ra-2SchmeidlerG. PatzigO. Dittrichvon RümelinE. MüllerE. Bernheim    
 
HEINRICH MAIER
(1867 - 1933)
Das geschichtliche Erkennen
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"Offenbar hängt der ganze wissenschaftliche Charakter des logischen Wesens jener Systeme von über-, unter- und nebengeordneten Begriffen, mittels deren sich die Wirklichkeit sozusagen schematisch auffassen und begreifen läßt, an der objektiven Gültigkeit dieses Prinzips, mit dem sie arbeiten, des Allgemeinbegriffs. Und das ist eine Kategorie unseres Denkens, in der schon das primitivste Wahrnehmen - man denke an Urteile wie es blitzt oder Feuer - Gegebenes auffaßt. Das natürliche Denken aber hält diese Kategorie darum für realgültig, weil es das Bewußtsein hat, daß durch das tatsächlich Gegebene ihre Anwendung gefordert ist. Um die Bestätigung hierfür liegt in den Erfolgen, die die Wirklichkeitswissenschaft mit der Kategorie des Allgemeinbegriffs erreicht hat und immerfort erreicht. Darauf gründet sich der Glaube an die Systematisierbarkeit der Erfahrung, den am Ende auch die Positivisten mit ihrem Prinzip der Gleichförmigkeit des Naturlaufs anerkennen. Dieser Glaube aber schließt die Überzeugung in sich, daß in den Tatsachen oder, präziser gesprochen, im Gegebenen selbst der Grund und die Aufforderung zur durchgängigen Systematisierung des Wirklichen liegt, wie sie von den systematisch-beschreibenden und den Gesetzeswissenschaften vollzogen wird."

Eine rasche Erwägung der Hauptrichtungen des theoretischen Erkennens wird imstande sein, die Problemlage mit prinzipieller Schärfe zu beleuchten. Es sind zunächst zwei Aufgaben, die sich unser Erkennen setzt. Wir wolen das tatsächlich Wirkliche auffassen, und wir wollen es begreifen. Das Auffassen vollendet sich in der Beschreibung, das Begreifen in der Erklärung. Beschreibung und Erklärung aber tendieren nach zwei verschiedenen Richtungen: in unserem Erkenntnisstreben liegt ein Zug zum Allgemeinen und ein Zug zum Individuellen; wir möchten das tatsächlich Wirkliche in doppelter Weise bewältigen: begrifflich und anschaulich. So ergeben sich vier Gruppen von Wissenschaften. Aus dem Bestreben, der Fülle des Einzelwirklichen mittels des Allgemeinbegriffe auffassend Herr zu werden, sind die systematisch-beschreibenden Wissenschaften, wie die systematische Botanik und Zoologie, erwachsen, die ihr Ziel darin sehen, Systeme von Begriffen, unter welche die individuellen Erscheinungen subsumiert werden können, aufzustellen. Ähnlich hat das Bedürfnis, die einzelnen Tatsachen und Geschehnisse aus allgemeinen Gesetzmäßigkeiten zu begreifen und zu erklären, zu den "Gesetzeswissenschaften", wie Physik, Chemie, Physiologie, Psychologie, geführt, die sich die Aufsuchung allgemeiner Gesetze des Wirklichen zur Aufgabe machen. Wesentlich anders geartet sind diejenigen Disziplinen, die das Individuelle individuell aufzufassen und individuelle zu erklären suchen. So wollen zunächst die anschaulich-beschreibenden Wissenschaften individuelle Erscheinungszusammenhänge in ihrer singulären Eigenart erfassen. Und zwar richten sie sich teils auf gegenwärtig Wirkliches; so z. B. die Astronomie und Geographie, wobei letztere ja die Erdoberfläche in ihrer individuellen Beschaffenheit und Erfüllung betrachtet. Teils aber auf wirklich Gewesenes, auf vergangene Erscheinungsreihen: in diesen Fällen wird die anschauliche Beschreibung zur Erzählung, wie dies z. B. bei der Geschichte der Erde, soweit dieselbe rein berichtend verfährt, aber auch bei der "referierenden Geschichtsschreibung" zutrifft. Um eine anschauliche Erklärung der Tatsachen bemühen sich nun die genetischen Wissenschaften. Wir begnügen uns, wenn wir eine Begebenheit ganz verstehen wollen, nicht mit der Aufdeckung des Gesetzes, nach dem sie sich abgespielt hat, wir wollen zugleich ihre konkrete Ursache, ihren individuellen Realgrund kennen lernen. Die anschaulich-erklärende Erkenntnis, die diese Arbeit am Wirklichgewordenen umfassend durchführt, vollendet sich aber in der Herstellung großer genetischer Zusammenhänge. Hier nun hat die historische Geologie ihre eigentliche Stelle, die hier eine generelle Entwicklungsgeschichte der Organismen, da die Kosmogonie, soweit es eine solche gibt. Aber brauche ich noch ausdrücklilch anzufügen, daß auch unsere Geschichtswissenschaft zu diesen genetischen Disziplinen gehört?

Nun hängen offenbar systematische Disziplinen und Gesetzeswissenschaften noch enger zusammen, als es zunächst den Anschein hat: einerseits sind in den "Gesetzen" der letzteren doch nur Allgemeinbegriffe von Abhängigkeitsbeziehungen niedergelegt, die als solche auch auf systematischem Gebiet ihren Platz haben, andererseits suchen die systematischen Diszplinen in das Wesen ihrer Realbegriffe soweit wie irgendwie möglich die Gesetze aufzunehmen, durch welche die unter die Begriffe fallenden Erscheinungen beherrscht werden. Analoges gilt vom Verhältnis der anschaulich-beschreibenden zu den genetischen Wissenschaften. Die Geographie z. B. baut ihre anschauliche Beschreibung doch auf der Feststellung der wirksamen Kräfte auf, die die Gestaltung der Erdoberfläche in ihren verschiedenen Teilen bestimmen oder bestimmt haben. Von der historischen Geologie aber wissen wir, daß sie ebensowohl zu den anschaulich-erzählenden wie zu den genetischen Wissenschaften zu rechnen ist. Nicht anders steht es mit der Geschichte. Referierende und genetische Historie stehen einander, so verschieden ihre Tendenzen sein mögen, näher als man meist annimmt. Für die sukzessiven Tatsachenreihen, die von den erzählenden, d. h. den auf die anschauliche Beschreibung einer vergangenen Wirklichkeit gerichteten Disziplinen dargestellt werden, sind aber am Ende dieselben faktischen Abhängigkeitsbeziehungen die zusammenhaltenden Bänder, mittels deren die genetische Erkenntnis dynamische Zusammenhänge herstellt. So spitzt sich schließlich alles auf den Gegensatz der Begriffs- und der Individualwissenschaften zu.

Damit steht das Problem der individualisierenden Erkenntnis in seiner ganzen Tragweite vor uns. Die Geschichte ist nur eine von vielen Individualwissenschaften. Nicht bloß noch andere erzähend-genetische Disziplinen stellen sich ihr noch zu Seite, die ebenso wie sie sukzessiv-dynamische Tatsachenzusammenhänge der Vergangenheit schildern wollen, und denen gegenüber die Historie nur durch sachliche Gesichtspunkte abgegrenzt werden kann. Diesen historischen Wissenschaften im weiteren Sinne stehen noch zuständlich beschreibende gegenüber, die gleichfalls eine Erkenntnis des Individuellen anstreben. Überall aber ist es dasselbe Rätsel, das uns entgegentritt. Es ist die Frage nach der Natur der individualisierenden Wirklichkeitsbearbeitung, nach dem leitenden Gesichtspunkt der individualwissenschaftlichen Erkenntnis.

Und gerade hier läßt uns die Logik noch immer vollständig im Stich. Um das Prinzip der begrifflichen Wissenschaften hat sie sich seit PLATOs Tagen unablässig bemüht. Zwar ist der Jahrhunderte alte Streit um die "Universalien" auch heute noch nicht zuende geführt. Aber über den Weg, der zum Allgemeinen führt, über die Natur der begrifflichen Abstraktion, in deren Bereich auch die Induktion mit ihren Methoden fällt, ist doch im ganzen Klarheit erreicht. Und ebenso auch über das Ziel, über das logische Wesen jener Systeme von über-, unter- und nebengeordneten Begriffen, mittels deren sich die Wirklichkeit sozusagen schematisch auffassen und begreifen läßt. Offenbar aber hängt der ganze wissenschaftliche Charakter dieser Disziplinen an der objektiven Gültigkeit dieses Prinzips, mit dem sie arbeiten, des Allgemeinbegriffs. Und das ist eine Kategorie unseres Denkens, in der schon das primitivste Wahrnehmen - man denke an Urteile wie "es blitzt" oder "Feuer" - Gegebenes auffaßt. Das natürliche Denken aber hält diese Kategorie darum für realgültig, weil es das Bewußtsein hat, daß durch das tatsächlich "Gegebene" ihre Anwendung gefordert ist. Um die Bestätigung hierfür liegt in den Erfolgen [nutzen], die die Wirklichkeitswissenschaft mit der Kategorie des Allgemeinbegriffs erreicht hat und immerfort erreicht. Darauf gründet sich der Glaube an die Systematisierbarkeit der Erfahrung, den am Ende auch die Positivisten mit ihrem Prinzip der Gleichförmigkeit des Naturlaufs anerkennen. Dieser Glaube aber schließt die Überzeugung in sich, daß in den Tatsachen oder, präziser gesprochen, im Gegebenen selbst der Grund und die Aufforderung zur durchgängigen Systematisierung des Wirklichen liegt, wie sie von den systematisch-beschreibenden und den Gesetzeswissenschaften vollzogen wird.

Auch die Individualwissenschaften arbeiten mit einem "Allgemeinen". Auch ihre Wirklichkeitsbearbeitung ist eine "Verallgemeinerung". Wenn die Geographen eine Landschaft, die Geologen eine Epoche der Erdgeschichte, die Historiker einen geschichtlichen Verlauf schildern wollen, so sehen sie, auch wenn sie ihre Darstellungen im größten Maßstab halten, von einer Menge an Einzelheiten ab. Das ist eine Abstraktion, eine Verallgemeinerung. Aber das Abstraktum, das Allgemeine, das sie suchen, ist in keinem Fall ein begrifflich Allgemeines: es ist immer noch ein Individuelles. Uns so bleibt es, auch wenn die Abstraktion höher und höher steigt. Der Geograph, der in einer summarischen Schilderung einen Überblick über die Alpen gibt, der Historiker, der in einer kurzen Skizze die Entwicklung der griechischen Philosophie zeichnet - sie beide wollen immer noch Individuelles, individuelle Eigenart treffen, Individualitäten darstellen. Und alle diese Individualitäten lassen sich nicht in Begriffen, auch nicht in den Individualbegriffen RICKERTs fassen, sondern nur in Anschauungen, in Bildern. Indem die Abstraktion aus dem Einzelmaterial ein individuelles Bild heraushebt, vollzieht sie eine anschauliche Verallgemeinerung. Hier liegt der Schlüssel zur Lösung unseres Problems. Auch die historische Abstraktion ist eine solche anschauliche Verallgemeinerung, welche Bilder herausarbeitet. Der Grund der Irrgänge der bisherigen Methodologie aber liegt darin, daß sie sich nicht überzeugen konnte, daß es auch ein anschauliches Abstrahieren, daß es abstrakte Bilder gibt.

Freilich das Wort "Bild" hat - ganz ähnlich übrigens wie der Terminus "Allgemeinbegriff" - eine irreführende Doppelbedeutung. Wie wir unter "Begriff" einerseits die Funktion des Vorstellens oder Denkens, in der wir den begrifflichen Kern eines Objekts oder einer Vielheit von Objekten subjektiv erfassen, andererseits aber diesen begrifflichen Kern selbst, also ein Objektives bezeichnen, so verstehen wir unter Bild auf der einen Seite das Bild, das wir uns von einem Objekt machen, d. h. die Funktion des subjektiven Anschauens, in der wir die individuelle Eigenart des Objekts vorstellen, andererseits aber das Bild, das uns der Gegenstand darbietet, d. h. seine individuelle Eigenart selbst. Nun ist die Frage, wie wir das Wesen eines begrifflich Allgemeinen in einer Art von diagnostischen Merkmalen definitorisch zu fassen haben, am Ende ein rein technisches Problem: die Summe der so zusammengestellten Merkmale fällt keineswegs zusammen mit dem Inhalt des objektiv Begrifflichen. Ähnliches gilt von der subjektiven Vorstellung und Darstellung der Individualitäten. Aber an diesem Punkt tritt das Verhältnis der Historie und der übrigen Individualwissenschaften zur Kunst in die richtige Beleuchtung. Wie der Künstler die individuellen Gestalten seiner Phantasie seinem Publikum zu einer lebendigen Anschauung bringen will, so obliegt es z. B. dem Historiker, Wirklichkeitsbilder so zu zeichnen, daß sie dem Leser anschaulich vor Augen treten. In der Wahl der Darstellungsmittel ist der Historiker wie der Künstler frei. Und zweifellos ist nach dieser Seite seine Arbeit eine Art von künstlerischer Betätigung. Im Übrigen aber liegen Kunst und Geschichte so weit auseinander wie die Jllusionswirklichkeit der ästhetischen Objekte und die reale Wirklichkeit der historischen Tatsachen. Und wie mit der Geschichte, so verhält es sich in dieser Hinsicht auch mit den übrigen Individualwissenschaften.

Auch auf dem Gebiet des anschaulich Allgemeinen besteht nun aber, wie in dem der Begrife, eine Unterschied höherer und niedrigerer Allgemeinheit. Es gibt über-, unter- und nebengeordnete Allgemeinbilder. Es gibt also auch Systeme von Allgemeinbildern, wie es Systeme von Allgemeinbegriffen gibt. Und im Grunde will jede Individualwissenschaft ein System dieser Art entwerfen. Das Aufsteigen in der Stufenreihe der anschaulichen Allgemeinheit aber scheint sich so zu vollziehen, daß wir etwa von einem einzelnen Objekt, das uns jeweils beschäftigt, einem physischen Ding oder Vorgang, einer geschichtlichen Begebenheit oder Persönlichkeit zu einem umfassenderen Ganzen, in welches das Ausgangsobjekt fällt, fortschreiten, von diesem Ganzen zu einem noch umfassenderen usw. In der Tat ist das Verhältnis des Ganzen und seiner Teile [heis1] für die anschauliche Verallgemeinerung grundlegend. Nur handelt es sich dabei nicht allein um räumlich oder zeitlich auseinanderliegende Teile, sondern auch um sachlich verschiedene Seiten, um verschiedene inhaltliche Elemente der in Betracht kommenden Ganzen. Welches von diesen Teilungsverhältnissen aber als das dominierende in den Vordergrund zu rücken ist, hängt von den besonderen Betrachtungsgesichtspunkten der einzelnen Individualwissenschaften ab. Für den Historiker z. B., der etwa die Geschichte der deutschen Kultur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart schreiben will, sind Teile seines "Ganzen" natürlich in erster Linie die zeitlichen Epochen, die sich ihm in jenem Gesamtverlauf voneinander abheben; aber in den Rahmen dieser Teilung fügen siche eine räumliche und eine inhaltliche ein: der Forscher wird auch die räumliche Differenzierung des kulturellen Geschehens in den verschiedenen Volksgruppen während dieser Epochen verfolgen, und er wird ebenso die verschiedenen Seiten der Kultur auseinanderlegen, zumindest also den Verläufen des politischen, wirtschaftlichen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen Lebens nachgehen. Welche Rolle übrigens das inhaltliche Teilverhältnis spielt, kann allein schon die Tatsache zeigen, daß es z. B. eine Religions-, eine Sprach-, eine Rechtsgeschichte, daß es ferner eine Geographie der Pflanzen, der Tiere, des Menschen usw. gibt. Auch diese Teilungen freilich müssen sich grundsätzlich immer den Gliederungsgesichtspunkten ein- und unterordnen, die für die betreffenden Individualwissenschaften die beherrschenden sind. Durchweg aber sind die kleineren und größeren sukzessiven oder simultanen Ganzen, in die sich den Individualwissenschaften das Wirkliche gliedert, zuletzt engere oder weitere Wirkungszusammenhänge. Das gilt auch von den anschaulich-beschreibenden Disziplinen wie der Geographie. Bei den genetischen Wissenschaften aber sind diese Wirkungszusammenhänge "Entwicklungen".

Allein man beachte nun wohl: das Ganze ist zunächst nur die Summe der Teile. Und die Einbeziehung des Teils ins Ganze ist zwar die Voraussetzung der anschaulichen Verallgemeinerung, aber nicht diese selbst. Man kann nicht etwa sagen, daß der Länderkomplex, den wir Europa nennen, ansich schon das Allgemeine ist, dem die einzelnen Länder als das anschaulich Besondere unterstehen. Die eigentliche Abstraktionsarbeit beginnt jetzt erst. Das anschaulich Allgemeine aller Stufen liegt aber, kurz gesagt, in der individuellen Struktur, die den Zusammenhang der Teile im Ganzen ausmacht. Wenn ich z. B. das Zeitalter der Renaissance überschauend charakterisieren will, so liegt das anschaulich Allgemeine dieser Epoche in der Gesamtheit der nach- und nebeneinander hervortretenden Züge, welche die Renaissance in der Mannigfaltigkeit ihrer regionalen Ausbreitung und in der Verschiedenheit ihrer zusammen und gegeneinander wirkenden Kulturelemente, vor allem aber in der Aufeinanderfolge ihrer verschiedenen Entwicklungsphasen als eine relativ in sich geschlossene sachliche Einheit erscheinen lassen. Die Abstraktion selbst aber besteht überall darin, daß ich an den einzelnen Erscheinungen oder Erscheinungskomplexen, von denen ich jedesmal ausgehe, das heraushebe, was dieselben mit anderen Erscheinungen oder Erscheinungskomplexen zu einem Ganzen zusammenschließt, was sie also zu Teilen des nächsten Ganzen macht, kurz: was an ihnen für dieses Ganze eine dynamische Bedeutung hat. Ganz ähnlich operiere ich, wenn ich von derart gewonnenen Ganzen aus noch höher emporsteige; wieder greife ich an den niedrigeren Ganzen die Züge heraus, die ihren Zusammenhang in einem übergeordneten Ganzen konstituieren. Wie weit aber die anschauliche Abstraktion jeweils aufsteigen kann, darüber kann überall nur das Tatsachenmaterial entscheiden. Für die Geographie z. B. ist zweifellos das oberste Allgemeine die Struktur der gesamten Erdoberfläche, die diese zu einer sachlich-dynamischen Einheit macht. Ob dagegen z. B.. die Historie die oberste Einheit der Universalgeschichte erreichen kann, ist sehr die Frage.

Das Gegenstück zur aufsteigenden Verallgemeinerung ist die Spezialisierung, die jeden Teil wieder als Ganzes betrachtet und so von höheren Allgemeinbildern zu niedrigeren herabsteigt. Eine selbständige Forschungsmethode ist das freilich nicht. Aber sie lehrt uns, daß die anschauliche Abstraktion, die überall zuerst das Ganze sucht und mit Rücksicht auf die Bedeutung für das Ganze im Einzelnen die Auswahl trifft, sehr tief unten einsetzen kann. Die absolute untere Grenze ist für diese - wie übrigens auch für die begriffliche Verallgemeinerung - das Einzelne schlechthin, die Masse der kleinsten materiellen Teilchen mit all dem, was an und mit ihnen jemals vorgegangen ist und vorgeht, und andererseits die Gesamtmasse der gegenwärtigen und vergangenen psychischen Erlebnisse. Die menschliche Forschung hat jedoch weder die Möglichkeit noch das Bedürfnis, diese Grenze zu erreichen und in dieser Tiefe mit der Verallgemeinerung zu beginnen. Eines aber steht fest: soweit die Individualwissenschaften in der Spezialisierung herabgehen mögen: immer muß in den Darstellungen der individuellen Zusammenhänge das ganze Gefüge der über-, unter- und nebengeordneten Individualitäten zur Geltung kommen, überall müssen die leitenden Allgemeinbilder der verschiedenen Stufen klar heraustreten, so daß das ganze individuelle Gerüst jener Zusammenhänge sichtbar wird. So allein vermögen diese Wissenschaften ihre Tatsachenkreise zu Individualsystemen zu machen. Und das unterscheidet die individualisierende Wirklichkeitsbetrachtung der Wissenschaft von den bloßen Tatsachenzusammenstellungen.

Das logische Verfahren der anschaulichen Abstraktion ist in seinen Grundzügen einfach genug. Aus der Versenkung in das Tatsachenmaterial erwachsen der Intuition des Forschers mit dem Einblick in die Gliederung des Stoffs die Allgemeinbilder der verschiedenen Stufen. Aber das sind nur vorläufige Ergebnisse. Die so gewonnenen Bilder müssen immer aufs Neue, in einer Art Reduktion, die das Einzelne immer wieder ins Licht des anschaulich Allgemeinen rückt, an den Stoff herangetragen und auf diese Weise verifiziert werden. So arbeitet der Historiker, so der Geograph, so arbeiten die Forscher alle, die sich die Erkenntnis individueller Wirklichkeit zur Aufgabe machen.

Ein wertvolles Hilfsmittel dieser Abstraktionsarbeit ist nun aber die anschauliche Verallgemeiner zweiter Ordnung. Es ist das Problem der Massenerscheinungen, um das es sich hier handelt. Der Historiker z. B. begegnet auf seinem Weg häufig genug Massen von Erscheinungen, von denen jede einzelne für ihn "unwesentlich" ist, die aber in ihrer Gesamtheit gescchichtliche Bedeutung haben. Was der einzelne Bauer, der einst am Bauernkrieg teilnahme, gedacht und gewollt hat, interessiert den Geschichtsforscher nicht, wohl aber, was sie alle in gleicher Weise empfunden und erstrebt haben. Dem Linguisten, der die Göttinger Mundart festhalten will, ist es gleichgültig, wie dieser oder jener Eingeborene Wörter wie Göttingen ausspricht, wohl aber möchte er wissen, wie dieselben im Mund des Göttinger Bürgers klingen. Ähnliches wiederholt sich in den übrigen Individualwissenschaften. In allen solchen Fällen aber verfährt die Forschung so, daß sie das Gemeinsame, das "Typische" an den Erscheinungen festhält, das singulär Verschiedene ausschaltet. Und bekannt ist, daß hier auch die Statistik der individualwissenschaftlichen Erkenntnis zu Hilfe kommt. Augenscheinlich ist das nun ein Verfahren, das sich mit der begrifflichen Abstraktion sehr nahe berührt. Und in der Tat ist es nicht zuletzt diese Ähnlichkeit gewesen, die den geschichtsmethodologischen Erwägungen BUCKLEs und LAMPRECHTs die Richtung auf das begriffliche Allgemeine gegeben hat. Auch diese Methode hat es aber schließlich auf Allgemeinbilder, auf Bilder von Massenbewegungen, Massenvorgängen, Massenzuständen, Massenstimmungen, Massenbestrebungen abgesehen, und es kann kein Zweifel bestehen, daß sie sich eben nur der anschaulichen Abstraktion erster Ordnung als ein Mittel, gewisse Bestandteile des Wirklichen individuelle zu bewältigen, einfügt und einfügen will.

Noch fragt es sich aber, welches das methodische Fundament der ganzen anschaulichen Abstraktion ist. Offenbar beansprucht die Individualwissenschaft für ihre Allgemeinbilder ganz ebenso eine objektive Geltung wie die Begriffswissenschaft für ihre Allgemeinbegriffe. Ist das berechtigt? Die Grundkategorie des Individualerkennens ist das Anschaulich-allgemeine. Wieder aber stützt sich dem natürlichen Denken der Glaube an die objektive Gültigkeit dieser Kategorie auf das Bewußtseins, daß deren Anwendung durch das "Gegebene" gefordert ist. Und wieder kündigt sich diese Notwendigkeit schon im Rahmen des primitiven Wahrnehmens an: in Urteilen wie "- der Kaiser", "- der Brocken" beziehen wir sinnlich gegebene Eindrücke auf individuelle und individuell gedachte Objekte. Die Wissenschaft aber gründet auf die Geltung der Individualkategorie das Postulat der Individualisierbarkeit des Tatsächlichen, das Vertrauen, daß sich die konkrete Wirklichkeit anschaulich-allgemein erfassen und in Individualsysteme einfügen läßt, ein Vertrauen, das wieder durch die wissenschaftliche Arbeit selbst tausend und abertausendfach bewahrheitet worden ist. Die Voraussetzung ist hierbei allerdings, daß im Tatsachenmaterial, genauer im "Gegebenen", zuletzt im Transzendenten, das als Gegebenes in unser Bewußtsein eintritt und unserem auffassenden Vorstellen als Wirklichkeit erscheint, jene Individualsysteme angelegt sind. Aber wenn dies von den Begriffssystemen gilt, warum nicht auch von den Individualsystemen? Es ist an der Zeit, daß wir jenem Rationalismus gegenüber, der nur das Allgemeinbegriffliche anerkennt, das wertvolle Erbe der Romantik, die dem Individuellen zu seinem Recht verholfen hat, endlich zu voller Geltung bringen.

Man wird einwenden, daß die Bestimmung und Scheidung der höheren wie der niederen Individualitäten darum nie eine feste und sichere sein kann, weil die Umgrenzung der Individualitätskreise - wie z. B. der geographischen Bezirke oder der geschichtlichen Epochen - doch stets etwas Künstliches, ja Willkürliches ist. Besonders abschreckend wirkt in dieser Hinsicht immer die herkömmliche Einteilung der sogenannten "Weltgeschichte" in Altertum, Mittelalter und Neuzeit. Man muß sich indessen von solchen Erinnerungen frei machen. Der Forschung, die sich in ihren Stoff vertieft, zerlegt sich ungesucht die simultane und sukzessive Wirklichkeit in weitere und engere natürliche Wirkungszusammenhänge. Zwar ist auch diese Abgrenzung nur eine relative, denn die Kontinuierlichkeit des individuell Wirklichen läßt nirgends absolute Einschnitte zu. Das bedeutet für die Individualerkenntnis eine Schranke. Allein eine analoge Schranke ist der begrifflichen Erkenntnis gesteckt. Während die Individualwissenschaft darunter leidet, daß ihre Allgemeinbilder vermöge der Kontinuität der Wirklichkeit sich nicht mit voller Bestimmtheit gegeneinander begrenzen lassen, haftet der Begriffswissenschaft der andere Mangel an, daß sie nicht imstande ist, mit ihren Begriffen die ganze Fülle des konkret Wirklichen zu erschöpfen. Hier ragt die große, für das menschliche Erkennen unausgleichbare Antinomie zwischen dem Kontinuierlichen und dem Diskreten in unser Problem herein. Und wir müssen uns mit dem Gedanken vertraut machen, daß Begriffs- und Individualkategorie menschlich-endliche Vorstellungsform sind, die uns in ihrem Zusammenwirken dazu helfen sollen, des Tatsächlichen erkennend Herr zu werden, und zu diesem Dienst zweifellos durch das "Gegebene" selbst, das ihre Anwendung fordert und ihnen damit Wirklichkeitswert verleiht, legitimiert sind, - Formen aber, die uns doch nicht die Möglichkeit geben, das Transzendente in der Wirklichkeitserkenntnis völlig adäquat und widerspruchsfrei zu fassen: sie suchen gewissermaßen von zwei verschiedenen Seiten her dem Transzendenten beizukommen, geraten aber, statt am Ziel zusammenzutreffen, schließlich selbst miteinander in Widerstreit. Allein das ist ein Verhängnis, das sie am Ende mit allen übrigen Formen unseres Erkennens teilen. Daran dürfen wir doch festhalten, daß sie beide "objektiv" begründet sind, so gut menschliche Vorstellungsweisen überhaupt begründet sein können. Zumindest aber ist soviel gewiß, daß das Prinzip der Individualwissenschaft denselben Anspruch auf objektive Geltung hat wie das der Begriffswissenschaft.

Vom leitenden Gesichtspunkt der anschaulichen Verallgemeinerung, der die gesamte individualwissenschaftliche Erkenntnisarbeit beherrscht, ist bereits auch auf die historische Abstraktion ein Licht gefallen. Deren besondere Eigenart wird uns jedoch erst klar werden, wenn wir das Tatsachengebiet kennen, in dem sich die geschichtliche Forschung bewegt. Damit tritt nun die Frage nach dem Gegenstand des geschichtlichen Erkennens an uns heran.

Die Antwort scheint nahe genug zu liegen: Geschichte ist, so wird man sagen, sofern sie Menschheitsgeschichte ist, die genetische Wissenschaft vom Menschengeschlecht. Allein es gibt bekanntlich noch eine andere genetische Wissenschaft vom Menschen, die mit der Geschichte nichts zu tun hat, die generelle biologisch-anthropologische Entwicklungsgeschichte, die die Abänderung und Differenzierung der körperlich-geistigen Organisation der menschlichen Spezies verfolgt. Welcher Art ist demgegenüber das genetische Ganz von Tatsachen, das wir "Geschichte" nennen, und mit dem sich die Geschichtswissenschaft beschäftigt? Daß es sich hierbei nicht etwa um das Arbeitsgebiet handelt, in dem der zünftige Historiker - sit venia verbo! [Man verzeihe den Ausdruck - wp] - oder der Lehrer der Geschichte sich betätigt oder betätigen soll, ist selbstverständlich. In jedem Fall sind nicht bloß Staat, Gesellschaft und Recht, sondern auch Sprache, Religion, Kunst, Wissenschaft und Technik, Wirtschaftsleben usw. geschichtliche Erscheinungen.

Dem Historiker, der irgendwo mit seinem Erkennen- und Begreifenwollen einsetzt, eröffnet sich schließlich stets der Blick auf einen umfassenden Entwicklungszusammenhang, in dem sich eine Summe von Erfahrungen, Gewohnheiten, Erinnerungen, Erkenntnissen, Errungenschaften, Stimmungen, Werturteilen, Willenstendenzen, Ordnungen und Erzeugnissen fortzieht, von jedem neuen Zeitalter aufgenommen, weitergeführt, bereichert und vor allem auch umgebildet. Jede Generation wächst in das Erbe der Vergangenheit hinein, jede aber erwirbt es in ihrer Weise neu und schafft es aus einem Eigenen um. Es ist jedoch nicht etwa ein großer geschlossener Zusammenhang, der sich der geschichtlichen Gesamtforschung letztenendes ergeben würde, es sind vielmehr viele Entwicklungen, mit denen sie zu rechnen hat, Entwicklungen, die großenteils miteinander nur lose verknüpft sind, und zwar nicht bloß in der Zeit auseinanderliegende, sondern auch zeitlich nebeneinander herlaufende: viele setzen unabhängig voneinander ein, wenn sie auch schließlich zusammenkommen oder doch in Berührung treten; viele, die anfänglich ineinander waren, trennen sich im Laufe der Zeiten, so daß sie die Fühlung miteinander mehr oder weniger verlieren. Immerhin: wenn man die Gesamtheit dieser Entwicklungen als Universalgeschichte bezeichnen will, so mag da geschehen. Alles aber kommt nun auf das Band an, das den geschichtlichen Entwicklungen ihre Einheit gibt, das überall den Zusammenhang des geschichtlichen Geschehens ermöglicht. Für die generelle Entwicklungsgeschichte der Menschheit ist das Binde-Element die physische Vererbung. Und augenscheinlich gibt es auf Seiten der Geschichte etwas Analoges. Jene Fortwälzung des geschichtlichen Erbes durch die Zeiten ist nichts anderes als eine Art geistiger Vererbung. Der Weg aber, auf dem sich diese Vererbung vollzieht, ist die Tradition - das Wort freilich in einem weiteren Sinn genommen, als der ist, den die Historiker in ihrer Quellenkunde damit verbinden: auch "Überreste", vor allem die geistigen und physischen Erzeugnisse der Generationen, sind ja hervorragende Vehikel der Tradition. Natürlich ist diese in allen Fällen physisch vermittelt: selbst die Sprache ist ja ein physisches Verständigungsmittel, und ebenso die Bücher, Kunstwerke, Urkunden, Denkmäler und dgl. physische Erscheinungen. Dennoch haben wir das Recht, hier von einem geistigen Forterben zu sprechen. Und Tradition in diesem Sinne ist es in der Tat, die die Lebensbetätigungen der verschiedenen Generationen miteinander zu einem geschichtlichen Zusammenhängen verknüpft. Vermöge der Mittel aber, mit denen sie arbeitet, vermag sie auch weit auseinanderliegende Zeiten in Fühlung miteinander zu bringen: so wird es möglich, daß z. B. religiöse, künstlerische, literarische Erscheinungen aus ferner Vergangenheit, selbst wenn sie Jahrhunderte lang fast verschollen waren, auf spätere Generationen mit unmittelbarer Lebendigkeit wirken können. Unter die Tradition fällt aber andererseits auch die reiche Fülle der Beziehungen gegenseitigen Nehmens und Gebens zwischen den Gliedern derselben Generationen: Tradition ist auch das Band, das die simultanen Erscheinungen zusammenknüpft.

So können wir sagen: die Geschichte, der Gegenstand des geschichtlichen Erkennens ist die Gesamtheit der durch geistige Vererbung, durch Tradition vermittelten Entwicklungen.

Inhaltlich betrachtet aber ist die Summe dessen, was sich in und mittels der Tradition sammelt und forterbt, augenscheinlich identisch mit dem, was wir "Kultur" nennen. Die Tradition vollzieht also eine Auslese: sie hebt aus der Gesamtmasse menschlicher Betätigungen die "geschichtlichen" heraus, und das sind die Kulturtatsachen.

Daraus ergibt sich, daß die Geschichte ihrem Wesen nach Kulturgeschichte ist. - Kulturgeschichte freilich nicht im Gegensatz zur politischen Geschichte: das politische Geschehen ist ein Teil des Kulturlebens. Welche Rolle aber der Staat in den einzelnen Kulturkreisen spielt, kann nur die geschichtliche Forschung selbst ermitteln. Von dieser muß auch die vergleichende Geschichtsbetrachtung ausgehen, wenn sie der theoretischen Kulturwissenschaft zu einem allgemeinen Urteil über die kulturelle Bedeutung des staatlichen Lebens verhelfen will.

Und noch eines wird uns jetzt klar. An der kollektivistischen Geschichtsauffassung der deutschen Romantik und der französisch-englischen Soziologie ist etwas Wahres, das auch an LAMPRECHTs Geschichtstheorie volle Beachtung verdient. Die Geschichte ist keine Ansammlung von Taten großer Männer, sie ist ein Strom kollektiven Lebens, der sich durch die Jahrhunderte hindurchzieht. Aber daraus folgt ganz und gar nicht, daß nur Massenerscheinungen geschichtliche Bedeutung haben können, und noch weniger, daß die Individuen lediglich untergeordnete Werkzeuge einer naturhaft verlaufenden Geschichtsbewegung sind. Die Individuen sind nicht bloß die Träger des geschichtlichen Geschehens, sie sind auch die alleinigen Ursachen aller geschichtlichen Abänderungen, die durchweg bestimmenden Faktoren der geschichtlichen Prozesse: auch Naturkräfte und Naturereignisse können auf die Geschichte nur durch die Vermittlung individuellen Geisteslebens hindurch wirken. Gewiß wird jedes Individuum in die Geschichte hineingeboren, und kein Mensch, auch nicht der größte, kann sich diesem Einfluß entziehen: all sein Tun und Leisten und Denken und Empfinden trägt den Stempel seiner Zeit. Die Kehrseite aber ist, daß mit jeden einzelnen menschlichen Individuum ein Novum in die Geschichte eintritt, daß jedes einzelne einen Betrag zur geschichtlichen Weiterentwicklung liefert: kein normales Menschenleben ist so arm, daß es nicht eine gewisse Wirkung ausüben würde, und wäre es auch nur eine solche, wie sie dem Wassertropfen zukommt, der ins Meer fällt. Nun verschmelzen sich allerdings der historischen Auffassung die Einzelbetätigungen der meisten Menschen zu kollektiven Erscheinungen. Allein einerseits wird sich auch an diesen dem Historiker, der sie anhand eines formalen Grundsatzes aller genetischen Forschung, des Postulats vom zureichenden Realgrund, zu erklären sucht, nur ein Teil als geschichtlich geworden erweisen; der andere Teil ist auch hier ein Neues, das zuletzt in individuellen Angelegenheiten seine Quelle hat. Andererseits darf die geschichtliche Bedeutung dieser Massenerscheinungen nicht überschätzt werden. Sie ist in den verschiedenen Gebieten verschieden: in der Geschichte der Sprache z. B. oder der Sitte ist sie erheblich größer als etwa in der politischen Geschichte. Im Ganzen aber ist so viel sicher, daß die entscheidenden geschichtlichen Wendungen in der Regel von führenden Einzelpersönlichkeiten ausgehen. Und nichts kann verkehrter sein als das Bemühen, die großen Männer ganz aus ihrer Zeit und den Umständen zu begreifen. Mag sich an ihrem Wirken und Wollen viel, sehr viel geschichtlich erklären lassen: immer trifft die Zergliederung doch schließlich auf ein letztes Originales, bei dem das historische Verstehen sein Ende hat. Zwar hat der Geschichtsforscher das Recht, auch die großen Entscheidungen selbst als Notwendigkeiten zu betrachten. Aber notwendig, "determiniert" sind sie eben nur als Ausflüsse des ursprünglich eigenen der Persönlichkeiten. So findet die kollektivistische Geschichtsauffassung in der individualistishen ihr Gegenstück und ihre Ergänzung, und nur zusammen sind beide wahr.

Als geschichtlich aber ist an den menschlichen Betätigungen das anzusehen, was in die durch Tradition vermittelten Entwicklungen in irgendeinem Grad als Neueinsatz hineinwirkt. Geschichtlich ist - das ist für das Verhältnis der Biographie zur Geschichte entscheidend - auch am Leben großer Persönlichkeiten nur, was in dieser Weise irgendwie und irgendwo in das geschichtliche Geschehen eingreift. Es läßt sich also kurz sagen: historisch ist was wirkt. Aber wohl gemerkt: was wirkt, nicht bloß: was nachwirkt. Geschichtlich ist ja wohl einerseits was auf die unmittelbare Folgezeit oder auf spätere Zeiten eine Wirkung übt. Geschichtlich ist aber auch, was auf die jeweilige Gegenwart bestimmend einwirkt. Ein Mann z. B., der auf seine Zeit starken Einfluß ausübt, ist, auch wenn er bereits in der nächsten Generation vergessen ist, eine historische Persönlichkeit.

Daraus folgt zugleich, daß auch die Gegenwart in die Geschichte inzubeziehen ist. Niemand wird leugnen wollen, daß der Geschichtsschreiber seiner Zeit großen Schwierigkeiten gegenübersteht. Diese liegen zunächst in seiner Subjektivität, die hier einer unbefangenen Auffassung des Geschehenden ganz besonders starke Widerstände entgegensetzt, da der Historiker doch auch ein lebendiger Mensch ist, der zu den Dingen der Gegenwart praktische Stellung zu nehmen kaum vermeiden kann. Dazu kommt, daß in vielen Gebieten, nicht bloß im politischen, für die jeweilige Gegenwart das historische Material, ohne das sich ein sicherer Überblick nicht gewinnen läßt, trotz aller Fülle meist recht lückenhaft ist. Indessen sind das nur technische Hindernisse. Grundsätzlich ist auch an dem heute Wirklichen jedenfalls das historisch, was für die kulturellen Lebenszusammenhänge der Gegenwart Bedeutung hat. Das freilich können wir nie sagen, daß nur diese Gegenwartserscheinungen historisch sind. Was heute noch nicht wirkt, kann in der nächsten Generation oder gar erst in späteren Zeiten wirksam und dadurch historisch werden. Aber Ähnliches gilt doch auch vom Vergangenen. Manche Erscheinung aus einer weit zurückliegenden Vergangenheit, die weder in ihrer Zeit noch der nachfolgenden und auch heute noch nicht zur Geltung gekommen ist, kann in der Zukunft eine Wirkung tun, von der wir heute noch nichts ahnen. Und manche, die einst wohl gewirkt hat, wird vielleicht in der Zukunft eine neue mächtige Bewegung entfachen, die ihre Bedeutung weit über das Maß der historischen Einschätzung hinausheben wird, das wir ihr heute gönnen. Wer im 3. oder 2. Jahrhundert vor Christus Geschichte der Philosophie schrieb, hat gewiß von einer starken Wirkung der platonischen und der aristotelischen Philosophie erzählen können; aber von der geschichtlichen Rolle, die die platonische Mystik in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung und in der ganzen Folgezeit, die ferner die aristotelische Wissenschaft im Mittelalter zu spielen berufen war, konnte er noch nichts wissen. Wir lernen daraus, daß, was an den menschlichen Begebenheiten geschichtlich ist, zu keiner Zeit abschließend bestimmt werden kann. Vielleicht läßt sich sagen, daß eine Erscheinung umso weniger Aussicht hat, in der Zukunft zu einer neuen Wirkung zu gelangen, und umso eher ein endgültiges Urteil über ihre Geschichtlichkeit zuläßt, je ferner sie der jeweiligen Gegenwart liegt. Aber auch das ist ja nur eine relative Wahrheit. Und wie die nähere Vergangenheit, so wird auch die Gegenwart hierdurch ganz und gar nicht aus der geschichtlichen Betrachtung ausgeschaltet.

Allein was sich uns so als geschichtlich ergibt, ist zunächst wieder nur eine unübersehbare Tatsachenmasse. Noch liegen ja vor uns die sämtlichen menschlichen Betätigungen, die irgendwie in die geschichtlichen Entwicklungen eingehen. Von dem, was ein Großer unter den Menschen für die Geschichte leistet, führt eine ganz allmähliche Gradabstufung herab zu dem kulturellen Beitrag des Tagelöhners, der die Gosse fegt. Und es fragt sich, wo für den Historiker die Grenze liegt. Das ist jene Frage nach dem geschichtlich Wesentlichen. Hier also setzt nun die anschauliche Verallgemeinerung in ihrer historischen Gestalt, die geschichtliche Abstraktion, ein. Wie dieselbe arbeitet und wie sie sich begründet, wissen wir bereits. Es ist im Grunde der gleiche Weg, wie der, den einst RANKE gezeigt und eingeschlagen hat. Mit der Gliederung des geschichtlichen Stoffes in engere und weitere sukzessive und simultane Wirkungszusammenhänge - also vor allem in größere und kleinere Epochen, ferner in gleichzeitig verlaufende, miteinander teils enger teils loser verknüpfte Entwicklungen und schließlich auch in die verschiedenen Bestandteile und Seiten der zu behandelnden Tatsachengebiete - geht Hand in Hand das Aufsteigen zu dem, was auf den verschiedenen Allgemeinheitsstufen den Zusammenhang konstituiert, mit RANKE zu reden: zu den beherrschenden Tendenzen. Auf jeder Stufe der historischen Verallgemeinerung aber hat das als wesentlich zu gelten, was für die Struktur des übergeordneten Ganzen von bestimmender, dynamischer Bedeutung ist. Auf diese Weise gewinnen wir einen Einblick in die geschichtlichen Individualsysteme, in die Wesenszusammenhänge des historischen Geschehens, in das indivduelle Getriebe der einander über-, unter- und nebengeordneten geschichtlichen Kräfte.

Daß hierbei auch die kollektive Auffassung wichtige Dienste leisten kann und muß, ist bereits angemerkt. Ihr Werkzeug ist jene anschauliche Verallgemeinerung zweiter Ordnung. Mit deren Hilfe gelingt es dem Historiker, die dunklen Unterströmungen des gesellschaftlich-geschichtlichen Lebens, die doch immer wieder an die Oberfläche herauftreten und ständig heraufwirken, zu fassen, und es wäre schlimm, wenn er für diese blind wäre.

Eines ergibt sich aus all dem nun freilich nicht mit voller Deutlichkeit: ein historisch Bedeutsames in einem absoluten Sinn gibt es nicht. Wir können von einer einzigen Erscheinung, die zum Kulturleben in irgendeiner Beziehung steht, schlechthin sagen, daß sie historisch durchaus unwesentlich ist. Es kommt, kartographisch gesprochen, stets auf den jeweiligen Maßstab an, in dem die Geschichte geschrieben wird. Wie groß derselben genommen werden, wie weit man in der Vereinzelung herabsteigen kann, zeigt die allerwärts eifrig gepflegte Lokalgeschichte zur Genüge. Die absolute untere Grenze für die geschichtliche Spezialisierung kann nur die Gesamtheit der kulturellen Einzeltatsachen selbst sein. Zwar hat sich in der Praxis der historischen Arbeit eine tatsächliche Grenze nach unten herausgebildet, wie einst die systematisch-beschreibende Naturwissenschaft sich eine solche in den infimae species [kleinste Art einer Gattung - wp] gezogen hat. Aber jene Grenze bestimmt zu bezeichnen, ist unmöglich. Wenn wir einen Historiker tadeln, daß er in die Darstellungen eines geschichtlichen Verlaufs Unwesentliches aufgenommen hat, so wollen wir ihm doch nur vorhalten, daß er auf der Verallgemeinerungsstufe, auf der sich seine Erzählung bewegt, von jenen Dingen hätte abstrahieren müssen. Wer die Entwicklung der deutschen Kultur im 18. Jahrhundert in großen Zügen verfolgt, darf nicht auf die besonderen Zustände, die etwa in Heilbronn oder Darmstadt oder Göttingen ums Jahr 1750 herrschten, eingehen, es sei denn, daß er denselben eine typischen Bedeutung für die Zeit zuschreibt. Gibt er dagegen seiner Darstellung einen entsprechend großen Maßstab, so sind diese Verhältnisse auch in ihrer individuellen Besonderheit ganz und gar nicht unwesentlich.

Für die geschichtliche Erkenntnis ist übrigens der Schaden, der ihr aus dem Fehlen eines absolut Bedeutsamen erwächst, nicht einmal sehr groß. Für sie hängt alles daran, daß die historische Verallgemeinerung selbst eine objektive Berechtigung hat, daß die geschichtlichen Allgemeinbilder auch auf den höchsten Stufen einen Wirklichkeitswert besitzen. Das allein gibt für den wissenschaftlichen Rang der Historie den Ausschlag.

Wo bleibt aber, so höre ich fragen, das ansich Große? Ist nicht dieses in erster Linie geschichtlich und geschichtlich bedeutsam? Die Antwort kann nur verneinend lauten: das ansich Große ist, soweit es nicht gewirkt hat oder wirkt, weder geschichtlich bedeutsam noch auch nur geschichtlich. Zwar können z. B. geniale künstlerische, wissenschaftliche oder religiöse Konzeptionen der Vergangenheit, die seither wirkungslos geblieben sind, dann zweifelloos als historische Erscheinungen betrachtet werden, wenn sie wenigstens jetzt wirken, wenn sie in der Gegenwart Anerkennung und Einfluß gewonnen haben. Dagegen ist es dem Historiker nicht gestattet, aufgrund eigener unbestimmter, d. h. weder auf vergangne noch auf gegenwärtige Tatsachen gestützter Vermutungen über ein mögliches künftiges Wirken eine Erscheinung, die ihm groß dünkt, als geschichtlich zu behandeln. Und an sich selbst interessiert ihn das ansich Große überhaupt nicht. Werturteile zu fällen ist nicht Sache der Historie.

Es ist ein anderes Interesse, das hier eingreift und mit dem geschichtlichen in Konkurrenz tritt. Es gibt noch eine andere Stellung zur Geschichte als die historische. Und es wäre verfehlt, ihr die Berechtigung abzusprechen. Der Mensch will, wenn er sich mit der Vergangenheit beschäftigt, nicht bloß erfahren, wie es gewesen und wie es gekommen ist. An großen Persönlichkeiten und Taten früherer Zeiten erheben und begeistern wir uns. Ihr innerer Wert spricht auch zu dem, der ihre historische Bedeutung vergißt. Und mancher Mensch der Vergangenheit, der nicht zu den Großen gehört hat, interessiert uns eben ur wengen seines Menschenwertes. Wer ferner vermag die Ilias, den Hamlet oder Faust nur vom literaturgeschichtlichen Gesichtspunkt zu lesen, wer ein Gemälde von RAPHAEL oder REMBRANDT nur mit dem Auge des Kunsthistorikers zu betrachten? Wem sind die Bergpredigt und das Johannes-Evangelium nur religionsgeschichtliche Dokumente? Und wer wollte darauf verzichten, von PLATO, ARISTOTELES, SPINOZA, KANT für die eigene Arbeit an den philosophischen Problemen zu lernen? Selbst dem Politiker muten wir ja, wenn auch meist erfolglos, zu, sich durch die Geschichte belehren zu lassen. Es ist die pragmatische Geschichtsbetrachtung, von der hier die Rede ist. Und es besteht kein Zweifel: wir würden unendlich arm werden, wenn man uns diese Quelle verstopfen, wenn man uns verbieten wollte, die Schätze an Weisheit, Erfahrung und Menschlichkeit, die für den Menschen in seiner Geschichte liegen, für die Gegenwart und die Zukunft nutzbar zu machen. Niemand aber kann hieran ernsthaft denken. Nur ein Doppeltes ist zu fordern. Einmal, daß die pramatische Betrachtung selbst sich durchaus auf einer streng historischen Forschung aufbaut. Sonst hängt sie in der Luft und arbeitet, statt mit historischen Erscheinungen, mit Phantasiebildern. Damit hängt das Zweite eng zusammen. Die pragmatische Betrachtung darf auf die historische keinen Einfluß ausüben. Man verstehe das recht! Es wäre eine öde Pedanterie, wenn man den temperamentvollen Geschichtsschreiber, der geneigt ist, über historische Persönlichkeiten oder Begebenheiten gelegentlich volle Schalen der Liebe oder des Hasses, der Bewunderung oder des Zornes auszugießen, um jeden Preis lahm legen wollte. Als äußere Darstellungsmittel sich auch Werturteile durchaus am Platz. Einen erbärmlichen Wicht, der einst in der Geschichte eine üble Rolle gespielt hat, in seiner ganzen Nichtigkeit zu brandmarken, ist unter Umständen die zweckmäßigste Weise, seinen Anteil am geschichtlichen Geschehen zu zeichnen. Nur das ist die Norm, daß in die Erfassung der geschichtlichen Zusammenhänge selbst kein fremdartiges, un- oder auch überhistorisches Motiv eingreift. Und nur eine in diesem Sinn objektive Geschichte ist zuletzt auch fähig, dem Menschengeschlecht Lehrmeisterin und Führerin auf seinem Weg zu sein.

Aber ist die Geschichte hierzu wirklich imstande? Viele bezweifeln das heute. Es ist ein Kampf gegen den Historismus im Gang, der auch die Geschichte selbst trifft. Von der historischen Denkweise fürchtet man gerade für die Ideale, für die die pragmatische Betrachtung in der Geschichte die Jllustrationen sucht, die Auflösung. Indem die Historie die sittlichen und kulturellen Werte und schließlich das Wahrheitsideal selbst als eben nur historisch gewordene und historisch wandelbare Größen ansehen lehrt, scheint dem Menschen all das, woran er im Leben und in der Wissenschaft einen fest Halt hat, unter den Händen zu zerrinnen. Dagegen kehrt sich die Reation. Sie äußert sich auch in jener Neigung, das geschichtliche Erkennen selbst "überhistorischen" Maßtstäben unterzuordnen. Man ruft nach absoluten Werten und absoluten Wahrheiten. Ich verkenne nun nicht, daß diese Tendenzen von einem mächtigen Zug, der durch unsere Zeit hindurchgeht, getragen und gefördert sind. Aber in der Wissenschaft wenn irgendwo tat Nüchternheit und Selbstbescheidung gut. Man kann heute nicht einfach den alten Rationalismus oder HEGELs Vernunftmetaphysik wieder aufnehmen. Die Lehren der entwicklungsgeschichtlichen und historischen Forschung der letzten sechzig Jahre, die uns Menschen das Bewußtsein unserer Götterähnlichkeit doch recht erheblich geschmälert haben, totschweigen, wäre eine Vogelstraußpolitik. Man kann sich ja wohl in die Jllusion hineinphantasieren, daß die Ziele und Ideale des menschlichen Strebens kosmisch-absolute Zwecke und die Formen des menschlich-endlichen Vorstellens Wesenheiten einer absoluten Weltvernunft sind. Aber solche Autosuggestionen und Suggestionen sind für die Wissenschaft eine zweifelhafte Grundlage.

Und sie sind auch durchaus überflüssig. Die sittlich-kulturellen Ideale wurzeln zuletzt im Selbstbehauptungstrieb, der im Persönlichkeitswillen des sittlichen Menschen seine spezifisch humane Gestalt erreicht. Unbedingte Werte aber sind sie für den Menschen, weil er ihnen eine entscheidende Bedeutung für eine vollkommene Lebensgestaltung, für eine vollkommene Befriedigung des Ichtriebs zuschreibt. Darum findet er in ihnen seine Pflicht und sein Glück. Gewiß wechseln die Menschheitsideale von Volk zu Volk, von Zeitalter zu Zeitalter, ja wohl auch von Person zu Person ihren Inhalt. Was sich aber überall, auf allen Entwicklungsstufen, zu allen Zeiten, an allen Orten, in allen Sittlichkeitsgestalten gleichbleibt, das ist jener Drang zu einem vollkommenen Leben, der den Menschen zum Menschen macht. Und aus diesem sittlichen Drang entspringt auch das menschliche Erkenntnisstreben. Das Erkennenwollen ist für den Menschen ein sittliches Lebensbedürfnis, und das Ideal, von dem es geleitet ist, das Wahrheitsideal, ist eine sittliche Norm - eine Norm, die der Erkenntnis dann Geltung zuerkennt, wenn die Urteile, in denen sie sich darstellt, durch tatsächlich Gegebenes gefordert sind. Die Aufgabe aber, die sich das wissenschaftliche Erkennen setzt, ist, das Transzendente, das sich dem Vorstellen in der Wirklichkeit erschließt, immer vollständiger und in einen immer genaueren Einklang mit dem "Gegebenen" zu bringen. In diesen wissenschaftlichen Lebenszusammenhang fügt sich auch die geschichtliche Forschung ein. Sie ist wie jede wissenschaftliche Arbeit eine Menschheitspflicht und ein Menschheitswert. An eine andere Norm aber und an einen anderen Maßstab als an das Wahrheitsideal ist auch das geschichtliche Erkennen nicht gebunden.


Hochansehnliche Versammlung! Auf dem Weg, den wir soeben gegangen sind, ist uns die Frage entgegengetreten, welche Bedeutung der Staat für das geschichtliche Leben der Völker und der Menschheit hat. In der gegenwärtigen Stunde stehen wir, glaube ich, alle unter dem lebendigen Eindruck, daß ein mächtiger Staat, der sich seiner sittlichen Aufgabe bewußt ist, der sicherste Hort der Kultur ist. Auch die Wissenschaft erkennt dankbar die Segnungen an, die ihr aus dieser Quelle fließen. Vom Staat aber, dem wir angehören, blicken wir empor zu dem Mann, der an seiner Spitze steht, der ihn mit starker hand und weisem Sinn leitet, zu unserem Kaiser und König. Ihm gilt heute unsere ehrfurchtsvolle Huldigung. Seine Majestät, der deutsche Kaiser und König von Preußen, Wilhelm II, er lebe hoch!
LITERATUR Heinrich Maier, Das geschichtliche Erkennen [Rede zur Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers und Königs am 27. Januar 1914 im Namen der Georg-August-Universität] Göttingen 1914