R. RichterAenesidemusK. F. Stäudlin | ||||
(1758 - 1828) Über den philosophischen Skeptizismus
Einleitung Dieser Skeptizismus wird nicht wenig durch diejenige Gleichgültigkeit gegen die Wahrheit begünstigt, die in unserem Zeitalter in dem Verhältnis überhandnimmt, als die einseitige Kultur des eigennützigen Triebes durch den steigenden Luxus immer weiter um sich greift, Geld immer ausschließender für den Maßstab aller Realität angesehen, die philosophische Spekulation immer enger mit der kaufmännischen verbunden, und von den Schriftstellern immer absichtlicher für den Kauf räsonniert und lukubriert [mit künstlichem Licht erleuchtet - wp] wird. Mit der Vervielfältigung, Verfeinerung, und zum Teil auch selbst der Verschönerung der Berührungspunkte des Sichtbaren und Handgreiflichen wird das Interesse am Unsichtbaren und Übersinnlichen immer schwächer und seltener, und durch die künstlich erhöhte Reizbarkeit der Organe, die überspannte Empfänglichkeit für angenehme und unangenehme Empfindungen, und das dadurch aufgeregte Streben nach unnatürlichen Genüssen, wird das Streben nach reiner, und folglich intellektueller, Wahrheit verdrängt, welches sich nur mit einer gewissen Gleichgültigkeit gegen Lust und Unlust, und mit einem ruhigen, heiteren, und festen Blick des Geistes verträgt. Zu den vornehmsten Quellen des Skeptizismus von dem bisher die Rede war, gehört auch die so sehr angepriesene und beliebte Methode die Philosophie - durch ihre Geschichte zu studieren. Wer sie auf diesem Weg zuerst kennen zu lernen unternimmt, kommt gar bal zu der höchst irrigen Meinung, daß sie sich auf keinem anderen Weg kennen lernen läßt. Bloß historische Bekanntschaft mit der Philosophie, und sogar auch mit ihrer Geschichte selbst, ist ein viereckiger Zirkel. Wer ohne den Leitfaden der letzten Prinzipien des philosophischen Wissens den Charakter und die Schicksale dieses Wissens im historischen Apparat echter und unechter Denkmäler entdecken will, wird sich von der wahren Kenntnis der Philosophie und ihrer Geschichte in dem Verhältnis weiter entfernen, wie er sich ihr durch seine zunehmende Gelehrsamkeit zu nähern glaubt. Indem er die Wahrheit, ohne über ihre Bedingungen mit sich selbst einig zu sein, allenthalben aufsucht, ist er in der Gefahr, sie nirgends zu finden, und je nachdem einem bloß historischen Kenner und Bearbeiter der Philosophie entweder weniger Scharfsinn, oder weniger Witz zuteil geworden ist, wird er sich entweder zu einem seichten Eklektizismus, der unter allen Lehrsätzen Übereinstimmung oder zu einem seichten Skeptizismus, der unter allen Widersprüche wittert, bekennen, und beide werden ihre Ahnungen für Aussprüche des gesunden Verstandes, die nur durch Grübelei weiter zergliedert und für Zeugnisse der Geschichte, die nur durch Unsinn bezweifelt werden können, erklären. Eines der unstreitigsten Resultate des bloß historischen Studiums der Philosophie ist, "daß die Vernunft, wenn sie mit sich einig werden will, alles weitere Philosophieren aufgeben muß." Denn es gibt auf dem ganzen Gebiet der Geschichte der Philosophie keine Tatsache, die auffallender und ausgemachter wäre, als: "daß die philosophierende Vernunft in den Perioden ihrer schönsten Wirksamkeit, und in ihren vornehmsten Repräsentanten älterer und neuerer Zeiten, im PLATO und ARISTOTELES, im EPIKUR und ZENO, im LEIBNIZ und LOCKE, im HUME und KANT mit sich selbst einig ist." Die Resultate des Materialismus und Spiritualismus, Atheismus und Theismus, Naturalismus und Supernaturalismus, Empirismus und Rationalismus, Dogmatismus und Kritizismus, sind durch Männer von ungefähr gleichem Genie und gleicher Wahrheitsliebe aufgestellt, durch gleich scharfsinnige Beweise unterstützt, und durch dieselbe auf Vernunft und Erfahrung als die letzten Quellen aller Wahrheit zurückgeführt worden. Bei der Wahl unter diesen einander entgegengesetzten und durch gleich scheinbare Gründlichkeit anlockenden Theorien, durch das moralische und religiöse Gefühl sicher geleitet zu werden, ist ein Vorteil, der auch beim besten Willen gemeinhin durch den Versuch, jene Gefühle auf bestimmte Begriffe zu bringen, umso gewisser verloren geht, je sorgfältiger man dabei die Geschichte der praktischen Philosophie zu Rate zieht. Hier springt sogleich wieder die leidige Tatsache in die Augen "daß die philosophierende Vernunft über die Überzeugungsgründe von den Grundwahrheiten der Moralität und Religion durchaus nichts einstimmiges festgesetzt, und keine allgemein geltenden Grundbegriffe und Grundsätze der Moral und des Naturrechts geliefert habe." Hier ist es, wo nicht nur die kalte Gleichgültigkeit gegen Wahrheit, sondern auch die Verzweiflung des verirrten Forschers gewöhnlich die Miene der Bescheidenheit annimmt. "Wie soll ein einzelner Mann sich schmeicheln dürfen, daß die philosophierende Vernunft in seiner Person zum Einverständnis mit sich selbst gelangen wird, da ihr dieses durch alle Bemühungen der Weisesten und Besten aus allen Zeiten und Völkern bis jetzt noch nicht gelungen ist?" Bei einer solchen Gemütsstimmung bedarf es auch nicht der geringsten Bekanntschaft mit den eigentlichen Gründen des philosophischen Skeptizismus, ums ich für den entschiedensten Skeptiker anzusehen. Gewöhnlich findet man es auch höchst überflüssig, durch das mühsame Studium der Schriften eines SEXTUS und HUME eine Überzeugung erst aufzusuchen, die man bereits auf einem kürzeren und leichteren Weg erworben hat. Wer es aber nichts desto weniger der Mühe nicht unwert findet, die Räsonnements dieser Schriftsteller entweder aus den Quellen selbst, oder welches weit öfter der Fall ist, aus Auszügen und Zitationen kennen zu lernen, der wird dieselben, ohne sie zu verstehen, und durch sie überzeugt zu sein, gleichwohl umso verständlicher und überzeugender finden, je weniger er in ihnen etwas anderes als die Bestätigung einer Überzeugung gesucht hat, die schon ohne sie für ihn ausgemacht war. Ich fordere zum Wesen des philosophischen Skeptizismus auch schon in der weitesten Bedeutung dieses Ausdrucks, daß er von Grundsätzen ausgeht. Ich verstehe unter Grundsätzen Urteile der Vernunft, die entweder schlechthin, oder doch dort, wo sie als Gründe gebraucht werden, keines Beweises fähig und bedürftig sind. Eine Überzeugung ist historisch, insofern sie durch Tatsachen, philosophisch, insofern sie durch Grundsätze begründet ist. Diese Begründung ist so wesentlich, daß sie nur um derselben willen allein philosophische heißen kann. Der Skeptizismus besteht daher keineswegs in einem gänzlichen Mangel an aller Überzeugung, sondern vielmehr in der philosophischen, auf Grundsätzen beruhenden Überzeugung, daß man sein Urteil zurückhalten muß. Wer da zweifelt, ob er auch überhaupt mit Grund zweifelt, ist ebensowenig ein philosophischer Skeptiker, wie derjenige, bei dem der Grund seines für ihn ausgemachten Zweifels bloß historisch ist. Für den philosophischen Skeptiker muß es also etwas Ausgemachtes geben, und zwar etwas philosophisch ausgemachtes; und dies sind nicht nur seine Grundsätze, sondern auch sein Zweifel selbst, insofern derselbe aus den Grundsätzen erfolgt. Die Überzeugung, daß man sein Urteil über unausgemachte Sätze bis zur vollendeten Untersuchung zurückhalten muß, ist kein Skeptizismus. Auch nicht einmal die Überzeugung, "daß der Philosoph sein Urteil solange aufschieben muß, bis er die Gründe desselben bis zu den letzten Prinzipien zurückgeführt hat", kann diese Benennung führen. denn sonst würde jeder vernünftige Mann, und jeder Philosoph, der dieses Namens wert ist, auch ein Skeptiker heißen müsse. Nur sehr uneigentlich kann also was immer für ein Zweifeln, das auf bloß logischen und kritischen Prinzipien beruth, auch wenn es zur höchsten Fertigkeit geworden ist, ein skeptisches heißen, und des kann von einem logischen und kritische Skeptizismus immer nur in einer weiteren Bedeutung des letzteren Wortes die Rede sein. Die engere Bedeutung desselben ist auf die philosophische Überzeugung eingeschränkt, "daß man sein Urteil (über gewisse Gegenstände) auf immer zurückhalten muß." Es gehört also zum Charakter des skeptischen Zweifels, daß er für den Zweifler unauflöslich, oder zumindest durch die Überzeugung von seiner Unauflöslichkeit begleitet ist. Dieser Skeptizismus urteilt, weiß und behauptet, daß sich über gewisse Gegenstände nichts urteilen, wissen und behaupten läßt. Er setzt dogmatisch fest, daß über die erwähnten Gegenstände kein gründliches Urteil möglich und jedes mögliche Urteil grundlos ist. Er leugnet also die Wahrheit, insofern sie ein Urteil und zwar ein gegründete Urteil über den Gegenstand voraussetzt. Indem er weiß, daß er nicht urteilen kann, insofern hält er jedes positive und negative Urteil über den Gegenstand zurück, bejaht weder noch verneint er etwas über denselben, entscheidet weder über die Wahrheit noch über die Falschheit irgendeines Prädikats, das dem Gegenstand ansich und unabhängig vom Urteil über denselben zukommen möchte, und insofern befindet er sich im Zustand des Zweifels. So verschwindet der Widerspruch, durch welchen er die Wahrheit zugleich zu leugnen und zu bezweifeln, und sein Urteil über dieselbe zu fällen und zurückzuhalten scheint. Wenn der philosophische Skeptiker, nachdem er seinen Gegner den positiven Dogmatiker bekämpft hat, seine Waffen gegen sich selbst kehrt; wenn er dafür hält, daß er durch dieselben Gründe auch sich selbst widerlegt hat; so tut er sich selbst unrecht, oder er vergißt, oder wußte nie, in welchem bestimmten Sinn er die Unerweislichkeit der Wahrheit behauptet hat. Sein Zweck war der Wahrheit überhaupt zu huldigen, indem er zu zeigen suchte, daß eine gewisse Art von Wahrheit unerreichbar, und insofern man sie zu besitzen glaubt, ein Irrtum ist. Diese letztere, die er bekämpft, ist von wesentlich verschiedener Art von der Ersteren, die er zugibt und zugeben muß, um jene bekämpfen zu können. Jeder philosophische Skeptiker muß mehr oder weniger deutlich und bestimmt, die subjektive von objektiven Wahrheit unterscheiden, und jene anerkennen, damit der diese leugnen kann. Nur durch den Mangel der durchgängigen Bestimmtheit in dieser Unterscheidung kann es geschehen, daß er am Ende seiner Untersuchungen mit sich selbst uneinig wird, und durch die Behauptung, daß es überhaupt keine Wahrheit gibt, sein eigenes Lehrgebäude selbst umstößt. Wie könnte er sonst die objektive Wahrheit durch die subjektive aufheben, und dafür halten, er habe in der ersteren auch die letztere zerstört? Der Skeptiker, dem es durchaus an einem bestimmten Begriff von Wahrheit überhaupt, und von den verschiedenen Arten derselben fehlt, ist kein philosophischer. Die Behauptung, daß es keine bestimmten Begriffe von der Wahrheit und ihren Arten geben kann, weil es wirklich überhaupt keine Wahrheit gibt, ist eine armselige Sophisterei. Sei Wahrheit wirklich oder nicht wirklich, der Philosoph kann sie weder behaupten noch leugnen, noch bezweifeln, ohne einen bestimmten Begriff von ihr zu haben. Er muß wissen, wie er sich das wirkliche oder nicht wirkliche Ding, womit er sich beschäftigt, nicht nur wirklich denkt, sondern auch, wie er es denken muß. Der philosophische Skeptizismus ist durchaus konsequent und unwiderlegbar, sobald sein Fundament zugegeben ist. Allein der Skeptiker kann in dem Verhältnis, als er seine Grund- und Lehrsätze nicht durchaus bestimmt genug denkt, seinen Prinzipien in mancher seiner einzelnen Behauptungen ungetreu werden. Wenn er einmal seine Inkonsequenz so weit getrieben hat, daß er die Behauptung, daß sie überhaupt nichts ausmachen läßt, aus seinem Hauptsatz: daß die objektive Wahrheit unerreichbar ist, folgern kann: so kann er wohl auch die Überzeugung in sein System aufnehmen: Es sei ansich nicht unmöglich, daß sich wenigstens über kurz oder lang auch die objektive Wahrheit selbst ausmachen läßt. In dieser Hinsicht dürfte es denjenigen, die erst neuerlich behauptet haben: der dogmatische Skeptizismus widerspreche sich selbst, und es habe nie einen dogmatischen Skeptiker gegeben, nicht schwer werden, ihre Behauptung durch einzelne Stellen aus dem SEXTUS und sogar aus dem HUME zu unterstützen. Diejenige Wahrheit, die der philosophische Skeptiker zur Begründung seines Systems voraussetzt, und die er, sofern er diesem System durchaus treu bleibt, nie widerrufen kann, wird von ihm bald die Subjektive, bald die Logische genannt, und der letztere Ausdruck bedeutet ihm bald eben dasselbe, bald mehr, bald weniger als der Erstere. Alle diese drei Bedeutungen können mit Grund und Vorteil gebraucht werden, wenn einmal ihre Verschiedenheiten, welches frei bis jetzt nicht immer der Fall war, vorherbestimmt genug auseinandergesetzt sind. Logische Wahrheit besteht in der Übereinstimmung der bloßen Gedanken untereinander. Gedanken sind nichts außerhalb des denkenden Subjekts wirkliches. Insofern ist die logische Wahrheit subjektiv. Subjektive Wahrheit besteht in der Übereinstimmung der Vorstellungen mit den Vorgestellten (Objekten) im Vorstellenden (Subjekt). Vorstellungen sind entweder Gedanken oder Gefühle. Ungeachtet also daß die logische Wahrheit als solche, subjektiv ist, so ist doch diejenige subjektive, die in der Übereinstimmung zwischen dem Gedachten und Gefühlten besteht, ganz etwas anderes, als die bloß logische. Subjektive Wahrheit, wenn sie in der Übereinstimmung sowohl zwischen den Gedanken unter sich selbst besteht, ist mehr als die bloß Logische, ungeachtet dessen, daß sie nur subjektiv ist. Allein inwiefern zur Übereinstimmung des Gefühls mit den Gedanken, wenn sie Wahrheit heißen soll, Gedanken vorausgesetzt werden, die unter sich selbst zusammenstimmen müssen; inwiefern der Gedanke, der mit einem Gefühl übereinstimmen soll, in sich sich selbst nichts Widersprechendes enthalten darf; inwiefern die logische Wahrheit die Bedingung ist, ohne welche die Übereinstimmung des Gefühls mit den Gedanken, welche die subjektive Realität des Gedankens (subjektive reale Wahrheit) heißen kann, eine bloße Täuschung ist, insofern hat die logische Wahrheit den Vorrang über die bloß subjektiv reale als solche betrachtet. Auch hat sie das Eigentümliche und Vorzügliche, daß die Gesetze, nach denen sie beurteilt wird, wirklich allgemein geltend sind, oder was ebensoviel heißt, daß die bloß logischen Regeln von allen philosophischen Sekten, die Skeptische nicht ausgenommen, anerkannt sind, und anerkannt werden müssen, weil ohne sie schlechterdings kein Räsonnement besteht. Ein Gegner sowohl der kritischen Philosophie, als auch derjenigen (ohne Beinamen) welche durch die Kritische vorbereitet wird, hat dafür gehalten, daß sich beiden ein Skeptizismus entgegenstellen läßt, der nichts weniger als dogmatisch wäre, indem derselbe außer den bloß logischen Regeln keine Prinzipien anerkennt und von keiner andern als der logischen Wahrheit ausgeht. Allein dieser Schriftsteller hat nicht bedacht, daß die Grundsätze, die der Skeptimismus als solcher aufstellen, das Ausgemachte, worauf er seine Beweise gründen muß, wenn er eine Prüfung aushalten und verdienen soll, keineswegs aus bloßen logischen Regeln bestehen kann. Wahr ist es, das ganze Feld des Skeptizismus liegt außerhalb dem der Logik als Wissenschaft eigentümlichen Gebiet und die Wahrheit, mit der es der Skeptiker zu tun hat, betrifft nicht diese Regeln, sondern einen Gebrauch derselben, der sie zwar voraussetzt, aber keineswegs von ihrer Wahrheit allein abhängig ist. Allein eben darum, bedarf der Skeptiker eines festen Bodens außerhalb der Logik, eines Grundes für die Gültigkeit desjenigen Gebrauchs der logischen Regeln, durch den er den Ungültigen angreifen will. Die Wahrheit, die er bekämpft, und allein bekämpfen kann, ist die objektive, die Übereinstimmung der Vorstellungen, das ist, der Gedanken und der Gefühle, mit den Realen, von aller bloßen Vorstellung verschiedenen und von denselben unabhängigen Objekten, eine Übereinstimmung, die sich durch die logischen Regeln allein ebensowenig bestreiten, wie begründen läßt. Jeder Grundsatz, der dieser Wahrheit entgegen gestellt wird, ist schon eine Anwendung der logischen Regeln, die sich durch alle diese Regeln nicht begründen läßt; setzt mehr als bloße Abwesenheit des Widerspruchs im Denken, setzt mit einem Wort einen Inhalt der Gedanken voraus, der sich aus den logischen Regeln nicht schöpfen und durch keine bloße Logik prüfen läßt. Dieser Inhalt kann nur durch Tatsachen des Bewußtseins herbeigeschafft werden, die, bevor sie gedacht werden, ursprünglich durch bloße Gefühle, folglich durch Vorstellungen, deren Realität keineswegs in bloßer Denkbarkeit besteht, und deren Wahrheit mehr als logisch ist, vorgestellt sind. Allgemeine Tatsachen des Bewußtseins, durch Gefühle und Begriffe vorgestellt, und keineswegs die logischen Regeln des Denkens, machen das Fundament des philosophischen Skeptizismus, den Stoff seiner Grundbegriffe, den Inhalt derjenigen Grundsätze aus, worauf er seine Philosopheme gründet, und allein zu gründen vermag; und die Wahrheit seines Fundamentes, die er zugibt und zugeben muß und durch keinen seiner daraufgebauten Schlüsse aufheben kann, besteht in der Übereinstimmung seiner (logisch richtigen) Begriffe von den wirklichen, ihm durch Gefühle angekündigten, Tatsachen des Bewußtseins, mit diesen Tatsachen selbst. Im Hinblick auf diese Wahrheit kann er ebensowenig durch bloße Logik widerlegt werden, wie er dieselbe durch bloße Logik verteidigen kann. Seine Gegner müssen ihm zeigen, daß entweder jene Tatsachen nicht vorhanden oder von ihm mißverstanden sind. Man kann mancherlei scharfsinnig begründete skeptische Überlegung, und dabei gleichwohl nur einen sehr unbestimmten Begriff von seinem eigenen Skeptizismus haben. Dieser Begriff kann nie bestimmter sein, als derjenige, den der Skeptiker von der Wahrheit besitzt, und der nach den Begriffen desselben von Vorstellung und Objekt, und zwar, da das letztere als Vorgestelltes vorzüglich von der Vorstellung sowohl überhaupt als den besonderen Arten derselben abhängt, auch nach den Begriffen von diesen Arten und ihrer Gattung mehr oder weniger bestimmt sein wird. Wahrheit überhaupt ist Übereinstimmung der Vorstellung mit ihrem Objekt, und jede Art der Vorstellung hat ihre eigentümliche Wahrheit. Wer sich also die Vorstellung, und ihre Arten nicht bestimmt zu denken weiß, der kann ebensowenig wissen, was er sich unter Wahrheit und ihren Arten bestimmt zu denken hat. Die Begriffe von der Vorstellung sowohl überhaupt als auch von ihren Arten aber lassen sich nicht durch logische Regeln herbeiführen, oder ersetzen; lassen sich ursprünglich nur aus den Tatsachen des bloßen Bewußtseins schöpfen; und je nachdem diese Tatsachen mehr oder weniger voneinander unterschieden, mehr oder weniger bestimmt gedacht, mehr oder weniger genau einander bei- und untergeordnet sind, desto mehr oder weniger werden die Begriffe des Skeptikers von der Wahrheit und ihren Arten ihren Objekten angemessen sein. Allenthalben wo sich philosophischer Skeptizismus als solcher, d. h. auf seine philosophischen Gründe zurückgeführt zeigt, sowohl in seiner Roheit und Seichtigkeit bei SEXTUS EMPIRICUS, als auch in dem hohen Grad von Verfeinerung und Gründlichkeit, den er durch HUME erhalten hat, richtet er sich nach den Begriffen des Skeptikers von Vorstellung und Vorgestelltem. Alle bisherige Philosophie setzte mehr oder weniger ausdrücklich einen solchen Begriff von der Vorstellung voraus, nach welchem sie sich das Vorgestellte, das Objekt, in seiner Übereinstimmung mit der Vorstellung als Ding-ansich denken zu müssen glaubte. Reale und reine Wahrheit galt allgemeine als eine Übereinstimmung der Vorstellung mit dem Ding, wie es ansich unabhängig von der Vorstellung beschaffen ist. Wo diese Übereinstimmung für möglich, wirklich oder unmöglich gehalten wurde, da wurde eine reale Wahrheit behauptet oder geleugnet. Der Pyrrhonismus leugnete sie und berief sich dabei vorzüglich auf die Relativität des Zeugnisses der Organe bei den empirischen Vorstellungen des äußeren Sinnes. Da die Beschaffenheiten der mittels der fünf sinnlichen Werkzeuge vorgestellten Objekte, so weit sie vorstellbar sind, ebensosehr von der Einrichtung jener Werkzeuge, als von der Einwirkung der Objekte auf dieselben anhängen: da sie das Resultat einerseits von der Beschaffenheit unserer Organe, andererseits von den durch jene Beschaffenheit modifizierten Eindrücken sind: so können die Objekte außerhalb von uns unmöglich so beschaffen sein, wie sie in uns vorgestellt werden, und die Übereinstimmung zwischen unseren Vorstellungen von denselben, und ihnen selbst ist schlechterdings unmöglich. Die objektive Wahrheit wird hier freilich nur den Objekten der sinnlichen Wahrnehmung als solchen abgesprochen. Allein um dieses Urteil auf alle, auch auf die durch Vernunft vorstellbaren Merkmale realer Objekte auszudehnen, durfte nur der Begriff von der Substanz durch ein Merkmal gedacht werden, welches demselben bis auf den heutigen Tag (1) von vielen Philosophen als wesentlich beigelegt wird, nämlich die Empfindbarkeit. Was alsdann nicht Empfindbar ist, läßt sich als keine Substanz denken, und die Vernunft kann über reale Objekte entweder nur nach dem Zeugnis der Sinne oder gar nicht urteilen, immer nur nach dem Schein und nie nach der Wahrheit. Gegen diesen freilich noch immer leicht genug begründeten Skeptizismus haben sich unter den positiven Dogmatikern die Empiriker, durch die Unterscheidung der vorgestellten Beschaffenheiten in qualitates primarias und secundarias und durch die Einschränkung der objektiven Wahrheit und des Ranges von den Dingen-ansich auf die Ersteren, die Rationalisten aber dadurch sicher zu stellen geglaubt, daß sie zwischen Vernunft und Sinnlichkeit einen durchgängigen Widerspruch annehmen, jede Vorstellung durch die letztere für objektiv falsch, durch die Erstere aber für objektiv wahr, und die Vernunft für das Vermögen erklären, die Dinge, wie sie ansich sind, vorzustellen, Besonders nach demjenigen, was LOCKE für den Empirismus und LEIBNIZ für den Rationalismus getan hatten, bedurfte der Skeptizismus eines tiefer gründenden Fundaments und eines Mannes wie DAVID HUME, der ihm dasselbe zu geben wußte. HUME leugnet keineswegs, sondern nimmt mit den Empirikern an, daß sie objektive Wahrheit, wenn sie möglich wäre, auf die qualitas primarias, die unveränderlichen von unseren Organen unabhängigen Merkmale der Objekte eingeschränkt sind, und mit den Rationalisten, daß die Erkenntnis dieser Merkmale, wenn sie nicht unmöglich wäre, durch Vernunft möglich sein müßte. Allein er zeigt, daß es die Vernunft so wenig wie die Sinnlichkeit mit den Dingen ansich zu tun hat, und daß die qualitates primariae so wenig wie die secundariae diesen Dingen, die nichts außer der bloßen Einbildung wären, beigelegt werden können. Indem er den Gattungsbegriff der Vorstellung überhaupt, mit den Dogmatikern und selbst mit manchen unter unseren kritischen Philosophen ganz dahingestellt sein und, vermutlich weil er denselben jeder näheren Erörterung ebensowenig für bedürftig wie für fähig hielt, unbestimmt läßt, begnügt er sich von der Unterscheidung der Wahrnehmungen (perceptions), welcher Name allen Vorstellungen, deren wir uns bewußt sind, im Hinblick auf dieses Bewußtsein zukommt, in Eindrücke (impressions) und Begriffe (thoughts, ideas) oder in ursprüngliche und abgeleitete Wahrnehmungen auszugehen. Er hält diese Einteilung für erschöpfend, ein Irrtum, der eine sehr natürliche Folge der Unbestimmtheit im Gattungsbegriff der Vorstellung ist. Ich will es versuchen, das Wesen des auf diese Voraussetzungen gegründeten humeschen Skeptizismus in aller mir möglichen Kürze und Bestimmtheit darzustellen. Die Begriffe werden durch Einbildungskraft aus den Eindrücken hervorgebracht. [All the materials of thinking are derived either from our outward or inward sentiments. The mixturs and composition of these belongs alone to the mind and will. Or, to express myself in philosophical language, all our ideas or more foible impressions are copies of our impressions, or mor lively ones.] Die Zusammensetzung des Stoffs, den die Eindrücke für die Begriffe liefern, wird durch die Einbildungskraft teils nach den logischen Gesetzen, teils aber willkürlich vorgenommen. Die bloß logische Wahrheit, die sich durch die Abwesenheit des Widerspruchs in den Begriffen ankündigt, verträgt sich gar wohl mit der Grundlosigkeit der Begriffe, die alsdann stattfindet, wenn der Inhalt derselben nicht unmittelbar aus Eindrücken geschöpft, sondern aus denselben willkürlich durch Phantasie erzeugt ist. Die Realität der Begriffe besteht daher in der Beziehung derselben auf Eindrücke, und die einzig probehaltige reale Wahrheit in der Übereinstimmung unserer Begriffe mit den Eindrücken, aus denen sie geschöpft sind, - folglich in einer Übereinstimmung zwischen bloßen Vorstellungen, d. h. in einer bloß subjektiven Wahrheit. Jeder Begriff, dem kein Eindruck korrespondieren kann, ist eben darum grundlos, d. h. hat keinen vernünftigen, im Auge der Vernunft gültigen Grund, und da sich dieses vom Begriff der Ursache, Substanz usw. und überhaupt von den Begriffen der metaphysischen Merkmale zeigen läßt, so sind diese Begriffe, und ist mit ihnen die ganze Metaphysik grundlos, und die sogenannte metaphysische Wahrheit ist ein Schein, der die Prüfung des Skeptikers nicht aushält. Die Vorstellung des notwendigen Zusammenhangs, und überhaupt der Notwendigkeit und Allgemeinheit, die den metaphysischen Merkmalen wesentlich ist, und zur metaphysischen Wahrheit vorausgesetzt wird, ist zwar wirklich vorhanden, aber sie ist eine natürliche Folge der Wiederholung gewisser Eindrücke und gehört unter die übrigen Erscheinungen der Gewohnheit; ihre objektive Realität, ihre Beziehung auf Dinge-ansich aber ist eine leere Einbildung. Die Phantasie des positiven Dogmatikers mißbraucht seine Vernunft, indem sie ihn durch die mit dem Bewußtsein der Notwendigkeit und Unveränderlichkeit begleiteten Vorstellungen, mit den realen, von den Eindrücken wie auch den Begriffen verschiedenen Gegenständen bekannt zu machen vorgibt, und ihm weiß macht, er habe es bei jenen Vorstellungen mit den Dingen-ansich zu tun. Die Objekte, die wir, einer unleugbaren Tatsache des Bewußtseins zufolge, von unseren bloßen Vorstellungen unterscheiden, sind ansich nichts, als die Eindrücke, insofern sie Objekte der Begriffe sind, durch welche sie vorgestellt werden, und die wir als bloße Vorstellungen von ihnen unterscheiden. Es ist z. B. eine Tatsache meines Bewußtseins, daß ich die sichtbaren Objekte als außerhalb meiner selbst befindlich wahrnehme, aber es ist eine Erschleichung der meine Vernunft mißbrauchenden Phantasie, wenn ich mir diese Objekte, die für meine Begriffe nur in den Eindrücken und durch die Eindrücke vorhanden - und genau besehen - nichts als diese Eindrücke selbst sind, als etwas von denselben verschiedenes denke. Der sichtbare Gegenstand, mit dem es die Vernunft durch die Begriffe wirklich zu tun hat, ist der bloße Eindruck, die sogenannte materiale Idee, das Bild auf der Netzhaut des Auges. Die Vernunft, die durch die Begriffe lediglich auf dieses Bild eingeschränkt ist, hat keinen probehaltigen Grund, dasselbe für eine Kopie eines außerhalb von uns befindlichen Originals zu halten. Das Bild ist selbst Original, und der Begriff von demselben ist die Kopie, die nur mit jenem in uns befindlichen, und durchaus mit keinem außerhalb von uns vorhandenen Original verglichen werden kann. Das sinnliche Werkzeug hält der Einbildungskraft und der Vernunft nur den Eindruck, nur das Bild auf der Netzhaut, und keineswegs einen von diesem Bild verschiedenen Gegenstand vor, zu dem sich jenes Bild wie ein Nachbild zum Urbild verhält. Das Wahrnehmen des Bildes als außerhalb von uns befindlich ist eine natürliche in der Einrichtung des Organs gegründete optische Täuschung, welche freilich durch kein Räsonnement aufgehoben werden kann. Aber die Erkenntnis vom Dasein und den Beschaffenheiten eines realen Objekts außerhalb von uns, wovon das Bild in uns nichts weiter als eine Kopie ist, ist eine künstliche Täuschung der Phantasie, die durch Fehlschlüsse unterstützt, aber durch ein gründliches Räsonnement aufgehoben wird. LOCKE und LEIBNIZ, welche sich unter allen positiven Dogmatikern die Begründung des philosophischen Wissens am meisten angelegen sein ließen, unternahmen es, Deduktionen der objektiven Wahrheit aufzustellen, und durch dieselbe die Gegengründes des Skeptizismus, soweit dieselben bis zu ihrer Zeit entwickelt waren, niederzuschlagen. Sie forschten in ihren Versuchen über den menschlichen Verstand nach den letzten Elementen der Erkenntnis, und glaubten durch ihre Zergliederungen, die der Eine nach der Idee des ARISTOTELES, der anderes des PLATO vorgenommen hatte, und in welchen sie alle ihre Vorgänger weit hinter sich zurückgelassen hatten, diejenigen Vorstellungen entdeckt zu haben, welche zugleich subjektive und objektive Wahrheit enthielten, und in dieser Eigenschaft, die rein wahren Elemente allen Wissens überhaupt, und die letzten Prinzipien des philosophischen insbesondere sein müßten. Dieses Aufsuchen und Aufstellen der Prinzipien, als der letzten Gründe bei denen die wissenschaftliche Untersuchung allein stehen bleiben darf, und der ersten Gründe von denen die wissenschaftliche Darstellung ausgehen soll, gehört so wesentlich zum Charakter des echten Philosophen, wie die unter den meisten unseren sogenannten philosophischen Schriftstellern so gewöhnliche Vernachlässigung desselben, und die Behauptung, daß es ein ebenso unnötiges wie unmögliches Unternehmen wäre, die Philodoxie [Liebe zur bloßen Behauptung, Meinung - wp] unseres Zeitalters charakterisiert. Nicht nur LEIBNIZ und LOCKE, auch HUME hat sich diesem Geschäft unterzogen und sie sind darüber unter sich einig gewesen, daß dasselbe von der Festsetzung der Natur und des Ursprungs der Vorstellungen als der Elemente aller Erkenntnis ausgehen muß. Die letzten und zugleich subjektiv und objektiv wahren Elemente der Erkenntnis sind in LOCKEs System die einfachen Vorstellungen. diese sind unmittelbar aus der Erfahrung teils der Äußeren, durch Sensation, teils der Inneren, durch Reflexion geschöpft; weder durch Phantasie noch durch Vernunft zusammengesetzt, und insofern keiner weiteren Zergliederung weder fähig noch bedürftigt. Sie enthalten nichts weiter, als was in ihnen unmittelbar durch ihre Objekte bestimmt ist; die Einen nichts, als was durch Sensation an den Objekten außerhalb von uns, die Andern nichts, als was durch die Reflexion an den Veränderungen in uns wahrgenommen ist. Sie sind sowohl durch Vernunft, wie durch Phantasie unveränderte reine Abdrücke ihrer Objekte, und stimmen daher mit denselben genau überein, d. h. sie sind rein wahr. Die Wahrnehmung der Übereinstimmung und des Widerspruchs ist das Geschäft der Vernunft in ihren logischen Funktionen, wodurch sie die willkürlichen, und widersprechenden Kombinationen zu verhindern und aufzuheben sucht, welche die Phantasie mit den einfachen Vorstellungen vornimmt, und durch welche sie Irrtümer erzeugt. Das vornehmste Geschäft der philosophierenden Vernunft aber besteht darin, in den einfachen Vorstellungen, die rein wahren Prinzipien aller Erkenntnis aufzustellen, und die gemeine Erkenntnis durch die Zurückführung auf dieselben zu läutern und zu befestigen. Wenn auch der Skeptiker bei der Beurteilung dieser im System des Empirismus einzig möglichen Deduktion der objektiven Wahrheit unbemerkt ließe, daß sie kein sicheres Kriterium für die Einfachheit der Elementarvorstellungen enthält; daß das Unvermögen eine gegebene und als einfach angesehene Vorstellung zu zergliedern, auch in der bloßen Schwierigkeit bestehen kann, die sich von einem anderen Forscher oder auch wohl von eben demselben zu einer anderen Zeit wohl überwinden läßt; daß LEIBNIZ und nach ihm HUME manche von denjenigen Vorstellungen, die LOCKE als einfach angegeben hatte, wirklich zergliedert haben, - wenn auch der Skeptiker diese und andere Blößen der emprischen Begründung des positiven Dogmatismus übersehen, so müßte ihm doch der fehlerhafte Zirkel in die Augen springen, in welchem sich die ganze Rechtfertigung der objektiven Wahrheit bei dieser Begründung herumdreht; indem sie die Übereinstimmung der Vorstellungen mit den realen Objekten, welche sie aus der Natur der einfachen Vorstellungen ableitet, im Begriff von diesen Vorstellungen ohne Beweis annimmt und voraussetzt. HUME ist berechtigt und genötigt LOCKE zu fragen: Woher er den weiß, daß seine einfachen Vorstellungen, gesetzt auch, daß sie als wirklich einfach existieren, nichts enthalten, als was durch die sogenannten realen Objekte in ihnen bestimmt wäre? Ob, und wie er diese Objekte, die er doch selbst nur durch jene Vorstellungen und in denselben zu kennen behauptet, mit den von ihnen verschiedenen Vorstellungen verglichen hat? und wie er, ohne einen solchen Vergleich, die Übereinstimmung zwischen beiden so zuversichtlich behaupten kann? Diese Fragen lassen sich aus dem ganzen System LOCKEs keineswegs befriedigend beantworten, indem in demselben sowohl die Verschiedenheit, wie auch die Übereinstimmung zwischen den einfachen Vorstellungen und den realen Objekten, und folglich gerade das, was der Skeptizismus leugnet, ohne Beweise angenommen, und als Prinzip des ganzen Systems gebraucht wird. Es ist daher auch keineswegs in demselben der Behauptung HUMEs vorgebeugt: daß die Vorstellungen die wir im Bewußtsein von den sogenannten realen Objekten wirklich unterscheiden, nichts als die von den Eindrücken verschiedenen Begriffe, die realen Objekte selbst aber nichts als die Eindrücke wären. Man kennt daher den Empirismus und den Skeptizismus gleich oberflächlich, wenn man sich einbildet, daß der letztere durch den ersteren widerlegt werden könnte. Die letzten und zugleich subjektiv und objektiv wahren Elemente der Erkenntnis sind im System von LEIBNIZ die angeborenen Vorstellungen. Diese entspringen keineswegs weder durch Sensationen aus der äußeren, noch durch Reflexion aus der inneren Erfahrung, sondern werden durch die Kraft der Seele aus dem angeborenen Vermögen derselben hervorgebracht. Verstand und Vernunft machen das Positive an dieser Kraft aus, und die Sinnlichkeit ist die bloße Einschränkung derselben. Durch diese werden nur verworrene und unbestimmte, durch jene nur deutliche und bestimmte Vorstellungen hervorgebracht; durch die Einen wird ein bloßer Schein der Dinge, durch die Andern werden die Dinge, wie sie ansich sind, vorgestellt. Der Charakter der durch Verstand und Vernunft vorgestellten Merkmale oder der Beschaffenheiten der Dinge-ansich besteht in der Notwendigkeit und Allgemeinheit, durch welche sich die Vorstellungen derselben im Bewußtsein ankündigen, während sich der durch die sinnlichen Vorstellungen im Bewußtsein vorkommende Schein der Objekte durch Zufälligkeit und Singularität auszeichnet. Jene Notwendigkeit und Allgemeinheit bürgt für den von der Erfahrung unabhängigen Ursprung der Vorstellungen, welche durch sie im Bewußtsein begleitet sind. Die Erfahrung kann nur die Einzelheit und die Vielheit bisher vorgekommener Fälle, keineswegs aber die Allheit des Denkbaren überhaupt bezeugen; sie kann nur das Bewußtsein dessen, was wirklich ist, keineswegs dessen, was sich einzig so denken läßt, oder des schlechthin Notwendigen begründen. Das Notwendige und Allgemeine also, welches zwar zum Teil auch in der Erfahrung, aber keineswegs durch Erfahrung, sondern nur a priori und zwar in den einzelnen Gegenständen durch Verstand, im Zusammenhang derselben durch Vernunft vorgestellt wird, macht das objektiv wahre in unseren Erkenntnissen aus. Die Entdeckung und Entwicklung er a priori bestimmten oder angeborenen Vorstellungen desselben, ist das vornehme Geschäft der philosophierenden Vernunft, die in jenen Vorstellungen, die letzten rein wahren Prinzipien alles philosophischen Wissens allein antreffen kann. Wenn auch der Skeptiker bei der Beurteilung dieser im System des Rationalismus einzig möglichen Deduktion der objektiven Wahrheit unbemerkt lassen würde, daß der Satz des Widerspruchs, den sie als das Kriterium der Notwendigkeit und Allgemeinheit, oder des Charakters der objektiven Wahrheit angibt, kein solches Kriterium sein kann; daß dieser Satz nur ein logisches Gesetz des Denkens ausdrückt, und eben darum auch nur eine logische Notwendigkeit und Allgemeinheit, und mit derselben auch nur eine logische Wahrheit begründet; daß der Umstand, daß das Gegenteil von einem Merkmal, welches ich einmal in meinen Begriff aufgenommen habe, demselben Begriff nicht beigelegt werden kann, noch keineswegs beweist, daß jenes Merkmal in den Begriff hat aufgenommen werden müssen; daß viele von den Merkmalen, die den Gegenständen als notwendig und allgemein zukommend gedacht worden sind, denselben nur unter gewissen Einschränkungen und zufälligerweise zukommen; daß manche von den Vorstellungen, die LEIBNIZ für angeboren hielt, wirklich aus der Erfahrung geschöpft sind, - wenn auch der Skeptiker diese und andere Blößen der rationalistischen Begründung des positiven Dogmatismus übersehen wollte: so müßte Ihm doch der Zirkel in die Augen springen, in welchen sich die ganze Rechtfertigung der objektiven Wahrheit bei dieser Begründung herumdreht, indem sie die Übereinstimmung der Vorstellungen mit den realen Objekten, welche sie aus den Natur der angeborenen (verständigen und vernünftigen) Vorstellungen ableitet, im Begriff von dieser Natur ohne Beweis annimmt und voraussetzt. Die angeborenen Vorstellungen sind notwendig und allgemein, weil sie nichts anderes enthalten, als was den realen Objekten ansich zukommt, und sie enthalten nichts anderes - weil sie notwendig und allgemein sind. Der Skeptiker ist berechtigt und genötigt, den Rationalisten zu fragen: woher er denn weiß, daß die angeborenen notwendigen und allgemeinen Vorstellungen, gesetzt auch, daß sie wirklich in diesen Eigenschaften vorhanden wären, nichts anderes enthalten, als was den Dingen ansich zukommt? Ob und inwiefern er diese Dinge-ansich oder die realen Objekte, die er doch selbst nur durch jene Vorstellungen zu kennen gesteht, mit den bloßen Vorstellungen derselben verglichen hat? Wie er ohne einen solchen Vergleich so zuversichtlich behaupten kann, daß zwischen beiden eine Übereinstimmung, eine objektive Wahrheit stattfindet? Diese Fragen lassen sich aus dem ganzen System des LEIBNIZ durchaus nicht beantworten, indem in demselben sowohl die Verschiedenheit als auch die Übereinstimmung zwischen den angeborenen Vorstellungen und den Dingen ansich, und folglich gerade dasjenige, was der Skeptizismus in Anspruch nimmt, ohne allen Beweis angenommen und als Prinzip des ganzen Systems gebraucht wird. HUME hat keineswegs das Bewußtsein der Notwendigkeit und Allgemeinheit, das gewisse Vorstellungen begleitet, in Zweifel gezogen. Aber er hat die Grundlosigkeit der Voraussetzung gezeigt, daß diese Notwendigkeit und Allgemeinheit in dem angeblichen Vermögen der intellektuellen Kraft, die Dinge, wie sie ansich sind vorzustellen, gegründet ist. Dieses Vermögen, das der Skeptiker für etwas Widersprechendes hält, in die Definition von Verstand und Vernunft hineinlegen, heißt nichts anderes, als dasjenige als ausgemacht annehmen, für dessen Nichtunmöglichkeit er den Beweis zu fordern berechtigt ist. Er denkt sich die Vernunft als das Vermögen, die Übereinstimmung und den Widerstreit in den Begriffen wahrzunehmen. Die Wahrheit und Notwendigkeit, welche der Vernunft nur insofern zugänglich ist, als sie es mit den bloßen Begriffen als solchen zu tun hat, ist bloß logisch, betrifft den bloßen Gedanken, ohne Rücksicht ob der selbe ein reales Objekt hat oder nicht. Die Vernunft hat es nur insofern nicht mit bloßen und leeren Gedanken zu tun, als die Begriffe, mit denen sie sich beschäftigt, aus Eindrücken entstanden sind. Die Übereinstimmung des Begriffs mit dem Eindruck, eine bloß subjektive Wahrheit, für die Übereinstimmung der Vorstellung mit dem Ding-ansich zu halten, ist die Täuschung des positiven Dogmatismus überhaupt. Die Notwendigkeit und Allgemeinheit aber, deren man sich bei der Übereinstimmung zwischen Begriff und Eindruck bewußt ist, ist teils die logische des bloßen Begriffs, teils insofern sie den durch Eindrücke bestimmten Inhalt des Begriffs betrifft, eine Folge öfter wiederholter Eindrücke, oder was ebensoviel heißt, der bloßen Gewohnheit, und insofern eine bloß eingebildete Notwendigkeit und Allgemeinheit, bei der man voraussetzt, dasjenige, was bisher zum wiederholten Mal auf eine gewisse Weise wahrgenommen ist, muß immer so wahrgenommen werden, was nie anders als so empfunden wurde, kann auch nicht anders gedacht werden. Wenn auch diese Erörterung, über den Ursprung des Bewußtseins der Notwendigkeit und Allgemeinheit gewisser Vorstellungen, wodurch dieselbe teils für bloß logisch, teils für eingebildet erklärt wird, nur für eine bloße Hypothese angenommen würde: so wäre doch derselben auch im Rationalismus ebenfalls nur durch die bloße Hypothese vorgebeugt, welche die mehr als logische Notwendigkeit und Allgemeinheit jener Vorstellungen ohne Beweis als real und in den Dingen-ansich gegründet annimmt, und die der Skeptiker, weil sie das, was er bekämpft, als ausgemacht voraussetzt, nicht gelten lassen kann. Man kennt daher den Rationalismus und den Skeptizismus gleich oberflächlich, wenn man sich einbildet, daß dieser durch jenen widerlegt werden kann. Der bei weitem größte Teil der Lehrer der Philosophie gehörte von jeher unter die positiven Dogmatiker. Allein die eigentlichen Gründe, warum sich die meisten unter diesen Dogmatikern teils zum Empirismus, teils zum Rationalismus, teils zu verschiedenen aus diesen beiden verschiedentlich zusammengestoppelten Aggregaten unter dem gemeinschaftlichen Namen des Eklektizismus bekennen, liegen wie eine aufmerksamere Prüfung ihrer Schriften bezeugt, ganz außerhalb jener Systeme, von denen sie gewöhnlich nur die Resultate nicht die Prinzipien kennen. Sie halten es für überflüssig, die Beweise ihrer Hauptsätze bis zu den letzten Gründen derselben zurückzuführen, teils weil dies bereits durch andere, z. B. durch LOCKE und LEIBNIZ geleistet ist, an deren Schriften sie jeden, der ein Bedürfnis jene Gründe zu kennen in sich fühlt, anweisen, teils weil ihre schon vorhandenen Überzeugungen, zu denen ihnen die Philosophie nur erst die Beweise liefern sollte, für sie auf den nächstbesten Gründen so gut wie auf den letzten feststehen. Die Meisten unter ihnen nehmen ohne eine weitere Untersuchung als ausgemacht an: die philosophierende Vernunft habe durch LOCKE und LEIBNIZ alle bisherigen und zukünftigen Grübeleien des Skeptizismus nicht weniger nachdrücklich niedergeschlagen, als sich der gesunde Verstand in ihren eigenen Personen durch seine, (keiner weiteren Erklärung fähigen und bedürftigen) Aussprüche dagegen erklärt. Diesen Aussprüchen zufolge scheint ihnen nichts leichter, als die Beilegung des alten durch LOCKE und LEIBNIZ aufs Höchste getriebenen Streites zwischen Empirismus und Rationalismus. Sie behaupten: Vernunft und Erfahrung in ihrer unzertrennlichen Vereinigung wären die Quellen der objektiven Wahrheit. Da sich LOCKE und die Empiriker mehr mit der Erfahrung, LEIBNIZ und die Rationalisten mehr mit der Vernunft bei ihren Nachforschungen beschäftigt hätten: so wäre nichts natürlicher, als daß die Erfahrung von diesen und die Vernunft von jenen im Hinblick auf ihren Beitrag zur Erkenntnis weniger untersucht und gekannt worden ist, während die Aussprüche des gesunden Verstandes, die vereinigte Wirkung von beiden, und eben darum den einseitigen Spekulationen der philosophierenden Vernunft vorzuziehen und zur Lenkung und Berichtigung derselben zu gebrauchen sind. Die größte Stärke und größte Schwäche des Empirisums, Rationalismus und Skeptizismus ist in ihren letzten Gründen, in ihren Prinzipien, in dem, was sie aus ausgemacht annehmen, enthalten und eben darum beim weit größten Teil unserer Philosophen von Profession gänzlich unbekannt. Wäre es nicht so, so würde seit dem, was HUME für den Skeptizismus geleistet hat, weder der Empirismus noch der Rationalismus unter jenen Philosophen Anhänger gefunden haben. Der philosophische Skeptizismus, der wirklich dem Stifter der kritischen Philosophie nach dessen eigenem Geständnis den ersten Wink zu dem von ihm eingeschlagenen neuen Weg der Untersuchung an die Hand gegeben hat, wurde zumal da er in den Gefühlen und Bedürfnissen des menschlichen Geistes so mächtige Gegner antrifft, die beste Vorbereitung zum Studieren und Verstehen der Kritik der reinen Vernunft, welches bis jetzt noch so wenigen gelungen ist, geworden ist. So wie der Empirismus schon dadurch, daß er die Notwendigkeit und Allgemeinheit der philosophischen Begriffe aufhebt, (wie dies nicht nur aus seiner ganzen Darstellung durch LOCKE, sondern sogar aus dem eigenen Geständnis dieses Philosophen bekannt sein sollte) seine Unzulänglichkeit, Philosophie als Wissenschaft zu begründen, an den Tag legt, und eben darum auf dem Gebiet des positiven Dogmatismus dem Rationalismus das Feld räumen muß: so wird durch den Skeptizismus, oder den negativen Dogmatismus, die jenen beiden gemeinschaftliche Grundlosigkeit, der wesentliche Grundfehler des positiven Dogmatismus überhaupt, aufgedeckt: und der Kritizismus leistet der philosophierenden Vernunft im Hinblick auf dasjenige, was positiver und negativer Dogmatismus gemeinschaftlich ohne Grund voraussetzen, eben denselben Dienst. Er selbst, da er alles, was der Dogmatismus, derselbe man nun positiv oder negativ sein, als ausgemacht aufstellt, in Anspruch nimmt, kann ebensowenig durch philosophischen Skeptizismus, wie dieser durch was immer für einen der beiden Arten des positiven Dogmatismus bekämpft werden (2). Zum Wesen alles Dogmatismus überhaupt gehört die als ausgemacht angenommene und einen verborgenen Widerspruch mit sich selbst enthaltende Behauptung: daß die objektive Wahrheit in der Übereinstimmung zwischen der Vorstellung und dem Ding-ansich bestehen muß. Hierüber ist der Skeptiker, der die objektive Wahrheit für unerreichbar hält, mit dem positiven Dogmatiker, der sie entweder in der Erfahrung, (a posteriori) oder in der Vernunft (a priori) gefunden zu haben glaubt, einverstandn. Der kantische Kritizismus untergräbt beide Arten des Dogmatismus, indem er dasjenige, was von beiden ohne Untersuchung als ausgemacht angenommen ist, bei seiner Untersuchung des Erkenntnisvermögens dahingestellt sein läßt, und also bei dieser Untersuchung nicht, wie der logische Empirismus, der Rationalismus eines LEIBNIZ und der Skeptizismus HUMEs bei den Ihrigen durch eine allen gemeinschaftliche falsche Voraussetzung irregeführt wird. Auf diesem Weg hat KANT herausgebracht, nicht nur, daß Dinge ansich weder durch Erfahrung, wie die Empiriker, noch durch Vernunft wie die Rationalisten dafür hielten, erkennbar sind, was schon HUME vor ihm gezeigt hatte, sondern auch, daß objektive Wahrheit ohne die Erkenntnis der Dinge ansich, (die auch von den Skeptikern für die Bedingung derselben angesehen wurde - und mit ihr die Philosophie als strenge Wissenschaft möglich ist. Man kennt die skeptische Philosophie ebenso oberflächlich als die kritische, wenn man diese durch jene zu bekämpfen unternimmt. Verstehen die neuesten sich selbst so nennenden Skeptiker unter dem, was sie dem Kritizismus entgegensetzen, bloß eine skeptische Methode ihres Angriffes: so sollten sie dabei nicht vergessen, daß was immer für eine Methode noch keine Philosophie ist. Das Ausgemacht, welche sie beim Gebrauch der skeptischen Methoden voraussetzen, die Prinzipien von denen sie dabei ausgehen, und die keineswegs bloße logische Regeln, sondern bereits gemachte Anwendungen derselben sind, mit einem Wort: der Boden, worauf sie selbst bei ihrem Angriff des Kritizismus feststehen müssen, muß, wenn sie als Philosophen zu Werk gehen wollen, entweder empirisch oder rationalistisch, oder dogmatisch skeptische, folglich immer so beschaffen sein, "daß er gegen den Kritizismus durchaus nicht gebraucht werden kann." Der Empirismus, Rationalismus, Skeptizismus, und auch der Kritizismus mußten und müssen der künftigen wissenschaftlichen Philosophie ohne Beinamen, als schlechterdings notwendige Vorbereitungen zu derselben vorhergehen. Keiner, dem die letztere Philosophie am Herzen liegt, der die unermeßlichen Vorteile die zur Veredelung der Menschheit aus ihr erfolgen müssen, zu schätzen weiß, und der zu ihrer Begründung etwas beizutragen sich berufen fühlt, keiner schmeichle sich etwas mit Erfolg für sie unternehmen zu können; wenn er die Mühe scheut, jene Vier vorbereitendes Fundamentalsysteme einzeln und im Zusammenhang zu studieren. Alle vier hängen so genau zusammen, wie sie wesentlich von einander verschieden sind; keines kann allein durch sich selbst, jedes nur durch alle übrigen völlig begriffen werden; und so wie das Vorhergehende zum Verstehen des Darauffolgenden vorbereitet, so wirft dieses auf jenes wieder ein helleres Licht zurück. In dieser Hinsicht sind LOCKEs Essay on human understandig, des LEIBNIZ Nouveaus Essays sur l'entendement humain, HUMEs Enquiry concernin human understandig, und KANTs Kritik der reinen Vernunft die vier unentbehrlichen Hauptbücher für jeden der die bisherige Philosophie gründlich studieren und die Möglichkeit einer künftigen Philosophie, als Wissenschaft , das heißt einer solchen, die auf allgemeingültigen und allgemein anzuerkennenden Grundfesten gebaut werden soll, richtig beurteilen und bewirken helfen will. In diesen vier Werken haben die vier Männer, welche die vier einzig möglichen und notwendigen Hauptversuche der auf einem analytischen Weg Philosophie suchenden Vernunft vollendet haben, die Resultate sowohl als die Prinzipien ihrer Nachforschung niedergelegt. Aus Ihnen allein und keineswegs aus ihren Epimatoren und Kommentatoren kann der Selbstdenker die ganze Stärke und Schwäche aller bisherigen Philosophie kennen und aus dem, was für die künftige Wissenschaft bereits geschehen ist, dasjenige bestimmen lernen, was für sie noch zu tun übrig ist.
1) DIETERICH TIEDEMANN, Geist der spekulativen Philosophie, Bd. 2: "Den andern nicht minder wesentlichen Bestandteil des Begriffs der Substanz, daß sie Gegenstand der Empfindung sein muß, hat (Aristoteles) übersehen, was in der Folge ihm Anlaß zu manchen falschen Behauptungen wurde." 2) Siehe die neueste Ausgabe der philosophischen Aphorismen des Herrn Professor PLATNER, den Aenesidemus des Herrn Professor SCHULZ in Helmstedt und das philosophische Wörterbuch des Herrn SALOMON MAIMON. |