten  a priori  zu entscheiden, wenn uns nämlich die Gesetze bekannt sind, nach denen unser Zweck aus bestimmten Mitteln hervorgehen muß. In diesem Fall muß man jedoch bedenken, daß diese Gesetze größtenteils uns nur aus der Erfahrung bekannt sind, sie mithin keine allgemeine Gültigkeit haben, andererseits aber, daß sie uns wohl anweisen, aus den gehörigen Mitteln auf die daraus folgenden Zwecke zu schließen, (und auch dies nicht immer mit absoluter Gewißheit), sie werden uns aber nie dazu verhelfen können, zum Zweck die nötigen Mittel nach ihrer Anleitung zu finden. Diese Umstände können erst hernach ausführlicher behandelt werden.

Ohne hier näher auf den Begriff der Möglichkeit einzugehen, wie er sich geschichtlich, (hauptsächlich durch KANT, welcher bekanntlich darlegte, daß, um die Möglichkeit eines Dings zu behaupten, noch mehr gehört als die bloße Anwendung des Gesetzes der Identität und des Widerspruchs) entwickelte, muß bemerkt werden, daß auf dem Gebiet des subjektiven Zwecks zwei Arten von Möglichkeiten zu unterscheiden sind, indem wir darauf achten, ob einerseits die Mittel, aus denen eine zu realisierende Absicht notwendig erfolgen muß, überhaupt denkbar sind und ob sie nicht den Naturgesetzen widersprechen und andererseits, ob  wir  auch imstande sind, diese Mittel zur Vollführung des Zwecks herbeizuschaffen, so daß hier also eine subjektive und eine objektive Möglichkeit zu unterscheiden sind. Mit Beachtung dieses Unterschiedes läßt sich viel Gerede über Möglichkeit und Unmöglichkeit ersparen. So z. B. wenn gefragt wird, ob es möglich ist, daß die Erde aus ihrer Bahn gebracht werden kann, so ist dies einerseits zu bejahen und widerspricht nicht den Naturgesetzen, daß durch einen Anstoß eines fremden Körpers oder dergleichen eine solche Wirkung hervorgebracht werden könnte, andererseits muß die Frage, ob  wir,  die wir auf der Erde befindlich, dies bewirken können, verneint werden, da nach einem bekannten mechanischen Gesetz es uns nie möglich sein wird, wenn wir auch noch so große Kräfte besäßen, die Bahn, welche der Schwerpunkt der Erde beschreibt, abzuändern.

In den meisten Fällen sind wir bei solchen Fragen nicht imstande allgemein zu bestimmen, ob die Herbeischaffung der nötigen Mittel zum Zweck unseren Kräften entspricht oder je entsprechen wird.

Die Frage, ob es dem Subjekt unbedingt möglich ist, seine Zwecke zu realisieren, zerfällt also in die beiden anderen Fragen, ob es die nötigen Mittel theoretisch aufzufinden und ob es diese nach deren Kenntnis auch zu erreichen vermag. Das letztere, wie schon erwähnt, läßt sich, da es hierbei ganz auf die zufälligen Kräfte des Subjekts und auf dessen Kenntnis von den Naturgesetzen ankommt, nur so weit unsere Erfahrung ausreicht, einigermaßen bestimmen. Was aber die erstere Frage nach einer Erforschung des Mittels betrifft, so lehrt uns die Erfahrung, daß dieses uns bei den meisten zu realisierenden Zweckvorstellungen sogleich  einfällt,  wenn das Subjekt sich auch der näheren Vorgänge hierbei nicht bewußt wird. Wenn wir daher näher über den hier obwaltenden psychologischen Prozeß nachdenken, so werden wir am besten die Wege finden, auf denen das Bewußtsein von der Zweckvorstellung zur Vergegenwärtigung des Mittels zurückschreitet und zwar sind diese
    a) der Weg der Ideenassoziation,
    b) der Analogie,
    c) der Weg des Vernunftschlusses.
a)  Zwecke,  die wir häufig und alltäglich durch dieselben Mittel entweder selbst realisiert oder vor unseren Augen haben verwirklicht sehen, können uns, wie man zu sagen pflegt, so zur Gewohnheit werden, daß uns beim Gedanken des Zwecks auf unmittelbar das nötige bisher angewandte Mittel sogleich  einfällt,  wenn wir uns dieser Tatsache auch nicht sofort bewußt werden, sondern annehmen, daß die Erkenntnis des Mittels in diesem Fall auf einem anderen Weg, etwa durch Schlüsse und dergleichen zu unserem Eigentum wird. Die Widerlegung einer solchen Annahme ergibt sich am leichtesten daraus, daß jene Eigentümlichkeit nur bei Zweckvorstellungen von obiger Beschaffenheit stattfindet, dagegen sich bei einem uns ganz unbekannten und bisher nie realisierten Zweck auch die Erkenntnis der Mittel nicht so von selbst ergibt, sondern erst durch ein vielfaches Bemühen und Nachforschen. Das erstere findet daher am meisten bei der Realisierung alltäglicher Zwecke statt, welche die Fortdauer der Funktionen unseres Organismus betreffen. So treibt das Gefühl des Hungers den Menschen an, einen Organismus wieder in den normalen Zustand zu versetzen und er ergreift zu diesem Ende unwillkürlich das Mittel des Essens, ohne lange nachzudenken, ob ihn dies auch zum Zweck führen wird, ohne Zweifel wegen der alltäglichen Gewohnheit und der daraus entstehenden Ideenverbindung jenes Gefühls mit der Vorstellung des Nahrungsmittels.  Haben wir den Wunsch ein Haus zu bauen, so wird der Gedanke an die herbeizuschaffenden Steine nahe liegen, weil wir jenen Zweck oft haben vollführen sehen und uns daher vermöge der Ideenassoziation mit dem einen Gedanken auch zugleich der andere erregt wird; eine Absicht, welche wir  nie  haben ausführen sehen - zu deren Vermittlung werden wir auch auf diesem Weg nie gelangen können.

Gewöhnlich pflegt man die unmittelbare Erkenntnis der Mittel zu alltäglichen Absichten - wie etwa Essen und Trinken - dem sogenannten Instinkt zuzuschreiben, womit dann weiter nichts gesagt ist, als daß man eben keinen vernünftigen Grund jener unmittelbaren Erkenntnis anzugeben imstande ist.

Die Erklärung durch Ideenassoziation läßt uns zwar auch mit dem näheren Vorgang hierbei unbekannt, weil wie die Gesetze derselben noch nicht genau kennen, allein sie führt doch diese Erscheinungen auf ein allgemeineres und der wissenschaftlichen Bestimmung fähigeres Prinzip des Bewußtseins zurück, als dies mit dem Hin- und Herreden von Instinkt, Trieb und dergleichen der Fall sein kann.

Unter Instinkt versteht man eigentlich das unbewußte unmotivierte Auffinden und Anwenden der Mittel, die zur Selbsterhaltung notwendig sind.

Dieses bewußtlose Tun ist es auch, welches uns am meisten dabei auffällt und unerklärlich scheint, indem wir selbst alle unsere Handlungen denkend zu vollbringen glauben, was jedoch insofern nicht immer der Fall ist, da uns die Gedanken meistens durch uns unbekannte Gesetze der Ideenassoziation von selbst zuzukommen pflegen, weshalb sie alsdann aber auch nicht mehr Gedanken, sondern nur Vorstellungen genannt werden können, indem zu ersteren erforderlich ist, daß sich unser Bewußtsein selbständig darin erhält, was bei letzteren nicht der Fall ist.

Bei der Vorstellung eines auszuführenden Zwecks pflegen uns, wie man sagt, mancherlei Ideen, die zugleich in unserer Phantasie angeregt werden, nebenher einzufallen und unter diesen wäre es nötig, die zu wählen, welche wirklich die Mittel an die Hand geben; allein fast jede solcher Vorstellungen, die uns durch die Idee des ausführenden Zwecks erregt wurden, steht in einer gewissen Verbindung mit dem eigentlichen Mittel zu jenem; das nach diesem forschende Bewußtsein wird außerdem, um zu prüfen, ob es auch wirklich und auf welchem Weg es zum Ziel führt, versuchen, ob denn aus diesem Mittel in Wahrheit nach Kausalgesetzen der Zweck hervorgehen kann und dies ist ein Hauptpunkt für die Bestimmung des Mittels. Einerseits sind dem Verstand die Gesetze, nach welchen hierdurch die Absicht realisiert wird, bekannt, dann wird er dieselben in Gedanken auf den vorliegenden Fall anwenden und bald die Tauglichkeit oder Untauglichkeit des Mittels erfahren (je nachdem nämlich im Kausalnexus, der sich aus dem oben gedachten Mittel und den dazu gehörigen Naturgesetzen ergibt, der verlangte Zweck zum Vorschein kommt oder nicht). Im letzteren Fall wird er sich dann nach einem andern Mittel umsehen, welches er auf demselben Weg wie das erste findet, prüft, usw., bis er  eines  gefunden hat, welches ihm theoretisch genügt, und welches er praktisch in Ausführung zu bringen vermag. Andererseits sind dem Verstand jene Gesetze und überhaupt der Kausalnexus zwischen Zweck und Mittel unbekannt, so wird er sich unmittelbar an die ihm durch Ideenverbindung gegebenen Mittel wenden und da er  a priori  hier nicht bestimmen kann, welches derselben ihm zu seiner Absicht genügt, so wird er mit einem nach dem andern, aber sofort praktisch seinen Zweck zu erreichen streben, bis er das passende Mittel gefunden hat. Es bleibt dies jedoch ein vages Versuchen, bei welchem die meiste Mühe und Arbeit, oft selbst ohne mit dem Erwerb neuer Kenntnisse verbunden zu sein, verloren geht. Beispiele zu diesen beiden Formen der Erkenntnis des Mittels finden sich sehr häufig im gewöhnlichen Leben wie in der Wissenschaft. Ein Arzt z. B. der einen Kranken heilen will, wird sich bei dessen Krankheit sogleich des Mittels erinnern, welches er bei Anderen im selben Fall mit Erfolg angewandt hat und nicht versäumen, dasselbe auch hier zu gebrauchen; liegt nun ein bekanntes Naturgesetz zugrunde, nach welchem das Mittel mit Sicherheit unter übrigens bekannten Krankheitsumständen wirken muß, so kann der Arzt immer voraussehen, inwiefern der Patient dadurch geheilt wird; ist dies aber nicht der Fall und kein anderer Grund der Anwendung vorhanden, weil jenes in einigen ähnlichen Fällen geholfen hat, wie es gewöhnlich zu sein pflegt, so ist der Arzt nie imstande zu bestimmen, auch wenn er die Natur des Kranken noch so genau kennt, ob er in diesem Fall genesen oder mit der Arznei zu Tode gefüttert werden wird. Ähnlich verfährt der Mathematiker bei der Lösung seiner Aufgaben. Sollen etwa die Wurzeln einer Gleichung niederen Grades gefunden werden, so kennt er die mechanischen Operationen, durch welche diese genau oder annähernd berechnet werden können und wendet sie genau oder annähernd mit Erfolg an; bei einer Gleichung höheren Grades ist dies nicht der Fall; er wird daher versuchen, eine solche durch beliebige zufällige Operationen auf eine andere der Auflösung fähige Form zu bringen oder, wenn ihm dies nicht gelingt, eingestehen, daß er nicht imstande ist, diese Aufgabe mathematisch zu lösen.

Wie leicht zu sehen ist, haben alle diese Wege das Mittel zum Zweck zu finden und es auf seine Anwendbarkeit zu prüfen, etwas ganz Äußerliches, Zufälliges, Ungenaues und gehören insofern nicht innerlich der Wissenschaft an, welche doch ihren Stoff nicht durch zufällig hineingebrachte Mittel entwickeln, sondern durch die demselben innewohnende Methode darstellen soll; dennoch mußten jene Formen hier berücksichtigt werden, weil sie die Grundlagen des gewöhnlichen Tuns und Treibens des praktischen Bewußtseins bilden. Denn in der Tat haben die meisten Handlungen im gewöhnlichen Leben jene ganz empirischen Triebfedern der Gewohnheit, Ideenassoziation, Phantasie, und die Form der Zufälligkeit und Charakterlosigkeit, wenn sich auch die Leute einbilden, sie dächten etwas dabei; zum Gedanken ist aber noch mehr erforderlich als der Zusammenhang der Vorstellungen nach äußerlichen Merkmalen des Raumes, der Zeit usw., vielmehr wird hier noch ein Zusammenhang nach ihrem Inhalt und zwar nach den Momenten des ihnen zugrundeliegenden Begriffs gefordert.

Eine ebenso zufällige und äußerliche Methode das Mittel zum Zweck zu finden ist:

b)  der Weg der Analogie;  in der wir jedoch den praktischen Verstand zuerst einen Versuch zum Gedanken zu gelangen machen sehen, indem er nämlich das  Allgemeine  über das  Einzelne  erhebt.

Wie das Wort schon andeutet, geht dieser Weg am Faden eines Äußerlichen, Formellen, nicht zur Sache Gehörigen fort, an einem Schema, welches dem Stoff  zugrunde gelegt  ist, ohne ihn zu  begründen  und aus ihm hervorzugehen. Die Analogie ist der Hauptpfiff der ehemaligen Naturphilosophie und von HEGEL, wie sie dort auftrat, nicht eben sehr schmeichelhaft als die Methode "allem Vortrefflichen seine Haut abzuschinden, damit sie vom leblosen Wissen und dessen Eitelkeit umgehangen werde" bezeichnet worden.

Das Verfahren nach Analogie ist näher einerseits das Erheben einer Reihe von Tatsachen zum allgemeinen Gesetz, in welchem also dieses Gesetz auch auf die nicht beobachteten Fälle übertragen wird, wie dies in den Naturwissenschaften durchgehend der Fall ist; denn nur in der Mathematik kennen wir Gesetze von absolut allgemeiner und notwendiger Gültigkeit; andererseits (und dies versteht man gemeinhin unter einem Verfahren nach Analogie) ist es die Anwendung solcher Gesetze und Fälle, die mit den als gültig und wahr anerkannten nur in einer ganz äußerlichen Beziehung stehen. Dies ist näher durch Beispiele zu erläutern. Wenn gesagt wird: Alle Körper üben eine gegenseitige Anziehung aus, so ist hier aus einer sehr großen Anzahl von immer zutreffenden Beobachtungen das allgemeine Gesetz gezogen worden, wie dies das gewöhnliche Verfahren des Empirismus ist; wird aber auch zugleich behauptet, daß dieses Gesetz auch bei den sogenannten elektrischen und magnetischen Materien oder Flüssigkeiten stattfindet, so ist dies unerlaubt, da diese mit den Körpern höchstens den Namen von  Materie  gemein haben, im Übrigen aber nur eine ganz vage Vorstellung ihres Wesens gegeben werden kann.

Ebenso wenn man nach Analogie behauptet, daß der Mond Bewohner hat, nach der Erde zu urteilen, so ist dies das Erheben eines  einzelnen Falls  zur Allgemeinheit, wie es vorhin behauptet wurde, wobei ein solches Urteil allein etwas Halt bekommt durch das unbestimmte Annehmen von Bewohnern  überhaupt. 

Weil man auf solche Weise neue Wahrheiten durch Analogie herauszubringen glaubt, redet man auch von Schlüssen nach Analogie, d. h. solchen Schlüssen, in denen der  terminus medius [Vermittlungsbegriff - wp] etwas von einem Allgemeinen aussagt, was bisher nur von einem in ihm enthaltenen Besonderen gegolten hat und zwar wird dem Verstand dieses Allgemeine unbewußt durch Ideenassoziation untergeschoben. Wie es nämlich eine Tatsache ist, daß, wenn wir zwei Subjekte in Bezug auf eine Eigenschaft miteinander vergleichen, wir gleich an das ihnen gemeinschaftliche Allgemeine denken müssen, so überträgt das Bewußtsein in diesem Fall das Besondere des  einen  Subjekts auf das in beiden Subjekten vorhandene Allgemeine und damit zugleich auf das zweite Subjekt. Wir erhalten so einen Schluß, dessen  terminus medius  in sich ein doppelter ist und dessen einer Teil die vom Bewußtsein nebenher gedachte problematische Verallgemeinerung der einzelnen im  major  und  minor  besprochenen Subjekt bildet.

Ob überhaupt und inwieweit der Schluß der Analogie in den Wissenschaften gestattet sein darf, ist hier nicht der Ort zu untersuchen; nur kann hier noch bemerkt werden, daß in einer streng philosophischen Wissenschaft durchaus kein Gebrauch davon zu machen ist, wenn man nicht in den Fehler der ehemaligen Naturphilosophie und zum Teil auch der neuesten Religionsphilosophie, alles Mögliche damit beweisen zu können und sich das das Beste davon auszusuchen, verfallen will; hingegen ist in den sogenannten historischen Wissenschaften die Anwendung jener Schlußform nicht nur zulässig, sondern höchst erforderlich, zumal hier immer nur eine annähernde Gewißheit erzielt und die Willkür der Analogie durch zahlreiche Gegengründe beschränkt werden kann.

Die Anwendung des Schlusses der Analogie zum Erforschen eines Mittels zum Zweck geschieht folgendermaßen: Wir erinnern uns bei  einem  Zweck unwillkürlich eines anderen, früher schon von uns realisierten Zwecks, der, um uns bei der Vorstellung des Ersteren sogleich wieder ins Gedächtnis zu fassen, nur mit jenem unter  ein  Allgemeines oder unter ein und dieselbe Kategorie zu gehören braucht. Mit jenem früher ausgeführten Zweck fällt uns aber auch das damals angewandte Mittel ebenfalls durch die Gesetze der Ideenassoziation ein und wir werden unwillkürlich darauf geleitet, es auch in diesem Fall, wo unser Zweck dem früher damit erreichten so nahe zu stehen scheint, anzuwenden. So gebrauchen wir ein Mittel, welches eigentlich nur für jenen ersten Zweck paßt, zur Realisierung einer anderen Absicht, welche zwar mit jener unter einer Kategorie steht, ohne jedoch die Gewißheit eines  inneren  Zusammenhangs beider Vorstellungen zu haben. Es liegt hierbei die Verallgemeinerung des ersten Zweckobjekts zugrunde und die daraus folgende Übertragung des Mittels auf das andere unter jenem Allgemeinen mitbegriffene zweite Objekt. Es kann nun wohl sein, daß hierbei ganz das richtige, beiden Objekten immanente Allgemeine getroffen wird, allein ebenso leicht und noch leichter geschieht es, daß wir beide unter eine von uns willkürlich geschaffene Kategorie bringen, die nur auf äußerliche Beziehungen gegründet ist. So wird oft ein Sprachforscher, um die schwierige Stelle eines Schriftstellers zu erklären, seine Zuflucht zu analogen grammatischen Wendungen bei anderen Autoren nehmen, wodurch er aber wahrscheinlich das Richtige verfehlen wird, weil er nicht auf den eigentümlichen Geist und die Redeweise gerade  dieses  Schriftstellers sieht. Ebenso geschieht die Jurisdition meist nach Analogie, da selten wohl ein Fall mit dem Buchstaben des Gesetzes ganz übereinstimmt und der Richter wird, um das gebührende Urteil zu treffen, sich nicht so genau an den äußeren Tatbestand halten, sondern zugleich auch den inneren Zustand des Angeklagten, Zurechnungsfähigkeit und dgl. in Betracht ziehen, aus Besorgnis die Tat unter einen falschen Rechtstitel zu bringen. Fast alle menschlichen Handlungen sind mit der Analogie durchwebt und unbewußt bildet sie sich in den meisten die Praxis betreffenden Schlüssen und Urteilen. In diese Stufe tritt die praktische Vernunft, wenn sie sich aus dem Bereich der Triebe und Begierden, in welchem ihr kein anderes Mittel zur Erreichung ihrer Zwecke, als das Gedächtnis und das vage Hin- und Herraten der Einbildung gegeben ist, herausgearbeitet hat.

Sie verlangt nach dem Allgemeinen, um einen sicheren Halt zu haben im Gewirr der Begierden und einzelnen Absichten und findet es zunächst im Schema, dem Allgemeinen in seiner rohesten Form, der Abstraktion; ob dieses Allgemeine seinen Zweckvorstellungen innerlich zugrunde liegt, ob sie imstande sind, sich aus jenem zu entwickeln, daß ist ihm einerlei, da er nur einen Leitfaden verlang, seine Vorstellungen zu verbinden. So, im Wahn seine Handlungen der Vernunft und dem Begriff gemäß zu bestimmen, indem es doch weiter nichts getan hat, als über die zufällige Ideenverbindung hinauszugehen und das nächste abstrakte Allgemeine an seinen Absichten und Zwecken zu erfassen, merkt das Bewußtsein nicht, wie es, von der Äußerlichkeit der ergriffenen Verstandesabstraktionen umhergetrieben, von allen seinen Handlungen nur die äußere Hülle als durch es selbst bestimmt vorzeigen kann, das Innere, Konkrete der Handlung aber nach wie vor ihm unbegreiflich ist.

Erst durch einen langen Gebrauch der Analogie und der gewöhnlichen abstrakten Kategorien, erlangt die praktische Vernunft eine gewisse Fertigkeit in der jedesmaligen Bestimmung und Ergreifung ihrer Mittel, welche Fertigkeit man auch  praktische Umsicht,  auch  Glück  und  Genie  zu nennen pflegt, allein zugleich wird ihr die Gewißheit, daß hierbei nicht stehen zu bleiben, sondern ein noch festerer Grund zu suchen ist, auf welchem sich der Zusammenhang zwischen Zweck und Mittel uns auf eine tiefere, umfassendere Weise als bisher kund tut, was nicht nur wünschenswert, sondern zu einem ruhigen Genuß des Lebens, zu einer Sicherung des Wertes der praktischen Vernunft unumgänglich notwendig ist. Es ist dies die Forderung der Wissenschaftlichkeit, welche sich wie überall durch Notwendigkeit und unbedingte Allgemeinheit ausspricht und durch welche das theoretische Wissen erst in das Praktische übergehen kann.

Die Trennung der Theorie von der Praxis wird, je mehr sich die einzelnen Wissenschaften vervollkommnen, allmählich mehr und mehr verschwinden, denn nur der Mangel an Vollständigkeit der Bedingungen und Einzelheiten ist es, was zur Zeit hauptsächlich in den Naturwissenschaften die Theorie hindert, mit der Praxis zusammenzufallen; analog ist das Verhältnis der theoretischen und praktischen Philosophie. Wie die Geschichte lehrt, hat sich hier fast mit jedem eigentümlichen theoretischen Standpunkt auch eine von den bisherigen Ansichten verschiedene Moral gebildet; docht ist auch in fast jeder Philosophie die Anwendung ihrer Lehren auf das Leben weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben, weil die Theorie meist nur einzelne äußere Verhältnisse des Lebens, nie aber die konkrete Fülle desselben mit  einem  Mal zu behandeln imstande war (man denke z. B. nur an das Vielversprechende der kantischen Moral, die aber in der Praxis doch nur für ein sehr gedankenloses Publikum brauchbar und befriedigend ist). Auf einen höheren Standpunkt gelangt die Philosophie aber - und ihr Fortschreiten in der Geschichte ist notwendig ein Erheben zum Vollkommeneren - desto mehr werden Theorie und Praxis miteinander verschmelzen.

Den beiden bisher entwickelten Momenten der praktischen Vernunft, die uns die Mittel zum Zweck kennen lehrt, entsprechen auch zwei Momente des Wissens, oder diese selbst sind das Erkennen, welches in jenen herrscht, die Stufe des Gedächtnisses und der reflektierenden Abstraktion. Die Ideenassoziation, durch welche sich uns das Mittel zum Zweck oft von selbst darbietet, entspricht dem Gedächtnis, denn das Wissen läuft hier nur an den einzelnen  äußerlichen  Merkmalen fort, es wird hier eben nur  auswendig  gewußt. Die zweite Stufe des Erkennens, die des Gedankens in seiner unmittelbarsten Form der Allgemeinheit, der Abstraktion, entspricht der Analogie, einem Allgemeinen, welches, obschon es ein Gedanke ist, seinem Objekt nur äußerlich anhängt.

Wie das Wissen sich nicht hiermit begnügen kann, so geht es zur Form der Notwendigkeit über, in welcher allein die wahre Wissenschaft bestehen kann und sucht das Besondere und Einzelne seines Wissens aus einem Allgemeinen, welches jenem innerlich zugrunde liegt, mit absoluter Gewißheit zu entwickeln. Dieses feste immanente Fortgehen des Bewußtseins in seinen Bestimmungen macht den  Vernunftschluß  aus, durch welchen sich schließlich im  Begriff  die Wissenschaft vollendet. Dies ist das dritte Moment der theoretischen Vernunft; es konnte hier nur angedeutet werden, ebenso wie die beiden übrigen Stufen des erkennenden Bewußtseins, zwischen welchen sich aber noch eine große Anzahl von Zwischenstufen befindet, durch welche der Geist sich hindurcharbeiten muß. Dasselbe geschieht im Bereich der praktischen Vernunft in der Erforschung der Mittel zum Zweck, indem diese sich nicht mit der äußerlichen Form der Analogie begnügt, sondern durch die Auffindung eines notwendigen und allgemeingültigen Zusammenhangs zwischen Zweck und Mittel zunächst zur wissenschaftlichen Form des  Schlusses  fortschreitet und hierin die vollendetste Gestalt des Handelns erlangt zu haben glaubt.

Wir haben nun zu prüfen:
    1) inwiefern durch das, was man  Vernunftschluß  nennt, aus dem Zweck das Mittel hinreichend erforscht werden kann;

    2) ob es, wenn dies nicht der Fall ist, noch etwas für das theoretische Erkennen wie für die Praxis Wichtigeres, als die Form des Schlusses gibt.
Ein jeder Schluß vermittelt ein Einzelnes (wenigstens ein der Bedeutung nach relativ Einzelnes, wenn auch nicht dem Ausdruck nach) mit einem Besonderen durch ein, Einzelnes und Besonderes umfassendes Allgemeines. Das Urteil, in welchem das Allgemeine als das Einzelne umfassend, ausgesprochen wird, ist der  terminus medius.  Dies ist der allgemeine Charakter des Schlusses, dessen verschiedene Arten und Einteilungen in kategorische, hypothetische usw. uns hier weiter nichts angehen.

Die Ansicht, daß die Substitution, welche ein Subjekt aus einem  terminus  in den andern erleiden muß, den Grund allen Schließens bildet, hat unstreitig viel für sich, woher es sich auch nur erklärt, weshalb zu einem vollständigen Schluß nie weniger als drei  termini  vorhanden sein dürfen, denn die sogenannten unmittelbaren Schlüsse sind entweder nur Tautologien, oder es ist der fehlende  terminus  in den andern versteckt enthalten, was sich auch schon aus dem Vergleich der Schlußform mit der mathematischen Substitution ergeben muß. Der Schluß ist daher nur ein Fortgehen am Faden des Satzes der Identität (und folglich auch des Widerspruchs) und die verschiedenen Bestimmungen, welche das identische Subjekt erleidet, sind nur die verschiedenen Seiten, von denen ein und dasselbe Subjekt in den verschiedenen  terminis  betrachtet werden kann. Diese mannigfaltigen Seiten  unserer  Betrachtung, denen dasselbe Subjekt ausgesetzt ist, haben alle mehr oder weniger einen Grad von Allgemeinheit, sie umfassen eine gewisse Menge von gleichartigen Subjekten oder selbst Allgemeinheiten und der Schluß besteht darin, das Subjekt durch die Substitution aus  einer  Allgemeinheit in eine  andere,  jene mit umfassende, zu versetzen. Durch den Schluß erfahren wir also eigentlich gar nichts Neues, vorher Unbekanntes, sondern wir führen nur die im ersten Satz ausgesprochene Wahrheit weiter aus, bringen sie in andere Beziehungen und lassen so die Sache gleichsam von verschiedenen Seiten ansehen, obwohl nicht zu vergessen ist, daß diese Seiten meistenteils nur von uns selbst gemachte Kategorien sind; die Neuigkeiten, die wir durch Schlüsse erfahren, stecken also schon vorher in unserem Kopf und haben wir diese nur zu kombinieren und durch eine Auswahl eines  terminus medius  beliebig aneinander zu bringen. Auf dem Gebiet der mathematischen Wissenschaften allein läßt sich von einem Fortschritt des Wissens durch Schlüsse reden (wobei natürlich die Schlüsse der Analogie nicht mitgerechnet werden dürfen), aber wenn wir genauer aufmerken, so schreiten nicht  wir  in diesem Gebiet durch Schlüsse fort, sondern es ist  die Sache selbst,  welche sich entwickelt und die einzelnen Schlüsse erhalten wir nur durch ein Dagegenhalten unserer Kategorien; wir greifen mit diesen Kategorien in den aus sich selbst fortschreitenden Gedanken des Gegenstandes ein und ziehen so einzelne  Sätze  heraus, wie dies z. B. in der synthetischen Planimetrie [Flächeninhaltsberechnung - wp] der Fall ist. Ein innerer Fortschritt dieser Sätze selbst und deren Zusammenhang ist hier jedoch, wie in der ganzen synthetischen Geometrie und auch in den neueren Methoden derselben schwer zu erkennen, sondern zeigt sich erst in der analytischen Geometrie; es sind hier nicht bloß andere Zustände ein und derselben Sache, die wir durch diese herausgerissenen Schlüsse kennenlernen, sondern die verwandelte Sache selbst, die ihrem Begriff gemäß aus sich herausgetreten ist.

Wie sich die Sache selbst entwickelt, so muß auch unsere Erkenntnis von ihr fortschreiten. Ziehen wir aus der Reihe der Erscheinungen, welche uns die Sache darbietet, verschiedene Seiten hervor, so können wir diese zwar miteinander durch unsere eigenen Kategorien in Beziehung bringen, wir können die verschiedenen Zustände der Sache voneinander scheinbar abhängig machen durch die Form eines daraus gebildeten Schlusses, allein wenn uns der innere Faden ihrer Verwandlung, wenn uns der Gedanke fehlt, der dem Werden der Sache selbst zugrunde liegt, so werden wir durch unseren Schluß niemals den Zusammenhang ihrer Momente ausfindig machen, noch weniger diese  a priori  konstruieren können. Wir wenden das Gesagte an zur Prüfung unserer Fähigkeit, aus einem vorgesetzten Zweck auf das erforderliche Mittel zu schließen, was wohl am Besten durch eine Erläuterung des Zusammenhangs geschieht, der in der Wirklichkeit zwischen Zweck und Mittel stattfindet.

Ein gewisser Zustand äußerer Dinge ist Zweck für uns (wir reden hier nur von einem subjektiven Zweck) und unterscheidet sich vom Mittel (welches ebenfalls ein gewisser Zustand äußerer Dinge ist) durch nichts, als durch die objektive Bedingung, daß gemäß den Naturgesetzen oder sonstigen gesetzmäßigen Vorgängen, ob sie uns bekannt oder unbekannt sind, aus diesem  einen  Zustand (dem Mittel) jener andere gewünschte Zustand (der Zweck) erfolgt, d. h. Zweck und Mittel stehen in einem Kausalnexus, denn kein anderes Bindungsmittel ist zwischen verschiedenen Zuständen äußerer Dinge denkbar.

Die obige Frage ist also darauf zurückgeführt, ob sich von  einem  Zustand mit Gewißheit auf einen anderen mit ihm in einem Kausalnexus stehenden  schließen  läßt, d. h. allgemein ausgedrückt, ob man aus der Ursache die Wirkung und aus der Wirkung die Ursache erkennen kann, wobei hier nur einstweilen das Letztere in Betracht kommt.

Ein Haupterfordernis zur Einsicht in diese Deduktion ist, daß man überzeugt ist, im beabsichtigten Zustand, welchen wir Zweck nennen,  objektiv  durchaus nichts anderes als in dem des Mittels zu finden, nur den einfachen Zusammenhang zwischen Wirkung und Ursache, sonst aber durchaus nichts Vollkommeneres, noch Besseres, noch dergleichen, da ja das, was den einen zum Zweck, den andern zum Mittel macht, nur in unserer Natur, in unserem Willen und Absicht seinen Grund hat.

Ferner ist die Frage, ob uns der Zweck ein solches Allgemeines darbietet, welches auch zugleich in gewissem Sinne dem Mittel angehört, und hier ergibt sich zunächst die Antwort, daß der  Stoff  ein solches Allgemeines ist, welches Zweck und Mittel unter sich faßt, denn es ist sehr leicht einzusehen, daß der Stoff, aus welchem der Gegenstand unseres Zweckes gebildet ist, vorher im Mittel vorhanden sein muß, wie wir etwa, um ein steinernes Haus zu bauen, vorher notwendig Steine zum Mittel haben müssen. Aber wir kennen ja diesen Stoff gar nicht, wenn unser Zweck bis jetzt nur eine Vorstellung ist und wir ihn nie realisieren gesehen haben, müßten daher ebenfalls erst auf die passende Natur dieses Stoffes aus den übrigen Momenten unserer Zweckvorstellung  schließen. 

Die Vorstellung, die hier auszuführen wäre, ist zunächst nur ein Haus, welches vor Wind und Wetter schützt, und von welchem wir aus diesen Angaben nicht im mindesten  schließen  können, daß es am besten von Stein gebaut sein muß, welches uns im Gegenteil erst durch lange Erfahrung kund geworden ist.

Aber wenn wir vom Stoff unseres Zweckes reden, braucht man nicht gleich an so etwas Äußerliches, Materielles zu denken, denn alles, selbst der Geist, kann sich zu diesem Stoff gestalten.Um in einem Geist diese oder jene Gemütsverfassung, diesen oder jenen Gedanken hervorzurufen, ist eben dieser Geist der Stoff, den wir bearbeiten müssen, um jenen Zweck zu erreichen.

Man sieht also ein, daß mit der Identität des Stoffes im Mittel wie im Zweck eigentlich nichts weiter gesagt ist, als daß nur die zum Stoff hinzutretende Tätigkeit unsererseits es ist, welche einerseits verschiedene Zustände des Stoffs, vermöge der in ihm ruhenden Gesetze und mittels Kausalität bildet, andererseits dadurch, daß es  unsere  Tätigkeit ist, die Wirkung zum Zweck, die Ursache zum Mittel macht. Es bleibt also ferner zu untersuchen, wie man aus der Zweckvorstellung auf die den Stoff belebende Tätigkeit unseres  Vermittelns  schließen kann.

Die Tätigkeit, womit wir auf den rohen Stoff wirken, um ihm eine bestimmte als Zweck beabsichtigte Form zu geben, ist von unserer Seite nur ein  Anstoß,  wodurch wir die im Stoff selbst vorhandenen Tätigkeiten erregen und nach unserem Willen lenken, damit sie nach eigenen Gesetzen wirken.

Soll in einem Bewußtsein ein gewisser Gedankenzusammenhang hervorgebracht werden, so bedarf es nur eines Anstoßes von Außen, einer bestimmten Anschauung, um nach den Gesetzen der Ideenverbindung jenen Zusammenhang auftreten zu lassen; soll ein materielles Werk gebildet werden, so bedarf der Stofff nur einer Berührung mit einem anderen Stoff, um seinen eigenen Gesetzen gemäß sich wieder zu verwandeln. Um also unser Einwirken auf den Stoff  a priori  bestimmen zu können, damit es die bezweckte Wirkung darin hervorzubringen vermag, ist die Kenntnis seiner immanenten Gesetze, d. h. seines Wesens nötig, welches den ganzen Bereich seiner Beziehungen zur übrigen Welt in einer Einheit umfaßt, die wir den  Begriff  nennen; aus diesem erst lassen sich die einzelnen Beziehungen des Stoffes zur übrigen Welt als  Gesetze  entwickeln.

Der Begriff eines Dinges ist aber nicht so etwas, was sich aus bloßen Erfahrungen, Tatsachen und Erscheinungen zusammenfassen läßt, noch eine Komposition von Eigenschaften und Unterordnung derselben unter ein Allgemeines, wie man wohl gewöhnlich den Begriff definiert, was doch höchstens nur ein  Inbegriff  zu nennen wäre, vielmehr drückt der Begriff das  reine Gewordensein  des Dinges aus, was jedoch hier nicht weiter erläutert werden kann. Wie sollen wir aber aus der Vorstellung, die wir vom Stoff unseres Zwecks haben, aus dieser kahlen subjektiven Idee die objektive Fülle des Begriffs finden, umd daraus die Gesetze, welche den Stoff mit seiner Außenwelt verknüpfen, abzuleiten? Der Begriff, der das Allgemeinste ist, kann nicht in so etwas Einzelnem, wie es die Vorstellung ist, enthalten sein, und wir können also auch nicht daran denken, ihn daraus zu schließen; dies würde geradezu eine Umkehrung der ganzen Schlußfolge sein.

Da uns die Erkenntnis der inneren Natur des unserem Zweck zugrunde liegenden Stoffes aus einer einzelnen Vorstellung desselben nicht gelingen will, so müssen wir sehen, ob wir weiter gelangen, wenn wir diesen Stoff als ganz bekannt und seine inneren Gesetze als völlig offenbar voraussetzen, infolgedessen es sodann nur noch darauf ankommt, die erste Veränderung oder gleichsam den ersten Anstoß zu bestimmen, welcher jenem Stoff gegeben werden muß, damit er seiner Natur gemäß sich zu der Form entwickelt, welche in unserer Zweckvorstellung dargeboten ist. Um uns diese Richtung unserer Erkenntnis genauer zu fixieren, nehmen wir den einfachen Fall, wo der gegebene Stoff ein uns in allen seinen Funktionen genau bekannter tierischer Organismus ist und fragen, was für eine Veränderung von Außen her im gesunden Zustand mit ihm vorgenommen werden muß, um durch ein gegenseitiges Einwirken des  äußeren  Eindrucks und der  inneren  physiologischen Gesetze eben dieses Organismus einen bestimmten Zustand des letzteren, z. B. seine Zerstörung oder den Tod herbeizuführen. Man könnte glauben, man brauche hierzu nur  zurückzuschließen,  indem man den bezweckten Zustand, den Tod, als wirklich voraussetzt und dann von diesem Zustand mittels der bekannten Gesetze des Organismus zurückgeht zu den sich auf diesem Weg als notwendig ergebenden Prämissen und Bedingungen, bis man zuletzt auch auf die von  außen  wirkende Ursache kommt.

Man kann sich dies etwa so denken, wie das Auflösen einer algebraischen Gleichung, wobei man von einer gewissen algebraischen Verbindung der unbekannten Größe durch die auflösenden Operationen gleichsam zurückschließt auf die ursprünglichen Bedingungen zu einer solchen gegebenen Verbindung d. h. auf den Zahlenwert der unbekannten Größe selbst; und im Falle daß dort mehrere Anfangsursachen zusammengewirkt hätten, so würde man diese alle zugleich als Resultate auffinden, in der Art etwa, wie man bei einer Gleichung höheren Grades mehrere Wurzeln zur Auflösung erhält.

Diese Zusammenstellung eines organischen Vorganges mit einer Verbindung von mathematischen Operationen kann aber immer nur ein Gleichnis sein; im ersten Fall soll die Auffindung in einer gesetzmäßigen Entwicklung, d. h. durch Schlüsse geschehen, im letzteren geschieht sie durch zufällige mechanische Operationen, die wir vorher durch Fertigkeit erlernt habe, nicht aber unmittelbar der Aufgabe angehören; dort geschieht die Entwicklung an Gesetzen der Natur, hier sind es  unsere  Operationen, die von Außen an den Gegenstand treten.

Wird es aber überhaupt möglich sein, durch den oben vorgeschlagenen Weg des Zurückschließens zum Ziel zu gelangen? Die vorausgesetzte Kenntnis, welche wir vom Stoff haben, hier vom Organismus, läßt sich in einer Reihenfolge von Gesetzen ausdrücken, d. h. in Urteilen, die eine Gesamtheit von Einzelnen oder Besonderen einem Allgemeinen gleichsetzt und der Zweck zeigt uns das Urteil an, mit welchem wir unsere Schlußfolge beginnen müssen; wir haben alsdann weiter nichts zu tun, als das Gesetz aufzusuchen, welches in der obigen uns bekannten Reihenfolge den Zustand des Stoffes, welcher unserem Zweck entspricht, als ein Allgemeines umfaßt, alsdann dieses Gesetz als Urteil umzukehren, indem wir hier stillschweigend voraussetzen, daß es auch dann noch Gesetz und richtiges Urteil bleibt; dieses umgekehrte Urteil auf unseren diesmaligen Stoff angewand erteilt diesem einen bestimmten, vom vorigen verschiedenen, neuen Zustand, für welchen wir in der Reihe der bekannten Gesetze wiederum dasjenige aufzusuchen haben, welches ihn unter ein Allgemeines faßt, dieses umzukehren, darauf anzuwenden usw., bis wir durch eine mittels Umkehrung jener Gesetze bewirkte, sukzessive Reihe von Verwandlungen den Stoff hindurchtreibend zu einem ursprünglichen Zustand desselben kommen, der auf ein von außen her wirkendes Moment führt und dieses bestimmt, so daß wir jetzt das gesuchte Mittel kennen.

Dies wäre allerdings die einzige Methode, durch welche wir auf einem wissenschaftlichen Weg zur richtigen Erkenntnis des Mittels aus dem Zweck kommen könnten, aber der Wichtigkeit dieses Weges und um seines näheren Verständnisses willen, wird es nötig sein, die einzelnen Momente, aus denen das ganze Verfahren zusammengesetzt ist, ihrer Möglichkeit und Haltbarkeit nach zu prüfen.
LITERATUR - Johann Heinrich Koosen, Der Streit des Naturgesetzes mit dem Zweckbegriff in den physischen und historischen Wissenschaften (eine Einleitung in das Studium der Philosophie), Königsberg 1845